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Literatur – 552
540 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten
Glucose dient dem Aufbau von Glycogen als Energiespeicher sowie dem oxidativen Abbau zur Deckung des zellulären Energie-
bedarfes. Weiterhin ist Glucose Baustein für die Biosynthese der verschiedensten Monosaccharide, da diese bis auf Fructose
und Galactose nur in geringen Konzentrationen in der Nahrung vorkommen. Monosaccharide werden als solche – sowie nach
Modifikation zu Uronsäuren, Aminozuckern sowie deren N-acetylierten Derivaten – für die Biosynthese von Oligosacchariden
und Heteroglycanen benötigt. Diese sind Bestandteile von Glycoproteinen, Proteoglycanen sowie der Hyaluronsäure. Fehler in
der Biosynthese führen zu schweren Störungen, da sie essentielle Funktionen für Wachstum, Differenzierung und viele zelluläre
Funktionen haben.
17.1 Biosynthese und Stoffwechsel In tierischen Zellen ist das bevorzugte Nucleosid-
von Monosacchariden triphosphat zur Zuckeraktivierung das UTP. Daneben fin-
den das GTP im Mannosestoffwechsel und das CTP im
17.1.1 Bedeutung von Nucleosid- Acetyl-Neuraminsäurestoffwechsel Verwendung.
diphosphat-Monosacchariden Auf diese Weise aktivierte Monosaccharide können
vielfältige Reaktionen eingehen. Die wichtigsten sind
Glucose stellt die Ausgangssubstanz für die Biosynthese der 4 Oxidationen
verschiedenen in Disacchariden und Heteroglycanen vor- 4 Reduktionen
kommenden Monosaccharide bzw. deren Derivate dar. Im 4 Epimerisierungen sowie
Wesentlichen handelt es sich dabei um 4 Übertragung auf andere Zucker oder Zuckerpolymere
4 Galactose
4 Mannose
4 Fucose 17.1.2 Stoffwechsel des Glucuronats
4 einige Uronsäuren sowie
! UDP-Glucuronat entsteht durch Oxidation von UDP-
4 die verschiedenen Aminozucker
Glucose.
Die Strukturen dieser Verbindungen wurden bereits in Biosynthese. Uronsäuren (oder besser Uronate) entstehen
7 Kapitel 2 besprochen. durch Oxidation der Hydroxylgruppe am C-Atom 6 von
Hexosen. Die Biosynthese der aus Glucose abgeleiteten Glu-
! Monosaccharide müssen zu Nucleosiddiphosphat-
curonsäure (des Glucuronats) ist in . Abb. 17.1 dargestellt:
Derivaten aktiviert werden.
Ein Beispiel für eine derartige Reaktion ist die schon be-
sprochene Bildung von UDP-Glucose aus Glucose-1-phos-
phat und UTP, die für die Biosynthese von Glycogen und
Glucuronsäure benötigt wird (7 Kap. 11.2.1). Die für solche
Reaktionen verwendeten Enzyme werden allgemein als
17 Glycosyl-1-phosphat-Nucleotid-Transferasen oder Gly-
cosyl-Pyrophosphorylasen bezeichnet.
Die Bildung des NDP-Monosaccharids erfolgt in einer
frei reversiblen Reaktion. Erst die Hydrolyse des dabei
gebildeten Pyrophosphats zu zwei anorganischen Phos-
phaten mit Hilfe der in jedem Gewebe vorkommenden
Pyrophosphatasen verschiebt das Gleichgewicht der Re-
aktion in Richtung der Biosynthese des aktivierten . Abb. 17.1. Biosynthese von UDP-Glucuronsäure aus Glucose-6-
Zuckers. phosphat
17.1 · Biosynthese und Stoffwechsel von Monosacchariden
541 17
4 Alkohole
4 Phenole
4 Thiole
4 primäre Amine, aber auch
4 Verbindungen mit Carboxylgruppen infrage
. Abb. 17.3. Synthese von UDP-D-Galacturonat und L-Iduronat. Die Epimerisierung von Iduronat aus Galacturonat erfolgt erst nach Einbau
in Heparan- bzw. Dermatansulfat
542 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten
Abkömmlinge des Glucuronats. Aus UDP-Glucuronat 4 ATP-abhängige Phosphorylierung von Galactose durch
werden weitere Verbindungen gebildet (. Abb. 17.3): eine spezifische Galactokinase zu Galactose-1-phos-
4 Durch Epimerisierung am C-Atom 4 entsteht aus UDP- phat
D-Glucuronat UDP-D-Galacturonat 4 Reaktion von Galactose-1-Phosphat mit UDP-Glucose
4 Nach Einbau von UDP-Glucuronat in Heparan- bzw. unter Bildung von UDP-Galactose und Glucose-1-
Dermatansulfat (7 Kap. 17.3.5) kann dieses durch Epi- phosphat. Diese durch das Enzym Galactose-1-phos-
merisierung am C-Atom 5 in L-Iduronat umgewandelt phat-Uridyltransferase vermittelte Reaktion besteht
werden also in einem Austausch von Galactose und Glucose
4 Durch hydrolytische Abspaltung von UDP bzw. unter am Uridindiphosphat
Einwirkung von lysosomalen Glucuronidasen entsteht aus 4 Epimerisierung von UDP-Galactose am C-Atom 4.
