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Karin Metzler

Kontamination in der Athanasius-Überlieferung


In: Revue des études byzantines, tome 48, 1990. pp. 213-232.

Zusammenfassung
REB 48 1990 France p. 213-232
Karin Metzler, Kontamination in der Athanasius-Überlieferung. — Im Codex Patmiacus 4 ist ein Konjektur- Vorgang aus dem 11.
Jh. direkt abzulesen, der das Vorgehen eines mittelalterlichen Philologen bei der Kontamination zeigt. Die aus einer anderen
Handschriften-Tradition entnommenen Lesarten werden je nach ihrer Überzeugungskraft in den laufenden Text hineingebessert
oder (seltener) mit dem Hinweis γρ(άφεται,) am Rand zur Diskussion gestellt. In der Abschrift im Codex Patmiacus 3 wird diese
Differenzierung nur teilweise übernommen. — Nicht viel später ist ein anderer Kontaminations-Vorgang in der Athanasius-
Überlieferung zu datieren, bei dem offenbar die meisten Lesarten der anderen Tradition und Konjekturen dem Leser und
Abschreiber zur freien Auswahl gestellt werden.

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Metzler Karin. Kontamination in der Athanasius-Überlieferung. In: Revue des études byzantines, tome 48, 1990. pp. 213-232.

doi : 10.3406/rebyz.1990.1825

http://www.persee.fr/web/revues/home/prescript/article/rebyz_0766-5598_1990_num_48_1_1825
KONTAMINATION
IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG

Karin METZLER

Handschriften mit kontaminiertem Text sind für Altphilologen,


Byzantinisten und Patristiker kein ungewöhnlicher Gegenstand ihrer
Bemühungen. In der Athanasius-Überlieferung ist jedoch eine
Handschrift des 11. Jahrhunderts erhalten, in der das Vorgehen eines
mittelalterlichen Philologen unmittelbar abzulesen ist. Die Beobach
tungen an diesem Kodex können also auch außerhalb neuer
Athanasius-Editionen von Interesse sein1. Paradigmatisch scheint
auch die Tradierung des einmal kontaminierten Textes, die sich an
den Deszendenten dieser Handschrift aufzeigen läßt : hier ist
Reduktion der Differenzierung sowie ein weiterer Korrekturvorgang
im 15. Jahrhundert zu beobachten. Außerdem läßt sich ein ganz
anderer Typus der Kontamination, wohl Ende 11. /Anfang 12.
Jahrhundert, innerhalb der Athanasius-Überlieferung zum Vergleich
gegenüberstellen (hier ist die kontaminierte Vorlage allerdings nicht
erhalten). Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung steht der
Codex Patmiacus 4 mit zwei Deszendenten :

1 . Die hier vorgestellten Untersuchungen wurden in der Patristischen Arbeitsstelle


Bochum der Rheinisch- Westfälischen Akademie der Wissenschaften vorgenommen ; sie
gehören zur Vorbereitung der historisch-kritischen Ausgabe der dogmatischen Werke
des Athanasius von Alexandrien, im Anschluß an die von H.-G. Opitz herausgegebene
Ausgabe : Athanasius, Werke. II/l Die Apologien (Lfg. 3-9), III/l Urkunden zur
Geschichte des arianischen Streites (Lfg. 1-2), Berlin 1934-41. Zur Arbeit der Patri
stischen Arbeitsstelle siehe die Berichte des Projektleiters Martin Tetz in den
Jahrbüchern der Akademie : Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften,
Jahrbuch 1983, Opladen 1984, S. 105-7; Jahrbuch 1984, Opladen 1985, S. 103f. ;
Jahrbuch 1985, Opladen 1986, S. 99f. ; Jahrbuch 1986, Opladen 1987, S. 105f. ; Jahrbuch
1987, Opladen 1988, S. 1 13f ; Jahrbuch 1988, Opladen 1989, S. 90f.
.

Revue des Études Byzantines 48, 1990, p. 213-232.


214 KARIN METZLER

Τ (Hauptteil) Τ = Patmiacus 4, s. XI
s. XI U = Patmiacus 3, s. XI
Ν = Marcianus gr. 50 Ζ. /Β.

Ι
U (nunc 369), s. XI
s. XI

Ν (Nr. 12-30)
s. XI

In diesem Stemma2 ist nur die Abhängigkeit der Handschrift U


von Τ eine Neuigkeit gegenüber dem bisherigen Forschungsstand.
Bekannt war, daß in Ν eine vollständige Abschrift von U vorliegt,
vorgenommen zu einer Zeit, als U noch nicht fragmentiert war ; Ν
kann an diesen Stellen U für die Edition ersetzen3. Der aus dem 11.
Jahrhundert stammende Teil von Ν enthält zwei Schriften, für die
eine eigene Vorlage anzunehmen ist4; ferner wurde Ν im 15.
Jahrhundert um elf Schriften erweitert, die vorne in den Codex

2. Für die Beschreibung fast aller im folgenden erwähnten Handschriften ist zu


verweisen auf : H.-G. Opitz, Untersuchungen zur Oberlieferung der Schriften des
Athanasius, Berlin/Leipzig 1935 (im folgenden zitiert : Opitz). Für die Patmoshand-
schriften wurde der neue Katalog benutzt, aus dem Herr Kominis mir freundlicher
weise schon vor der Drucklegung Kopien der hier interessierenden Handschriften zur
Verfügung stellte : A. D. Komines, Πατμιαχή Βιβλιοθήκη ήτοι Νέος κατάλογος των
χειρογράφων κωδίκων της Ιεράς Μονής Αγίου Ιωάννου του Θεολόγου Πάτμου. Τόμος
Α'. Κώδικες 1-101, Αθήναι 1988 (im folgenden zitiert : Komines). Die Handschrift
Τ enthält noch ältere Teile mit nicht von Athanasius stammenden Schriften, die hier
nicht interessieren. — Für Ν sowie die unten genannte Handschrift M ist jetzt zu
vergleichen : E. Mioni, Bibliothecae Diui Marci Venetiarum codices graeci manuscripti.
I. Thesaurus antiquus, Boma 1981, S. 68-71. — Daneben wurden Handschriftenbesch
reibungen benutzt, die erschließbar sind durch : M. Bichard, Répertoire des
bibliothèques et des catalogues de manuscrits grecs, Paris 1958, und dessen Supplément-
Band, Paris 1964. Nach den dort aufgeführten Katalogen richten sich auch die
Bezeichnungen der Handschriften. — In engeren Zusammenhang mit der Handschrift
Patmiacus 4 gehören auch die Handschriften X (= Genuensis 5), ν (= Vaticanus
gr. 402 [olim 270] und ρ (= Vaticanus gr. 1579). Von der Handschrift Ν ist eine
vollständige, durch einige aus dem Basiliensis gr. A III 4 abgeschriebene Schriften
erweiterte Abschrift erhalten : 44 (= Cantabrigiensis gr. 203 [Tr. Coll. B. 9.7]),
geschrieben im 16. Jahrhundert von Emmanuel von Monemvasia (zur Abhängigkeit
s. Opitz, op. cit., S. 17f.). Sie gibt Ν mit seinen Korrekturen und ergänzten Schriften
wieder (s. u.). Auf die ergänzten Schriften (s. Anm. 4) wurde in der Darstellung nicht
näher eingegangen, um das Verständnis zu erleichtern ; aus diesem Grunde wurde auch
auf die Darstellung aller weiteren Fälle von Kontamination in der Athanasius-
Überlieferung verzichtet.
3. Opitz, op. cit., S. 13-17; für de virginitate : K. Lake, B. P. Casey, The Text of
the De Virginitate of Athanasius, Harvard Theological Review 19, 1926, S. 173-190.
4. Die Schriften in annuntiationem deiparae, PG 28, 917ff., und de passionc et crucc,
PG 28, 185ff., in Ν Nr. 31 und 32.
KONTAMINATION IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG 215

eingebunden wurden5; wohl bei dieser Gelegenheit wurden auch im


alten Teil von Ν Korrekturen eingetragen : der erwähnte zweite
Korrekturvorgang6.
Daß UN einen kontaminierten Text bieten, ist in einzelnen
Schriften bereits gesehen worden7. Den Zusammenhang zwischen Τ
und U deutete Opitz folgendermaßen : Τ sei «durchgehend von einem
Korrektor, und zwar wie es scheint von dem Schreiber von U,
bearbeitet worden», der «allerdings nicht konsequent die Lesarten
von U eingetragen» habe8. Hier soll dargelegt werden, daß umgekehrt
U von Τ abgeschrieben wurde, nachdem Τ in einem Korrekturvor
gang mit Lesarten der anderen Haupttradition der Athanasius-
Überlieferung versehen worden war.
Für den mit der Athanasius-Überlieferung nicht vertrauten Leser
muß an dieser Stelle vorausgeschickt werden, daß der Großteil der
dogmatischen Schriften des Athanasius sowie eine Anzahl Pseudatha-
nasiana in zwei Haupttraditionen überliefert sind, die hier x- und RS-
Tradition genannt werden ; sie bieten einen zum Teil unterschiedli
chen Bestand an Schriften in unterschiedlicher Reihenfolge9. Τ
vertrat, wie hier dargelegt werden soll, nach dem ursprünglichen
Schreibvorgang einen frühen, unkontaminierten Typus der x-Tradi-

