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2009 15:54 Uhr Seite 20

hamburg

Dumm
fickt gut
Beim ersten „Hamburger Aidskongress“ steht die
Aufklärung auf dem Prüfstand

Wie dumm sind die Hamburger? Diese Frage lässt nicht mehr so klar wie früher. Das Schlagwort „Kon-
Senator Dietrich Wersich Ende Oktober auf dem ers- dome schützen“ hat jeder im Kopf. Nun geht es um
ten Hamburger Aids-Kongress diskutieren – auch den nächsten Schritt der Aidsaufklärung. Und schon
wenn der umgänglich Chef der Gesundheitsbehörde geht der Streit um die Dummheit los.
das nie so direkt sagen würde. Auf Drängen der GAL Auf der einen Seite stehen Menschen wie Dirk
wurde im schwarz-grünen Koalitionsvertrag festge- Sander von der Deutschen Aidshilfe (DAH). Er sagt:
halten, dass noch in dieser Legislaturperiode eine „Eine wichtige Rolle bei diesem Prozess spielt die
solche Veranstaltung nötig sei. Fachleute, aber auch Entstigmatisierung von dem, was laienhaft unter
ehrenamtliche Aidshelfer sollen sich zwei Tage lang dem Label ,unsafer sex‘’ läuft.“ Im Klartext: Sex kann
darüber austauschen, wie die Ausbreitung des HI- auch ohne Kondom safe sein – solange die Sexpart-
Virus verhindert werden kann. Die Neugier der ner einschätzen können, wie hoch das Risiko ist, sich
Öffentlichkeit dürfte sich in Grenzen halten: Im selbst oder den anderen anzustecken. Doch wer das
Jahr 2008 ist die Anzahl der HIV-Neudia- Kondom in Frage stellt, erntet Empörung. So zum
gnosen in Deutschland erstmals seit 2001 Beispiel die Eidgenössische Kommission für Aids-
nicht nennenswert angestiegen, in Ham- fragen (EKAF). Die schweizerische Behörde hatte
burg wurde sogar ein Rückgang ver- Anfang 2008 darauf hingewiesen, dass auch HIV-
zeichnet. positive Menschen nicht infektiös sein müssen – vor-
Dennoch hält Farid Müller (GAL) ausgesetzt, sie halten sich an ihre ärztliche Therapie.
den Kongress für notwendig: Zahlreiche Aidshilfen distanzierten sich aus Angst,
„Nach mehr als zwei Jahrzehn- ihre erfolgreiche Safer-Sex-Politik zu ruinieren.
ten Prävention haben sich Auf der anderen Seite stehen Fachleute wie Wolf-
viele Botschaften abge- gang Müller von der Bundeszentrale für gesund-
nutzt. Deswegen müs- heitliche Aufklärung (BZgA). Auf dem gerade in Ber-
sen wir nach neuen lin zu Ende gegangenen Kongress „HIV im Dialog“
Wegen in der Prä- warnte Müller davor, die „Allgemeinbevölkerung“
vention suchen.“ mit allzu komplexen Botschaften zu überfordern.
Ein eigenes Ar- Die schweizerische Einschätzung sei unter Umstän-
beitsforum be- den „ein Thema für Männer, die Sex mit Männern
schäftigt sich da- haben“, gehöre aber nicht auf BZgA-Plakate. Heißt
mit, warum sich das, die Menschen sind zu dumm, um die neuesten
Männer beim Sex Erkenntnisse der Aidsforschung zu begreifen? Ob
mit anderen Män- die Hamburger bereit sind für Safer-Sex-Kampagnen
nern gefährliche Er- der nächsten Generation, wird ab dem 28. Oktober
reger wie das HI-Virus diskutiert. PHILIP EICKER
einfangen – und wie
man das verhindern
kann. Aids hat für viele
Menschen seinen Schre-
cken verloren, gilt nicht
mehr als Todesurteil, son- 28./29.10., Patriotische Gesellschaft, Anmeldung bis 15.10.
unter www.hag-gesundheit.de
dern als schwere chroni-
Der traditionelle Empfang des Senats zum Weltaidstag
sche Krankheit. Dazu kommt: wird auf den ersten Kongresstag vorgezogen:
Die Safer-Sex-Botschaft ist 28.10., 20 Uhr, Bucerius Kunstforum

