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Kinder der Charisma
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Kinder der Charisma

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About this ebook

Ein bisschen Hobbykicken auf Madeira – zum Abschluss der Saison und Karriere.
Für die Jugendlichen des SSV Mertingen wird dies zum Alptraum!
Knapp einer Katastrophe entgangen muss ihr Flugzeug eine dramatische
Notwasserung durchführen, und die Passagiere treiben in ihren Rettungsinseln mitten auf dem Atlantik.
Die Hobbykicker/innen aus Mertingen versuchen das Trauma des Absturzes aufzuarbeiten. Eine schwierige Mission.
Und dann treffen sie auf ein Schiff - die „CHARISMA“ - und werden gleich vom nächsten Trauma überrannt ...
LanguageDeutsch
Release dateApr 17, 2013
ISBN9783848291939
Kinder der Charisma

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    Book preview

    Kinder der Charisma - Sebald Weindl

    Michael

    Für Nik Stepper war es bereits der 7. Tag, an dem er nur noch sporadisch aus dem Bett kam.

    Er fühlte sich elend, hundeelend, wie noch nie in seinem Leben. Er ließ es sich nicht anmerken, aber es wurmte brutal, dass ausgerechnet ihn, den nichts so leicht aus der Bahn warf und auch immer frei von Verletzungen blieb, so eine einfache lächerliche Grippe vollständig flach legte.

    Bei kleinen Mädchen, Frauen und Männern über fünfzig, ja, da kommt es öfters vor, dass sie dermaßen erschlagen nicht mehr von der Bettkante aufkommen, aber er, mit seinen rüstigen 24 Jahren, das war einfach nicht zu fassen! Bisher war eigentlich alles, was irgendwie mit Krankheiten zu tun hatte, an ihm vorübergegangen.

    »Bei mir prallt alles im Vorfeld ab, mein Abwehrbollwerk haut alles weg!« Das war immer sein Spruch, wenn andere rumschneuzten und über Fieber und Übelkeit jammerten.

    Es gab bei ihm selbst bei Kinderkrankheiten eine Fehlanzeige, worauf er stolz war. Nur einmal kam der Verdacht auf, sein Bollwerk hätte versagt und hätte die grassierenden Windpocken durchgelassen.

    Aber es schien nur so, die juckenden Pusteln waren das Ergebnis einer stundenlangen Balgerei im Heu in der Tenne eines Großvaters gewesen. Also nichts war’s damals mit Krankheit! Wäre auch noch schöner gewesen, ausgerechnet dieses Kind, von dem seine Eltern immer sagten, dass es weit und breit das unkomplizierteste Baby war. Wie er einmal erfahren hatte, wurde seine Mutter deswegen von allen anderen Müttern beneidet, auch weil er noch so süß und entzückend aussah – damaliger Sprachgebrauch. Die anderen bedauernswerten Eltern schlugen sich mit ihren Schreihälsen die Nächte um die Ohren, aber nicht der liebe kleine Nick. Er war wirklich das Vorzeige-Kind schlechthin. So wie man ihn in sein Bettchen legte, so wachte er am Morgen wieder auf. Durchgeschlafen in einem Stück, ab und zu ein kleines Raunzen, aber das war’s auch schon. Als Kind konnte er die Geschichten nicht oft genug hören und war mächtig stolz darauf, und dieses Musterkind sollte auch immer gesund bleiben, bis zum 2. August dieses Jahres. Für sein Abwehrbollwerk wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen, die es gab.

    Die Abwehr kämpfte Tag und Nacht, 24 Stunden am Tag um Nik’s Gesundheit zu erhalten. Aber irgendwann brach an irgendeiner Stelle ein Damm und die Angreifer konnten in Nik’s Hoheitsgebiete eindringen, und das Zentrum seiner Gesundheit ausschalten, noch besser gesagt, vernichten!

    Und sie leisteten ganze Arbeit.

    Morgens hatte er sich noch topfit gefühlt, doch vormittags beim Rasenmähen merkte er, dass etwas nicht mehr so recht stimmte. Er merkte die Anstrengung, die eigentlich keine war. Ihm wurde heiß und kalt, Übelkeit setzte ein, und nachmittags lag er bereits im Bett.

    Anfangs war er trotz seines schlechten Zustands noch locker drauf, dachte bis morgen sei er wieder fit. Aber als es weiter in den Keller ging und das Fieberthermometer an die vierzig Grad anzeigte, wurde er, Nik, zum ersten Mal nachdenklich. Noch dazu war der Kellerboden noch nicht erreicht.

    Das kam erst am nächsten Tag abends, als das Quecksilber fast die 41 erreichte, das Aufstehen ohne fremde Hilfe nicht mehr ging und er das Gefühl hatte zu verglühen.

    Aber einen Arzt wollte Nik absolut nicht in seiner Nähe sehen, keines-falls, sein Körper heilt sich selbst, ganz bestimmt!

    Nur konnte er seine Mutter mit solchen Aussagen nicht mehr überzeugen.

    »Entweder ich hole jetzt Dr. Dorner oder ich wähle die Notrufnummer. Dann bringen sie Dich ins Krankenhaus und ehrlich, das wäre mir auch lieber, Du Dickschädel.«

    Dorner oder Krankenhaus? Da wäre der Doc vielleicht doch die bessere Alternative.

    »Also gut Mam, Dr. Dorner und ein Sieg für Dich.«

    »Red ’ keine Blödsinn Nik, ein Sieg für Dich, theatralischer geht’s wirklich nicht mehr oder?« Wir machen uns die größten Sorgen um Dich, bei 42 Grad Fieber ist Schluss. Dann gerinnt das Eiweiß im Blut!«

    »Stimmt nicht, Mam, auf 42 steigt kein Fieber, darüber habe ich erst irgendeinen Bericht gesehen.« Aber eine kleine Unsicherheit war ihm anzumerken.

    »Nik!« Seine Mutter stemmte die Hände in die Hüften und ihre Augen verengten sich. Das war deutlich.

    »Ist ja gut, ist ja gut, ruf ihn schon an. Den werd’ ich auch noch überleben.«

    Kurz nach acht öffnete sich Nik’s Schlafzimmertür.