UDP-Glucuronat bzw. Glucuroniden das Glucuronat Das hierfür verantwortliche Enzym ist die UDP-Galac-
tose-4-Epimerase. Ihr Produkt ist UDP-Glucose. Die
Aus diesem entsteht D-Xylitol, welches mit NAD+ zu entstandene UDP-Glucose kann in Glycogen eingebaut
D-Xylulose oxidiert und damit in den Pentosephosphatweg und auf dem Weg der Glycogenolyse in den Stoffwech-
eingeschleust werden kann. sel eingeschleust werden
Außer bei Primaten und Meerschweinchen ist Glu-
! Für die Lactosesynthese in der Brustdrüse wird Lactal-
curonat auch der Ausgangspunkt für die Ascorbinsäure-
bumin als Cofaktor benötigt.
Synthese (7 Kap. 23.3.1).
Biosynthese von Lactose. Lactose ist das Hauptkohlen-
hydrat der Milch aller Säuger. Ihre Biosynthese erfolgt
17.1.3 Stoffwechsel von Lactose durch Übertragung von UDP-Galactose auf Glucose unter
und Galactose Bildung von Lactose nach der Gleichung:
17
. Abb. 17.4. Stoffwechsel der Galactose. (Einzelheiten 7 Text) Der rote Balken gibt den Stoffwechseldefekt bei der hereditären Galactosämie
wieder
17.2 · Biosynthese der Zuckerbausteine von Glycoproteinen und Glycosaminoglycanen
543 17
katalysiert. Diese Untereinheit gehört damit zu den für einer Aldosereduktase (7 Kap. 11.1.1) zu Galactitol redu-
die Heteroglycansynthese (7 Kap. 17.3.2) verantwortlichen ziert, welches die Entstehung von frühkindlichen Linsen-
Enzymen. katarakten auslöst.
Zur Biosynthese von Lactose ist sie alleine nicht im- Die schwere Form der Erkrankung wird auch als »klas-
stande, weil ihre KM für Glucose als Akzeptor außerordent- sische Galactosämie« bezeichnet. Ihr liegt ein Mangel der
lich groß ist. Erst zusammen mit der Untereinheit B, dem Galactose-1-phosphat-Uridyl-Transferase zugrunde. Da
α-Lactalbumin, wird die Spezifität der Untereinheit A die Aktivität der Galactokinase normal ist, kommt es zu
derart modifiziert, dass Glucose als Akzeptor bevorzugt einem beträchtlichen Anstieg des Galactose-1-phosphats.
wird. Während der Schwangerschaft werden die Zellen Dieses hemmt die Phosphoglucomutase, Glucose-6-Phos-
der Milchdrüse durch die Hormone Insulin (7 Kap. 26.1), phatase und Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase, führt
Cortisol (7 Kap. 27.3.7) und Prolactin (7 Kap. 27.7.3) in also zu einer schweren Störung des Glucosestoffwechsels.
sekretorische Zellen umgewandelt und dabei die Biosyn- Die hohe Galactose-1-phosphat-Konzentration bindet da-
these der Untereinheit A induziert. Im Gegensatz dazu wird rüber hinaus einen großen Teil des zellulären Phosphats.
die Biosynthese der Untereinheit B durch Progesteron ge- Deswegen wird die mitochondriale ATP-Regenerierung
hemmt. Mit dem unmittelbar vor der Geburt einsetzenden aus ADP und Pi und damit der gesamte Energiestoffwechsel
Progesteronabfall erlischt diese Hemmung, sodass mit Be- schwer beeinträchtigt.
