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21 Ernährung
Hannelore Daniel, Uwe Wenzel

21.1 Energiebilanz – 632


21.1.1 Grundlagen der Energiebilanz des Körpers – 632
21.1.2 Physiologische Verbrennung der Makronährstoffe – 633
21.1.3 Energieverbrauch und Energiebedarf – 635
21.1.4 Experimentelle Ermittlung des Energieumsatzes – 636

21.2 Der Ernährungszustand – 638

21.3 Veränderungen der Energiebilanz – 639


21.3.1 Ausgeglichene Energiebilanz auf niedrigem Niveau
(Kalorienrestriktion) 639
21.3.2 Positive Energiebilanz – 639
21.3.3 Negative Energiebilanz – 640

21.4 Kontrollmechanismen der Nahrungsaufnahme,


Energie- und Nährstoffzufuhr – 642

21.5 Die Stoffwechselbedeutung einzelner Nährstoffe


und ihre Beteiligung an der Homöostase – 644
21.5.1 Aminosäuren und Proteine – 644
21.5.2 Kohlenhydrate – 646
21.5.3 Lipide – 647
21.5.4 Alkohol – 649
21.5.5 Ballaststoffe – 651

21.6 Besondere Ernährungserfordernisse – 652


21.6.1 Ernährung in speziellen Lebenssituationen – 652
21.6.2 Klinische Ernährung – 652
21.6.3 Alternative Ernährungsformen – 654

Literatur – 654
632 Kapitel 21 · Ernährung

> > Einleitung


21
Ernährung beschreibt die für das Wachstum, die Reproduktion sowie die Aufrechterhaltung aller Körperfunktionen und der
Gesundheit notwendige Aufnahme und Verwertung von Nahrung durch den Organismus. Um dies zu gewährleisten, müssen
Wasser, Kohlenhydrate, Proteine oder Aminosäuren, Lipide, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente mit Lebensmitteln
und Getränken zugeführt werden. Aufgrund der im Vergleich zu Vitaminen und Mineralstoffen erforderlichen hohen Zufuhr an
Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten werden diese als Makronährstoffe oder Hauptnährstoffe bezeichnet. Während Kohlen-
hydrate und Lipide vor allem als Energielieferanten dienen, können Proteine bzw. Aminosäuren zwar auch energetisch verwer-
tet werden, besitzen jedoch im menschlichen Körper vor allem eine Bedeutung als strukturelle und funktionelle Komponenten.
Das Stoffwechselgeschehen ist Ausdruck einer beständigen Anpassung an variable Ernährungsbedingungen und beinhaltet
alle Prinzipien der biologischen Regulation. Nicht nur die Aufnahme von Nahrung als solche sowie Menge und Verhältnis der
Energie liefernden Makronährstoffe, sondern auch diverse Vitamine und Spurenelemente beeinflussen Genexpression und
Biosynthese von Proteinen und deren katalytische oder strukturelle Funktionen. Ernährung umfasst somit die Bedeutung der
Nährstoffe als Energieträger, ihre spezifische Rolle für Syntheseleistungen des Organismus und ihre Funktion bei der Kontrolle
des Stoffwechselgeschehens.

21.1 Energiebilanz stoffwechsels vor allem Kreatinphosphat, das durch die


Kreatinkinase aus ATP und Kreatin gebildet wird und so-
21.1.1 Grundlagen der Energiebilanz mit eine Speicherform von ATP darstellt. Ein Teil der aus
des Körpers der Substratoxidation hervorgegangenen Energie wird
nicht in die Synthese von ATP eingeleitet, sondern in Form
! Im menschlichen Organismus wird Energie für mecha- von Wärme abgegeben. Dieser Prozess dient vornehmlich
nische, chemische, osmotische und elektrische Arbeit der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Die Um-
benötigt. wandlung der in Nahrungsmitteln enthaltenen chemischen
Energie in ATP und Wärme wird als Energieumsatz be-
Zur Aufrechterhaltung der biologischen Arbeitsleistungen zeichnet (. Abb. 21.1).
werden bevorzugt Kohlenhydrate und Fettsäuren im Zell- Die Wärmeproduktion im Zellstoffwechsel hat eine es-
stoffwechsel unter ATP-Bildung oxidiert. Teile der über die sentielle, eine obligatorische und eine regulatorische Kom-
Nahrung zugeführten Energie werden in Form von Glyco- ponente. Die essentielle Wärmeproduktion ist eine Kon-
gen in Leber und Muskel und als Fettsäuren in den Tria- sequenz des Verbrauchs und der Resynthese von ATP und
cylglycerinen des Fettgewebes gespeichert. In Phasen der erfolgt damit innerhalb anaboler und kataboler Zyklen, die
Nahrungskarenz können diese Energiereservoirs genutzt u.a. für die Erneuerung von Geweben notwendig sind. Die
werden. Beim Erwachsenen ist für die Aufrechterhaltung obligatorische Wärmeproduktion resultiert vor allem aus
eines konstanten Körpergewichts das Gleichgewicht zwi- Energie verbrauchenden molekularen Transportprozessen.
schen Energieaufnahme und Energieverbrauch eine not- Einen großen Beitrag zur obligatorischen Wärmeproduk-
wendige Voraussetzung. Ist die Energieaufnahme langfris- tion liefert die in allen Zellen des Säugers vorkommende
tig höher als der Energieverbrauch, so wird die überschüs- Na+/K+-ATPase. Deren Transportaktivität hält den von ex-
sige Energie in Form von Triacylglycerinen im Fettgewebe trazellulär nach intrazellulär gerichteten Na+-Gradienten
gespeichert (7 Kap. 21.3.2). Dies führt in Abhängigkeit von aufrecht und liefert damit die Voraussetzung für die Erreg-
der Höhe des Energieüberschusses und der Dauer einer barkeit von Nervenzellen oder die zelluläre Aufnahme von
positiven Energiebilanz zu Übergewicht und Adipositas Nährstoffen wie Aminosäuren oder Intermediaten, die
(Fettsucht). Ist die Energieaufnahme langfristig geringer als häufig im Cotransport mit Na+-Ionen erfolgt (7 Kap. 32.2.3).
der Energieverbrauch, so kommt es zum fortschreitenden Die Aktivität der Na+/K+-ATPase ist nach Schätzungen für
Gewichtsverlust, der in schweren Fällen zur Protein-Ener- 20–40% des Ruheumsatzes verantwortlich, d.h. für den
gie-Malnutrition führt (7 Kap. 21.3.3). Energieverbrauch, der zur Aufrechterhaltung der Vital-
funktionen, wie Körpertemperatur, Kreislauf, Atmung und
! Die Energiebilanz des Organismus ist die Summe aller
Ausscheidung benötigt wird. In homöothermen Organis-
Energie verbrauchenden und Energie erzeugenden
men, wie dem Menschen, stellt die regulatorische Wärme-
Reaktionen, die in individuellen Zellen und Organsyste-
produktion eine dritte Komponente dar, die der Aufrecht-
men ablaufen.
erhaltung der Körpertemperatur bei variierenden Umge-
Der überwiegende Teil der durch biologische Oxidations- bungstemperaturen dient. Zittern als Antwort gegenüber
prozesse gewonnenen Energie wird in die Form ener- einer Kälteexposition bedeutet eine erhebliche Zunahme
giereicher Phosphate überführt. Dies ist neben Adenosin- der Kontraktion der Skelettmuskulatur, die in einem stark
triphosphat (ATP) als wichtigstem Energieträger des Zell- gestiegenen ATP-Umsatz und damit der Wärmeproduktion
21.1 · Energiebilanz
633 21

. Abb. 21.1. Biochemische Prozesse der Wärmeproduktion. (Einzelheiten 7 Text)

einhergeht. Höhere Umgebungstemperaturen führen zur rylierung (7 Kap. 15.1) des jeweiligen Nährstoffs gewonnen
Schweißbildung mit den Folgen der Wärmeabgabe durch wird.
erhöhte Evaporation. Im Vergleich zum physikalischen Brennwert der Nah-
Die Wärmeproduktion innerhalb von Zellen wird durch rung, d.h. der Energie die bei vollständiger Verbrennung im
zahlreiche neurale und endokrine Faktoren beeinflusst. So Kalorimeter als Wärme freigesetzt wird, ist der physiologi-
stimulieren z.B. Schilddrüsenhormone die Na+/K+-ATPase sche Brennwert, d.h., die dem Organismus tatsächlich zur
und zahlreiche Komponenten der mitochondrialen Elek- Verfügung stehende Energie, geringer. So gehen etwa 5–
tronentransportkette. Sie fördern ebenso den Fett-, Kohlen- 10% des physikalischen Brennwerts durch unvollständige
hydrat- und Proteinmetabolismus und den O2-Verbrauch Verdauung und Resorption der Kohlenhydrate, Lipide und
und erhöhen damit die Wärmeproduktion (. Abb. 21.1). Proteine der Nahrung im Magen-Darm-Trakt verloren.
Entsprechend bezeichnet man die in den Körper gelangen-
! Die Maßeinheit für die Energie ist nach Einführung der
de Energiemenge als »verdauliche oder resorbierte Ener-
SI-Einheiten das Kilojoule (kJ).
gie«. Weitere 5–10% der aufgenommenen Energie werden
Die Maßeinheit Kilojoule (kJ) hat die früher gebräuchliche für den Transport, die Speicherung und die biochemischen
Kilokalorie (kcal) ersetzt, die in der Praxis aber noch sehr Umwandlungsprozesse der verschiedenen Nährstoffe be-
häufig verwendet wird. Zwischen Kalorie und Joule besteht nötigt (. Abb. 21.2). Ein nicht unerheblicher Teil der physi-
folgende Beziehung: kalischen Energie geht letztlich als Wärme bei der Nähr-
stoffoxidation und dem Umsatz von ATP verloren, während
der Rest in Form energiereicher Phosphate konserviert
wird (. Abb. 21.2). Wird die durch Ausscheidung über Urin
und Faeces verlorene Energie berücksichtigt, ergeben sich
21.1.2 Physiologische Verbrennung mittlere physiologische Brennwerte von 4, 9 und 4 kcal/g
der Makronährstoffe für Kohlenhydrate, Fette und Proteine wenn diese Makro-
nährstoffe über eine gemischte Kost zugeführt werden.
! Die Makronährstoffe haben unterschiedliche physiolo- Der physiologische Brennwert von Alkohol beträgt etwa
gische Brennwerte. 7 kcal/g. Da die Kost in Menge, Art und Zusammensetzung
extrem variabel ist und Verdaulichkeit wie Metabolismus
Der Netto-ATP-Gewinn bei der Oxidation der Makro- auch variabel sind, weichen die realen physiologischen
nährstoffe hängt einerseits davon ab, wie viel Energie der Brennwerte zum Teil beträchtlich von den genannten Mit-
Organismus aufwenden muss, um die Energieträger zu me- telwerten ab. Während sich die physiologischen Brenn-
tabolisieren, andererseits davon, wie viel Energie in der werte für Kohlenhydrate und Lipide kaum von den physi-
Substratkettenphosphorylierung und oxidativen Phospho- kalischen Brennwerten unterscheiden, ist er im Fall der
634 Kapitel 21 · Ernährung

21

. Abb. 21.2. Die Umwandlung absorbierter Nahrungsenergie in wird für die Aufrechterhaltung metabolischer Prozesse verwendet.
Wärme und Arbeit. Ein Teil der mit der Nahrung aufgenommenen Wie bei allen Formen der Energieumsetzung geht ein Teil der Energie
Energie wird für Digestionsprozesse verbraucht. Der Rest der Energie als Wärme verloren

Proteine um bis zu 1,65 kcal/g niedriger als der physikali- raum ohne die Erzeugung von ATP erlaubt, sodass das che-
sche Brennwert. Dies ist darin begründet, dass bei der bio- miosmotische Potential des Protonengradienten als Wärme
logischen Oxidation der Protein-Stickstoff unter Energie- verloren geht. Während Erwachsene kaum noch braunes
verlust in Harnstoff überführt und ausgeschieden werden Fettgewebe und damit kaum UCP1 besitzen, kommen seine
muss. Varianten UCP2 und UCP3 in vielen Geweben des Men-
schen vor und unterliegen einer nutritiven Kontrolle ihrer
! Die Effizienz der Energieausbeute bei der Nährstoffoxi-
Synthese. Bei Nagern führt eine fettreiche Diät zu verstär-
dation ist beeinflussbar.
kter UCP2-Expression, wodurch in Folge der Energiever-
Die Energieausbeute bei der Oxidation der Nährstoffe, d.h. brauch bei erhöhter Energiezufuhr über Wärmebildung
die Effizienz mit welcher der mitochondriale Elektronen- reguliert werden kann. Das UCP2 des Menschen wurde auf
transport an die ATP-Synthese gekoppelt wird, kann durch dem Chromosom 11 lokalisiert. Interessanterweise lassen
pharmakologische Wirkstoffe wie Dinitrophenol, Koffein, sich in verschiedenen Spezies die Genloci für UCP-Proteine
Nikotin und Amphetamine beeinflusst werden. Sie können mit der Entwicklung von Hyperinsulinämie und Adipositas
den transmembranären Protonengradienten der inneren assoziieren. Veränderungen der Funktion oder der Expres-
mitochondrialen Membran und damit die treibende Kraft sionshöhe dieser, die Effizienz der Energieausbeute regulie-
für die ATP-Synthese reduzieren. Die damit einhergehende renden, Faktoren könnten somit die Suszeptibilität zur Ent-
Verminderung des ATP/ADP-Quotienten führt kompensa- wicklung von Adipositas beeinflussen. Wenngleich Assozi-
torisch zu erhöhtem O2-Verbrauch bei gleichzeitig gestei- ationen zwischen bestimmten Polymorphismen, besonders
gerter Oxidation von NADH/H+ und FADH2. Diese Ent- in der Promotorregion von UCP2, und dem Auftreten von
kopplung der oxidativen Phosphorylierung bedeutet, dass Adipositas belegt werden konnten, ist bislang unklar, wel-
ein größerer Teil der bei der Oxidation freiwerdenden Ener- chen Beitrag UCPs für die genetisch bedingte Komponente
gie nicht als chemische Energie konserviert wird, sondern der Adipositas liefern. Unabhängig davon, ob UCP2 beim
in Wärme umgewandelt wird. In gleicher Weise dient die Menschen für die Adaptation der ATP-Ausbeute bei der
physiologische Entkopplung bei Säugetieren in kalten Kli- Oxidation der Nährstoffe bedeutsam ist, lässt sich zeigen,
maregionen und beim Neugeborenen zur Aufrechterhal- dass die Thermogenese und damit der Ruheumsatz an
tung der Körpertemperatur. Die innere Mitochondrien- die Energiezufuhr angepasst werden kann. Unterzieht
membran des braunen Fettgewebes von Neugeborenen man gesunde Versuchspersonen einer längeren Restriktion
enthält dafür größere Mengen des auch uncoupling protein der Nahrungszufuhr, so erfolgt neben der Abnahme des
1 (UCP1) genannten Proteins Thermogenin, das den Körpergewichts auch eine Reduktion des (auf das Kör-
Rückfluss von Protonen in den mitochondrialen Matrix- pergewicht bezogenen) Grundumsatzes, was als Verbesse-
21.1 · Energiebilanz
635 21