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Sicher gehen
Kostenlose HIV-Testwochen in Hamburg

In Deutschland leben derzeit rund 63500 Menschen, die mit HIV infiziert sind. Experten
schätzen, dass etwa ein Drittel der Betroffenen nichts davon weiß: sie sind positiv, ha-
ben bislang aber keinen Test gemacht. Das will die Deutsche Aidshilfe ändern: Im
Rahmen ihrer Kampagne „Ich weiß, was ich tu“ (IWWIT) wurden bundesweite Test-
wochen gestartet, die noch bis Ende November laufen. Auch in Hamburg können
sich schwule Männer, die nach wie vor zu den Hauptbetroffenen zählen, mehr-
mals in der Woche auf HIV testen lassen. „Ziel der Testwochen ist es, Männer zu
motivieren, sich Klarheit zu verschaffen, ob sie HIV-negativ oder HIV-positiv
sind“ erklärt dazu Carsten Schatz aus dem Vorstand der Aidshilfe. Denn: „Je frü-
her die eigene HIV-Infektion bekannt ist, desto effektiver kann schweren Folgen
einer HIV-Infektion begegnet werden. Die mo-
dernen Therapien können das HI-Virus gut in
Schach halten, vor allem, wenn sie rechtzeitig ein-
gesetzt werden“, so Schatz. Sowohl Hein & Fiete als
auch die Hamburger Aidshilfe bieten mehrfach in der Wo-
che kostenlose und anonyme Testtermine an, die mit einer Be-
ratung einhergehen. Mitmachen ist sinnvoll, so Schatz: „Wer über
seine Infektion Bescheid weiß, kann sich und andere besser schüt-
zen und gegebenenfalls eine medikamentöse Therapie beginnen. So können wir nachhaltig und
langfristig die Infektionszahlen senken.“

IWWIT-Rolemodel
www.iwwit.de/testwochen Raphael

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hamburg

Foto: Andrey Ditzel


Äußerst beweglich: Auch die Hamburger CDU unterstützt nun die Hauptforderung des CSD 2009

Aus der Hüfte


Die Hamburger Bürgerschaft schließt sich der CSD-Forderung „Lesben und Schwule ins Grundgesetz“ an

