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Sonntag | Nr. 22 | 6.

Juni 2010
Seite 45 WISSEN

Die «Sprache Gottes» nicht verstanden


Mit vollmundigen Versprechen verkündeten vor zehn Jahren Genetiker die Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Was wurde daraus?

Nichts weniger als eine Revolu-


tion der menschlichen Gesund-
heit versprachen die Forscher.
Sie ist bis heute ausgeblieben.

VON MARTIN AMREIN


Die Stimmung war feierlich, als sich vor
fast zehn Jahren zwei erbitterte Konkur-
renten im Beisein von US-Präsident Bill
Clinton die Hand reichten. Jahrelang hat-
ten sich die Wissenschafter Craig Venter
und Francis Collins ein spannendes Kopf-
an-Kopf-Rennen geliefert. Nun veröffent-
lichten der Chef des privaten Biotech-Un-
ternehmens Celera und der Leiter des öf-
fentlich geförderten Genom-Projekts im
Weissen Haus gemeinsam eine erste, al-
lerdings noch lückenhafte Kartierung des
menschlichen Erbguts.
«Heute lernen wir die Sprache, in
der Gott das Leben schuf», meinte Clin-
ton. Und Collins sprach nicht weniger Genanalysen:
euphorisch von einem der bedeutends- Der Wettlauf
ten Ereignisse der Geschichte, vergleich- um die Ent-
bar mit der Mondlandung. Von der Ent- schlüsselung
schlüsselung des Erbguts war die Rede des menschli-
und von einer Revolution für die Ge- chen Genoms
sundheit des Menschen. hat zu viel
schnelleren und
BEIDES JEDOCH IST BIS HEUTE nicht er- günstigeren
reicht: Weder haben wir die Sprache des Auswertungen
Genoms gänzlich verstanden – was die- geführt – und
se riesige Buchstabenwüste wirklich be- so die Wissen-
deutet, bleibt unklar –, noch ist die ver- schaft revolu-
sprochene Revolution tatsächlich einge- tioniert.

BILD: KEYSTONE
treten. Die damaligen Versprechen wa-
ren überrissen, müsste damit die nüch-
terne Bilanz zum Jubiläum lauten. Ist
.

das so? «Ja», sagt Alexandre Reymond,


Genetik-Professor an der Universität
Lausanne. «Zumindest, wenn wir von Mond zu vergleichen ist: Auch der führ- als riesiger Behördenapparat, der die schrieb der Genetiker kürzlich in der wichtige Forschung seien in den vergan-
der Gesundheitsversorgung sprechen: te zu neuen Innovationen wie Teflon.» wenigen Gene reguliert. «Wie das im De- Fachzeitschrift «Nature». Neue grosse genen Jahren immer weniger Förder-
Die änderte sich nicht so drastisch wie Allerdings mussten die Genetiker tail abläuft, ist noch unbekannt», sagt Fortschritte seien zu erwarten, sobald in gelder übrig geblieben.
prophezeit.» Die Überprüfung des per- einräumen, dass das menschliche Ge- Reymond. Er selber gehört zu jenen For- den nächsten Jahren die Kosten für die
sönlichen Genoms eines Patienten ge- nom viel komplizierter ist, als man vor schern, die es herausfinden wollen. Sequenzierung eines Genoms unter ÜBERHAUPT BLEIBT DIE FRAGE, ob es
hört jedenfalls längst nicht zum Stan- zehn Jahren geahnt hatte. Drei Milliar- 1000 Dollar fielen. Dann rücke die Ära wirklich so erstrebenswert ist, dass uns
dardtest in der Arztpraxis. den biochemische Buchstaben umfasst DER WISSENSCHAFTSBETRIEB erlebte der personalisierten Medizin näher, bei allen dereinst die eigenen Genom-Daten
Im Bereich der Wissenschaften ha- es. Der grösste Teil davon enthält keine Veränderungen. Doch wie steht es mit der jeder sein eigenes Erbgut in der zur Verfügung stehen. Zwar könnte der
be die Revolution aber stattgefunden, genetische Information, nur gut 20 000 der Gesundheitsrevolution? Wir müss- Krankenakte gespeichert habe. Arzt vielleicht schon vor einer teuren
sagt Reymond und verweist auf die Gene machen unser eigentliches Erbgut ten uns noch gedulden, meint Genom- Es waren solche Versprechen, die Therapie abklären, ob ein bestimmtes
enorme technische Entwicklung, die in aus. Ein Fadenwurm hat ähnlich viele Pionier Francis Collins heute: «Diejeni- vor zehn Jahren zum grossen Hype rund Medikament überhaupt hilft. Dafür lau-
der Genetik in den letzten zwanzig Jah- Erbanlagen, der Kohl bringt es gar auf gen, die dramatische Ergebnisse über ums Genom-Projekt führten. Die Wis- ern andere Gefahren: «Womöglich
ren erfolgt ist: «Die Sequenziermetho- die fünffache Menge. Der Grund: Ein Nacht erwarteten, mögen enttäuscht senschafter schürten ihn, um For- möchte der Arbeitgeber dann wissen, ob
den wurden immer schneller und im- komplexer Mechanismus sorgt beim sein, sollten sich aber bewusst machen, schungsgelder für weitere Projekte zu ich ein Risiko habe, an Krebs zu erkran-
mer günstiger, wovon heute alle biologi- Menschen dafür, dass ein Gen verschie- dass Genforschung der obersten Regel generieren. Diese Entwicklung bedauert ken oder nicht. Die wirkliche Qualifika-
schen Disziplinen profitieren. Verant- dene Proteine – die eigentlichen Zellbe- aller Technologien folgt: Wir überschät- der Bostoner Krebsforscher Robert Wein- tion für den Beruf zählt nicht mehr»,
wortlich dafür war der Wettlauf bei der standteile – hervorbringen kann. Rund zen ausnahmslos den kurzfristigen berg. Die Grossprojekte der Genom-For- warnt Reymond. Zukünftig brauche es
Kartierung des menschlichen Genoms, 98 Prozent der DNA speichern keine ge- Einfluss einer neuen Technologie und schung verschlängen riesige Summen, Regeln, um solche Missbräuche zu ver-
der durchaus mit dem Wettlauf zum netischen Daten, sondern dienen wohl unterschätzen ihre Langzeiteffekte», für die althergebrachte, nicht weniger hindern.
INSERAT

