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___________________________________________________
(Titel)
Wissenschaftliche Hausarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
eines Magister Artium der Universität Hamburg
Vorgelegt von
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(Vornahme, Familienname)
aus ___________________________________________________
(Geburtsort)
Hamburg ___________________________________________________
(Jahr der Einreichung)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV
I Bürokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1 Die Entstehung des deutschen Schulwesens . . . . . 2
Im Feudalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Nach dem 1. Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3 Schulwesen im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.4 Schulwesen in Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.5 1960 - 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.6 1990-2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Bildung in der Finanzkrise 15 • Die Aufgaben der Schule und der
effektive Einsatz ihrer Resourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2 Max Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3 Talcott Parsons: Der Systembegriff . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4 Luhmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
4.1 Das Erziehungssystem der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Systemeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
4.2 System- und Organisationstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
5 Dirk Baecker: Wirtschaftssoziologie . . . . . . . . . . . . . . . 23
5.1 Entscheidungstheoretische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
5.2 Motivationstheoretische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
6 Der Institutionen-Begriff von Douglas C. North . . . 24
II Sadismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
7 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
7.1 Krafft-Ebbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
7.2 Freud . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
7.3 Allen — Drei Typen von Sadismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Typ 1: Grausame Handlungen ohne Verbindung mit sexuellen
Gefühlen . . . . . . . . 28 • Typ 2: Grausame Handlungen mit teilweise
Sexueller Befriedigung . . . 29 • Kritik . . . 30 • Psychopatologie und
Erscheinung 30 • Psychoanalyse 30 • Todestrieb und Libido 31 •
Was Sadismus und Masochismus gemeinsam haben . . . 32 • Von
Allen verwendete Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
I
Inhaltsverzeichnis
II
Inhaltsverzeichnis
III
Vorwort
Zielsetzung von Schule
Möglichst viel Wissen in möglichst kurzer Zeit möglichst unterhaltsam zu ver-
mitteln ist nicht das einzige Ziel des Schulwesens. Das Schulwesen erzieht und
sozialisiert. Es befindet sich im Besitz der Allgemeinheit und hat insofern eine
Umverteilungsfunktion. Es verbessert den Stand der Wähler der Regierungspar-
teien. Da die Arbeiterklasse derzeit in die verfeindeten Lager der Arbeiter und der
Erwerbslosen aufspaltet, ist es wenig verwunderlich, dass der Bildungsgrad und die
soziale Herkunft stark korrelieren. Schließlich regiert in fast allen Bundesländern
die obere Mittelklasse.
IV
Vorwort
Bürokratie
Im Gegensatz zum Angestellten im Wirtschaftsystem gibt es beim Beamten einige
Besonderheiten. Seine Treue gilt in erster Linie dem Grundgesetz, in zweiter
Linie dem Dienstherren und erst an dritter Stelle kommt sein Gewissen. Der
Angestellte im Wirtschaftsystem hat seinem Arbeitgeber gegenüber ebenfalls eine
Treuepflicht, wird aber, je nach Grad der Marktkonzentration, weniger große
V
Vorwort
Probleme haben aus dem Betrieb zu scheiden und seine Fähigkeiten einem anderen
Eigentümer von Produktionsmitteln zur Verfügung stellen. Die Option steht dem
Beamten nicht ohne weiteres offen. Er ist auf eine spezialisierte Funktion geschult
worden, für die es meist keine private Nachfrage gibt. Es gibt Bereiche, in denen
das anders ist, z.B. im Wissenschafts- und Rechtssystem. Hier sind die Gehälter
entsprechend höher, so dass die Exit-Kosten relativ hoch sind. Sie steigen auch
im Laufe der Jahre, weil der Beamte keinen Renten-Anspruch hat. Die Rolle des
Gewissens ist also im Staatsdienst strukturell herabgesetzt. Die ideale Beamtin ist
ein gewissenloser Mensch. Sie muss Befehle ausführen, und darf sie allein auf ihre
Rechtmäßigkeit hin zu hinterfragen. Das erhöhte Maß an Unterwerfung durch
Abhängigkeit innerhalb der staatlichen Bürokratie deutet eher auf Masochismus
hin. Die Frage ist aber; wie äußert sich dieses Abhängigkeitsverhältnis innerhalb
der staatlichen Bürokratie bei Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Funktion?