Plötzlich geht alles ganz schnell. Seit letztem Jahr doch ihr bundesweiter Einfluss ist gering. Für eine noch intensiv diskutieren müssen“, räumt dort Fi-
wirbt der Lesben- und Schwulenverband LSVD dafür, Verfassungsänderung aber sind Zweidrittel-Mehr- nanzsenator und Landesparteichef Michael Freytag
Homo-Rechte im Grundgesetz ausdrücklich zu schüt- heiten notwendig, im Bundestag genauso wie im Bun- ein, „aber inzwischen ist die CDU eine moderne Groß-
zen. Bisherige Resonanz: schwach. Im Dezember desrat. Selbst wenn diese zustande kämen: Die Fol- stadtpartei, da hat es überhaupt keine Debatte mehr
2008 kommt Bewegung in die Sache: Viele deutsche gen blieben gering. „Mit der Änderung des Grund- gegeben.“ Roland Heintze (CDU) organisierte laut-
CSDs wollen die Forderung übernehmen, auch Ham- gesetzes erhalten Schwule und Lesben nicht ein los die Unterstützung seiner Fraktionskollegen. Auch
burg schließt sich an („Flotter Dreier fürs Grundge- Recht mehr als zuvor“, betont Bürgschaftsabgeord- er spielt die Bedeutung des Bürgerschaftsvotums
setz“). Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) neter Farid Müller (GAL), der ebenfalls für die Ham- herunter: „Persönlich finde ich es deutlich wichtiger,
erkennt die Wahlkampftauglichkeit des Themas und burger Initiative gestimmt hat. „Da durch die Bundes- die Lebenswirklichkeit schwuler und lesbischer Ju-
tingelt über die CSDs. regierung weiter diskriminiert wird, brauchen wir vor gendlicher zu verbessern, als theoretische Debatten
Mitte Juli stellt die SPD-Fraktion in der Bürger- allem die Öffnung der Ehe.“ über Formulierungen im Grundgesetz zu führen.“
schaft einen entsprechenden Antrag. Angesteckt von Überraschend ist die Zustimmung der CDU, denn Auch der Erste Bürgermeister stattete der LSU
der Pride-Stimmung verkündet Hamburgs Erster sie bricht mit einem Tabu: Erstmals setzt sich eine seinen Besuch ab, um zu betonen, dass sich eigent-
Bürgermeister Ole von Beust auf der Demo am 8. unionsgeführte Landesregierung bundesweit für lich nichts geändert hat – auch persönlich nicht: „Ich
August der Welt, es sei „an der Zeit, das Diskrimi- Homo-Rechte ein. Die CDU aber ist eine konservati- habe immer frei gelebt“, so von Beust. „Was wäre
nierungsverbot im Grundgesetz zu verankern“. Nur ve Partei. Wenn sie etwas Neues wagt, muss es so denn anders gewesen, wenn ich mich öffentlich ge-
26 Tage später stimmt die Hamburger Bürgerschaft aussehen, als sei es schon immer so gewesen. Also outet hätte? Das Ziel ist doch, dass Schwulsein keine
geschlossen für einen entsprechenden Antrag im betonen alle Beteiligten, dass der Schutz sexueller Nachricht mehr wert ist.“ Das ist Balsam auf die See-
Bundesrat – mit den Stimmen der CDU. Minderheiten schon lange ein Anliegen der Union ist. len der homosexuellen Parteifreunde – und bleibt
Ob Lesben, Schwule und Transmenschen tatsäch- Eine gute Gelegenheit bot sich am 12. September: doch ein frommer Wunsch. Am Montag darauf be-
lich einmal im Grundgesetzartikel 3 erwähnt werden, Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) trafen richtet Bild seitenfüllend vom LSU-Treffen. Die Über-
bleibt ungewiss. Zwar werben nun die Stadtstaaten sich in Hamburg zu ihrem Bundeskongress. schrift: „Ole spricht über Schwule in der Politik.“
Berlin, Bremen und Hamburg für eine Ergänzung, „Vor zwanzig Jahren hätten wir das in der Partei PHILIP EICKER

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Im Korsett
CSD-Chef Lars Peters will weiter demonstrieren

h Lars, im August hat der CSD gefordert: Homos ins Grundge-


setz. Nun hat sich die Bürgerschaft dieser Forderung einstimmig
angeschlossen. Zufrieden?
Ich freue mich! Unser Anliegen ist offenbar so gut angekommen, dass es alle
in der Hamburger Bürgerschaft vertretenen Parteien aufgegriffen haben.
Aber diese Initiative bedeutet noch lange nicht, dass nun das Grundgesetz
geändert wird. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag
und Bundesrat. Bisher haben sich nur die drei Stadtstaaten dafür ausge-
sprochen. Und die waren schon immer etwas weiter als die anderen Bun-
desländer.

h Die ganze Stadt stellt sich einmütig hinter eine CSD-Forderung.


