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Johannes Tauler Predigt 48

Diese Predigt erläutert das Evangelium nach dem heiligen Lukas auf den elften Sonntag
(nach Dreifaltigkeit), das die Parabel1 vom Pharisäer und vom Zöllner enthält. Es hält uns
unsere Schwäche und unser Unvermögen vor Augen und gibt allen Ordensleuten eine gute
Anweisung für die Art, wie ein jeglicher Konvent sich verhalten soll (Straßburger Hs.).
ZWEI MENSCHEN STIEGEN zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein
Pharisäer, der andere ein Zöllner.
Diese zwei gingen zum Tempel hinauf. Dieser Tempel bedeutet den so liebenswerten
inneren Grund der Seele, darin die heilige Dreifaltigkeit in so liebreicher Weise
wohnt und in so erhabener Weise wirkt; in den sie all ihren Schatz so freigebig
hineingelegt, wo sie ihr Spiel und ihre Freude hat und worin sie ihr edles Bild und
Gleichnis genießt. Von der Erhabenheit und der hohen Würde dieses Tempels genug
zu sagen -das ist unmöglich. Dorthin soll man zum Gebet gehen. Und es müssen zwei
Menschen sein, die hinaufsteigen, daß heißt, die sich über alle Dinge und über sich
selbst erheben und sich nach innen wenden. Es müssen zwei sein, der äußere
Mensch und der innere, wenn dieses Gebet recht geschehen soll. Was (nämlich) der
äußere Mensch ohne den inneren betet, das taugt wenig, ja wohl gar nichts.
Meine lieben Schwestern, um auf dem Weg zu diesem rechten und wahren Gebet
voranzukommen, gibt es keine größere noch nützlichere Hilfe als den heiligen,
ehrwürdigen Leib unseres Herrn Jesus Christus; ihn soll der Mensch zu
angemessener Zeit empfangen, und sich dadurch ganz erneuern und wiedergeboren
werden. Meine Lieben! Ihr müßt ganz besonders dankbar dafür sein, daß diese
große Gnade (des heiligen Abendmahles) euch jetzt häufiger zuteil werden kann als.
früher, und ihr solltet sie euch mehr zunutze machen als alle andere Hilfe; denn die
(menschliche) Natur ist heute so schwach und so geneigt, in eine Fülle von
Gebrechen und Sünden .zu fallen, daß der Mensch gar sehr großer Hilfe und festen
Haltes bedarf, um sich wieder aufzurichten und zu stützen, und eine solche Hilfe ist
diese göttliche Nahrung vor allen Dingen.
Einer der bei den Menschen (die zum Tempel hinaufgingen) war ein Pharisäer: das
Evangelium erzählt uns, wie es mit diesem zuging; der andere war ein Zöllner: der
blieb von ferne stehen, wagte die Augen nicht zum Himmel zu erheben und sprach:

1
Wörtlich zu Vetter 267.6: .Dem erging es selig"; so übersetzen Lehmann, Naumann, Oehl.
"Herr, sei mir Sünder gnädig!" Dessen Gebet fand Gehört. Ich wollte, ich könnte
mich in Wahrheit ebenso verhalten wie. dieser und allezeit in mein Nichts schauen:
das wäre der edelste und nützlichste Weg, den man je einschlagen könnte. Dieser
Weg führt Gott in den Menschen hinein, ohne Unterlaß und unmittelbar; denn
wohin Gott mit seiner Barmherzigkeit kommt, dahin kommt er mit seinem ganzen
Sein und mit sich selbst.
Nun findet sich dieses Zöllners Weise in manchen Leuten: im Bewußtsein ihrer
Sünden wollen sie Gott und dieses heilige Mahl fliehen und sagen, sie getrauten sich
nicht (zum Tisch des Herrn zu gehen). Nein, liebe Schwestern, um so lieber sollt ihr
dorthin gehen, damit ihr eurer Sünden ledig werdet, und sprechen: "Komm, Herr,
komm bald, daß meine Seele in ihren Sünden nicht zugrunde gehe; es ist not, daß du
schnell kommst, ehe sie ganz sterbe." Wisset, wahrlich: fände ich irgendwo einen
Menschen in der rechten Geisteshaltung jenes Zöllners, der sich in Wahrheit für
sündig hielte, wenn er in diesem demütigen
Gefühl gerne gut sein wollte und Ehrfurcht (vor dem heiligen Sakrament) besäße,
nach. dem liebsten Willen Gottes leben und sich. von der Anhänglichkeit an die
Geschöpfe, sosehr er nur könnte, freimachen wollte -so würde ich diesem Menschen
mit gutem Gewissen und ohne Zaudern den heiligen Leib unseres Herrn ein über
den anderen Tag geben und wollte solch. Vorgehen aus der ganzen Heiligen Schrift
rechtfertigen. Als wir zur Taufe gebracht wurden und uns Gott verbanden, da
erwarben wir uns ein Recht auf dieses heilige Sakrament. Dieses Recht können uns
alle Geschöpfe nicht nehmen, wir täten es denn selber.
