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Die Beute 3+4/97

Minen im Nebel schwedische Polizei mehreren Ultimaten


zum Rückzug nicht nachgekommen war.
subjektiven Entscheidungsprozeß eines
Linken, der sich radikal den gesellschaftli-
Die Bundesregierung weigerte sich jedoch chen Verhältnissen entziehen wollte und
weiterhin, die Forderungen zu erfüllen. den bewaffneten Kampf als Konsequenz
Beim Sturm auf die Botschaft kam es zu der politischen Arbeit begriff. Gleichzeitig
einer Explosion, bei der das Kommando- bietet der Text einen Blick aus der Bin-
mitglied UIrich Wessei getötet wurde. nenperspektive zur Politik der RAF seit
Siegfried Hausner erlag am 4. Mai, nach Mitte der siebziger Jahre. Karl-Heinz
der Auslieferung an die BRD, seinen Ver- Dellwos Papier war ursprünglich für die
letzungen. Hanna Krabbe, Bernd Rössner, gruppen interne Diskussion gedacht und
Lutz Taufer und Karl-Heinz Dellwo wur- sollte fortführen, was alle RAF-Gefangenen
»irgendwie waren sie verschwunden. man war er Lehrling in einem Industriebetrieb,
den, zum Teil schwer verletzt, festgenom- in ihrer Hungerstreikerklärung vom
wußte nichts, nicht wann und wie, warum wurde entlassen und jobbte danach als
men. Am 20. Juli 1977 verurteilte man sie Februar 1989 als Anspruch auf freie
und wo. nur, daß ein paar nicht mehr da Fahrer, fuhr zur See und arbeitete 1972 ein
in Düsseldorf zu je zweimal lebenslänglich. Kommunikation untereinander und mit
sein können. und daß man in der unsi- Jahr als Postarbeiter in Hamburg. In dieser
Dellwo ist während seiner zwanzigjähri- politischen Gruppen draußen formuliert
cherheit nicht die reaktionäre haltung Zeit begann Dellwo die Abendschule mit hatten. Daß eine interne Diskussion des
gen Haft durchgängig Sonderhaftbedin-
wollte: sie vergessen und begraben. ver- dem Ziel, einmal Pädagoge zu werden. Im
gungen ausgesetzt gewesen. Er beteiligte Papiers jedoch nicht stattfinden konnte,
gessen heißt verraten. nun sind sie wieder Frühjahr 1973 gründete sich das Ham-
sich an den kollektiven Hungerstreiks der liegt zum einen an den politischen Diffe~
da - und haben selber alles vergessen.« burger ),Komitee gegen Folter an politi-
Gefangenen aus der RAF und führte indi- ren zen der Gefangenen untereinander,
So beginnt ein 77seitiger Text, den schen Gefangenen in der BRD und West-
Karl-Heinz Dellwo im Celler Hochsicher- viduell Hungerstreiks gegen die Haftbe- zum anderen auch an den Haftbedingun-
Berlin«, in dem er mitarbeitete. KarI-Heinz
dingungen und f).irdie Zusammenlegung gen. Jegliche interne Debatte versucht der
heitstrakt 1990 schrieb. Ausgangspunkt war Dellwo beteiligte sich an Aktionen der Staat auch heute zu verhindern. Für die
durch. Von 1981 bis zu seiner Entlassung
die Festnahme ehemaliger Mitglieder der militanten Linken, etwa an der Besetzung
Roten Armee Fraktion in der DDR: Su- im April 1995 war er, zusammen mit Knut immer noch inhaftierten RJ\F-Gefange-
eines Hauses in der Hamburger Eckhof- Folkerts und ab 1982 mit Lutz Taufer, in nen, deren Freilassung nicht absehbar ist,
sanne Albrecht, Inge Viett, Werner Lotze, straße. Bei der Räumung durch polizei-
liche Sondereinsatzkräfte wurde er im Mai Celle in einer Kleingruppe inhaftiert. bleibt die Zusammenlegung weiter eine
Ekkehardt Seckendorff-Gudent, Christine
Der auszugsweise Nachdruck des 1990 Forderung von entscheidender Bedeutung.
Dümlein, Monika Helbing, Silke Maier- 1973 festgenommen und zu zwölf Mona- Nicht nur ihre direkte Lebenssituation
ten Haft verurteilt. produzierten Textes dokumentiert den
Witt, Henning Beer, Sigrid Sternebeck
und Ralf-Baptist Friedrich. Alle machten 1975 ging Karl-Heinz Dellwo in die
sofort umfangreiche Aussagen und stellten Illegalität und gehörte zum »Kommando
sich, mit wenigen Ausnahmen wie Inge Holger Meins« der RAF, das am 24. April
Viett, die sich erst 1980 der RAF ange- 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm
schlossen hatte, der Anklagebehörde als besetzte, zwölf Geiseln nahm und die Frei-
Kronzeugen für neue Verfahren gegen lassung von 26 politischen Gefangenen
Gefangene aus der RAF zur Verfügung. forderte. Knapp zwei Monate vorher hat-
Das Ergebnis waren erneute Haftstrafen. ten Mitglieder der Bewegung 2. Juni den
So wurde zum Beispiel Sieglinde Hof- Landesvorsitzenden der Berliner CDU
mann nach zwölf Jahren Gefängnis im Juni Peter Lorenz entführt und die Aktion mit
1992 wegen Beteiligung an der Schleyer- dem Austausch von fünf Gefangenen er-
Entfuhrung abermals zu fünfzehn Jahren folgreich abgescWossen. Die Stockholmer
verurteilt. Botschaftsbesetzung endete jedoch in
Karl~Heinz Dellwo wurde 1952 in einem Desaster fur das RAF-Kommando.
einer westfälischen Kleinstadt geboren. Er Das Kommando erschoß den Militär-
wuchs in kleinen Orten der Eifel und im attache Andreas von Mirbach und den
Schwarzwald auf. Ende der sechziger Jahre Botschaftsrat HeinzHillegart, nachdem die

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nen aktion. wir wollten keine »schöner- sches leben, unsere entfremdung immer
(einige der Gefangenen sind aufgrund der des privaten und gesellschaftlichen, der auf-
wohnen-idylle« und wußten gleichzeitig, wieder neu reproduzieren mußten. der
jahrelangen Isolation erkrankt) würde ver- hebung der alten verhaltensmuster von
daß wir einen staats- und systemfreien raum begriff von der »institutionalisierung des
bessert, sondern eine Zusammenlegung mann und frau, der klassenzugehörigkeit,
erst dann werden halten können, wenn die faschismus« gab damals unser wissen vom
wäre auch der notwendige Ausganspunkt des kopf- und handarbeiters oder auch so
illegalität als hinterland existiert. ohne sie nachleben des nazi-staates und unsere er-
fur eine weitere Auseinandersetzung mit etwas wie den kampf darum, sich und ande- mußten wir als minderheit auf offenem ter- fahrung mit den neuen sozial-technologien
der eigenen Geschichte. re nicht zu belügen. der sozialdemokratie wieder. so wollten wir
Red. rain an den ungleichen machtverhältnissen
manchmal schien es ungeheuer schwer, den bruch in allem. so wollten wir in der
scheitern. die illegalität war damals nicht
dem erkannten auch das verhalten folgen zu
mehr organisiert, die raf im knast, und wir hausbesetzung lieber das gewaltsame verlie-
lassen. oft geschah es schweigsam und hatte
selber haben es uns noch nicht zugetraut. ren statt jenes durch anpassung.
zur bedingung, daß wir uns untereinander
was uns mit vielen, die in den nach- auch den raum dazu ließen. nur feinde han-
deln anders. wir kamen aus einer sozialisa-
wir hatten noch mit uns selber zu viel zu
tun, ftir eine strategische organisierung ( ...)
kriegsjahren aufgewachsen sind, gemeinsam unserer aufbruchsbedürfnissse waren wir
war, war das bedürfuis nach aufrichtigkeit tion, die zwar sehr unterschiedlich war in noch nicht reif. so konnten wir andere nur keiner von uns ist in die illegalität getrieben
vor uns selbst in unserem leben. die erfah- den äußeren bedingungen, die wir gleich- worden. das hatten wir bei uns immer
unterstützen, und einige von uns gaben
rung war, daß das innerhalb dieser gesell- wohl als verbrechen am menschen erfuh-
ende 72, anfang 73 die pässe an die ab, die bewußt so bestimmt. der staat sollte dabei
schaftsverhältnisse nicht herstellbar ist. dar- ren. wir wollten sie überwinden, und es war
damals nach einer raf-gefangenen-entlas- keine mitentscheidung haben. aus dem glei-
aus ist unser linkes politisches bewußtsein beides: sich gegen das einzelne zu stellen
sung' die illegalität neu zu organisieren be- chen grund wollten wir nicht, daß jemand
entstanden. das andere war das rechte,jenes, und der kampf darum, zusammenzubleiben gannen. die wurden übrigens von einem mit freund oder freundin in die illegalität
welches die eigenen empfindungen nieder- und eine gemeinsame offene entwicklung ddr'ler eingesammelt. wichtig ftir uns alle geht. es sollte niemand wegen jemand
machte zu sich und der ungerechtigkeit um zu haben. es war in diesen jahren das waren in dieser zeit die erfahrungen des anderen diesen schritt machen und später
uns und in der welt. die norm in der klas- gemeinsame bei uns nicht gebrochen. spk' mit seiner bestimmung »aus der krank- vielleicht seinen eigenen grund nicht mehr
sen- und konkurrenzgesellschafi:, nach oben (...)