Jeder, dem einmal ein Bus »vor der Nase« weggefahren ist, oder der auf einem
Amt mit einer Nummer in der Hand stundenlang warten musste, hat sich sicher
schon ein mal gefragt, ob es dem Sachbearbeiter oder der Busfahrerin Spaß macht,
diese Macht zu besitzen. Sadismus bedeutet ja nicht nur„ Macht zu besitzen,
sondern auch, sie zum eigenen Vergnügen zu gebrauchen bzw. zu missbrauchen.
Eine weitere Frage, die sich in solchen Situationen stellt ist die, ob es überhaupt
nötig ist, dass jemand überhaupt soviel Macht besitzt und, wenn ja, ob man
ihn/sie nicht effektiver kontrollieren kann.
Diese Arbeit geht der Vermutung von der Vermutung aus, dass es einen
Zusammenhang gibt zwischen Bürokratie und Sadismus. Sie wird den Begriff der
Macht im organisationstheoretischen Zusammenhang diskutieren und abschließend
nach Wegen suchen, wie der volkswirtschaftliche Schaden, der durch Sadismus
verursacht wird, mit Hilfe von Organisationstheorie minimiert werden kann.
Der Schwerpunkt soll hierbei im Bereich des Erziehungswesens liegen. Wie
bereits angedeutet liegt dieses in den Händen des Staates. Seine theoretische
Umverteilungsfunktion wird von allen Demokratien sehr geschätzt. Das Schul-
wesen sichert die Chancengleichheit und macht aus dem Feudalen Geburtsrecht
ein republikanisches Examensrecht. Die Entwicklung des Schulwesens soll im
folgenden noch etwas genauer betrachtet werden.
Ein Verwaltungsapparat ist allen Staaten und zu allen Zeiten von Nöten
gewesen. Schon allein zur Steuererhebung. In manchen Ländern wurden Sklaven
verwendet, in anderen wurden die Ämter durch den Herrscher versteigert oder
an Freunde verteilt. Das Problem bei den Sklaven war, dass man sie nicht gut
genug kontrollieren konnte. So haben sie viel gestohlen. Das Problem bei der
Feudalherrschaft war, das die Hierarchie an vielen Stellen durchbrochen war.
VI
Vorwort
VII
Teil I
Bürokratie
1
1 Die Entstehung des deutschen
Schulwesens
1.0.1 Im Feudalismus
Hattenhauer (1980): »Die Geschichte des Beamtentums: Ideal und Wirklichkeit
im Zeitalter des Absolutismus: Pädagogen,Pastoren und Professoren«
Bis 1872 war der Pfarrer in Preußen Vorgesetzter des Schulmeisters. Er hatte
das Recht und die Pflicht zur Schulvisitation und sollte in erster Linie dafür
sorgen, dass die Religion der Staatskriche gelehrt wurde. Frömmigkeit war keine
Privatsache. Die Pastoren standen damals im Staatsdienst.
»Den bildungsbeflissenen Sproß armer Leute pflegte seine Karriere mit Hilfe
von Stipendien über das Lehrerseminar zum Volksschullehrer zu befördern. Er
sah es als einen Aufstieg an, wenn sein Sohn es zum Pfarrer brachte; erst die
Enkel wurden Juristen.« (ebd. S. 116).
Das Einkommen als Dorfschullehrer bestand aus dem Schulgeld. Da sein
Einkommen von der Zahl der anwesenden Kinder abhing, hatte er ein Interesse an
der Einhaltung der Schulpflicht. Auch waren kinderreiche und überfüllte Klassen
damals begehrter. Da es keine Rentenversicherung gab, waren 80-jährige Lehrer
keine Seltenheit. 1794 wurde in Preußen ein Versorgungsanspruch von 13 des
bisherigen Einkommens anerkannt. Dieser Betrag musste durch den Nachfolger
aufgebracht werden.
2
Die Entstehung des deutschen Schulwesens 19. Jahrhundert
Rechnen sowie seinen Glauben, das Kinder durch die Schule »Seeligkeit« erlangen.
Obwohl er sogar Hilfe bei der Aufbringung des Schulgeldes für Bedürftige regelt,
wird der Edikt vielerorts missachtet. Immerhin ist die Zahl der Dorfschulen bis
zum Ende der seiner Regentschaft 1740 von 320 auf 1480 angewachsen2 .