Kaputter Helm Stechmücken trotzen


strengem Winter
beginnt zu stinken Kälte ist dank Frostschutzstoffen kein Problem

Eine neue Erfindung lässt defekte Kunststoffe streng riechen BEIM BADESPASS am See, Die meisten Stechmü-
beim abendlichen Grillen ckenarten bei uns überwin-
oder kurz vor dem Einschla- tern im Ei-Stadium, wobei in
RADFAHRER KÖNNTEN KÜNFTIG am Ge- bricht. Einen ähnlichen Effekt haben fen: Stechmückenalarm! Wo Frostperioden die Lebensfunk-
ruch erkennen, wann es Zeit für den kleine Risse, wie sie schon bei kleineren auch immer die lästigen Blut- tionen in den Eiern auf ein
Austausch ihres Helms wird. Möglich Stössen entstehen können. Wie es um sauger auftauchen, sorgen sie Minimum zurückgehen. «Be-
macht das ein von Fraunhofer-Forschern den Dämpfer steht, lässt sich durch blos- bei uns für üble Laune. Viele stimmte Substanzen in ihren
in Freiburg entwickeltes Verfahren. Da- se Betrachtung jedoch kaum feststellen. hoffen in diesem Jahr aller- Körpern wirken dabei wie
bei werden winzige Duftstoffkapseln in dings auf den Effekt des kal- Frostschutzmittel», sagt Be-
den Helm integriert, sodass sich kriti- KOPLIN UND SEINE KOLLEGEN lösen die- ten Winters: Der strenge cker. Ausserdem ist der Was-
sche Belastungen durch einen strengen ses Problem mit einer aufgeklebten Fo- Frost dezimiere die Plagegeis- sergehalt im Gewebe gering,
Geruch bemerkbar machen. lie, die ebenfalls aus Polypropylen be- ter, was sich bis in das Som- das schützt vor der Bildung
Ein solcher Mechanismus könne steht und in die winzige Duftstoffkap- merhalbjahr auswirke, heisst zerstörerischer Eiskristalle.
einen guten Kopfschutz gewährleisten seln eingearbeitet werden. Diese Kapseln es. Werden wir also dieses
und zugleich den Geldbeutel schonen sind einige Hundertstel- bis Zehntelmil- Jahr weniger gestochen? WIE STARK DIE Invasion der
helfen, erläutert Christof Koplin vom limeter gross und nehmen den Duftstoff «Der kalte Winter macht Blutsauger in einem Jahr aus-
Fraunhofer-Institut für Werkstoffmecha- in einem porösen Kern aus Silizium- den Mücken nichts aus», sagt fällt, hängt vor allem von den
nik in Freiburg. «Oftmals werden Helme dioxid auf. Die Festigkeit ihres Kunst- Norbert Becker, wissenschaft- Bedingungen im Frühjahr
nach dem Herunterfallen unnötig ent- harzmantels ist gerade so gewählt, dass licher Leiter der deutschen und Sommer ab. «Wasser und
sorgt, da man nicht erkennen kann, ob sie knapp unterhalb der kritischen Belas- Aktionsgemeinschaft zur Be- Wärme sind dabei die ent-
sie tatsächlich beschädigt sind. Das ist tungsschwelle des eigentlichen Dämp- kämpfung der Schnakenpla- scheidenden Faktoren», sagt
mit den Kapseln nicht mehr erforder- fers brechen und ihren Duft verströmen. ge. «Stechmücken gibt es ja Becker. Nach Überschwem-
lich.» Dieses Prinzip eigne sich nicht nur sogar in Sibirien mit seinen mungen oder langen Regen-
Fahrradhelme dämpfen Stösse mit für Fahrrad-, Motorrad- oder Bauhelme, Eiswintern.» Für hiesige Mü- fällen finden die Stechmü-
einem Polypropylenschaum, der in eine so Christof Koplin weiter dazu, sondern cken sind die im Vergleich da- cken in Wasseransammlun-
leichte Formschale gegossen wird. Der generell für sicherheitsrelevante Poly- zu harmlosen Frostperioden gen ideale Brutstätten für ih-
Kunststoffdämpfer altert jedoch und merbauteile. Dazu zählten etwa Druck- kein Problem – ein kalter re Larven. Wenn dann noch
kann im Laufe der Zeit spröde und rissig schläuche an Waschmaschinen oder Winter schützt nicht vor ei- hohe Temperaturen dazu-
werden, sodass er im Falle eines Falles Kunststoffrohre in Wasser- und Gaslei- ner Mückenplage im Som- kommen, entwickeln sie sich
mit nur geringer Dämpfwirkung zer- tungsnetzen. CARSTEN MEINKE merhalbjahr. explosionsartig. (DDP)

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