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Marcel Chelba

Critical Introduction

About the possibility of Metaphysics, as Science, in the


critical philosophy of Kant

Crates Publishing, Reşiţa, Romania, 2004.

Extract from: Marcel Chelba, Introducere critică. Despre


posibilitatea Metafizicii, ca Ştiinţă, în perspectiva filosofiei
critice kantiene, Editura Crates, Reşiţa, 2004.

Romanian to English translation: Marcel Chelba

Nota Bene:

Here you will find translated into German only a summarized


part of Chapter 2, For the sake of peace. The rest of the book
is not yet translated. To find a translator.

1
Contents

Foreword
Argument
Appendix

Critical Introduction:

I. A strategic step back


I.1. Antithetic of pure reason − the
incandescent core of the Critique of Pure
Reason. A strategic retreat behind the sensitive
experience (within the transcendental). The
need for discovery of a transcendental topic
and a discipline of pure reason.
I.2. The cardinal concepts of pure reason and
their possible ontological significance.

II. For the sake of peace


II.1. A conflict of interests and a compromise
solution. The substitution of transcendent
censorship with a transcendental self-
censorship. Formation of a critical system of
Pure Reason as a reconciliation system of
perspectives of thought.
II.2. Transcendental idealism instead of
empirical idealism. Totality argument instead of
the majority argument. Practical success instead
of pragmatic success. “Titanic-waltz”.
II.3. Metaphysical certainty rather than
empirical certainty. Metaphysical approval
instead of public approval. Consistency truth −
the prototype of the correspondence truth.

3
II.4. Pragmatic truth, moral competence
and judicial competence. Metaphysics in the
service of peace.
II.5. Redefining the metaphysics as a
science of its own possibility.
II.6. Ethical reconstruction of nature.
Kant's meeting with Socrates.
II.7. A system of wariness − a bridge of
reconciliation between being and beings.
Technology and moral − two orthogonal
perspectives of beings.

III. Towards a new paradigm of science.


III:1. From the tree of the predicates to the
theory of ramified types: same problem − same
solution.
III.2. Empirical confirmation of Kantian
transcendental idealism: non-Euclidean geometry,
quantum mechanics and relativity.
§ 1. Copernican revolution of Lobacevski,
Bolyai and Gauss.
§ 2. Short intermezzo on a similar theme in
the philosophy of culture (Lucian Blaga).
§ 3. The dilemma of classical geometry and
transcendental solution of modern
geometry.
§ 4. Einstein's Copernican Revolution
§ 5. Copernican revolution of quantum
mechanics
III.3. Constitutive relativity of experience
and unfinished project of Kant

IV. In search of a better ensured certainty

4
IV.1. How is it possible to know from our
inward what's out there? How is it possible the
Transcendent?
IV.2. Our transcendental myopia and
overcome it by recognizing and rational
integration of its constituent uncertainty in a
antinomic system of possible world (experience).
Escape from illusion by illusion recognition.
IV.3. Ontological surprise − the essence of
any possible object (as Gegenstand).

V. Blind paradigm.
V.1. Kant's man − Cheselden's blind.
V.2. Empirical disappointment.
Impossibility of evidency. Paraconsistent
awakening of metaphysics after consistent
(dogmatically) sleep of reason. Rational bases of
faith and morals.

VI. Dilemma and the method of metaphysics.


VI.1. The dilemma of metaphysics −
Gödel's dilemma. Transcendental logic − an
applied logic of paraconsistency. Paradigmatic
unit of Critique and modern fundational research.
VI.2. Mole's dilemma. Metaphysics − a
priori model of a possible reunited theory of
nature. Ontological antinomy.
VI.3 Perspective of the divine intellect −
the ideal model of an possible absolute certainty.
VI.4. Recognition of transcendental
illusion and overcoming them by overturning the
historical and psychological perspective on
knowledge. Transcendental logic − the last
opportunity to save metaphysics.

5
VI.5. Towards a future system of metaphysics
within the bounds of science. Transcendental
methodology, science of uncertainty and
geometrization of thought.

End of Introduction
Notes
Bibliography

6
Marcel Chelba

Kritische Einführung

Über die Möglichkeit der Metaphysik, als Wissenschaft,


in der kritischen Philosophie von Kant

II - IM INTERESSE DES FRIEDENS1

Es sind bereits mehr als zwei Jahrhunderte


verstrichen, seit Kants verwegener Forschungsreise, und
immer noch besteht der Eindruck, dass wir mit den
wunderbaren Geschenken, die er uns hiermit beschert hat
nichts anzufangen wissen, und immer noch nicht gelernt
haben, uns über diese zu freuen. Von allen möglichen
Irrtümern hinsichtlich der Deutung seiner kritischen
Maßregeln, könnte sich eine äußerst schädigend
auswirken: nur ein Verstand der unfähig ist eine
schöpferische Anstrengung oder einen geistigen
Höhenflug zu unternehmen, könnte behaupten, dass der
ganze gesellschaftliche Fieberwahn des XIX. und XX.
Jahrhunderts samt seiner Inflation politischer,
gesellschaftlicher und ideologischer Fiktionen von Kant
verschuldet gewesen wäre, welcher in seiner Kritik Gott
endgültig ins Transzendentale verbannt hätte, und
1
Fragment von Marcel Chelba, Introducre critică. Despre
posibilitatea Metafizicii, ca Ştiinţă, în perspectiva filosofiei critice
kantiene, Editura Crates, Reşiţa, 2004 (Marcel Chelba, Kritische
Einführung. Über die Möglichkeit der Metaphysik, als Wissenschaft,
in der kritischen Philosophie von Kant, Crates Verlag, Reschitz,
Rumänien, 2004) Der Suche nach einem Übersetzer für das gesamte
Buch.

7
gleichzeitig in demütigem Zustand eine „Erdichtung mit
Praktischem Zweck“, als oberstes Gebot unserers
moralischen Interesses darzustellen. So hätten wir
demnach zusätzlich den Fall eines Philosophen, welcher
in der Grobheit seiner Philosophie völlig missverstanden
wäre.
In Wirklichkeit hat Kant nicht über die Existenz
Gottes gesprochen, er hat dieses Problem immer in den
Bereich des Unergründlichen verlagert, was jedoch nicht
eine Verneinung Seiner Existenz gleichkommt.
Andererseits hat Kant in seinen Nachforschungen all das,
was wir über Gott wissen, sicher mit Gewissheit
festgestellt. In diesem Sinn hat Kant tatsächlich Gott
innerhalb der Sphäre unserer möglichen Erfahrungen
eigentlich ausgeschlossen, hat aber auch letztendlich
aufgezeigt, dass nicht die Anwesenheit Gottes, sondern
geradezu die uns bekannte Welt, eine Scheinbare und
Subjektive ist. Obwohl wir nur über die Gegenstände die
sie beinhaltet mit Sicherheit behaupten können dass sie
existieren, bedeutet dies keineswegs, dass alles was sie
nicht beinhaltet, in sich wirklichkeitsfremd sei, nur
können wir dies als solches nicht beweisen.
Hier gibt es bei Kant eine Abstufung, die nicht
immer offenbar wird. Sie richtet sich nämlich gegen eine
veraltete Annahme, die übrigens auch das wichtigste
kritische Angriffsziel Kants an die Adresse Humes und
aller Exponenten der britisch-empirischen Tradition
beinhaltet, wonach die Gewissheit in der Erkenntnis nur
auf empirischen, erfahrbarem Weg erreicht werden kann,
und dass jede auf Konzepten fußende Erkenntnis rein
illusorisch wäre. Diese empirische Annahme, und die
überhöhte Bedeutung, die der Erfahrung beigemessen
wird, stößt letztendlich alles, so Kant, in eine Fiktion, in
einen Relativismus und Ungewissheit. In Beziehung zu

8
Hume, aber auch zu Berkeley, fühlte sich Kant
verpflichtet, die Möglichkeit einer transzendentalen
Gewissheit zu offenbaren, insofern kann ohne ein
verallgemeinerndes universelles Prinzip, a priori, die
alleinige Erfahrung, nicht einmal die elementarsten
Kategorien herauskristallisieren, ohne die auch der
Vergleich von Sinneswahrnehmungen und Vorstellungen
nicht möglich wäre - eine Funktion, die bei Kant gerade
unsere essentielle Fähigkeit betrifft, die Gegenwart der
Dinge in ihrem zeitlichen Fortbestand zu unterscheiden,
und zwar im Verhältnis zu ihrer ursprünglichen Form, a
priori, und unseres inneren Gefühls, folglich in
Beziehung zu unserem eigenen bestimmenden
Bewußtsein. Aber auch diese Perspektive konnte nicht
überprüft bleiben, da sie uns fälschlich zu der
vernunftmäßigen Überzeugung führt, die Existenz der
Welt von der Basis tranzendentaler Gewissheit unseres
Selbstbewußtseins ableiten zu müssen. Beide
gedankliche Perspektiven, sowohl der Empirismus als
auch der rationalistische oder dogmatische Idealismus,
waren aus der Sicht Kants, falsch, jedoch nicht im
absoluten Sinn, sondern weil sie lückenhaft waren.
Gekürzt äußert sich Kant: „Erfahrung lehrt uns wohl, was
dasei, aber nicht, dass es gar nicht anders sein könne.
Daher können empirische Beweisgründe keinen
apodiktischen Beweis verschaffen. Aus Begriffen a priori
(in diskursiver Erkenntnis), kann aber niemals
anschauende Gewissheit, d.i. Evidenz entspringen, so
sehr auch sonst das Urteil apodiktisch gewiss sein
mag.“(2) Da er nur schwerlich den eigenen
rationalistischen Enthusiasmus seiner Jugend bändigen
konnte, gerade mit Hilfe der Ideen jener, die er anfocht
und kritisierte, um somit letztendlich zwischen den
beiden Lagern einen dauerhaften Frieden zu stiften, sah