    »Guten Abend Nik, na, jetzt komm ich auch mal zu dem Wunderkind der Familie, das noch nie bei mir in der Praxis war. Na, dann schau’n wir mal, richte Dich bitte mal auf.«

    Nik nahm seine ganze Kraft zusammen, setzte seine Ellbogen ein, so gut es ging, und schaffte es gerade so.

    »Entschuldigung, aber…«

    »Kein Problem, ich helf’ Dir.« Dorner griff ihn an die Schultern und zog ihn mit hoch.

    »So, alleine sitzenbleiben, nicht umkippen, geht’s? Er horchte ihn an Rücken und Brustkorb ab, klopfte an die verschiedensten Stellen und meinte schließlich er könne sich wieder zurücklehnen. Nichts leichter wie das.

    »Durchfall, Erbrechen?«

    »Nur gestern Nachmittag.«

    »Appetit?«

    »Absolut Null!«

    »Ich hoffe Du trinkst wenigstens viel?«

    »Ich weiß das sollte ich, aber ich muss mich sogar quälen etwas runter zu bringen.«

    Dorner wurde ernst. »Am liebsten würde ich Dich ins Krankenhaus stecken und das ist mein Ernst, bin in diesem Punkt nicht witzig. Ich weiß Du bist sportlich aktiv, hast gute Konstitution, bist eigentlich nie krank und trotzdem geht’s Dir miserabel.«

    »Na ja? ich,…«

    »Nichts na ja, ich habe selten jemanden gehabt, der morgens noch fit und fidel herumlief und abends in so einem desolaten Zustand da liegt!«

    «Und die Diagnose, was fehlt mir?«

    »Ich tippe auf einen Virus. Warst Du irgendwo in Urlaub, im Ausland?«

    »Das kommt noch.«

    »Hoffentlich nicht bald, denn das da wird noch eine ganze Weile dauern.«

    »Also, ich möchte schon, dass das in einer Woche ausgestanden ist. Nächsten Freitag fliegen wir.«

    Dorner zog die Augenbrauen hoch, was seiner Skepsis noch eine Steigerung gab.

    »Also auf das Datum würde ich mich nicht festlegen, da muss schon noch einiges passieren, dass wir das hinbekommen. Wo soll’s denn hingehen? Hoffentlich nicht nach Grönland oder in die Arktis?«

    Nik lächelt, was Ihm schwer viel. »Nein schon etwas weiter südlich nach Madeira!«

    »Schöne Insel, den Flug schon gebucht?«

    »Selbstverständlich, schon lange!«, erwiderte Nik.

    »Na gut, ich schreib Dir jetzt ein paar Dinge auf, die Du konsequent, und wenn ich konsequent sage, dann meine ich konsequent einnehmen wirst. Auch ein leichtes Antibiotikum ist dabei.«

    »Ich dachte immer das Zeug hilft bei Viren nichts?«

    »Gut gedacht junger Mann und diese Zeug, wie Du es nennst, ist als Vorbeugung gedacht, weil sonst ein gewisser Herr Steppner auf Madeira hinten mit einer Lungenentzündung herläuft und vorne mit einer Rippenfellentzündung und dann wird die ganze Sache erst richtig lustig!«

    »Entschuldigung, äh, ich habe das nicht so gemeint. Das kommt vielleicht davon, dass ich bisher so gut wie nie mit Ärzten zu tun hatte.«

    »Kein Problem, ich hab in meinen dreißig Jahren schon alles erlebt.«

    »Trotzdem, das ist sonst nicht so meine Art. Ich glaube ich kann nicht mehr richtig denken.«

    »Passt schon, aber ich übertreibe nicht.« Dann zeigte er auf seine Wasserflasche neben seinem Bett. »Von denen trinkst Du heute mindestens noch eine und morgen tagsüber an die drei. Du hast einen großen Flüssigkeitsverlust oder muss ich die Mutter raufschicken, dass sie Dir die Flasche gibt.«

    Nik quälte sich wieder zu einem Lächeln. »Nicht nötig, aus dem Alter bin ich seit ein paar Monaten raus.«

    »Fein, Humor hat er noch und vergiss in Deinem Humor nicht die Medikamente zu nehmen, sonst muss ich doch das Deiner Mama ans Herz legen, dass sie auf ihr großes Bübchen aufpasst! So, das war’s fürs erste. ich schaue morgen nochmals vorbei, alles Gute!«

    Als sein Doc aus dem Zimmer ging und die Tür ins Schloss schnappte, begann Nik nochmals diese viertel Stunde zu verarbeiten. Ihm war nicht mehr so wohl in seiner Haut. Dorner, so schätzte er ihn ein, war nicht der Mann, der besonders bei jungen unbekümmerten Leuten bewusst dramatisierte, weil sie sonst alles zu sehr auf die leichte Schulter nehmen würden.

    Nein, so unscheinbar der Mann auch daher kam, Nik glaubte ihm jedes Wort.

    Das war vor 7 Tagen.

    Und heute war der erste Tag, an dem er sich ohne etwas vorzumachen sagen konnte, es geht etwas besser. Hundeelend fühlte er sich immer noch, aber irgendwie nahm er seine Umgebung wieder besser wahr. Das Fieber schaffte es zwar noch an die 40 Grad Marke und er hatte immer noch das Gefühl innerlich zu verglühen, aber irgendwie merkte man den Umschwung zum Besseren.

    Was nach wie vor hartnäckig blieb, das waren seine Gelenkschmerzen, und besonders ekelhaft der Schmerz im Genick.

    Nik spürte wie sein Atem nun ruhiger wurde. Gleiches galt für sein Herz. Es hatte die letzten Tage so intensiv gepumpt, dass an Schlaf wenig zu denken war.

    Er drehte sich zur Seite um an das Päckchen Tabletten zu kommen. Anfangs überzeugten diese Dinger ihn nicht besonders aber ohne, wäre es nicht gegangen. Das musste er zugeben. Der Griff zur Wasserflasche ging ebenfalls besser, auch wenn die Hände zitterten wie das berühmte Espenlaub.

    Sein Appetit auf etwas Essbares war noch in weiter Ferne, aber mit dem Wasser ging’s jetzt zumindest besser. Tapfer wurden die Flaschen geleert, obwohl ihm diese öde Flüssigkeit buchstäblich schon zum Halse raushing!