heit eine waffe machen«. beschädigt waren kennen. es sollte die entscheidung aus der
zu kommen. in diesem dreck wollten wir
wir alle, und wir begannen gegen den eigenen entwicklung sein. wir haben unse-
nicht versinken. das würde ich als beginn unsere hausbesetzung in der eckhofstraße selbsttotschlag des »selbstverschuldet« die re beziehungen deshalb vorher auch abge-
unserer bewußtwerdung bezeichnen. war von den meisten von uns von anfang an
gesellschaftliche bedingtheit dessen zu er- schlossen. das geschah zu dem zeitpunkt, als
politisch wurde das bedürfnis in der als aussichtslos betrachtet worden. wir
kennen. und daß wir, integriert in ein fal- der widerspruch zwischen unserem wissen
bestimmung der aufhebung der trennung waren voller widersprüche zu unserer eige-

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zuschauerzaun sahen später darin eine star- selber hinterherhingen und in der wir uns
über uns und die gesellschaft/staat und wie nicht mehr fortsetzbar. es gab in ihr nichts,
re haltung und sprachen von kamikazemen- immer ausgehungerter fanden, blöde ge-
wir darin lebten und bisher gekämpft hat- woran ein revolutionärer prozeß entwickel-
talität. aber zum einen hat es damit zu tun, macht im fehlenden lebenssinn und umge-
ten so herangereift war, daß wir im alten bar gewesen wäre. dazu war die zeit nicht
daß wir noch keine erfahrung fur diese schlagen oft in selbsthass, zum scWuß nur
nicht mehr zu hause waren. dort trotzdem reif. das alles verlassend, war es zu anfang in
stufe des befteiungskampfes hatten; aus der noch gehaßt haben. das leben der vergan-
zu verharren, hätte das bisher erkämpfte bei der illegalität ziemlich einsam und leer,
legalität kommend haben wir ja sozusagen genheit zu verlieren war kein verlust. eines
uns, relativ identisch zu sein mit dem, was auch gab es nicht viel an struktur und wir aus dem stand heraus die damals zentralste in der zukunft zu gewinnen gegen die
wir wollten und taten, wieder zerstört. ich waren sehr wenige. aber wir hatten unser
machtfrage mit dem staat gestellt. deshalb macht, die das alles wie immer auszutreten
wußte damals, daß ich jetzt gehen muß und ziel und begannen zu spüren, daß wir hatten wir uns auf eine aktion konzentriert. entschlossen war, zwangsläufig mit der
daß das mein teil dafur ist, eine grundlage boden unter die fUße kriegten. von da ab
wir wollten nicht die fehler der gruppe gefahr des völligen scheiterns bedroht. mir
herzustellen, auf der wir uns und andere fur war alles einfach, das finden im denken
73/74' vor uns wiederholen, uns solange in waren die konsequenzen relativ egal. das ist
den kampf um eine offene zukunft wieder- ebenso wie das erledigen der praktischen der strukturlegung zu verlieren, bis wir eine bedingung der illegalität. sie kamen, oft
finden können. es ist mir nicht leicht gefal- aufgaben. wir hatten eine ahnung von uns durch irgendeinen fehler möglicherweise sah man sie hellsichtig voraus, man mußte
len, nicht nur wegen der vielen unsicher- in freiheit bekommen. fur mich war das die vor der aktion verhaftet werden. zum ande- sie in kauf nehmen. wir spürten, daß wir
heiten, ob die eigenen fähigkeiten fUr das zeit, ab der ich wußte, daß wir die macht-
ren war der angriff, der die machtfrage sonst eh untergehen würden. aber wir woll-
ausreichen, was nun vor uns stand; lang- frage stellen können und werden. stellt, damals als politischer durchbruch, als ten diesen kampf fur eine befreiungsper-
fristig waren auch die perspektive der gue- unsere aktion in stockholm war das, was versuch, eine politische sperre der linken spektive wenigstens versuchen.
rilla und die mit ihr verbundenen gesell- wir damals konnten. ob sie durchkommt, aufzuheben, notwendig. wir hatten es diese bedingungslosigkeit war bei holger
schaftlichen prozesse mir undeutlich. vor blieb mir zweifelhaft, und letztlich war am damals auch eilig. das scheitern der aktion meins' die grundlage: »bei aller liebe zum
allem aber deswegen, weil ich in unserem abend der besetzung niemand von uns sehr haben wir daraus immer auch nur als halbe leben - den tod verachten. das heißt. fur
alten zusammenhang zum ersten mal das überrascht, als klar war, daß die aktion auf niederlage begriffen. mich: dem volke dienen.« und: »mensch
gefuW hatte, daß das ein leben ist. es war bei ihr unmittelbares ziel bezogen scheitern ( ...) oder schwein« - das bestehen auf eine
uns gewesen, auch habe ich die meisten um wird. es war nicht das einzige ziel. die kon- grundsätzliche eindeutigkeit im leben. die-
mich herum geliebt, widersprüchlich, krete bestimmung war, daß wir die gefan- hinter uns lag unsere kindheit und jugend, ses »dem volke dienen«, was von heute aus
schmerzhaft und elend manchmal auch, genen rausholen oder eben ein politisches die wir wegen des fehlenden bruchs zur gesehen einen idealisierten klang hat, da-
aber wir hatten eine wesentliche stufe unse- verhältnis materialisieren zum staat und zu
nazi-vergangenheit, die allem anhaftete, der mals aber noch ein subjektives geftihl aus
rer politischen und sozialen emanzipation unserer eigenen befreiung, die kein zurück flucht in die konsumwelt, der wir zeitweise der studentenbewegung in kristalliner form
durchgekämpft. in der legalität war das mehr will. schlaumeier hinterm linken

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zum ausdruck brachte, hatte genau das zum ende 71, habe ich mich immer dafür ge- heit über uns brachte. zeitweilig versuchten widerstandsqualität nicht in der lage sind.
wir die theoretischen defizite durch schu- aber unsere politisierung umfaßte unseren
inhalt: die entscheidung zu denen hin, die schämt und davon distanziert, aus dem land
der nazi-schweine zu kommen. auch wenn lung aufzuheben, aber nach dem dritten eigenen aufbruch, und so lähmte der im
ausgebeutet, unterdrückt und um ihr leben
wir sie nicht kritisiert haben, oft aus einem mal kapital-lesekreis blieb ich z. b. diesem gefängnis vorgeführte terror nicht. ebenso-
betrogen sind, die zugleich wir selber
waren. auch wenn jene ihre fremdheit darin fern. wir fanden uns darin genauso ent- wenig wollten wir den, faschismus, der sich
begrifflich noch nicht zu fassenden gespür,
so hatten wir im unmittelbaren viel mit den fremdet wie in dem anderen versuch, uns daran zeigte, wie die .generation vor uns
noch als natürlich fanden, und das auch
gewisse technische fähigkeiten anzueignen. verdrängen. das war die zeit, wo wir in
gegen uns. das war egal. eine bedingungslo- undogmatischen gruppen gemeinsam. ge-
se solidarität. eben: ein liebesverhältnis. nur wir mußten für die situation lernen, in der einen nicht mehr zu verdrängenden wider-
trennt hat uns, daß sie oft in der politik ein-
das hält die zukunft offen. theorie' und praxis. nur so blieb es bei uns. spruch zu unserer bisherigen politischen
fach ihren stimmungen nachgingen und
wir haben uns von beidem getrennt und in arbeit gerieten. die fortsetzung des alten
politisch kamen wir alle nicht mehr un- weil wir irgendwann eine verbindliche
der komitee-arbeit in der unterstützung der wäre die preisgabe von uns selbst gewesen.