9
sich Kant gezwungen, bis zuletzt eine begrenzte
Anwendung der Vernunft anzuerkennen, und zwar nur
im engen Rahmen von Bedingungen möglicher
Erfahrung, nicht auch auf dem Gebiet der Existenz oder
der Dinge an sich. Aus diesem friedensstiftenden
Interesse entstand die „kritische Lösung“.
Betrachten wir was Kant über die „zwei Lager“ -
einerseits des Empirismus und des problematischen,
dogmatischen und rationalistischen Idealismus, und
andererseits des transzendentalen Realismus und des
empirischen Idealismus - in diesem Fall die
Einschränkungen und Gegensätze Lockes und Leibniz
sagt: „Anstatt im Verstande und der Sinnlichkeit zwei
ganz verschiedene Quellen von Vorstellungen zu suchen,
die aber nur in Verknüpfung objektgültig von Dingen
urteilen könnten, hielt sich ein jeder dieser großen
Männer nur an eine von beiden, die sich ihrer Meinung
nach unmittelbar auf Dinge an sich selbst bezögen,
indessen daß die andere nichts tat, als die Vorstellungen
der ersteren zu verwirren oder zu ordnen.“(3) Mit
anderen Worten verwendeten die beiden traditionellen
Richtungen, nach Kants Ansicht, verschiedene
widersprüchliche Vernuftschlüsse (Paralogismen), aber,
anstatt das jeder von ihnen seine eigenen Erkenntnisse
mit den authentischen und wertvollen Resultaten des
anderen Lagers ergänzend vervollständigt, konnten sie es
nicht verhindern, sich gegenseitig zu blamieren.
Später, bereits am Anfang seiner berühmten
Antithetik, wo er den Konflikt der Vernunft mit sich
selbst innerhalb der Sphäre kosmologischer Ideen
analysiert, erneuert Kant seine Behauptung aus der Sicht
des Schiedsrichters, eines weisen und umsichtigen
keineswegs dogmatischen Richters, welcher versucht,
sich selbst aus den Konflikten über die er richtet,

10
aufzuklären, um eine wahrhaftige, gerechte, Lösung zu
finden: „Denn die skeptische Methode geht auf
Gewissheit, dadurch, dass sie, in einem solchen, auf
beiden Seiten redlichgemeinten und mit Verstand
geführten Streite, den Punkt des Mißverständnisses zu
entdecken sucht, um, wie weise Gesetzgeber es tun, aus
der Verlegenheit der Richter bei Rechtshandeln für sich
selbst Belehrung, von dem Mangelhaften und nicht genau
Bestimmten in ihren Gesetzen, zu ziehen.“(4)
Demnach, im Verhältnis zur philosophischen
Tradition, die stets in zwei Lager gespalten bleibt, hat
Kant sich vorgenommen, praktisch einen dritten Weg -
den des „kritischen Skeptizismus“ einzuschlagen,
welcher - als Disziplin der reinen Vernunft, nichts
anderes darstellt als ein „System der Vorsicht“, welches
uns, wie Kant behauptet, vor Fehlern und Illusionen beim
Gebrauch der Vernunft bewahrt - in erster Linie vor der
transzendentalen Amphibolie, nämlich der Verwechslung
des reinen intellektuellen Objektes (als Gegenstand des
reinen Verstandes) mit dem Phänomen.(5)
Da im Grunde das Wortgefecht Realismus-
Idealismus und Empirismus-Rationalismus nichts anders
ist als ein Konflikt der Vernunft mit sich selbst auf dem
Niveau kosmologischer Ideen, bleibt Kant nichts weiter
übrig, als der Vernunft die Kompetenz in der Sache
empirischer Wirklichkeiten zu entziehen, und somit beide
Konfliktseiten (aussichtsvoller Gedanken) zu
überzeugen, daß es aus ihrer Sicht weiser wäre,
zurückhaltender und umsichtiger mit ihren Ergebnissen
umzugehen, entgegen der Tatsache, daß beide das
festliche Aussehen kategorischer Einheitlichkeit
erwecken.“Denn es ist, sagt Kant: weil die Klarheit auf
beiden Seiten gleich ist, doch unmöglich, jemals
auszumitteln, auf welcher Seite das Recht sei, und der

11
Streit dauert nach wie vor, wenn die Parteien gleich bei
dem Gerichtshofe der Vernunft zur Ruhe verwiesen
wurden. Es bleibt also kein Mittel übrig, den Streit
gründlich und zur Zufriedenheit beider Teile zu endigen,
als dass, da sie einander doch so schon widerlegen
können, sie endlich überführt werden, dass sie um nichts
streiten, und ein gewisser transzendentaler Schein ihnen
da eine Wirklichkeit vorgemalt habe, wo keine
anzutreffen ist. Dieser Weg der Beilegung eines nicht
abzuurteilenden Streits wollen wir jetzt einschlagen.“(6)
Diese kritische Reserve, welche sich die Vernunft in
allen praktischen Anwendungen zu eigen machen sollte,
bildet im Grunde den gesamten Inhalt des berühmten
Kant'schen kritischen Beschlusses und dessen Ergebnis,
welches Kant (und die ganze philosophische
Gedankenwelt) als ontologisches Fundament innerhalb
einer zukünftigen transzententalen Dialektik noch
auszuweisen hat, und unter dessen Schleier, so vermuten
wir in Unschuld, sich eine allumfassende
Phänomenologie des Geistes verbergen könnte.
Wahrlich, in dem Maße in welchem unsere Vernunft,
auch innerhalb ihrer Begrenzung, universell ist, könnten
wir annehmen, dass wir in ihrer Dialektik, als
transzendentales Ideal (Prototypon transcendentale - wie
es Kant nennt), den Ausdruck einer Väterlichkeit
(Pattern) oder einer universellen Urform erhalten, und im
inneren ihrer sylogistischen und paradoxalen
Widersinnlichkeit wir gerade die Form hätten, in welcher
sich, ohne sich zu zeigen, das Wesen enthüllt - aber Kant
wollte nicht so weit gehen, und behauptete, dass wir
überhaupt keine Garantie besitzen, hinsichtlich einer
vernunftmäßigen Univerversalität und einer
Unfehlbarkeit unserer Gedanken und Gefühle. Gerade
diese konstitutive Ungewissheit unseres menschlichen

12
Wesens, führte Kant zur ontologischen Grundlage und
zum transzendentalen Beweis seines kritischen
Beschlusses. Nur durch die Anerkennung dieser
Begrenzung, behauptet Kant, könnte ein Ausweg aus
diesem Konflikt, der Bevormundung dogmatischen
Denkens und der Politik vollendeter Tatsachen, nämlich
der blinden Gewalt, gefunden werden.
Verfolgt von einem ungeheuchelten hartnäckigen
friedensstiftenden Interesse, nahm Kant sich von Beginn
an vor, innerhalb seiner transzendentalen Philosophie,
oder seines transzendentalen Idealismus, als oberstes
Gebot, die transzendente Zensur, nämlich die gegebene
oder natürliche Grenze der Vernunft, durch eine
transzendentale Autozensur zu ersetzen, entsprechend
einem kritischen System der reinen Vernunft, oder einer
Disziplin der reinen Vernunft, abgeleitet auf einem
transzendentalen Weg, dessen „negativer Gebrauch“ oder
„Ausgleich“ (regulative) - wie Kant sagt - gerade
derjenige sein sollte, die Ausweitung der verwendeten
Vernunft, jenseits ihrer natürlichen Grenzen zu
verhindern, um uns vor Selbstbetrug und illusorischer
Gewissheit zu verschonen, um ihr somit, paradoxerweise,
ihre Zuständigkeit sich in unser praktisches Leben
auszuweiten, zurückzugewinnen, nämlich ihr
authentischer Lebenssinn und ihre verwendete Vorliebe:
als moralische Instanz. (7)
Somit, wenn die „transzendente Zensur“ der
Vernunft eine Illusion ermöglicht, die uns hindert, zu
einer unmittelbaren Erkenntnis zu gelangen, so hindert
uns andererseits die tranzendentale Autozensur einer
Täuschung zu verfallen, indem sie uns mit einer gewissen
eingeschränkten Sicherheit a priori ausstattet, und zwar
durch die reine Wahrheit des Verhältnisses
grundsätzlicher Doppelsinnigkeit zwischen uns und den

13
Objekten empirischer Erkenntnis. Indem wir praktisch
auf transzendentalem Weg unsere eigenen Begrenzungen
integrieren, betont Kant zugleich mit ihrer a priorischen
Notwendigkeit auch deren mögliche Bedingungen, worin
die Befähigung zu einem „System der Vorsicht“
miteinbegriffen ist, welches uns zukünftig vor unseren
eigenen Illusionen bewahrt. Mit anderen Worten, aus
Kant'scher Persepektive, wenn die Vernunft unbefugt ist
zu behaupten, was in Wirklichkeit ist, und was nicht ist,
scheint sie fähig uns im Gegensatz zu sagen, was erlaubt
zu wissen, zu machen, und zu hoffen ist, nämlich was für
uns im Prinzip möglich ist - nicht jedoch ohne die
Gefahr, uns auch in dieser Hinsicht einer Autoillusion
hinzugeben.
Als Kant, der letzte Rationalist, zusehen musste,
wie sich vor seinen Augen der stolze Tempel unfehlbarer
und klarsichtiger Vernunft unter den Schlägen des
Empirismus bewölkte, nahm er sich vor, seine
Ziegelsteine (Elemente) zu retten, um diese innerhalb
eines Bescheideneren Aufbaus zur Geltung zu bringen,
jedoch dauerhafter und vielleicht auch nützlicher. So wie
Kant selbst am Anfang seiner transzendentalen
Methodologie gestand, haben sich alle seine
Anstrengungen auf die Entdeckung jenes Projektes
konzentriert, für welches die Elemente der Vernunft
wiederstandsfähig genug waren, um letztendlich ihren
Zweck und ihre authentische Bestimmung zu finden(8).
In seinem transzendentalen Idealismus, rettete Kant die
Würde der Vernunft gerade auf dem Gebiet, welches tief
irrational schien nämlich jenes der Ungewissheit und
Zweideutigkeit unseres Verhältnisses zu den
Gegenständen (Dingen). Verständlich, warum der
transzendentale Idealismus Kants letztendlich ein
kritischer Realismus ist, einer der sich nicht auf die