    Mit einer Drehung ging es wieder zurück ins Kissen und wurde gleich daran erinnert nicht zu euphorisch zu sein. Ein Schmerzimpuls jagte zum Genick, zurück zu den Schultern und hinab in die rechte Hüfte. Verdammt!

    Sein Kissen knäulte er noch härter zusammen und schob es unter seinen Nacken.

    Seine Hände ließ er unter dem Kissen, was dem ganzen einen etwas relaxen Eindruck verlieh. Wie im Liegestuhl. Dann schloss er die Augen.

    Nik hatte die letzten Tage viel nachgedacht. Es kam Ihm dann auch immer wieder mal etwas lächerlich vor. Diese Gedanken, wie wenn’s schon so weit wäre, dass er sein Testament machen müsste. Und trotzdem, diese miserable Verfassung, das intensive Pochen seines Herzens Tag und Nacht, dass Du dich irgendwann fragst, wie lange das deine Pumpe noch durchhält.

    Dann die strikte Ansage vom Doc wenn es morgen nicht besser ist, kommt der Krankenwagen, das ließ doch eine gewisse Angst in Ihm aufkommen und ihn nachdenklich werden.

    Irgendwie passt der Spruch, dass die Krankheit die Sinne schärft. Da fließt Dein ganzes Leben an Dir vorbei. Man weiß das von Menschen, die tagelang irgendwo eingeklemmt, Stopp Nik! Werd’ nicht so dramatisch, außerdem brauchst Du dich mit deiner Virusinfektion oder was das auch immer ist nicht zu beschweren und eine Jammerei zu starten. Du liegst auf keiner Intensivstation und bis jetzt nicht mal im Krankenhaus. Und da wollte er auch nicht hin.

    Er verscheuchte diese Dramatik und schwenkte um in sein Berufsleben. Das war eigentlich bis zum letzten Tag des letzten Jahres ganz in Ordnung gewesen, obwohl er seinen Beruf als Bankkaufmann nicht unbedingt als Traumberuf bezeichnen würde. Aber das Betriebsklima war wirklich gut.

    Konrad der Zweigstellenleiter war schwer in Ordnung, genauso Gaby seine Kollegin, zwei Jahre älter als Nik. Sie hatten es überwiegend mit angenehmen Kunden zu tun. Diese schätzten die familiäre Filiale, die noch dazu in einem denkmalgeschützten Fachwerkhaus untergebracht war. Es war ein gemütlicher und etwas kindlicher Charme, ein Gebäude aus Omas Puppenhaus.

    Nur, die knallharte Bankenlandschaft machte weder vor Fachwerkhäusern, noch vor lieblichen Puppenhäusern halt.

    Das Gerücht kursierte bereits letzten Sommer, dass Ihr Puppenhaus, bereits Anfang nächsten Jahres, eine anderweitige Nutzung bekommen würde.

    Dieses Futter, einmal ausgestreut, verfehlt nie seine Wirkung. auch wenn Du nichts von diesem Zeug an Dir ran lässt, ein kleines Körnchen hast du immer aufgenommen!

    Die Stimmung unter Ihnen veränderte sich. Fast nicht spürbar, aber die Leichtigkeit in der Stimme, die gelassene Atmosphäre in den Räumen, der einzigartige Flair der hier rum wehte, all das bekam kleine Risse.

    Und dann all die Dementis! Nein, nein, die Filiale hat gute Zahlen, ist in einem putzigen Gebäude, das die Kunden lieben, nein, nein, da ist nicht dran!

    So wurde das Gerüchtefutter beiseite gewischt, aber doch nicht ganz, ein paar Krümelchen bleiben immer. Und diese Krümelchen wachsen heran, und werden immer größer, bis sie platzen!

    Und den Knall gab es am 28. August. Das wurde verkündet, dass Ihre Zweigstelle

    zum Jahresende schließt. Anpassung und Gewinnoptimierung so hießen heute einige der Zauberwörter. Die Konkurrenz eröffnet Filialen und sie machten eine dicht. Tja, so ist das eben heute.

    Nikodemus, Nikodemus! – Eine Stimme drang an sein Ohr, und dann war er auch schon wach. Nik hatte geschlafen, und auch noch gut, das war das schönste Erlebnis seit langer Zeit. Und das allerschönste war, dass es diesmal keinen von diesen blödsinnigen Träumen gegeben hatte, das regte ihn schon langsam auf. Ständig dieser Käse hoch drei in seinem Kopf. Aber diesen schön wär’s.

    »Nikodemus, Telefon! Bist Du wach, he Telefon!« Diesmal war’s nochmals eine Spur lauter. Nicht zu überhören das Kehlchen seiner kleinen Schwester.

    »Ja ich bin wach!«, er warf alle Kraft in seine Stimme die momentan vorhanden war, und anscheinend drang es bis zur Treppe runter.

    »Was hast Du gesagt? He, Nik, soll ich raufkommen?«

    »Ja, das wäre nett.«

    »Wa?«

    »Komm rauf zum Donnerwetter! Ich schreie mir meine angeknackste Lunge aus dem Leib, nur weil Du zu faul bist raufzukommen!« »Wäre schön, wenn sie das letzte gehört hätte«, dachte Nik.

    Nach dem knarren der Treppe zu urteilen, kam jemand im Sauseschritt heraufgeflogen. Die Tür zu Nik’s Schlafzimmer öffnete sich einen Spalt und ein zwölfjähriger Mädchenkopf lugte herein. Die Haare dunkel, fast schwarz, wie bei Nik, ein paar vielleicht etwas zu große Sommersprossen um die Nase, aber ansonsten ein sehr hübsches, altkluges Gesicht.

    »Was ist mit Deiner Lunge?«

    »Ich hab keine mehr, die liegt hier irgendwo in der Ecke.« Sie wandte den Kopf tatsächlich ruckartig in die besagte Ecke. Keine zwei Sekunden später merkte sie ihre Naivität und Ihr Gesicht wurde in ein hübsches Rot verwandelt.

    Nik lächelte: »Du glaubst auch noch alles und jedes!«

    »Ha, Ha,»…!« Momentan war sie verlegen, doch dann kam der Gedanke, der das wieder einigermaßen ausbügeln konnte.

