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Behandeln im Zwiespalt - über den therapeutischen Umgang mit

Frühgestörten*

Einleitung
Der Titel dieses Referats umreißt die Charakteristika wie die Proble-
matik des frühgestörten Patienten und seines Therapeuten: beide be-
1
finden sich - zumindest zeitweilig - im Zwiespalt .
Zunächst bleibt kurz zu definieren, um welche Patienten es hier geht;
gemeint sind Patienten mit Borderline-Störungen im Sinne Kernbergs (17)
und Rohde-Dachsers(34; 35), Patienten mit pathologischem Narzißmus (17;
19), mit Charakterneurosen im Sinne klassisch-psychiatrischer Termino-
logie, mit einer Grundstörung im Sinne Balints (2), mit sogenannten
strukturellen Ich-Störungen im Sinne Fürstenaus (11) .
Das z.Z. (ein-) gängige aber (ebenso) anspruchsvolle theoretische
Erklärungs- und Entwicklungsmodell dieser frühen Persönlichkeitsstö-
rungen ist nach wie vor die Objektbeziehungstheorie von Kernberg (16;
18), die hier nun gerade nicht erörtert oder dargelegt werden soll
(45, 340-344). Vielmehr geht es um die konkreten Erfahrungen im Umgang
mit diesen Patienten, um das eigene Erleben, die Gegenübertragung, das
praktische therapeutische Handeln und das therapeutische Dilemma.

Ambivalenzen und Ambitendenzen


Eine der auffallendsten Störungen der frühgestörten Patienten ist ihre
Ambivalenz (45, 55-58) in den - emotionalen - Beziehungen zu sich selbst
2
wie zum Therapeuten und zu anderen Personen . Es scheint, als seien sie
nie verläßlich oder wirklich 'da', als drohe der z.T. flüchtig, z.T.
tiefgreifend wirkende Rapport u.U. im nächsten Moment abzureißen, um-
zukippen. So befinden sich Therapeuten in der mißlichen Situation,
kein therapeutisches Bündnis mit diesen Patienten etablieren zu können,
denn schon der Versuch einer solchen Festlegung bedroht die somit un-
3
definierte Beziehung .
So kommen und gehen diese Patienten u.U. wie sie wollen und nicht wie
der Arzt/der Psychologe will, sind sie - zunächst - kaum verläßlich,
wirken sie wenig verbindlich. Auch was sie 'eigentlich' vom Therapeuten

Vortrag auf den 3. Paderborner Tagen für praktische Psychiatrie am


15.-16. März 1988 in der Westf. Klinik für Psychiatrie Paderborn
- 2 -

wollen, was denn zu behandeln sei, bleibt nur allzu häufig unklar,
ungeklärt. Einerseits wirkt es, als werde ein Symptom, ein Leiden,
eine Krankheit angeboten; andererseits werden Versuche einer systema-
tischen Differentialdiagnostik, werden Einkreisungen der Persönlich-
keits- wie Alltagsproblematik vermieden bis verhindert.
Und dennoch kehren diese Patienten immer wieder zurück, machen sie
ernsthafte Versuche sich zu öffnen und sich auf den anderen einzulas-
sen, erzählen sie lange, differenziert und anschaulich von sich, von
ihrem intrapsychischen Leid, ihren Ohnmachtsgefühlen und Allmachts-
phantasien, ihren Bedürfnissen, besser Sehnsüchten nach symbiotisch-
nahen Beziehungen und panischen Ängsten vor intensiveren persönlicheren
4
Kontakten zugleich . So wird der Behandler u.U. zum Zuhörer, zum mit-
fühlend-verwirrten Anderen, zur "sprechenden Attrappe" (28) ebenso wie
5
zum "hellhörigen Gesprächsteilnehmer" (12) . Im therapeutischen Handeln,
d.h. Nachfragen, versuchsweisen Strukturieren des Gesprächs, Herstellen
von Sinnzusammenhängen oder gar Interpretationen, erlahmen die meisten
Kollegen recht schnell, gehen sie den Vorgaben dieser Patienten nach,
sehen sie nur hierin eine Möglichkeit, den Spannungsbogen zwischen
Patient und sich selbst weder einbrechen noch zerreißen zu lassen.
Zugleich 'schützt1 auch dies uns nicht: frühgestörte Patienten belasten
uns mit noch undifferenzierten und um so schwerer erträglichen effek-
tiven Ausbrüchen, impulsiven Handlungen und im Augenblick unverständ-
lichen Projektionen. Heftigste aggressive Gefühle wechseln mit insi-
stierend-aufforderndem Nachfragen; hilflos-schutzsuchendes Anrufen
außerhalb der vereinbarten Termine wechselt mit wütend-enttäuschten
Gesprächsabbrüchen in der nächsten Stunde; plastische, sich kaskaden-
artig umstürzende Imaginationen (44) wechseln mit lähmend-leerem Schwei-
gen 6.
Masterson beschreibt diese Phänomene sehr anschaulich: "Die sechs
psychischen Reiter der Apokalypse - Depression, Wut, Angst, Schuld,
Passivität und Hilflosigkeit sowie Leere und Nichtigkeit - wetteifern
in ihrer emotionalen Wucht und Destruktivität mit der sozialen Gewalt
und Destruktivität der ursprünglichen vier Reiter - Hungersnot, Krieg,
Überschwemmung und Pestilenz. Technische Begriffe sind zu abstrakt,
um die Intensität und Unmittelbarkeit dieser Gefühle und damit die
Herrschaft zum Ausdruck zu bringen, die sie über das gesamte Leben
des Patienten haben. Die Funktionsfähigkeit des Patienten in der Welt,
seine Beziehungen zu anderen Menschen und selbst einige seiner physio-
logischen Funktionen sind der Abwehr dieser Gefühle untergeordnet" (26, 46)
- 3 -