Meine lieben Schwestern! (Um zum Tisch des Herrn zu gehen,) bedarf es keiner
großen fühlbaren Andacht und keiner großen äußeren Werke; es genügt, daß man
ohne Todsünde sei, den Wunsch. habe, gut zu sein, eine demütige Ehrfurcht (vor
dem heiligen Sakrament) besitze, sich. dessen unwürdig bekenne und seine
Bedürftigkeit erkenne. Damit ist es genug; aber das ist auch. notwendig und
nutzbringend. Will der Mensch daran festhalten, daß er ohne schwere Sünde und
ohne schweren Fall bleibt, so ist es für ihn sehr notwendig, mit dieser edlen, starken
Speise genährt zu werden; sie zieht ihn voran bis auf den Gipfel eines göttlichen
Lebens. Und darum sollt ihr euch. nicht leichthin dem heiligen Mahle entziehen, weil
ihr wißt, daß ihr gesündigt habt; sondern im Gegenteile euch um so mehr
befleißigen, zum Tisch des Herrn zu gehen; denn von dort kommt euch, dort ist
niedergelegt und verborgen alle Kraft, alle Heiligkeit, alle Hilfe, jeglicher Trost.
Aber verurteilt nicht die, welche es nicht tun, ebenso wie die anderen euch., die ihr es
tut, nicht verurteilen sollen.
Denn der heilige Augustinus sagt: "Man soll keinen Menschen verurteilen um
irgendeines Dinges willen, das er tut, es sei denn, die heilige Kirche habe ihn
verurteilt, geistlich. und weltlich.." Sofern ein Mensch. in seinem inneren und
äußeren Leben ein frevles, hoffärtiges Wesen zeigte und sich den Dingen, die ihm
den Zugang zum Tisch des Herrn wehrten, den Geschöpfen, mit vollem, freiem
Willen überließe: wollen wir das Urteil darü ber, ob sie würdig dieses heilige Mahl
empfangen können, ihren Oberen überlassen; sie mögen zusehen, ob sie es jemals
ohne Gefahr tun (können).
Dies alles sollt ihr, meine Lieben, nicht beurteilen, damit ihr nicht diesem Pharisäer
gleich werdet, der sich (selbst) erhöhte und den verurteilte, der hinter ihm stand.
Hü tet euch. davor wie vor dem ewigen Verlust eurer Seelen, und fürchtet euch
nicht, falls man euch. eure Gebrechen mit Strenge vorhält; aber hütet euch. vor der
gefährlichen Sünde eines solchen Urteils.
Früher, als ich. die frommen Brüder betrachtete, die die Gesetze des Ordens mit
(äußerster) Strenge hielten, hätte ich. Gerne getan wie sie. Das aber wollte unser
lieber Herr nicht: ich. Musste mich. als zu schwach. bekennen; ich. fürchte, ich hätte
lange Zeit in pharisäisches Wohlgefallen an mir selbst fallen können. Darum, meine
Lieben, fürchtet euch. nicht; denn unser Herr meint es gut: er läßt oft einem
Menschen guten Willens ein sichtbares Gebrechen all seine Lebtage, damit dieser
Mensch dadurch. vor sich selbst gedemütigt werde und auch. in den Augen seiner
Umgebung und so auf sein Nichts verwiesen werde.
Und darum soll der Mensch. nicht (dem Tisch. des Herrn) fernbleiben, sondern mit
Liebe zu dem heiligen Mahl gehen und sprechen: "Ach., Herr, ich. bin nicht würdig,
daß du unter mein Dach. kommst; im Vertrauen aber auf deine unergründliche
Barmherzigkeit und den reichen Schatz deines ehrwürdigen Verdienstes komme ich.
zu dir; mir fehlt es an Reue, Liebe und Gnade; das alles finde ich bei dir; da finde ich.