    »Ich mach mir nur Sorgen um meinen lieben großen Bruder. Wer hilft mir sonst bei den Hausaufgaben?«

    »Also reiner Selbstzweck, Dybelchen! – ich bin wirklich enttäuscht und schockiert,

    keine wahre Liebe zwischen den Geschwistern. Also wer ist am Telefon?«

    »Ein Sterntaler Lenny oder so ähnlich, der kann anscheinend das Telefonieren nicht oder der bräuchte einen Sprachkurs – typisch Mann! Alles so schnell daher geplappert.«

    »Hör auf, mach die Männer nicht schlecht, sonst bekommst Du nie einen, Benny Seetaler war das oder kann das sein Dybelchen?«

    »Ja wahrscheinlich, aber das Reden sollte der trotzdem üben. Wahrscheinlich ist das wieder so ein Typ mit ’nen Kaugummi im Mund.«

    »Lästere nicht so. Geh runter und sag ihm ich brauch noch eine Minute, und, Nik hob den Zeigefinger – »höflich sein, er könnte vielleicht mal Dein Mann werden!«

    »Ha, bist Du witzig, anscheinend geht’s Dir schon wieder zu gut. Wie alt ist er denn?«

    Nik lächelte über ihre Neugier. »Ein halbes Jahr jünger als ich, und sieht auch wirklich jünger aus.«

    »Ich werd’ mir’s überlegen«, und sie lief die Treppe nach unten ins Wohnzimmer.

    Während der Unterhaltung mit seiner Schwester saß Nik bereits auf der Bettkante, doch jetzt erst viel Ihm auf, dass sein Shirt mehr nass als trocken war und die Kommode mit den frischen Klamotten stand etwa zwei Meter entfernt.

    Er gab sich einen Schwung und stand mit seinen beiden Beinen – etwas knieweich zwar – auf dem Fußboden. Tolles Gefühl ohne fremde Hilfe!

    Ein paar schwarze Augenschatten, die wohl sein Kreislauf schickte, verschwanden wieder nach ein paar Sekunden. Sein Weg führte zu dieser Kommode. Er schlüpfte in ein frisches Hemd und ging mit bedächtigen, vorsichtigen Schritten zur Tür.

    Die letzte Hürde lag nun vor ihm – eine halb gewendelte Holztreppe. Unwillkürlich dachte Nik, dass diese Treppe nun schon seit sieben Tagen auf ihn wartete.

    Eine Woche, so lange war er nicht mehr nach unten gekommen!

    Es war ein seltsames Gefühl. Na ja, so viel wird sich nicht verändert haben.

    Die linke Hand am Geländer, die rechte an der Mauer, ging es vorsichtig, Stufe für Stufe nach unten. Bei den letzten zwei wackelten seine Knie bedenklich, aber das ignorierte er. Und dann stand er unten in der Diele. Ein überglücklicher und stolzer Augenblick. Jetzt konnte man sagen, das schlimmste war überstanden.

    Diese Glücksgefühl übertrug sich gleich auf seine Beine und mit fasst normaler Schrittgeschwindigkeit kam Nik zum Telefon und ließ sich in den Sessel fallen.

    »Hallo Benny, hier ist Nik, bist Du noch da?«

    Die typische Benny-Stimme meldete sich. »Mensch Nik, das hat gedauert! Wo hab ich Dich denn rausgezogen. Mensch ich dachte schon Du wärst auf dem Weg zum Telefon zusammengebrochen oder so was zum Geier!?«

    »So ganz verkehrt liegst Du da nicht, aber alles gut gegangen, aber überhaupt, warum rufst Du mich nicht auf meinem Handy an, das hab ich neben meinem Bett?«

    »Scherzkeks, was glaubst Du was ich die letzte halbe Stunde versucht habe. Keine Ahnung was mit Deiner Handstrippe los ist. An meiner lag’s nicht, obwohl’s schon ein alter Schinken ist.«

    »Oh, kam es Nik, tut mir leid Benny, wirklich, aber mit Sicherheit ist mein Akku leer. Ich glaub mein Ladegerät ist nicht eingesteckt, tut mir leid.«

    Wahrscheinlich weniger schlimm als für Dich. Du kannst also wieder aufstehen, freut mich und sonst, wie geht’s, was macht die Birne?«

    »Nicht besonders, wenn ich ehrlich bin. Aber immerhin besser als die letzten sieben Tage. Ich bin mir sicher, dass ich das Gröbste überstanden habe, hoffe ich zumindest.«

    »Ja so was hört man doch gern! Meinst Du Deine Knochen sind bis Freitag wieder fit? Das ist eigentlich der Grund warum ich anrufe und leider auch noch aus paar anderen Gründen.

    »Dacht ich mir schon, aber ich kann nichts versprechen. ich setz alles dran, weil ich wirklich gerne mitfliegen möchte, wo ich das Chaos jetzt einigermaßen hingebogen habe. Das Ganze hat mir ein paar Meter Nerven gekostet Benny.«

    »Ich weiß Nik, kann sein, dass noch’n paar Meter dazukommen.«

    »Warum? Was ist denn jetzt schon wieder los? Ist schon wieder wer abgesprungen, dann sag es mir gleich. Mich kann nichts mehr erschüttern – ehrlich. Mir geht’s zwar alles andere als gut, aber irgendwo bin ich total gelöst, absolut relaxt. Weiß nicht ob Du das begreifen kannst Benny, aber verrückt bin ich noch nicht.«

    »Na, da bin ich aber beruhigt, nicht dass ich mit Dir Dinge bespreche und heute holen sie Dich noch für die Klappsmühle ab, ha, ha, war’n Scherz Nik. Aber nun ein bisschen ernst. Wie steht’s, zuerst die guten Nachrichten, und dann die Schlechten, oder umgekehrt?«

    »Oh, also ja, im gesunden Zustand würde ich sagen – zuerst die Schlechten und dann die Guten, aber heute? Lieber zuerst die Guten, schieß los!«

    »Äh, okay, äh Nik, setz Dich lieber hin, denn das kann dauern. In dieser Woche ist einiges gelaufen.«

    »Du hast Nerven, wenn ich stehen würde, wäre ich schon dreimal umgekippt.