Ist Hamburg so frei oder sind eure Forderungen zu lasch?
Auch wenn uns die Unterstützung freut – viele Forderungen der letzten Jahre
sind bis jetzt nicht erfüllt! Ich erinnere an die volle Gleichstellung der Lebens-
partnerschaft und an das Adoptionsrecht. Oder ein Hamburger Beispiel: der
toleranzfördernde Unterricht an den Schulen. Ein großer Teil unserer Sozia-
lisierung findet schließlich in den Klassenzimmern statt. Die Stadt ist in der
Pflicht, hier etwas zu tun. Wir haben also noch viele Gründe, auch in Zukunft
auf die Straße zu gehen.

h Viele Sportfans machen sich Sor-


gen um den nächsten CSD-Termin.
Er soll mit den Gay Games in
Köln zusammenfallen.
Noch gibt es keinen Termin für
2010. Wir achten darauf, dass sich
der CSD nicht mit anderen schwul-
lesbischen Ereignissen über-
schneidet. Aber wir stecken in ei-
nem engen zeitlichen Korsett: Der
Jungfernstieg ist oft belegt, im Juli
sind viele andere CSDs. Klar ist nur:
Den 30. Hamburger CSD wollen wir
groß feiern – mit der ganzen Szene. Und
dazu gehören natürlich auch die
Sportvereine.
INTERVIEW: PHILIP EICKER
Foto: Martin Stiewe

Lars Peters (36),


Vorsitzender des
CSD-Vereins
Hamburg Pride
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hamburg

Fotos: Stephan Pflug


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g
Mein
„Muss ich dich jetzt siezen?“, hat eine Klientin von Frank gewitzelt, als dass er aus dem 6er-Bus heraus das weihnachtsrote Schild mit der gol-

rie
ihr der Krankenpfleger erzählt hat, wo er wohnt. „Uhlenhorst wirkt auf denen Schrift gesehen hatte – obwohl er mit Weihnachten nur wenig an-
manche versnobbt, dabei ist es sehr gemischt“, erläutert der 24-Jährige: fangen kann. „Selbst Geburtstage finde ich leicht albern.“ Trotzdem ist

Se
„Prächtige Stadthäuser am Alsterufer, Nachkriegsmietshäuser und da- Frank oft im Weihnachtsladen und freut sich an „unnützen Dingen, die h
in
zwischen laute Straßen und eine große Tanke.“ Nicht zu vergessen: der keiner braucht, aber die das Leben schöner machen“. nerk
Weihnachtsladen von Gerda Hüsch. Den mochte Frank schon, kaum Papenhuder Str. 59, www.gerda-huesch.de

Hansekind
Frank kann nur am Wasser leben: In Uhlenhorst gibt es genug davon

Mittelpunkt Kulturerbe
Frank lebt mittendrin. Das Zwischen alter und neuer
hat er im Hamburglexikon Heimat entdeckt der Stral-
nachgelesen: Nur wenige sunder Parallelen: „Beides
Schritte von seiner Haustür sind Hansestädte, bald auch
entfernt liegt St. Gertrud. Weltkulturerbe.“ Frank
Die Kirche markiert das schätzt das Literaturhaus.
geografische Zentrum Im Literaturhauscafé findet
Hamburgs. Frank ist er alle wichtigen deutschen
kirchenfern aufgewachsen. Zeitungen – an schweren
„Aber ich komme gerne hölzernen Haltern wie im
hierher, wegen der Stille.“ Wiener Kaffeehaus.

Bei der St. Getrudkirche, Schwanenwik 38,


www.st-gertrud-hamburg.de www.literaturhaus-hamburg.de

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Vielfalt
Das Außenalsterufer lockt selbst Frank zum Laufen. Er genießt die offen-
sichtliche Vielfalt seiner Joggingstrecke: Gegenüber den exklusiven
Ruderclubs hat sich eine iranische Gemeinde in den 60er Jahren die
prächtige Imam Ali Moschee erbauen lassen.