Tugend, Begehren und alles Gute."
Meine Lieben! Die bedenkliche Lebensweise, um deretwillen der himmlische Vater
so zornig war, daß er zu Zeiten unseres heiligen Vaters Dominikus die ganze Welt
vertilgen wollte und er es nur auch dessen Gebet unterließ, dieselben Unsitten und
Gebrechen sind jetzt wieder überall sichtbar geworden; und wir wissen nicht, wie es
uns ergehen wird. Wir hätten sehr nötig, etwas zu finden, wodurch. wir die
Barmherzigkeit Gottes erlangen könnten, und da gibt es nichts Besseres, als daß der
Mensch. alle Dinge von sich. tue, hinter sich werfe und sich. durch. den heiligen Leib
unseres Herrn voll Liebe mit Gott vereine.
Das, meine lieben, teueren Schwestern, sollt ihr immer mit allem Fleiß tun , sooft das
nur möglich. ist, und dies niemals mit Bedacht versäumen2, wollt ihr in euch den
Wunsch fühlen3 Gott lauter zu leben; und wo ihr diesen Wunsch in euch vermißt,
daß euch das leid und zuwider sei, und ihr alle Ursachen fliehen wollt, die euch an
der unbeschwerten Lauterkeit (eures Strebens) hindern, soweit ihr das könnt, und
das in allen Treuen.
Meine Lieben! Und euer heiliger Orden, dem ihr angehört - spräche ich zu
Weltleuten, so wollte ich ihnen (im Hinblick auf das heilige Mahl) keine solche
Freiheit geben (wie euch), es wären denn besondere Menschen, von denen ich das
kennte und wüßte -, der heilige Orden, in dem ihr mit mir seid und ich mit euch bin,
ist eine gar ehrwürdige Einrichtung; und wir sollten alle dankbar sein, daß uns der
Herr dahin eingeladen und gerufen hat aus dieser gefahrvollen welt, damit wir nur
ihm dienen, nur ihm allein leben. Diesem Ruf sollen wir in allen Treuen und in
Andacht folgen.
Liebe Schwestern! Achtet gar oft auf diesen ehrenvollen Ruf, damit ihr selbst
erkennt, wie ihr ihn befolgt, und es auch von anderen erkannt werde, und richtet
euer Augenmerk auf die Früchte, die euch der Gang zum hochwürdigen Sakrament
bringt (und die darin bestehen), daß ihr mit all eurer Kraft nach den Vorschriften
dieses heiligen Ordens lebet.
Nun denke ich bei diesen Vorschriften nicht daran, daß eine alte, schwache
Schwester wachen oder fasten oder äußere Werke tun solle, über ihre Kräfte; auch
nicht an euer Stillschweigen zu all den Zeiten und an all den Orten, an welchen es der
heilige Orden vorschreibt. Die Frucht und den Nutzen, der von der Befolgung dieser
Regel kommt, kann niemand vollends erkennen und ergründen. (Ich meine) etwas
anderes: die Worte, die man spricht, sollen freundlich, gütig und ruhig sein. Entfährt
euch ein hartes Wort, so sollt ihr euch sogleich vor Gott und den Menschen demütig
niederwerfen. Greift euch jemand mit harten, verletzenden, lauten Worten an, so
sollt ihr ihm nur mit gütigem, freundlichem Gesicht in ein oder zwei Worten
antworten und nicht mehr.
Ihr sollt euch selbst gut beobachten, daß ihr an kein Ding euer Herz hängt in Besitz
oder Gebrauch, daß ihr kein Wohlgefallen an euch selbst oder jemand anderem
habt, nicht an Kleidern, Tüchern, an Kleinodien oder im Umgang mit euresgleichen.

2
Das zusätzliche „uf den grunt" - Vetter 269,9 - bereitete den Herausgebern der Drucke wie den übersetzern
Schwierigkeiten; brauchbar erscheint sein Ersatz durch .mit sinnen" in den Drucken, dem LT, AT, KT, = .mit Bedacht".
3
Die Lesarten - s. Corin, Wi 1, S. 113 zu Z. 2 - weichen stark voneinander ab; doch ergeben sie alle mehr oder weniger
befriedigende Lesungen.