    Heute bin ich das erste Mal seit einer Woche die Treppe runter getapst!«

    »Wirklich. Ist kein Witz? Mensch Dich muss es ja ganz schön erwischt haben. Mann o Mann! Ich hab nämlich Dein Mädel getroffen, und« Nik unterbrach ihn jetzt etwas unsanft.« Benny, – Entschuldigung dass ich Dich unterbreche, tut mir leid, aber ich wollte eigentlich schon wieder im Bett sein. Also was sind die guten Nachrichten?«

    »Verdammt Nik, Du hast ja recht, also, äh, diese Woche ist ganz schön was losgewesen, kann ich Dir sagen. Tja, nachdem Du außer Gefecht warst, wusste keiner mehr so recht wer das Managen sollte. Im Grunde war das ganze Brimborium ziemlich klar, nicht? Na ja, bis der Anruf von Georg kam, Du weißt die haben nervigen Stress in der Firma.«

    »Ja ich weiß, das hatte er gesagt. Er und Steffen müssen nochmals einen ganzen Samstag dranhängen bis in die Nacht hinein. So ungefähr habe ich das verstanden.«

    »Super Nik, hast doch noch was in der Birne, ha, ha, war ein Scherz Nik. Also die haben so ein Gerät oder Maschine, weiß der Kuckuck und dieses Ding muss bis Dienstag 13 Uhr unbedingt im Hamburger Hafen droben sein, sonst fährt das Schiff alleine ab«

    »Benny..« Nik klang müde, »Ich kenne die Geschichte – also wo ist das Problem.« Nik verdrehte seine Augen typisch Benny.

    »Das Problem? Das Problem haben unsere zwei Helden selber produziert!«

    »Selbst produziert? Was soll das nun schon wieder heißen.«

    »Wie ich gesagt habe, sie haben das Problem selbst produziert. Die beiden Schlaumeier hatten nämlich den Tag verwechselt! Sie hatten gedacht, dass es der Samstag vor unserem Abflug ist und jetzt stellt sich heraus, dass es der Samstag ist, wo wir auf Madeira schon den ganzen Tag am Pool liegen und faulenzen. Na was sagst Du dazu, Nik, bist Du noch da!?«

    »Bin schon noch da Benny, und jetzt, wie stellen sich die Beiden das nun so vor? Ich habe für 19 Personen gebucht – und außerdem, brauchen wir eine Mannschaft – also mindestens 11 Mann!« Nik spürte wieder seinen kräftigen Herzschlag, den er eigentlich los werden wollte.

    »Die bekommst Du auch Nik, bleib cool. Ich will Dich doch nicht zum Selbstmord treiben, warn Scherz! Also als die beiden dann das geschnallt hatten, setzten sie alles in Bewegung, um das wieder hinzubiegen, also den Samstag frei zu bekommen.

    Kannst Dir vorstellen wie das abgelaufen ist!«

    »Ich kann es mir vorstellen«

    »Echt, hihi, die zwei mussten regelrecht zu Kreuze kriechen, so sagt man doch, oder?«

    »Und wie ging das Ganze aus?«

    »Freu Dich, mit Ach und Krach und Hängen und Würgen und mit Gottes Hilfe und Kamillentee! Ja, sie fliegen mit.«

    »Sehr schön, Benny, solche Nachrichten brauche ich dringend. Du weißt ja, es geht nicht so sehr um die Tickets, aber ich habe denen versprochen, dass wir mindestens mit einer Mannschaftstärke anreisen. Na ja immerhin noch 11 Mann, 12 oder 13 wären mir noch lieber gewesen, aber das kennst Du ja. Gut und jetzt die schlechten Nachrichten.«

    »Stopp, nicht so schnell, ich hab noch mehr gute Nachrichten.« Sein Ton war leicht genüsslich. »Unsere liebe Claudia will nicht mehr mit.«

    »So, na gut, meine Traurigkeit hält sich in Grenzen, aber ich hoffe doch, sie hat sich um einen Ersatz gekümmert?«

    »Du wirst staunen, das hat sie sogar. Hätte ich ihr gar nicht zugetraut – Anna fliegt mit.

    »Anna, diese Anna die ich meine? Ist mir recht, um einiges sympathischer als Claudia. Und durch was wurde dieser Sinneswandel bei unserer Claudia ausgelöst?«

    »Kann Dir diesen Wunsch erfüllen Nik. Die Freundin meiner Schwester wusste das, Weiberklatsch, Du weißt schon, also, angeblich ging sie mit Arbeitskollegen nach Feierabend noch in ’ne Pizzeria und als es ihr so richtig schmeckte, da sah sie mal kurz ein bisschen nach links, da gibt’s anscheinend so ’ne kleine Nische, und da sah sie ihren holden Jüngling mit ’ner anderen, und vorbei war’s mit’n Appetit. Ob ihr Freund wirklich was mit der Tussi hat, frag mich nicht. Auf alle Fälle hat’s ihr den Boden unter den Füßen weggezogen – war ihr eigner Ausspruch – sagte man mir wenigstens. Na ja, nun ist ihr Psychokleid so angeknackst, dass es ihr unmöglich ist mitzufliegen.«

    »Manchmal komme ich mir vor wie im Kindergarten«, wandte Nik müde ein. Das Telefonieren mit Benny strengte doch mehr an als er dachte. »Kommt noch mehr Gutes oder war’s das?«

    »Noch nicht ganz, aber jetzt geht’s allmählich ins Grauen über – haha, also Anna ist für Claudia eingesprungen. Sie will auch gerne mit, aber jetzt ist sie damit rausgerückt, dass sie Flugangst hat.«

    »Anna Flugangst und sie will trotzdem mitfliegen?«

    »Ja und ich gönn’s ihr auch. Freut sich irgendwie auch riesig und so wie ich das langsam sehe, gehört Anna noch zu den wenigen, die sich überhaupt noch auf diesen Inseltrip freuen – verstehste Nik?«

    »Zu gut Benny, das ganze verfolgt mich seit einem Vierteljahr. Der hat dies, der hat Jenes, ein anderer muss und will nicht, der andere will und kann nicht, dem anderen ist es zu teuer, dem nächsten passt der Termin nicht und so weiter. Da brauchst Du sehr viel Gelassenheit Benny, sonst wirfst du nach 4 Wochen schon alles hin.«

    »Von Gelassenheit hab ich nicht so viel abbekommen, da muss ich Dich bewundern.

