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Kalimar: Band 2
Kalimar: Band 2
Kalimar: Band 2
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Kalimar: Band 2

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About this ebook

Dem Berg Negroban waren die Gefährten in letzter Sekunde entkommen. Er hatte ihnen nochmals verdeutlicht, dass Kalimar ein Planet voller Gefahren und unbekannter Wesen war.

Mephistos Macht war allgegenwärtig, seine Gier tödlich und von Ungeduld getrieben – und so ließ er seinen mächtigsten Vasallen auferstehen: Sangul, den roten Fürsten.

Die Mission der Weggefährten wird zur Flucht und die Hoffnung Tassilo zu retten, versickert wie ein Rinnsal im Sand. Bald schon fordert die erbarmungslose Hatz ein erstes Opfer.
Ihre Freundschaft und ihr Vertrauen geben ihnen den Funken Hoffnung, der sie nicht verzagen lässt. Ein zerbrechliches Netz, geflochten aus Liebe und Mut, ist alles was ihnen bleibt.
LanguageDeutsch
Release dateOct 15, 2014
ISBN9783735714190
Kalimar: Band 2
Author

Robert Bielmeier

Robert Bielmeier, Jahrgang 1966, lebt mit seiner Familie südlich von München. Seit frühester Jugend begeisterter Geschichtenerzähler, gelangt er über Umwegen zu seiner verborgenen Leidenschaft – dem Schreiben von Romanen & Kurzgeschichten.

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    Kalimar - Robert Bielmeier

    1. DÄMONENJÄGER

    Wir sind, was uns bestimmt ist!

    So schnell sie konnten liefen sie den Abhang hinab. Ihre Hoffnung, vor der Reiterschar den Wald zu erreichen, trieb sie voran. Doch wieder war es die mangehafte Kondition von Cruz, die ihre Flucht deutlich verlangsamte.

    „Komm schon! Nur noch bis zum Wald. Wir müssen uns dort verstecken, bevor sie den Hügel erreicht haben", feuerte Tschaisn ihn an und zog Cruz am Oberarm mit sich. Nervös blickte Tschaisn sich um. Endlich schien das Glück auf ihrer Seite zu sein. Noch keiner von den unbekannten Reitern hatte die Hügelkuppe erreicht.

    Ohne Vorwarnung blieb Solei stehen. Scipio, der direkt hinter ihr gelaufen war, konnte ihr nur mit Mühe ausweichen. Mit starrem Blick fixierte Solei den Waldrand.

    „Dort lauert etwas. Ich kann es spüren", flüsterte sie.

    „Die Bosporans?", mutmaßte Seraphine. Sie zückte ihren Stock und ließ ihren Blick über die Baumgrenze gleiten.

    Solei nickte. „Ich kann keinen von ihnen sehen, aber ich weiß, dass sie sich dort verstecken." Sie griff in ihre Tasche und holte die Schleuder hervor.

    Scipio sah sie als Erster. „Seht, dort", rief er und zeigte auf sechs Gestalten, die im Abstand von fünfzig Metern aus dem Unterholz traten. Dieses Mal waren die Bosporans bewaffnet, jeder von ihnen trug einen silbrig glänzenden Krummsäbel. Drei kurze Schnalzlaute waren zu hören. Sofort wechselten die Bosporans in einen federnden Laufschritt.

    „Was jetzt?", fragte Seraphine und blickte Tschaisn unsicher an.

    „Wir brauchen Schusswaffen!, stellte Cruz nüchtern fest. „Warum habe ich nicht früher daran gedacht? Eine gute alte 45er Magnum und ich würde den Typen ihre hässlichen schwarzen Schädel wegblasen.

    „Lass stecken und zaubere lieber ein Maschinengewehr oder eine Flak aus deiner Trickkiste", bemerkte Scipio und wies mit der Hand den Hügel hinauf. Mehr als zwanzig Reiter hatten sich auf dem Bergkamm formiert.