1763 wird ein General-Landesschulreglement erlassen, in dem die Schulpflicht
erneut verankert ist. 1787 wird ein »Ober-Schul-Kollegium« gegründet, das die
Aufsicht über das gesamte Schulwesen hat. Eine erste Landesschulbehörde. Sie löst
die Kirchen in ihren Visitationen ab, sorgt für den Lehrernachwuchs, kümmert
sich um Lehrbücher und Unterrichtsmethoden. Die bekannteste Maßnahme ist die
Einführung des Abiturs als staatliche Prüfung. Diese erste Landes-Schulbehörde
bestand jedoch nur aus sechs Kompetenzträgern, weshalb ihr Durchsetzungsver-
mögen sich in Grenzen hielt. Deshalb muss der eigentliche Beginn des staatlichen
des Schulwesens in Preußen wohl mit dem »Allgemeinen Landrecht für die preu-
ßischen Staaten« von 1794 angesetzt werden. Im Abschnitt »Pflicht der Aeltern,
ihre Kinder zur Schule zu halten« heisst es3 :
§. 44: Schulpflicht Nur unter Genehmigung der Obrigkeit, und des geistlichen
Schulvorstehers, kann ein Kind länger von der Schule zurückgehalten, oder der
Schulunterricht desselben, wegen vorkommender Hindernisse, für einige Zeit
ausgesetzt werden.
§. 45: Wer arbeitet, muss in der Freizeit lernen Zum Besten derjenigen
Kinder, welche wegen häuslicher Geschäfte die ordinairen Schulstunden, zu gewis-
sen nothwendiger Arbeit gewidmeten Jahreszeiten, nicht mehr ununterbrochen
besuchen können, soll am Sonntage, in den Feyerstunden zwischen der Arbeit,
und zu andern schicklichen Zeiten, besondrer Unterricht gegeben werden.
3
Die Entstehung des deutschen Schulwesens 19. Jahrhundert
((Schmitz 198065)). So eine globale Regelung geht natürlich auf Kosten der
Individualität.
4
Die Entstehung des deutschen Schulwesens Nach dem 1. Weltkrieg
5
Die Entstehung des deutschen Schulwesens Nach dem 1. Weltkrieg
Artikel 142 Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der
Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.
Artikel 143 Für die Bildung der Jugend ist durch öffentliche Anstalten zu
sorgen. Bei ihrer Einrichtung wirken Reich, Länder und Gemeinden zusammen.
Die Lehrerbildung ist nach den Grundsätzen, die für die höhere Bildung allgemein
gelten, für das Reich einheitlich zu regeln.
Die Lehrer an öffentlichen Schulen haben die Rechte und Pflichtteil
der Staatsbeamten.
Artikel 144 Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates; er
kann die Gemeinden daran beteiligen. Die Schulaufsicht wird durch hauptamtlich
tätige, fachmännisch vorgebildete Beamte ausgeübt.
Artikel 146 Das öffentliche Schulwesen ist organisch auszugestalten. Auf einer
für alle gemeinsamen Grundschule baut sich das mittlere und höhere Schulwesen
auf. Für diesen Aufbau ist die Mannigfaltigkeit der Lebensberufe, für die Aufnah-
me eines Kindes in eine bestimmte Schule sind seine Anlage und Neigung, nicht
die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung oder das Religionsbekenntnis
4 http : //www.dhm.de/lemo/html/dokumente/ver f assung/index.html 25.Feb.2009
6
Die Entstehung des deutschen Schulwesens Nach dem 1. Weltkrieg
Artikel 147 Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der
Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung
ist zu erteilen, wenn die Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie
in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen
Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnis-
sen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die
wirtschaftliche und restliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.
Private Volksschulen sind nur zuzulassen, wenn für eine Minderheit von Erzie-
hungsberechtigten, deren Wille nach Artikel 146 Abs. 2 zu berücksichtigen ist,
eine öffentliche Volksschule ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung in der
Gemeinde nicht besteht oder die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogi-
sches Interesse anerkennt.
Private Vorschulen sind aufzuheben. Für private Schulen, die nicht als
Ersatz für öffentliche Schulen dienen, verbleibt es bei dem geltenden Recht.
7
Die Entstehung des deutschen Schulwesens Nach dem 1. Weltkrieg
Artikel 174 Bis zum Erlaß des in Artikel 146 Abs. 2 vorgesehenen Reichs-
gesetzes bleibt es bei der bestehenden Rechtslage. Das Gesetz hat Gebiete des
Reichs, in denen eine nach Bekenntnissen nicht getrennte Schule gesetzlich besteht,
besonders zu berücksichtigen.