    Hoffe nur, dass Deine Gelassenheit durchhält, denn ich bin noch nicht fertig.«

    »Dich haben sie aber eingedeckt! Aus Dir wird noch ein Krisenmanager.«

    »Kann man wohl sagen, stell auch noch ’nen Antrag auf Schmerzensgeld, aber weiter geht’s. Das nächste Problem ist Freddy. Hat seit ein paar Wochen ’ne Freundin, irgendwo von, äh, weiß nicht mehr, ist auch egal. Nun, die macht nun ’ne ziemliche Eifersuchts-Story draus, denn ihr Freddy fährt da alleine auf eine wunderschöne Insel, verstehst Du. Zuviel Konkurrenz im Bikini. Das erfuhr ich aber erst hinterher. Als ich ihn traf, erzählte er mir ein riesiges Geschwafel, dass seine alte Sprunggelenksverletzung wieder aufgebrochen sei und die Kniescheibe wieder ’ne Entzündung hat, und er fühlt sich richtig schlapp. Nun und in dieser Verfassung bringt er sowieso nicht viel und blablabla. Den wahren Grund hast Du ja gehört. Das erfuhr ich erst von Lukas.

    Darauf rief ich ihn gleich an und…«

    Nik unterbrach ihn »Ich hoffe schon, das Du das einfühlsam und diplomatisch rübergebracht hast?«

    Bei Benny gingen schnell mal die Gäule durch. Wer ihn kennt weiß, dass er einfach nicht anders kann. Die meisten nehmen das inzwischen locker hin, aber es gab auch welche, die sich damit überhaupt nicht anfreunden können.

    »Diplomatisch rübergebracht –!? Ist das Dein Ernst Nik? Ich hab ihm rübergebracht, dass er nicht so ein zimperliches, mädchenhaftes Getue aufzieh’n soll! Außerdem soll er seiner Tussie-Biene mal die Meinung geigen, dass er Fußballspieler ist und kein Händchenhalter!«

    »Benny!«, unterbrach ihn Nik, ich denke wir wollen alle, dass Freddy mitfährt und nicht, dass er sich vor den Zug wirft oder sonst was!?« In Nik kam wirklich der Ärger hoch. Manchmal war er einfach unmöglich.

    »Das wird er nicht – keine Sorge!« Dann nahm Benny wieder Fahrt auf »Außerdem hab ich klargemacht, dass er eine Verpflichtung hat. Wir haben versprochen, dass wir mit mindestens 11 Mann kommen und keinem weniger. Dann hab ich ihm noch den guten Rat gegeben, dass er sich ja von seiner Freundin ’nen Keuschheitsgürtel anfertigen lassen kann. Bis nächsten Freitag hat sie noch Zeit, darf allerdings nicht beim Fußballspielen stören, haha!«

    Nik schüttelte nur noch den Kopf. »Und die Reaktion von Freddy?«

    »Ha! Der meinte doch glatt, ich soll nicht so abfällig über seine Freundin reden, aber dann lenkte er schon ein. Er wollte nur klarstellen, dass seine Kniescheibe und das Sprunggelenk nicht ganz in Ordnung seien. Sonst würde hernach sofort geredet, warum er denn nichts gesagt habe, denn hätte man doch jemand anders mitgenommen und so weiter. Aber selbstverständlich fliegt er mit, freut sich sogar darauf! Na Nik! Nik? Bist Du noch dran?«

    »Bin schon noch da Benny, bin schon da.« Seine Stimme hatte nochmals an Müdigkeit zugenommen auch mit einem Hauch von Resignation.

    »Also, die feine Art war das nicht unbedingt. Trauzeuge wirst Du bei den beiden nicht mehr werden.«

    »Nik, der Junge ist 17! Bei denen muss man Klartext reden! Er fährt mit. Der Zweck ist erreicht, fertig! Und, bis zu seiner Hochzeit hat er’s bestimmt vergessen, wird mir noch mal dankbar sein. Aber jetzt komm ich endlich zu den schlechten Nachrichten. Die bau’n Dich auf Nik, hahaha!«

    Nik legte seinen Kopf zurück, seine Wirbelsäule im Nacken meldete sich extrem.

    »Na du Spaßvogel, dann schieß mal los.«

    »Okay, hast Du ’nen großen Rucksack Nik? Müssen nämlich zu Fuß zum Flughafen marschieren! Haha, weißt du auch warum? Erzähle ich Dir gleich.

    Im Grunde bin ich ja kein schadenfroher Mensch, aber dieses Mal hat’s wirklich den Richtigen erwischt. Engelbert hat unserem 20-Sitzer das Leben ausgehaucht, letzten Sonntag!«

    »Was hat er?«

    »Hast schon richtig gehört, unser Vereinsbus hat Herzstillstand, Reanimierung zwecklos.«

    »Was soll das heißen? Ich nehme an der Motor hat den Geist aufgegeben oder liege ich da falsch?«

    »Goldrichtig liegst Du! Weißt Du noch, was zu unseren vier Chauffeur-Helden gesagt wurde? – Dass Jeder der ihn benützt, unbedingt vorher den Ölmesstab ablesen muss, bevor er losbraust, denn mit den fast sechshunderttausend Kilometern braucht die Mühle halt mal ’nen bisschen mehr. Unser Engelbert hat das nun glatt vergessen und fährt mit der C-Jugend auf der Autobahn nach Garmisch volles Rohr. Irgendwo auf halber Strecke muss das Öllämpchen aufgeblitzt haben und er hat das glatt übersehen und die guten alten Kolben bekamen auf einmal keine Schmiere mehr. Rattertiratter und noch ’nen paar so Geräusche und aus war’s!