    „Alter, die Jungs sind nicht zum Kuchenbacken hier, rief Tschaisn und ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Auf dem Hügel stand eine Streitmacht, die Tolkiens Orks standgehalten hätte. Groß gewachsene, vom Wind und Wetter abgehärtete Männer, die meisten von ihnen mit asiatischen Einschlag. Lange schwarze Haare zierten ihre Köpfe, manche zu Zöpfen geflochten, andere frei im Wind wehend. Ihre drahtigen, muskulösen Oberkörper glänzten in der Sonne. Ein ungeduldiges Wiehern hallte über die Steppe. Die sehnigen Pferde der Krieger tänzelten nervös und ließen sich nur mit Mühe zurückhalten. So stellte Tschaisn sich Dschingis Khans Mongolen vor. Mochten sich die Männer äußerlich gleichen, trugen sie doch die unterschiedlichsten Waffen. Bogen, Streitäxte, Lanzen, Krummsäbel, Kurzschwerter, Armbrüste oder Hellebarden. Zusätzlich besaß fast jeder von ihnen ein kleines Schild mit Eisendorn. Tschaisn fiel auf, dass die Krummsäbel der Krieger denen der Bosporans glichen. „Verdammt, die Bosporans, rief Tschaisn und wirbelte herum. Die sechs Dämonen befanden sich nur noch fünfzig Meter von ihnen entfernt. Sie waren stehen geblieben und starrten zu der zahlenmäßig überlegenen Kriegerschar hinauf.

    „Interessante Konstellation, befand Cruz und blickte zwischen ihren Verfolgern hin und her. „Jetzt fehlt nur noch Graulim, dann haben wir all unsere Feinde glücklich vereint.

    Keiner lachte.

    „Ich bin für Flucht, befand Scipio. „Finde keinen von denen sehr einladend.

    „Wartet, rief Solei, „da tut sich etwas.

    Tschaisn nickte, „Wenn sich zwei streiten …"

    Tatsächlich hatten sich einige der Reiter in ihren Sätteln aufgerichtet und zeigten aufgeregt auf die sechs Bosporans. Manch einer hob sein Schild und trommelte mit seinem Schwert dagegen. Der Anführer, ein Riese mit hüftlangem Haar, hob seine Streitaxt in die Höhe und stieß einen schrillen Schrei aus. Seine Krieger taten es ihm gleich und gaben ihren Pferden die Sporen. Im donnernden Galopp rasten sie den Abhang hinab – direkt auf Tschaisn und seine Weggefährten zu.

    „Wir müssen aus der Schusslinie, schrie Tschaisn, „mir nach! So schnell sie konnten rannten sie davon. Die Bosporans reagierten sofort. Mit großen Sätzen jagten sie ihnen hinterher. Auch die Mongolenreiter änderten ihre Richtung. Von oben betrachtet verhielt es sich wie ein Dreieck, dessen Spitze Tschaisn und seine Gefährten bildeten. Von unten rasten ihnen die Bosporans entgegen, von oben die säbelschwingenden Horde der Mongolenreiter. Schon nach wenigen Metern war klar, dass die Bosporans sie einholen würden, bevor die Reiterschar einschreiten konnte.

    „Vorsicht Cruz!", schrie Tschaisn. Der schnellste Dämon war nur noch fünf Meter hinter Cruz. Tschaisn wirbelte herum, um Cruz beizustehen, doch Solei war bereits stehen geblieben und hatte sich umdreht. Ihre Schleuder blitzte auf. Ein dumpfer Laut und der Bosporan überschlug sich mehrmals. Direkt vor Cruz, der wie versteinert zugesehen hatte, blieb er liegen. Tschaisn war mit drei schnellen Sätzen bei ihm und zertrümmerte ihr mit einem gezielten Faustschlag die Kehle.