. Abb. 21.3. Nahrungsaufnahme,


Körpergewicht und Grundumsatz
bei kalorisch restriktiver Ernährung
und Realimentierung im Langzeit-
experiment. Versuchspersonen
wurden während der angegebenen
Zeiten zuerst kalorisch restriktiv
ernährt und anschließend realimen-
tiert. Der adaptative Grundumsatz
wurde für Veränderungen in fettfreier
Körpermasse und Fettmasse adju-
stiert. (Einzelheiten 7 Text)

rung der Effizienz bei der Oxidation von Nahrungsstoffen Zum Gesamtenergiebedarf des Körpers tragen außer
aufgefasst werden kann. Realimentierung führt umge- dem Ruheenergieumsatz der Erhaltungsbedarf und der Leis-
kehrt zur Zunahme von Körpergewicht und Grundumsatz tungsbedarf bei. Der Erhaltungsbedarf entspricht der zu-
(. Abb. 21.3). sätzlichen Energiemenge, die für Nahrungsaufnahme, Ver-
dauung und Resorption, die Regeneration von Geweben
sowie für alltägliche Bewegungsabläufe wie z.B. Aufstehen,
21.1.3 Energieverbrauch und Energie- Waschen, Anziehen notwendig ist. Der Erhaltungsbedarf
bedarf ist außerdem von der Umgebungstemperatur abhängig. Ein
beachtlicher Teil des Erhaltungsbedarfs wird durch die in
! Der Energiebedarf wird durch den Energieverbrauch Folge der Nahrungsaufnahme ausgelösten Thermogenese
determiniert. verursacht. Diese postprandiale Thermogenese entspricht
etwa 18–24% der mit Proteinen, 4–7% der mit Kohlenhy-
Der größte Teil des täglichen Energieverbrauchs (metabo- draten und 2–4% der mit Fett aufgenommenen Energie-
lische Rate) entsteht durch den Grundumsatz, der dazu menge. Unter üblichen Ernährungsbedingungen sind 8–
dient, metabolische Funktionen aufrecht zu erhalten. Zur 15% des täglichen Energieumsatzes auf die postprandiale
Abschätzung des Grundumsatzes dienen folgende Nähe- Thermogenese zurückzuführen.
rungen: Der Leistungsbedarf entsteht durch körperliche Akti-
4 Grundumsatz = 4,2 kJ/kg Körpergewicht × Stunde vität oder besondere physiologische Leistungen während
oder
4 Grundumsatz = 1 kcal/kg Köpergewicht × Stunde

Der Grundumsatz ist in der Praxis schwierig exakt zu be-


stimmen. Es wird daher in der Regel der sog. Ruheenergie-
umsatz bestimmt. Dieser liegt etwa 5–15% über dem
Grundumsatz und macht bei einer sitzenden Person etwa
60–75% des täglichen Gesamtenergieumsatzes aus. Meta-
bolisch besonders aktive Organe wie Gehirn, Leber, Niere
und Herz, die nur 5–6% des Körpergewichts ausmachen,
sind für mehr als 50% des Ruheenergieumsatzes verantwort-
lich (. Abb. 21.4). Auf Gramm bezogen ist die metabolische
Rate (kcal/g Organmasse) dieser Organe 15–40 mal höher
als die des ruhenden Muskels und 50–100 mal höher als die
des Fettgewebes. Die Skelettmuskulatur trägt aufgrund ihrer
vergleichsweise hohen Masse ebenfalls signifikant zum Ru-
heenergieumsatz bei. . Abb. 21.4 dokumentiert die unter-
schiedlichen Anteile einzelner Organe am Ruheumsatz der . Abb. 21.4. Der Anteil verschiedener Organe am Ruheenergie-
Energie in Abhängigkeit vom Lebensalter. umsatz in Abhängigkeit vom Alter
636 Kapitel 21 · Ernährung

Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit. Physische Akti- somit auch Bedarf an Energie verbunden. Dies beruht vor
21 vitäten können je nach Intensität und Dauer für 30-50% des allem auch auf der vermehrten Bildung von Cytokinen und
Gesamtenergieumsatzes verantwortlich sein. Spontane mo- deren Wirkungen auf das Immunsystem und den Interme-
torische Aktivitäten (non-exercise activity thermogenesis) diärstoffwechsel (7 Kap. 25.5).
tragen mit großer individueller Variabilität zum Energie-
verbrauch bei. Experimentell lässt sich zeigen, dass Indivi-
duen täglich zwischen 200 kcal und 900 kcal nur aufgrund 21.1.4 Experimentelle Ermittlung
spontaner motorischer Aktivität verbrauchen. Diese Unter- des Energieumsatzes
schiede sind für die zum Teil beträchtlich unterschiedliche
Körpergewichtsentwicklung von Individuen mit annä- ! Der Energieverbrauch wird vorwiegend durch direkte
hernd gleicher Konstitution bei gleicher Energieaufnahme und indirekte Kalorimetrie bestimmt.
verantwortlich.
Bei der direkten Kalorimetrie wird die Wärmeabgabe
! Die metabolische Rate wird durch eine Vielzahl neuro-
von Zellen, Geweben oder Gesamtkörpern in geschlos-
naler und hormoneller Faktoren beeinflusst.
senen Kammern (Kalorimetern) gemessen. Die indirekte
Durch Aktivierung des sympathischen Nervensystems bei Kalorimetrie nimmt dagegen den O2-Verbrauch als Maß
Stress wird durch die Katecholamine Adrenalin und Nor- der Wärmeproduktion, da dieser in aerob lebenden Orga-
adrenalin der Glycogenabbau gefördert und die Fettsäure- nismen nahezu vollständig die Oxidation der Nährstoffe
freisetzung stimuliert. Im Zusammenspiel mit anderen unter O2-Verbrauch widerspiegelt (. Abb. 21.5). Am Bei-
Hormonen, wie z.B. den Schilddrüsenhormonen (7 Kap. spiel der vollständigen Oxidation von Glucose lässt sich
21.1.1) wird dann die Verwertung von Glucose und Fettsäu- ableiten:
ren und damit die metabolische Rate erhöht. Insulin und 4 Der Glucoseoxidation liegt folgende Beziehung zu-
Glucagon beeinflussen die metabolische Rate in antagonis- grunde:
tischer Weise. Während Insulin die Glycogensynthese, aber
auch die Glycolyse und Glucoseoxidation fördert, führt
Glucagon in der Leber zur Glycogenolyse und Gluconeoge-
nese mit erhöhter Abgabe der Glucose ins Blut. Steroide wie 4 Pro Mol Glucose werden demnach 6 × 22,4 l (pro g
Estrogene und Progesteron erhöhen die Speicherung von Glucose 0,75 l) Sauerstoff verbraucht und
Triacylglycerinen im Fettgewebe während Testosteron hier 4 Beim Verbrauch von 1 l Sauerstoff wird eine Wärme-
antagonistisch wirkt. Die Bedeutung der hormonellen Kon- menge von = 21,6 kJ (5,1 kcal) freigesetzt (7 Oxida-
stellation für die metabolische Rate wird nach Stress mit tionsgleichung für Glucose). Diese beim Verbrauch von
einer Erhöhung des Katecholaminspiegels beispielsweise 1 l Sauerstoff freigesetzte Energiemenge bezeichnet
bei Verletzungen, Fieber, Infektionen oder im Hungerstoff- man als energetisches Äquivalent von Sauerstoff für
wechsel erkennbar. So führt die Steigerung der Körpertem- Glucose. Entsprechende Gleichungen bestehen für die
peratur um 1°C zu einer Zunahme der metabolischen Rate Oxidation von Fettsäuren oder Aminosäuren (. Tabel-
um etwa 13%. Bei Infektionen ist insbesondere eine erhöhte le 21.1).
zelluläre Aufnahme von Trijodthyronin festzustellen, das
im Gegensatz zu den Katecholaminen eine längerfristige Da das energetische Äquivalent von Sauerstoff für die
Erhöhung der metabolischen Rate bewirken kann. Die meis- drei wichtigsten Nährstoffe in der Nahrung des Menschen
ten Erkrankungen sind mit einem erhöhten Umsatz und fast gleich ist (. Tabelle 21.1), verwendet man für die Be-

. Abb. 21.5. 24-Stunden Registrierung des Energieverbrauchs 4,2 kJ (1 kcal/min) während des Schlafens (dunkelblau) und ist wäh-
bei einem Probanden, der sich in einem indirekten Kalorimeter oder in rend körperlicher Aktivität (hellblau) und nach Mahlzeiten (grün)
einer Respirationskammer aufhält. Der Energieverbrauch beträgt erhöht
21.1 · Energiebilanz
637 21

. Tabelle 21.1. Respiratorischer Quotient und energetisches Äquivalent für Sauerstoff für die einzelnen Nährstoffe. RQ respiratorischer Quo-
tient

Nährstoff Beispiel Gleichung RQ Freigesetzte Energetisches


Wärme (kJ/g Äquivalent
bzw. kcal/g) (kJ bzw. kcal/l O2)

Kohlenhydrat Glucose C6H12O6 + 6 O2 o 6 CO2 + 6 H2O 6/6 = 1,00 16,8 4,0 21,0 5,0

Fett Triolein C57H104O6 + 80 O2 o 57 CO2 + 52 H2O 57/80 = 0,71 39,7 9,46 19,7 4,7

Protein Alanin 2 C3H7O2N + 6 O2 o (NH2)2CO + 5 CO2 + 5 H2O 5/6 = 0,83 18,1 4,32 19,3 4,6

rechnung des Energieumsatzes aus dem Sauerstoffver- Eine andere indirekte Methode zur Bestimmung des
brauch einen Durchschnittswert von 20 kJ (4,8 kcal)/l O2. Energieverbrauchs, die Isotopendilutionsmethode, be-
Beträgt der Sauerstoffverbrauch in Ruhe z.B. 250 ml/min, dient sich der Isotope 2H und 18O in doppelt markiertem
so errechnet sich der Grundumsatz pro 24 Stunden wie Wasser. Der Vorteil dieser Technik besteht darin, dass sie
folgt: bei normal lebenden Menschen den Energieverbrauch über
10–14 Tage erfassen kann. Während das Isotop 2H den Or-
0,250×60×24×20 = 7200 kJ (1721 kcal) ganismus als Wasser verlässt, verteilt sich 18O auf Wasser
und CO2. Die Bildung von CO2 und damit der Einbau von
18
Aufgrund des unterschiedlichen Gehalts an Kohlenstoff, O in CO2 wird dabei durch die Carboanhydrasereak-
Wasserstoff und Sauerstoff in den einzelnen Nährstoffen tion katalysiert. Durch Bestimmung der Isotopverteilung
ergeben sich im Verhältnis von gebildeten Mol CO2 pro Mol im Wasseranteil der Körperflüssigkeiten kann der Ener-
an verbrauchtem O2 bei der Verbrennung unterschiedliche gieverbrauch anhand der Differenzen der Verlustraten er-
respiratorische Quotienten (VCO2/VO2). Diese betragen mittelt werden (. Abb. 21.6). Nach Bestimmung der Größe
1,00 für Kohlenhydrate, 0,80 für Proteine und 0,71 für Fette. des Körperwasserpools mit derselben Methode kann man
Für Alkohol beträgt der respiratorische Quotient 0,67. An- bei Kenntnis der Zusammensetzung der Kost oder unter
hand des experimentell ermittelten respiratorischen Quoti- Annahme eines mittleren respiratorischen Quotienten
enten lässt sich somit auch auf den primär oxidierten Nähr- von 0,85 aus der ermittelten CO2-Produktion den Sauer-
stoff schließen. Für eine Mischkost beträgt der respirato- stoffverbrauch und daraus den Gesamtenergieumsatz be-
rische Quotient etwa 0,85. rechnen.