    Haha, standen mitten auf der Autobahn. Konnten nicht mal mehr auf die Standspur wechseln, versteh ich zwar nicht, aber so war’s.«

    »Ich hoffe jetzt, dass nichts passiert ist, ich meine mit der C-Jugend! Es sind hoffentlich alle heil nach Hause gekommen?«

    »Selbstverständlich, alle putzmunter! Polizei und Rettung haben sich rührend darum gekümmert. Ist dann gleich versucht worden ’nen Ersatzbus aufzutreiben, aber das dauerte. Haha, aber das Beste kommt noch. Unser Bertilein hat ’nen 23 Kilometer langen Stau fabriziert! Die Jungs haben erzählt, dass ihm das Herz bis ins Hosenbein gerutscht ist, so fix und fertig war er! Aber das war längst überfällig – dieser Wichtigtuer und Besserwisser – das freut mich riesig!«

    »Sachte Benny, Schadenfreude kommt meistens zurück und das mit doppelter Wucht. Ich bin zwar auch nicht unbedingt ein Freund von ihm, aber das war etwas zuviel Kopfwäsche.«

    »Überhaupt nicht, das ärgerlichste an der Sache ist nur, wer fährt jetzt 19 Leute samt Gepäck zum Flughafen?«

    »Ist wirklich auf die Schnelle nichts mehr zu reparieren?«

    »Kannst’e vergessen! Der Motor ist restlos hin und soviel ich mitgekriegt hab, kann man den ganzen Bus auf’n Schrottplatz abladen.«

    »Ja, gut, ich lass mir was einfallen.« Nik merkte wie seine Konzentration spürbar nachgelassen hatte. Da ist nur das Telefon, hast kein Gegenüber das dich anspricht. Die Stimme am Ohr macht dich ganz fertig und noch dazu Benny.

    »Tja, viele Möglichkeiten gibt’s nicht. Entweder wir fahren mit Privat-PKWs, oder ein Busunternehmen fährt uns zum Flughafen. Ist halt mit Kosten verbunden.«

    »Und genau wegen dieser Kosten wird wieder ein ganzer Schwung meckern, Nik!

    Apropos, Kosten, das ist gleich der perfekte Übergang für meinem nächsten Punkt.«

    »Was denn noch alles!« Das stöhnen von Nik war selbst für Benny nicht zu überhören.

    »Und das alles in einer Woche, gute oder schlechte Nachrichten?«

    »Natürlich Schlechte,! Die Guten haste ja schon alle gehört. Ich versprech Dir aber das sind die letzten bisher. Wer weiß was noch kommt.«

    »Wie wahr Benny, also zum letzten, raus damit!«

    »Mit Vergnügen. Es geht um die Sponsorengelder für unseren Flug. Na ja, nicht nur für den Flug, sondern für alles eigentlich, na Du weißt schon.«

    »Das Geld müsste aber diese Woche auf unser Konto gekommen sein, oder etwa nicht?«

    »Na ja, eigentlich ja und eben doch nichts es geht hier, äh, eigentlich um das Geld.

    Rick, die Pflaume, hat sich da ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt, wenn Du weißt was ich meine?«

    »Momentan nicht sofort. Entschuldige ich war 7 Tage im Bett, habe kaum was gegessen und habe ein Dutzend Schlafanzüge durchgeschwitzt. Meine Konzentration lässt nach Benny!«

    »Du klingst wirklich müde, Lehn Dich zurück, sei ganz entspannt, ich erklär Dir doch alles, kein Problem, mach ich gerne.«

    Oh ja dache Nik – Benny erklärt zu gerne die Dinge.

    »Hast Du’s bequem Nik? Wunderbar, Du weißt doch das Rick sagte er habe einen Cousin, der bei einer Firma arbeitet die Nova-Tech oder so ähnlich heißt. Das soll ein aufstrebendes Unternehmen sein mit zweihundert Mitarbeitern. Tendenz: Steigend.

    Ja und da soll dieser Cousin jemanden kennen, der ’nen guten Draht zur Chefetage hat. Und diesen Jemand hat also unser Rick, mit perfekter Überzeugungsgabe, übrigens, sein Originalton, erklärt, dass wir alle vorhaben auf ’ne Insel zu fliegen zwecks Völkerverständigung und Vertiefung und was weiß ich noch für’n Rhabarber, den ganzen Quatsch halt.«

    »Benny, das weiß ich alles, ich war dabei.«

    »Weißt Nik, wollte das nur noch loswerden, so zur Einleitung. Sodann komm ich jetzt zum Hauptgang. Also, dieses Geld sollte ja schon auf dem Konto sein, ist aber nicht. Rick ging gestern dann zu diesem Typen namens Jemand und sowieso und fragte nach, ob’s da irgendwelche Verzögerung gibt mit diesem Sponsorengeld.

    Nein, eigentlich nicht meinte dieser jemand, aber er fragte Rick zuliebe nochmals nach. Kurze Zeit später kam Mr. Jemand dann zu Rick und meinte, alles in Ordnung, das Geld müsste bereits auf’n Konto von uns sein.«

    »Na wunderbar, wo ist dann das Problem?«

    »Das Problem? Das Problem sieht man auf’n Kontoauszug. Ricki ging heute Vormittag gleich zur Bank, denn er musste erst ab Mittag zur Arbeit und da traute er seinen Äuglein nicht. Statt der satten Tausendfünfhundert Mäuse waren nur Fünfhundert oben!«

    »Nur Fünfhundert!? Das kann nicht sein, das wären ja«, Nik rechnete kurz durch – sein Zahlengedächtnis funktionierte noch – »nicht mal dreißig pro Person.«

    »Toll Nik, funktioniert schon wieder, also da wurde sogar unser Ricki stutzig. Gleich als er in der Arbeit ankam, krabbelte er gleich zu diesem Jemand und verklickerte ihm, dass da etwas nicht stimmen kann und wann das restliche Geld kommt. Tja, und dieser Herr Jemand kam dann in akute Erklärungsnot. Der Typ faselte irgendwas, dass die Chefetage noch nie etwas von Fünfzehnhundert gesagt hätte. Das sei wohl falsch verstanden worden. außerdem seien Fünfhundert sowieso das Maximum, man habe schließlich noch andere Projekte die man unterstütze. Das war’s, ach ja, und es wäre sehr freundlich, wenn die Spendenquittung innerhalb der nächsten Tage eintreffen würde. Und was sagst Du dazu Nik? Ich bleibe dabei, was ich vorher schon gesagt hab, es ist zum Kotzen!«

    »Was soll ich da sagen Benny, ich kann’s auch nicht ändern. Muss halt jeder noch ein paar Scheine dazugeben, ist bitter, aber…«

    »Iss’ schon klar Nik, ändern kann das niemand mehr. Aber Ricki würd ich mir trotzdem vorknöpfen. Sag mir Bescheid wenn Du’s tust, da wär ich gern dabei, kannst auf meine Unterstützung zählen Nik.«

    »Und was soll das bringen? – Das wieder ein Streit ausbricht. Dann ist bei den meisten die Stimmung restlos am Boden. Was sagt denn nun jetzt Ricki?«

    »Ricky? Will absolut keine Schuld haben. Sagt, es sei immer von Fünfzehnhundert die Rede gewesen, warum nur Fünfhundert Kröten raussprangen ist völlig unverständlich. Das sind immer die Dinge Nik, die um drei Ecken gehandelt werden, kommt nur Mist dabei raus!«

    »Ich gebe Dir ja recht Benny, trotzdem ändert das nichts mehr. Bezahlt ist ja schon.