Das aber, was ihr verständiger- und ordentlicherweise braucht und soviel ihr davon
braucht, es seien Kleider oder Pelze: das erlauben euch Gott und der Orden wohl
Ihr sollt wie leibliche Schwestern in großer Liebe miteinander verkehren und euch
wechselseitig in Liebe und Güte einander unterwerfen, niemals eine die andere mit
Härte oder Unfreundlichkeit behandeln, um keiner Sache willen, die zwischen euch
kommen mag. Ihr sollt euch in den Werken der Tugend üben, in wechselseitigem,
Erweis, ja im Wettstreit der Liebe, darin, euch, eine der anderen, Dienste zu leisten;
nicht (nur) unter Freundinnen, sondern jeder alten, schwachen Schwester; ihr sollt
ihr, freudig und gütig, ihre Arbeit oder ihre Last aus den Händen nehmen und sie für
sie tun oder tragen. Wenn ihr das (nur denen) tut, denen ihr zugetan seid, was
kümmert Gott sich darum? Das tun ja auch die Heiden, wie unser Herr im
Evangelium sagt.
Wenn man euch nun um einer guten Tat willen angreift, euch verspottet, euch
schmäht, darauf sollt ihr nicht antworten noch euch rechtfertigen, noch euch
beklagen. Im Chor sollt ihr um euer Stillschweigen eifrig besorgt sein, wie an allen
Orten, wo Reden nicht gestattet ist, so im Schlafsaal und an vielen anderen Orten.
Auch sollt ihr im Chor euch sehr ehrerbietig benehmen, denn unseres Herren Leib
ist da in Wahrheit gegenwärtig; schlagt die Augen nieder; euer Herz sei gesammelt
und geeint in des ewigen Königs Gegenwart und unter seinem Blick.
Stünde ein junges Mädchen vor einem König und wüßte sie, dass er sie mit
besonderer Aufmerksamkeit betrachtete, sie betrüge sich, wäre sie klug, mit
besonderer Bescheidenheit und zeigte ihm besondere Achtung, gute Sitte und feines
Verhalten. Wie sollte nicht jeder Mensch (um so mehr) nach all seinen Kräften sich
gut halten, innerlich und äußerlich, vor seinem Herrn und Gott und ihr vor eurem
erwählten Bräutigam, der in euer Innere blickt und euch von außen anschaut!
Auch sollt ihr, meine lieben Schwestern, euer Stundengebet mit großer Andacht
singen oder lesen und, soweit ihr vermögt, gesammelten Sinnes. Aber um der Ruhe
eures Gewissens willen genügt ihr dem Gebot, wenn ihr die Worte gänzlich
aussprecht. und ist euer Gedanke nicht bei euren Worten, so braucht ihr das Gebet
nicht zu wiederholen; so erfüllt ihr die Vorschrift mit dem Aussprechen der Worte,
sofern man nicht mit Willen etwas tue oder denke, was dem Gebet zuwider sei.
Nun lesen wir im Evangelium: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Euer
Verhalten, das sind die äußeren Früchte an denen ihr euch selber erkennen und
erkannt werden sollt; und daß man Liebe und Treue untereinander habe und
Geduld und Sanftmut; zu solchem Verhalten insgesamt ist niemand zu alt oder zu
schwach; das könnte ein Mensch auf seinem Lager bezeigen, so krank wie er immer
auch wäre. Was die Früchte eures inneren Lebens betrifft, so erkennt ihr sie, wenn
ihr euch von all dem frei haltet, dessen wahre Ursache nicht Gott ist.
Zeit zu vergeuden soll euch wie ein gefährliches Gift sein. Gerne sollt ihr euch an
abgelegene Plätze oder in Einöden zurückziehen und indem ihr euch Gott überlaßt,
euch ,mit ihm vereinen, den blühenden, liebreichen Baum des würdigen Lebens und
Leidens unseres Herrn Jesus Christus ersteigen, eingehen in seine Ruhm vollen
Wunden und euch von da höher erheben bis zur Höhe seiner anbetungswü rdigen
Gottheit; dort werdet ihr ein- und ausgehen und volle Weide finden. Und bei den
Früchten eines solchen Lebens werdet ihr euch der überaus edlen Gnade des hohen
Sakramentes mit großem Nutzen und Fortschritt bedienen.