. Abb. 21.6. Prinzip der Isotopendilutionsmethode. Doppelt von 2H und 18O im Körperwasser lässt sich berechnen, wie viel CO2 aus
markiertes Wasser 2H218O markiert den Wasserpool und wird mit der der Nährstoffverbrennung gebildet bzw. wie viel O2 verbraucht wurde
Atemluft als CO2 abgeatmet. Aus den unterschiedlichen Verlustraten und damit auf den Energieverbrauch schließen
638 Kapitel 21 · Ernährung

In Kürze
21
Von der mit der Nahrung zugeführten Energie Der Energiegehalt der Makronährstoffe lässt sich durch
5 werden etwa 40% in chemische Energie in Form von zwei Parameter ausdrücken:
ATP umgewandelt 5 den physikalischen Brennwert, ein Maß der außerhalb
5 der Rest dient der Wärmeproduktion oder Thermo- des Körpers bei vollständiger Verbrennung des Nähr-
genese stoffs freiwerdenden Energie
5 den physiologischen Brennwert, ein Maß der innerhalb
Die Thermogenese wird eingeteilt in des Körpers bei der Verbrennung des Nährstoffs frei-
5 essentielle werdenden Energie
5 regulatorische und
5 obligate Thermogenese Der Energieumsatz des Menschen setzt sich zusammen aus:
5 Grundumsatz, durch den im Ruhezustand lebensnot-
Die einzelnen Nährstoffe sind wendige Funktionen aufrechterhalten werden
als Energiequellen bis zu einem gewissen Grad austausch- 5 Erhaltungsbedarf, durch den Verdauung, Regeneration
bar, bei gleichzeitigem Angebot von Glucose und Fett- und alltägliche Bewegungsabläufe ermöglicht werden
säuren in der Nahrung hat die Glucose unter dem Einfluss 5 Leistungsbedarf, der alle über den Ruheumsatz und Er-
von Insulin Vorrang bei der Oxidation. haltungsbedarf hinausgehenden Aktivitäten ermöglicht

21.2 Der Ernährungszustand Masse beträgt etwa 5 kg und ist weitgehend unabhängig
vom Ernährungszustand. Das Depotfett liegt im Unter-
! Der Ernährungszustand eines Individuums lässt sich hautfettgewebe und im Bauchraum, seine Masse beträgt
anhand des Körpergewichtes und der Mengenvertei- beim Mann >15 kg und bei der Frau >20 kg.
lung von Körperfett und Muskelmasse beschreiben. Da etwa 70% des Körperfetts subkutan gespeichert ist,
kann durch Bestimmung der Hautfaltendicke an charakte-
Einkompartiment-Modell: Das Einkompartiment-Modell ristischen Messpunkten (Biceps, Triceps, subscapular, su-
bedient sich des Körpergewichts, als einfachstem Para- prailiacal, am Abdomen, am Oberschenkel) und mit Hilfe
meter zur Erfassung des Ernährungszustands. Da das Kör- empirisch ermittelter Faktoren auf den Körperfettgehalt
pergewicht auch von der Körpergröße bestimmt wird, ver- geschlossen werden. Aus diesem wird nach Bestimmung
wendet man das relative Körpergewicht, d.h. die Körper- des Körpergewichts die fettfreie Körpermasse berechnet.
masse in Bezug zur Körpergröße, den Body-Mass-Index Die fettfreie Masse hat den größten Energieumsatz und be-
(BMI = Körpergewicht/Körpergröße2 [kg/m2]. Der Nor- stimmt den Energiebedarf des Menschen.
malbereich liegt für Männer und Frauen zwischen 18,5 und Dreikompartiment-Modell: Dieses Modell unter-
24,9 kg/m2. Von Übergewicht spricht man bei BMI-Wer- scheidet die Kompartimente Fett und fettfreie Körpermasse
ten von 25,0–29,9 kg/m2. Bei der Adipositas unterscheidet und unterteilt diese nochmals in Zellmasse und Extrazel-
man anhand des BMI drei Grade: Grad I liegt vor bei BMI- lulärmasse. Heute dient die Bioelektrische Impedanzana-
Werten von 30–34,9 kg/m2, Grad II bei Werten von 35– lyse (BIA), eine nichtinvasive Methode, der Messung der
39,9 kg/m2 und Grad III bei einem BMI-Wert über 40 kg/ drei Kompartimente Gesamtkörperfett, fettfreie Körper-
m2. Basierend auf dieser Klassifizierung lässt sich in masse und Gesamtkörpermasse. Die BIA basiert auf der
Deutschland Übergewicht bei etwa 40–50% und Adipositas unterschiedlichen Leitfähigkeit der Gewebe bei einer ange-
bei etwa 16–20% der Erwachsenen diagnostizieren. Mode- legten elektrischen Spannung. In fettfreiem Gewebe ist die
rate Tag zu Tag Schwankungen in Körpergewicht und BMI Leitfähigkeit durch den hohen Anteil an Wasser und Elek-
sind normal. Änderungen des Körpergewichts von mehr als trolyten im Gegensatz zum Fettgewebe höher, während
500 g pro Tag sind neben Änderungen des Gewebebestands Zellmembranen sich wie elektrische Kondensatoren verhal-
meist durch Alterationen des Wassergehalts bedingt. ten und eine geringe Leitfähigkeit aufweisen. Die Leitfähig-
Zweikompartiment-Modell: Für die Definition von keit ist umgekehrt proportional zum elektrischen Wider-
Fettsucht oder auch für die Beurteilung von Trainingseffek- stand (Impedanz), der durch Anlegen von zwei Elektroden
ten im Leistungssport ist es notwendig, das Zweikomparti- am Hand- und Fußgelenk gemessen wird und aus dem mit-
ment-Modell anzuwenden, das den Körper in die Kompar- tels empirischer Formeln die Fettmasse, die fettfreie Masse
timente Körperfett und fettfreie Masse (Magermasse) und das Gesamtwasser berechnet werden können.
unterteilt. Das Körperfett kann nochmals in Struktur- und
Depotfett unterteilt werden. Strukturfett bildet z.B. die
Auskleidung der Augenhöhlen oder des Nierenlagers. Seine
21.3 · Veränderungen der Energiebilanz
639 21

In Kürze
Die Verwendung von Kompartimentmodellen ermöglicht 5 Beim Zweikompartiment-Modell wird zwischen fett-
die Beurteilung des Ernährungszustands. freier Masse und Körperfett unterschieden
5 Beim Einkompartiment-Modell wird das Körpergewicht 5 Das Dreikompartiment-Modell unterteilt die fettfreie
zugrunde gelegt. Der body mass index BMI ermöglicht Masse in Zellmasse und extrazelluläre Masse
eine sichere Beurteilung des Ernährungszustands

21.3 Veränderungen rebiosynthese beteiligt sind (7 Kap. 21.5.3). Angesichts der


der Energiebilanz Tatsache, dass die Fettgewebsmasse negativ mit der Lebens-
spanne und positiv mit dem Auftreten von Insulinresistenz
21.3.1 Ausgeglichene Energiebilanz und Arteriosklerose in verschiedenen Säugetierspezies kor-
auf niedrigem Niveau reliert, kann vermutet werden, dass den Sirtuinen auch
(Kalorienrestriktion) beim Menschen entsprechende Wirkungen in der Verzöge-
rung von Alterungsprozessen zugeschrieben werden kön-
! Eine kalorisch restriktive Ernährung bei sonst ausrei- nen. Sirtuine sind NAD+-abhängige Histon-Deacetylasen,
chender Zufuhr aller essentiellen Nährstoffe verlängert die dann aktiviert werden, wenn die Substratoxidation
die Lebensspanne nahezu aller Spezies. niedrig und damit der NAD+/NADH-Quotient hoch ist.
Ihre Aktivierung führt u.a. zu verminderter Acetylierung
Eine Reduktion der normal zugeführten Energiemenge um von Histonen und zur Hemmung der Transkription von
30% zeigt ausgeprägte Effekte auf die Verlangsamung von Genen wie z.B. dem Apoptose-induzierenden p53-Gen.
Alterungsprozessen. Vor allem bei Nagern zeigten sich un- SIRT1 hemmt in Herzmuskelzellen die p53-vermittelte
ter kalorisch restriktiver Ernährung Besserungen der alters- Apoptose und seine Expression in Myozyten und Gehirn
bedingten Fehlregulation des Blutglucosespiegels sowie könnte mit der Regulation der Zellmasse, die besonders in
positive Wirkungen auf Aktivitäten antioxidativer Enzym- diesen Organen durch Stress-induzierte Apoptose altersab-
systeme, Reparaturmechanismen der DNA, Immunfunkti- hängig abnimmt, in Zusammenhang stehen.
onen, Lernfähigkeit, sowie Proteinsynthese und Erhalt der
Muskelmasse. Gleichzeitig zeigte sich eine verminderte
Oxidation langlebiger Proteine, eine reduzierte Bildung 21.3.2 Positive Energiebilanz
freier Radikale in Mitochondrien, sowie eine Reduktion
oxidativer Gewebeschädigungen. Bei ausreichender Zufuhr ! Übergewicht und Adipositas sind die Folgen einer
aller essentiellen Nährstoffe, zeigte sich ein deutlich verzö- langfristig positiven Energiebilanz.
gertes Auftreten typischer Krankheiten reiferen Alters, wie
Autoimmunerkrankungen, Krebs, grauer Star, Diabetes, Bereits eine Nahrungsaufnahme, die über längere Zeit um
Hypertonie oder Nierenversagen. Auch bei Rhesusaffen 1–2% über dem Energieverbrauch liegt, führt mit der Zeit
war die langfristige Kalorienrestriktion mit signifikant er- zu einer nennenswerten Gewichtszunahme. An der Ent-
niedrigten Spiegeln oxidativ veränderter Proteine und einer wicklung von Übergewicht und Adipositas sind genetische
Verbesserung der Insulinsensitivität assoziiert. Zwei 1989 Faktoren maßgeblich beteiligt. Dies lässt sich anhand von
und 1994 begonnene Studien an Rhesusaffen sollen prüfen, Zwillingsexperimenten, Familienuntersuchungen und Ad-
inwieweit auch die maximale Lebensspanne der Primaten optionsstudien gut belegen. Nur etwa 33% der Variabilität
durch kalorisch restriktive Kost erhöht werden kann. Mit des BMI lässt sich nicht-genetischen Faktoren zuschreiben.
ersten Ergebnissen dazu wird ca. 2020 gerechnet. Insbesondere für die intraabdominelle Ansammlung von
Fettgewebe wird eine sehr starke genetische Prädisposition
! Sirtuine vermitteln die Effekte einer Kalorienrestriktion
angenommen. Allerdings sind die beteiligten Gene noch
auf Alterungsprozesse.
nicht identifiziert. Auch wenn der Mensch offenbar eine
Als gemeinsames Bindeglied in der Regulation von Alte- multi-genetische Prädisposition für Adipositas besitzt,
rungsprozessen wurden in Organismen wie Saccharomyces kann sich diese nur in einer Ernährungsumwelt mit einem
cerevisiae und Drosophila die Sirtuine (silent information Überangebot an Nahrungsenergie bei gleichzeitig niedriger
regulators) identifiziert. In der Hefe wird SIR2 und in der körperlicher Aktivitätsrate auswirken.
Nematode C. elegans SIR2.1 für die alterungsverzögernden Nur in sehr seltenen Fällen ist die Adipositas als mono-
Wirkungen einer Kalorienrestriktion verantwortlich ge- gene Erkrankung zu diagnostizieren. So sind bisher nur
macht. Das Säugetier-Ortholog SIRT1 reprimiert u.a. im wenige Menschen als homozygote Träger von Mutationen
Fettgewebe die durch PPAR-J vermittelte Transaktivierung im Leptingen, im Leptinrezeptor-Gen (7 Kap. 16.1.3),
von Genen, deren Produkte beispielsweise an der Fettsäu- oder im Melanocortin-4-Rezeptor-Gen identifiziert wor-
640 Kapitel 21 · Ernährung

das Gesundheitsrisiko infolge eines erhöhten BMI und


. Tabelle 21.2. Begleiterkrankungen der Adipositas
21 wendet sich ins Gegenteil: Bei Menschen über 70 Jahren ist
Stoffwechselstörungen Erkrankungen
die restliche Lebenserwartung bei einem um 10% erhöhten
Dyslipoproteinämie Diabetes Typ 2 BMI größer als bei normalem oder gar um 10% verminder-
Fibrinogen erhöht Koronare Herzerkrankung tem BMI. Offensichtlich sind im Alter ausreichende Ener-
Insulinresistenz Hypertonie gie- bzw. Nährstoffreserven von Vorteil.
Hyperinsulinämie Schlaganfall
Glucoseintoleranz Angina pectoris
21.3.3 Negative Energiebilanz
Hyperurikämie Gallensteine
Gicht ! Fortschreitende Nahrungskarenz führt zu einer Reihe
Schlafapnoe von Änderungen im Interorganstoffwechsel und den
Brustkrebs (postmenopausal) Metabolitflüssen des Organismus.