    Fällt halt der Zuschuss etwas kleiner aus. Es ist ärgerlich, denn ich weiß, dass einige doch sparsam leben müssen. Gut, Okay – dann werde ich das den Jungs und Mädels so schmerzlos wie möglich erklären, vielleicht ergibt sich noch was, habe da vielleicht was in der Hinterhand. Aber das kann dauern.«

    Das war gelogen. Aber er wollte jetzt das Gespräch mit Benny unbedingt beenden.

    Benny war richtig in Fahrt, das konnte sonst noch lange dauern, und Er konnte einfach nicht mehr.

    »Du hast jemand an der Angel? Cool! – Find ich super. Ich wünsche Dir mehr Glück, als es bei Ricky war. Also sieh zu, dass Du wieder in Hufe kommst, und, ach ja, da fällt mir noch was ein, Anna, sprich doch mal mit Ihr, was das eigentlich ist und so weiter. Nicht daß die uns da oben in den Wolken noch aus den Socken kippt!«

    Bennys Charme war unvergleichlich.

    »In Ordnung, mach ich, Du kannst Dich auf mich verlassen. Und danke für Deine Informationen. Wir seh’n uns sicher noch, spätestens am Freitag, mach’s gut!«

    Nik legte den Hörer auf die Gabel. Er war schwer wie Blei.

    Obwohl Nik in seinem Sessel von Anfang an mehr lag als saß, spürte er trotzdem wie sich die Anspannung von ihm löste. Kann telefonieren so anstrengend sein?

    Seine Beine streckte er nun vollständig aus und hatte das Gefühl, dass dieses alte Ding in dem er saß, geeigneter für seinen Körper war als sein Bett.

    Na ja, wahrscheinlich nur für kurze Zeit. Es ist eben eine völlig andere Stellung als im flachen Bett. Mal sehen wie es in einer halben Stunde aussah.

    Er ließ seinen Nacken kreisen, wo sich momentan der Hauptschmerz eingenistet hatte. Ob dieses kreisen den Schmerz zurückdrängen konnte, wusste er nicht. Es war eine dieser Automatismen, die man im Leben anwandte. Mit seiner linken Hand konnte er ein Kissen erhaschen, dass er wieder, wie schon oben im Schlafzimmer unter seinem Nacken bugsierte. Dann schloss Nik die Augen.

    Ein paar Minuten an nichts denken, Benny vergessen und seinen Geist auf irgendeine Ebene absetzen, wo nur noch Ruhe und Harmonie herrscht. Die Stille im Haus unterstützte ihn dabei. Auch von draußen drang kein Lärm ins Wohnzimmer. Lärm gab’s hier sowieso kaum. Das Haus stand an vorletzter Stelle in einer Seitenstraße, die nach weiteren 120 Metern in einen Wendekreis überging.

    Ein einziges kleines Geräusch begleitete ihn in seine stille Meditation, das monotone Brummen eines Hubschraubers. Seltsamerweise war das aber kein Störfaktor. Es gab ihm den letzten Impuls für ein völliges loslassen. Als die letzten Geräusche des Hubschraubers in der Ferne verklungen waren, fühlte sich Nik ungemein zufrieden.

    Sein Atem ging so ruhig wie schon lange nicht mehr und das Pumpen des Herzens nahm er kaum noch war.

    Wie lange er so dalag, keine Ahnung. Doch allmählich kam die Wirklichkeit zurück.

    Er wollte diesen Prozess solange wie möglich hinauszögern, aber letztlich bekam die Realität die Oberhand.

    Seine Position war immer noch angenehm, die Augen waren noch geschlossen und eine angenehme Schwere lag auf seinem Körper. Irgendwie schien es, als würde der Akku wieder aufgeladen, langsam zwar, aber immerhin.

    Seine Gedanken verließen schrittweise diese Ebene und nisteten sich wieder langsam bei ihm ein. Dagegen befand sich sein Schmerz noch im Hintergrund und er wünschte es möge lange so bleiben.

    Der Telefonanruf von Benny hatte ihm die letzten Kräfte gekostet. Sie waren sowieso noch zarte Pflänzchen und Bennys Temperament noch lange nicht gewachsen.

    Die Wörter und Sätze haben wie Gewehrfeuer auf ihn eingehämmert. Sie richtig zu ordnen und aufzuarbeiten war momentan sehr schwierig.

    Nach Bennys Aussagen war diese Woche alles schiefgegangen was nur schiefgehen konnte. Das Unheil eines Jahres verteilt auf ein paar Tage.

    Seine Augen waren immer noch geschlossen und es gab auch keinen Grund das zu ändern, denn es tat ihm gut.

    Also sagte Nik zu sich selbst, dann sortieren und analysieren wir das mal in ruhiger Gelassenheit. Sein Kopf arbeitete wieder freier, wie er beruhigt feststellte.

    Was war jetzt eigentlich so schlimm, so furchtbar dramatisch, wie Benny das alles vorgebracht hatte? Nik ließ seine Gedanken durchlaufen und kam zu dem Ergebnis – eigentlich gar nichts!

    Nein sagte er noch mal zu sich, eigentlich nichts. Alles wie gehabt, es lief genauso weiter wie es seit Anfang des Jahres bei der ersten Besprechung war.

    Die Hälfte wollte schon ein anderes Reiseziel und da begann das, was Benny zum Kotzen fand. Unzufriedenheit, Absagen, Querelen, Ausreden, die ganze Litanei. Noch dazu all

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