ginn der Milchbildung Lactose in benötigtem Umfang syn- Die Betroffenen erkranken unmittelbar nach der Ge-
thetisiert werden kann. burt an Erbrechen, Durchfällen, Gewichtsabnahme und
Ikterus. Bei Belastung mit Galactose kommt es zu schwe-
ren, protrahierten Hypoglykämien, die auf eine Hemmung
17.1.4 Pathobiochemie: Stoffwechsel der Gluconeogenese zurückzuführen sind. Die Synthese
einzelner Monosaccharide von UDP-Galactose verläuft bei den Patienten ungestört,
da die UDP-Gal-4-Epimerase ja in normaler Aktivität
Hereditäre Störungen des Stoffwechsels einzelner Mono- vorhanden ist. Die Betroffenen sind also auch bei galac-
saccharide haben interessante Einblicke in die regulatori- tosefreier Kost, die die einzig erfolgreiche Therapie des
schen Mechanismen geliefert (7 Kap. 11): Leidens darstellt, zur Synthese der Galactose enthaltenden
Glycoproteine und Ganglioside befähigt.
Galactosämien. Es handelt sich um Erkrankungen, die
sich durch erhöhte Serum-Galactosespiegel bereits unmit- Gilbert Syndrom und Crigler-Najjar Syndrom. Bei diesen
telbar nach der Geburt auszeichnen. Sie kommen mit einer Erkrankungen handelt es sich um angeborene Störungen
Häufigkeit von etwa 1:40000 vor. der Bilirubin-Glucuronidierung. Sie beruhen auf jeweils
Bei der leichten Form der Erkrankung ist die Galacto- unterschiedlichen Defekten der Uridindiphosphat-Glucu-
kinase defekt. Die sich anhäufende Galactose wird mit ronyltransferase 1A1. Weiteres 7 Kap. 20.4.2.
In Kürze
Die im Stoffwechsel benötigten Monosaccharide werden 4 UDP-Glucose wird zu UDP-Galactose epimerisiert und
überwiegend aus Glucose synthetisiert: dient der Lactosesynthese
4 UDP-Glucose ist der Ausgangspunkt für die Bio- 4 Aus Lactose stammende Galactose wird zu UDP-Galac-
synthese von Glucuronat, den Glucuroniden und, mit tose aktiviert und anschließend zu UDP-Glucose epi-
Ausnahme der Primaten und des Meerschweinchens, merisiert
der Ascorbinsäure
17.2 Biosynthese der Zuckerbau- Biosynthese von Galactose. Galactose ist Bestandteil einer
steine von Glycoproteinen Reihe von Heteroglycanen (7 Kap. 2.1.4). Daraus ergibt
und Glycosaminoglycanen sich die Notwendigkeit, diesen Zucker auch dann zur
Verfügung zu haben, wenn die Nahrung galactosefrei
17.2.1 Biosynthese von Galactose, ist. Da die UDP-Galactose-4-Epimerase (. Abb. 17.4) frei
Mannose und Fucose reversibel ist, kann die benötigte Galactose leicht aus
UDP-Glucose hergestellt werden, wobei UDP-Galactose
! Nucleosiddiphosphat-Derivate sind die Zwischenpro- entsteht.
dukte für die Synthese von Galactose, Mannose und
Fucose. Biosynthese von Mannose und Fucose. Mannose und
Fucose sind wichtige Bestandteile vieler Glycoproteine und
544 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten
. Abb. 17.6. Biosynthese wichtiger Zuckerbausteine in Glycopro- N-Acetyl-Mannosamin, NeuAc = N-Acetyl-Neuraminsäure (Sialinsäure)
teinen und Glycosaminoglycanen. Glc = Glucose, Fru = Fructose, Man = grüne Pfeile = Epimerisierungen; rote Pfeile = Aktivierungen; blaue
Mannose, Fuc = Fucose, Gal = Galactose, GlcN = Glucosamin, GlcNAc = Pfeile = Einbau in Heteroglycane; unmittelbare Substrate für die
N-Acetyl-Glucosamin, GalNAc = N-Acetyl-Galactosamin, ManNAc = Heteroglycansynthese sind rot hervorgehoben (Einzelheiten 7 Text)
In Kürze
Die Biosynthese der Zuckerbausteine von Heteroglycanen 4 Fructose-6-phosphat ist Ausgangspunkt für die Bio-
und Glycosaminoglycanen geht von Glucose aus: synthese der Aminozucker UDP-GlcNAc,
4 Glucose-6-phosphat liefert UDP-Glucose und UDP-GalNAc und CMP-N-Acetyl-Neuraminsäure.
UDP-Galactose,
4 Fructose-6-phosphat liefert GDP-Mannose und GDP-
Fucose,
546 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten
auch phosphoryliert werden können, hat sie mit großer Die Variabilität der zugehörigen Proteine ist außer-
Wahrscheinlichkeit eine regulatorische Bedeutung ordentlich groß. Bis heute sind mehr als 100 Gene für die
in Proteoglycanen vorkommenden sog. Core-Proteine be-
schrieben worden (7 Kap. 2.1.4).