5. Opitz, op. cit., S. 15.


6. Dazu s. u. Opitz, op. cit., S. 15, konstatiert nur die Korrekturen von jüngerer
Hand.
7. G. Ludwig, Athanasii Epistula ad Epictetum, Diss. Jena 1911, S. 62 für Ν (bei
ihm als A bezeichnet), aber offenbar mit falschen Argumenten (Opitz, op. cit., S. 1 18f.) ;
Opitz, op. cit., S. 1 17-1 19 für epistula ad episcopos Aegypti et Libyae, S. 134 für epistula
encyclica; vgl. G. J. Ryan, The De Incarnatione of Athanasius. Part 1. The Long
Recension Manuscripts, London/Philadelphia 1945, S. 64 (mit Anm. 35) : Ryan stellt
für Τ Korrekturen einer späteren Hand fest, für die er eine Vorlage der bei ihm a-
group, hier RS-Tradition genannten Überlieferung konstatiert; den Zusammenhang
zwischen Τ und U konnte Ryan nicht erkennen, da U de incarnatione verbi nicht
enthält (N aus anderer Überlieferung s. u.).
8. Opitz, op. cit., S. 11. Er meint, da nur aus der epistula ad episcopos Aegypti et
Libyae Beispiele herangezogen werden, offenbar den von ihm so genannten Schreiber C
der Handschrift U, auf den auch den Lesarten nach alle Spuren verweisen (s. u. zur
Behandlung der Lesarten mit Zusatz γρ). — Was Opitz als Inkonsequenz deutet, sind
vermutlich die Sonderfehler von UN gegenüber T.
9. Die Bezeichnungen schließen sich an Opitz, op. cit., an ; auch sind Opitz'
Ergebnisse für den überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang in der Patristischen
Arbeitsstelle Bochum für die dort kollationierten Schriften (vgl. Anm. 12) größtenteils
bestätigt worden. Im folgenden wird allerdings eine Korrektur seiner Ergebnisse
vorausgesetzt : die Annahme eines 21-Schriften-Corpus empfiehlt sich durchaus (gegen
Opitz, op. cit., S. 185); es wurde nur in einigen Handschriften der x-Tradition zu einer
28-Schriften-Sammlung erweitert (so in den unten erwähnten Handschriften der
Gruppe c) ; auf diese Erweiterung muß hier nicht eingegangen werden. Ich stütze mich
in diesem Punkte auf Untersuchungen in der Patristischen Arbeitsstelle durch Heinrich
Schlitte.
216 KARIN METZLER

tion und wurde noch vor der Abschrift, die in U vorliegt, nach einem
verlorenen Exemplar der RS-Tradition korrigiert; der Kontaminat
ionsvorgang ist also im 11. Jahrhundert anzusetzen.
Für die x-Tradition ist eine Sammlung von 21 Schriften in
bestimmter Reihenfolge typisch ; T, obwohl jetzt stark beschädigt
und im verbleibenden Rest in nicht ganz richtiger Reihenfolge
zusammengeheftet10, hat offenbar alle 21 Schriften in normaler
Reihenfolge besessen, U dagegen (heute ebenfalls, wenn auch leichter,
fragmentiert) nach dem Zeugnis von Ν nur 19 Schriften in mehrfacher
Umstellung. Diese Umstellung, die zu verschiedenen Entstehungs
hypothesen geführt hat11, kann meines Erachtens im Lichte der
Abhängigkeit der Handschrift U von Τ leicht erklärt werden.

Übersicht12

21 -Schriften-Sammlung PG Kontamination T(ursprüngl .) U ursprünglich Schreibe Ν


beobachtbar (heute) in U
contra génies 25,3ff. in Τ Nr. 1* Nr. 1**
de incarnatione verbi 25,95ff. in Τ Nr. 2 Nr. 2**
disputatio contra Arianos 28,439ff. keine Nr. 3* Nr. 10 (8) C Nr. 21
epistula ad episcopos
Aegypti et Libyae 25,537ff. in Τ (bzw. U) Nr. 4* Nr. 11 (9) C
oralio I contra Arianos 26, 11 ff. in Τ (bzw. U) Nr. 5* Nr. 12 (10) C
oralio II contra Arianos 26,146ff. in Τ (bzw. U) Nr. 6* Nr. 13 (11) C
oralio III contra Arianos 26,321 ff. in U <Nr. 7> Nr. 14 (12) c
de incarnatione et
contra Arianos 26,983ff. keine <Nr. 8> <Nr. 1> ?
epistula encyclica 25,221 ff. keine <Nr. 9> <Nr. 2>
epistula I ad Serapionem 26,529ff. in U (bzw. N) <Nr. 10> Nr. 3 (1)* A
epistula II ad Serapionem 26,607ff. in U <Nr. 11 > Nr. 4 (2) Β
epistula catholica 28,81 ff. keine <Nr. 12> Nr. 5 (3) Β
refutalio hypocrisis 28,85ff. keine <Nr. 13> Nr. 6 (4) Β
epistula ad Epictetum 26,1049ff. in U <Nr. 14> Nr. 7 (5) Β
contra Apolinarium II 26,1131ff. in U <Nr. 15> Nr. 8 (6) Β
contra Apolinarium I 26,1093ff. in U <Nr. 16> Nr. 9 (7) Β
epistula VI ad Serapionem,
cap. 8-23 26,648ff. keine <Nr. 17> Nr. 15 (13) D
de passione et cruce,
cap. 11-23 28,204ff. keine <Nr. 18> Nr. 16 (14) D
epistula ad Marcellinum 27,12ff. keine <Nr. 19> Nr. 17 (15)* D
de virginitate 28,251 ff. keine <Nr. 20> Nr. 18 (16)* Ε, D, A
testimonia e scriplura 28,29ff. keine <Nr. 21 > Nr. 19 ?

10. Genaue Angaben Opitz, op. cit., S. 9-11.


11. Lake/Casey, op. cil., S. 175 (Mittelteil fol. 53-277 ursprünglich selbständig);
Opitz, op. cit., S. 14 (einheitliche Entstehung); Komines, S. 4 (aufgeführt unter TE :
zwei ursprünglich selbständige Codices ; der Beschreibung nach scheint Komines
fol. 53-298 für zusammengehörig zu halten, obwohl er — unter ΓΡ — für fol. l-19b
und 300-304 dieselbe Hand feststellt).
12. Für die Athanasius-Schriften wurde die Athanasius-Ausgabe bei Migne,
KONTAMINATION IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG 217

Opitz nahm an, die verschiedenen Schreiber von U hätten zur


selben Zeit gearbeitet13. Der Schluß liegt nahe, daß eine genaue
Abschrift von Τ von verschiedenen Schreibern gleichzeitig hergestellt
werden sollte, daß dann aber die Lagen in verkehrter Reihenfolge
zusammengebunden wurden14. Ungeklärt bleibt, warum (wie Ν
ausweist) c. gent. und de ine. verbi bei dieser Abschrift weggelassen