Und falls den Schwestern, die aus Furcht nicht so oft wie ihr zum Tisch des Herrn
gehen - was auch gut ist -, eure Art nicht gefällt und wenn euch daraus Leiden
entstünde, man euch harte Worte sagte, durch (lästiges) Verhalten Schmerz zufügte
es gibt ja kein gutes Werk, an das sich nicht irgendein Leid heftete -, so sollt ihr das
demütig und sanftmütig ertragen. Und wenn es auch gut ist, sich vom heiligen Mahl
fernzuhalten aus tiefer, versinkender Demut, so ist es dies doch unzählige Male und
unbegreiflich viel mehr und bei weitem besser, wenn man zum Tisch des Herrn aus
Liebe geht.
Der Kranke bedarf des Arztes und vor allem eines solchen, dessen Gegenwart
Gesundheit bringt. Demütige Furcht soll euch nicht fernhalten; wenn euch (euer
Gewissen) eure Fehler nachdrücklich vorhält, so ist das ein sicheres Zeichen, daß das
heilige Sakrament in euch Wirkung getan hat. Wenn die Arznei die Krankheit nach
außen treibt, daß sie nach auswärts schlägt, so sieht es aus, daß der Mensch genesen
und seine Krankheit vergehen soll. Ebenso wenn ein Mensch seine Gebrechen vor
seiner Einsicht groß und schwer erscheinen sieht und sie ihm sehr zuwider sind, so
ist das ein großes und sicheres Zeichen, daß der Mensch durchaus gesund werden
solle. Wenn er in sich fühlte, daß er gerne nach dem liebsten Willen Gottes lebte und
recht und gut lebte, sosehr er es kann, und er (zum Tisch des Herrn geht), nicht aus
törichter Kühnheit oder blinder Vermessenheit oder Eigendünkel oder aus (eitler)
Prahlerei: wenn er von diesen giftigen Dingen nichts in sich findet, so darf er frei und
sicher den Leib des Herrn empfangen, wenn er das Böse, das er getan, bereut; und je
öfter er das tut, um so besser und nützlicher und fruchtbarer ist es (für ihn).
Und wenn nun unsere lieben Schwestern nicht gleich (nach dem Empfang) des
Morgens ihre Aufmerksamkeit der Frucht und dem großen Gut, das in ihnen das
heilige Mahl gewirkt hat, schenken können, vielleicht weil sie zum Chorgesang oder –
gebet gehen oder mit der Gemeinschaft all das tun müssen - etwa im Speisesaal -,
was Regel und Gewohnheit vorschreibt, so hat das alles keine Bedeutung: so warten
sie eben damit bis nach der Mahlzeit ~der bis zur Vesper oder bis nach der Komplet.
Unser Herr wird auch dann (in euch) sein Werk tun. Wartet nur immer! Das heilige
Sakrament wirkt stets da, wo man ihm einen Platz einräumt.
Nun, liebe Schwestern, was die all täglichen (leichteren) Fehler und Sünden betrifft,
von denen sich der Mensch in diesem Leben nicht wohl (ganz) zu befreien vermag,
so dürft ihr euch nicht beunruhigen, wenn sie nicht alle gebeichtet werden ; bekennet
sie demütig und ernst Gott, und gebt euch vor ihm schuldig in Reue, Aufrichtigkeit
und Andacht. Man soll auch den Beichtigern nicht soviel von ihrer Zeit nehmen;
Sünden dieser Art gehören vor das Schuldkapitel4 ; notwendigerweise gehören in die
Beichte nur die Todsünden. Die geringen Sünden werden getilgt durch (innere)
Reue, das Vaterunser, durch Kniebeugungen und dergleichen mehr. Und hat ein
Mensch keine Reue, so bereue er diesen Mangel. Darin (schon) besteht Reue, daß
man Reue um (des Fehlens) der Reue willen habe. Und hat man kein Verlangen, so
begehre man (von Gott) dieses Verlangen und hebe die Liebe zur Liebe.
Vor allem aber soll man sich in der tätigen Liebe üben; das ist über alle Maßen
nützlich und fruchtbar. Das bedeutet, daß der Mensch dankbar sei für das
mannigfache Gute, das Gott ihm und allen Menschen und Engeln erwiesen hat; daß
er sich mit allen Kräften in die großen Liebeserweise versenke, die Gott ihm gegeben
hat in jeglicher Art und in jedem seiner Werke gemeinhin und ihm besonders, und
zwar durch sich selbst in all seinem Leben und Leiden. Dem stelle der Mensch seine
Kleinheit und Unwürdigkeit und sein Nichts gegenüber; er fordere Himmel und
Erde und alle Geschöpfe auf, ihm danken zu helfen, denn das kann er (allein) nicht
(in angemessener Weise).