Der Substratumsatz von etwa 7560 kJ (1800 kcal) eines ge-


den. Störungen endokriner Funktionen können sekundär sunden, fastenden Menschen ist in . Abb. 21.7 dargestellt.
zur Entwicklung von Übergewicht und Adipositas beitra- Da es obligate Glucose-verbrauchende Zellen und Gewebe
gen, so z.B. eine Hypothyreose oder eine Behandlung mit gibt, müssen hinreichende Glucosemengen bereitgestellt
Glucocorticoiden. Auch in der Schwangerschaft kommt es werden. Für das Nervensystem, das in 24 Stunden 144 g
gelegentlich zu einer sehr starken Gewichtszunahme, die Glucose oxidiert sowie die Erythrozyten stellt die Leber die
häufig zu einer bleibenden Gewichtserhöhung auch nach benötigten 180 g Glucose bereit, zum Teil durch Glycoge-
der Entbindung führt. nolyse, zum Teil durch Gluconeogenese (7 Kap. 11.3).
In Folge von Übergewicht und vor allem von Adipositas Hierfür werden die glucogenen Aminosäuren aus dem
treten gehäuft eine Reihe weiterer Erkrankungen auf (. Ta- Abbau von etwa 75 g Muskelprotein, 16 g des bei der Lipo-
belle 21.2). Dies ist auch der Grund, warum Adipositas mit lyse im Fettgewebe entstandenen Glycerins sowie etwa 36 g
einer statistisch eindeutigen Verkürzung der Lebenser- Lactat (Pyruvat) verwendet, welches durch Glycolyse in
wartung einhergeht. Sehr häufig findet sich bei einer Adi- den Erythrozyten gebildet wird. Die Energieversorgung al-
positas, besonders bei androidem, abdominellem Fettver- ler anderen Gewebe des Organismus wird durch die freien
teilungsmuster, ein Metabolisches Syndrom (7 Kap. 26.4.2). Fettsäuren aus der Lipolyse des Fettgewebes bereitgestellt.
Hierunter versteht man die Kombination von pathologi- Etwa ein Viertel der Fettsäuren werden in der Leber in Ke-
scher Glucosetoleranz, peripherer Insulinresistenz, Dys- tonkörper umgewandelt, die dann ebenfalls der Energie-
lipoproteinämie und Hypertonie. Das Metabolische Syn- versorgung extrahepatischer Gewebe dienen. Die Glucose-
drom geht außerdem mit der Entwicklung einer vorzeitigen oxidation der peripheren Gewebe ist während der Nah-
Arteriosklerose einher. Erst mit zunehmendem Alter sinkt rungskarenz sehr niedrig, da Muskulatur und Fettgewebe

. Abb. 21.7. Herkunft, Umwandlung und Verbrauch von Nähr- stellen die beiden Quellen der Substrate dar, die von Nerven, Erythro-
stoffen beim fastenden gesunden Menschen, bezogen auf einen zyten, Leukozyten und dem Rest des Organismus verbraucht werden.
Energieumsatz von 7560 kJ (1800 kcal)/ 24 h. Muskel- und Fettgewebe (Nach Cahill G, 1970 New Engl. J of Med 282:6–8)
21.3 · Veränderungen der Energiebilanz
641 21

. Abb. 21.8. Nach fünf- bis sechswöchiger Nahrungskarenz sinkt Das Nervensystem gewinnt die Fähigkeit zur Verwertung von Keton-
der Energiebedarf auf etwa 6300 kJ (1500 kcal)/24 h, wobei vor- körpern. (Nach Cahill 1970)
wiegend die Gluconeogenese aus Aminosäuren eingeschränkt wird.

die Glucose nur in Gegenwart von Insulin aufnehmen bei kurzfristiger Nahrungskarenz auf ca. 80 g/24 Std. Da
und oxidieren können, die Nahrungskarenz jedoch durch die Lipolyserate des Fettgewebes und damit die Glyce-
sehr niedrige Insulinkonzentrationen gekennzeichnet ist rinproduktion etwa gleich bleibt, ebenso wie die Lactat-
(7 Kap. 16.1.4, 26.1.3). (Pyruvat) Freisetzung für die Gluconeogenese, wird eine
Eine fortschreitende Nahrungskarenz (Hungern, Fas- Reduktion der Proteolyse in der Skelettmuskulatur auf
ten) führt zu einer Reihe bemerkenswerter Änderungen etwa 20 g/24 Std ermöglicht. Erst diese Anpassung erlaubt
im Interorganstoffwechsel und den Metabolitflüssen des ein mehrwöchiges Hungern, dessen Dauer natürlich
Organismus (. Abb. 21.8). Von besonderer Bedeutung ist durch die Protein- und vor allem Fettreserven bestimmt
die Adaption des Gehirns an die Verwertung von Keton- wird. Einhergehend mit einer reduzierten Harnstoffbio-
körpern, die jetzt etwa 70% des Energiebedarfs des Zen- synthese der Leber verlagert sich die Gluconeogenese zu-
tralnervensystems decken. Dies wird dadurch ermöglicht, nehmend von der Leber in die Niere begleitet von einer
dass die Enzyme für die Verwertung von β-Hydroxy- vermehrten renalen Elimination von Ammoniak. Die Be-
butyrat und Acetacetat während längerer Nahrungskarenz deutung einzelner Aminosäuren für die renale Gluco-
induziert werden. Hierdurch vermindert sich die vom Or- neogenese und Stickstoffelimination wurde in 7 Kapitel 13
ganismus bereitzustellende Glucosemenge von 180 g/24 Std diskutiert.

In Kürze
Eine kalorisch restriktive Kost bei sonst ausreichender Zu- Eine nur kurzfristig negative Energiebilanz (kurzfristige
fuhr essentieller Nährstoffe bewirkt eine Verzögerung von Nahrungskarenz) führt vor allem zur Mobilisierung von Pro-
Alterungsprozessen. teinen des Muskels und Triacylglycerinen des Fettgewebes.
Eine anhaltend positive Energiebilanz führt zu Über- Als Energiesubstrate werden verwertet:
gewicht und Adipositas. Deren Klassifizierung als Risiko- 5 in obligat Glucose verwertenden Geweben Glucose
faktor erfolgt auf der Grundlage des body mass-Indexes (aerob im Gehirn, anaerob in Erythrozyten u.a.)
und bei der Adipositas zusätzlich anhand des Fettvertei- 5 in den übrigen Geweben Fettsäuren und Keton-
lungsmusters. Übergewicht und vor allem Adipositas ge- körper
hen häufig mit einem Metabolischen Syndrom als Kombi-
nation von pathologischer Glucosetoleranz, peripherer In- Die Leberzelle wirkt dabei als Energietransformator: Sie be-
sulinresistenz, Dyslipoproteinämie, Hypertonie, Gicht und treibt Gluconeogenese aus den Vorstufen Glycerin, Lactat
erhöhtem Arterioskleroserisiko einher. und den Ketosäuren des Aminosäureabbaus. Die dafür not-
6
642 Kapitel 21 · Ernährung

21 wendige Energie gewinnt sie aus der Oxidation von Fett- 5 Fähigkeit des Gehirns zur Ketonkörperverwertung
säuren und Ketonkörpern. 5 Verminderung der Glucoseoxidation und vermehrter
Eine länger andauernde Nahrungskarenz ist mit mar- Utilisation von Fettsäuren
kanten Änderungen der Metabolitflüsse verbunden und 5 Verminderung der Proteolyse und insgesamt reduzierter
führt zur: Stickstoffausscheidung
5 Reduktion der Harnstoffbiosynthese und vermehrter
renaler Ammoniakausscheidung

21.4 Kontrollmechanismen nahme verstärkt vom Fundus des Magens sezerniert wird
der Nahrungsaufnahme, und die Nahrungsaufnahme zu initiieren scheint (. Abb.
Energie- und Nährstoffzufuhr 21.9, 7 Kap. 27.7.1, 32.1.6). Neben den neuronalen und hu-
moralen afferenten Signalen werden auch von den in die
! Vielfältige neuronale und humorale Faktoren regulieren Blutbahn resorbierten Nährstoffen selbst Informationen
die Nahrungsaufnahme. ans Gehirn vermittelt, die Nahrungszufuhr und Appetit re-
duzieren.
Die Kontrolle der Nahrungsaufnahme über Hunger- und
! Auch das Fettgewebe ist beteiligt an der langfristigen
Sättigungswahrnehmungen wird über eine Vielzahl von
Regulation der Nahrungsaufnahme.
Faktoren gesteuert, die nicht nur den Energiestatus des Or-
ganismus abbilden, sondern ebenso seine Versorgung mit Afferente Signale, die der Langzeitregulation, der Energie-
einzelnen Nährstoffgruppen. Die Kalorienzufuhr durch die homöostase und der Kalorienzufuhr dienen, gehen bei-
Nahrung wird dem Energieverbrauch angepasst und zum spielsweise von den Energiespeichern des Organismus, also
Erhalt der Energiehomöostase über mehrere sensorische hauptsächlich vom Fettgewebe aus. Mit der Entdeckung des
Systeme erfasst und reguliert. Als zentrales Steuerungsele- Peptidhormons Leptin (7 Kap. 16.1.3) gelang es einen maß-
ment dient das Gehirn, wo alle Informationen über den geblichen Faktor zu identifizieren, der das Gehirn über die
Ernährungszustand integriert werden und eine koordi- Größe der vorhandenen Fettgewebsspeicher und damit
nierte Antwort auf die eingehenden Signale erfolgt. Affe- Energiereservoirs informiert. Seine Bildung ist unmittelbar
rente Signale können neuronaler oder humoraler Art sein, abhängig von der Fettsäuresynthese bzw. den Wirkungen
während efferente Signale des Gehirns zu einer moto- des Insulins. Leptin reduziert nicht nur die Nahrungsauf-
rischen Steigerung der Aktivität zur Nahrungsaufnahme nahme nach Bindung an Leptinrezeptoren im Gehirn,
führen. sondern erhöht über periphere Rezeptoren auch den Ener-
! Sensorische Wahrnehmungen wie Geruch, Geschmack
und Aussehen der Nahrung haben unmittelbare Wir-
. Tabelle 21.3. Afferente Signale mit Beteiligung an der Kontrolle
kung auf die Nahrungsaufnahme.
der Nahrungsaufnahme
Afferente Signale mit unmittelbarer Wirkung auf die Nah- Sensorisch Aussehen
rungsaufnahme sind z.B. die sensorischen Wahrnehmun- Geruch
gen wie Geruch, Geschmack und Aussehen der Nahrung,
Geschmack
sowie die präabsorptiven und postprandialen Signale, die
Gastrointestinal Cholecystokinin
durch Verdauung, Absorption und Metabolismus der Nähr-
stoffe erzeugt werden (. Tab. 21.3). Dem Gastrointestinal- Bombesin
trakt kommt dabei die Rolle des multiplen Sensorsystems gastric-insulinotropic peptide (GIP)
zu. So wird z.B. die Menge der aufgenommenen Nahrung Enterostatin
über Dehnungsrezeptoren im Magen registriert und die Ghrelin
Zusammensetzung der Nahrung durch ein Spektrum gas-
Metabolisch Glucose
trointestinaler Peptide erfasst, die über Nahrungsbestand-
Aminosäuren
teile im Darmlumen spezifisch freigesetzt und ins Blut ab-
gegeben werden. Die Sekretion von Cholecystokinin wird Fettsäuren
u.a. durch Produkte der Protein- und Fettverdauung ausge- Ketonkörper
löst und verursacht durch Aktivierung vagaler afferenter Insulin
Nerven im Gehirn Signale, die zu einer Reduktion der Nah- Glucagon
rungszufuhr führen. Ghrelin ist ein erst kürzlich entdecktes
Leptin
Peptidhormon, das beim Fasten und vor der Nahrungsauf-
21.4 · Kontrollmechanismen der Nahrungsaufnahme, Energie- und Nährstoffzufuhr
643 21

. Abb. 21.9. Das Gehirn als Sensor


und Signalgeber für die Kontrolle der
langfristigen Energiebilanz. Neben der
Erfassung der Größe der Energiespeicher
vor allem des Fettgewebes (u.a. durch
Leptin) werden durch die Nahrungsauf-
nahme zahlreiche gastrointestinale Pep-
tidhormone (Grehlin, Cholecystokinin
(CCK), glucagon like peptide-1 (GLP-1),
Gastroinhibitorisches Peptid (GIP), Peptid
YY (PYY) freigesetzt, die zusammen mit
Insulin dem Gehirn den Ernährungsstatus
vermitteln. Nach Integration vor allem in
hypothalamischen Zentren erfolgt die
Steuerung der Nahrungsaufnahme und
des Energieverbrauchs. Die Größe der
Energiereservoirs (Fettgewebe) ist auch
für die reproduktive Kompetenz des
Organismus von Bedeutung

gieumsatz, trägt also bei Zunahme der Fettgewebsmasse zu


. Tabelle 21.4. Neuromodulatoren der Nahrungsaufnahme
deren Reduktion durch erhöhten Energieverbrauch bei. So
war es nahe liegend zu vermuten, dass bei der Adipositas Neuromodulatoren mit hemmender Wirkung auf die Nahrungs-
aufnahme
ursächlich eine Fehlregulation in der Bildung des Leptins
oder auf Ebene seiner Interaktion mit Leptinrezeptoren Neurotransmitter Peptidhormone
vorliegt. Heute wird davon ausgegangen, dass die bei Adi- Serotonin Neurotensin
positas fast proportional zur Fettmasse erhöhten zirkulie- Dopamin Cholecystokinin
renden Leptinspiegel zu einer chronischen peripheren De-
Noradrenalin Somatostatin
sensibilisierung des Rezeptorwegs (ähnlich zur peripheren
Adrenalin Enterostatin
Insulinresistenz) führen sowie mit einer unzureichenden
Aufnahme von Leptin ins Gehirn assoziiert sind. GABA Anorectin
Bombesin
! Die Steuerung der Nahrungsaufnahme erfolgt vom
Hypothalamus aus. Glucagon
Calcitonin
Innerhalb des ventromedialen Bereichs stellt der paravent-
rikuläre Nukleus die Region dar, welche Sättigungssignale Arginin-Vasopressin
integriert, während im lateralen Hypothalamus die Regi- CRH
on lokalisiert ist, die die Stimulation der Nahrungsaufnah- Neuromodulatoren mit stimulierender Wirkung auf die
me auslöst. Vor allem tierexperimentelle Studien haben Nahrungsaufnahme
eine Vielzahl von Neuromodulatoren identifiziert, die ver- (nach Injektion in das Gehirn von gesättigten Tieren)
änderte Aktivitäten in diesen Hirnregionen herbeiführen Neurotransmitter Peptidhormone
und somit die Nahrungsaufnahme beeinflussen (. Tabel- Serotonin Grehlin
le 21.4). Die vom Gehirn ausgehenden Signale auf die Nah-
GH-RH Opioide, E-Endorphin,
rungsaufnahme werden durch das sympathische und para-
sympathische Nervensystem geleitet. Während das sympa- GABA Galanin
thische Nervensystem die Nahrungsaufnahme inhibierend Noradrenalin Neuropeptid Y
beeinflusst, wird sie durch den Parasympathikus stimuliert. Peptid YY
Appetitzügler wie die Amphetamine wirken beispielsweise
pancreatic polypeptide
durch Stimulation des Sympathikus. Die Komplexizität der
644 Kapitel 21 · Ernährung