    „Vorsicht!", schrie Seraphine, doch es war zu spät. Aus dem Augenwinkel nahm Tschaisn einen Schatten wahr. Bevor er reagieren konnte, traf ihn der Fuß eines Bosporans. Die Wucht des Schlages schleuderte ihn mehrere Meter durch die Luft. Er wusste sofort, dass die Kreatur ihm mehrere Rippen gebrochen hatte. Brutal schlug er auf den Boden auf. Wieder knackte es und ein stechender Schmerz schoss durch seine Brust. Nach Atem ringend blieb er im Gras liegen. Sekunden später stand der Bosporan breitbeinig über ihm. Seine Augen funkelten rot und mitleidslos. Dann beugte er sich nach hinten, wie eine Schlange, bevor sie zubeißt. Im nächsten Moment schnellte sein Kopf nach vorne und aus seinem Mund schoss ein glühender Feuerstrahl. Tschaisn konnte sich gerade noch wegdrehen und so traf ihn der siedend heiße Atem des Dämons nur an der Schulter. Der wolfsähnliche Fuß des Bosporans schnellte nach vorne und presste Tschaisn flach auf den Boden. Das war’s, dachte er erschöpft, als er den Krummsäbel im Sonnenlicht aufblitzen sah. In diesem Moment flog ein Schatten über ihn hinweg und der Dämon wurde nach hinten geschleudert. Lautlos, mit der Wut der Verzweiflung, hatte sich Seraphine auf die Kreatur gestürzt. Ihr geliebter Stock wirbelte wie eine entfesselte Furie durch die Luft. Der Bosporan, der mit dem Krummsäbel anscheinend nicht besonders gut umgehen konnte, warf ihn weg und wehrte Seraphines Schläge geschickt mit seinen kräftigen Unterarmen ab. Inzwischen hatte der nächste Dämon sie erreicht, packte Seraphine von hinten und schleuderte sie zu Boden. Katzengleich rollte sie sich ab. Scipio und Solei tauchten neben ihr auf. Tschaisn lag bewegungslos am Boden und blickte sie mit glasigen Augen an. Cruz stand wie gelähmt hinter ihnen, unfähig sich zu bewegen. Seraphine stieß einen Schrei aus und rannte mit erhobenem Stock auf die Dämonen zu; Scipio und Solei folgten ihr. Es war ein ungleicher Kampf, bei dem es nur darum ging, die Kreaturen von Tschaisn fernzuhalten. Während Seraphine mit zwei Dämonen auf Leben und Tod kämpfte, hatte Scipio es irgendwie geschafft, einen von den Bosporans mit einem Würgegriff am Boden zu halten. Ein anderer hatte Solei gepackt und sie sich unter den Arm geklemmt. Er streckte eine Hand nach oben und wollte gerade die Beschwörung sprechen, als Solei mit beiden Händen sein Gesicht packte und ihn zwang, sie anzusehen. Unwirsch riss er seinen Kopf weg, doch dann zögerte er einen Moment. Seine Augen, die bereits wieder himmelwärts gerichtet waren, kehrten nochmals zu Solei zurück. Mitten in seiner Beschwörung hielt er inne. Sein Gesicht erstarrte und verwirrt blickte er sie an. Vorsichtig strich Solei mit den Fingern über sein Kinn, ganz zart, fast ohne ihn zu berühren. Der Bosporan starrte sie mit großen Augen an und ein Seufzer entrang sich seiner Kehle. Sein Griff lockerte sich und Solei glitt zu Boden.

    In diesem Moment ertönte ein schriller, markerschütternder Schrei und etwas großes Silbernes rotierte durch die Luft. Die schwere Axt war perfekt geworfen. Lautlos enthauptete sie den Bosporan.

    „Neiiiinnn", schrie Solei und sah hilflos mit an, wie der leblose Körper des Dämons zu Boden fiel und sich in einem Lichtblitz auflöste.