mittelbar aus der studentenbewegung, auch politik gegen den staat wollten. sie wollten
wenn der eine öder die andere sie am rande ihn eher lächerlich machen. von da aus hat raf-gefangenen das gemacht, wo wir von hier war für einige von uns der punkt
der politisierung unserer emotionen und erreicht, von dem wir »springen« mußten,
noch miterlebt hat. die meisten von uns uns die raf ungeheuer angezogen. unterstüt- unseres bewußtseins her damals bei uns die zeit gekommen, selber auf dem niveau
waren aus der ferne von ihr mobilisiert, und zung hätten wir ihr von anfang an schon waren. der guerilla zu kämpfen. den anderen zer-
als wir da waren, war ihr niedergang schon gerne gegeben. ähnlich war es mit den palä- was als eine art befreites terrain in der
stinensern. mit der aktion des »schwarzen fielen die komitees, da sie den widerspruch
vorangeschritten. unsere emotionen und
eckhofstraße damals nicht realisierbar war, selber in sich spürten. das gefühl oder das
unsere zu bewußtsein drängenden vorstel- septembers« in münchenS waren wir gleich
nicht nur, weil wir isoliert gegen die repres- wissen, vor sich selber in seiner praxis wahr
lungen fanden sich in dem, was von ihr ver- solidarisch. die aktionen der raf waren kon-
sion blieben, vor allem, weil wir uns von zu sein, war zerbrochen. so sind sie dann
blieben war, nicht mehr wieder. die eman- kret und haben zu unmittelbaren fragen die
dort sozial in der alltäglichkeit der gesell- später auch nachgekommen. angetrieben
zipativen inhalte der studentenbewegung machtfrage aufgeworfen. an ihnen war ein-
schaft nicht multiplizieren konnten, wurde wurden wir auch von dem zerfallsprozeß
waren entweder theoretisch geworden oder fach zu entscheiden, wer recht und unrecht
das komitee politisch: die arbeit an den raf- der linken. auf der veranstaltung in ham-
auf einen kleinen lebensausschnitt des hatte. ihre herausforderung besaß die stärke
gefangenen verband uns mit einer langfri- burg nach dem tod von holger forderte
systems zuruckgeschnitten. auf das system moralischer legitimität. politisch gesehen ist
stigen revolutionären perspektive, und der irgendein sprecher der kpd/ao die raf-
als ganzes bezogen war ihre praxis nur noch es das operieren im legitimationsdefizit des
kampf gegen die isolation ermöglichte eine gefangenen auf, ihren hungerstreik abzu-
theoretisch befreiung und im realen leben staates gewesen: postfaschistischer staat,
politische mobilisierung von teilen der lin- brechen, und schwafelte etwas von einer
des einzelnen fremd. das galt dann auch rur kriegsimperialismus in vietnam und »neue
ken und vertretern des bürgerlichen anti- perspektive, in der die arbeiterklasse die
uns im alltäglichen. der »marsch durch die repression«. aus der 68er-politisierung der
imperialismus bis in die humanistischen be- gefangenen befreien würde, es war die auf-
institutionen« war für uns nichts, und die k- gesellschaft hatte das eine relative akzep-
reiche hinein. darin sind wir auch persön- forderung an die gefangenen, vor der isola-
gruppen mit ihrer 20er-jahre-maskerade tanz. und sie hatte zugleich in der illegalität
konnten nur abschrecken. wir wollten lich weitergekommen. wir hatten die ganze tion, also der macht des staates zu kapitulie-
einen befreiten raum für das leben jetzt ren. und ebenso an die linke. bei denen war
zeit im kopf, daß es letztlich um die befrei-
etwas, was zugleich unmittelbar befreiung geschaffen, aus dem alles möglich schien,
ung der gefangenen ging. wir wollten, daß das kalkül von buback aufgegangen. unser
und langfristig perspektive enthielt. der nach der notwendigkeit bestimmte an-
das kennzeichnete uns damals: über uns der aufbruch weiterging, und wußten, daß ziel war eh die illegalität, und da wir keinen
griff und in der kollektivstruktur ein ver-
etwas herausfinden und uns verändern zu wir alle es sind, die dort im gefängnis zer- toten mehr unter den g~fangenen wollten,
hältnis untereinander, dem man für die
brochen und niedergemacht werden soll- hieß das, die entscheidung jetzt schon zu
wollen in der unmittelbaren politischen eigene veränderung trauen konnte. sie hatte
ten. treffen. seinen ausdruck fand das damals in
praxis und langfristig der anspruch, das die gedankliche präzision der studentenbe- die komitee-arbeit war mit dem tod von der erklärung, die dem hungerstreik ein
system als ganzes bekämpfen zu können. wegung in eine praxis transformiert, die die
holger" inhaltlich an ihrem ende angelangt. ende setzte: »wir nehmen euch diese waffe«
mißtrauisch gegen unsere emotionen, de- vielen trennungen, die uns zerrissen, aufzu-
das einfach weiterzumachen wäre nur ver- - weil die konfrontation jetzt unsere war.
nen alles mögliche aus der vergangenheit heben ermöglichte. aber es schien uns für
anhaften konnte und die wir nur be- drängung gewesen. buback' hatte uns eine es gab damals und lange jahre später die
uns noch weit. von unseren fähigkeiten her,
leiche vorgeworfen in dem kalkül, daß wir kritik, die die raf als »befreit die guerilla-
schrän~t zuließen aus angst, es kommt ein vor allem bei der frage, in allen situationen
dreck hoch, den wir zu bewältigen noch daran resignieren. den gefangenen sollte der guerilla« bezeichnete. leider ist davon später
die richtige politische antwort zu finden,
nicht stark genug sind, und voller abwehr kampfWille gebrochen werden, und bei uns in der landshut-aktion8 etwas wahr gewor-
fanden wir uns dagegen noch klein. uns
rechneten sie damit, daß wir zu einer neuen den. aber die grundsätzliche bestimmung
gegen jede systemintegration: in england, fehlte ein politischer prozeß, der uns sicher-
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für die befreiung der gefangenen war eine eine exemplarische aktion. befreiung aus politik machen, die guerilla war ein gegen- revolutionäre ansatz hätte deswegen neu
andere. zum einen wußten wir, daß die ge- dem gefangnis als mikro modell des gesell- satz, der die eigenen, zum reformismus ten- entwickelt werden müssen, aus den bedin-
fangenen als ausdruck der hier seit jahr- schaftssystems, die gefangnisrealität nicht als dierenden politikvorstellungen ständig in gungen hier in der metropole fur die men-
zehnten zum ersten mal neu entstandenen erscheinung, sondern als von allen politi- frage stellte. die guerilla selber, die damals schen. aber die waren eben noch nicht so
revolutionären fundamentalopposition schen vermittlungen entkleideter kern des neu entstand, konnte sich mit dem nicht herangereift, daß eine sie grundsätzlich auf-
durch das isolationsprogramm zerstört wer- kapitalistischen gesellschaftsmodells - darin verbinden. es war dort nichts, was sie trug. hebende gegenvorstellung deutlich' und
den sollten. ulrike im toten trakt in köln- konnten wille und möglichkeit zur befrei- sie mußte sich selber eine neue basis schaf- vermittelbar gewesen wäre. in unserem
ossendorf, der nicht einmal über den sub- ung überhaupt sichtbar werden. aber ge- fen. sie hatte dann auch auf die kommuni- prozeß wegen der stockholm-aktion waren
jektiven irrtum des ȟberzogenen sicher- nauso wichtig war die gefangenenbefreiung kation mit' dieser linken zur bestimmung wir bereits auf diese schwierigkeit gesto-
heitsinteresses« zu verdrängen war, hatte als antwort auf die niederlage von 72; das einer gemeinsamen revolutionären praxis ßen. croissants einstellungsantrag führte
bereits alles gesagt. buback und posser, der gefangnis sollte nicht die letzte bastion des keinen wert gelegt. die voraussetzungen nochmal die verbrechen aus dem vietnam-
nordrhein-westfalische justizminister, haben systems sein, welche ihm sicher ist. wir waren nicht gegeben, die zumindest, daß krieg vor und die gegen die gefangenen.
sich hier in der bewußten entscheidnung wollten die machtfrage des aufbruchs fur alle eine revolutionäre perspektive wollen. aber vietnam war vorbei, und auch die ver-
für ihre zerstörung getroffen. das ging so uns entscheiden und darin gewiß auch uns uns hatte sich die frage ohnehin nicht treter des neuen blocks an der macht setz-
weit, daß sie einen zwangsweisen eingriff in und anderen beweisen, daß es langfristig konkret gestellt. die bestimmung, die politi- ten sich davon ab. und aus der inneren
ihr gehirn planten. gegen das system einen sieg geben kann. schen gefangenen zu befreien, war für uns repression war der guerillakampf als soziale
auch das unterschied uns von allen anderen zu keinem zeitpunkt diskutabel. diese ver- gegenstrategie nicht ausreichend begrün-
( ...) gruppen, die hier einmal an der frage des suche sind aus sich heraus legitim. es war det. der bezug auf die verbrechen des impe-
bewaffneten kampfes dran waren. nicht der privatkrieg der raf. die drinnen rialismus nach außen und die repression
wir wußten, was in den gefangnissen abläuft waren, hatten fur uns alle alles eingesetzt. es nach innen gab ja auch unsere eigenen auf-
und daß das kein mißstand war oder einzel- ( ...) dabei zu belassen, ist die haltung armer bruchsgründe nicht ausreichend wieder. die
aktionen des gefangnispersonals. es waren schweine. die nach uns kamen, haben zwei- lagen ursäcWich darin, daß wir das leben in
von der politischen führung und der justiz das verhältnis zwischen guerilla, ihrer klei- fellos aus unserer aktion die notwendigkeit diesem system aus seiner zurichtung für die
gewollte und gedeckte bre{:hungsversuche. nen basis und der linken entwickelte sich gezogen, der guerilla eine langfristige struk- welt der ware als völlig sinnlos erspürten
damals wie eine offene schere auseinander. tur und eine viel breitere interventions- oder erkannten, als für uns ungelebter ver-
in der bundesrepublik hat scWießIich das
für die meisten dort war der aufbruch keine möglichkeit zu geben. die objektive politi- brauch unseres lebens. nur war das damals
bundesverfassungsgericht mit seinem be-
rüchtigten bescWuß folter verrechtlicht.9 persönliche kategorie mehr. zusammenge- sche schwäche der guerilla, primär nur noch schwer zu fassen als auf die grundbe-
gegen die raf-gefangenen verhielten sich halten wurde das verhältnis nur noch durch ihren eigenen politischen willen und die dingung der gesellschaft zu bestimmende
alle institutionen wie unter kriegsbedin- die gefangenen. zum einen, weil die gefan- systementwicklung der zukunft zur basis zu positive setzung.