out (Teil I)
Ganz gleich was von dem soeben Beschriebenen herausgegriffen wird:
es handelt sich um das Regredieren, um das Agieren des Patienten,
der es lernt, "ausdrücklich und oft mit primitiver Intensität zu
sagen, was er denkt und fühlt; bald erkennt er, daß die objektive
Beschreibung der Ereignisse nicht genügt, daß auch die sie begleiten-
den Affekte ausgedrückt werden sollen. Er beginnt, lauter und ein-
dringlicher zu sprechen, Gesten und Bewegungen zu machen; mitunter
überwältigen ihn seine Gefühle und er agiert in der Übertragung"
(2, 97-98) oder in der Situation statt zu sprechen. Balint beschreibt
diese Situation sehr plastisch weiter, so daß er sowohl bezüglich der
Haltung des Therapeuten wie der Phantasien und des Erlebens der Patien-
ten zitiert werden muß. Er schreibt:
"Der Druck dieser hochgeladenen Emotionen erzeugt eine merkwürdige
Ungleichheit in der Beziehung zwischen Analytiker und Patient. Der
Analytiker wird als mächtige, lebenswichtige Gestalt erlebt, aber
nur soweit er imstande und willens ist, die Erwartungen, Hoffnungen,
Wünsche und Bedürfnisse des Patienten zu befriedigen oder zu enttäuschen;
außerhalb dieser Sphäre, in der Wirklichkeit, existiert der Analytiker
kaum für ihn. Natürlich hegt der Patient alle möglichen Phantasievor-
stellungen über seinen Analytiker, aber sie haben in der Regel mehr
mit den inneren Bedürfnissen des Patienten als mit dem wirklichen Leben
und der wirklichen Persönlichkeit des Analytikers zu tun. Obwohl sich
der Patient im Vergleich zum Analytiker meist als der Schwächere erlebt,
ist es doch immer nur er, der Patient, um den es geht; nur seine Wünsche,
Triebimpulse und Bedürfnisse zählen, nur um seine Interessen muß dauernd
alle Aufmerksamkeit kreisen.
Diese Konstellation gilt für alle Patienten; immerhin gibt es aber Grad-
unterschiede in der Intensität und Dauer" (2, 104). Bei schwerer ge-
störten Patienten verliert das Wort "seine Verbindlichkeit als gemein-
sames Verständigungsmittel zwischen Patient und Arzt; besonders die
Deutungen bekommen für den Patienten eine Erlebnisqualität entweder
von Feindseligkeit und Aggression oder von Zuneigung. Der Patient be-
ginnt, zuviel über seinen Analytiker zu wissen; so geschieht es recht
häufig, daß er die Stimmung des Analytikers eher spürt als dieser selbst.
Gleichzeitig zieht der Patient sein Interesse scheinbar mehr und mehr
von den eigenen Problemen und Leiden, die ihn ursprünglich zur Analyse
geführt hatten, ab und konzentriert es zunehmend darauf, was wohl die
'wahren Gründe' sein mögen, die den Analytiker veranlaßten, dies oder
- 4-

jenes zu sagen, dies oder jenes zu tun, in dieser oder jener Stimmung
zu sein. Das absorbiert einen erheblichen Teil seine Libido, und es ist
vielleicht der Grund, weshalb der Patient in diesen Zustand scheinbar
nicht mehr den Drang hat, gesund zu werden, und den Wunsch, wenn nicht
sogar die Fähigkeit verliert, sich zu ändern. Zugleich nehmen seine Er-
wartungen an den Analytiker ein alles menschenmögliche übersteigendes
Ausmaß an, sei es im positiven Sinne in Gestalt von Sympathie, Verständ-
nis, Fürsorge, kleinen Geschenken und anderen Zeichen seiner Zuneigung,
sei es im negativen Sinne in Gestalt wütender Angriffe, gnadenloser Ver-
geltung, eiskalter Gleichgültigkeit usw. Kurz, die Vergangenheit hat
fast alle Bedeutung für den Patienten verloren, und nur noch die analyti-
sche Gegenwart existiert" (2, 104-105).
Auch der Therapeut kann auf die unterschiedlichsten Weisen auf die z.T.
subtilen Reaktionen seiner Patienten reagierten: "Seine Reaktion kann
gleichbedeutend mit Indifferenz, Mißbilligung, vielleicht nur einem
Schwimmer von Verdruß sein; er mag das Agieren tolerant behandeln, aber
unmittelbar darauf mit einer korrekten, zeitlich wohl überlegten Deutung
antworten, die den Patienten im Erlernen der Sprache des Analytikers
einige Schritte weiter fördern wird und weiteres Agieren verhindert;
vielleicht erlaubt er das Agieren auch eine Art von Sicherheitsventil;
oder er behandelt es in aller Ruhe als eine Selbstverständlichkeit,
ohne eine Deutung für notwendig zu halten, also ohne es anders zu be-
handeln als sonstige Mitteilungsformen" (2, 103).
So pendelt der Therapeut emotional zwischen Zuneigung und Ablehnung,
zwischen einfühlsamen Verstehen und ratlosem Unverständnis, zwischen
innigem Rapport und distanziertem Kontakt, zwischen - wenn auch skepti-
scher - Hoffnung und verärgerter Aufgabe oder Abbruch der Beziehung,
zwischen befremdetem Idealisiertwerden und schwer erträglichem Ent-
wertetwerden. Es geht bei diesen Patienten um Ja oder Nein , um Tod
8 9
oder Leben , um alles Alles oder Nichts .
"Diese archaische Ambivalenz dem Objekt gegenüber konstelliert aber
ein- für allemal unser Verhältnis zu solchen Menschen und Dingen, die
wir in unserem Leben mit Interesse, Liebe, mit Leidenschaft besetzt
halten und die infolgedessen eine entscheidende Rolle in unserem Erleben
besitzen. Im Lerngehorsam werden wir gezwungen, einen großen Teil der
ambivalenten Regungen zu unterdrücken, seien es Regungen libidinöser,
seien es solche aggressiver Art. Die sozialen Rollen, die uns die Ge-
sellschaft anbietet, haben dementsprechend nicht Raum für das volle
Ausleben der Ambivalenz. Unsere Fähigkeit, ambivalente Gefühle in uns
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selbst zu schlichten, hängt freilich entscheidend davon ab, mit wieviel


Rücksicht oder Rücksichtslosigkeit uns in der frühesten Zeit unseres
Lebens begegnet wurde" (29, 214-115).