Kontrollmechanismen der Nahrungsaufnahme stellt einen Für eine ausgeglichene Proteinbilanz ist sowohl der Er-
21 besonders interessanten Forschungsbereich der modernen satz derjenigen Proteinmenge notwendig, die abgebaut und
Neurowissenschaften dar. nach Oxidation der Aminosäuren meist als Harnstoff renal
eliminiert wird, als auch eine hinreichende Energiezufuhr
In Kürze um die Verwendung von Aminosäuren für die Energiege-
Die Nahrungsaufnahme wird reguliert durch winnung zu unterdrücken. Der tägliche Proteinumsatz ei-
5 Sensorische Wahrnehmungen wie Geruch und Ge- nes stoffwechselgesunden 70 kg schweren Erwachsenen
schmack der Nahrungsstoffe beträgt etwa 300 g pro Tag und überschreitet damit mehr
5 dem Fettgewebshormon Leptin als 10-fach den minimalen Proteinbedarf von 0,376 g/kg
5 aus dem Gastrointestinaltrakt stammenden Hormo- Körpergewicht und Tag, d.h., von etwa 26 g. Die Protein-
nen, v.a. Cholecystokinin und Ghrelin syntheserate ist beim Säugling am höchsten und sinkt mit
5 sowie einer großen Zahl von Neuromodulatoren zunehmendem Alter; entsprechend sinkt auch der Bedarf
an Nahrungsprotein und an essentiellen Aminosäuren. Bei
einer mittleren täglichen Proteinzufuhr mit der Nahrung
von etwa 100 g in Deutschland wird heute der Proteinbe-
21.5 Die Stoffwechselbedeutung darf mehrfach überschritten. Die Nahrungsproteine unter-
einzelner Nährstoffe und ihre scheiden sich im Gehalt von nicht-essentiellen und essen-
Beteiligung an der Homöostase tiellen Aminosäuren zum Teil beträchtlich und können
damit nicht in gleicher und idealer Weise für die Protein-
21.5.1 Aminosäuren und Proteine biosynthese beim Menschen genutzt werden. Die Qualität
eines Nahrungsproteins für eine optimale endogene Pro-
! Die Aminosäuren der Nahrungsproteine dienen der teinsyntheserate wird als biologische Wertigkeit bezeich-
Biosynthese von Körperproteinen und als Energiesub- net. Sie beschreibt in welchem Maße das resorbierte Nah-
strate für die Oxidation. rungsprotein im Körper retiniert werden kann. Meist ist
die biologische Wertigkeit pflanzlicher Proteinquellen ge-
Primär dienen die Aminosäuren der Nahrungsproteine als ringer als die tierischer Produkte. Als Bezugsgröße wird
Bauelemente für die Biosynthese der Körperproteine und aus historischen Gründen das Volleiprotein mit einer bio-
in Form ihrer Kohlenstoffgerüste als Energiesubstrate für logischen Wertigkeit von 100 verwendet. Basierend auf
die Oxidation. Die glucogenen Aminosäuren tragen auch Bilanzstudien am Gesunden kann die biologische Wertig-
zur Aufrechterhaltung des Glucosespiegels bei. Darüber keit verschiedener Proteinquellen ermittelt und verglichen
hinaus sind die Aminosäuren die dominanten Nahrungs- werden (. Tabelle 21.5). Die Kombination unterschied-
quellen von Stickstoff und organischem Schwefel für eine lichster Proteinquellen – was bei moderner Ernährungs-
Vielzahl spezifischer Synthesen im Intermediärstoffwech- weise die Regel ist – sichert eine hohe biologische Wertig-
sel (Purine, Pyrimidine, Porphyrine, sulfatierte Proteine keit, sodass die Proteinversorgung in industrialisierten
u.a.). Der tägliche Umsatz von Aminosäuren im Rahmen Ländern heute weder quantitativ noch qualitativ ein Pro-
der Proteinsynthese und -degradation überwiegt mit etwa blem darstellt.
37 mmol/kg Körpergewicht (4,4 g/kg Körpergewicht) pro
Tag den der Lipide um 30% und den der Kohlenhydrate um . Tabelle 21.5. Die biologische Wertigkeit (B.W.) verschiedener
40%. Am Energiegewinn aus der Substratoxidation partizi- Proteinkombinationen
pieren die Aminosäuren jedoch – abhängig von der Stoff-
Prozentuales Mengenverhältnis (N-Prozente) B.W.
wechsellage – nur mit etwa 15 bis 20%.
36 % Vollei plus 64 % Kartoffel 136
! Bei ausgeglichener Stickstoff-Bilanz ersetzt das über die 70 % Lactalbumin plus 30 % Kartoffel 134
Nahrung zugeführte Protein den Stickstoff-Verlust des
75 % Milch plus 25 % Weizenmehl 125
Körpers.
60 % Vollei plus 40 % Soja 124
Die beständige Synthese der körpereigenen Proteine erfor- 68 % Vollei plus 32 % Weizen 123
dert die Verfügbarkeit aller Aminosäuren, vor allem aber
76 % Vollei plus 24 % Milch 119
der essentiellen Aminosäuren (7 Kap. 13.4). Der zelluläre
51 % Milch plus 49 % Kartoffel 114
Pool an Aminosäuren für die Proteinbiosynthese wird da-
bei einerseits aus dem endogenen Proteinabbau, anderer- 88 % Vollei plus 12 % Mais 114
seits durch die alimentär zugeführten Proteine gespeist. Die 78 % Rindfleisch plus 22 % Kartoffel 114
Bilanz zwischen Proteinabbau- und Proteinbiosyntheserate 36 % Vollei plus 65 % Bohnen 109
wird durch eine Vielzahl anabol und katabol wirkender 52 % Bohnen plus 48 % Mais 99
Hormone determiniert und kann somit an unterschiedliche
84 % Rindfleisch plus 16 % Gelatine 98
Stoffwechsel- und Versorgungsstadien angepasst werden.
21.5 · Die Stoffwechselbedeutung einzelner Nährstoffe und ihre Beteiligung an der Homöostase
645 21

! Eine Kachexie ist stets mit massivem Proteinabbau üben Insulin und Wachstumshormon aus, letzteres vorwie-
verbunden. gend über IGF-1 (7 Kap. 27.7.2). Auch die Spiegel der zirku-
lierenden IGF-Bindeproteine unterliegen einer Kontrolle
Proteinmangelzustände treten bei schweren Maldiges- durch den Ernährungsstatus und regulieren damit sekun-
tions- und Malabsorptionssyndromen sowie bei Kache- där die verfügbare Menge an IGF-1 für die Interaktion mit
xie in Folge von schweren Verletzungen, Tumorerkran- den Wachstumsfaktor-Rezeptoren. Während Insulin zu-
kungen oder chronischen Infektionen und AIDS auf. Die nächst eine anti-proteolytische Wirkung zeigt, ist eine star-
Kachexie geht einher mit einem vermehrten Proteinabbau, ke Zunahme der Proteinsyntheserate und damit anabole
vor allem in der Muskulatur. Dies ist mit einer Aktivierung Insulinwirkung dann zu beobachten, wenn das Angebot
des Calpainwegs und der ubiquitinabhängigen proteaso- von Aminosäuren im Extrazellulärraum steigt. Dies mag
malen Proteindegradation verbunden (7 Kap. 9.3.5). Die cal- vor allem mit den ausgeprägten akuten Wirkungen von In-
ciumabhängige Calpain-regulierte Ablösung der Myofila- sulin auf die Transportsysteme für Aminosäuren in der
mente vom Sarkomer ist eine frühe und vermutlich auch Plasmamembranen zusammenhängen, die nur dann einen
die geschwindigkeitsbestimmende katabole Antwort der erhöhten Influx von Aminosäuren in die Zelle herbeiführen
Muskulatur. Die Myofilamentproteine werden in der Folge können, wenn das Angebot aus dem Blut entsprechend
ubiquitiniert und im 26S Proteasom abgebaut (7 Kap. 6.2.7, groß ist. Da der zelluläre Aminosäurepool aus dem endoge-
30.4). nen Proteinabbau und der Aufnahme aus dem Extrazellu-
In Entwicklungsländern finden sich noch immer, meist lärraum gespeist wird, müssen die Wirkungen der extrazel-
bei Kindern, die klassischen Proteinmangelzustände mit lulären Signalgeber (Hormonspiegel) mit der Größe des
den Krankheitsbildern des Marasmus als einem kombi- Pools an verfügbaren Aminosäuren in der Zelle synchroni-
nierten Protein- und Energiemangel und Kwashiokor als siert werden. Daher verfügt die Zelle offenbar über ein ei-
selektivem Proteinmangel bei sonst ausreichender Energie- genes Rezeptorsystem für Aminosäuren, das mit den intra-
zufuhr. Die in Folge des Proteinmangels auftretende Hypo- zellulären Insulin/IGF1-Signalketten und der AMP-akti-
albuminämie bedingt beim Kwashiokor die ausgeprägten vierten Proteinkinase (AMPK) verknüpft ist (. Abb. 21.10).
Ödeme. Bei Marasmus kommt es neben Hypoalbuminämie Zentrales zelluläres Sensor-Element des intrazellulären
und Ödemen auch zu Fett-Infiltrationen der Leber, zu Aminosäurestatus ist das Protein mTOR (mammalian tar-
Wachstumsretardierungen, Anämien, erhöhter Infektions- get of rapamycin), eine Kinase, die das ursprünglich als bak-
anfälligkeit, Anorexie und Apathie. terielles Makrolid identifizierte Rapamycin bindet und da-
durch inhibiert wird (7 Kap. 16.1.3). Ein Ausschalten des
! Das Gleichgewicht zwischen Proteinsynthese und -
mTOR-Gens bei Mäusen ist lethal und zeigt damit seine
degradation unterliegt der hormonellen Regulation.
überragende Bedeutung als zellulärer Sensor des Amino-
Unter den Organen zeigt die Leber die höchste fraktionelle säurestatus. Der mTOR-Weg wird bei einem entsprechend
Proteinsyntheserate gefolgt von Herz- und Skelettmuskula- hohen Angebot an Aminosäuren in der Zelle – vor allem
tur. Die Halbwertszeit der Proteine schwankt zwischen Mi- durch Leucin – aktiviert und vernetzt letztlich diese Infor-
nuten (Signalproteine), Stunden (Plasmaproteine, Enzyme) mation mit den intrazellulären Signalkaskaden der Tyro-
und Monaten (Strukturproteine wie Kollagen). Der bestän- sinrezeptorkinasen der Zellmembran. Die integrierte Zell-
dige Abbau von Proteinen erfolgt vorwiegend in Protea- antwort besteht in einer erhöhten Ribosom-Genese und
somen und Lysosomen (7 Kap. 6.2.7) und speist den zellu- erhöhter mRNA-Translationsrate von Zielproteinen. Durch
lären Pool an essentiellen und nicht-essentiellen Amino- mTOR werden vor allem die Signalwege der ribosomalen
säuren. Dieser wird durch die aus dem Blut bzw. der sog. p70 S6 Kinase aktiviert und eine Hemmung des euka-
Nahrung stammenden Aminosäuren ergänzt. Da ein Man- ryoten Translations-Repressor-Bindeproteins (4E-BP1)
gel an essentiellen Aminosäuren sofort die Proteinbiosyn- herbeigeführt, was die Bildung von Initiationskomplexen
these zum Erliegen bringen würde, wird die Neusynthese fördert, die dann die 40S-Ribosomenuntereinheiten zu den
von Proteinen zunächst aus dem zellulären Aminosäure- 5c-Enden der mRNA rekrutieren und die vermehrte Prote-
pool gespeist und dieser dann durch fortschreitende Prote- insynthese ermöglichen (. Abb. 21.10).
olyse, vor allem der Muskelproteine ergänzt, um essentielle Die Proteinabbauprozesse werden am stärksten durch
Funktionsproteine synthetisieren zu können. Ein länger die Kombination der Stresshormone Glucagon, Adrenalin
bestehender alimentärer Mangel an essentiellen Aminosäu- und Glucocorticoide bei gleichzeitig abfallendem Insulin-
ren führt somit in kurzer Zeit zu einer fortschreitenden spiegel gefördert, wobei jedes Hormon alleine meist nur
negativen Proteinbilanz durch verminderte Proteinsynthe- sehr schwache Wirkungen entfaltet. Sowohl im Falle einer
se bei gleichzeitig erhöhtem Abbau. sistierenden Hypo- wie auch einer Hyperthyreose wird eine
Das Gleichgewicht zwischen Proteinsynthese und -de- negative Proteinbilanz beobachtet.
gradation unterliegt der hormonellen Regulation durch
Peptidhormone, Steroide und Schilddrüsenhormone. Die
stärksten Effekte, z.B. auf die Proteinbilanz des Muskels,
646 Kapitel 21 · Ernährung