    Verzweifelt schüttelte sie den Kopf und schluchzte.

    Der Anführer der Mongolenreiter sprengte herbei, beugte sich aus seinem Sattel und hob geschickt seine Axt vom Boden auf. Kämpferisch blickte er auf das am Boden kniende Mädchen. Als er sah, dass sie nicht verletzt war, riss er sein Pferd herum, um sich wieder ins Kampfgetümmel zu stürzen. In diesem Augenblick sprang einer der Bosporans mit einem mächtigen Satz auf das Schlachtross des Mongolenfürsten. Seine klauenbesetzte Hand umfasste den Kopf des Mannes und bohrte sich in dessen Schädel. Mit der anderen Hand entwand er ihm die Streitaxt, warf sie zu Boden und trieb dem Pferd seine Wolfsfüße in die Flanken. Wie von einer Tarantel gestochen, galoppierte das panische Tier davon. Noch immer hielt der Dämon den Kopf des Mongolenfürsten umklammert. Seine vor Entsetzen geweiteten Augen starrten auf die krallenbewährte Klaue, die sich langsam in seinen Brustkorb bohrte.

    Zufrieden grollte der Dämon, als er den rasenden Herzschlag des Mannes spürte.

    Der Mongolenfürst schrie auf und sein Hemd färbte sich blutrot. Der Bosporan brüllte ein abscheuliches Lachen und warf den Kopf nach hinten. Plötzlich verstummte er und ein gurgelndes Röcheln entrang sich seiner Kehle. Wie von einer unsichtbaren Faust getroffen, stürzte der Dämon samt dem Fürsten rittlings vom Pferd. Schwer schlugen sie auf dem Boden auf. Das Schlachtross wieherte panisch und verschwand im Wald. Der Bosporan hatte den Mongolenfürsten losgelassen und lag röchelnd auf dem Rücken. Aus seinem Schlund ragte der Schaft eines roten Pfeils.

    Der schwer verletzte Fürst lag stöhnend im Gras und versuchte sich mühsam aufzuraffen. Vergeblich, unfähig, sich zu bewegen, beobachtete er den Dämonen. Dessen Lebensgeister waren noch nicht erloschen. Mühsam richtete er sich auf und krabbelte auf allen vieren auf den Fürsten zu. Unsägliche Geräusche von sich gebend, kam er immer näher. Der Fürst erschauderte. Unter Aufbietung all seiner Kräfte gelang es ihm, sich aufzurichten. Doch ein brutaler Hieb des Bosporans streckte ihn erneut nieder.

    „Genug gespielt", ertönte eine scharfe Stimme. Ein Stiefel wirbelte durch die Luft und traf den Dämon im Gesicht. Der Pfeil brach und der Bosporan wurde auf den Rücken geschleudert. Vor ihm stand ein Mädchen, dessen langes, blondes Haar zu einem kunstvollen Zopf geflochten war. Sie trug eine wildlederne Hose, ein grobes, baumwollenes Hemd und hielt einen fein gearbeiteten Bogen in der Hand. In ihrem Gürtel steckten eine Peitsche und ein langer Dolch. Ihre strahlend blauen Augen blickten abschätzend zwischen den beiden am Boden kauernden Kontrahenten hin und her.

    „Seid ihr ein Dämonenjäger?", fragte sie den schwer atmenden Mongolenfürsten.

    Dieser nickte und versuchte sich unter Stöhnen aufzusetzen.

    „Dann solltet ihr in Zukunft vorsichtiger sein", befand die junge Frau.

    Mit einer fließenden Handbewegung zog sie ihre Peitsche aus dem Gürtel und ließ sie durch die Luft schwirren. Ein geschickter Hieb und das lederne Ende hatte sich um die Hände des Dämons gewickelt. Hilflos lag er am Boden.

    Das blonde Mädchen ging zu der röchelnden Kreatur und strich ihr zärtlich über die Stirn.