gungen. und wir wußten, daß der wider- genen damals direkt aus ihren eigenen rei- haben, konkret aber auf wenig gesellschaft- zu fassen war die subjektive seite, daß wir
stand der gefangenen dagegen - und ftir das hen kamen und das umgesetzt hatten, was liche reife fur einen revolutionären prozeß das nicht mitmachen und auf unser eigenes
halten und entwickeln ihrer politischen in der aufbruchphase 68 viele für sich im zu stoßen, konnten sie nicht lösen. in dem leben bestehen. das aber hätte eine vorsich-
substanz - legitim ist. schutz der gefange- kopf hatten. das war von diesen linken aus sozialdemokratischen roll-back auf die tige umsetzung des bewaffneten kampfs
nen konnte hier nur noch von außen kom- ein moralischer zusammenhang, der aber 68er-bewegung war zu viel verschüttet bedingt. eine, die sich nicht von allen bis
men. und »außen« hieß hier die guerilla. auch durch immer mehr gesetzte »bedin- worden. das »modell deutschland«, die dahin bewußten oder erlittenen widersprü-
denn die linken waren keine kraft. das war gungen« für die solidarität am bröckeln war. mischung aus repression und eben auch chen hier abtrennt. gelaufen ist es anders.
eine frage an uns selbst. und natürlich: frei- zum anderen, weil man das faschistische nebeninhalte der protestbewegung inte- der bewaffnete kampf ist zur eskalation zwi-
heit! denn nur '[ur eine blöde welt ist die potential des staates sah, welches sich in der grierende modernisierung der gesellschafts- schen uns und dem staat geworden, die sich
schöne haftzelle ein kampfziel. das war der behandlung der gefangenen äußerte. aber es grundlage, in ihr auch das bemühen, sich spiralförmig entwickelte, innerhalb und
tiefere grund ftir unsere illegalisierung: daß war damit keine revolutionäre solidarität von oben von der nazi-vergangenheit abzu- außerhalb der knäste. der rest der gesell-
befreiung gegen das system möglich bleibt. mehr, eher mehr eine links-sozialistische. als setzen, fand auch in der linken wirkung. schaft blieb als von uns zu suchendes sub-
das wollten damals auch die, die später in opfer sollten die gefangenen solidarität was sich später als »grüne« formierte, nahm jekt außen vor. in bochum'o, am abend der
die ddr gegangen sind. bekommen, als gefangene guerilla nicht. das ja so an: »ab jetzt ist alles anders, wir scWeyer-entfuhrung; nachdem wir gerade
ftir uns war die gefangenenbefreiung mit den opfern konnte man seine eigene können in diesem staat mitmachen.« der den am brutalsten verlaufenen hungerstreik

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noch stehen konnte und was unter uns mal gen über stärke und bewaffnung unseres möglichkeit aktuell verfugt. hinzu kam, daß
überhaupt abgebrochen hatten - die bun-
kommandos. eine funfte verlängerung des das politische bindeglied zwischen der raf
desanwaltschaft hatte die 3 monate beste- gefaßt war als das »moralische ticket«, wel-
ultimatums wäre lächerlich gewesen. die und der gesellschaft, hergestellt durch die
hende zusammenlegung in stammheim ches die raf besitzt. die gesellschaft war
situation, so wie sie war, aber einfach zu gefangenenkämpfe, die härte dieser kon-
wieder zerschlagen -, fand ich die durch- darin als adressat für uns von uns verworfen.
das war zwar nicht die absicht dieser 77er- belassen und die räumung nach den ultima- frontation nicht trug und die verbindung
ftihrung der aktion als »zu hart« ftir das, was
ten nicht durchzusetzen, hätte erübrigt, die sprengte. der armselige distanzierungszug
wir bisher in der gesellschaft politisch mo- offensive und dieser einzelnen aktion, aber
forderung nach dem gefangenenaustausch linker intellektueller und »marxistischer«
bilisiert hatten. eine angst, daß draußen alles es war die verselbständigte folge einer
zu stellen. sie wäre genausowenig ernst ge- professoren 77, um in bann bei der macht
überzogen wird. was auf unserer seite stand, immer neu hochgeschraubten eskalation,
nommen worden. das war von uns ein pla- devote erklärungen abzuliefern.t2 die regie-
oft schon nur noch über die eigenen, nach deren dynamik der gruppe aus der hand
nungsfehler. wir hatten aus der analyse des rung war insoweit nur mit der guerilla kon-
außen behaupteten politischen ansprüche geglitten ist. sie hatte ihren eigenen prozeß
schwedischen polizeiverhaltens anhand frontiert und zog die konfrontation in der
gezwungen, brach daran ein. die landshut- nicht ernst genommen und sich der schein-
anderer in schweden abgelaufener aktionen hoffnung in die länge, daß dem fahndungs-
entftihrung gab dann schlußendlich das stärke oberflächlicher erfolge, den möglich
die annahme zur grundlage, daß sie sich apparat die gewonnene zeit zur gegen-
alibi, statt gegen den staat die widersprüche gewordenen angriffen, hingegeben. auch bei uns zurückzieht. als sie das nicht schlagsmöglichkeit wird oder die guerilla in
gegen uns zum zentralen zu machen. das nimmt man die stockholmer aktion als
tat, waren wir in einem reaktionszwang, der dem versuch, das kräfteverhältnis ftir sich zu
war dann auch ein bankrott der linken. gegeben - eine grundsätzliche kritik träfe uns so oder so schaden mußte. mit großer wenden, einen fehler begeht.
wenn die zeit noch nicht so herangereift die aktion als ganzes, also darauf, sich sozu- anstrengung, nicht ungefährlich fur das viel schwieriger als das organisieren von
ist, daß das bild einer befreiten zukunft sagen auf »offenes gelände« begeben zu ganze, hätten wir diese situation vielleicht operationen in der illegalität ist die ent-
schon wie eine landschaftskontur hinter haben -, so war aus einer immanenten be- anders noch klären können. statt dessen scheidung, eine konfrontation zurückzuho-
leichtem nebel vor den menschen auf- trachtung die erschießung des militär- haben wir eskaliert. len. man hat soviel reingesteckt in die
taucht, wird der subjektive wille zur allei- attaches am nachmittag ein politischer feh- in der offensive 77 ist in einem viel arbeit, man weiß, alles neu zu bestimmen
nigen kraft, die undurchsichtige zukunft zu ler, da sie der regierung die ablehnung der größeren maßstab etwas ähnliches gelaufen. und zu organisieren wird länger brauchen;
durchdringen. das. ist nicht falsch, das kann austauschforderung erleichterte. die sachla- zuerst kam das attentat auf buback. das war und dann war noch die situation der gefan-
ftir einen aufbruch ausreichend sein. aber es ge in kürze dargestellt war: wir hatten den als antwort auf die vernichtungsstrategie in genen da. später wußte man es dann. es
hat zur bedingung, sich langsam vorzutasten 3. stock der botschaft unter kontrolle, die
den gefangnissen und auf die schauprozesse wäre damals richtig gewesen, die offensive
und den kontakt zum eigenen aufbruchs ort schwedische polizei den rest des gebäudes. vermittelt. dem konnte sich auch die regie- in ihrem festgefressenen stadium zu unter-
als sicheren bezugspunkt nicht zu verlieren. zwei versuche von ihr, in den 3. stock zu
rung nicht entziehen. die zusammenlegung brechen und sie grundsätzlich neu zu
sonst steht man auf einmal alleine mitten im gelangen, mußten wir bewaffnet abwehren. in stammheim kam danach. dann der mit bestimmen auf einer politischen basis, die
nebel, hat die richtung verloren, aus der auf dauer konnten wir uns solche schie-
seinem tod endende entfuhrungsversuch die guerilla mit teilen der gesellschaft neu
man kam, und weiß aus der verlorenen ßereien nicht erlauben, da uns irgendwann von ponto." damit hatte die elite hier schon verbindet. statt dessen wurde auf die eh
ortskenntnis nicht mehr genau, wohin man die munition ausgegangen wäre. vor allem das verloren, was ihr als konsequenz in der schon hocheskalierte offensive eine neue
nun weiter vorstoßen soll. aber konnten wir nicht hinnehmen, daß sie
konfrontation um die befreiung der gefan- eskalation gesetzt, die alles kippte. die von
das ist 77 gelaufen. ein vorstürmen, eine uns so nah umstellt und darin die fur sie der raf zu verantwortende landshut-ent-
genen erst drohen sollte. die illegalen ver-
eskalation, die hinter einem abbrach, und günstigsten optionen in der hand hat. wir loren darin eine operationsmöglichkeit. fuhrung durch ein palästinensisches kom-
plötzlich war· alles terrain verloren außer haben dann 4 ultimaten gestellt, daß sie die zwischendrin der versuchte raketenwerfer- mando. ein teil derjenigen, die die Offensive
dem, wo man gerade stand. botschaft räumt. die schwedische polizei ausmachten, war nun auf offenem terrain.