Das Therapeuten-Dilemma
In welchem therapeutischen Setting man auch immer mit diesen Patienten
zu tun haben mag, ob ambulant, teilstationär oder stationär, in jedem
Fall muß der Therapeut Zugang haben zu dem extremen Erleben des Patien-
ten, zu seinen heftigen Affekten, seinem exzessiv-willkürlich erschei-
nenden Verhalten. Anders ausgedrückt: wie 'gestört1 muß und darf der
Therapeut selbst sein, um derartig archaische Mechanismen sowohl an-
nehmen und einfühlen wie auch ertragen und durchhalten zu können? 10
Margarete Mitscherlich beschreibt sehr klar, die Tätigkeit des Therapeu-
ten setze voraus, "daß seine Ich-Funktionen es ihm erlauben, flexibel
und kritisch mit seinen Abwehrmechanismen umzugehen. Die 'Ich-Spaltung',
die vom Analytiker verlangt, gleichzeitig zu fühlen, zu erleben, zu
denken und sich dabei zu beobachten, setzt voraus, daß er ein ziemlich
intaktes Ich haben muß. Ernst Kris unterscheidet dabei zwei Ebenen der
Ich-Tätigkeit: zur Selbstbeobachtung des Ich kommt noch die Beobachtung
der Art seiner Funktionsweise hinzu. Um diese analytischen Ich-Fähigkei-
ten zu entwickeln und sich in das primär-prozeßhafte Denken des Patien-
ten einfühlen zu können, dabei gleichzeitig aber dem sekundär-prozeß-
haften Denken verpflichtet zu bleiben, darf die Ich-Störung eines Be-
werbers also nicht tiefgehend sein" (30, 220) .
Hiermit wird bereits eine Grundhaltung angesprochen, die im therapeuti-
schen Umgang mit strukturell Ich-Gestörten wesentlich erscheint: auf-
merksame Geduld mit sich und dem anderen, Klarheit und Eindeutigkeit
im Gespräch ebenso wie konsequente, überdauernde Verläßlichkeit im Ver-
halten 11 . Masterson beschreibt, der Therapeut müsse "eine wirkliche
Person sein, die eine konsequente, ausdrücklich unterstützende Haltung
bewahrt" (26, 92). So verweist auch Rosenfeld darauf, daß diese Arbeit
"absolute Offenheit und Aufnahmebereitschaft erfordert, da diese Patien-
ten gerade auf dem Feld früher, primitiver Objektbeziehungen ihr wesent-
liches Trauma erlitten haben" (36, 352) .
Mit Unterstützung meint Masterson "zwei äußerst wichtige Dinge: einmal
muß der Therapeut gegenüber der Individuation des Patienten eine posi-
tive Haltung beibehalten. Dies hat die ständige und stetige Erwartung
zur Folge, daß der Patient in realistischer, gesunder und reifer Weise
handeln wird, und ist mit einer Haltung der Neugier, Anteilnahme und
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Nachforschung verbunden, wenn der Patient sich anders verhält. Das


geht soweit, daß der Therapeut dem Patienten zu wirklichen Leistungen
gratuliert und seinen wirklichen Niederlagen und Enttäuschungen Anteil
nimmt.
Zum ändern muß der Therapeut dem Patienten fortwährend seine Realitäts-
wahrnehmung sozusagen leihweise zur Verfügung stellen, indem er ihm
Grenzen setzt und ihn mit Vermeidung und Verleugnung konfrontiert und
ihm auf diese Weise dabei hilft, Fehler in der Realitätswahrnehmung,
die auf Spaltung, schlechte Realitätswahrnehmung sowie auf Verleugnung
der Realität zurückgehen, zu überwinden. Mit anderen Worten, der Thera-
peut konfrontiert den Patienten mit der Destruktivität der Abwehrmechanis-
men des pathologischen Ichs: Spaltung, Vermeidung, Verleugnung, Projektion
und Ausagieren des Wunsches nach Wiedervereinigung.
Gleichzeitig muß der Therapeut sich daran erinnern, daß der Patient ver-
sucht sein mag, auf diese therapeutischen Aktivitäten so zu reagieren,
wie er das bei seiner Mutter machte - sie nämlich als Anweisungen oder
Regeln zu benutzen, denen er sich fügen kann, um dann Anerkennung zu er-
halten, und damit die Therapie eher als Widerstand gegen und nicht als
Stimulus zur Individuation zu gebrauchen. Um diese Tendenz so klein wie
möglich zu halten, muß der Therapeut alle möglichen Anstrengungen unter-
nehmen, um sicherzustellen, daß die Therapie für den Patienten zu einem
emotionalen Erlebnis wird. Entwicklung und Richtung der Therapie sollte
der Patient bestimmen und nicht so sehr der Therapeut mit seinen Anwei-
sungen. Der Therapeut muß versuchen, sich so gut wie möglich auf den un-
mittelbaren Gefühlszustand des Patienten empathisch 'einzustimmen', da-
mit sein Vorgehen diesem Zustand entspricht. Er muß Geduld und Zurück-
haltung üben, um den Patienten zu eigener Einsicht kommen zu lassen,
was den größten therapeutischen Nutzen hat. Für den Borderline-Patienten
ist der Akt, selbst zu diesen Einsichten zu gelangen, genauso wichtig
wie die Einsichten selbst" (26, 92-93).
An dieser Stelle scheint zur Klarstellung wesentlich, daß frühgestörte
Patienten ausschließlich ihre eigene enttäuschende Welt kennen, jenseits
derer nicht Hoffnung auf befriedigende Perspektiven, sondern nur ein
bedrohliches Vakuum existiert (35, 186). So führt der therapeutische
'Fortschritt' zwangsläufig in diese für den Patienten bedrohliche Leere
hinein, so daß er aus ihr mit allen Mitteln umzukehren trachtet.
"Was sich dann äußerlich als Widerstand gegen die Therapie und als nega-
tive therapeutische Reaktion manifestiert, ist den Borderline-Patienten
ein lebensrettender 'Erhaltungsmechanismus', auf den der Patient solange
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nicht verzichten kann, bis er in der Identifikation mit dem (hoffent-