Dieser Teil der Verfassung war nach Hamann (1993) antizipativ auf eine
noch zu schaffende Wirklichkeit ausgelegt. Das Bilsungssystem sollte gemäß den
reformpädagogischen Errungenschaften der ersten beiden Jahrzehnte modernisiert
werden. Auch auf die Abschaffung von Klassen- und Geschlechtsdiskrimierung im
Bildungsbereich wurde Wert gelegt.
Ein allgemeines Schulgesetz kam wegen großer Differenzen innerhalb der
Koalitionsparteien nicht zu Stande. Die in Artikel 10 enthaltene Kompetenz des
Reiches für das Schulwesen wurde oft missbraucht und deshalb gegen Mitte des
20er Jahre aufgegeben.
Im April 1920 wird als einziges Reichsschulgesetz von grundlegender Bedeutung
das »Reichsgrundschulgesetz« erlassen. Daraufhin werden alle Kinder in den ersten
vier Jahren unabhängig von der sozialen Schichtung gemeinsam unterrichtet.
Im weiteren Verlauf wurden bildungspolitische Veränderungen wieder den Bun-
desstaaten überlassen. Teilweise wurden viele Konzepte ausprobiert. Überall wurde
die Volksschullehrerbildung nachhaltig verbessert. Um diese Politiken untereinan-
der abzustimmen wurde die »Ländervereinbarung« geschaffen, eine Verbindung
der Kultusministerien, die nach dem zweiten Weltkrieg als »Kultusministerkonfe-
renz« ihre Fortsetzung fand. Außerdem gab es noch den Reichsschulausschuss und
den Ausschuss für das Unterrichtswesen, die sich um die einheitliche Gestaltung
der Länderpolitiken kümmerten.
Die größte Schulpolitische Errungenschaft war wohl die Grundschule. Die
»Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für die Grundschule«, 1921 in Preußen
8
Die Entstehung des deutschen Schulwesens Schulwesen im Nationalsozialismus
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Die Entstehung des deutschen Schulwesens Schulwesen im Nationalsozialismus
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Die Entstehung des deutschen Schulwesens Schulwesen im Nationalsozialismus
»Die Aufgabe der deutschen Schule ist es, gemeinsam mit den anderen
nationalsozialistischen Erziehungsmächten, aber mit den ihr gemäßen
Mitteln die Jugend unseres Volkes zu körperlich, seelisch und geistig
gesunden und starken deutschen Männern und Frauen zu erziehen,
die, in Heimat und Volkstum fest verwurzelt, ein jeder an seiner Stelle
zum vollen Einsatz für Führer und Volk bereit sind.«
Das gesamte Erziehungswesen wird im Reichserziehungsministerium zusammen-
gefasst und
»Die Ernennung und Beförderung der Lehrer und Schulverwaltungs-
beamten erfolgt im Benehmen mit der Partei, in deren Händen die
politisch-weltanschauliche Beurteilung der Lehrer und Beamten liegt.«
(Jahrbuch des Deutschen Zentralinstituts für Erziehung und Unter-
richt 1940, S. 50 f., z. n. Schmitz)
11
Die Entstehung des deutschen Schulwesens Schulwesen in Nachkriegszeit
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Die Entstehung des deutschen Schulwesens Schulwesen in Nachkriegszeit
I seit Mai 1973: Staatsvertrag der Länder über die Vergabe von Studienplät-
zen.
13
Die Entstehung des deutschen Schulwesens 1960 - 1980
14
Die Entstehung des deutschen Schulwesens 1990-2000
1.6 1990-2000
15
Die Entstehung des deutschen Schulwesens 1990-2000
Dieser Erfolg sei zugleich eine angenehme Last gewesen. Die staatliche Schule
hätte sich unabhängig von Regierungssystem in Form und Zuständigkeit immer
weiter ausdehnen können und dies sein auf das Monopol zurückzuführen, das
sie innehatte. Die »Legitimationsformel Bildung« (S. 143) hätte sich als ein
anpassungsfähiger Begriff erwiesen, der immer für Zustimmung gesorgt hätte,
wenn es darum ging, größerer Organisationsentscheidungen zu treffen. Bötcher u. a.
stellt in Frage, dass Bildung wirklich der Auftrag von Schule ist. Eine Semantik
wie die »Bildung des Mensch« erlaube Bezüge, die sich nicht begrenzen ließen. So
könne sich die Anstalt der Bildung alles zuschreiben, was für die Entwicklung des
Mensch gut zu sein scheint. Das Vordringen esoterischer Konzepte in den Bereich
der Grundschul sei Indiez dafür.