anschlag auf die bundesanwaltschaft als
zwischen der bestimmung »dem volke zog sich nicht nur nicht zurück, sie legte reaktion auf ihre eskalation nach ponto ftir die regierung war damit gar nicht mehr
dienen« und der politischen realität der geradezu ein dummdreistes verhalten an das »ob«, sondern nur noch das »wie« sie
gegen die gefangenen. dann die schleyer-
landshut-aktion,· es einfach als mittel zum den tag. nach dem dritten ultimatum wurde
entführung. strategie bedeutet die summe drankommen die entscheidungsfrage. poli-
zweck zu benutzen, war keine politische der attache geholt, um den ernst der lage zu
verschiedener wege und ausweichmöglich- tisch war diese aktion eine katastrophe. in
vermittlung mehr möglich. hier hat sich die verdeutlichen. seine aufforderungen an die
keiten zum ziel. die regierung hat danach den urlaubern machte sich die guerilla das
politik der guerilla den vorher falschen vor- schwedische polizei als wie auch an den
drauf gesetzt, daß die raf aufgrund des mit volk zum angriffsziel und gab der regierung
würfen wie den der »befreit die guerilla- unten verbliebenen nächst ranghöchsten allem ohnehin schon verbundenen kräf- eine breite zustimmung, sie mit allen mit-
guerilla« angepaßt und daraus das schmale botschaftsvertreter, die botschaft zu verlas-
teaufWandes über keine weitere operations- teln zu bekämpfen. diese wußte das auch
eigene terrain verwüstet, auf dem sie vorher sen, beantwortete sie ausschließlich mit fra-
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Mitten im Nebel

deren aufhebungszustand aber noch nicht gekümmert und uns damit auch von einer
auszunutzen. das ergebnis dieser offensive: stration wie gedacht an: als freibrief. von
angekommen zu sein, vorsichtiger, gewiß kritik von außen abgeschnitten. sie hätte
ein sieg des militärischen staatsapparats und köln nach bochum zur brechung dieses
damit auch langsamer vorgegangen. das galt helfen können, den kampf als fur alle ge-
ein verlorenes kommando in mogadischu, streiks verlegt, war ich an der dort nun ab-
fur die meisten von ihnen, die ebenso wie meinsam zu halten. der strategische rahmen
in stammheim die toten, die machtfrage an laufenden gewaltorgie darauf eingestellt,
wir in stockholm einen riesensprung ma- der 68er-bewegung waren die befreiungs-
den gefangenen gescheitert und die gueril- daß sie uns totschlagen. in hamburg die
chen mußten, von ihrer bisherigen praxis kämpfe im trikont. an den sozialen sinn, den
la selber moralisch und politisch isoliert. gleiche brutalität und aus anderen gefäng-
zur organisierung des guerillakampfes. wir man dort sah oder hinprojiziert hatte, waren
hätte es noch c;inen fahndungseinbruch in nissen ähnliche nachrichten. das war alles in
haben uns selber den anspruch gesteUt, den die eigenen aufbruchsbedürfnisse gegen die
die illegale struktur hier gegeben, wäre es berichten nach draußen gegangen; sie innere realität hier gebunden. dort wurde
bewaffneten kampf auf der gleichen politi-
rur uns sozusagen der »gau« gewesen. wußten, wie es um die gefangenen stand, der kampf gegen den imperialismus auf
schen höhe rur uns zu beginnen und fur die
insbesondere konzentrierte sich der haß auf
raf fortzusetzen, auf der die gründergruppe dem höchsten niveau ausgetragen. nachdem
( ...) die stammheimer. schon während der
inzwischen war. sie kam aus der politisie- der kriegsimperialismus in vietnam grund-
stockholm-aktion war croissant von einem
rung der 68er-mobilisierung mit deren spe- sätzlich geschlagen war, zerfiel dieser »stra-
im april 77 hatten wir das legitimations- zeugen berichtet worden, was jener als zifischer erfahrung, was imperialismus nach tegische rahmen«. zum staat sich umwan-
defizit des staates gegen die offengelegte gespräch von zwei wärtern aus dem 7. stock innen und außen ist. im gefängnis mit einer delnd, waren die befreiungsbewegungen
behandlung der gefangenen in der haft und mitgehört hatte: vor einer freilassung, sagte hochentwickelten vernichtungsstrategie mit dem aufbau auf zerstörtem terrain kon-
in den prozessen in der durchsetzung der einer, werde er sie erschießen und wegen konfrontiert, hat sie besonders die subjek- frontiert. ftir sie war das nötigste an lebens-
zusammenlegung in stammheim ftir uns einem »affektzustand« allenfaUs ein jahr im tive struktur der befreiung, die der kollek- bedingungen fur die masse schon ein fort-'-
gewendet. das attentat auf buback hatte da knast sitzen. diese berechnung hätte aufge- tivität, entwickelt und konstituiert, ebenso schritt. fur ihre eigene befreiung erkannte
nichts ändern können fur den staat. er war hen können. im sommer 77 wußten alle, die linke darin nicht mehr viel und verlor
ihren neuen begriff von faschismus, was
der organisator von allem. nach ponto daß von der guerilla die befreiung der aufgrund der realen trennung in haft eine so auch die verbindung. selber hatte sie
begann die gegenbewegung des apparates. gefangenen versucht werden wird. auch besonders intensive anstrengung, aber auch dann nur noch eine hochentwickelte er-
in nordrhein-westfalen waren wir gerade von da der totschlagreflex. wir haben diesen ein besonders entwickeltes ergebnis war. es kenntnis über das, was imperialismus nach
im hungerstreik, um ftir uns selber die hunger- und durststreik dann am 2.9.77 zeigt sich an der inhaltlichen tiefe ihrer außen ist, und ein sehr subjektives radikales
zusammenlegung zu bekommen. nach dem abgebrochen. texte, in denen man auch heute noch den aufbruchbedürfnis. was sie nicht hatte, war
tod von ponto sagten uns die gefangenen seit ihrer festnahme gab es eine reale zer- prozeß einer befreiung wiedererkennen die vorstellung, wie sie hier den gesell-
aus stammheim, daß wir abbrechen sollten. störungsabsicht gegen die gefangenen, die schaftlichen umwälzungsprozeß in gang
kann. ich kenne auch keine guerilla, der es
sie beftirchteten, daß der apparat aus rache mit hohem materiellen aufWand verfolgt, nach ihrer völligen gefangennahme gelun- setzen kann. daran höhlte sich sowohl das,
fur ponto einen von uns sterben läßt. wir nach außen aber immer abgestritten wor- gen ist, sich politisch aus dem gefängnis zu was sie über die realität hier einmal erkannt
haben das dann gemacht. aber es war nichts den ist. im sommer 77 schlug das in eine befreien und draußen neu entstehen zu las- hat, als auch ihre subjektive radikalität aus.
mehr aufzuhalten. eine woche später insze- offen vertretene vernichtungsabsicht um. sen. der raf ist es gelungen, und vielleicht der aufbruch gegen das ganze system zer-
nierte die bundesanwaltschaft über die ge- während der schleyer-entfuhrung wurde gelingt es heute auch noch der grapo.'4 fiel. er wurde allenfalls, wie von den k-
fängnisleitung in stammheim einen zusam- die geiselerschießung der gefangenen wo- gruppen, als tote politische fassade vor sich
menstoß, aus dem sie sofort die gruppe dort chenlang in aUen medien diskutiert. reb- (...) her getragen. das einzige, was eine gesamt-
auseinanderriß. die gerade erkämpfte zu- mann forderte sie öffentlich, andere taten es
gesellschaftliche realität faßte, war die frau-
sammenlegung wurde wieder aufgehoben. ihm nach. das gehört zum hintergrund der
das fehlen einer ent~chlossen verfolgten enbewegung. aber das war ein anderer
der apparat versuchte, sein verlorenes ter- entscheidungen der illegalen.