    „Es wird Zeit für dich zu gehen. Die Freiheit wartet auf dich."

    Die roten Augen des Bosporans blickten sie forschend an, ein Rucken ging durch seinen Kopf und eine kleine blaue Blase entwich seiner Stirn. Nachdenklich betrachtete das Mädchen die Blase, überlegte, ob sie sie zerstören sollte, entschied sich jedoch dafür, sie ungehindert aufsteigen zu lassen. Dann stand sie auf, zog ihren Dolch aus der Scheide und hielt ihm den Mongolenfürsten hin.

    „Ich töte nur, wenn ich muss. Dämonenjäger, er gehört euch. Macht es kurz, er hat genug gelitten."

    Ungläubig starrte der Fürst das Mädchen an. „Ihr wollt ihn mir wirklich schenken?"

    Sie nickte. „Ich weiß, dass ihr euch reiche Belohnung von jedem getöteten Dämonen versprecht. Doch ich strebe nicht nach dieser Art von Reichtum und jetzt beeilt euch, sonst kommt euch euer Tod zuvor."

    Der Fürst blickte auf sein blutdurchtränktes Hemd und seufzte. Schwerfällig griff er nach dem Dolch und robbte zu dem Dämonen hinüber.

    „Denkt daran, er soll schnell die Freiheit erlangen!", betonte das Mädchen nochmals und wandte sich ab.

    Der Mongolenfürst nahm all seine Kraft zusammen und rammte den spitzen Stahl in das Herz der wehrlosen Kreatur. Diese bäumte sich auf und ein langgezogener letzter Atemzug entwich seiner Lunge. Ein Lichtstrahl und der Bosporan war entschwunden.

    Als das Mädchen sah, dass der Bosporan von ihnen gegangen war, pfiff sie eine kurze melodische Melodie und aus dem Wald trottete ein prächtiger Rappe.

    „Steht auf", forderte sie den Fürsten auf und reichte ihm die Hand. Mit letzter Kraft und der Hilfe des Mädchens schaffte er es auf den Rücken des Pferdes.

    „Bescheuerte Rennerei, hechelte Cruz und ließ sich ins Gras neben Tschaisn fallen. „Da nützt mir mein ganzes Superwissen nichts, wenn ihr mich zu Tode hetzt.

    „Cruz, bitte, flehte Seraphine, die hinter Tschaisn kniete und seinen Kopf in ihren Schoß gebettet hatte, „hilf ihm, bevor es zu spät ist.

    Cruz schaute Seraphine wütend an, dann blickte er auf Tschaisn hinunter. Einen Augenblick rang er mit sich, dann wandte er sich an Seraphine: „Ich tue es nicht für dich, du schuldest mir also gar nichts."

    „Ich …", erwiderte Seraphine.

    „Halt den Mund", unterbrach er Seraphine und legte beide Hände auf Tschaisns Brustkorb.

    Dieser schaute ihn aus halb geschlossenen Lidern an. Ein dünnes Lächeln umspielte für einen Moment seine Lippen, dann verlor er das Bewusstsein.

    „Umso besser", befand Cruz und fing sofort mit dem Heilgesang an. Tschaisn stöhnte mehrmals auf, als sich seine Rippen mit leisem Knacken wieder zusammenschoben und zu heilen begannen; seine Ohnmacht bewahrte ihn vor weiteren Schmerzen.

    Ein paar der Dämonenjäger kamen näher und beobachteten Cruz aufmerksam. Vereinzelt murmelte einer von ihnen etwas oder nickte anerkennend. Während Cruz sang, strömte blaues Licht aus seinen Händen und umspielte Tschaisns Brust.