14
objektive Realität der Dinge bezieht, die unsere Gefühle
ergreifen, wie es ohne Zweifel Riehl, Kuno Fischer und
Külpe versuchten zu betonen, sondern des Verhältnisses,
in dem wir uns zu den Dingen befinden.
Kant ist ein Berkeley ohne Gott - könnte man
sagen, als Verlängerung der wohlbekannten Behauptung
über den Phänomenalismus im allgemeinen. Aber nicht
Kant ist derjenige welcher Gott in seinen Erklärungen
aufgegeben hat, im Gegenteil, er ist gerade derjenige, der
Ihn versucht hat zu „retten“, als höchstes oder absolutes
Wesen, wie es Hegel formulieren sollte, in einer bereits
von Empiristen säkularisierten Welt.
Kant hat sich angesichts einer pragmatischen
Entmystifizierung der Vernunft nicht trösten können,
sondern, überzeugt von der Tatsache, dass die Vernunft
das einzige Ufer ist, welches man von einem
ausgedehnten „Ozean der Illusion“ aus ansteuern kann,
bemühte er sich zunächst, die Ränder dieses Kontinents
zu kartographieren, und nachher dann die ganze „Topos“.
Denn die Vernunft müsste im Stande sein, sich die
Begrenzungen ihrer eigenen Gewissheit festzulegen, ein
zu Hause für sie, wo sie mit Recht souverän sein kann,
sonst würde sie im Chaos versinken – dies wäre der
wahre Sinn des Problems. Nur durch die Festsetzung
ihrer eigenen Grenzen könnte sich die Vernunft
letztendlich in authentischer Weise ihre Bestrebungen zu
Universalität erfüllen.
Kant hat sich aus aller Kraft bemüht, die Ebenen
der Reflexion gehörig zu unterscheiden und zu klären,
woher sie kommen, welches ihr Zweck ist, und wie wir
unsere natürliche Neigung verwenden könnten, jede
Darstellung mit ihrem empirischen Objekt, und jeden
Begriff mit seiner ontologischen Bedeutung zu
verwechseln.

15
Wir stellen im allgemeinen das Objekt möglicher
Erfahrung welches nur ein synthetischer Begriff a priori
ist, über die tatsächlichen Objekte, welche uns im
Rahmen der Erfahrung erscheinen, und die formellen
Regeln (Vorschriften) der Wahrheit, die als
Schematismus oder Algorhytmus der Gewissheit zu
verstehen sind, und über die gänzlich doppelsinnige und
ungewisse Beziehung zwischen diesen Objekten unserer
Erfahrung und unseren Darstellungen. Etwas anderes
können wir gar nicht tun, behauptet Kant, dieser
Schematismus, dieses Verfahren oder diese bedingte
(Bedingung der) Möglichkeit der Verbindung und
Ersetzung eines Objektes der Erfahrung mit einer
besonderen Form von Darstellung, ist die einzige Stütze,
über die wir verfügen, um unseren Konzepten eine
objektive Bezeichnung zu geben, nämlich einen
empirischen Inhalt. Dennoch präzisiert er, müssen wir
uns bewusst sein, dass innerhalb dieses Ersetzens
(„Subreption“), wir im Grunde einen Fehler begehen, und
wir infolgedessen ins Innere einer Illusion eingreifen:
jener nämlich, als würden wir in Wirklichkeit die Objekte
so erkennen, wie sie in sich sind. Die Gewissheit in
Bezug zu diesen Objekten, kann jedoch nicht
verwirklicht werden, nicht einmal auf Wegen
ausschließlich des Folgerns (durch den Intellekt
Verstand) wie die Rationalisten glaubten, auch nicht auf
Wegen ausschließlich des Erprobens (durch
Feinfühligkeit Sinn), wie die Empiristen glauben,
sondern nur durch ein schöpferisches und
fortschreitendes Abwandeln dieser beiden
Erkenntnisquellen.(9) Denn die Erfahrung, behauptet
Kant, kann uns nur die Erkenntnismaterie eines
bestimmten Objektes liefern, und der Intellekt (Verstand)
nur die formalen Bedingungen seiner Existenz. Folglich:

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„Keine dieser Eigenschaften ist der anderen vorzuziehen.
Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben,
und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken
ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind
blind. Daher ist es eben so notwendig, seine Begriffe
sinnlich zu machen (d.i. Ihnen den Gegenstand in der
Anschauung beizufügen), als seine Anschauungen sich
verständlich zu machen (d.i. sie in Begriffe zu bringen).
Beide Vermögen oder Fähigkeiten können auch ihre
Funktionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag
nichts anzuschauen, und die Sinne vermögen nichts zu
denken. Nur daraus, dass sie sich vereinigen, kann
Erkenntnis entspringen. Deswegen darf man aber doch
nicht ihren Anteil vermischen, sondern man hat große
Ursache, jedes von dem anderen sorgfältig abzusondern,
und zu unterscheiden.“(10) Warum? Um das Sehen zu
sehen, um zu sehen, wie wir sehen, um zu erfahren, wie
viel wir auf unsere empirische Erkenntnis zählen können,
um zu wissen was wir wissen können, was wir tun sollen,
und was uns erlaubt (dürft) ist zu Hoffen(11). Somit wird
diese transzendentale Erkenntnis unser eigenen
Begrenzungen auch der Inhalt der gesamten Metaphysik
sein. Innerhalb dieser neuen kritischen Perspektive ist die
Metaphysik nicht mehr eine Konkurrentin
wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern ihr eigenes
Gerüst, die Wissenschaft ihrer eigenen Möglichkeiten. In
der Kritik, worin die Metaphysik irgendwann vom Thron
der experimentellen Wissenschaften und ihrer
praktischen Erfolge vertrieben wurde, ist sie unterdessen
erneut ans Licht gelangt, mit all ihrer Würde und ihrem
einstmaligen Glanz, ohne dem Gefühl sich selbst
widerrechtlich gegen ihre eigenen Thronräuber
aufgelehnt zu haben. Denn ihr Objekt war nun nicht mehr
die objektive Wirklichkeit, sondern die mögliche

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Bedingung der Wirklichkeit, nämlich - mit allem
Nachdruck von Heidegger wiederbehauptet - nicht was
ist, sondern was es bedeutet zu sein; oder: Wie ist es im
allgemeinen möglich das etwas ist. Folglich, wenn unsere
empirische Erkenntnis uns nur dasjenige offenbart, was
die Dinge für uns als Phänomene sind, dann wird der
transzendentalen Erkenntnis die Aufgabe und
Möglichkeit zufallen, zu entdecken, was die Dinge an
sich sein könnten, aber nur der Metaphysik wird der
Vorrang eingeräumt werden, etwas was ist wahrlich zu
verstehen, oder präziser: Zu verstehen, was ich in der
Wirklichkeit ereignet. Die Spaltung unserer
Erkenntnisfähigkeiten wird somit nicht nur ein einfacher
rhetorischer Unterschied ontologischer Erörterung sein,
sondern, sie selbst eine tiefgründige Wirklichkeit. Und
nur die Anerkennung dieser Schlucht (dieses Abgrunds),
beziehungsweise der Schranken unserer
Erkenntnisfähigkeiten, behauptet Kant, könnte uns den
Weg zu einem ewigen Frieden in der Philosophie und der
Welt eröffnen.
Die gesamte Denkweise Kants kreiste um diese
Problematik: 1) Anerkennung der transzendentalen
Illusion (Daten des Problems), 2) Die Antinomie der
reinen Vernunft (theoretische Verknüpfung des
Problems), 3) ewiger Friede (der Wunsch, oder die
mögliche Lösung des Problems). In seiner kritischen
Lösung zur Antinomie der reinen Vernunft, hat Kant die
mögliche Bedingung des Friedens gesucht und entdeckt.
Kant hat eine anstößige Scheidung zwischen
unseren Erkenntnisfähigkeiten herausgefordert, gerade
um diese zu versöhnen, um in Vitro, im inneren unserer
eigenen Subjektivität eine universelle Lösung des
Friedens zu finden, eine veränderliche Architektur, die
sich in einem ununterbrochenen Selbstklärungsprozess

18
unserer Verhältnisse zu den Dingen, zu Unseresgleichen,
und zu Gott, befindet.
Während Kant die Ansprüche einer Unfehlbarkeit
sowohl des Rationalismus, hinsichtlich der
Allmächtigkeit der Vernunft(12), als auch des
Empirismus hinsichtlich seiner offenbaren empirischen
Tugenden, zurückzog, jedoch jedem seine Möglichkeit
zuerkannte, konnte Kant letztendlich als Lösung einer
versteckten Krise die er selbst auslöste, eine wunderbare
Souveränität des Menschen und in letzter Instanz der
Vernunft nicht aberkennen, als wahrhafter Sitz einer
kosmischen Klarheit, und einer schöpferischen Freiheit
und Verantwortung, gerade weil sie auf rein subjektiven
Grundlagen errichtet wurde.
Praktisch wird Kant aufzeigen, dass die Quelle
unserer Freiheit unser eigenes Bewusstsein ist, dieser
„Olymp“ oder das schwebende Medium des Denkens,
oberhalb empirischer Wirklichkeit, von deren Gipfel aus
wir sowohl den Verzicht auf Eitelkeit und die
Zurückhaltung von Reaktionen und tierischen
Automatismen üben, als auch freiwillige äußerst
überraschende Gesten der Kausalkette der Natur, unter
der Herrschaft anspruchsvoller teleologischer Moral
übernehmen. Mit anderen Worten: Die Quelle unserer
Freiheit ist gerade diese Fähigkeit, nein zu sagen, unsere
zeitweilige instinktmäßige, tierische Spontaneität zu
Gunsten unserer moralischen Spontaneität einzustellen,
eine Anlage, ohne die unser Leben sich entweder in
keiner Weise von dem der Tiere unterscheiden würde,
oder eine unaufhörliche moralische Krise wäre. Die Krise
des Lebens, unser ständiger Konfliktzustand, hat
letztendlich seinen Ursprung in der Krise der Vernunft, in
den Illusionen und Grenzen ihrer Antinomie, von daher
ist die Lösung im Leben, scheint Kant zu behaupten, das