Schöne Aussicht 36, www.izhamburg.com

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Se

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Aussichtspunkt ]
Alster und Telemichel: „Ich mag den Blick soooo gerne“, schwärmt Frank
im Anleger. Das Restaurant unter der Mundsburger Brücke bietet freie
Sicht auf Hamburgs Westen – einmal quer über die Binnenalster. „In einer
Stadt ohne Wasser könnte ich nicht leben!“ 50.'03%]+0)/7"37"504].0/$-&3("..&#-&6
Hartwicusstraße 7, www.anleger1870.de -"/7*/]%*03]%426"3&%]%(]&%)"3%:]536&3&-*(*0/
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Schwules Uhlenhorst #3*0/*].130+&$5]#63#&33:]#055&("7&/&5"

English Theatre: Hamburgs englischsprachige Bühne bringt


ihrem anglophilen Publikum oft schwule Themen näher.
Hofweg 8, www.englishtheatre.de

Café-Bistro Osito: Bären servieren Snacks und eigenen Kuchen.


mientus
Kanalstr. 9, www.cafe-osito.de N j O O F S N P E F J O C F X F H V O H
Prinsessan: Hamburgs erste Dessert-Bar setzt ganz auf Süßes. XXXNJFOUVTDPN
Hofweg 63, www.prinsessan.de

Uhlenhorster Reisedienst: Andreas Meyer organisiert Reisen – vom


Last-minute-Schnäppchen bis zum Incentive-Trip. mientus / & 6 & 3  8 " - - ÁNjOOFSNPEF BVG ESFJ FUBHFO Á OFVFSXBMM
NPTB  ÁÁXXXNJFOUVTDPNÁOFVFSXBMM!NJFOUVTDPN
Hartwicusstr. 6, www.u-rd.de

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hamburg

Die Hamburger IHWO-Gründer Claus Fischdick und Carl Stoewahs bei einer Feier im dänischen Axelhus.

Anständige Herren
In Hamburg entstand vor 40 Jahren die „Homophile Welt-Organisation“, die sogar
ein eigenes Clubzentrum betrieb – und an sich selbst scheiterte

Schwule mit globalem Anspruch waren Carl Stoe- noch versteckt und angepasst an bürgerliche Kon- tur, wie sie in Rosa von Praunheims Film „Nicht der
wahs und Claus Fischdick eher nicht. Auch wenn der ventionen, um ja nicht aufzufallen. „Scham, Sitte und Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in
Name ihres Vereins darauf schließen lässt: Kurz nach Anstand, in deren Namen Homosexuelle abgewer- der er lebt“ gezeichnet wird, konnten sich die Club-
der Liberalisierung des Strafrechtsparagrafen 175 tet wurden, waren für die meisten von ihnen positi- mitglieder nicht identifizieren.
gründeten die beiden im Herbst 1969 in Hamburg ve Kategorien“, urteilte Sexualwissenschaftler Mar- Tragisch für die IHWO: Ausgerechnet der verhass-
den deutschen Ableger der IHWO – der Internationa- tin Dannecker. te Praunheim Film und die durch ihn ausgelöste Po-
len Homophilen Welt-Organisation. Der großspurige Dabei war die IHWO in ihrem Ursprung genau hier- litisierung der Schwulenszene bildeten den Anfang
Name irritiert. „Die IHWO war nie eine internationa- von weit entfernt. In Dänemark gegründet verbarg vom Ende des Vereins, der mit den neuen gesell-
le, geschweige denn eine Weltorganisation“, betont sich hinter dem Kürzel zunächst nicht mehr als ein schaftspolitischen Realitäten überfordert war. Rai-
Raimund Wolfert, Autor eines Buches über die Ver- Pornoversand, der sich erst später politisierte. „Die mund Wolfert zeichnet diese spannende Geschichte
einsgeschichte. Das Ziel von Stoewahs und Fischdick Gründer der Hamburger IHWO dürften indes kaum in seinem lesenswerten Buch faktenreich nach. Die ei-
war etwas profaner: Sie kämpften „gegen Einsamkeit über das ursprüngliche Profil der dänischen Mutter- gentliche Überraschung dabei: Viele der damaligen
und Einsiedelei“ schwuler Männer – auch wenn sie organisation orientiert gewesen sein“, glaubt Wol- Debatten zwischen Bürgerlichen und Radikalen über
selbst den Begriff „schwul“ mieden. fert. Stoewahs und Fischdick bauten ihren Verein er- das Bild des anständi-
Die beiden waren bürgerliche Homosexuelle und folgreich auf; in seiner Blütezeit um 1973 zählten sie gen Homosexuellen er-
hatten mit der Radikalität der aufkommenden, stu- rund 800 Mitglieder und sieben Regionalgruppen in scheinen heute so ak-
dentisch geprägten Schwulenbewegung nichts am ganz Deutschland. Hamburg blieb das Zentrum: Hier tuell wie eh und je.
Hut. „Zentrales Ideal der IHWO war die gleichge- schufen die Mitglieder sich sogar ein eigenes Club- STEFAN MIELCHEN
schlechtliche harmonische Dauerfreundschaft, wie zentrum. Zunächst mietete die IHWO Räumlichkeiten
sie von den beiden Vorstandsvorsitzenden Carl Stoe- in der Bernadottestraße an, die jedoch schnell zu
wahs und Claus Fischdick vorgelebt wurde“, schreibt klein wurden. Am Rossberg 35 in Wandsbek fand sich
Wolfert. „Mit der schwulen Sau vom Bahnhof wollte ein neues Domizil, und auch dort sollte keine „von
man nicht identifiziert werden.“ Sexualität wimmernde Anonymität der einsam ste- Raimund Wolfert: „Gegen
Einsamkeit und Einsiede-
Genau darin bestand zunächst ihr Erfolgsrezept. henden Mumien“ herrschen, sondern eine Familien- lei“, Männerschwarm Ver-
Schwule Männer lebten auch nach 1969 zumeist und Gruppenatmosphäre. Mit der schwulen Subkul- lag, 220 Seiten, 16 Euro