. Abb. 21.10. Der mTOR-Signal-


21 weg. Dargestellt ist ein Modell für die
über den mTOR-Signalweg vermittel-
te Erfassung des zellulären Amino-
säurestatus und seine Einbettung in
die Signalketten der Tyrosinrezeptor-
kinasen und der AMP-Kinase. (Einzel-
heiten 7 Text)

21.5.2 Kohlenhydrate wird aber als ausreichend erachtet, um einer ketoazidoti-


schen Stoffwechsellage vorzubeugen. Auch um die Fettzu-
! Kohlenhydrate sind die primären Energiesubstrate. fuhr zu reduzieren empfehlen Fachgesellschaften eine Koh-
lenhydratzufuhr, die etwa 50% der Nahrungsenergie liefert.
Kohlenhydrate sind die primären Energiesubstrate, die mit Diese sollte in Form komplexer Kohlenhydrate aus Voll-
über 50% der täglichen Substratoxidation in die Energiebi- kornprodukten, Kartoffeln, Gemüse und Obst erfolgen.
lanz eingehen. Im Gegensatz zum Fett und Protein sind die Der Vorteil ist hierbei, dass diese Quellen gleichzeitig zu
Körperpools der Kohlenhydrate sehr begrenzt und stehen einer erhöhten Zufuhr an Ballaststoffen, Vitaminen sowie
daher auch nur zur Überbrückung kurzer Zeiten der Nah- Spurenelementen führen.
rungskarenz für die Aufrechterhaltung des Glucosespiegels
! Die Blutzuckerwirksamkeit der Nahrungskohlenhydrate
des Bluts zur Verfügung. Danach erfolgt die Bereitstellung
ist unterschiedlich.
der Glucose durch Förderung der Gluconeogenese aus den
Ketosäuren des Aminosäureabbaus und aus dem Glycerin Die Blutzuckerwirksamkeit der Nahrungskohlenhydrate,
des Triacylglycerinabbaus. d.h., die Dynamik der Anflutung von Glucose aus dem in-
Die Zufuhr der Kohlenhydrate über die Nahrung er- testinalen Abbau der Kohlenhydrate in das Blut und die
folgt in erster Linie in Form von Stärke pflanzlicher Lebens- Kinetik der Insulinfreisetzung, sind je nach Quelle und Ma-
mittel und in geringerem Umfang als Glycogen des Muskel- trix, d.h. dem physikalischen Zustand der Stärke (roh, ge-
fleischs. Die Aufnahme von Disacchariden (Saccharose und kocht) sowie dem Vorhandensein anderer Begleitstoffe,
Maltose) sowie der Monosaccharide (Glucose, Fructose) ist stark unterschiedlich. Dies wird im sog. glykämischen
vor allem durch die breite Verwendung gesüßter Getränke Index erfasst, der die AUC (area under the curve) des Blut-
gestiegen. Als einzige verfügbare Kohlenhydratquelle der glucoseverlaufs als Funktion der Zeit bei Gabe gleicher
Milch besitzt die Lactose in der Säuglingsernährung natur- Mengen an Glucose aus verschiedenen Nahrungsquellen
gegeben eine besondere Bedeutung. Die in der Human- beschreibt. So führt die gleiche Menge an Glucose als Mono-
milch enthaltenen hochmolekularen Oligosaccharide, de- saccharid oder Stärke verabreicht zu recht stark unter-
ren Gehalt bis zu 8 g/Liter betragen kann, gelten als unver- schiedlichen Blutzuckerverläufen, da die Stärke – abhängig
daulich und dienen vor allem als Substrate für die von ihrem Quellzustand – unterschiedlich schnell gespalten
Fermentation durch Bakterien im Dickdarm des Säuglings. wird und damit die Resorption der Glucose entsprechend
In diesem Sinne können sie als lösliche Ballaststoffe der langsamer erfolgt. Auch der Fettgehalt der Nahrung be-
Muttermilch angesehen werden. wirkt über die Verzögerung der Magenentleerung einen
Ein expliziter Bedarf an Kohlenhydraten kann nicht de- flacheren Anstieg des Blutzuckerspiegels bei gleichzeitiger
finiert werden. Eine mittlere Zufuhr von ca. 120 g pro Tag Gabe mit Kohlenhydraten. Inwieweit auch die gastroin-
21.5 · Die Stoffwechselbedeutung einzelner Nährstoffe und ihre Beteiligung an der Homöostase
647 21

testinalen Peptidhormone GIP (gastric insulinotropic poly- stelle zwischen den Signalketten der Hormone und dem
peptide) bzw. GLP-1 (glucagon like peptide 1), die nur nach Energiestatus. Die AMPK kann durch Phosphorylierung
oraler Gabe von Kohlenhydraten aus enteroendokrinen entsprechender Schlüsselenzyme und durch Beeinflussung
Zellen ins Blut freigesetzt werden und die Insulinsekretion ihrer Transkription die Energie verbrauchenden Biosynthe-
fördern, für die unterschiedlichen glykämischen Indices sewege ab- und Energie liefernden Abbauprozesse anschal-
unterschiedlicher Kohlenhydratquellen verantwortlich ten (7 Kap. 16.1.4).
sind, bleibt zu klären. Es sei hier aber darauf hingewiesen, Zahlreiche neuere Studien lassen vermuten, dass auch
dass nur für wenige definierte Lebensmittel verlässliche Metabolite des Glucosestoffwechsels, vor allem Glucose-6-
Werte über den glykämischen Index vorliegen. phosphat, direkt an der Transkriptionskontrolle einiger
Gene des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels teilhaben.
! Nahrungsfett hemmt die Lipacidogenese aus Kohlen-
So lässt sich die Induktion der L-Pyruvatkinase (L-PK), der
hydraten.
Acetyl-CoA-Carboxylase und Fettsäuresynthase der Leber
In der Resorptionsphase wird die Glucose unter der Wir- auch in Abwesenheit von Insulin zeigen, wenn Glucose-6-
kung von Insulin durch vermehrte Insertion des Glucose- phosphat vermehrt durch die Glucokinase bereitgestellt
transporters GLUT-4 in die Plasmamembran der Muskel- wird. Die Induktion der Glucokinase und der Enzyme der
und Fettgewebszellen schnell aus dem Blut extrahiert. In Lipacidogenese unterliegen ihrerseits jedoch der Regula-
der Leber dient die Glucose der Auffüllung der Glycogen- tion durch SREBP-1c (sterol-regulatory element binding pro-
speicher, der Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels tein; isoform 1c) und der Insulinwirkung (7 Kap. 11.6.1).
und, wie in anderen Körperzellen auch, als primäres Subs- Promotorstudien haben in den Genen der L-PK sowie der
trat der Oxidation. Die Lipacidogenese, d.h., die de novo Acetyl-CoA-Carboxylase und Fettsäuresynthase auch
Biosynthese von Fettsäuren bei einem hohen Angebot an ChRE (carbohydrate response element) nachgewiesen, das
Acteyl-CoA aus dem Glucoseabbau scheint beim Menschen reziprok durch Glucose und cAMP reguliert wird. Dazu
in Leber und Fettgewebe nur in sehr begrenztem Umfang dient ein ChREBP (carbohydrate response element binding
stattzufinden. Selbst bei Kohlenhydratzufuhrrarten von protein), das an ChRE im Kern bindet. ChREBP wird bei
500 g/Tag über längere Zeiträume bleibt die Neubildung niedrigem zellulärem Glucosespiegel durch die AMP-akti-
von Fett bei weniger als 10 g/Tag. Eine Fettzufuhr von nur vierte Proteinkinase bzw. durch die cAMP-abhängige Pro-
4% der Nahrungsenergie bewirkt bereits eine Hemmung teinkinase A phosphoryliert, was seine Translokation in
der de-novo Fettsäurebildung durch Hemmung der Acetyl- den Zellkern blockiert. Wenn der zelluläre Spiegel an Glu-
CoA-Carboxylase, des Schlüsselenzyms der Fettsäurebio- cose steigt aktiviert ein Glucosemetabolit die Proteinphos-
synthese (7 Kap. 12.2.3). Die endogene Fettsäuresynthese- phatase 2A, was eine Dephosphorylierung und Aktivierung
rate liegt daher bei einer normalen Kost mit Fettzufuhren von ChREBP auslöst. Auch Xylulose-5-phosphat aus dem
von 100 g pro Tag bei weniger als 1 bis 2 g/Tag. Bei einer Pentosephosphatweg scheint über diesen Mechanismus an
hyperkalorischen Ernährung werden dem entsprechend der Transkriptionskontrolle von Genen der Glycolyse und
Fettsäuren bevorzugt in die körpereigenen Depots des Fett- Lipacidogenese zu partizipieren (7 Kap. 11.1.2). Weiterhin
gewebes eingelagert und die Kohlenhydrate oxidiert. wirkt auch der zelluläre Zinkstatus auf die Expression der
Gene von Glycolyse und Gluconeogenese sowie des Fett-
! Der Glucoseumsatz unterliegt einer komplexen hormo-
auf- und Abbaus durch die Zinkfingerproteine, die als
nellen und neuronalen Kontrolle.
Transkriptionsfaktoren fungieren. . Abb. 21.11 zeigt ver-
Der gesamte Kohlenhydratstoffwechsel, vor allem aber der einfacht die Integration der Signalketten, die den Hormon-
Glucoseumsatz, unterliegt bekanntlich einer komplexen spiegel (vor allem von Insulin) mit den zellulären Metabo-
Kontrolle. Dies betrifft gleichermaßen die schnellen Stoff- litkonzentrationen (vor allem des Glucose-6-phosphats) in
wechselantworten unter Insulin-, Glucagon- und Katecho- eine koordinierte Genexpressionskontrolle und Stoffwech-
laminwirkungen als auch die langsameren Effekte durch selanpassung übersetzen.
Wirkungen der Steroide und Schilddrüsenhormone. Bisher
gelten die extrazellulären Signalgeber als primäre Steue-
rungsgrößen der adaptiven Veränderungen des Glucose- 21.5.3 Lipide
stoffwechsels, die am Ende in akute Veränderungen der
Aktivitäten von Zielenzymen und in veränderte Transkrip- ! Die Fettfraktion der Nahrung ist komplex zusammen-
tionsraten der für sie codierenden Gene münden. Dabei hat gesetzt.
sich die zelluläre AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) als
ein zentrales intrazelluläres Zielprotein für die koordinierte Der größte Teil der Nahrungslipide wird dem Körper in
Stoffwechselantwort herausgestellt (7 Kap. 16.1.4). Sie kann Form von Triacylglycerinen zugeführt. Darüber hinaus
den zellulären Energiestatus anhand des AMP/ATP-Quoti- sind Phospholipide, Sphingolipide, Cholesterin sowie die
enten direkt in veränderte Aktivitätszustände übersetzen pflanzlichen Sterole und Carotinoide und die fettlöslichen
und steht somit als zelluläres Signalprotein an der Schnitt- Vitamine Bestandteile der Fettfraktion der Nahrung. Die
648 Kapitel 21 · Ernährung

. Abb. 21.11. Regulation von


21 Enzymen der Glycolyse und der
Fettsäuresynthese durch regulierte
Transkriptionsfaktoren. Dargestellt
ist die Regulation der Transkriptions-
faktoren ChREBP (carbohydrate re-
sponsive element binding) und SREBP-
1c (sterol regulatory element binding
protein-1c) durch Insulin und Glycoly-
sezwischenprodukte. (Einzelheiten
7 Text)

durchschnittliche tägliche Fettaufnahme beträgt heute aus der β-Oxidation der Fettsäuren hervorgegangene Ace-
etwa 100–130 g. Hiermit werden etwa 40–45 g gesättigte, tyl-CoA bei ausgelasteter Oxidationsrate der Bildung der
30–40 g einfach ungesättigte und 20–25 g mehrfach un- Ketonkörper (7 Kap. 12.2.2).
gesättigte Fettsäuren aufgenommen. Von Befunden epide-
! Die unterschiedlichen Fettsäureklassen besitzen unter-
miologischer Studien, die den Zusammenhang zwischen
schiedliche nutritive Bedeutung.
quantitativer und qualitativer Fettaufnahme und Erkran-
kungshäufigkeiten, vor allem des kardiovaskulären Systems, Die unterschiedlichen über die Nahrung zugeführten Fett-
untersuchten sind die Empfehlungen von Fachgesellschaf- säuren nehmen im Stoffwechsel verschiedene Funktionen
ten zur Fettaufnahme abgeleitet. Danach sollte Fett nicht wahr:
wesentlich mehr als 30% der täglichen Energieaufnahme 4 Langkettige gesättigte Fettsäuren sind vor allem Ener-
(derzeit etwa 40%) liefern und dabei sollte die Zufuhr von gieträger als Substrate der β-Oxidation
ungesättigten Fettsäuren bei etwa 20%, die der gesättigten 4 Ungesättigte Fettsäuren besitzen als Bestandteile der
Fettsäuren bei etwa 10% der Nahrungsenergie liegen. Von Phospholipide der Plasma- und Organellmembranen
den mehrfach ungesättigten Fettsäuren zeichnen sich die strukturgebende Bedeutung und beeinflussen damit die
ω-3-Fettsäuren durch eine besondere Gefäß-protektive Fluidität und Funktionalität der Membranen
Wirkung aus. Daher ist ein Verhältnis der ω-6- zu ω-3-Fett- 4 Die essentiellen Fettsäuren dienen vor allem als Sub-
säuren von 5:1 anzustreben. strate für die Synthese der unterschiedlichen Eikosano-
Nach der intestinalen Resorption werden die Lipid- idklassen und beeinflussen damit inflammatorische
komponenten vor allem über die Chylomikronen in Lym- Prozesse
phe und Blut verteilt und den Zellen zugeführt. Die Triacyl- 4 Triacylglycerine mit mittelkettigen Fettsäuren (Ketten-
glycerine werden nach Hydrolyse in die Adipozyten aufge- längen von 8 bis 12 C-Atomen) werden im Darm weit-
nommen und nach Reveresterung gespeichert. Ein gehend unabhängig von der Anwesenheit von Gallen-
Kilogramm Fettgewebe hält eine Energiereserve von etwa säuren schnell und überwiegend ohne Hydrolyse re-
29 000 kJ (7000 kcal) vor und kann bei Nahrungskarenz sorbiert und gelangen vorwiegend direkt über die
und einem mittleren täglichen Energieumsatz von 2500 kcal Portalvene zur Leber. Hier werden sie durch Lipasen
den Energiebedarf etwa 3 Tage lang decken. Die Mobilisie- gespalten und die freigesetzten Fettsäuren unter Umge-
rung des Depotfetts unterliegt vielfältiger hormoneller und hung des Carnitin-Acyl-Carrier-Systems der mito-
neuronaler Kontrolle und freigesetzte Fettsäuren werden chondrialen Oxidation zugeführt. Aufgrund dieser
als bevorzugte Energiesubstrate im katabolen Stoffwechsel Eigenschaften finden sie im Rahmen der klinischen
von den meisten Geweben utilisiert. In der Leber dient das Ernährung in parenteralen Lösungen und oral bei
21.5 · Die Stoffwechselbedeutung einzelner Nährstoffe und ihre Beteiligung an der Homöostase
649 21