19
Finden einer friedlichen Lösung welche nur von hier
kommen kann, auf demselben transzendentalen Weg wie
unsere kritischen Fähigkeiten und unsere moralische
Spontaneität, weltschöpferisch, als Ausdruck unserer
wahrhaftigen Freiheit.
Das Auftauchen des Gewissens beim Menschen
hat praktisch die Instinktmässigkeit in den Bereich der
Sünde versetzt, und hat den Gegensatz zum „natürlichen“
Verhalten als Form des Guten und der Moralität
verkündet. Diese Rahmen Idee hat auch Kant beeinflusst,
und hat ihn unzweideutig in die grosse moralische
Tradition des Christentums gestellt.
Auch bei Kant erscheint die Moralität praktisch
als die Kehrseite der Natur. Auch bei Kant, als a
priorische Annahme, ist die Moralität eine
transzendentale Erinnerung, eine innere Stimme,
imperativisch und kategorisch, eines transzendenten
Prüfers, welcher uns sagt, was wir zu tun haben, und vor
allem, was wir nicht tun sollen, welcher uns vor allem die
Sackgassen aufzeigt, wie es Jean Brun beim Dämon von
Sokrates (13) bemerkt, aber zugleich ist es auch eine
eschatologische Projektion des möglichen Glücks,
nämlich eine Art möglichen Paradies, wie im
Christentum. Aus dieser, im Grunde klassischen
Perspektive, von Kant wiedereröffnet, kann die
Philosophie nie mehr etwas anders sein, als ein
notwendiger ethischer Wiederaufbau der Natur mit der
Gegenwart des Menschen, polarisiert nämlich von der
Idee der Freiheit, einer Art verkehrter Welt, wie Hegel es
bald benennen sollte, als würde der Mensch es niemals
mehr ertragen, in dieser Welt zu leben, in welcher er sich
tief eingeengt fühlt, ewig äußeren Bedingungen
unterworfen, fremd seinen Bestrebungen gegenüber,
außer, wenn die Welt in ihrer Essenz das Ergebnis oder

20
der freiheitliche Ausdruck eines womöglich absoluten
Wesens ist, und zwar nur wenn es ihm gelingt, rationell,
sich alle Begrenzungen und Unannehmlichkeiten des
Lebens als Ausdruck einer absoluten, transzendenten
Freiheit, einzuverleiben. Die Philosophie ist in erster
Linie eine Übung der Aufrichtigkeit, des
Wiederentdeckens unserer eigenen Begrenzungen. Seit
Kant wurde es klar, dass die Philosophie mit ihrer
ethisch-nachhaltigen Perspektive, nichts anderes ist, als
die Art mit welcher wir versuchen, unser Leben,
nachdem wir uns dessen bewusst wurden, erträglicher zu
machen, indem wir versuchen, es in eine mögliche, viel
wahrhaftigere Welt aufzuheben, irgendwohin, in eine
nähere Umgebung Gottes.
Verurteilt gewissermaßen zu Einsamkeit und
Ungewissheit, bleibt der Kantische Mensch, entgegen
seiner Sensibilität, trotzdem souverän innerhalb eines
möglichen Universums, aber, gerade weil er im
Verhältnis zur gegebenen Welt die Merkmale eines
göttlichen Wesens nicht besitzt, muss er sich selbst
kultivieren, und die gesamte Verantwortung für die
Folgen seiner eigenen Freiheit übernehmen. Dies ist der
kritische Unterschied zwischen Mensch und Gott. Denn
nur das höchste Wesen, in seiner absoluten Freiheit,
seiner absoluten Einsamkeit, könnte sich nach unserer
Einbildung erlauben, reine Spontaneität zu sein, und zwar
absolut unverantwortlich und in gänzlicher Sorglosigkeit
gegenüber sich selbst. Für die Menschen aber, bleiben
sowohl das göttliche Wesen, als auch die Wirklichkeit
der Dinge an sich, jenseits unserer Gefühle, für immer
verborgen. Daher folgerte Kant, sollten wir Gott lieber in
seiner ursprünglichen Stille ruhen lassen, und den
Himmel voller Sterne nicht mit unseren kleinlichen
Interessen trüben, sollten mit anderen Worten, die

21
Transzendenz innerhalb ihrer Gesetzmäßigkeiten
belassen, jedoch das Transzendentale anerkennen, den
Ort aus welchem für uns das wahre Licht hervorquillt,
und die unschätzbare Blume die hier gedeiht kultivieren,
die einzige im gesamten Universum: unser moralisches
Gesetz. Erst dann wird sich alles in Harmonie befinden.
Und wir sollten nicht verzagen: Dort wo die
Bedingungen es erlauben, dass der Mensch erscheint,
wird er erscheinen, auch ohne unser Einschreiten. Und
umgekehrt: Wenn wir die Bedingungen unserer Existenz
ausgeschöpft haben, werden wir verschwinden, was wir
auch immer dagegen tun wollten.
Paradox erscheint, was uns Kant einredet, dass
wir uns nie in der Transzendenz begegnen und aussöhnen
könnten, außer dann, wenn wir ihr scheinbar den Rücken
kehrten, und uns mit dem Transzendentalen
anfreundeten, dieses jedoch niemals außerhalb finden
würden, auf dem Weg der Gefühle, sondern nur auf
einem inneren Weg, dem des Geistes. Dies ist der
leitende Gedanke, auf welchen sich der gesamte deutsche
Idealismus aufbaut.
Im Grunde hat Kant nichts anderes gemacht, als
die berühmte Aussage des Orakels von Delphi neu
aufzugreifen: Erkenne dich selbst, und du wirst das
Himmelreich der Götter erkennen! - der höchste Lehrsatz
der klassischen Philosophie, welcher aus Sokrates
letztendlich den ersten kritischen Philosophen des
Transzendentalen in der Geschichte machte. Denn, im
Grunde besagt die kritische Lösung Kants zur Antinomie
der reinen Vernunft dasselbe: Wir können uns nicht
zumuten, die letzten Tiefen oder Höhen dieser Welt zu
erkennen, ohne uns einer kritischen Selbstbeobachtung
zu unterziehen, über die Fähigkeiten unserer Erkenntnis,
und zwar ausgehend von dem Problem der Möglichkeiten

22
der Erkenntnis, der Wahrheit, bis hin auf das Gebiet der
Metaphysik. Erst nach dieser inneren Selbstprüfung wird
eine authentische Erkenntnis möglich - behauptet Kant,
zusammen mit Sokrates. Sachverständnis in dieser
Hinsicht bedeutet jedoch nicht eine unmittelbare
Erkenntnis der Dinge. Dies ist ein Bereich in welchem
unsere Unwissenheit weiterhin bestehen bleibt, höchstens
deren transzendentale Möglichkeit, präzisiert Kant. Wie
Sokrates, behauptet auch Kant von vornherein, dass
hinsichtlich der Materie der Dinge, er nichts weiss, aber
wir einiges über ihre Möglichkeiten und die Art und
Weise wie unser Verhältnis zu ihnen ist erfahren,- wenn
wir unserer inneren „Stimme“ Gehör schenken, und
einen aufmerksamen Blick unserem Inneren zuwenden,
wenn wir unser Denken anregen, um die Fähigkeit
unseres Denkens zu erforschen.
Somit ist der kühne Ausspruch Nietzsches(14)
unbegründet, wonach gleichzeitig mit Sokrates, der
eleatische Geist der griechischen Antike begraben
worden sei, und der Westen endgültig die Botschaft der
Vorsokratiker verloren hätte. In Sokrates wurde diese
„Botschaft“ kritisch geläutert, und nahm die dialektische
Form einer reinen Verständlichkeit an. In Kant hingegen,
wurde sie wiedergeboren, mit einer ungeheueren Macht,
gerade auf dem analytischen Boden der westlichen
Kultur. Keiner von beiden hat nach einer Verstümmelung
des menschlichen Wesens und dessen Instinktmäßigkeit
zu Gunsten der Vernunft getrachtet, aber auch nicht die
Erkenntnis und Intelligenz zu Gunsten des Instinktes und
des blinden Willens verspottet, sondern diese „wilden
Pferde“, im Zaum gehalten, wie es Sokrates nannte,
innerhalb einer ontologischen Disziplin und einer
universellen Ethik.

23
Bei Sokrates kommt die Erlösung durch
Erkenntnis, beobachtet Nietzsche. Eigentlich kommt
sowohl bei Sokrates als auch bei Kant die Erlösung auf
transzendentalem Weg, durch Selbstbeobachtung und
Rückzug, wie der Krebs mit dem Rücken zur Quelle des
Lichts in uns, die wir stets irgendwo in unserem Rücken
spüren, und nicht auf dem Weg der Erfahrung, als
Ergebnis eines systematischen, handwerklichen
Vorgehens, vorangetrieben vom Willen und dem Instinkt
ursprünglicher Interessen. Und obwohl dieser
Rückwärtsgang zum Licht eigentlich auch Teil einer
Form von Instinktmäßigkeit als moralische Spontaneität
ist (bei Sokrates von einem Dämon eingeblasen, bei Kant
als Ausdruck unserer Gewissensfreiheit), stellt er uns
diese nicht gegen die Anderen, die Welt, und Gott,
sondern im Gegenteil, sie vereint uns alle und mit allem
von Innen, als ein unverfälschtes genetisches Gesetzbuch
(Code), oder ein existenziell-universelles Programm.
Für beide ist die Höhle geradezu die Welt, aber
das Licht, welches das Sehen ermöglicht, ist gerade in
uns, quillt genau aus unserem Inneren und aus unserem
Rücken – von irgendwo „von oben“. Darum, alles was
wir glauben vor uns zu sehen und zu betasten, die Dinge,
sie sind nichts als ein paar Schatten auf dem Bildschirm
unserer Sensibilität, einige unantastbare Wirklichkeiten,
welche sich ungestört in den Strahlen jenes Lichtes
baden, im inneren von uns, irgendwo, rückwärts,
zwischen uns und jenem Lichtquell. Die Dinge die wir
glauben zu sehen und zu betasten „ausserhalb“ von uns,
sind nur ein paar Kinder, ein paar Nachbildungen
irgendwelcher Dinge (Gegenstände), welche lange Zeit in
uns verharrten, und an die wir uns, an Hand von
Erfahrung, nur noch erinnern.