    Die Reiterschar hatte die Bosporans niedergerungen, jedoch vier Mann verloren. Respektvoll blickten sie auf Seraphine, die noch immer bei Tschaisn kniete und seinen Kopf hielt. Sie hatte gekämpft wie eine Löwin, wäre aber verloren gewesen, wenn nicht einer der beiden Bosporans von ihr abgelassen hätte um seinen beiden Artgenossen gegen die Dämonenjäger beizustehen. Scipio hatte irgendwann den Bosporan nicht mehr im Würgegriff halten können. Kaum hatte sich die Kreatur befreit, stürzten sich sogleich ein paar der Dämonenjäger auf sie. Es war ein ungleicher Kampf. Als nur noch Seraphines Dämon am Leben war, bildeten die Krieger einen Kreis um die beiden und beobachteten schweigend den verbissenen Kampf. Bosporans verfügen über fast unendliche Energie und haben so gut wie kein Schmerzempfinden. Sie verlieren Kämpfe, weil Körperteile nicht mehr funktionieren, nicht weil sie geschwächt sind. Seraphine konnte sich den Dämon vom Hals halten, ihn jedoch tödlich mit dem Bokken zu verletzen, gelang ihr nicht. Als Seraphine bemerkte, dass sie sich den wütenden Angriffen ihres Gegners nicht mehr lange erwehren konnte, bat sie einen verwegen dreinblickenden Dämonenjäger, den Kampf für sie weiterzuführen. Dankbar und ohne zu zögern, griff er den Bosporan an.

    „Diese Wunde wirst du so nicht schließen können", ertönte eine Stimme hinter Cruz, der bereits mehrmals vergeblich versucht hatte, Tschaisns verbrannte Schulter zu heilen. Hinter ihm stand ein junger, ausgezehrter Mann mit leuchtend blauen Haaren. Er war nur mit einer Hose bekleidet, stützte sich auf einen hölzernen Stab und hatte einen speckigen Beutel umhängen. Seine braun gebrannte Brust war von zahlreichen Narben bedeckt.

    „Faun", schrie Solei, sprang auf und fiel ihrem ehemaligen Meister um den Hals.

    „Faun, wie gut, dass du hier bist", wiederholte sie und fuhr ihm mit den Fingern durch sein wunderschönes blaues Haar. Aber das war nicht der alte Faun, wie sie ihn von Noris kannte. Sorgenvoll betrachtete sie sein abgemagertes Gesicht. Seine ehemals leuchtenden Augen lagen müde in dunklen, tiefen Augenhöhlen.

    „Solei, Kämpferin des Lichts, auf der Jagd, um zu retten die Nacht, sagte er leise und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Hand. „Ich freue mich, dich wohlauf zu finden. Wie ich sehe, bist du nicht mehr alleine.

    „Du siehst müde aus, Faun. Was ist passiert?", überging sie besorgt seine Frage.

    „Ein guter alter Bekannter wollte mich sehen – ich ihn aber nicht. Aber lass gut sein, jetzt ist alles wieder in Ordnung. Wie erging es dir auf Noris, nachdem ich gegangen bin?", fragte er, und Solei konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass nichts in Ordnung war. Aber sie kannte Faun gut genug, um zu wissen, dass er alle Fragen diesbezüglich nicht beantworten würde.

    „Halt dich fest, Faun, es ist so viel passiert, nachdem du gegangen bist. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe mich mit Lurchi angefreundet."

    Erwartungsvoll schaute sie ihn an, doch Faun schien nicht überrascht zu sein.

    „Du hast viel gelernt, meine kleine Sonne. Lurchi hat dir gezeigt, dass das scheinbar Böse immer auch ein gutes Gesicht hat. Merke dir diese Lektion und vergesse sie nie!"

    „Weißt du, wie es Lurchi geht?"

    Ein dunkler Schatten flog über Fauns gütiges Gesicht. „Ich fürchte, ich habe mich getäuscht. Lurchi ist tot."

    „Was?, schrie Solei auf. „Du hattest doch gesagt …

    „Pan hat ihn wenige Tage nach deiner Abreise aufgesucht. Der gute alte Lurchi hat sich geweigert, ihm dienlich zu sein. Die Erinnerung an dich war ihm mehr wert als sein Leben."