. Abb. 21.12. Transkriptionelle


Regulation von ausgewählten
Zielgenen durch PPARs im Zusam-
menspiel mit RXR. PPAR = Peroxiso-
men-Proliferation-Aktivierte Rezepto-
ren; RXR= = Retinoid-X-Rezeptor
(Einzelheiten 7 Text)

Fettresorptionsstörungen als effiziente Energiequellen Die Wirkungen freier Fettsäuren auf die Genexpression
Einsatz. werden vorwiegend über PPARs vermittelt. PPARs sind
4 Bei den sog. Transfettsäuren stehen die Wasserstoffato- Transkriptionsfaktoren, die in hetereodimeren Komplexen
me von Doppelbindungen nicht wie bei natürlichen mit den Retinoatrezeptoren der RXR-Klasse vor allem die
Fettsäuren in cis-Position, sondern in trans-Position (7 Genexpression von Proteinen für die zelluläre Fettsäureauf-
Kap. 2.2.2). Sie entstehen in größerem Umfang vor allem nahme, die mitochondriale und peroxisomale Fettsäureoxi-
bei der Raffination von Speisefetten. Aufgrund epide- dation und die de novo Fettsäuresynthese (Lipacidogenese)
miologischer Studien und anhand ihrer Wirkungen auf beeinflussen (. Abb. 21.12). In der Leber führt die Aktivie-
den Anstieg des Plasma-LDL-Cholesterins bzw. Abfall rung des dort vorkommenden PPAR-α durch mehrfach
des HDL-Cholesterins werden Transfettsäuren als kar- ungesättigte Fettsäuren mit Ausnahme von Linolsäure zur
diovaskuläre Risikofaktoren eingestuft. Fachgesell- vermehrten Bildung von Enzymen für die Verwertung der
schaften empfehlen daher, dass die Nahrung nicht mehr Fettsäuren und Ketonkörperbildung sowie einer ver-
als 1% Transfettsäuren enthalten sollte. Eine Besonder- minderten Synthese der Proteine für die Lipacidogenese
heit bildet die cis-9, trans-11 konjugierte Linolsäure (. Abb. 21.13). Auch Prostaglandine (u.a. PGE2) wirken als
(CLA), die etwa 90% der Linolsäurefraktion in Milch Liganden von PPAR-α. Im Fettgewebe findet sich vor allem
und anderen Produkten von Wiederkäuern ausmacht. PPAR-γ, der nach Aktivierung eine erhöhte Insulinwirk-
Auch wenn ihr eine Reihe gesundheitsfördernder Ei- samkeit herbeiführt, die die Fettsäureaufnahme und deren
genschaften zugesprochen werden, scheint eine ab- Reveresterung begünstigt und die Fettsäureabgabe unter-
schließende Beurteilung ihrer gesundheitlichen Bedeu- drückt (. Abb. 21.13). Im Muskelgewebe findet sich PPAR-
tung gegenwärtig nicht möglich. G, der nach Ligandenbindung die vermehrte Synthese von
Proteinen für die Oxidation der Fettsäuren und deren Ver-
! Fettsäuren aktivieren Transkriptionsfaktoren.
esterung bedingt (. Abb. 21.13). Aufgrund ihrer Wirkun-
In Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme und den da- gen sind die PPARs pharmakologische Zielproteine u.a. für
von abhängigen Hormonspiegeln, werden Fettsäuren im die Therapie des Typ-II Diabetes und der Ateriosklerose
Interorganstoffwechsel zwischen Fettgewebe, Leber und mit spezifischen Agonisten wie den Fibraten für PPAR-α
peripheren Geweben der Speicherung oder der Oxidation oder den Thiazolidindionen für PPAR-γ.
zugeführt. Fettsäuren selbst regulieren aber ebenfalls den
Stoffwechsel indem sie die Genexpression von Funktions-
proteinen des Lipid- und Energiestoffwechsels beeinflus- 21.5.4 Alkohol
sen. Dabei stehen die Transkriptionsfaktoren SREBP-1c
(sterol responsive element binding protein 1c) (7 Kap. 21.5.2, ! Alkohol ist eine bedeutende Energiequelle.
11.6.1) sowie die verschiedenen Isoformen des Peroxi-
somen-Proliferator-aktivierten-Rezeptors (PPAR) im Zwar wird Ethanol (Ethylalkohol) vorwiegend über Ge-
Mittelpunkt. Die Aktivierung von SREBP-1c induziert ein nussmittel zugeführt und ist im klassischen Sinne kein
Spektrum von lipogenen Enzymen in der Leber. Mehr- Nährstoff, doch wird er häufig in Mengen aufgenommen,
fach ungesättigte Fettsäuren hemmen im Gegensatz dazu die seine Berücksichtigung in der Energiebilanz des Kör-
deren Expression und beeinflussen die Prozessierung von pers notwendig machen. So decken männliche Erwachsene
SREBP-1c. in Deutschland ihren Energiebedarf im Durchschnitt zu 5%
650 Kapitel 21 · Ernährung

21

. Abb. 21.13. Gewebespezifische Wirkungen der verschiedenen PPAR-Isoformen auf den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. (Einzel-
heiten 7 Text)

mit alkoholischen Getränken. Damit trägt auch die Ethanol- ! Isoformen der Alkoholdehydrogenase bestimmen die
aufnahme zur zunehmenden Überernährung der Bevölke- Geschwindigkeit des Ethanolabbaus.
rung bei. Der Alkoholgehalt wird in Volumenprozent an-
gegeben. Die Alkoholmenge in g/100 ml lässt sich mit dem Das Vorkommen der unterschiedlichen Isoformen der Al-
Korrekturfaktor von 0,79 (Dichte des Alkohols) berechnen koholdehydrogenase und deren genetische Heterogenität in
(. Tabelle 21.6). Der Energiegehalt von 1 g Alkohol beträgt verschiedenen ethnischen Gruppen und Individuen be-
30 kJ (7,1 kcal). In Getränken muss im Hinblick auf den dingt eine recht variable Geschwindigkeit der Elimination
Energiegehalt auch der Kohlenhydratgehalt, z.B. in Likö- des Ethanols und seiner Überführung in Acetaldehyd. Auch
ren, Weinen und Bieren, berücksichtigt werden. das mikrosomale Ethanol oxidierende NADPH-abhängige
Die Resorption von Alkohol beginnt bereits im Mund System und die Peroxidase partizipieren am Ethanolabbau.
(Mundschleimhaut), erfolgt aber großteils im oberen Ma- Nach Reduktion des Acetaldehyds zu Acetat kann dieses in
gen-Darm-Trakt. Es sind erhebliche interindividuelle Acetyl-CoA überführt und in den Stoffwechsel einge-
Schwankungen zu beobachten. Eine vorherige Nahrungs- schleust werden. In der Leber führt Ethanol wahrscheinlich
aufnahme kann die Alkoholresorption verlangsamen, wäh- wegen der Produktion großer Mengen an NADH/H+ bei
rend Alkohol in warmen Getränken (Glühwein, Punsch, seiner Metabolisierung zu einer Hemmung der β-Oxidati-
Grog), in Kombination mit Kohlensäure (Sekt) und im on der Fettsäuren. Gleichzeitig wird die Triacylglycerinbio-
Nüchternzustand schneller resorbiert wird. Da Ethanol be- synthese stimuliert. Ein Teil der Triacylglycerine wird als
ständig auch von einigen Bakterienspezies der Darmflora VLDL in die Zirkulation abgegeben, ein Teil in der Leber
produziert wird, die ihre Energie aus der Vergärung von abgelagert. Hieraus ergeben sich die pathobiochemischen
Zucker zu Ethanol gewinnen, findet sich in der Portalvene Veränderungen der Leber bei chronischem Alkoholkon-
stets eine geringe Menge Alkohol. sum (7 Kap. 33.6.1).
21.5 · Die Stoffwechselbedeutung einzelner Nährstoffe und ihre Beteiligung an der Homöostase
651 21

die von den Enzymen des Magen-Darm-Trakts des Men-


. Tabelle 21.6. Alkoholgehalt verschiedener Getränke
schen nicht gespalten werden können. Es handelt sich um
g/100 ml
Polysaccharide (Zellulose, Hemizellulose, Lignin und Pek-
Leichtbier 2 tin), um Nicht-Stärkepolysaccharide (Inulin, Methylcellu-
Weißbier 3 lose) und resistente Stärke (Stärke in kristalliner Struktur).
Export 4 Man unterscheidet wasserlösliche (Inulin, Pektine und an-
Märzen, Bock 4,5–5,5 dere Quellstoffe sowie lösliche Hemizellulosen) und wasser-
unlösliche Ballaststoffe (Zellulose, unlösliche Hemizellu-
Porter, Ale 6–7
lose, Lignin).
Apfelwein 5–6
Manche Ballaststoffe quellen im Darm auf und beein-
deutsche Tafelweine 7–10 flussen somit die Viskosität des Chymus und der Faeces und
(Mosel, Rhein, Pfalz)
regen darüber die Darmmotilität an. Außerdem besitzen
Spätlesen 9–12 einige die Eigenschaften von Ionenaustauschern und binden
Burgunder, Bordeaux 10–12 Gallensäuren. Lösliche Ballaststoffe sind wichtige Energie-
Schaumweine 7–10 substrate für den mikrobiellen Stoffwechsel im Dickdarm.
Wermut 14
Dieser liefert kurzkettige Fettsäuren (Acetat, Propionat, Bu-
tyrat, Lactat), die ihrerseits als Energiesubstrate im mensch-
Portwein 15–17
lichen Stoffwechsel genutzt werden. Nach ihrer Resorption
Liköre 24–42 werden Propionat und Acetat ins Pfortaderblut abgegeben,
Cognac 38 während Butyrat als Substrat bevorzugt dem Stoffwechsel
Steinhäger, Obstwässer 35–45 der Dickdarmmukosa dient und die Proliferation der Epi-
Whisky 40–45 thelzellen fördert. Die kurzkettigen Fettsäuren senken den
pH-Wert des Darminhalts ab und verbessern dadurch u.a.
Wodka 40–50
die Verfügbarkeit von Calcium und anderen Elektrolyten
Arrak 50–52
sowie von Spurenelementen. Die energetische Verwertung
Rum 40–70 der von der Flora gebildeten kurzkettigen Fettsäuren be-
dingt beim Menschen einen physiologischen Brennwert der
löslichen und fermentierbaren Ballaststoffe von etwa 1,5 bis
21.5.5 Ballaststoffe 2 kcal pro g. Der Energiegehalt (bzw. die Energiedichte) bal-
laststoffreicher Lebensmittel ist generell geringer als der von
! Ballaststoffe können als Quellstoffe oder als Substrate ballaststoffarmen Lebensmitteln. Dagegen ist der Sätti-
des intestinalen bakteriellen Metabolismus dienen. gungseffekt ballaststoffreicher Lebensmittel meist höher.
Aufgrund ihrer gesundheitsfördernden Wirkungen auf
Als Ballaststoffe (häufig auch als Nahrungsfasern bezeich- Darmfunktionen und der geringeren Energiedichte ballast-
net) werden die in den Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft stoffreicher Lebensmittel wird von Fachgesellschaften eine
enthaltenen Gerüst- und Speichersubstanzen bezeichnet, hohe alimentäre Ballaststoffzufuhr empfohlen.