24
Folglich, auch bei Sokrates wie bei Kant, ist die
Kette der Bedingungen innerhalb unser gemeinsamen
Höhle diese:
Wenn wir nicht existiert hätten, hätten auch nicht
das Licht und die möglichen Dinge aus uns existiert,
wiederum, wenn das Licht und die Dinge nicht existiert
hätten, hätte auch ihr Schatten nicht existiert, und wenn
die Schatten nicht existiert hätten, hätte auch die Welt
nicht existiert.
Die Welt ist gegeben, wenn die Schatten gegeben
sind, die Schatten sind gegeben, wenn die Dinge gegeben
sind, und die Dinge und das Licht sind gegeben, wenn
der Mensch gegeben ist.
Infolgedessen, wenn der Mensch gegeben ist, ist
die Welt gegeben.
Der Mensch ermöglicht die Welt, nicht die Welt
den Menschen.
Die Welt in sich kann existieren, aber sie existiert
umsonst, ohne Sinn. Ohne den Menschen, nämlich in
Abwesenheit des Gewissens, gibt es nichts. Eine
gegebene Welt ohne Menschen, ist nichts - eine absolute
Finsternis. Die Welt existiert, weil der Mensch existiert.
Mit anderen Worten, in den Aussagen Kants, weil
selbst die Kategorie der Existenz, auch eine
transzendentale Kategorie, a priori ist, ergibt sich hieraus,
dass die Existenz selbst der Dinge, nur ein Schatten ihrer
eigenen idealen Existenz ist. Kant benennt sie als jene
Schatten-Dinge, welche uns im Rahmen der Erfahrung
erscheinen, Phänomene, oder im allgemeinen empirische
Darstellungen einiger purer Dinge oder Ideale, deren
mögliches Wesen a priori ist, nämlich unabhängig von
Erfahrung.
Bis hierher gingen Kant und Sokrates zusammen.

25
Sokrates blieb auf dem Gipfel, bei dieser
wunderbaren Offenbarung der Ideen, unerschüttert nach
dem Absoluten oder Undefinierten forschend, wie Kant
gesagt hätte, diese ewigen und unveränderlichen
Gestirne, welche sich stets jedweder Definition oder
kategorialen Bestimmung entziehen.
Allen Anschein zum Trotz, war Sokrates kein
Rhetoriker, obwohl er viel von ihnen gelernt hatte. Denn
Rhetoriker, sind eigentlich diejenigen, die das
Transzendentale entdeckt haben, ohne es zu wissen. Sie
zeigten in ihren spekulativen Jonglierkünsten, dass die
Welt des Intellekts praktisch, was die Sparte
Darstellungen und Ideen anbelangt, von einer viel
grösseren Produktivität als die Natur ist, und in der
Sparte der Objekte haben sie tatsächlich die unsichtbaren
Fäden zerschnitten, welche in der Höhle die Dinge mit
ihren Schatten verbanden. Wie auch Nietzsche in seiner
Weise beobachtete, haben die Rhetoriker die
Vorsokratische Täuschung der Gemeinschaft zwischen
dem Wesen und dem Seiendem unterbrochen, und eine
unüberbrückbare Schlucht zwischen den Dingen und
ihrer Darstellung geöffnet, indem sie unumkehrbar
festsetzten, dass eines das Wesen, und das andere das
Seiende ist. Eigentlich haben die Rhetoriker die
transzendentale Illusion entdeckt, und diese für
praktische Zwecke voll ausgebeutet, wiederum hat
Sokrates in seinen Dialogen diese ohne Zweifel
übernommen, aber nur um von ihr wegzukommen. Die
Sokratischen Dialoge sind nichts weiter als Übungen, um
„falsche Gewissheiten“ von Illusionen zu zerlegen,
verborgen hinter Definitionen und sogenannten klaren
„greifbaren“ Beweisen. Denn, erst als Folge dieser
Entscheidungen von Gegensätzen, versteckt in den
Entwürfen und Ideen der Kosmologie und der Moral,

26
wird Kant feststellen, konnte man den Ort erblicken, an
welchem sich der wahre Sitz des Wesens befindet: im
Transzendenten, nämlich im Logos - dem ursprünglichen
Namen des Wesens, in welchem nach jahrtausendelanger
Theogonie und euphemistischer Zuckungen das Wesen
sich wiederfand, und letztendlich an sich selbst
wiedergab (wie in dem berühmten Finale der Ode von
Eminescu), mit allem, samt dem Weg zu ihm, und zwar,
durch das diskursive Denken, oder besser gesagt, durch
die Diskursivität des Denkens. Im Logos hielt das Wesen
etwas inne um aufzuatmen, fast gleichzeitig und in der
gleichen Art mit seinem Halt im Dao.(15)
Demnach, so wie es Kant in seiner Antithetik
vorhatte, zog sich Sokrates systematisch ins
Transzendentale zurück, und zwar in den polemischen
Dialog des Denkens, dies Angesicht zu Angesicht mit
sich selbst (16), gerade um die Transzendenz, den Logos,
besser betrachten zu können - unsere einzige allgemein
mögliche „Meinung“, gerade um das verlorene Ideal
unserer Vorfahren, jene „Eins“ des Parmenides
zurückzugewinnen, welche trotz der Tatsache, nicht
definiert werden zu können, doch unsere erste und
einzige gemeinsame Vorraussetzung blieb. Unabhängig
von uns und jenseits unseres Verständnisses, ist sie
dennoch etwas, und dieses Etwas ist ein Ganzes, welches
auch uns einbezieht, mit all unseren Fähigkeiten zu
Denken und zu Erkennen. Der Logos war der
Himmelsschlüssel der „Höhle“ – des wesentlichen
vorsokratischen Mythos. Es ist jedoch mit Sicherheit das
Verdienst des Platon, die ganze Sokratische Fabel in ein
Ideensystem und einen zusammenhängenden Diskurs
organisiert zu haben. Das Verständnis und die Klarheit
der Dinge gehören ihm fast in einem grösseren Masse an.
Sokrates wird jedoch in der Welt des Geistes ein grosses

27
Ereignis bleiben, in der Geschichte der Menschheit, ein
wahrer kosmischer Agent. Sokrates hat Platon und alles
was nach ihm kam möglich gemacht, genauso wie ohne
Platon Sokrates für uns nicht existiert hätte. Platon war
der einzige Zeuge des Lebens und des Vergnügens von
Sokrates. Was für ein Glück für uns!
Die Rolle welche Kant in der Geschichte des
Denkens einnehmen sollte, ist jedoch von nicht minderer
Bedeutung. Wie es auch zu erwarten war, hat er versucht,
weiterzukommen auf der Suche nach einem höheren
Gipfel der Erkenntnis. Und er hat ihn gefunden.
Übergeordnet dem Logos als auch dem „Einen“ des
Parmenides, übergeordnet sogar dem „höchsten Wesen“,
ist die transzendentale Klarheit, die kritische Perspektive
über die absolute Wahrheit, nämlich über die
Möglichkeit des Erkennens als solches. Praktisch von
dem stolzen Gipfel, den er erreichte, hat Kant beobachtet
und uns alle daran erinnert, dass seit der Griechen
innerhalb der ganzen spekulativen Massregeln, rings um
das Thema Wesen und Wahrheit, wir keinen Augenblick
den transzendentalen Raum, die Welt unserer
Vorstellungen, verlassen haben, so dass alle in der Höhle
der Gedanken entdeckten Begriffe sich niemals auf das
bezogen, was in sich bereits existierte, sondern nur auf
das, was für uns hätte existieren können.
Kant hat somit die rhetorische Spaltung, den
Abgrund zwischen transzendent und transzendental
wiedererlangt und eingefügt, ebenso den ontologischen
Unterschied, wie es Heidegger formulieren sollte,
zwischen dem Wesen und dem Seienden, hat dieses aber
auch mit der Fähigkeit unser produktiven Einbildung
gefüllt, jener Einbildung, durch welche wir synthetisch
die Objekte und die Welt aus unserem eigenen
„Gedächtnis“, in einem Safe irgendwo in unserem

28
Rücken aufbewahrt, in der Tiefe des „Abgrundes“,
wiederherstellen können, in der Einheit ursprünglich-
synthetischer Wahrnehmung, oder dem Prinzip der
synthetischen transzendentalen Einheit - dem letzten und
obersten Ort, in den sich unser eigenes ich (Ich)
zurückziehen kann, um, wie Kant sagt, in sich selbst, in
seine eigene Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu
Sehen oder zu Forschen. Von daher ist alles was für uns
Erkenntnis ist eigentlich Erinnerung, sei es von
Handlungen, die irgendwann im Rahmen von
Erfahrungen stattgefunden haben, sei es von einigen
möglichen Handlungen, deren Möglichkeiten illo
tempore fortdauert.
Seit den Rhetorikern herwärts, blieb das Denken
endgültig fesselnd hinter unseren sensiblen Fähigkeiten
zurück, als Beute der Illusion. Kant hat jedoch die
Fähigkeit des Sehens wiederhergestellt, gerade in diesem
Zustand. Kant hat den Königsweg der Antike
wiedereröffnet, die Möglichkeit, die Wahrheit innerhalb
ihrer selbst zu erkennen, gerade durch die Verwirrung der
Illusion, als transzendentale Grenze des Intellektes, und
deren Überschreitung in eine ordnende (regulative)
Disziplin der Vernunft, in ein universelles Schema der
möglichen Erkenntnis. Dies ist die Brücke, welche wir
uns selbst zwischen zwei Ufern des Abgrundes
aufspannen, zwischen dem Wesen und dem Seienden,
und zwar zwischen dem was in sich ist, und dem was für
uns ist, nämlich durch das Beziehen zu uns, wie Hegel
sagt. Dieses Schema der möglichen Erkenntnis, kritisch
und paradox, ist der gemeinsame Ort, die Tertia, in
welchem das Wesen und das Seiende sich gemeinsam
wiederfinden. Das Erkennen dieses Schemas wird
eigentlich innerhalb des Aufbaus oder der
transzendentalen Ableitung jenes kritischen Systems der