    „Wer ist Pan?", schluchzte Solei und merkte, wie es ihr den Hals zuschnürte.

    „Pan ist der gehörnte Mann, der, den ihr Teufel nennt."

    „Dann ist er jetzt endgültig gestorben?", schluchzte Solei und ein paar Tränen stiegen in ihr hoch.

    Liebevoll legte Faun seine Hände auf Soleis Wangen. „Weine nicht, Solei. Lurchi war sehr, sehr alt und es war an der Zeit, dass er in das allumfassende Sein zurückkehrt. Sei versichert, dass er jetzt glücklich ist und eine unschätzbare Erfahrung zum universalen Bewusstsein beigetragen hat. Er ist so viele Tode gestorben, jetzt darf er endlich sein."

    „Wer ist das?", fragte Scipio skeptisch, der plötzlich neben Solei stand.

    „Ein guter Freund, Scip. Ein wirklich guter Freund."

    Mit einem gutmütigen Lächeln verneigte sich Faun. „Namaste. Sei gegrüßt."

    „Namaste irgendwas. Vermute, ihr habt im letzten Leben miteinander rumgemacht?"

    Faun lachte laut auf. „Ja, das kann man so sagen."

    „Seht", schrie plötzlich einer der Dämonenjäger und wies mit seinem Speer nach Norden. Aus dem Wald war ein Rappen getreten, der von einer schlanken Frau an den Zügeln geführt wurde. Sie trug einen Bogen und auf dem Pferd kauerte ein Mann, der sich nur mit Mühe im Sattel halten konnte. Die Krieger stellten sich im Halbkreis auf und hielten ihre Waffen bereit. Als die Fremde nur noch hundert Meter von ihnen entfernt war, richtete sich der Mann im Sattel auf und winkte kraftlos.

    „Das ist Brachnar", rief einer der Männer, und sofort rannten mehrere los, um ihrem Anführer beizustehen.

    „Die Brandwunde überlässt du mir, befahl Faun an Cruz gewandt. „Hier ist Magie im Spiel. Sobald ich Brachnar versorgt habe, komme ich zurück, sprach er und lief davon.

    Im Nu waren die ersten Krieger bei Brachnar angekommen und hoben ihn behutsam aus dem Sattel. Faun beugte sich über den Mongolenfürsten und fing sogleich mit der Behandlung an. Seine Hände wanderten über die Brust des Fürsten und eine liebliche Melodie war zu hören. Brachnar stöhnte.

    Das blonde Mädchen stand einen Moment neben Faun und beobachtete ihn, dann wandte sie sich ab, nahm ihren Rappen am Zügel und hielt direkt auf Solei und ihre Gefährten zu.

    „Wer ist das?", fragte Seraphine und blickte der jungen Frau neugierig entgegen.

    „Ihr Anführer, meinte Scipio. „Ich habe gesehen, wie ihn einer der Bosporans angegriffen hat. War nicht gesund, was der mit ihm angestellt hat. Vermute, das Mädchen hat ihn gerettet. „Ich meine das Mädchen, wiederholte Seraphine. „Wer ist sie?

    Aufrecht und mit stolzem Blick schritt das blonde Mädchen, ihr Pferd am Zügel führend, an den wartenden Dämonenjägern vorbei. Neugierige Blicke musterten sie. Einige Rufe erklangen. Als einer der Männer vortrat, um ihr den Weg zu versperren, starrte er unvermittelt in die Pfeilspitze ihres Bogens. Schneller als man blinzeln konnte, hatte sie ihren Bogen gezückt. Sofort erhob sich ein wütendes Gemurmel. Unbeeindruckt stand die junge Frau mit gespanntem Bogen vor dem Krieger, der sie aufhalten wollte; die Spitze ihres Pfeils nur wenige Zentimeter von seiner Stirn entfernt.