Patrologia Graeca, Bd. 25-28 (im Nachdruck Turnhout 1979-82), benutzt. Nach Migne
werden auch im folgenden die Belegstellen zitiert. Dabei werden die Bezeichnungen ep.
ad epp. Aeg., or. I/II c. Ar. und ep. I/II ad Ser. benutzt. — Die Angaben über die
Handschriften folgen Opitz, op. cit., S. 10-17. Die mit* versehenen Schriften sind
heute fragmentarisch, die in Klammern <> erschlossen. Die mit** versehenen Schriften
sind in Ν aus anderer Vorlage im 15. Jahrhundert ergänzt (s. u.). Die Bezeichnungen
der Schreiber von U stammen von Opitz, op. cit. ; sie werden von Komines (op. cit.
unter ΓΡ) bestätigt (ein Schreiber für fol. l-19b und 300-304, ein anderer für fol. 299,
ein dritter für fol. 20-52b ; für den Bereich der Schreiber C und D, fol. 53-277 und 278-
298b, verweist Komines auf Opitz). — Die Angaben über Kontamination stützen sich
auf die in der Arbeitsstelle vorliegenden Kollationen ; nur für ep. encycl. auf Opitz,
Ausgabe (vgl. Anm. 1), Bd. IT/1 , S. 169ff.
13. Opitz, op. cit., S. 15, bestätigt von Komines, op. cit., S. 4 (unter ΓΡ).
14. Der verlorene Anfang von U, die Lagen α' bis γ', enthielt sicher de incarnatione et
contra Arianos, epistula encyclica und epistula I ad Serapionem cap. 1-6 ; denn Ν kommt
in seinen ersten drei Lagen (fol. 96a-118b, die dritte Lage enthält nur 7 Folia) bis ins
zehnte Kapitel, füllt die Seiten aber auch mehr (ζ. Β. Ν fol. 109a : 31 Zeilen, U fol. 2b :
30 Zeilen). — In U lassen Unregelmäßigkeiten in der Lagenaufteilung, abgeschnittene
Blätter und ein leeres deutlich erkennen, daß jeder Schreiber darauf bedacht war, die
ihm zugeteilten Schriften zusammenhängend zum Abschluß zu bringen : Der Anteil des
Schreibers A umfaßt im erhaltenen Teil Lage δ' (fol. la-8b), ε' (fol. 9a-16b) und ς
(fol. 17a-19b) ; fol. 19b endet auch die epistula I ad Serapionem ; vor fol. 20a ist auf der
Photographie ein abgeschnittenes Folium zu erkennen (auch Komines, op. cit., S. 4
[TE], nimmt an, die Lage sei von Anfang an auf drei Folia angelegt gewesen). Schreiber
Β beginnt auf fol. 20a und beendet seinen Teil mit der Schrift contra Apolinarium I auf
fol. 52b ; dort ist Lage ι des ersten Teils (fol. la-52b, nur dort authentische
Lagenzählung) erreicht, die nach Komines, loco cit., wiederum zehn Folia enthält, von
denen das letzte schon vor der Beschreibung abgeschnitten worden sei (die Angaben
über Quaternionenzählung bei Opitz, op. cit., S. 13, sind offenbar ungenau; auf den
Photographien, die sich in der Patristischen Arbeitsstelle Bochum befinden, sind die
Zahlen ζ' bis ι nicht zu sehen). — Fol. 53a beginnt der Part des Schreibers C, hier auch
die neue Lagenzählung für den Rest des Bandes (α'-λδ') ; davon wird Lage ια' aus sieben
Folia (fol. 133-39) gebildet (Grund nicht ersichtlich), Lage κη' aus zehn Folia : mit ihr
endet (fol. 276b, Ende von oratio III c. Ar.) der von Schreiber C geschriebene Teil;
fol. 277a bleibt leer. Lage κθ' fiel bei der Zählung aus (so kann man aus der hier ohne
Lücke überlieferten 21-Schriften-Sammlung folgern). Der Anteil des Schreibers D
umfaßt fol. 278a-298b, d. h. die Lagen λ' bis λδ', von denen Lage λα' unvollständig
überliefert wurde, was zu einem Textausfall in der epistula ad Marcellinum führte (nach
fol. 290b). Der von den Schreibern E, D, A gemeinsam geschriebene Teil fol. 299a-304b
(der mitten in der Schrift de virginitate beginnt) ist ohne Lagenzählung (Komines, loco
cit.). — Das Linierungsschema wechselt in U zweimal, jeder Wechsel fällt mit
Schreiberwechsel zusammen (Komines, loc. cit., S. 4 unter ΧΑ : fol. 1-277 Leroy-
Schema 32C1, fol. 278-98 Schema 20D1, fol. 299-304 Schema 20C1, système 1 ,
signatures Ii2).
218 KARIN METZLER

wurden : mit diesen beiden Schriften beginnen sonst die meisten


großen Athanasius-Handschriften, in der x- ebenso wie in der RS-
Tradition. Der Lesarten-Befund spricht jedenfalls dafür, daß U auch
in dem Teil, mit dem diese Handschrift jetzt beginnt (ursprünglich
mit de incarnatione et contra Arianes, jetzt in der epistula I ad
Serapionem), von keiner anderen Handschrift als Τ (in unversehrtem
Zustand) abgeschrieben wurde : in allen Schriften, in den sich
Kontamination erwarten läßt, zeigt U kontaminierten Text15.
Τ wurde durch zwei verschiedene Arten von Korrekturen zu einer
kontaminierten Handschrift16 : es gibt zum einen solche, die in den
bestehenden Text integriert werden, zum anderen — seltener —
Lesarten, die mit dem Zusatz γρ für γράφεται gekennzeichnet werden ;
bei diesen handelt es sich offenbar um Lesarten, die dem Korrektor
suspekt oder gleichwertig17 erschienen. Die ursprüngliche Lesart
bleibt dabei in der Kolumne deutlich lesbar erhalten.

15. Angaben zur Kontamination s. Tabelle ; unterschiedlich ist nur der Umgang mit
Korrekturen mit dem Zusatz γρ, siehe S. 223f. mit Anm. 23f. Es ist nur natürlich, daß
die Schriften de incarnatione et contra Arianes, epistula encyclica, epistula catholica,
refutatio hypocrisis, de passione et cruce cap. 11-12, epistula ad Marcellinum, de
virginitate, lestimonia e scriptura nicht kontaminiert sind, da es dort keine parallele
Überlieferung der RS-Tradition gibt; dasselbe gilt für disputatio contra Arium, die in Τ
keine Korrekturen erhalten hat. Die Schrift «quis dixerit» ist in der RS-Tradition wie
in Mignes Ausgabe Teil des Vierten Serapionbriefes (epistula IV ad Serapionem cap. 8-
23); daher wurde bei der Kontamination die Parallelüberlieferung nicht erkannt;
jedenfalls zeigt der Text in U keine Kontaminationsspuren.
16. In den Schriften contra gentes und de incarnatione verbi enthält Τ Korrekturen
nach der RS-Tradition, daneben möglicherweise Verbesserungen nach seiner in diesen
Schriften schon kontaminierten Vorlage ; da die Überlieferungsgeschichte dieser beiden
Schriften durch verschiedentliche Kontamination mit einer dritten Tradition, der
sogenannten Antiochenischen Redaktion, besonders kompliziert ist (vgl. Ryan, s.
Anm. 7), werden die dort vorgenommenen Korrekturen hier nicht als Beispiele
verwandt. Der Benutzer der Ausgabe Ch. Kannengiessers (Athanase d'Alexan-
drie, Sur V incarnation du Verbe, SC 199, Paris 1973) findet an folgenden Stellen (zitiert
nach Kapitel und Zeile) Korrekturen mit γρ (Tc stimmt immer mit der RS-Tradition
überein, allerdings nicht ausschließlich) : 40.49, 50.29, 53.4 (dort zwei Lesarten ; zu
ergänzen ist im Apparat zu 55.25 φαντασιοσκοπεϊ Τ* : γρ φαντασιοκοπεϊ add. Tc), an
folgenden Stellen ohne γρ : 31.9, 33.11, 34.21, 40.57, 43.24 (diese können bzw. müssen auf
RS-Tradition zurückgehen) ; 3.43 und 5.21 (diese können nicht auf die RS-Tradition
zurückgeführt werden). Für contra gentes sind mir nur zwei Korrekturen, und zwar ohne
γρ, bekannt : 76.49 und 80.12 Migne (beide nach RS-Tradition möglich).
17. Suspekt erschien z. B. möglicherweise die Lesart or. I c. Ar. 73.33 θέλουσιν (in Uc
überliefert) statt λέγουσιν, die auch nur in einer der beiden für die Arianerreden
erhaltenen RS-Handschriften überliefert wird. — Als schwer zu entscheiden mag ζ. Β.
die Wahl der Namensform ep. ad epp. Aeg. 556.33 Φιλογονίου/Φιλολογίου, 556.36
Πίστου/Πόστου und or. I c. Ar. 16.7 Σωτάτης/Σωτάδης erschienen sein, aber auch bei
vielen der angeführten Beispiele. Den Extremfall einer solchen Alternative stellt or. II
c. Ar. 117.41-120.2 dar : den dem Gedruckten entsprechenden Text bietet Τ fol. 123a in
drei Zeilen unter der Kolumne neben dem in der Kolumne beibehaltenen Text der x-
Tradition (diese Lesart ist abgedruckt und besprochen bei Opitz, op. cit., S. 118).
KONTAMINATION IN DER ATHAN ASIUS-ÜBERLIEFERUNG 219

Abbildung 1. — Patmiacus 4, fol. 110a.


220 KARIN METZLER

Soll dagegen die Lesart der anderen Tradition in den Text


integriert werden, so wird oft alles daran gesetzt, daß nur noch der
korrigierte Text, und dieser möglichst flüssig, zu lesen ist : es können
Wörter ausradiert werden, um die neue Variante einzufügen ; ist sie
länger als der bisherige Text, so werden die Ränder der Kolumne
einbezogen, um das Neue einzufügen. Diese Möglichkeiten seien an
einem zusammenhängenden Text aus der Ersten Arianerrede
illustriert18 :
Τ fol. 110a : or. I c. Ar. 16.6 ως- 1634 κτήμα
Zeile 2 : 16.7 Σωτάδης x-Trad. incl. Τ* : Σωτάτης RS-Trad. : γρ(άφετοα)
Σωτάτης add. TCUN
Zeile 9/10 : 16.14 άφρονείν x-Trad., wohl auch Τ* : φρονεΐν παρ' δ δει
φρονείν (vgl. Rom. 12,3) RS-Trad. Tc (in Zeile 9 dürfte φ aus ά
korrigiert sein) UN
Zeile 17 : 16.21 δείξωσι x-Trad. : δόξωσι RS-Trad. Tc (-o- auf Rasur,
nach Autopsie19) U : διδάξωσι Ν (Sonderfehler)
Zeile 18 : 16.22 Άρειανοί · μή meiste x-Hss. vermutlich incl. T* :
Χριστιανοί* μηδέ RS-Trad. TCUN (μηδέ auch in weiteren kontamin
ierten Handschriften, vor allem der unten erwähnten c-Gruppe)
Zeile 21 : 16.25 ουδέ πώποτε x-Trad. : ουδέποτε RS-Tradition Tc (durch
Rasur) UN
Zeile 25 : 16.29 διακονησάντων meiste x-Hss. incl. T* : διακονησάντων
το RS-Trad. Tc (supra lin. suppl.) UN ACYF72 (s. u.) sowie eine
weitere kontaminierte Handschrift.
Einschübe werden auch mit dem Verweiszeichen '/. am Rand
angemerkt :

7i

Abbildung 2. — Patmiacus 4, fol. 143b, Zeile 11-13.