29
Vorsicht, von welchem Kant sprach, zusammengefasst.
In diesem universellen Schema des Erkennens, welches
auch seine eigene Begrenztheit integriert, die selbst die
einzige wahre und unzweifelhafte Erkenntnis nämlich
zweifelsohne a priori ist, haben wir den vollständigen
Ausdruck des kritischen Skeptizismus Kants, als
Grundlage jedweder möglichen Erkenntnis. „So ist der
Skeptizismus ein Ruheplatz für die menschliche
Vernunft, da sie sich über dogmatische Wanderung
besinnen, und den Entwurf von der Gegend machen
kann, wo sie sich befindet, um ihren Weg fernerhin mit
Sicherheit wählen zu können, aber nicht ein Wohnplatz
zum beständigen Aufenthalte; denn dieser kann nur in
einer völligen Gewissheit angetroffen werden, es sei nun
der Erkenntnis der Gegenstände selbst, oder der Grenzen,
innerhalb derer alle unsere Erkenntnisse von
Gegenständen eingeschlossen ist.“(17) Diese letzte
Variante nahm auch die Antwort Kants vorweg. Seine
Entdeckung wird gerade folgende sein: dass eine absolut
sichere Erkenntnis nicht möglich ist, ausser innerhalb
ihrer Grenzen, und dass gerade da durch die Erkenntnis
erneut, im Absoluten, möglich wird, als Schema
möglicher Erkenntnis, welche eine mögliche
Erscheinungsform des Wesens offenbart, und zwar, eine
metaphysische Erkenntnis. Zusammen mit dieser, wurde
die anfängliche Spaltung im Inneren unseres
transzendentalen Raumes, zwischen Sensibilität und
Intellekt wiederhergestellt („repariert“). Indem dieses
„System der Vorsicht“ hergestellt war, welches uns vor
einem Absturz in den Abgrund „transzendentaler
Illusion“ bewahrt, über welchen wir ständig versuchen zu
springen, ohne jedoch jemals den nötigen Schwung zu
haben, rät uns die Vernunft praktisch, weiterhin da zu
bleiben, auf dieser Insel oder hohen Plateaus unseres

30
transzendentalen Raumes, von wo wir von außen
erblicken können, was jenseits, im Inneren, sein könnte,
indem wir mit Genugtuung, a priori, unsere
metaphysische Neugier befriedigen. Das Transzendentale
bei Kant erzeugt eine mögliche Welt, und zugleich mit
dieser, wirft sie eine Brücke zur Transzendenz der
wirklichen Welt. Jedoch wird sich die Erkenntnis der
absoluten Wahrheit, nicht durch die empirische Lösung
dieses Algorhytmus lösen lassen, sondern gerade durch
das Verstehen dieses Schemas, des möglichen
Erkennens, welches sich nie durch das Erkennen eines
gewissen Objektes darstellen lässt, sondern nur durch
eine mögliche und absolute Erkenntnis eines möglichen
und absoluten Objektes.
Das ganze Universum, welches wir durch unsere
wissenschaftlichen Untersuchungen kennen, ist nichts
anderes als das Versachlichen unseres eigenen
universellen Denkvermögens durch das Darstellen in der
wirklichen Welt, mittels einer Erweiterung der möglichen
Welt in den Bereich der wirklichen Welt, nämlich eine
Ausdehnung auf das Gebiet der Beziehung und der
Begebenheit unserer eigenen Eukratie, wie Sokrates
sagte, und zwar der inneren, rationellen Disziplin. Jedoch
ist das vollkommene Erkennen der Wirklichkeit durch
das Vorgehen, über das wir von außen, nämlich von
außerhalb der Wirklichkeit verfügen, innerhalb der
Erscheinungsform des Nichts, in welchem sich unser
eigenes Bewusstsein befindet, wie auch Hegel und
Heidegger feststellen sollten, nicht möglich, ohne den
Rest einer großen Leere der Erkenntnis in allen unseren
Vorstellungen endlos hinter uns herzuziehen. In einer
einzigen Art, behauptet Kant, ist es möglich, zu einer
absoluten Erkenntnis und einer völligen Versachlichung
unseres eigenen Bewusstseins in der Welt zu gelangen:

31
Durch die Moral, durch diese bedingungslose Reaktion,
ohne Ursache und ohne Zweck, da sie aus sich
hervorgeht, und sich innerhalb ihrer selbst
vervollkommnet, was gerade unsere ursprüngliche Art
darstellt, uns als bestimmender und verallgemeinernder
Faktor, schöpferisch, demiurgisch, durch einweihende
Gesten, Wege eröffnend, uns in die Welt einzufügen. Es
erscheint paradox, dass gerade durch diese Eupraxie, wie
Sokrates sagen würde, und zwar erst durch diese
Darstellung unseres eigenen Wesens in der wirklichen
Welt als moralisches Wesen, erst durch diese moralische
Wiederherstellung unseres eigenen Schicksals, unsere
innere Eukratie ihre Subjektivität überschreiten kann, um
selbst Wirklichkeit zu werden. Denn aus der Perspektive
moralischer Disziplin gestaltet sich die Wirklichkeit als
solche, in der Gegenwart und nach den Normen unseres
eigenen Ichs. Aber, ich würde unterstreichen, nur in
moralischer Perspektive.
Es ist von eh und je bekannt, dass Kant in seiner
berühmten kopernikanischen Revolution, die Dinge nach
dem Menschen orientiert, und nicht umgekehrt. Mit
anderen Worten, nicht die Dinge sind, und wir kommen
von irgendwo, sie zu erkennen, sondern wir sind, und sie
kommen von irgendwo, um von uns erkannt zu werden.
Dieser Umstand hat aber nicht überall seine Gültigkeit.
Kant hat die Dinge oder deren objektive Wirklichkeit
nicht von ihrem Ort verrückt, sondern hat festgestellt,
dass diese Umkehrung der Perspektive keine Gültigkeit
besitzt, ausser innerhalb einer moralischen Perspektive
gegenüber der Welt.
Aus der Perspektive analytischer Erkenntnis
werden wir immer blind bleiben, und zwar ausserhalb der
objektiven Wirklichkeit, unfähig diese von Innen zu
sehen, ewig der transzendentalen Illusion unterworfen. In

32
der empirischen Erkenntnis können wir in Wirklichkeit
keine Objekte oder objektive Wirklichkeit erzeugen –
dies hat Kant unzählige Male verdeutlicht. In dieser,
kritisch unüberprüften Perspektive ist diese Euphraxie
illusorisch und verhindernd. Wir können nur innerhalb
der Moral zu dieser Leistung der Erkenntnis und der
Schöpfung unserer eigenen Person gelangen, praktisch,
indem wir nochmals die Welt auf den Kopf stellen, um
sie letztendlich wieder auf eigene Beine zu stellen, um
sie in einer moralisch verklärten Form, aus einer
möglichen, in eine wirkliche Welt zurückzubringen.
In der empirischen Erkenntnis machen wir
eigentlich nichts anderes, als uns an die Dinge
rückzuerinnern, und sie uns unserer möglichen Welt
einzuverleiben, sie in unsere Technologien festzufahren,
wie auch in einige universelle Erfolgsrezepte, welche uns
aber niemals genügend Gewähr leisten können, da uns
immer in der Beziehung zu den Dingen, entweder etwas
fehlt, oder wir etwas noch nicht genug verstanden haben.
Erst durch unsere moralischen Gesten können wir endlich
das Transzendentale verlassen, und aus dem möglichen,
in ein wahres Licht des Geistes eintreten. Nicht Hegel,
auch nicht Heidegger, würden diese Tatsache verstehen.
Beide haben sich von dem Zauber transzendentaler
Illusion verleiten lassen. Beide liessen sich von einem
gewissen phänomenologischen Realismus, einer Identität
oder Entsprechung verführen, welche sich zwischen der
Ontogenese des Wesens, als Geschichte, seiner eigenen
Erscheinung in Konzept oder Sprache andeutete, und in
der Philogenese des Wesens, als objektive Geschichte der
Selbstverwirklichung, in welche wir selbst übernommen
sind, samt unserem Gewissen, unseren Fragen, auf den
Schwingen desselben globalen, makrokosmischen
Werdens. Hegel glaubte, in der Idee des Staates, das