lich geduldigen!) Analytiker soviel verläßliche gute Neuerfahrungen ge-
sammelt hat, daß es ihm möglich wird, sein fixiertes Weltbild allmäh-
lich entlang diesen Neuerfahrungen vorsichtig und tentativ zu modifi-
zieren" (35, 186-187) .
Rohde-Dachser bezeichnet dieses permanente Kräftespiel zwischen Hoff-
nung und ihrer Negation als "Dilemma der Borderline-Therapie" und
schreibt, der Erfolg des therapeutischen Unternehmens hänge entscheidend
davon ab, inwieweit der Therapeut in der Lage ist, "dieses therapeutische
Dilemma zusammen mit dem Patienten durchzustehen, ohne dabei von seiner
eigenen Angst und von intensiven Gegenübertragungsreaktionen im Zusammen-
hang mit dem Erlebnis von Ohnmacht und Hilflosigkeit überwältigt zu wer-
den" (35, 187) .
Den Wünschen, Ängsten und Affekten des Patienten, seinen Projektionen
wie seinen Ambivalenzen und Ambitendenzen entsprechen die Probleme, die
der Therapeut in derartigen Behandlungen mit sich selbst hat bzw. haben
kann. Rohde-Dachser (35, 187-188) faßt die "Fallstricke der Gegenüber-
tragung" in Anlehnung an andere Autoren in fünf Punkten zusammen; es
handelt sich um:
1. die aggressive Gegenübertragungsreaktion auf den Patienten;
2. die Degradierung des Patienten und den Versuch, ihn 'abzuschieben';
3. die masochistische Unterwerfung unter den Patienten;
4. die Angst des Therapeuten vor dem eigenen Identitätsverlust;
5. die Wiederauflage der ursprünglichen pathogenen Beziehung zwischen
dem Patienten und einem Elternteil in der Psychotherapie.
In ähnlicher Weise beschreibt bereits Racker (32, 187-201) die Bedeutung
der Gegenübertragungsangst, der Gegenubertragungsaggression 12 , des
Schuldgefühls in der Gegenübertragung und anderer Gegenübertragungs-
reaktionen wie Schläfrigkeit, Langeweile oder Unterwerfung (im Sinne
einer Vermeidung von Versagung oder Spannung) bei Patienten überhaupt.
Wie problematisch und intensiv derartige Reaktionen des Therapeuten
bei den strukturell ich-gestörten Patienten dann sein müssen, wie sehr
die Therapeuten in der Therapie mit ihnen daher auf die eigene Gegen-
übertragung achten müssen, ist evident.
- 8-

Acting out (Teil ll)


Das bereits angesprochene Agieren und Re-Agieren sind Stichworte, die
auf die Schwierigkeiten in der stationären Behandlung hinweisen. Früh-
gestörte Patienten haben wie bereits beschrieben stärkte Neigungen zum
Ausagieren (45, 34-37), stehen in der Gefahr der psychischen Dekompen-
sation und haben nur ein schwaches Ich, das für den Therapeuten ein
wenig potenter 'Verbündeter' ist. Wenn die Dekompensation in der Klinik
besser aufgefangen, die therapeutische Ich-Spaltung im stationären
Setting weniger erforderlich erscheint (27) , bringt das Agieren des
Patienten ein Dilemma mit sich: strukturell schwer ich-gestörte Patien-
ten benötigen eine Begrenzung des Agierens, was in der Klinik jedoch
fast zwangsläufig eine Auseinandersetzung um das Setting mit sich bringt
und dazu führen kann, daß die Therapie in eine Auseinandersetzung um
Grenzfragen zu verkommen droht.

Die Spaltung mitmachen? (- dj/innori und/oder draußen)


Matakas empfiehlt folgerichtig eine teilstationäre Behandlung z.B. in
einer Tagesklinik, da die Patienten in diesem Rahmen "einerseits unge-
hindert agieren können, ohne sich zu gefährden, andererseits einen ab-
gegrenzten therapeutischen Raum haben, in dem sie handeln können wie
in einer Wirklichkeit, die nicht die eigentliche Wirklichkeit ist und
die sich wie eine Phantasie handhaben läßt. Solch ein Setting bietet
z.B. eine Tagesklinik. Hier hat der Patient eine Wirklichkeit, in der
er sein innerpsychisches Problem in Szene setzen und entfalten kann.
Die klinische Wirklichkeit ist nur eine arrangierte, eine Probewirklich-
keit. In ihr kann der Patient seine projektiven szenischen Arrangements
erforschen. Er muß nicht fürchten, daß beim Aufeinandertreffen seiner
Triebimpulse und der Wirklichkeit er selbst oder die Objekte zerstört
werden. Ein solches Setting wäre ein 'Zwischenbereich der Illusion'
(Winnicott, 1965), den Spielen des Kindes vergleichbar, in denen sich
die Unterscheidung von Wirklichkeit und Phantasie exemplifiziert" (27,
150) .
Zugleich unterstreicht Trimborn (42) die Notwendigkeit der stationären
Behandlungen ebenso wie deren Probleme: es kommt angesichts der "paranoid-
schizoiden Position" (Klein) zu Spaltungen, die sich immer wieder in dem
Gegensatz zwischen einer harmonischen, verständigen Zweierbeziehung
Patient-Therapeut und den Konflikten außerhalb dieser Beziehung eta-
blieren, d.h. Patient-Pflegepersonal, Patient-Mitpatient, Patient-
Gesellschaft.
- 9-