Und (in diesen Dank) beziehe5 er mit ein mit einem reinen Blick die ganze
Christenheit, Lebende und Tote und besonders die, für welche er beten will. Und im
Namen all dieser erhebe er (seinen Sinn) in innerem liebevollem Verlangen (zu
Gott), sie alle mit einem reinen Blick umfassend, und (bringe vor Gott) seine
besondere Liebe zu dem Leben und Leiden unseres Herrn Jesus Christus. Dies alles
geschehe mit einem einzigen Blick, wie wenn man tausend Menschen mit einem
Blick übersieht. Und dieses Hinkehren des Geistes zu Gott soll man oft und oft
wiederholen, (nur) einen Augenblick lang, immer wieder, und mit all dem in Gott
zurückfließen, mit seiner Wirksamkeit, seiner Vernunft und tätigen Liebe.
Alles aber, was man jemals (an Gutem) von Gott empfing, soll man sich nicht als
sein eigen zuschreiben; sondern ihr sollt es ihm wieder darbieten, nichts davon
halten, nur an euer lauteres Nichts und an eure Armut denken; und laßt euer Fragen
und Disputieren, ob es Gott sei, der sich euch innerlich zeigt und darbietet;

4
Nur bei Corin, Sermons 11, 310 findet sich der Hinweis auf das, was Tauler offenbar hier im Sinn hat: das sog.
Schuldkapitel.
5
Vetter 273,10 und der LT: "ziehe denne", der AT, KT: "zieche": diese Lesarten dürften vor der von Wi 1 - vgl. Corin, Wi
1, S. 125, 1, dazu Lesarten und Erläuterung - den Vorzug verdienen.
haltet euch allein an eure Kleinheit, eure Armut, euer Nichts, wie es ja der Wahrheit
entspricht.
Lasset Gott, was Gottes ist; bemüht euch, in euren Ursprung zurückzukehren, wie es
unser Herr Jesus Christus tat; der strebte mit all seinen Kräften, den oberen und den
niederen, allezeit zur Höhe. Wer ihm am allergenauesten nachfolgt, ist der Beste.
Denn der Mensch kann nicht so leicht und schnell niederwärts sinken, ohne etwas
von seiner Übereinstimmung mit Gott zu verlieren und an seiner Lauterkeit Schaden
zu leiden.
Dann (aber) soll der Mensch in unergründlicher Demut wieder (von neuem)
beginnen und nach innen blicken und sich von neuem in seinen Ursprung versenken.
Und dies alles durch das Leben und Leiden unseres Herrn Jesus Christus hindurch:
je getreuer er ihm nachfolgt, um so höher wird er sich erheben, um so wesenhafter,
göttlicher und wahrer wird (seine Nachfolge) sein; und das alles mit
Selbsterniedrigung und Vernichtung seines eigenen Selbst. Er soll tun und denken
wie die kranke Frau (im Evangelium), die sprach: "Wenn ich nur den Saum seines
Kleides berührte, so würde ich gewiß gesund werden." Der "Saum" oder "Rand"
seines Kleides: 'das bedeutet das Geringste von allem, was je, von seiner heiligen
Menschheit ausging. "Kleid" versinnbildet die heilige Menschheit; "Saum" kann einen
Tropfen seines heiligen Blutes bedeuten. Nun muß der Mensch wohl erkennen, daß
er seiner Ärmlichkeit wegen nicht auch nur das Allergeringste von all diesem
berühren kann; könnte er das in seiner Schwachheit tun, er würde ohne Zweifel von
all seinen Krankheiten geheilt.
So muß sich denn der Mensch vor allem in sein Nichts hineinversetzen. Kommt der
Mensch auf den Gipfel aller Vollkommenheit, so hat er es nötiger denn je,
niederzusinken in den aller tiefsten Grund und bis zu den Wurzeln der Demut. Denn
wie die Höhe eines Baumes von der Tiefe der Wurzeln herrührt so die Erhöhung des
(menschlichen) Lebens von der Tiefe der Demut.
Und darum ward der Zöllner, der seine gar tiefe Niedrigkeit erkannte, so daß er die
Augen nicht zum Himmel zu heben wagte, in die Höhe erhoben: er ging
gerechtfertigt nach Hause. Möchten wir uns doch alle mit diesem Zöllner in
Wahrheit so demütigen, daß wir gerechtfertigt werden können!
Dazu helfe uns der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

AMEN.

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