entscheidung, sich nach der entstehung der hauptwiderspruch, der letztlich bis' zum
rain wieder zurückzugewinnen. darauf wichtiger als dies jedoch - denn eine
guerilla als antiimperialistische die bedin- kapital auch nicht vordrang und bei der
haben alle gefangenen mit einem hunger- guerilla muß das handhaben können, sie
gungen der metropole zur erweiterten gleichheit vor der ware stehenblieb. die raf
und dllrststreik geantwortet, der zu dem darf sich nicht vom feind antreiben lassen -
grundlage zu machen, war dann teil der war in dieser situation eine gute konse-
brutalsten dieser art in der ganzen bisheri- erscheint mir ein anderes problem: die ille-
ursache unserer isolierung wie ebenso teil quenz: damit befreiung in den metropolen
gen haftzeit wurde. rebmann'\ von der bun- galen haben die eskalation nicht aus ihrer
der ursache, daß der von uns in gang ge- selber irgendwann einmal wahr werden
desregierung flankiert, propagierte in eigenen politisierung heraus bestimmt. sie
setzte prozeß unseren händen entglitt. wir konnte, mußte sich der aufbruch hier ein
öffentlichen stellungnahmen den tod von wären aus dem widerspruch, aus der lebens-
haben uns nicht um die linken bewegungen strategisches konzept schaffen. es hat den
gefangenen. es kommt unten in der admini- realität der metropole heraus mobilisiert, in
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ich mich umgebracht. mit dem als hinter- die wirkung der raf in den ersten jahren war
zerfall der linken nicht aufgehalten, aber jede generation wird nur einmal, daftir um grund ist eine befreiung nicht mehr mög- auf die gesellschaft, vor allem den staat,
überstanden, inhaltlich- etwas gerettet und so gründlicher besiegt. trotzdem gab es lich. ich sag' das heute auch anders: die gue- äußerst politisch. viel stärker als das, was in
ihre neuentstehung antizipiert. in der zwei- darin auch neue aufbrüche, die damit auch rilla hatte sich in eine absolut legitimations- den einzelnen aktionen real steckte. scWieß-
ten hälfte der 70er jahre gab es dann die links liegen gelassen wurden. und es gab lose lage gebracht. selber rur eine lösung lich ist die brd ein hoch organisiertes land,
neuen ansätze aus der linken. die bewegun- auch noch welche, die sich ein verhältnis verantwortlich, konnte sie diese nur noch das erhebliche angriffe materiell verkraften
gen wie zu brokdorf oder wyW. was sich zur guerilla offenhielten. mir hatte sich dies gegen sich suchen. wenn sie das nicht kann. nur politisch eben nicht. die stamm-
gegen das ganze system nicht umzusetzen gezeigt, als ein von uns in köln unter macht und nur noch das die alternative ist, heimer gefangenen haben dazu einmal
wußte, suchte sich hier nun im kampf extrem schwierigen bedingungen zustande- daß ein kommando ausgeschaltet wird oder erklärt: es liegt an dem strategischen
gegen einen teilbereich zu finden. das war gekommen es kritikpapier15 draußen aufflog ein massaker droht, dann bleibt nur noch moment der instabilität, welches die gueril-
auch ein hinwenden zu bedingungen der und inhaltlich bekannt wurde. obwoW das die ausschaltung des kommandos, egal wer la in die metropolen bringt. geschichtlich
metropole und zu dem, wo man selber poli- papier noch auf einer ersten stufe der es ist. man kann bis in den eigenen tod mit war die brd eine außengründung der west-
tisch war. uns war das nicht ausreichend. es annnäherung an unsere feWer war und anderen solidarisch sein, auch in wider- siegermächte nach dem 2. weltkrieg. das
hätte verbunden werden müssen: die strate- mehr nur selbstverständlichkeiten als auflö- sprücWichen verhältnissen und - selbst bei politische system nie vom volk erobert und
gische konzeption und die, die sich in der sung enthielt ("die guerilla macht keine erheblichen - politischen differenzen. rur so zu seinem eigenen gemacht, waren seine
alltäglichkeit der gesellschaft suchte. aber aktionen gegen das volk«), kriegten wir aus die entwicklung eines solchen kampfes inneren tragenden säulen der antikommu-
wir waren dazu nicht in der lage. wir waren unserem legalen politischen zusammenhang muß man das auch zurückstellen können. nismus und die konsumentenkultur. seit
noch von der erfahrung des niedergangs der draußen eine erleichterung und die hoff- aber alles hinzunehmen heißt alles zu ver- mitte der 60er jahre befand sich das in
linken bestimmt. es ist aber auch nicht nur nung mit, daß alles aufgearbeitet und neu lieren. in stockholm hatten wir das problem einem zersetzungsprozeß. erst die später
unser feWer. von teilen, die in diesen bewe- bestimmt werden kann. und so die lähmung nicht. als uns sicher schien, daß wir da nicht zum staat übergelaufenen linken mittel-
gungen kämpften, ging auch der versuch gelöst wird. sie wurde nicht erfüllt. nach mehr lebend rauskommen, haben wir die schichten haben das rur sich als grundlage
aus, das zum neuen revolutionsmodell zu einem von jünschke sich auf schneider 16 sekretärinnen freigelassen, ohnehin nur fest- erneuert. dei "konsumbewußte citoyen«
erklären: wenn die menschen einmal an berufenden satz war die haltung der gruppe gehalten, weil sie sonst den bullen zu viele oder, wie zuletzt, die die Jaz rechts überho-
einer sache mobilisiert sind, springt die draußen, daß die linke für eine aufarbeitung informationen über die lage im 3. stock lenden reflexe der taz gegen den zusam-
ablehnung auf das ganze system um. das von 77 noch nicht reif sei. gegeben hätten. deren tod wollten wir nicht menbrechenden staatssozialismus. damals
geht nicht auf. das kennt auch keinen eige- mitverantworten. der rest aber, die höhere aber war die alte form dieses dreckigen ge-
nen ort und hat nur die ablehnung zur ( ...) botschaftsebene, war ftir uns verantwortlich sellschaftskitts am bröckeln. die soziallibe-
grundlage. wenn die waa gestrichen ist, rur die politik des brd-staates, die zu vertre- rale koalition trat gegen diesen zerfall mit
wäWen die menschen "im lande« wieder mogadischu blieb ein trauma. november 74 ten und durchzusetzen ihr eigener wille einer strategie der gesellschaftlichen grund-
csu. gegen den rest wissen sie nichts. hinzu auf einem linken-treffen in hamburg, als ich war. holger meins war auch unbewaffnet, als renovierung an. in dieser instabilen lage
kam die systematische entwaffnung der lin- den termin ftir das begräbnis von holger er starb - und die anderen von uns auch, die mußte eine guerilla, die von anfang an die
ken durch die grünen. falsch ist es aber übermittelte, lief so ein mensch von der im gefängnis niedergemacht werden sollten. machtfrage aufwarf, enorme reaktionen
trotzdem, aus dieser "überladung« das ganze hamburger ärztegruppe fuchtelnd durch der revolutionäre kampf ist manchmal nur hervorrufen. nach umfrageergebnissen 72
zu verwerfen. weder kommen wir alleine den saal und rief: "jetzt hilft uns nur noch ein ausgleich von ungerechtigkeit. nur wer tolerierte jeder 5. bundesbürger den schutz
weiter, noch diese bewegungen. ab 78 war eine f1ugzeugentfuhrung«, von mir nicht nichts tut, kann hehre moralische prinzi- der gruppe vor verfolgung und verhaftung.
erst einmal die grundlage gesprengt, mit ohne verachtung betrachtet. 77 war das pien hochhalten. umgekehrt war es rur uns jeder 7. scWoß nicht aus, raf-mitglieder über
dem, was es hier an bewegungen gab, eine dann unser eigener zusammenhang. und 77 im gefängnis nicht möglich, uns außer- nacht bei sich zu verstecken. 6 prozent be-
gemeinsamkeit zu finden. von der raf blieb vor allem: die palästinenser hatten diese halb der verantwortlichkeit fur das zu stel- zeichneten sich als potentielle helfer. der
der "strategische rahmen« zurück, ihre aktion ftir uns gemacht. drei sind daftir len, was draußen in unserem zusammen- staat nahm die raf daraus gleich als poten-
innere authentizität war gebrochen. es ist erschossen worden, die vierte hat schwer hang geschah. das wäre nur eine armselige tielle bürgerkriegsarmee an. mitte der 70er
von ihr ja dann auch alles abgeschrieben verletzt überlebt. und trotzdem überwog, und orientierungslose privatmoral. die pas- Jahre sah herold bereits bürgerkriegsähn-
worden. erst im frontpapier mai 82 bezog daß man am ende darüber froh war, daß die sagiere der landshut waren rur nichts ver- liche zustände auf europa zukommen. in
sie sich auf das, was sie als 80er-bewegung passagiere mit dem leben davongekommen antwortlich. der konfrontation 77 war von beiden seiten
neu am entstehen sah. real war mit der alten sind. wäre es dort zu einem von uns mit- ( ...) dieses verhältnis offensiv angenommen. die
linken auch nicht mehr viel zu machen. verschuldeten massaker gekommen, hätte
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raf wollte eine grundsätzliche niederlage Seite anheimgefallen sind, findet eine miß- hätten uns besinnen müssen, warum wir nen Mobilisierung noch vom Alter oder
des staates, jener selbst nahm die offensive glückte Befreiung ihren bewußtlosen Aus- aufgebrochen sind, um daran zu erkennen, von der Sozialisation her wesentlich von
so an, als sei der innere kriegskonflikt aktu- druck und wirft jenseits der moralischen was eigentlich in der für uns wie selbstver-
denen unterschieden, die in die DDR ge-
ell. die regierung des septembers/oktobers Verurteilung des Verrats nicht nur die Frage ständlich ablaufenden Kampfdynamik ge- gangen waren. Das war damals' der linke
war eine des ausnahmezustandes, die die nach der individuellen, sondern vor allem schehen ist. Statt dessen kam die Tabuisie-
Bereich, aus dem der bewaffuete Kampf nur
politischen, juristischen, exekutiven und auch die Frage nach der allgemeinen rung, für die das verschwiegene Exil eines entstehen konnte.