"Die Spaltungsvorgänge erscheinen nicht nur als Aufspaltung in ver-


schiedene Übertragungsbeziehungen, sondern sie betreffen auch die
therapeutische Beziehung und den Therapeuten selbst.
- Der Therapeut wird einerseits sowohl in der Einzeltherapie als auch
im stationären Bereich als Übertragungsfigur, andererseits als Real-
person erlebt.
- Die Spaltung zielt auf die therapeutische Situation, die zu einer
Spaltung zwischen innerer und äußerer Welt führt. In der Einzelthera-
pie wird oft mit dem Material, das der Patient im Gespräch anbietet,
mit Übertragungs-/Gegenübertragungsprozessen und an der Abwehr ge-
arbeitet - d.h. die Therapie zielt auf die innere Welt des Patienten -,
während der Erhalt des engeren und weiteren therapeutischen Rahmens
zu einem Teil (z.B. die Frage der Dauer und der Entlassung) den vor-
gesetzten Ärzten und zu einem anderen Teil (z.B. der Realitätsbezug,
die Fragen der Hausordnung) den Schwestern und der Verwaltung über-
lassen wird.
- Die Spaltungsvorgänge zielen auch auf den Patienten, der einerseits
als ein Individuum in einer Einzeltherapie steht, andererseits in einem
größeren zusammenhängenden therapeutischen Feld (Gemeinscnaft der
Patienten; Station als Ganzes) lebt.
- Schließlich stellt der Umgang mit der organmedizinischen Versorgung
ein großes Problem dar, d.h. die Spaltung zwischen Psyche und Soma.
Diese Spaltungsprozesse führen und führten immer wieder zu einer Frag-
mentierung und Konzeptionslosigkeit der therapeutischen Arbeit,
schließlich zu unkontrollierten Einführungen neuer, andersartiger
therapeutischer Ansätze, um der sich anbahnenden Hilflosigkeit zu
entgehen. Daraus resultieren eine weitere Rollendiffusion, ein Iden-
titätsschwund und Auflösungsprozeß im Team" (42, 206-207)13.
Als praktische Hilfe zur Vorbeugung des sonst zwangsläufig entstehenden
Schismas innerhalb der Station/der Institution gliedert Trimborn die
entwickelten Konzepte stationärer Therapie in drei Schritte, die den
pathologischen und zerstörerischen Kräften gerecht zu werden suchen:
1. der Schritt von der Einzeltherapie zur Gruppe;
2. der Schritt von der Gruppe zum Begreifen der Station als eine
Einheit einschließlich des Begreifens analoger Prozesse im Team;
3. die Betonung der Begrenzung, d.h. des Rahmens.
- 10 -

Problematisch bleibt insbesondere, daß sich im klinischen Setting


der alltägliche, objektive Raum mit dem subjektiven Raum inneren
psychischen Erlebens und dem psychotherapeutischen 'Zwischen'Raum
der Übertragung und Illusion überschneiden. Denn die Inkongruenz
dieser drei Räume erzeugt ein Klima, das die Pathologie der Border-
line-Persönlichkeiten mobilisiert und einer weiteren Desintegration
Vorschub leistet. Auch unter diesem Aspekt erscheint der teilstatio-
näre (oder ambulante) Umgang mit Frühgestörten das Mittel der Wahl zu
sein, ganz im Gegensatz zur Arbeit von Janssen über psychoanalytische
Therapie in der Klinik: die von ihm modellhaft beschriebenen therapeu-
tischen Prozesse während des stationären Aufenthalts (15, 204-207 u.
211) gelten sicherlich nicht für das Gros der allgemeinpsychiatrischen
Krankenhäuser, die derartig differenzierte und integrative Teamfunktio-
nen und Teamvariablen nach meiner Erfahrung weder theoretisch noch
praktisch realisieren können14 . Oer Vorzug einer teilstationären
tagesklinischen Behandlung hat unter zwei weiteren Aspekten Bedeutung:
"1. ist die Tagesbehandlung wegen der 128 Stunden wöchentlich, die er
auf sich selbst, auf seine Freundes- und Familienwelt angewiesen ist,
für den Patienten wesentlich weniger entlastend als die vollstationäre
Behandlung;
2. bietet die Tagesbehandlung Gelegenheit, Probleme, die in der gewohn-
ten Umwelt des Patienten auftreten, therapeutisch aufzuarbeiten. Mit
anderen Worten, die Tagesbehandlung ist zugleich verstärktes Risiko
und Belastung wie eine Chance zum Abfangen von Problemen, die in
Suicidalität oder in Suicid enden" (9, 268) .

Insgesamt wurde die Haltung des Therapeuten bereits zuvor skizziert;


für den Einzelkontakt wie für die Stationsatmosphären erscheint u.a.
von Bedeutung, daß dieses Behandlungsmilieu insofern 'ausgeglichen1
ist als es analog zu den Untersuchungen von Brown u.a. (3) die Patien-
ten weder durch 'low expressed emotions' unterfordern noch durch
'high expressed emotions' überfordern sollte. (Gerade diesen Forderun-
gen nach Einfachheit, Transparenz und Übersichtlichkeit des kognitiv-
affektiven Feldes (4) widersprechen jedoch in der Regel die Voraus-
setzungen psychiatrischer Krankenhäuser.) Neben der vorab beschriebenen
Grundhaltung im therapeutischen Umgang mit dem frühgestörten Patienten
und der Kontrolle der eigenen Gegenübertragung schlägt Bailly-Salin (1)
eine deutlich strukturierende Strategie vor, die die lange dauernden
und schwierigen therapeutischen Annäherungen des strukturell Ich-Gestör-
- 11 -

ten berücksichtigt und darauf zielt, die vielfältigen Phänomene und


auftretenden Bedeutungsaspekte im zeitlichen Ablauf der Therapie wie im
Kontext des institutionellen Räumens (s.o.) und der Patient-Therapeut-
Beziehung bzw. Therapeut-Klinik-Beziehung zu berücksichtigen.