In Kürze
Proteine: Kohlenhydrate sind:
liefern Aminosäuren für die körpereigene Proteinbiosyn- 5 Energielieferanten und dienen in Form von Glycogen
these als Energiespeicher
5 sind Energiesubstrate 5 Kohlenstoffquellen für die Biosynthese von Fettsäuren
5 stellen Stickstoff und Schwefel für andere Synthesen und einzelnen Aminosäuren
bereit 5 Bausteine der Heteroglykan-Komponenten von Prote-
in- und Lipidkomplexen
Proteine sollten in einer Menge von 0,8 g/kg Körperge-
wicht zugeführt werden, wobei deren unterschiedliche Der Kohlenhydratstoffwechsel wird vor allem durch Insulin
biologische Wertigkeit beachtet werden muss. und Glucagon reguliert. Als intrazelluläre Bindeglieder
Der Proteinumsatz des Organismus wird durch Hor- dienen die AMP-aktivierte Proteinkinase, SREBP-1c und
mone in vielfältiger Weise reguliert. Als zellulärer Sensor ChREBP, welche die koordinierte Stoffwechselantwort u.a.
des Aminosäurestatus dient die Proteinkinase mTOR, die durch die Transkription von Schlüsselenzymen des Glu-
mit den Insulin/IGF-1 Signalketten und der AMP-aktivier- cose- und Fettsäurenstoffwechsels regulieren.
ten Proteinkinase verknüpft ist.
6
652 Kapitel 21 · Ernährung

21 Lipide sind: Alkohol:


5 Als Triaclyglycerine und Fettsäuren Energielieferanten hat einen physiologischen Brennwert von 29,4 kJ (7 kcal)
5 Integrale, strukturgebende Bestandteile von Membra- und wird überwiegend in der Leber oxidiert.
nen und Vorläufer von Signalmolekülen
5 In Form der essentiellen ω-3- und ω-6-Fettsäuren Vor- Ballaststoffe sind:
stufen für die Synthese von Prostanoiden und Leuko- 5 Bestandteile der pflanzlichen Kost
trienen 5 Einflussfaktoren der Motilität des Darms
5 Substrate für die Fermentation durch Darmbakterien
Fettsäuren beeinflussen durch Aktivierung von PPARs und stellen darüber kurzkettige Fettsäuren zur Verfü-
(Peroxisomen-Proliferator Aktivierter-Rezeptor) u.a. die gung
Genexpression von Proteinen für die zelluläre Fettsäure-
aufnahme, die mitochondriale und peroxisomale Fett-
säureoxidation und die Lipacidogenese.

21.6 Besondere Ernährungs- nicht erhöht, die Resorption einzelner Nährstoffe kann je-
erfordernisse doch reduziert sein. Wegen des geringeren Energiebedarfs
im Alter ist eine höhere Nährstoffdichte der verzehrten Le-
21.6.1 Ernährung in speziellen bensmittel notwendig. Die Nahrung alter Menschen sollte
Lebenssituationen leicht verdaulich, besonders appetitanregend und mild ge-
würzt sein. Bei alten Menschen ist besonders auf die Was-
! Schwangerschaft, Stillen, Wachstum, Alter und akute seraufnahme zu achten, da mit zunehmendem Alter das
Erkrankungen stellen besondere Ansprüche an die Empfinden für Durst abnimmt. Eine Exsikkose führt bei
Nährstoffzufuhr. alten Menschen nicht selten zu Verwirrungszuständen.
Neuere Studien zeigen, dass für den alten Menschen ein
Schwangerschaft und Stillzeit gehen mit erhöhten Synthe- Körpergewicht von 10% über dem Sollwert mit einer grö-
seleistungen und Veränderungen im Stoffwechselgesche- ßeren Lebenserwartung einhergeht. Diese Beziehung gilt
hen einher. Die Zufuhr von essentiellen Nährstoffen sollte nicht für den jungen Menschen (7 Kap. 21.3.1).
entsprechend in diesen Lebensabschnitten höher sein. Der Die Veränderung des Stoffwechsels bei akuten Erkran-
Mehrbedarf an Energie liegt in der zweiten Schwanger- kungen verursacht in der Regel einen erhöhten Bedarf an
schaftshälfte bei etwa 1300 kJ (300 kcal) pro Tag. Für die Energie und essentiellen Nährstoffen. So steigt auch der
Stillzeit gilt als Orientierungsgröße eine zusätzliche Auf- Bedarf an Vitaminen, die Coenzymfunktion haben. Der
nahme von etwa 420 kJ (100 kcal) pro 100 ml sezernierter mit erhöhter Körpertemperatur verbundene Verlust von
Muttermilch. Die Muttermilchmenge liegt im Durchschnitt Wasser und Mineralstoffen muss ebenfalls zeitnah ersetzt
bei 750 ml pro Tag. werden. Bei diversen Krankheiten ergeben sich Nährstoff-
Im Wachstum ist neben einer erhöhten Energiezufuhr und Wasserverluste durch Störungen der intestinalen
auch eine ausreichende Versorgung mit essentiellen Nähr- Resorption, durch Diarrhö oder über Wundsekrete und
stoffen wichtig. Als Richtwerte des Energieaufwands für das Drainagen, die entsprechend eine Substitution notwendig
Wachstum nennt die WHO 21 kJ (5 kcal) pro g Gewebezu- machen. Eine kalorisch wie an essentiellen Nährstoffen un-
wachs. Kinder und Jugendliche nehmen von Tag zu Tag je zureichende Ernährung führt auch zu Funktionseinbußen
nach Freizeitbeschäftigung und Belastung sowie Nahrungs- des humoralen und zellulären Immunsystems, was den wei-
präferenzen unterschiedliche Mengen an Nahrung und da- teren Krankheitsverlauf bzw. die Prognose negativ beein-
mit Energie auf. Da sich diese Unterschiede jedoch über trächtigen kann.
längere Zeiträume ausgleichen, kann auch in diesem Alter
das Körpergewicht zur Kontrolle des Ernährungsstatus
dienen. 21.6.2 Klinische Ernährung
Im Alter treten quantitative und qualitative Änderun-
gen des Stoffwechsels und der Organfunktionen auf. Mä- ! Bei bestimmten Krankheitsbildern muss die orale Nah-
ßigkeit, Regelmäßigkeit und Vielseitigkeit spielen bei der rungsaufnahme umgangen werden.
Ernährung des älteren Menschen eine große Rolle. Gleich-
zeitig sollte für eine angemessene körperliche und geistige Als künstliche Ernährung bezeichnet man jegliche Form
Betätigung sowie hinreichende soziale Kontakte Sorge ge- von Nahrungszufuhr auf nicht-physiologischem Weg. In
tragen werden. Der Bedarf an Nährstoffen ist in aller Regel aller Regel werden dazu die Patienten, die nicht normal es-
21.6 · Besondere Ernährungserfordernisse
653 21

. Tabelle 21.7. Vergleich des oralen und parenteralen Bedarfs an Aminosäuren insgesamt und an essentiellen Aminosäuren. (Nach Munro
1974)
Zugeführt auf Gruppe Bedarf [mg/kg Körpergewicht]
Aminosäuren Essentielle Prozentualer Anteil der
insgesamt Aminosäuren essentiellen Aminosäuren
Oralem Weg Kindera 1600 680 43
10–12 Jahrea 700 260 36
Erwachsenea 425 80 19
a
Parenteralem Weg Erwachsene (normal) <770 <140 <25
Parenteralem Weg Kinder (postoperativ)b 2000–3000 500–1500 25–50
b
Erwachsene (postoperativ) 1600–2000 400–1000 25–50
Erwachsene (normal)b 800–1600 200–800 25–50
Erwachsene (urämisch)b 400 100–200 25–50
a
Experimentell ermittelte Werte.
b
Empfohlene Werte.

sen können, dürfen oder wollen, enteral oder parenteral mit Die intravenöse Proteinversorgung erfolgt mit defi-
nährstoff- oder chemisch definierten Gemischen ernährt. nierten Aminosäuregemischen. Diese weichen jedoch in
Bei der enteralen Ernährung erfolgt der Zugang über ihrer Zusammensetzung von denen der Nahrungsproteine
eine Sonde in Magen oder Dünndarm. Die enterale Ernäh- bei oraler Ernährung ab (. Tabelle 21.7), da die parenteral
rung ist bei gegebener Indikation im Vergleich zur intrave- zugeführten Aminosäuren nur partiell die Leber passieren.
nösen Ernährung die preisgünstigere und risikoärmere Bei schweren Funktionsstörungen von Leber und Nieren
Alternative um dem Patienten hinreichende Mengen einer werden speziell adaptierte Aminosäurelösungen mit einem
definierten Flüssignahrung zuzuführen. Die Ernährungs- erhöhten Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren einge-
sonden können entweder transnasal über die Speiseröhre setzt, da diese bevorzugt in peripheren Geweben metaboli-
oder auch perkutan (perkutane endoskopische Gastrosto- siert werden. Glutamin ist ein bevorzugtes Energiesubstrat
mie, PEG) in den Magen oder das Duodenum gelegt wer- für Zellen des Immunsystems und von Epithelzellen des
den. Die nährstoffdefinierte Kost (Eiweiß, Stärke und Fet- Dünndarms. Im Postaggressionsstoffwechsel kommt es zu
te), bzw. entsprechende chemisch definierte Diäten auf der einer Depletion des Glutaminpools in der Muskulatur, so-
Grundlage von Proteinhydrolysaten, Oligosacchariden dass eine hinreichende intravenöse Glutaminzufuhr zu
(Maltodextrine) und meist mittelkettigen Triacylglyceri- empfehlen ist. Neuerdings werden dazu glutaminhaltige
nen, ist in kontrollierter und hygienisch einwandfreier und Dipeptide (z.B. Alanyl-Glutamin) in Infusionslösungen
bilanzierter Form mit diesen Flüssignahrungen zuzufüh- eingesetzt, da Glutamin allein in wässriger Lösung schlecht
ren. Die Osmolarität von Sondennahrungen sollte den phy- löslich ist und in Ammoniak und Pyroglutamat zerfällt.
siologischen Wert von etwa 300 mosmol/l nicht wesentlich Fettemulsionen haben den Vorteil, dass in einem rela-
überschreiten, da sonst osmotische Durchfälle auftreten. tiv kleinen Volumen einer isotonischen Lösung große En-
Vorteile der enteralen Ernährung bestehen darin, dass die ergiemengen angeboten werden können. Die modernen
digestive und resorptive Funktion des Magen-Darm-Trakts Fettemulsionen bestehen je zur Hälfte aus lang- und mittel-
sowie seine immunologische Barrierefunktion, die auch kettigen Fettsäuren und enthalten meist etwa 20% Eileci-
eine bakterielle Translokation von Mikroorganismen des thin als Emulgator. Mittelkettige Fettsäuren haben den Vor-
Darms ins Blut verhindern kann, intakt bleiben. teil, dass sie im Vergleich zu den langkettigen Fettsäuren
Die intravenöse Nahrungszufuhr im Rahmen der par- bevorzugt und schnell oxidiert werden (7 Kap. 21.5.3). Heu-
enteralen Ernährung ist teurer und risikoreicher als die te werden Fettemulsionen auch mit langkettigen ω–3-Fett-
enterale Ernährung. Hypertone Infusionslösungen verur- säuren angereichert, um diese als Vorstufen für die Synthe-
sachen an peripheren Venen Entzündungen und können se von Eikosanoiden mit anti-inflammatorischer Potenz
bei einem zentralen Venenkatheter eine Kathetersepsis aus- den Patienten zuzuführen. Eine parenterale Ernährung
lösen. Eine ausschließlich parenterale Ernährung schwächt muss auch eine ausreichende Versorgung mit allen Vitami-
scheinbar die Barrierefunktion der Darmschleimhaut und nen, Elektrolyten und Spurenelementen gewährleisten.
erhöht das Risiko einer bakteriellen Translokation. Eine zu
rasche Zufuhr von Nährstoffen kann bei parenteraler Er-
nährung zu Stoffwechselentgleisungen, z.B. Hyperglykä-
mien, führen.
654 Kapitel 21 · Ernährung

21.6.3 Alternative Ernährungsformen rung (z.B. Makrobiotik) verzichtet auf Fleisch, Fisch, Milch,
21 Milchprodukte und Ei. Diese Ernährungsweise kann – ab-
! Alternative Ernährungsformen sind meist ganzheitlich hängig von der Zeit – zu Mangelzuständen bei Vitamin B12,
durch eine besondere Lebensweise geprägt. Vitamin D, Calcium, Eisen und Zink und bei Kleinkindern
aufgrund eines Energiemangels auch zu Wachstumsverzö-
Eine alternative Ernährungsform stellt z.B. Vegetarismus gerung führen. Eine ovo-lacto-vegetabile Kost, bei der nur
dar. Vegetarier verzichten häufig vollständig auf Genuss- auf Fleisch und Fisch verzichtet wird, ist dagegen bei sorg-
mittel und bewegen sich wesentlich intensiver. Extreme fältiger Auswahl der Lebensmittel vollwertig zu gestalten.
Außenseiterdiäten haben meist eine starke weltanschau- Epidemiologische Studien belegen, dass Menschen, die
liche oder metaphysische Komponente. Die jeweiligen diese Ernährungsweise pflegen, meist einen guten Gesund-
Kostformen entsprechen häufig nicht den gesicherten Er- heitszustand aufweisen.
kenntnissen der Wissenschaft. Eine streng vegane Ernäh-

In Kürze
Ein erhöhter Nährstoff und Energiebedarf besteht Im Rahmen der klinischen Ernährung erfolgt die Zufuhr an
5 während der Schwangerschaft und Stillzeit Energie und Nährstoffen
5 im Wachstumsalter 5 enteral über nasogastrale Sonden oder PEG mit partiell
5 im Alter hydrolysierten Nährstoffgemischen
5 bei akuten Erkrankungen und schweren Verletzungen 5 parenteral (intravenös) mit chemisch definierten Nähr-
stofflösungen

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