T fol. 143b, Zeile 11-13 : or. II c. Ar. 208.16 φθόνον -208.19 δτι
Zeile 12 : 208.17/18 πολλοί x-Trad. incl. Τ* : πολλοί αρχάγγελοι και
RS-Trad. TCUN.

18. Abbildung 1 (S. 219). Im folgenden ist der Übersichtlichkeit halber die Lesart
der x-Tradition stets als erste angegeben, kann also vom gedruckten Text abweichen.
19. Im Juli 1987 hatte ich die Gelegenheit, die Handschriften Τ und U im Kloster
des Heiligen Johannes auf Fatmos selbst einzusehen. Ich möchte an dieser Stelle für die
mir dort zuteilgewordene Hilfe meinen Dank aussprechen. Ich danke dem Kloster auch
für die Erlaubnis, die hier beigegebenen Abbildungen zu veröffentlichen.
KONTAMINATION IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG 221

Wenn aber durch eine Wortumstellung und Einbeziehung des


Randes ein durchgängig lesbarer Text hergestellt werden kann, wird
diese Möglichkeit vorgezogen :

Abbildung 3. — Patmiacus 4, fol. 140a, Zeile 12-14.

Τ fol. 140a, Zeile 12-14 : or. II c. Ar. 197.24 τήν- 197.27 πεποίηκε
Zeile 12 : 197.24/25 τήν ύπόστασιν x-Trad. incl. T*U*N* : τήν σύστασιν
RS-Trad. : γρ(άφεται) τήν σύστασιν add. TCU°NC
Zeile 12/13 : 197.25 καθ' υμάς x-Trad. : οντος καθ' ύμας RS-Trad. ; καθ'
υμάς οντος TCUN.
An einer Stelle hatte der Korrektor von Τ in der Mitte der Zeile ein
Wort zu ergänzen, schrieb es aber ohne das Verweiszeichen '/i an den
Rand : dies ermöglicht den Nachweis, daß Uc von Τ abhängig ist :

MriSt

Abbildung 4. — Patmiacus 4, fol. 97a, Zeile 1-3

T. fol. 97, Zeile 1-3 : ep. ad epp. Aeg. 557.24 αντίχριστοι - 557.27 αί
In der RS-Tradition lautet der erste Satz : αντίχριστοι δε ούτοι
τυγχάνουσιν, δσοι δια τήν 'Αρείου μανίαν έρχονται προς ύμας. Der Korrektor
von T ergänzt das in der x-Tradition ausgelassene τυγχάνουσιν am
rechten Rand neben μανίαν, wo es im Satz keinen Sinn ergibt.
Trotzdem übernehmen es die Schreiber von U und Ν an dieser
Stelle : 557.25 μανίαν : μανίαν τυγχάνουσιν UN.
Der Nachweis für das oben aufgeführte Stemma dürfte hiermit
erbracht sein. Zur Illustration des Vorgehens seien noch weitere
Reispiele der Kontamination aufgeführt, zuerst für die Herstellung
eines durchgängig lesbaren Textes unter Einbeziehung des Randes :
ep. ad epp. Aeg. 548.5 χάριν x-Trad. (χάρι* Τ*) : χάρισμα Teil der
RS-Trad. TUN : χαρίσματα Rest der RS-Trad.
ep. ad. epp. Aeg. 572.22 και δι' ού τα πάντα ο m. Τ*Ν : in marg. suppl.
(Korrektur Sonderfehler) Tr (zufällige Übereinstimmung durch
Wiederholung von πάντα, in Γ fehlt der Text nicht)
222 KARIN METZLER

ep. ad epp. Aeg. 573.28-29 εις έναντιολογίαν wichtigste x-Hss. vermutl.


incl. T* : μυθολογοΰσιν ούχ όρώντες (: ού νοοϋντες Teil der RS-Trad.)
εις δσην άλογίαν RS-Trad. Tc einige kont. x-Hss.
Τ ergänzt μυθολ vor der Kolumne, den Rest sowie εις δσην άλ(ογίαν)
auf Rasur in der Kolumne ; offenbar hat sich der Korrektor im
Platz verschätzt, denn die Schrift wird immer enger, und (όρ)ών(τες)
und (δσ)ην werden über der Zeile ergänzt
or. I c. Ar. 12.5 (erste Textzeile)/6 άπέστησαν fehlt den meisten x-Hss.
Tc radiert offenbar das folgende Wort έπινοήσασαι und schreibt auf
der Rasur άπέστησαν έπινο, im Anschluß daran auf den Rand ήσασαι.
Weitere Beispiele für Einschübe mit Verweiszeichen '/, :
or. I c. Ar. 48.19-21 και meiste x-Hss. incl. T* : ήν ποτέ δτε ούκ ήν
τριάς RS-Trad. Tc kont. x-Hss.
or.ΐν'I c. Ar. 113.9 αύτω x-Trad. : αύτω, ώσπερ και υπέρ εαυτόν αγιάζει,
ήμεΐς άγιασθώμεν εν αύτω RS-Trad. TCUN
or. II c. Ar. 173.41 θεον meiste x-Hss. : θεόν ύπερασπιστήν RS-Trad.
TCUN eine weitere kontaminierte x-Hs.
Weitere Beispiele für Umstellungen zur Schaffung eines durchgäng
iglesbaren Textes20 :
ep. ad epp. Aeg. 584.4 αδίκως om. x-Trad. ; Tc ergänzt es auf Rasur
nach φιλονεικοΰντας ; das dort weggefallene ους ό κύριος wird am
Rand angeschlossen. In UN findet sich die Wortstellung von Tc.
or. I c. Ar. 37.10/11 τοϋ απαυγάσματος ή λαμπρότητος x-Trad. : της του
απαυγάσματος λαμπρότητος RS-Trad. : της απαυγάσματος της (της corr.
ex. ή Tc) λαμπρότητος TCUN
or. I c. Ar. 68.35/36 ούκ οντά om. x-Trad. ; Tc ergänzt die Wörter am
Rand vor πεποίηκεν ; entsprechend πεποίηκεν : ούκ οντά πεποίηκεν UN
or. II c. Ar. 221.7 αύτοϋ om. Τ* ; Tc ergänzt das Wort vor der Kolumne
vor υίοΰ; entsprechend αύτοΰ υίοΰ ~ UN
ep. ad epp. Aeg. 545.5/6 teilt eine RS-Handschrift, der Tc sonst nicht
sehr nahe steht, den Text des Korrektors von Τ ; dieser könnte
aber auch die Formulierung des Attributs geändert haben, um
nicht radieren zu müssen, sondern am Rand ergänzen zu können :
τας γραφας x-Trad. incl. T* : τας περί αύτοϋ γραφας meiste RS-Hss. :
τας γραφας τας περί αύτοϋ eine RS-Hs. TCUN.
Diese Fälle unterstützen die These der Abhängigkeit der Handschrift
U von Tc : der Befund ist in Τ durch die Zeilenaufteilung zu erklären,

20. Wo Τ nicht erhalten geblieben ist. darf man bei manchen Umstellungen in U
vermuten, daß in Τ bei einer Korrektur die Wortfolge dem optischen Eindruck zuliebe
umgestellt wurde, z. B. or. II c. Ar. 169.42/172.1 πρώτον x-Trad. : τα αυτά και
μανθανέτωσαν πρώτον RS-Trad. : πρώτον τα αυτά και μανθανέτωσαν UN.
KONTAMINATION IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG 223

in U gibt es keine ersichtliche Begründung für eine Umstellung. Auch


an der folgenden Stelle läßt sich der Text von U aus der Korrektur in
Τ erklären :
or. II c. Ar. 33.9/10 έστιν om. x-Trad. incl. T* : Tc ergänzt das Wort
auf Rasur. Das folgende, radierte Wort hat der Korrektor
vergessen nachzutragen : ήμΐν om. TCUN.
Auch für die γρ-Lesarten21 sollen noch einige Beispiele zur
Illustration angeführt werden. Am interessantesten ist der Fall, in
dem die Lesart von Tc sonst nicht überliefert ist und den Text zu
heilen vermag :
ep. ad epp. Aeg. 556.9 έξελεΐν x-Trad. incl. Τ* : έξειλεΐν Teil der
RS-Trad., eine kontaminierte Hs. : έξιλεΐν Rest der RS-Trad. :
γρ(άφεται) έξωλισθαίνειν add. TCUC : έξωλισθαίνειν Ν
Hinter der «eigentümlichen»22 Lesart des T-Korrektors verbirgt sich
wohl έξολισθαίνειν «entgleiten, entrinnen», das ausgezeichnet in den
Zusammenhang paßt : die Arianer, so behauptet Athanasius, versu
chen, wie die Aale (ώς έγχελύες) zu entschlüpfen und zu verbegen, daß
sie Christus bekämpfen. Die Vorlage des Korrektors hatte offenbar
einen besseren Text als die erhaltenen RS-Handschriften23.