Die dialektische Ambiguität im Therapeutenverhalten


Hiermit ist bereits beschrieben, daß der therapeutische Umgang mit
strukturell Ich-Gestörten sowohl die Bereitschaft wie auch die (insti-
tutionelle) Möglichkeit zu einer lang andauernden Therapie erfordert,
da ein Therapeutenwechsel die Wiederholung alter traumatischer Erfahrun-
gen des Patienten darstellen würde. Mit seinem Einlassen auf diese kon-
flikthafte Beziehung zum Patienten begibt sich der Therapeut dement-
sprechend (hoffentlich bewußt) in einen persönlichen Zwiespalt, in die
Verantwortung und Anforderung, die damit verbundenen Konflikte auszu-
halten, die Beziehung zum Patienten aufrecht zu halten. Er billigt
1R
diesen Patienten meist eine eigene Norm zu im Bemühen, diese zu ver-
stehen und mit der prinzipiellen Bereitschaft, derartige individuelle
Normen zu respektieren 17 . Henseler (14, 54) verweist in diesem Zusammen-
hang auf Litmans Betonung des Präverbalen, der Bedeutung von Gesten und
Handlungen, die Spannungen abbauen und Kommunikation herstellen können
(verstehender Blick, anteilnehmendes Gefühl, eine Tasse Kaffee...) und
die der klassischen therapeutischen Abstinenzregel zuwiderlaufen 18
"Es läßt sich also rückschließen, daß die Kommunikation zwischen Arzt
und Patient überaus störanfällig sein muß" (14, 54).

Um diese vielfältigen Aspekte des therapeutischen Umgangs noch einmal


zusammenzufassen: frühgestörte oder Borderline-Persönlichkeiten beziehen
sich auf "eine ziemlich allgemeine Diagnose, die sehr verschiedene Typen
von Charakterstörungen auf Borderline-Funktionsniveau umfaßt. Es ist von
großer Bedeutung, die jeweils vorherrschende Charakterstruktur von Border-
line-Patienten so genau wie möglich zu diagnostizieren, da sich aus den
verschiedenen Typen von Charakterkonstellation unterschiedliche progno-
stische und therapeutische Folgerungen ergeben" (17, 215) 19 . Als Behand-
lungsstrategie ist nach Ansicht des Autors ein teilstationäres Setting
dem vollstationären vorzuziehen mit einer Stundenfrequenz von 2 - 3 Kon-
takten wöchentlich (17; 37). Am Anfang steht neben der akzeptierend-gedul-
digen - nicht permissiven! - Haltung des Therapeuten die Bearbeitung der
zunächst u.U. hochgradig verzerrten, fast psychotisch anmutenden Erleb-
nisweisen des Patienten. Einerseits ist zwar die Einfühlung des Therapeu-
ten in der Behandlung von sogenannten Frühgestörten eine hoher Stellen-
- 12 -

wert beizumessen, doch ist diese Empathiefähigkeit a) nicht grenzenlos


und darf sie b) auch nicht sein! "Kohut (1987) warnt - entgegen der
Unterstellung mancher Kritiker - durchaus vor der Idealisierung der
Empathie" (31, 65).
Weiterhin sollte die Bearbeitung der negativen Übertragung im Hier-
und-Jetzt erfolgen und keineswegs deren versuchsweise lebensgeschicht-
liche Rekonstruktion. Das Hier-und-Jetzt verweist auf die fundamentalen
Segmente der Erfahrung, die als 'Hier-Dort1 verstanden werden können
und sich normalerweise in 'Innen-Außen1 (= 'Ich' - 'Nicht-Ich') diffe-
renzieren (23, 216).
Die Setzung von Grenzen zur Verhinderung des Ausagierens ist meist
unvermeidbar, ja erforderlich, kann ggf. gar zu strukturierenden Ein-
griffen in das Alltagsleben des Patienten führen. Hierbei ist nach
Ansicht des Autors jedoch erforderlich, daß Agieren darufhin zu unter-
suchen, inwieweit die agierten Affekte Begründungen in der äußeren
Realität finden und welche der inneren Realität des Patienten entsprin-
gen (18) 20 , denn: die Vermengung beider Wirklichkeiten des Subjekts
führt zu Unsicherheiten oder paranoiden Vorstellungen, in denen es nur
noch Freunde oder Feinde gibt (30, 7). Das Setzen von Grenzen ver-
deutlicht z.B. Kohuts Konzept der "optimalen Frustration" (20), das
sich darauf bezieht, daß bei allem therapeutischen Verstehen der
narzißtischen Wünsche des Patienten stets ein bestimmter (innerer)
Abstand, eine gewisse Verweigerung des Therapeuten fortbesteht.
Platta kennzeichnet diese Haltung treffend als "Doppelcharakter aus
Nähe und Distanz, Wohlwollen und Frustration" (31, 65), unterstreicht
so die dialektische Ambiguität der Therapie mit strukturell ich-ge-
störten Patienten.
Auf die Problematik, daß die frühgestörten Patienten aufgrund eben
dieser Störung die frühe interaktioneile Basis für das - sprachlich
gebundene - Symbolisieren und Phantasieren fehlt, wurde bereits hin-
21
gewiesen . Somit geht es darum, eine direkte und authentische, das
eigene lebendige Selbst mit einbringender Begegnung und Interaktion
mit dem Patienten zu verwirklichen, denn "die dogmatische Abstinenz
kann das intensivste Mitagieren sein, das denkbar ist, weil es die
phantasmatisch gespeicherten Ängste bestätigt" (28, 61). Es geht
darum, auf traumatisierende Distanzen, elitäre Sprechblasen-Deutungen 22
und überfordernde Aufforderungen ebenso zu verzichten wie auf das u.U.
zweifelsohne reizvolle Mitagieren in phantastischen aber affektiv be-
drohlichen Assoziationen. Es geht um die konkreten - nicht abstrakten -
- 13 -