    Die Situation wäre wohl eskaliert, hätte der Dämonenfürst nicht einen weithin hörbaren Befehl geschrien. Er hatte sich aufgerichtet, während Faun sein Gesicht verarztete.

    Seine Männer wichen zurück und gaben den Weg frei. Mit einer kaum sichtbaren Bewegung verschwanden Pfeil und Bogen hinter dem Rücken der Blonden. Ruhig ging sie weiter, direkt auf Solei und ihre Freunde zu.

    --

    Neiiinnn, das Erwachen mir zerstört den zarten Traum des Glücks. Eile zurück ins Reich der Träume, will ihn festhalten, nur einen Augenblick. Vergebens, fort ist er. Zerflossen wie Wasser zwischen den Fingern.

    Warum? Warum nur Gedanken, fort mit euch. Ewige Finsternis aus Leid und Grauen; bevor ihr kamt, mir ein Lichtschein ist erschienen. Eine Stunde seliger Schlaf pro Tag ist mir vergönnt. Könnt ich nur schlafen jahrelang. Schwarz wie die Nacht, traumlos, ich bin’s gewohnt. Doch heute mir ein Traum erschien. Welch für ein Gefühl ich empfand. Neu, noch nie empfundenes Verlangen. Nicht ich war das Wollen, es lag außerhalb. Verwirrt, verwirrend, was geschieht mit mir? Solei, du warst bei mir. Kann’s sein? Zartes Geschöpf, dein Herz mich füllt, mich nährt. Angst, Angst in mir, sie zu verlieren. Schon oft ich dachte an Erlösung. Zartes Weib, du ewig bist mir ein Verlangen. Doch immer wenn ich nach der Frauen Seelen griff, war die Labsal mir wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Gäbe es auch nur einen Augenblick des Glücks für mich, nähme ich jedes Leid in Kauf. Sehne mich danach, endlich einmal satt zu sein, doch mein Hunger hört nie auf.

    Und jetzt? Im dunklen, schwarzen Schlaf besuchte mich ihre Seele. Noch nie mir dieses widerfuhr. Durch ihre Augen ich die Welt gesehen. Welch Glück, als ich ihre Freunde sah – ein Herz plötzlich in mir schlug.

    Ich könnte heulen ob des Pochens in meiner Brust. Ein Schlag wie Erfüllung, zwei Schläge Sehnsucht in mir weckt, drei Schläge ein Leben ohne Hass, ohne Gier – ohne Verlangen.

    Der Hunger hört nie auf. Was ich gefühlt – allein des Worts Bedeutung mich schreckt – was ich gefühlt, galt nicht mir! Es galt den anderen. Den anderen? Der Blick nach draußen, vielleicht der Schlüssel ist? War’s Liebe – diese ewig Verlockende, ich nie durfte sie spüren – die mich verzauberte. Solei, Mädchen jung und rein – deine Seele soll meine sein. Ich muss sie finden, jetzt sofort!!

    Mit donnerndem Schritt er aus dem Saale schreitet, das Fundament erschauert. Alles Leben sich versteckt.

    „Orfus", die Hand ins Feuerbecken tauchend, er verlangt nach dem Knecht. Brüllt im Geiste und zählt die Sekunden.

    Mit einem Schlag der Gerufene vor ihm steht. Tief das Haupt sich gegen den Boden neigt.

    Verlangen sei gebändigt, er sich ermahnt, was ist mit Orfus?

    Ich sehe Schuld.

    „Sprich", er gefährlich flüstert.

    Eine Gedankenblase er ihm reicht. Der Fürst sie nimmt und den Finger in sie bohrt.

    Momente des Grauens für Orfus, der geknickt vor dem Fürsten kauert und wartet.

    „Alle tot! Sechs Diener verloren und nichts gewonnen. Wo war er selbst als es

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