21. Erwogen wurde auch, ob die mit γρ gekennzeichneten Lesarten besondere


Überlieferungsverhältnisse der RS-Tradition widerspiegeln : sei es, daß die verglichene
Handschrift an dieser Stelle schon eine Doppellesart bot, sei es, daß mehrere RS-
Handschriften verglichen wurden. Doch in der ep. ad epp. Aeg., in der eine besondere
Gruppierung der RS-Tradition überliefert ist (bei Opitz, op. cit., S. 74-77, Gruppe ω
genannt ; sie bietet nur eine geringe Anzahl der Athanasius-Schriften), weicht diese nur
556.9 (wo Tc ganz anderen Text bietet, s. o.) und 556.33 (Φιλογνίου) geringfügig ab, nicht
dagegen 556.36 und 561.10. Von den fünf Lesarten mit γρ in de incarnatione verbi (vgl.
Anm. 16) stimmt Tc viermal auch mit der Antiochenischen Tradition (zumindest
Handschrift D, vgl. unten zur Kontamination in Ν überein), das fünfte Mal (55.25
Kannengiesser) stützt diese jedoch die Lesart von T*. Für die Kennzeichnung mit γρ
läßt sich also kein anderes Kriterium als die philologische Entscheidung des Korrektors
feststellen. — Der genannten Gruppe ω stehen die Korrekturen von Tc übrigens
generell nicht so nahe wie der des großen Athanasius-Corpus innerhalb der RS-
Tradition. Eine genauere Zuordnung zu einer erhaltenen Handschrift des großen
Corpus ist nicht möglich ; wenn Tc ausnahmsweise nur mit einer RS-Handschrift
übereinstimmt, so ist dies nicht immer dieselbe.
22. So Opitz, op. cit., S. 11. Auf έξολισθαίνειν machte mich Herr Prof. Reinsch,
Rochum, aufmerksam, der mich bei der Ausarbeitung dieses Aufsatzes beraten hat,
wofür ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte.
23. Es gibt Fälle, in denen die Herkunft der Lesart Tc aus der RS-Tradition fraglich
ist, die aber nicht ausreichen, um die dargestellte Abhängigkeit in Zweifel zu ziehen, so
or. I c. Ar. 56.35 άλλα RS-Tradition meiste x-Hss. incl. Τ* άλογα zwei x-Hss. (älteres
Stadium der x-Tradition) γρ άλογα add. Τ' (? — Schrift verblaßt, -λογα deutlich) U'N'
(neben ζώα erklärliche Konjektur).
224 KARIN METZLER

Weitere Beispiele :
or. 1 c. Ar. 133.5/6 την τών γενητών δείξη φύσιν x-Trad. incl. T*U*N* :
την αρχήν των γενητών δείξη RS-Tradition : γρ τήν αρχήν add. TCUCNC
or. I c. Ar. 136.39 φθόγγος αυτών x-Trad. incl. T*U*N* (so Ps. 18
[19],5) : νόμος RS-Trad. (vgl. 136.30/31) : γρ δ νόμος add. TCUCNC
or. II c. Ar. 177.17 νουθεσίαν x-Trad. incl. T*U*N* : ούθένειαν RS-
Tradition (eine Hs. ούθενίαν) : γρά ούθένειαν add. TCUCNC.
Das Vorgehen eines Korrektors im 11. Jahrhundert ist deutlich :
Der Text wird in den meisten Fällen auf die Lesart einer der beiden
Traditionen festgelegt ; die Korrekturen werden meist so vorgenom
men, daß ein neuer durchgehend lesbarer Text entsteht ; ästhetischen
Bedürfnissen kommt der Korrektor so weit entgegen, daß er
manchmal Wörter umstellt, um möglichst wenig radieren zu müssen.
Doppellesarten enthält die korrigierte Handschrift dort, wo der
Korrektor sich nicht zwischen zwei Lesarten entscheiden möchte ;
diese Lesarten werden mit einem distanzierenden γρ(άφετοα) gekennz
eichnet.
Ein so differenziertes Vorgehen wird in der weiteren Tradierung
leicht vergröbert. In der Handschrift U finden sich Korrekturen mit
γρ bzw. γρά überhaupt nur in dem vom Schreiber C geschriebenen Teil
fol. 53-27724. Die anderen Schreiber fassen offenbar auch die mit γρ
bezeichneten Lesarten als Korrekturvorschriften auf (es sei denn, in
den Schriften nach der or. Ill c. Ar. hätten in Τ keine solchen
Angaben mehr gestanden). Der erste Schreiber von Ν im 11. Jahr
hundert behandelt die so gekennzeichneten Lesart bis ep. ad epp.
Aeg. 561.33 einschließlich als Korrekturanweisungen, ahmt danach
die γρ/γρά-Schreibung nach, wobei ihm allerdings Fehler unterlauf
en25.

24. Schreiber C übernimmt diese Korrekturen fol. 85b-153a mit γρ, fol. 154a-275b
mit γρά. Dabei haben sich folgende Fehler eingeschlichen : or. // c. Ar. 169.36 bieten U*
wie Uc den RS-Text (ποιηθέντων statt ποιημάτων), or. II c. Ar. 237.40 werden die Lesarten
vertauscht : die RS-Lesart σφάλμα έχουφ. steht in U*, die x-Lesart σφάλλονται am Rand
mit γρά. — Schreiber Β der Handschrift U schreibt einen kontaminierten Text ohne γρ-
Lesarten. Dem Schreiber D lagen keine kontaminierten Schriften vor (s. Anm. 15). Zu
Schreiber A siehe die folgende Anmerkung.
25. So bieten N* und Nc or. II c. Ar. 165.25 beide den RS-Text (και δλως). — Ν bietet
in dem Teil der epistula I ad Serapionem, der in U nicht erhalten ist, aber vermutlich
auch von Schreiber A geschrieben war, eine einzige Lesart mit γρ : epistula I ad
Serapionem 545.33 γράφων : λέγων Ν* : γρ γράφων add. Nc, es wird also ein Sonderfehler
korrigiert (der Schrifttypus entspricht dem des 11. Jahrhunderts). Da Ν in der
folgenden ep. ad epp. Aeg. γρ-Lesarten immer in den Kolumnentext einarbeitet (553.6
allerdings Konjektur nach x-Lesart), nehme ich an, daß die Korrektur 545.33 nicht aus
U stammt, sondern bei der Durchsicht der Handschrift Ν durch ihren Schreiber
angebracht wurde ; somit ist auch für den Schreiber Β von U keine Lesart mit γρ
KONTAMINATION IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG 225

Die Arbeit in einem Skriptorium des 11. Jahrhunderts dürfte in


Umrissen deutlich geworden sein. Es wäre verlockend, die gezielte
Kontaminations- und Abschreibearbeit in Verbindung mit der
Gründung des Klosters des Heiligen Johannes Theologos auf Patmos
1088 durch den gelehrten Mönch Christodoulos zu bringen, der eine
reiche Bibliothek hinterließ26. Schließlich befinden sich sowohl Τ als
auch U noch heute auf Patmos.
Eine Athanasius-Handschrift, die mit U oder Ν identifiziert werden
kann, läßt sich für Patmos für das Jahr 1103 nachweisen : Im
Oktober dieses Jahres quittiert ein ungenannter Schreiber den Erhalt
von Büchern : (...) Παρέλα(βα) και ετ(ε)ρα βιβλία άπο τ(όν) καθηγούμ(ενον)
ίερομόναχον κυρ 'Ιωσήφ χάρ(ιν) τοΰ χρέου(ς) του γέρ(ο)ν(τος) [?] των
πεντήκον(τα) ύπ(ε)ρ(πύρων)27 (...) — für die 50 ύπέρπυρα, die ihm der Abt
schuldete, erhielt er also Bücher, entweder als Sicherheit oder als
Entschädigung; da die Bücher einzeln nach ihrem Inhalt (wenn auch
nur stichwortartig) beschrieben werden, ist eher daran zu denken, daß
sie als Pfand dienen und wieder ausgelöst werden sollten. Unter
diesen Büchern wird auch genannt : (...) [ετερ(ον) σωματ(ώον)] τοΰ αγίου
'Αθανασίου κ(α)τ(α) 'Αρείου και Άπολιναρίου (...). Dieser Eintrag dürfte
sich auf die erste Schrift, de incarnatione et contra Arianos28, beziehen,
nach deren Titel περί της τοΰ μονογενοΰς τοΰ θεοΰ λόγου ενανθρωπήσεως
κατά 'Αρείου και Άπολιναρίου (Nr. 12 in N)29. Da U 1103 vermutlich