Lebenswelten und Erlebnisinhalte des Patienten, um seine Affekt-


logiken (Ciompi), um entsprechend klares, eindeutiges Sprechen 23 und
Handeln, denn diese Patienten stehen offenbar besonders hilflos
"affektiv-kognitiven Widersprüchlichkeiten, Unklarheiten und Undurch-
sichtigen Vorgängen im zwischenmenschlichen Bereich gegenüber; sie ver-
mögen diese nicht zu durchschauen, können sich schlecht wehren" (4, 325).
Weiter geht es um eine innere Haltung und Akzeptanz des Therapeuten,
die der Patient als "Holding function" (Winnicott) identifizieren und
- wenn auch ambivalent - als interaktiven Halt annehmen kann; ein
Halt, der Regressionen ermöglicht, wenn den Patienten archaische Affekte
überkommen, die ja nicht permanent sondern nur in konvulsivischer Form
• ,j24
vorhanden sind
Nicht zuletzt sondern vielmehr zu Anfang einer derartigen Behandlung des
strukturell ich-gestörten Patienten sollte der Therapeut für sich
nicht nur seine persönliche wie fachliche Kompetenz, Belastbarkeit und
Erfahrung vorab klären; er sollte zudem realisieren, daß eine derartige
Therapie mehrere Jahre dauert/dauern kann und er als konstante wie ver-
läßliche Bezugsperson über die Dauer dieser Zeit verfügbar sein muß,
um traumatische Beziehungsabbrüche (8) vermeiden zu können. D.h. für
den Therapeuten beispielsweise, seine Arbeitsstelle nicht zu wechseln,
keine 6-wöchigen Jahresurlaube zu planen.

Zusammenfassend lassen sich diese Behandlungsprinzipien und Therapie-


schritte als Ausbildung bzw. Garantierung von Wärme, Rhythmus und
Konstanz auf verschiedenen Ebenen beschreiben. Bartl (56) leitet
diese m.E. griffigen und gut erinnerbaren Grundprinzipien in der
Behandlung frühgestörter Persönlichkeiten von den entsprechenden
Störungen der psychischen Entwicklung der Person in diesen drei
Erlebnisbereichen ab und skizziert somit treffend die Basisvoraus-
setzungen für die Therapie dieser Patienten:
"Die Kunst besteht darin, ein Milieu zu schaffen, welches dem Patienten
ermöglicht, Angst abzubauen, Vertrauen zu schöpfen und sich frei zu
entfalten bzw. zu regredieren, um Versäumtes nachzuholen, Unerfülltes
zu erfüllen und dann aus der Regression heraus sich entwickelnd die
psychische Reifung nachzuvollziehen" (56, 118).
Die Schaffung von Wärme, Rhythmus und Konstanz hat sich als Grundlage
einer Therapie mit grundgestörten Patienten bewährt und beinhaltet so
banal und selbstverständlich erscheinende Forderungen an den Therapeu-
ten wie beispielsweise emotionale Hinwendung bzw. Akzeptanz des Patien-
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Anmerkungen
1 Knaurs Wörterbuch der Synonyme präzisiert 'zwiespältig1 als:
zerrissen, gespalten, zweifelnd, widerstrebend, widerstreitend,
entscheidungsunfähig, unentschieden, unentschlossen, uneins, un-
einig, unschlüssig, mit sich zerfallen, unausgeglichen, labil,
disharmonisch, diskrepant (33, 559).
2 Alexander Mitscherlich spricht von der "schroffen Ambivalenz der
Gefühlsäußerungen" (29, 129), von der "Archaischen Ambivalenz"
(29, 214) und schreibt weiter: "Da der Ausdruck der Sympathie und
Antipathie so eindrucksvoll mit Sinneswahrnehmungen belegt wird
(man kann jemanden nicht riechen, sehen, seine Stimme nicht hören,
man schreckt voreiner Berührung mit ihm zurück, weil sie widerlich
ist), ist anzunehmen, daß das affektive Gestaltsschema, das später
die Gefühlsregungen der Sympathie und Antipathie erweckt, sehr früh
in den ersten zwischenmenschlichen Erfahrungen gebildet wird, in
einer Lebenszeit intensivster Sinneseindrücke bei noch mangelhaften
Ich-Leistungen und dem Vorherrschen magischer Konstruktionen zwischen
den einzelnen Erfahrungen" (29, 131).
S. auch 49, 250-252.
3 Eine Situation, die Ciompi mit der des "berühmten Reiters auf dem
Eis des Bodensees" (5, 209) anschaulich beschreibt.
4 Vgl. Gottschalchs Formulierung der "heillosen Dreieinigkeit von
Aggression, Ambivalenz und Narzißmus" (13, 17-30).
5 S. auch Lacan (21, 206-207).
6 Rigide Konzepte in der Psychotherapie, die "methodengläubige Sterili-
tät eines idealisierten Standard-Verfahrens" mit diesen Patienten
führen "häufig zu einem Ausagieren außerhalb der Analyse oder zu
Impulshandlungen in ihr - oder wiederum zu einer von heftigen, aber
leeren Affekten oder tötlicher Monotonie begleiteten analytischen
Behandlung, deren Sitzungen immer weitergehen, aber zu nichts mehr
führen" (28, 13-14).
7 So überschreibt Spitz (40) seine Zusammenfassung von Einzelunter-
suchungen zur Ontogenese des Ichs, zur Entfaltung und Gestaltung
der Objektbeziehungen, zur Grundlegung und Festigung der Persön-
lichkeitsstruktur innerhalb der ersten beiden Lebensjahre mit dem
Buchtitel 'Nein und Ja', keineswegs Nein oder Ja.
8 Vgl. Henseler (14); s. auch Ferenczi (7).
9 Knaurs Wörterbuch der Synonyme verweist unter 'Zwiespalt' folge-
richtig auf 'Zweifel' und ersetzt dies u.a. mit "Wenn und Aber,
Für und Wider, Hin und Her, entweder-oder" (33, 5bb)) .
S. auch 47, 344-347.
10 Kernberg beschreibt diesbezüglich ausführlich Qualifikation und
Persönlichkeit des Therapeuten (17, 173-177); s. auch Lacan (21,
204-205).
11 S. hierzu Laing (23, 30-31).
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12 S. hierzu auch Strotzka (41, insbes. 211-212).