17.3.5 Biosynthese der Proteoglycane
Biosynthese. Das Prinzip der Proteoglycansynthese ist in
Proteoglycane sind essentielle Bestandteile der extrazellu- . Abb. 17.10 dargestellt:
lären Matrix. Ihre im Einzelnen spezifischen Funktionen 4 An eine Serylgruppe innerhalb einer spezifischen Se-
werden in 7 Kapitel 24 besprochen. quenz des Core-Proteins wird ein aus vier Monosac-
chariden bestehendes Oligosaccharid geknüpft. Die
! In Proteoglycanen sind Ketten aus repetitiven Disaccha-
Struktur Xyl – Gal – Gal – GlcUA ist allen Proteogly-
riden mit einem Core-Protein verknüpft.
canen gemeinsam
Aufbau und Einteilung. Proteoglycane bestehen aus einem 4 Dieses Tetrasaccharid wird nun durch alternierende
sog. Core-Protein, an das lange unverzweigte Polysaccha- Addition von zwei Monosacchariden verlängert, einem
ridketten aus repetitiven Disaccharideinheiten (7 Kap. 2.1.3, Aminozucker und Glucuronat, jeweils als UDP-akti-
2.1.4) geheftet sind. Sie werden in vierte Verbindung (7 Kap. 17.1.1)
4 Chondroitinsulfat 4 Im Heparin und Heparansulfat kommt der Amino-
4 Dermatansulfat zucker N-Acetylglucosamin, im Chondroitin- und
4 Keratansulfat Dermatansulfat N-Acetyl-Galactosamin vor
4 Heparin und
4 Heparansulfat Durch jeweils unterschiedliche Epimerisierung von
Glucuronat zu Iduronat (7 Kap. 17.1.2; 2.1.4) und unter-
unterteilt. schiedliche Sulfatierung kommen Unterschiede zwischen
. Abb. 17.10. Biosynthese von Proteoglycanen. Xyl = Xylose; Gal = Galactose; GlcUA = Glucuronat; GalNAc = N-Acetyl-Galactosamin; GlcNAc =
N-Acetyl-Glucosamin. (Einzelheiten 7 Text)
550 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten
den einzelnen Saccharidketten zustande. Substrat für die 17.3.7 Penicillin und die Glycopeptidbio-
Sulfatierungsreaktionen, die durch gesonderte Enzymak- synthese der bakteriellen Zellwand
tivitäten katalysiert werden, ist 3ⴕ-Phosphoadenosyl-5ⴕ-
Phosphosulfat (PAPS, 7 Kap. 28.7.2). Zusammen mit der Penicillin (. Abb. 17.11) ist das erste Antibiotikum, welches
großen Zahl unterschiedlicher Core-Proteine entsteht da- zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten eingesetzt wer-
durch eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Proteo- den konnte. Der bakteriostatische Effekt des Penicillins
glycanen. beruht auf einer Hemmung der Biosynthese der bakteriel-
Die Proteoglycan-synthetisierenden Enzyme sind im len Zellwand.