33
Projekt des wahren Staates gefunden zu haben, und in der
Geschichte oder der Phänomenologie des Geistes den
versteckten Antrieb der Geschichte als solche. Auch
Heidegger war überzeugt, dass er durch die Benennungen
des politischen, philosophischen und gesellschaftlichen
Nihilismus den geschichtlichen Ausdruck unseres
eigenen ontologischen Statutes gefunden hat, und zwar
unseres Gewissens in Bezug zur wirklichen Welt, als
Verkörperung des Nichts. Dies würde aber bedeuten,
dass wir aus dem Nichts unserer eigenen Klarheit
niemals mehr herausfinden könnten, und dass im
Nihilismus gerade das Ende, der Schlusspunkt der
Philosophie erreicht ist, und in der Diktatur, des in
verdorrter Hierarchie erstarrten reinen Intellektes
(Verstandes), der Schlusspunkt der Geschichte.
Lasst euch nicht täuschen, hätte Kant gesagt;
nicht einmal mit diesen Ideen habt ihr das
Transzendentale verlassen; ihr wisst immer noch nichts
über die wirkliche Welt.
Denn Kant wollte gerade diese realistische
Unterstellung (Subreption) überprüfen, um diese
Unzulänglichkeit des Gewissens aufzudecken, um
Existenzen zu warnen, diese Gewohnheit des Intellektes,
seine Konzepte, gegen einige wahre Objekte
auszutauschen, eine transzendentale Illusion, auf welche,
seit Descartes, das gesamte Gebäude der Wissenschaft
aufgebaut war – aber nicht um es zu untergraben,
sondern um ihm eine tiefere und wahrhaftigere
Grundlage zu finden. Für Kant war diese Versachlichung
(Objektivierung) des Gewissens und deren Begegnung
mit der wirklichen (realen) Welt in einer authentischen
Weise nicht möglich, ausser auf der Ebene der Moral,
nämlich nur innerhalb der Perspektive einer
Selbstüberprüfung (Autozensur), oder einer durch sich

34
selbst kritisch beherrschenden Vernunft. Die Wahrheit
wird, mit anderen Worten, auf dem Weg der
Wissenschaft nur dann erreicht werden, wenn es gelingt,
zur Ethik zu gelangen, und aus der Ethik zu erwachsen.
Anderenfalls können der Intellekt und die Vernunft keine
Wirklichkeit erzeugen, sondern nur wirkliche (reelle)
oder vernunftmäßige (rationelle) Monster – wie Kant
jene beiden Menschen benennt, die sogar aus einem
moralischen Benehmen eine Maske und ein Mittel des
Erfolges machen können. Ist denn in Wahrheit der
positivistische und rationalistische Szientismus nicht im
Grunde der verborgene Quell eines absoluten
technologischen und doktrinären Zynismus, der aus dem
philosophischen Nihilismus und vor allem dem
totalitären Delirium des vergangenen Jahrhunderts
ausgebrochen ist? Ist nicht vielleicht die Virulenz
jedweder „Vernunft“ (ökonomischer, politischer und
staatlicher Natur), der beste Beweis eines dogmatischen
Schlafes der Vernunft?
Nach Heidegger ist unsere einzig mögliche Welt,
die wir mit der wirklichen Welt assimilieren können,
eigentlich ein Ausbruch in etwas des Nichts. Dies ist
selbst das Statut der Wissenschaft, sagt Heidegger, und er
hat Recht. Wahrlich, ist denn nicht alles in der
Wissenschaft gleich Null? – eine Öffnung gegenseitiger
sich ausgleichender endlos im Inneren des Nichts sich
befindender Dinge und Anti-Dinge, deren Summe immer
gleich Null ist?
Bei Kant sahen wir, dass dieser Ausbruch in
etwas des Nichts, oder das Erscheinen unserer eigenen
Subjektivität, die objektiv ist, gerade eine moralische
Tatsache ist.
Somit: Technologie und Moral – zwei
rechtwinklig von der Läuterung unserer eigenen

35
Abwesenheit als Seiende abgewandelte Perspektiven,
denn in beiden, im Interesse des Friedens, stimmen wir
eigentlich unserem eigenen Entschwinden zu.

In Kant’s sicht, das gesamte Denken drehte sich


um die folgenden Probleme: 1) die Anerkennung der
transzendentalen Illusion (die donées des Problems), 2)
die antinomy der reinen Vernunft (dem theoretischen
Kontext des Problems) und 3) die ewige Ruhe (die
Desiderat oder die Lösung des Problems).
Für Kant, unsere Quelle für alle Konflikte
(soziale, wirtschaftliche, politische, usw.) ist das nicht
außerhalb, sondern auch in unserem eigenen Denken – in
diesem gibt es immer, zu jedem Thema, zwei (oder mehr)
konkurrierende Perspektiven des Denkens.
System der Vorsicht, dass Sie in Kants Kritik Ziel
reine Grund dafür ist nicht wollten etwas anderes, als zu
sehen, als ein System der Vermittlung Aussichten und
unser Wissen über das Gericht.
Wie bei Leibniz, Metaphysik war etwas anderes,
für Kant, sondern als eine Mathematik der universelle
Harmonie – unser transzendentale Schaffung Labor von
Modellen der guten Nachbarschaft mit Gott und der
Welt.

Fussnoten:

1. Wie er sich ebenso vornahm nicht einmal über


die Existenz der Dinge, sondern nur über deren
Erkennbarkeit zu sprechen, ohne allerdings ihre

36
Wirklichkeit zu bezweifeln – eine Sache, die mit grosser
Genauigkeit bereits von Riehl in Der philosophische
Kritizismus festgestellt wurde, zitiert in C. Noica, Die
offenen Konzepte in der Geschichte der Philosophie
Descartes, Leibniz und Kants, Humanitas, Bukarest,
1995. Seite 203).
2. I. Kant, Werke, hrsg. Von Wilhelm Weischedel,
12. Band, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1968 (I. Kant,
Kritik der reien Vernunft, A 734, B 762)
3. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 271, B
327
4. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 424, B,
451-452
5. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 270, B
326 (Transzendentalen Amphibolie: einer Verwechslung
des reinen Verstandesobjektes mit der Erscheinung)
6. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 501-502,
B 529-530
7. „Aber was ist denn das, wird man
fragen, für ein Schatz, den wir der
Nachkommenschaft, mit einer solchen durch
Kritik geläuterten, dadurch aber auch in
einen beharrlichen Zustand gebrachten
Metaphysik, zu hinterlassen gedenken? Man
wird bei einer flüchtigen Übersicht dieses
Werks wahrzunehmen glauben, dass der
Nutzen davon doch nur negativ sei, uns
nämlich mit der spekulativen Vernunft
niemals über die Erfahrungsgrenze hinaus zu
wagen, und da ist auch in der Tat ihr erster
Nutzen. Dieser aber wird alsbald
positiv, wenn man inne wird, dass die
Grundsätze, mit denen sich spekulative
Vernunft über ihre Grenze hinauswagt, in der

37
Tat nicht Erweiterung, sondern, wenn man
sie näher betrachtet, Verengung unseres
Vernunftgebrauchs zum unausbleiblichen
Erfolg haben, indem sie wirklich die Grenzen
der Sinnlichkeit, zu der sie eigentlich
gehören, [B XXV] über alles zu erweitern und
so den reinen (praktischen)
Vernunftgebrauch gar zu verdrängen drohen.
Daher ist eine Kritik, welche die erstere
einschränkt, so fern zwar negativ, aber,
indem sie dadurch zugleich ein Hindernis,
welches den letzteren Gebrauch einschränkt,
oder gar zu vernichten droht, aufhebt, in der
Tat von positivem und sehr wichtigem
Nutzen, so bald man überzeugt wird, dass es
einen schlechterdings notwendigen
praktischen Gebrauch der reinen Vernunft
(den moralischen) gebe, in welchem sie sich
unvermeidlich über die Grenzen der
Sinnlichkeit erweitert, dazu sie zwar von der
spekulativen keiner Beihülfe bedarf, dennoch
aber wider ihre Gegenwirkung gesichert sein
muss, uns nicht in Widerspruch mit sich
selbst zu geraten. Diesem Dienste der Kritik
den positiven Nutzen abzusprechen, wäre
eben so viel, als sagen, dass Polizei keinen
positiven Nutzen schaffe, weil ihr
Hauptgeschäfte doch nur ist, der
Gewalttätigkeit, welche Bürger von Bürgern
zu besorgen haben, einen Riegel
vorzuschieben, damit ein jeder seine
Angelegenheit ruhig und sicher treiben
könne.” (I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B XXIV-
XXV)

38
8. „ Wenn ich den Inbegriff aller
Erkenntnis der reinen und spekulativen
Vernunft wie ein Gebäude ansehe, dazu wir
wenigstens die Idee in uns haben, so kann ich
sagen, wir haben in der transzendentalen
Elementarlehre den Bauzeug überschlagen
und bestimmt, zu welchem Gebäude, von
welcher Höhe und Festigkeit er zulange.
Freilich fand es sich, dass, ob wir zwar einen
Turm im Sinne hatten, der bis an den Himmel
reichen sollte, der Vorrat der Materialien doch
nur zu einem Wohnhause zureichte, welches
zu unseren Geschäften auf der Ebene der
Erfahrung gerade geräumig und hoch genug
war, sie zu übersehen; dass aber jene kühne
Unternehmung aus Mangel an Stoff
fehlschlagen musste, einmal auf die
Sprachverwirrung zu rechnen, welche die
Arbeiter über den Plan unvermeidlich
entzweien, und sie in alle Welt zerstreuen
musste, um sich, ein jeder nach seinem
Entwurfe, besonders anzubauen. Jetzt ist es
uns sowohl um die Materialien, als vielmehr
um den Plan zu tun, und, indem wir gewarnet
sind, es nicht auf einen behebigen blinden
Entwurf, der vielleicht unser ganzes
Vermögen übersteigen könnte, zu wagen,
gleichwohl doch von der Errichtung eines
festen Wohnsitzes nicht wohl abstehen
können, den Anschlag zu einem Gebäude in
Verhältnis auf den Vorrat, der uns gegeben
und zugleich unserem Bedürfnis angemessen
ist, zu machen.“ (I. Kant, Kritik der reinen Vernunft,
A 707, B 735)