nachzuweisen. — Auch später werden solche Lesarten von Abschreibern unterschiedl


ich behandelt : Der Schreiber von ρ (s. Anm. 2) arbeitet sie bei der Abschrift aus Τ in
seinen Text ein; Emmanuel von Monemvasia, der Schreiber von 44 (vgl. Anm. 2),
übernimmt sie anscheinend etwa so, wie er sie in Ν vorfindet (da 44 eine abhängige
Handschrift ist, wurde sie in der Patristischen Arbeitsstelle Bochum nicht durchgehend
kollationiert).
26. Zur Geschichte des Klosters s. Era L. Branouse, Βυζαντινά έγγραφα της Μονής
Πάτμου. Τόμ. Α'. Αυτοκρατορικά, Αθήναι 1980 (im folgenden zitiert : Branouse). Wichtige
Quellen sind Typikon, Testament und Kodizill des Christodoulos, veröffentlicht in :
F. Miklosich/J. Müller, Ada et diplomata Graeca medii aevi sacra et profana, VI,
Wien 1890, S. 59-90.
27. Era L. Branouse, Ο καθηγούμενος της Μονής Πάτμου Ιωσήφ Ιασίτης και η
αρχαιότερη αναγραφή χειρογράφων της Μονής (Πίν. 73), Δελτίον της Χριστιανικής αρχαιλογικής
Εταιρείας 4, 1964, S. 345-351, hier S. 349. Branouse weist überzeugend nach, daß es sich
bei dem genannten Abt um Ioseph Iasites, den ersten Nachfolger des Christodoulos,
handelt ; auch die Datierung überzeugt. Die Darstellung ist allerdings etwas
irreführend, da man ein Inventar der ganzen Bibliothek des Christodoulos bzw. des
Ioseph Iasites erwartet, während nur der Empfang von weniger als dreißig Büchern
quittiert wird.
28. PG 26, Sp. 984ff.
29. Eine weitere Athanasius-Handschrift ist quittiert : έ(τερον) σωματ(ώον) παλαι(ον)
έχον (διηγήσεις?) και λόγ(ους) τοϋ αγίου Άθαν(ασίου) (loc. cit. [s. Anm. 27], S. 349).
Abgesehen davon, daß die διηγήσεις schwer zu identifizieren wären, wird man 1103 eine
Handschrift des 11. Jahrhunderts wohl nicht als παλαιόν bezeichnet haben : es handelt
sich also schwerlich um T. — Die sonst nicht belegte Form σωματώον wird übrigens im
Dokument einmal ausgeschrieben.
226 KARIN METZLER

noch unbeschädigt war, war diese Bezeichnung auch für U die


natürliche (es folgen überdies noch mehrere Schriften gegen die
Arianer wie auch zwei gegen Apolinarius). Wüßte man, daß die
Bücher wieder ausgelöst wurden, dürfte es sich um U handeln30;
verblieben sie im Besitz des Gläubigers, so müßte es sich im Ν
handeln ; die Handschrift wäre dann auf unbekanntem Wege in
Bessarions Besitz gekommen (s. u.).
Hingegen im Bibliothekskatalog vom September 1200 ist keine Τ
oder U entsprechende Handschrift zu finden31. Zwei spätere Kataloge
sind noch nicht ediert32. In der Mitte des 14. Jahrhunderts33 ist
wieder eine Athanasius-Handschrift wie U oder Ν nachzuweisen ; die
Bezeichnung ist der von 1103 sehr ähnlich, aber noch genauer : 22.
'Αθανασίου 'Αλεξανδρείας κατά 'Αρείου και Άπολλιναρίου [sic] λόγοι διάφοροι,
ών ό πρώτος ούτωσί πως άρχεται · « Οι κακοτέχνως τας θείας γραφάς»34. Hier
stimmt nicht nur das Stichwort für den Inhalt, sondern auch das
Incipit mit dem alten Teil von Ν und damit auch mit dem
ursprünglichen Beginn von U überein. Im 14. Jahrhundert wird man
damit rechnen, daß es sich eher um die — immer noch vollständi
ge — Handschrift U handelt.
Τ dagegen ist nicht aufgeführt. Im Grunde ist es recht schwer zu
erklären, daß sich sowohl Τ als auch U heute auf Patmos befinden.
Bedenkt man, wie stark die Gründung des Klosters auf Patmos vom
Kaiser gefördert wurde, erwägt man, daß das Kloster vermutlich ein
eigenes Skriptorium besaß35, so könnte man sich ausmalen, daß die

30. Ein Verzeichnis «unbrauchbarer» Dokumente des Klosters vom Ende des 11.
oder Anfang des 12. Jahrhunderts, gerade solcher, die Geschäfts- und Verwaltungsfra
gen betrafen (Edition Era L. Branouse, Ανέκδοτος κατάλογος εγγράφων της έν Πάτμω
μονής (ΙΒ'-ΙΓ αι.), Σύμμεικτα 1, 1966, S. 137-162) enthält keinen Hinweis, was natürlich
nichts besagen will.
31. Edition : Ch. Diehl, Le trésor et la bibliothèque de Patmos au commencement
du 13e siècle, BZ 1, 1892, S. 488-525 (hier 514-425). Diehl datiert diesen Katalog auf
1201, worin ihn Branouse, op. cit., S. 80*, korrigiert. — Im Jahre 1200 befanden sich
Handschriften mit Athanasius-Schriften auf Patmos, die sich aber keinesfalls mit den
großen Athanasius-Korpora von Τ und U identifizieren lassen ; auch Diehls Identifizi
erungen mit Handschriften aus Sakkelions Katalog führen nicht auf die Nummern 3 und
4.
32. Branouse, op. cit., S. 82*, erwähnt einen unedierten Katalog von 1262 oder
1277 (unter Abt Germanos) und einen von 1307 (unter Abt Gregorios, nach Sakkelion,
dem Diehl folge, von 1382). Nach brieflicher Auskunft von N. Oikonomidis läßt sich im
früheren keine unserer Handschriften identifizieren, im späteren nur vage vermuten
(Nr. 21, 98).
33. Edition : G. Mercati, Per la storia dei manoscritti greci di Genova, di varie badie
basiliane d'Italia e di Patmo, Roma 1935, S. 128-133 (Text zuvor ediert in PG 149,
Sp. 1047-1052).
34. Mercati, op. cit. (s. Anm. 33), S. 129, vgl. Anm. 22 (« Non corrisponde ai codd. 2
e 3, e non ce n'è notato altro ehe corrisponda »), der aber widersprochen werden muß.
35. Branouse, op. cit., S. 46* mit Verweis auf Miklosich/Müller, op. eil.
KONTAMINATION IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG 227

Kontamination in Τ vorgenommen wurde, um dem Kloster einen


überprüften Athanasius-Text als «Kapital» mitzugeben, so, wie das
Kloster auch Schiffe und Immobilien besaß, um seinen Unterhalt zu
bestreiten. U und Ν könnten dann auf Patmos entstanden sein. Aber
warum blieb U auf Patmos? Oder es war die Handschrift U, die als
«Kapital» gedacht war — doch weshalb kam auch ihre kontaminierte
Vorlage nach Patmos? Dazu kommen die Fragen, warum Τ im
Katalog Mitte des 14. Jahrhunderts und beide Athanasius-Hand-
schriften im Katalog von 1200 nicht erwähnt werden.
In der Deszendenz der Handschrift Τ findet sich ein weiterer
Korrektur- und Kontaminationsvorgang. Handschrift Ν befindet sich
heute in Venedig ; sie stammt aus der Schenkung des Kardinals
Bessarion. 1468, noch vor dem Tode des Kardinals 1472, wurden die
Bücher nach Venedig gebracht. Im 15. Jahrhundert wurde aber auch
die Handschrift Ν um einen Papierteil ergänzt, der vor den alten
Pergamentteil gebunden wurde (fol. la-95b, Nr. 1-11 im Codex). Man
kann wohl zu keinem anderen Schluß kommen, als daß Bessarion
diese Ergänzung veranlaßt hat, wie dies auch Leone36 annimmt. Es
liegt sogar die Vermutung nahe, diese Ergänzung sei durch das Konzil
von Ferrara und Florenz (1438-39) veranlaßt worden : In naher Ver
wandtschaft zu dieser Ergänzung muß die Handschrift k (= Parisi
nus Bibl. Univ. 53 [olim Τ II 23]) gesehen werden, die im Jahre 1424
von Silvestros Syropulos geschrieben wurde, der auf dem Konzil
Bessarion mit deutlicher Gegnerschaft gegenüberstand37. Diese Geg
nerschaft schließt vielleicht nicht aus, daß Bessarion Syropulos
Handschriftenmaterial zur Verfügung stellte ; wahrscheinlicher
scheint es bei der frühen Datierung der Syropulos-Handschrift
jedoch, daß beide Zugang zu philologischen Arbeiten hatten, die zur
Vorbereitung des Konzils unternommen wurden, vielleicht in Kons
tantinopel38. Daß die Handschrift Ν in Ferrara und Florenz benutzt
wurde, läßt sich jedoch nicht nachweisen39.