13 S. auch Finzen zur Spaltung im Team (9, 291-301).
14 S. auch Kernberg zur Beziehung zwischen Psychotherapeut und
Krankenhauspersonal (17, 242-244) sowie Freeman u.a. (10, 132-135).
15 S. auch Wiethölter zur tagesklinischen Behandlung (43).
16 Analog hierzu formuliert Laing, "daß Schizophrene den Psychiatern
mehr über die innere Welt beizubringen haben als Psychiater ihren
Patienten" (22, 99).
17 S. auch Leder (24).
18 So konstatiert das Ehepaar Lefort diesbezüglich: "Die Beziehung
zum Symbolischen und zum Wort ist hier das diagnostische Kriterium
für Neurose oder Psychose und bildet eine Klippe in jeder Behandlung
von Psychotikern; daher müssen beide strukturell klar unterschieden
werden. Der Signifikant und das Symbolische sind nicht deckungsgleich:
der erste stellt das Material dar, das zweite eine strukturelle Kate-
gorie. Verdrängung, Unbewußtes und Rede hängen vom Symbolischen ab.
Nicht jedes Wort ist als artikulierter Signifikant zwangsläufig
symbolisch" (48, 283-284).
Ähnlich beschreibt Platta die klassisch-psychoanalytische Auffassung
der "Verausgabung" der Libido: "Entweder in Richtung 'Objekte' - dann
ist auch 'Übertragung' möglich und ergo Therapie - oder in Richtung
des eigenen 'Ich' - dann wendet sich das Individuum ganz von der
Außenwelt ab, Übertragung bleibt aus und mithin die Chance zur Heilung
in einem psychoanalytischen Prozeß" (31, 64).
19 Der Verweis auf die Vielgestaltigkeit, die erheblichen Unterschiede
in den individuellen Problemen dieser Patienten (47, 172) erscheint
auch unter dem Gesichtspunkt von unzulässig vereinfachender diagno-
stischer Schablone und vermeindlich psycho-logisch abgeleitetem
therapeutischem Handlungswissen (6) wichtig.
20 S. dagegen Laing, der "innen" und "außen" zumindest relativiert (22,
14-15) und problematisiert: "Wir beginnen wieder mit der Spaltung
unserer Erfahrung in anscheinend zwei Welten - eine innere und eine
äußere.
Normalerweise wissen wir wenig von beiden und sind beiden entfremdet;
vielleicht wissen wir noch ein wenig mehr von der äußeren als von der
inneren. Die einfache Tatsache jedoch, daß wir zwischen innerer und
äußerer Welt trennen müssen, läßt bereits einen historisch bedingten
Bruch zum Vorschein kommen. Die innere Welt ist schon ihrer Substanz
beraubt, die äußere ihrer Bedeutung" (22, 113).
21 S. das Prinzip der symbolischen Wunscherfüllung bei Sechehaye (51).
22 Spitz kritisiert Moser das sonst "perfekte" Zusammenspiel von Ich-
Störung auf selten des Patienten und analytischem Setting auf Seiten
des Therapeuten: "Der Analytiker, der den sprachbegabten Patienten
für ideal behandlungsfähig gehalten hat, muß feststellen, daß sich
die hochgradige innere Abwesenheit oder Verleugung des Objekts ver-
doppelt durch die sensomotorische Abwesenheit des Analytikers, und
nach Monaten oder Jahren des inhaltsorientierten Zuhörens konstatiert
er, daß er aus einem klugen Gerede mit einer vorwiegend autoerotischen
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Bedeutung der Sprachmusik aufgesessen ist. Eine gelehrte Mutter


und ein gelehrter Säugling haben einige Jahre miteinander tele-
foniert, obwohl sie sich zum Greifen nahe beieinander befinden"
(28, 54).
23 Immerhin beschreibt Searles (38) für die Beziehung zwischen Patient
und Therapeut, daß beide versuchten, sich gegenseitig verrückt zu
machen (!); auch insofern erscheinen eine klare und unzweideutige
Sprache bzw. Kommunikation überhaupt erforderlich.
24 Den Versuch, diesen Erfordernissen gerecht zu werden/nachzukommen,
machte der Autor gemeinsam mit einer Kollegin auf einer Station mit
18 Patienten (vgl. 55), kommt auch gerade aufgrund der eigenen Er-
fahrungen sowohl mit der vollstationären bzw. ambulanten Arbeit mit
derartigen Patienten zu der vorgenannten Schlußfolgerung, daß das
tagesklinische Setting hierfür am geeignetsten erscheint. Dieses
Ergebnis wird sowohl durch die Veröffentlichungen von Vandieken und
Engelke (58) wie auch Payk und Wachendorfer (57 über die Effizienz
tagesklinischer Behandlungen bestätigt.

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