39
9. Diese Idee einer fortschreitender Erkenntnis,
jedoch nicht nach transzendentalen Prinzipien gesteuert,
wie Kant behauptet, sondern von statistischen oder
ausgewählten Gesetzen (von welchen man nicht weiss
woher sie kommen), die auch der spätere amerikanischen
Pragmatismus auszuwerten versuchte, mit Peirce an der
Spitze, auf quasi ausschliesslich empirischen
Grundlagen. Es ist offenbar die Absicht des
„Gründervaters“, die Grundlagen einer „freien
amerikanischen Philosophie“ zu legen, ohne
irgendwelche Schulden gegenüber der traditionellen
europäisch-kontinentalen Philosophie. Aber, da er nicht
von den Ergebnissen der kritischen Philosophie absehen
konnte, hat sie Peirce in hermeneutischen Ausdrücken
übersetzt, und als Pragmatizismus umgetauft, und
versucht, im Grunde das Problem ontologischer
Gewissheit bei Kant, durch das Problem semantischer
Gewissheit zu ersetzen. Diese beiden Probleme sind
jedoch nicht grundsätzlich verschieden, sie können
gegenseitig ersetzt werden, aber nur auf metaphysischer
Ebene, wo erneut die kritische Perspektive die
Überlegene ist. Peirce hat den Friedensvorschlag Kants
zurückgewiesen.
10. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 51, B 75
11. 1. "Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun?
3. Was darf ich hoffen" (I. Kant, Kritik der reinen
Vernunft, B 833, A 805)
12. „Ich kann also Gott, Freiheit und
Unsterblichkeit zum Behuf des notwendigen praktischen
Gebrauchs meiner Vernunft nicht einmal annehmen,
wenn ich nicht der spekulativen Vernunft zugleich ihre
Anmassung überschwenglicher Einsichten benehme, weil
sie sich, um zu dieser zu gelangen, solcher Grundsätze
bedienen muss, die, indem sie in der Tat bloss auf

40
Gegenstände möglicher Erfahrung reichen, wenn sie
gleichwohl auf das angewandt werden, was nicht ein
Gegenstand der Erfahrung sein kann, wirklich dieses
jederzeit in Erscheinung verwandeln, und so alle
praktische Erweiterung der reinen Vernunft für
unmöglich erklären. Ich musste also das Wissen
aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen, und der
Dogmatism der Metaphysik [în favoarea Criticii raţiunii
pure]” (I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B XXIX –
XXX). Aber diese „Beseitigung“ des wissenschaftlich
angeborenen Rationalismus Newtons, welcher eine
Agregat-Maschienen-Welt vorschlug, war nicht eine
Ganzheitliche, sondern nur eine Anteilige, Lokale, um
gerade noch soviel Raum auch für unsere moralische
Freiheit übrig zu lassen. Die Darstellung der
Objektivisten, welche in Kant eine Sichtbarmachung
eines wahrhaftigen „Hasses gegenüber der Welt, des
Menschen, und der Vernunft“ sahen, (A. Rand - zitiert in
G. V. Walsh: Ayn Rand the Methaphysics of Kant, 1992),
welche ihn beschuldigten, der Vernunft jede Möglichkeit
entzogen zu haben, etwas über die Realität zu sagen
(konf. L. Peikoff – zitiert in G. V. Walsh, idem), und daß
er auf der moralischen Ebene einen „gänzlichen und
gemeinen Selbstverzicht“ verkünde (A.Rand - zitiert in
G. V. Walsh, idem), und sogar das Tor des
Irrationalismus aufgestoßen hätte, nämlich des
Romantismus, welcher dann mit all seinen politischen
und kulturellen Katastrophen des XX. Jahrhunderts
seinen Höhepunkt erreichte und nichts anders darstellt,
als eine bedauerliche Hypertrophie des pragmatischen
Geistes, und dessen Zusammenbruch in eine Art von
hermetischem Extremismus, welcher keine Verbindung
mehr zu Kant hat. Mit anderen Worten, die Objektivisten
klagten Kant der Misologie an, und zwar genau

41
derjenigen, was Kant den Naturalisten zuschrieb, nicht
ohne ihnen in den letzten Zeilen der Kritik vorzuwerfen:
„Es ist blosse Misologie, auf Grundsätze gebracht, und,
welches das Ungereimteste ist, die Vernachlässigung
aller künstlichen Mittel, als eine eigene Methode
angerühmt, seine Erkenntnis zu erweitern. Denn was die
Naturalisten aus Mangel mehrerer Einsicht betrifft, so
kann man ihnen im Grunde nichts zur Last legen. Sie
folgen der gemeinen Vernunft, ohne sich ihrer
Unwissenheit als einer Methode zu rühmen, die das
Geheimnis enthalten solle, die Wahrheit aus Demokrits
tiefen Brunnen herauszuholen. Quod sapio, satis est mihi;
non ego curo, esse quod Arcesilas aerumnosique Solones,
Pers., [Übersetzung des Herausgebers: „Was
ich verstehe, ist mir genug; ich sorge mich
nicht darum, zu sein, was Arkesilaos und die
mühebeladenen Solons...“] ist Wahlspruch, bei
dem sie vergnügt und beifalls würdig leben können; ohne
sich um die Wissenschaft zu kümmern, noch deren
Geschäfte zu verwirren.“(A 855, B 883) Kant hat in
seiner kritischen Perspektive die Zuständigkeiten der
Vernunft und der Erfahrung nur angepasst, so dass diese
sich miteinander verkoppeln lassen, und in einem
vereinten und rationellen System möglicher Erkenntnis
zusammenarbeiten können, ohne daran zu denken, die
eine zum Vorteil der anderen zu beseitigen: Kant hat nur
ihre Anwandlungen zensuriert, und zwar nur die
Ansprüche der Zuständigkeit, welche sie sich in
Wirklichkeit nicht vergüten konnten. Gerade von daher
mussten sich diese beiden Quellen der Erkenntnis
gegenseitig ergänzen. Kant hat mit gutem Gewissen sich
um die Waage der Gerechtigkeit zwischen Vernunft und
Erfahrung gesorgt, dass sie sich niemals zu Gunsten der
einen, und zu Ungunsten der anderen neigt. Wiederum

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hat Kant dort keine neue Methode erfunden, sondern hat
versucht, durch eine Untersuchung und eine
aufmerksame Forschung, die wahren Hebel der
Erkenntnis, das wahre Schema der möglichen Wahrheit,
die wahren Bedingungen innerhalb derer eine
Wissenschaft existiert, zu entdecken. Dies ist der Sinn, in
welchem der Kantische Realismus ein kritischer, kein
transzendentaler Realismus ist. Sein Idealismus jedoch ist
weder subjektiv noch empirisch, es ist ein
transzendentaler Idealismus.
13. Jean Brun, Sokrates, Ed. Humanitas,
Bukarest, 1996, S.93.
14. F. Nietzsche, La naicance de la philosophie,
a. d. franz. von G. Bianquis, Paris, 1938
15. So wie wir in der Architektur der Pyramide
eine heilige gemeinsame Architektur des Menschen
haben, (offenbart in parallelen Kulturen, zwischen denen
nicht einmal einige systematische Begegnungen, gerade
auf elitärer Ebene, eine tiefere Übertragung der Kulturen
bewirken konnten), muss es eigentlich auch eine
gemeinsame geistige Architektur geben, durch deren
Vermittlung wir miteinander in Verbindung treten und
uns verstehen können. Aber die Pyramide ist wie ich es
aufzeigen werde, nichts anderes als eine Architektur des
Intellektes. Die Architektur des Geistes, ist die
Architektur der „Höhle“, jene, innerhalb derer sich das
Konzept begegnet, und mit dem Objekt übereinstimmt,
nämlich eine andere Art von Pyramide, eher ein Kegel,
welcher seine ursprüngliche Basis verbreitet, sodann
nach oben umbiegt, um alles in sein „Netz“ zu sammeln,
und welcher sich dann beginnt von oben zu schließen, bis
die ursprüngliche Basis sich wiederbegegnet, und mit
dem Gipfel von dem er ausging übereinstimmt, in einer
immerwährenden Bewegung des Einhüllens und des sich

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selbst Entblößens. Die Architektur der „Höhle“, nämlich
des Geistes, der Schlange, die sich in den Schwanz beißt,
und zwar genau das Bild des Raumes in einigen
Nichteuklidischen Geometrien, erzeugt wie man weis,
durch das Einführen einer irrationalen, derzeit
skandalösen Hypothese, eine Art Negation des
Parallelenaxioms, und zwar der Hypothese, dass
Parallelen sich dennoch begegenen, nämlich im Minus
und im Plus der Unendlichkeit. In diesem Fall, wenn die
Unendlichkeit als Dimension oder zwischen den
Dimensionen, von der Geometrie assimiliert wird, hat sie
sich des reellen, intuitiven, empirischen Raumes
entledigt, um in eine neue Perspektive zu schreiten , des
scheinbaren, möglichen Raumes. Praktisch ist die
Geometrie von einer Vielheit reeller Zahlen, zu einer
Algebra komplexer Zahlen „ausgestattet“, mit einem
scheinbaren „Teil“. Dasselbe tat Kant noch vor den
Geometern: er stattete den reellen Teil unserer
empirischen Erkenntnis, mit einem scheinbaren Teil aus,
um so die transzendentale und metaphysische Einheit der
Erkenntnis im allgemeinen zurückzuerlangen. Die
Ähnlichkeit zwischen den Denkbereichen Kants und der
Algebra komplexer Zahlen, wurde bereits von einigen
Kommentatoren bemerkt (Mamon und Vaihinger),
jedoch erfassten sie nicht angemessen auch die
ontologische Bedeutung dieses neuen Typus einer
„philosophischen“ Berechnung, jenseits seiner einfachen
praktischen Verwendung. Im nächsten Abschnitt „Zu
einem neuen Paradigma der Wissenschaft“, will ich
versuchen, ontologisch, gerade diese neue, vielleicht
überraschende, extrem bezeichnende Analogie zwischen
philosophischen Systemen Kants, und den
Nichteuklidischen Geometrien, aufzuwerten.

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16. Diese selbstreflexive Lage des Denkens wurde
umso offenkundiger innerhalb der Platon'schen Dialoge,
durch deren Statut der Oper oder der rethorischen
Stimme, welche das gemeinsame Abnehmen beider
gedanklicher Perspektiven einredet, die sich im Konflikt
mit demselben ursprünglichen Prinzip befinden, welches
sich selbst hervorheben wollte.
17. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 761, B
789

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