(s. Anm. 26), S. 75; zu den ökonomischen Grundlagen des Klosters siehe allgemein die
Einleitung des Buches von Branouse.
36. L. Leone, Sancti Aihanasii archiepiscopi Alexandriae Contra génies, Napoli 1965,
S. vnf. Vgl. Miont (s. Anm. 2), S. 70 : «(...) scriba aetate Bessarionis, cuius ratio
scribendi est simillima scripturae Demetrii Sguropuli, attamen magis accurata
videtur. »
37. Zur Handschrift u. a. Opitz, op. cit., S. 95.
38. Zu Syropulos' Karriere zum μέγας έκκλησιάρχης in Konstantinopel siehe
Concilium Florentinum. Documenta et scriptores. Series Β, vol. IX : V. Laurent (Hg),
Les «Mémoires » du Grand Ecclésiarque de l'Église de Constanlinople Sylvestre Syropoiilos
sur le concile de Florence (1438-1439), Roma 1971, S. 6ff. — Für die philologischen
Vorbereitungen zum Konzil hatte man jedenfalls keine Handschriften vom Athos zur
Verfügung : siehe E. Candal, Bessarion Nicaenus in Concilio Florentino, OCR 6, 1940,
S. 417-466, hier S. 420. Candal nimmt an, daß die Bücher, die Bessarion für die
Bibliothek in Venedig stiftete, zum Teil die für das Konzil gebrauchten sind (lor. cit.).
39. Ausgewertet wurden die Bände der Konzilsakten (vgl. Anm. 38); die Ergebnisse
228 KARIN METZLER

Der Text der Ergänzung in Ν setzt verschiedene Vorlagen voraus,


die untereinander verglichen und kontaminiert worden sein müssen
(besonders aufschlußreich sind die Schriften contra génies und de incar-
natione verbi) ; meine Untersuchungen ergaben Bezüge zu den Atha-
nasius-Handschriften Β (= Basiliensis gr. A III 4), W (= Athous
Vatopedi 7), D (= Ambrosianus I 51 sup. [235 Μ. /Β.]) und t, y und
ζ (Athous Lawra Β 28, Β 58 und Γ 106 [148, 178 und 346 L.]). Zwei
Athanasius-Handschriften, die später ebenfalls aus Bessarions Besitz
nach Venedig kamen, M und 76 (Marcianus 351 [49 Z./B.] und 804
[502 Z./B.]), sind für diese Arbeit nicht benützt worden40. Es entstand
wie in U ein durchgängig lesbarer Text ; den Kontaminationsvorgang
kann man nicht direkt beobachten wie in T. Bei diesem Ergänzungs
vorgang sind wohl auch die Korrekturen im alten Teil von Ν
vorgenommen worden, die nicht aus U übernommen werden konnten.
Ein ganz anderer Typus von Kontamination spiegelt sich in einer
Gruppe jüngerer Athanasius-Handschriften wider, die hier c-Gruppe
genannt wird41. Es soll hier nicht auf alle zu dieser Gruppe
gehörenden Handschriften und auch nicht auf alle in ihnen überliefer
ten Athanasius-Schriften eingegangen werden ; erwähnt sei nur, daß
eine Handschrift einer Untergruppe (Hierosolymitanus I 57) im Jahre

sollen hier nur kurz angedeutet werden : Bessarions Athanasius-Zitate sind sowohl in
seinen Schriften (Bd. 7) als auch in den lateinischen Konzilsakten (Bd. 6, nur ein Zitat)
zu ungenau, um eine Aussage über die benutzte Handschrift zu treffen. Juan de
Torquemada (Bd. 2 [1]) benutzte für de incarnatione et contra Arianes eine RS-
Handschrift, sonst eine x-Handschrift, die (bis auf eine Lesart) mit der später von
Bessarion nach Venedig gegebenen Handschrift 76 (Marcianus 804 [502 Z./B.]) identisch
sein könnte. Die Zitate, die für Johannes von Montenigro in den griechischen (Bd. 5)
und lateinischen Konzilsakten (Bd. 6) angeführt werden, entstammen einer x-
Handschrift, aber sicher nicht N; diejenigen, die für Markos Ephesios angegeben
werden, gehen auf eine RS-Handschrift zurück ; vielleicht ist Handschrift 76 verglichen
worden. Ein Zitat von Andreas von Rhodos (Bd. 5 [1]) ist nicht genau zuzuweisen;
denn auf dem Konzil wird ep. I ad Ser. 580.24-26 immer wieder verschieden zitiert, bald
mit φύσιν και τάξιν wie in Ν und 76, bald mit τάξιν και φύσιν wie in der Mehrheit der
Handschriften. Ein Zitat des Isidor von Kiew (Bd. 10 [1]) schwankt zwischen x- und
Antiochenischer Tradition, teilt aber gerade die Sonderlesarten von Ν nicht.
40. Daß die Handschrift M für die Vorbereitung des Konzils benutzt worden ist,
zeigt eine teilweise von ihr abhängige Handschrift, nämlich Laurentianus Pluteus IV
12 : sie enthält zahlreiche Schriften, die deutlich für die Verwendung auf dem Konzil
sprechen, so die Thesen des Johannes Bekkos und ihre Diskussion durch Gregorius
Palamas und Bessarion (Nr. 19), so ein Väterflorileg mit Exzerpten aus de incarnatione
et contra Arianes und ep. I ad Serapionem (Nr. 20, nicht M entnommen). Eine
vollständige Abschrift von epp. I, II ad Serapionem (Nr. 25, 26) ist nach dem
Lesartenbefund von M abhängig. Ich stütze mich auf Ergebnisse von Frank Simon,
Patristische Arbeitsstelle Bochum.
41. Opitz, S. 119-122, bespricht für ep. ad epp. Aeg. die Gruppe KAFb2; dabei ist b2
durch Y zu ersetzen, von der b2 abhängig ist; m ist zu ergänzen, während 72 diese
Schrift nicht bezeugt. Opitz hat die Kontamination erkannt {pp. cit., S. 120f.).
KONTAMINATION IN DER ATHAN ASIUS-ÜBERLIEFERUNG 229

1187 geschrieben wurde42. Die gemeinsame Vorlage der Gruppe c


müßte also ebenfalls spätestens ins 12. Jahrhundert datiert werden.
Die or. II c. Ar., an der der Korrektur- und Kontaminationsvorgang
aufgezeigt werden soll, ist in folgenden jüngeren Handschriften
überliefert :
Κ = Athous Vatopedi 5, s. XIV
A = Ambrosianus I 59 sup. (464 M./B.), s. XIII/XIV
Y = Mosquensis 115, s. XIV vel XV
F = Laurentianus San Marco 695, s. XIV
m = Mosquensis 116, s. XIV
72 = Parisinus gr. 859, s. XVI.
Zahlreiche Bindefehler erweisen eine gemeinsame Vorlage für diese
Handschriften, aber ein Stemma läßt sich für sie nicht herstellen,
dazu schwankt die Bezeugung von Sonderlesarten zu sehr43. Schon
Opitz nahm an, daß der Hyparchetyp der Handschrift A ähnlich
gesehen haben müsse. In dieser finden sich zahlreiche Korrekturen am
Rand, die sich auf den nach wie vor lesbaren Text in der Kolumne
beziehen. Es scheint sich eher um Vergleichsmaterial als um
Korrekturen zu handeln ; sie wurden in A schon beim ersten
Abschreibevorgang aus der Vorlage übernommen44. Auch in Y finden