Schule besitze keine Nachweispflicht. Man könne alle möglichen didaktischen
Experimente durchführen und die Folgen würden nicht verrechnet werden. Die
Schule erfülle einen Auftrag, hätte aber keine Kontrolen, wie. Man könne alles,
was in der Schule geschieht, Bildung nenen. Ohne den verbindlichen Rahemn der
Verwaltung wäre hier überhaupt keine Grnezen gesetzt. Der Auftraggeber erwarte
von der Schule in jedem Fall nicht, dass die Zahl der Analphabeten steigt. Die
Schule werde sehr genau beobachtet. Einzelne Gewaltausbrüche führten sofort zu
einer Generalisierung in der öffentlichen Meinung. Aber die »verwaltete Schule«
müsse sich nicht nach der Abnehmerbeobachtung richten5 . Das System entziehe
sich der Kontrolle, solange und soweit es ginge.
Dies würde sicjh ändern, gäbe es erreichbare Ziele. Diese könnte man in »Leis-
tungsaufträge« verwandeln, deren Erfüllung kontrollierbar wäre. Noten seien dafür
kein Indikator, da sie eine »Selbenotung« der Schule darstellen. Die Forschung
müsse sich mehr um Lehrerleistung kümmern, als um die Schülerleistung. Statt
eines ideologieschen, brauche man einen pragmaitschen Rahmen, der sich der
Realität anpassen könne. Wer nur die Schulnorm erfüllt, kann keine guten Zensu-
ren erreichen, es gibt eine konkurrenz durch die Umwelt. Musikunterricht oder
Auslandsaufenthalte verbessern die Schulnoten. Es spielen also Umweltfaktoren
eine Rolle. Das Schulsystem entzieht sich der Kontrolle. Es betreibt hauptsächlich
Selbstevaluation. Er sprciht hier auch von einem Prozess der Selbsttadelung, der
auf Konkurrenz nicht zu achten braucht. Dabei sind Fremdbeschreibungen für
autopoietische Systeme sehr wichtig.
Die historisch dominante Kontrollform der Schule ist die staatliche Aufsicht.
Oft werden nur bildungspolitische Direktiven weitergegeben. Wie diese wirkt,
entzieht sich der Kontrolle. Schulaufsicht ist Normenaufsicht in personalen Netzen,
5 vgl.
Schulreform und Schulkritik , Jürgen Oelkers, Würzburg , ERGON-Verl., 1995, Martha-
Muchow-Bibliothek, Fak. EPB, Signatur: D 2/10026
16
Die Entstehung des deutschen Schulwesens 1990-2000
die politisch definiert worden sind. Die Kontrolle wird stärker werden. Es besteht
nur die Möglichkeit, sie zu entwicklen. Das wird ein Anwachsen der Verwaltung mit
sich führen. So ist es auch im »Autonomiepardies« Holland. Die Kontrollansprüche
werden steigen, weil Autonomie angestrebt wird. Die Benotung erfolgt nicht nach
vergleichbaren Standards, die Beurteilungsinstanz ist konkurrenzfrei. Es gibt auch
keine Standards für Unterrichtsmethoden. Lernleistungen sind Beurteilungen
früherer Prognosen.
Selbstverständliche Formen des Controlings werden vermieden. Bötcher u. a.
beschreibt, dass das Lamentieren über Bürokratisierung durch die Lehrerinnen
seit 19ten Jahrhundert immer mehr zugenommen habe, wobei dei Freiheit immer
aber immer größer geworden sei. Englische Beispiele zeigten, dass eine mit dem
Martsystem verbundene Freiheit des Kunden die Freiheit des Lehrers reduziere
und dies mit Stress verbunden sei. Eine Lockerung des staatlichen Schutztes hätte
sofort die Auswirkung, dass die Seite des Anbieters unter Druck gesetzt wird.
MAn könne unter »Effizienz im Bildungsbereich«(ebd., 153) sehr viels verste-
hen: Schnellere Abschlüsse, mehr Abschlüsse, höhere Abschlüsse, auf Klassengröße,
Lehrerstellen und Erziehungsziele. Letzteres ist jedoch kaum zu erreichen. Die
Entwicklung einer Persönlichkeit könne nciht effizient betrieben werden. Effizienz
ist eine ökonomische Größe. Merh Leistung, bei weniger Zeit mit knapperen
Mitteln. Kostenreduktion und Gewinnvermehrung. Das Bildungssystem sei bis-
her nur gefördert worden. Sparen wurde, wie überall im öffentlichen Dienst,
bestraft. Fehledne Kontrolle und Effizinzvermeidung hingen zusamen. Aufgrund
der ideologischen Begründung ist Kontrolle auch gar nicht möglich.