endoplasmatischen Retikulum oder Golgi-Apparat lokali- Diese auch als Murein (7 Kap. 2.1.4) bezeichnete Struk-
siert. tur stellt ein netz- oder käfigartiges Makromolekül mit
Glycopeptidstruktur dar. Es besteht aus einer linearen Kette
eines repetitiven Disaccharids aus N-Acetyl-Glucosamin
17.3.6 Biosynthese der Hyaluronsäure und N-Acetyl-Muraminsäure. Die N-Acteyl-Muraminsäu-
rereste sind covalent mit je einem Tetrapeptid der Struktur
! Hyaluronsäure ist ein proteinfreies Glycosaminoglycan Ala – D-Gln – Lys – D-Ala verknüpft. Pentaglycinbrücken
besonderer Größe. zwischen dem Lysylrest in Position 3 des einen Tetrapep-
tides und dem Alanylrest in Position 4 des nächstfolgenden
Aufbau und Vorkommen. Hyaluronsäure ist ein Hetero- sind für die Quervernetzung zwischen den Zuckerketten
glycan, in dem Glucuronat und N-Acetylglucosamin al- verantwortlich (. Abb. 17.12a). Wie Jack Strominger zeigen
ternierend vorkommen und eine lineare Struktur bilden konnte, hemmt Penicillin die letzte Reaktion der Murein-
(7 Kap. 2.1.4). Biosynthese, nämlich die Quervernetzung. Diese Reaktion
Die Zahl der repetitiven Disaccharide kann bei über wird durch das Enzym Glycopeptid-Transpeptidase, das
30000 liegen, woraus sich eine Molekülmasse von mehr einen für die Reaktion essentiellen Serylrest besitzt, kata-
als 107 Da ergibt. lysiert und läuft in folgenden Teilschritten ab (. Abb.
Hyaluronat kommt in tierischen Geweben ubiquitär 17.12a):
vor und bildet einen wichtigen Bestandteil der extrazellu- 4 An die N-Acetyl-Muraminsäurereste wird zunächst
lären Matrix, wird jedoch auch von verschiedenen Bakte- nicht das spätere Tetrapeptid, sondern ein um ein
rien als Bestandteil ihrer Zellwand gebildet. Seine Funk- D-Alanin verlängertes Peptid aus insgesamt 5 Amino-
tionen sind vielfältig: säuren synthetisiert. Es hat die Struktur Ala – D-Gln –
4 Es moduliert die Zellwanderung und Differenzierung Lys – D-Ala – D-Ala (in . Abb. 17.12a hervorgehoben)
während der Embryogenese 4 Das Enzym Glycopeptid-Transpeptidase greift die
4 reguliert die Organisation der extrazellulären Matrix Peptidbindung zwischen den zwei D-Alaninresten des
und an die Zuckerkette geknüpften Peptids an. Unter Ab-
4 nimmt an der Metastasierung, der Wundheilung und spaltung des terminalen D-Alanins wird ein Acyl-
der Entzündung teil Enzym-Zwischenprodukt gebildet. (. Abb. 17.12b)
4 Die so entstandene Esterbindung zwischen Alanin und
In verschiedenen Geweben variiert die Halbwertszeit von Enzym wird durch die terminale Aminogruppe des
Hyaluronsäure von weniger als einem Tag in der Epidermis Pentaglycins gespalten. Dabei wird das Enzym regene-
bis zu 1–3 Wochen im Knorpel. riert und die für die Quervernetzung verantwortliche
Peptidbindung gebildet
Biosynthese. Hyaluronsäure enthält kein Protein und ihre
Biosynthese unterscheidet sich grundsätzlich von der der Penicillin ist ein außerordentlich wirksamer Inhibitor der
Proteoglycane. Die repetitiven Disaccharideinheiten wer- Glycopeptid-Transpeptidase. Der für alle Penicillin-Anti-
den Schritt für Schritt in Form ihrer Nucleosiddiphos- biotika typische, sehr reaktive β-Lactamring ähnelt in
phat aktivierten Monosaccharide an die wachsende Zucker- seiner Raumstruktur der terminalen D-Ala-D-Ala-Ein-
kette angeheftet. Die hierfür verantwortliche Hyaluronat- heit. Aus diesem Grund ist das Penicillin ein gutes Sub-
17 Synthase verfügt über zwei Bindungsstellen für die bei- strat der Glycopeptid-Transpeptidase. Mit Hilfe ihrer re-
den UDP-Monosaccharide. Beim Menschen kommen aktiven OH-Gruppe spaltet sie den E-Lactamring und
drei unterschiedliche Hyaluronat-Synthasen vor, die un- bildet einen Penicilloyl-Enzym-Komplex, der die Gly-
tereinander beträchtliche Ähnlichkeiten aufweisen. Sie copeptid-Transpeptidase irreversibel inaktiviert und da-
sind mit sieben Transmembranhelices in der Plasmamem- mit die Biosynthese der bakteriellen Zellwand verhindert
bran verankert, das aktive Zentrum ist zum Cytosol ge- (. Abb. 17.13).
richtet.
Über die Funktion von Proteoglycanen 7 auch Kapitel 2
und 24.