kulturellen institutionen von staat und Ursache dieser Niederlage auf Denn alle Teils der Gruppe materielles Symbol ist. Ich mußte diesen nun in Auszügen ver-
gesellschaft ihrer inneren kriegsftihrungs- waren aufgebrochen, weil sie mit diesem Glatt verlief das die Jahre später nicht. öffentlichten Text 1990 schreiben. 13 Jahre
strategie unterwarf der kleine krisenstab Kampf eine Hoffnung tUr sich verbunden Immer wieder in Krisen und Konfron- nach dem Konflikt von 1977 war es wie der
und das bka wurden zur konunandozentrale hatten. tationen kam das Ungelöste aus '77 hoch. letzte Termin, noch einmal zu jener Offen-
»Am schlimmsten«, sagt Bloch, »ist die Immer wieder aber wurde es auch zurück- heit und Radikalität untereinander zurück-
der gesellschaft. (...)
falsche Erfüllung«, Dieser Satz kam aus der gestellt im Interesse eines gemeinsamen zukehren, ohne die es die RAF nie gegeben
Postskriptum, Oktober 1997 Erfahrung mit der ersten, groben, verstaat- Vorgehens gegen die Haftbedingungen und hätte. Alles andere hätte die Kraft, aus der
Ich habe diesen Text 1990 geschrieben. lichten Gestalt des Sozialismus in diesem in der Hoffuung, es bei einer irgendwann ich immer gekämpft habe, aufgelöst. Wir
Anlaß war die Verhaftung von zehn ehema- Jahrhundert. Am Ende war es eine Gesell- erkämpften Zusammenlegung klären zu hatten keine gemeinsame Grundlage mehr.
ligen RAF-Mitgliedern auf dem Territo- schaft, die auch in der Ferne keine Erfül- können. Die Geschichte dazu will ich jetzt Sie war uns im Herbst 1977 abhanden ge-
rium der alten DDR nach dem Fall der lung der Bedürfnisse des einzelnen glaub- nicht nachzeichnen. Mir liegt auch fern, kommen, was wir über unsere subjektive
Mauer. Viele von ihnen hatte ich gekannt haft mehr verheißen konnte. Für die Hälfte eine Zuschreibung vorzunehmen und die
Entscheidung, die anderen und den Kampf
Gruppe in die aufzuteilen, die viel Ver- nicht fallenzulassen zwar immer wieder
seit Beginn meiner militanten Organisie- der Illegalen der RAF aus '77 war die Zu-
antwortung für die unterbliebene Selbst-
rung. Sie waren, Anfang der siebziger Jahre kunft in der drögen DDR besser als die kompensieren, aber mangels gemeinsam
von der RAF mobilisiert, zunächst in deren Fortsetzung eines falschen Zustands in der reflexion hatten, und in jene, für die das hergestellter Erneuerung nicht ersetzen
weniger gelten würde. In unterschiedlichen
Unterstützungsfeldaktiv, später sind sie Gruppe. konnten. So waren wir seit 1977 politisch
selbst in die Illegalität gegangen. Nach der 1977 war das Jahr, in dem zum ScWuß Rollen waren alle daran beteiligt. nie wieder wirklich zusammen. Der Text
Offensive der RAF im Herbst 1977, in der alles taktisch wurde. Am Ende dieser Offen- Mit dem Auftauchen der ehemaligen stellt den Versuch dar, eine Grundlage her-
RAF-Mitglieder aus der DDR war das Ta- zustellen, von der wir ohne Schuldzuwei-
sie alles mitgetragen haben, was sie später sive hatten wir unsere eigene politische
nicht mehr begründen konnten, sind sie aus Moral, die Fundament eines neuen gesell- buisierte aus '77 mit einem Schlag wieder sung über unsere Geschichte - auch ihre
dem Konzept Stadtguerilla ausgestiegen schaftlichen Aufbruchs sein sollte, in einem gegenwärtig. Aber auch nach diesen Jahren Tragik - reden können. Ihn zu schreiben,
und auf Vermittlung des verbleibenden erheblichen Maße politisch widerlegt und war die Gruppe noch nicht fähig geworden, hatte mir eine große Anstrengung abgefor-
Rests der Gruppe in die DDR gegangen. entwertet. Unsere Bestimmungen haben den Widerspruch an sich heranzulassen und dert. Denn da von den unmittelbaren
Nun kamen sie zurück und wurden Kron- den Ausnahmezustand, den wir selbst ge- sich selbst zur Debatte zu stellen. Wieder Akteuren zu 1977, der Zeit davor und
zeugen, Überläufer zur anderen Seite. sucht und geschaffen haben, nicht überstan- wurde zu eingeübten subjektivistischen Er- danach, nie wirklich etwas gesagt worden
Man kann sich immer damit begnügen, den. Das machte sie auch ftir andere bedeu- klärungsmustern Zuflucht genommen, die war, mußte ich versuchen, alles über mich
tungslos.Verloren war damit die am Anfang jedes weitere Nachdenken erneut als unnö-
vom Ergebnis auf den Anfang zu scWießen. und meine eigenen Erfahrungen nachzu-
Ich halte das nicht für angebracht. Die vorhandene Gewißheit, im Namen der Be- tig erklärten. Andere in der Gruppe sahen vollziehen. Die Solidarität einer Reflexion
Emanzipation verläuft in Sprüngen und freiung zu operieren und so auch erkannt eine ausreichende Erklärung darin, daß es besteht darin, uns selbst etwas erklärbar,
Brüchen. Sie hat keine lineare Kausalität zu werden. Ohne diese Selbstvermittlung »die falschen Leute (waren)«, oder noch damit auch veränderbar zu machen. Das
wie im physikalischen Experiment. Es wäre kann nach meiner Überzeugung das Sub- scWichter im Ausspucken des Wortes von gehörte zur Moral der RAF, nicht von
auch eine andere Entwicklung möglich jekt im revolutionären Kampf nicht aus- den »Staatsschutzprostituierten«. Daß diese Schuld und BezaWung auszugehen, son-
gewesen, wenn. das, was man lapidar oft kommen. Es ist eine der Ursachen, warum begriffslosen Muster auf uns selber zurück- dern von der Veränderbarkeit des Menschen
»Politik« nennt, nicht nur aus abstrakten sich damals ein größerer Teil der Gruppe fallen mußten, war den Vertretern dieser und seiner gesellschaftlichen Situation.
Ansprüchen heraus entwickelt worden, aus dem Konzept Stadtguerilla verabschie- Begründungen in ihrem blinden Abwehr- In der Gefangenengruppe bin ich damit
sondern mit dem konkreten Emanzipa- det hat. reflex entgangen. Denn zur Wahrheit ge- gescheitert. Einmal mehr zeigte sich, daß
tionsprozeß der einzelnen verbunden ge- Es war völlig unmöglich damals, so zu hört, daß die meisten, die nach '77 weiter- Widersprüche unter uns nicht diskutierbar
blieben wäre. Bei denen, die der anderen tun, als sei nichts Gravierendes passiert. Wir gemacht hatten, sich weder von ihrer eige- waren. Es gab keine inhaltliche Auseinan-

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dersetzung mit dem Papier. Diejenigen, die furt und Hamburg festgenonunen worden. bayrische Polizei auf dem Flughafen Fürsten- Lufthansa-Boeing »Landshut« mit 86 Passa-
'77 draußen waren und die Zeit danach feldbruck ums Leben. gieren. Das größtenteils mit deutschen Ur-
Dabei fand man Waffen, Sprengstoff und
lange bestimmt hatten, reagierten mit einer Ausweispapiere. Die RAF setzte sich in einem längeren Papier laubern besetzte Flugzeug war auf dem Flug
totalen Abwehr, bis hin zu AusscWuß- 2 Das Heidelberger Sozialistische Patienten- im November 1972 ausftihrlich mit der Po- von Mallorca in die BRD. Ebenso wie das
wünschen und persönlichen Angriffen. Sie kollektiv (SPK) war eine anti-psychiatrische litik des Schwarzen September auseinander. RAF-Kommando »5iegfried Hausner«, das
hielten an einer falschen Anstrengung fest Selbsthilfegruppe, die 1970 rund 500 Mit- VgI. »Die Aktion des Schwarzen September seit dem 5. September Hanns-Martin Schley-
und empfanden das Papier, in dem diese in glieder zählte. in München. Zur Strategie des antiimperiali- er entfuhrt hatte, sollte durch die Flugzeug-
stischen Kampfes<<.In: Rote Armee Fraktion. entfuhrung die Freilassung der Gefangenen
Frage gestellt war, offenkundig nur als Be-
Texte und 'Materialien zur Geschichte der RAF. aus der RAF erzwungen werden. Am 17.
drohung. Gegen eine Veröffentlichung
waren alle. Ich habe es damals nicht veröf- Nach der Kriminalisierung des SPK gingen Ber/in: ID-Verlag 1997; Gilbert Mury: Oktober stürmte eine Einheit der GSG 9 in
Schwarzer September. Analysen, Aktionen und Mogadischu/Somalia die Maschine und be-
fentlicht, weil es sofort zum Bruch gekom- im Sommer 1971 einige Mitglieder, unter
men wäre und weil ich auch niemanden Dokumente. Berlin: Wagenbach 1974 freite die Geiseln. Drei Palästinenser wurden
anderem Margit Schiller, Klaus Jünschke,
von seiner Geschichte enteignen wollte. 6 Am 13. September 1974 begann der dritte dabei erschossen, Souheila Andrawes über-
Carmen Roll, Siegfried Hausner und Lutz
Auch war ich mir sicher, daß sich vieles an Hungerstreik von vierzig politischen Gefan- lebte als einzige schwer verletzt.