42. Nach A. I. Papadopoulos-Kerameus, I, S. 139 = Richard-Nr. 444 (vgl.


Anm. 2). 116 enthält allerdings aus dem Corpus nur die disputatio contra Arium.
43. Beispiele für Bindefehler werden unten aufgeführt; in or. II c. Ar. finden sich z.
B. Bindefehler mit folgenden Gruppierungen : KAY, KAm, KY, KF, Km72, AY72,
Fm72; die Aufzählung ließe sich vermehren. Durch Querbeziehungen zu anderen
Handschriften ist nur sicher, daß zwischen dem Hyparchetyp und Κ sowie F jeweils
noch mindestens eine Zwischenvorlage steht.
44. Zu den ursprünglichen Korrekturen in A siehe Opitz, S. 122 und S. 123f.
Übrigens ist auch A nach einer Handschrift der RS-Tradition um die ihr bisher
fehlenden Schriften ergänzt worden, wie dies A. Stegmann, Die pseudoathanasianische
« IVte Hede gegen die Arianer» als «κατά Αρειανών λόγος» ein ApoUinarisgut, Rottenburg
a. N. 1917, S. 32, annahm (von Opitz, S. 43 und 140f., bestritten); nur handelt es sich
nicht um den Codex S (= Parisinus Coislinianus gr. 45 [olim 133]) selbst, wie Stegmann
annahm, sondern um dessen Abschrift, Parisinus gr. 475, die als Vorlage für die
Ergänzung im 16. Jahrhundert benutzt wurde (fol. 431 und 434 teilweise, sonst von
fol. 432 an durchgehend). Dies wurde von H. Nordberg, Athanasiana. Five Homilies,
Expositio fidei, Sermo maior. Part I. The Texts, Helsinki/Helsingfors 1962, S. 16*f. und
S. 24* für die Schrift profecti in pagum (bei Nordberg : Homily I ; PG 28, 169)
richtiggestellt; es bestätigt sich auch durch die Kollationen der Arbeitsstelle zu den
noch folgenden Schriften und durch Opitz' Apparat zum tomus ad Antiochenos
(Werke II — vgl. Anm. 1 — , S. 320ff., bisher nur in Revisionsbogen vorliegend); für
den kurzen Traktat de doctrina siehe de synodis cap. 4-5 (Werke II/l , S. 4). — Bei dieser
Ergänzung wurden teilweise beschädigte Folia durch aufgeklebtes Papier ergänzt ; wo
der alte Text noch lesbar war, wurde er auf das Papier geschrieben, wo nicht, nach der
RS-Vorlage ergänzt (s. Stegmann, loc. cit.). Im älteren Teil finden sich ebenfalls
vereinzelt Korrekturen von jüngerer Hand. Die Bemühung um Verbesserung und
Ergänzung ist also der in Ν ähnlich, nur daß die Kontaminationsspuren sichtbar sind.
230 KARIN METZLER

sich bisweilen Doppellesarten ; sonst haben die Handschrift in der


Regel von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich für eine der
angebotenen Lesarten zu entscheiden.
Nicht nur optisch zeigt die Gruppe c einen ganz anderen Typus als
Tc. Während die Korrekturen in Τ nur ausnahmsweise nicht einer in
der RS-Tradition vertretenen Lesart entsprechen, gibt es in der
Gruppe c viele Sonderlesarten, die auf einen bewußten, stilistisch
korrigierenden Eingriff deuten45 :
or. II c. Ar. 153.19 έαν om. c, vgl. 153.20 οντος : add. αν c —
Veränderung des Satzbaus (genauso Zigabenos s. u.)
156.36 wo die meisten x-HHs. ποίημα και κτίσμα und die RS-Trad.
κτίσμα και ποίημα hat, schreibt c ποίημα ή κτίσμα (logisch genauere
Formulierung, auch bei Zig.)
180.5/6 εις (τον add. RS-Trad.) άδην : εις άδου c (alle Formen können
durch biblische Textüberlieferung zu Ps. 15,10 und Apg. 2,31
gestützt werden)
185.17 hier ist überall konjiziert worden : όπως ίσως Migne, Archetyp
wohl ίσως (so Hss. aus x- und RS-Trad.) : δπως c, andere Konjek
turenίν' ίσως und μήπως
209.35 δυνατού c, wo die übrigen Handschriften zwischen αδύνατοι, und
δυνατοί schwanken (eine Hs. αδύνατος?)
252.30 παρά : υπό c. (beim Passiv).
Dies sind nur herausgegriffene Beispiele ; für den Ersatz einzelner
Wörter und besonders auch für die Umstellung von Wörtern im Satz
ließen sich noch zahlreiche Beispiele bringen. Genauso deutlich tritt
aber auch die Wirkung einer Kontamination nach der RS-Tradition
zutage, für die hier nur folgende Beispiele genannt seien :
209.3 βουλευσάμενος meiste x-Hss. : βουλευόμενος RS-Trad. KAcYFm72
209.8/9 αυτόν meiste x-Hss. : αυτόν· ου γαρ δι' αυτόν RS-Trad.
TcUNKAcYFm72
221.17/18 ών έστι viele x-Hss. : ών έστι και άεί έστι · δια τοΰτο και ό
λόγος αύτοΰ ών έστι RS-Trad. TcUNKAcYFm72 sowie zwei weitere
kontaminierte Hss.
Wenn sich schon das Verhältnis der Handschriften der Gruppe c
untereinander nicht restlos klären läßt, so entzieht sich dem exakten

45. Übergangen werden bei den folgenden Übereinstimmungen mit, dem Text von Β
(= Basiliensis gr. A III 4) sowie mit einem der Korrektoren dieser Handschrift, der
offenbar mit einer Handschrift der Gruppe c verglichen hat, aber auch RS-Lesarten
bietet, die sich in den Handschriften der c-Gruppe nicht finden. Die Arbeit dieses
Korrektors muß vorgenommen worden sein, nachdem im 15. Jahrhundert zwei
Abschriften von Β (nämlich Vindobonensis theol. gr. 2 und Oxoniensis Thomas Roe 29
[olim 275]) hergestellt worden waren.
KONTAMINATION IN DER ATHANASIUS-ÜBERLIEFERUNG 231

Zugriff vollends die unleugbar vorhandene Beziehung zur « Panoplia »


des Euthymios Zigabenos46. Dessen Exzerpte aus den Arianerreden
teilen sowohl Sonderlesarten dieser Gruppe als auch Übereinstimmung
en zwischen c und der RS-Tradition, wie neben den oben aufgeführ
ten folgende Beispiele zeigen :
152.14 διστάξειεν : δι,στάσειεν (add. αν ) KAYFm Zig. : διτάσειεν 72
156.58 αύτω post επτά c Zig.
vgl. or. I c. Ar. 113.12 ό θεός meiste x-Hss. : ό θεός, ό θεός σου RS-Trad. c
Zig.
Zigabenos teilt nicht alle Sonderlesarten und Übereinstimmungen
mit der RS-Tradition, zeigt dafür aber eigene Sonderlesarten und
auch eigene Kontamination mit dem RS-Text :
or. Il c. Ar. 153.31 άκούσωσι x-Trad. : άκούουσι RS-Trad. Zig.
161.36 'Ααρών x-Trad. : 'Ααρών, ώσπερ ουν ό 'Ααρών RS-Trad. UN :
'Ααρών, και ώσπερ ό 'Ααρών Zig.
165.2 μετέσχεν x-Trad. : μετέσχε και RS-Trad. Zig.
Es fällt auf, dai3 Zigabenos speziell mit der Handschrift m
Gemeinsamkeiten teilt; aber auch hier läßt sich keine genaue
Abhängigkeit feststellen. Insgesamt kann man nur zu dem Schluß
kommen : Euthymios Zigabenos hat für bestimmte Athanasius-
Schriften eine frühe Handschrift des c-Typus benützt (der damit
sogar auf das späte 11. oder den Anfang des 12. Jahrhunderts
hinaufdatiert wird) ; diese Handschrift war entweder noch stärker
mit RS-Lesarten durchsetzt, als dies in den erhaltenen Handschriften
der Gruppe c faßbar wird, oder Zigabenos hat zusätzlich noch eine
Handschrift der RS-Tradition verglichen. Da an Zigabenos in der
Regel unselbständiges Arbeiten beobachtet wird47, ist die in der
c-Gruppe vorliegende Kontamination wohl nicht ihm selbst, sondern
einem Zeitgenossen zuzuschreiben. Das uneinheitliche Erschein
ungsbild der Gruppe c und speziell die Nähe der Handschrift m zu
Zigabenos lassen überlegen, ob nicht der Kontaminator selbst
verschiedene Abschriften des c-Hyparchetyps hergestellt hat, in
denen er teils Korrekturen zurücknahm, teils neue RS-Lesarten und
stilistische Veränderungen hinzufügte, was das unfeste Erschein
ungsbild dieser Gruppe besser erklären würde48.

46. Die «Panoplia» wurde benutzt nach dem Text von PG 130. — Zigabenos stellte
sie auf Anweisung des Kaisers Alexios I. Komnenos (1081-1118) zusammen (siehe :
Anna Komnene, 'Alexias XV 9,1 [III 223,20-224,1 Leib]).
47. H.-G. Rf.c.k, Kirche und theologische Literatur im byzantinischen Reich, München
21977, S. 614.
48. Erkla'rungsbedürftig ist auch der unterschiedliche Schriftenbestand dieser
Handschriften, beispielsweise das Fehlen der Schrift disputatio contra Arium au(3er in F
und der sogenannten (iruppe φ (zu dieser Opitz, op. cit., S. 48-54).
232 KARIN METZLER

Als gesichert kann aber gelten, daß dieser Kontaminator von


Anfang an nicht einen einzigen durchgängigen neuen Athanasius-
Text herstellen wollte wie der Korrektor von T, sondern eher den
Befund der ihm vorliegenden Athanasius-Tradition wie auch seine
eigenen Konjekturvorschläge zur Diskussion stellte. Wenn die hier
dargelegten Datierungen der Kontaminationsvorgänge zutreffen, so
kann man also in der Athanasius-Überlieferung zwei ganz verschiede
ne Typen von mittelalterlicher philologischer Arbeit zeitlich nah
beieinander beobachten.

Karin Metzler
Patristische Arbeitsstelle Bochum der Rheinisch-Westfälischen
Akademie der Wissenschaften
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstraße 150
D-4630 Bochum 1

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