17.3 · Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen
551 17
Infobox
Penicillin: »That is funny!«
Der englische Mikrobiologe Alexander Fleming
(1881–1955) hatte 1922 das Lysozym entdeckt. Danach
arbeitete er weiter auf der Suche nach einer Bakterien
tötenden Substanz. 1928 erhielt er den Auftrag, einen
Handbuchartikel über Staphylokokken zu schreiben.
Dazu untersuchte er im Auflichtmikroskop Staphylo-
kokkenkolonien, die er in Petrischalen auf Gallertnähr-
böden gezüchtet hatte. Die Petrischalen lagen dabei
längere Zeit unbedeckt unter dem Mikroskop, öfters
wurden durch den Luftzug Schimmelpilze auf die Nähr-
böden verfrachtet. Das war bekannt. Er klagte seinem
Kollegen Melvin Pryce »Immer fällt etwas aus der Luft
herein«, ergriff eine solche Schale und wollte sie her-
zeigen. Plötzlich hielt er inne, blickte lange auf die Bak-
terienkolonie und sagte dann die historischen Worte
»That is funny!«
In dieser Schale war der Nährboden ebenso mit
Schimmel bedeckt wie in den anderen, aber hier waren
rings um den Schimmelpilz die Staphylokokkenkolo-
nien zugrunde gegangen. Fleming versuchte den Pilz
zu bestimmen und kam zu dem Schluss, es sei Penicil-
lium chrysogenum. Erst zwei Jahre später wurde dieser
Schimmelpilz in den USA als Penicillium notatum iden-
tifiziert. Er wurde zum Ausgangspunkt für die Penicil-
linproduktion. 1945 erhielt Sir Alexander Fleming den
. Abb. 17.12a,b. Mechanismus der Biosynthese des Mureinmole-
Nobelpreis für Medizin, gemeinsam mit dem Biochemi-
küls. a Das Mureinmolekül ist ein Glycopeptid und besteht aus einer ker Ernst Boris Chain und dem Pathologen Sir Howard
linearen Sequenz eines repetitiven Disaccharids. An jeden zweiten Walter Florey.
Zucker ist ein Tetrapeptid geknüpft. Die Tetrapeptide sind über Penta-
glycinketten quervernetzt. Diese Quervernetzung stellt den letzten
Schritt der Mureinbiosynthese dar. b Für die Quervernetzung ist die
Glycopeptid-Transpeptidase verantwortlich. Das Enzym reagiert
zunächst mit den an die Zuckerreste geknüpften Peptiden, die te-
minal zunächst mit einen Dialanylrest synthetisiert werden. Die die
beiden Alaninreste verknüpfende Peptidbindung wird durch das
Enzym unter Bildung eines Acyl-Enzym-Zwischenproduktes ge-
spalten, das anschließend durch die Aminogruppe des Pentagly-
cinpeptides unter Bildung der Quervernetzung angegriffen wird.
G = N-Acetyl-Glucosamin; M = N-Acetyl-Muraminsäure (Einzelheiten
7 Text)
552 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten
In Kürze
Heteroglycane kommen vor in Schritt unter Verwendung der Nucleosiddiphosphat-
4 den Kohlenhydratketten der Glycoproteine aktivierten Zucker durch spezifische Enzyme auf das
4 den repetitiven Disaccharidsequenzen von Proteogly- jeweilige Protein übertragen
canen 4 Proteoglycane werden an sog. Core-Proteinen syn-
4 der Hyaluronsäure thetisiert. Dieses erhält zunächst eine Tetrasaccha-
rideinheit, an die dann die repetitiven Disaccharidein-
Der Biosyntheseweg der Heteroglycane verläuft jeweils heiten angefügt werden. Diese werden durch Epime-
unterschiedlich: risierung und Sulfatierung noch modifiziert
4 Für die Biosynthese von N-glycosidisch verknüpften 4 Hyaluronsäure enthält kein Core-Protein und wird
Oligosaccharidketten in Glycoproteinen werden durch die Hyaluronat-Synthase direkt unter Verwen-
Grundstrukturen der Saccharideinheiten an Dolichol- dung der aktivierten Monosaccharide synthetisiert
phosphat synthetisiert und dann in einem Stück 4 Für die genannten Biosynthesen ist die Aktivierung
auf die Peptidkette übertragen. O-glycosidisch ver- des jeweiligen Monosaccharides zu einem NDP-Mono-
knüpfte Zuckerketten werden dagegen Schritt für saccharid notwendig