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Absage
In seinem Lied „Pump up“ ruft
der jamaikanische Sänger Sizzla
Kalonji offen dazu auf, schwule
Männer zu verbrennen oder zu
erschießen. Auch in weiteren
Songs fällt Sizzla durch minder-
heitenfeindliche Äußerungen auf
und fordert den Mord an Homo-
sexuellen. Für den Hamburger
LSVD-Vorstand Wolfgang Preuß-
ner ein klarer Fall von Volksverhetzung. Nach Intervention des LSVD wurde
ein für November geplantes Konzert des Jamaikaners in der Fabrik gestrichen.
„Es ist vollkommen unverständlich, warum die Hamburger Fabrik den umstrit-
tenen Sänger eingeladen hatte“, findet Preußner.

Gedenken
Aus Anlass des Todestages von
Hans Henny Jahnn führt Dr. Gott-
fried Lorenz von der Hamburger
Stolpersteininitiative „Gemein-
sam gegen das Vergessen“ am
18. Oktober um 14 Uhr über den
Nienstedtener Friedhof. „Allmäh-
lich ist die Liebe unantastbar ge-
worden“ lautet die Inschrift auf
der Platte von Jahnns Grab. Treffpunkt ist der Haupteingang in der Ruperti-
straße 37. Äußerst erfolgreich verlief das Hamburger Chorfest der Stolper-
stein-Initiative in der bis auf den letzten Platz besetzten St.Georgs-Kirche.
Hier kamen 3516 Euro Spenden für die weitere Gedenkarbeit zusammen.

Bedrohung
Verliert Hamburg ein Stück sei-
ner (queeren) Clubkultur? Läden
wie das Fundbureau unter der
Sternbrücke sind von der Schlie-
ßung bedroht, da die Brücke sa-
niert werden muss. Hier findet im
Oktober beispielsweise die Film-
tage-Benefizparty „Mutanten-
stadl“ statt. Zwar haben erste
Proteste mittlerweile bewirkt, dass die Bahn eine Prüfung der Bauarbeiten an-
gekündigt hat. Doch dies ist vorerst nur ein Aufschub. Eine Online-Petition for-
dert den Erhalt der Sternbrücken-Clubs: http://www.petitiononline.com/31122009/
petition.html

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