Taufer, in die Illegalität und schlossen sich der
dem Text verändern würde, wenn wir mit- genen. Er dauerte bis zum 5. Februar 1975, 9 Es geht hier um den BVG-Beschluß vom 21.
RAF an.Vgl. Kleinkrieg gegen Patienten.AStA-
einander reden könnten. also 145 Tage. Am 54. Tag starb Holger Meins Juni 1976, mit dem der BGH-Beschluß vom
Dokumentation zur Veifolgung des SPK-Heidel-
in der Haftanstalt Wittlich. Tags zuvor war die 22. Oktober 1975 über den Ausschluß der
Einer Kürzung des Textes habe ich zuge- berg. Heidelberg: KRRIM, Selbsrverlag flir
stimmt, weil er als Ganzes noch unter dem künstliche Ernährung ausgesetzt und der Stammheimer Gefangenen vom Prozeß we-
Krankheit 1987 (Neuauflage)
zuständige Arzt in Wochenendurlaub gefah- gen Verhandlungsunf:ihigkeit abgesegnet
Anspruch geschrieben worden war, daß es 3 Vgl. Fußnote 1
eine Transformation der RAF in eine ande- ren. Wenige Stunden vor dem Tod von Hol- wurde. Gutachter hatten eine teilweise an-
4 Holger Meins, geboren 1941, war Grün-
ger Meins hatten seine Verteidiger beim zu- dauernde Verhandlungsunf:ihigkeit bei den
re politische Gestalt geben müsse. Auch das dungsmitglied der RAF. Gemeinsam mit
ständigen Richter Prinzing eine Verlegung in Gefangenen festgestellt. Im Unterschied zum
ist eine falsche Anstrengung gewesen. Wir Andreas Baader und Jan-Carl Raspe wurde er
ein Krankenhaus verlangt. Prinzing hatte die OLG Stuttgart leugnete der BGH die Iso-
treten nicht von einer Kampfstufe in die am l.Juni 1972 in Frankfurt/M verhaftet. Er
Anträge abgelehnt. lation als Ursache daftir nicht mehr, erklärte
nächste. Der Übergang ist nicht brucWos. starb während des dritten Hungerstreiks am
9. November 1974. Rechtsanwalt Rupert von Plottnitz stellte am aber, die Haftbedingungen seien notwendig
Wenn wir etwas beenden, weil es falsch
19. November 74 im Namen der Angehöri- wegen der Gef:ihrlichkeit der Angeklagten.
oder untauglich geworden ist, dann muß 5 Die palästinensische Organisation »Schwarzer
gen gegen den Generalbundesanwalt Buback, Da diese an ihrer Gef:ihrlichkeit in Gestalt
das geschehen unabhängig von der Frage, September« gründete sich im Herbst 1971.
den Vorsitzenden Richter im Stammheimer ihrer politischen Gesinnung festhielten, seien
ob wir schon einen Ersatz haben. Ohne Der Name bezieht sich auf das Massaker des
Prozeß, Prinzing, den Chef des BKA, Herold, sie ftir die zerstörerische Wirkung der Haft
Phase der Entfremdung, in der wir uns von jordanischen Militärs im September 1970, bei
den Wittlicher Anstaltsleiter und den An- selber verantwortlich. Sprich: Wer nicht
bis dahin gültigen Vorstellungen lösen, wer- dem mehrere Tausend palästinensische
den wir für etwas wirklich Neues nicht staltsarzt Strafanzeige wegen Mordes bezie- abschwört, hat die Mittel, die gegen ihn an-
Flüchtlinge ermordet wurden, die nach dem
offen werden. Wichtig allein dabei ist die israelisch-arabischen Sechstagekrieg nach hungsweise Totschlags. VgI. Dokumente. Holger gewandt werden, damit er doch noch ab-
Meins ist tot. Stuttgart: Selbsrverlag 1975 schwört, selber zu verantworten. Das Bun-
Erinnerung an das, was für den alten Jordanien geflohen waren. Ein Kommando
Aufbruch bedeutsam war. Dahin müssen 7 Siegfried Buback (1920-1977); 1959 Erster desverfassungsgericht hat die Beschwerde
des Schwarzen Septembers überfiel während
wir zurück, von da aus kann es nur neu vor- der Olympischen Spiele am 5. September Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof, 1963 gegen diesen Beschluß abgelehnt und ihn
wärtsgehen. Oberstaatsanwalt, 1971 Bundesanwalt, Pres- damit ftir rechtens erklärt. Diverse Juristen
1972 die israelische Olympia-Mannschaft. Sie
Karl-Heinz Dellwo töteten zwei Israelis und nahmen neun als sesprecher des BGH. Buback leitete die haben das damals als Folterbeschluß definiert.
Fahndung nach »Baader u.a.«, 1974 General- Vgl. Pieter Bakker Schut: Stammheim. Die /lot-
Es handelt sich hier um Margit Schiller, die Geiseln, um die Freilassung von 200 arabi-
nach eineinhalb Jahren Haft Anfang 1973 schen Häftlingen zu erzwingen. Die Aktion bundesanwalt. Am 7. April 1977 wurde er in wendige Korrektur der herrschenden Meinung.
entlassen wurde und dann mit Helmut Pohl, endete in einem Blutbad, obwohl der dama- Kar/sruhe durch Schüsse auf seinen Dienst- Kiel: Neuer Malik Verlag 1986.
llse Stachowiak und einem halben Dutzend lige Bundesinnenminister Gensch'er freien wagen getötet. Ein »Kommando Ulrike 10 Vom 9. August bis 2. September 1977 fand
weiterer Linker versuchte, den bewaffneten Abzug zugesagt hatte. Alle israelischen Gei- Meinhof(, bekannte sich zu dem Anschlag. der funfte kollektive Hungerstreik (Hunger-
Kampf neu zu organisieren. Sie sind alle im seln, ftinf Mitglieder des Kommandos und ein 8 Am 13. Oktober 1977 entftihrte das palästi- und Durststreik) der Gefangenen aus der
Februar 1974 in zwei Wohnungen in Frank- Polizist kamen bei der Erstürmung durch die nensische Kommando »Martyr Halimeh« die RAF statt. Karl-Heinz Dellwo und Lutz

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Mitten im Nebel

Taufer befanden sich zu dieser Zeit in der Stunde gemeinsamen Hofgang. Ansonsten
JVA Bochum und wurden zwangsernährt. waren sie in vier verschiedenen Hafthäusern
Mit der Schleyer-Entführung trat sofort die isoliert. Alle vier mußten sich vor und nach
Kontaktsperre ein, und sie wurden am 6. Sep- dem Hofgang vollständig umkleiden, durften
tember nach Köln zurückverlegt. nichts mitnehmen und konnten gerade mal
11 Jürgen Ponto, Vorstandsvorsitzender der im Mund ein Papier verstecken. So kam ein
Dresdner Bank, wurde bei einem Entfüh- Text zustande, ein interner Kritikbrief an die
rungsversuch in seinem Haus in Oberursel Gruppe draußen, der gemeinsam abgespro-
erschossen. »Susanne Albrecht aus einem chen war und den Karl-Heinz Dellwo dann
Kommando der RAF« bekannte sich zur Tat. formuliert hat. Dieser Text wurde bei der
12 In der Gättinger Studentenzeitung erschien am Verhaftung Stefan Wisniewskis im Mai 1978
25. April 1977 unter dem Pseudonym Mes- in Paris sichergestellt.
calero der sogenannte Buback-Nachruf. 16 Gemeint sind die ehemaligen RAF-Mitglie-
Darin wird einerseits Verständnis fur das der Klaus Jünschke (von 1972 bis 1987 in
Ableben des Generalbundesanwalts zum Aus- Haft) und Gert Schneider (von 1977 bis 1987
druck gebracht, andererseits die Politik der in Haft).
Liquidierung als inakzeptabel für die Linke
kritisiert. Da der Staatsschutz dies als
»klammheimliche Freude« sah, setzte er nach
der Veröffentlichung eine breite Repressions-
welle in Gang. Rund dreißig Zeitschriften
wurden wegen des Nachdrucks mit über 250
Verfahren überzogen. Mehrere bekannte
Intellektuelle und Professoren sahen in dem
Artikel jedoch einen Beitrag zur öffentlichen
Diskussion und publizierten ihn ebenfalls.
Nach Drohungen und Disziplinarverfahren
distanzierten sie sich jedoch mehrheitlich
später wieder vom »Buback-Nachrui«. Vgl.
Peter Brückner (Hg.): Die Mescalero-Affäre.
Hannover: Internationalismus-Verlag 1979.
13 Kurt Rebmann war als Nachfolger von Bu-
back zwischen 1977 und 1990 Generalbun-
desanwalt am Bundesgerichtshof.
14 Die Grapo (Antifaschistische Widerstands-
gruppe des 1. Oktober) ist eine spanische
Guerillagruppe, zu der es seitens der RAF
während ihrer Phase der »westeuropäischen
Front« Mitte der achtziger Jahre Verbindun-
gen gab.
15 Nach der Schleyer-Entführung und der Auf-
hebung der Kontaktsperre hatten Hanna
Krabbe, Lutz Taufet, Bernd Rössner und
Karl-Heinz Dellwo in der JVA Köln eine

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