Die Zeit, die die Schule zum Erreichen ihrer Ziele einsetz ist weitgehend
statisch. »Wer seinen Schülern in drei Jahren das MAthematikpensum von fünf
Jahren beibringen kann, agiert geschäftsschädigend, weil demonstriert wird, dass
zwei Jahre Mittelzuwendung überflüssig sind.« (ebd., 155). Auch der uneffektivste
Unterricht muss erteilt werden. Musik könne zum Beispielviel besser in der
Freizeit erlernt werden. Der dafür nötige Aufwand kann aber nicht dem privaten
Musiklehrer zukommen, da er Bereits im uneffektiven Schulunterricht verbraucht
wurde( p ∗ t > s ∗ t → p > s).
Bötcher u. a.s Schlussfolgerung zur Lösung des Effizinz-Problems lautet: Auf-
tragsgerechte Schulentwicklung. Schulentwicklung klingt für ihn zu sehr nach New
Public Managemen, einer euphorischen liberalistischen Welle in den 90er Jahren.
Mit Hilfe von Einzelaufträgen müsste dann periodisch nachgewiesen werden, in
welchem Verhältnis Ziel und Effekt stehen ( EZiel
f f ekt ).
Er unterscheidet drei Bereiche schulspezifischer Leistungsaufträge:
17
Die Entstehung des deutschen Schulwesens 1990-2000
1 Die Vermittlung schulspezifischer Fertigkeiten (Kulturtechniken). Kulur-
techniken haben zwei Aufgaben:
Ein solcher Auftrag ließe sich auch im freine Wettbewerb an Schulen binden,
weil sie in der Öffentlich dafür als prädestiniert erscheinen. Der Erfolg ließe
sich anhand der Items prüfen, wobei für sozial benachteiligte Kinder ein
Bonus/Malus – System eingeführt werden müsste.
2 Die fachlichen Angebote nach und mit der Alphabetisierung. Sie ist schwieri-
ger zu gestalten. Das erlernet Wissen soll nicht bloß ein auswendig gelernter
Kanon sein. Vielmehr sei die Differnz zwischen Entstehung, Didaktisierung
und dem Gebrauch des Wissens zu vermitteln (Entstehung − Gebrauch −
Didatktisierung = Leistungsau f trag). Ein »Leistungsauftrag« hätte bei
Bötcher u. a. den Umgang mit Wissen als Kern. Als weiteren Leistungs-
auftrag wünscht er sich eine bessere Interaktion der Fächer, die sich an
erfolgreichen Institutionalisierungsversuchen orientieren sollten.
3 Die Organisation der jetzigen Schule passe zu ihrem jetzigen Auftrag. Sie
betreibe eine pauschale Zuweisung (ebd.158). Durch die flexiblen Leistung-
aufträge würde das entfallen. Dafür müsst die Schule ihre Organisationsform
ändern. Es müssten ja eigene Entscheidungen möglich sein, wenn kurzfristige
Probleme auftreten.
Bisher sei der Beruf des Lehrers davon geprägt gewesen, dass er sein Risiko
entweder auf den Träger des Systems oder auf die »Kunden« (ebd. 159) abwälzen
konnte. Dies stünde im Widerspruch zu einem System dass sich in Bewegung
setzen müsse. Syndrome des Vorhandenen Systems seien:
I Anreizarmut,
I egalitäre Berufskarrieren,
(ebd.)
18
2 Max Weber
Weber (1995Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland – Zur
politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens), Weber (1980Die legale
Herrschaft mit bureaukratischem Verwaltungsstab. In: Wirtschaft und Gesell-
schaft : Grundriß der verstehenden Soziologie), Prätorius (1973Bürokratie und
Kapitalismus – Aspekte einer allgemeinen Theorie von Organisation und Herr-
schaft), Ju (1986Max Webers Bürokratiekonzeption als Ausgangspunkt für eine
vergleichend Studie der chinesischen und deutschen Bürokratie), Gay (2000In
praise of bureaucracy : Weber, organization, ethics), Weber (1994Das Wachstum
von Verwaltungsorganisationen: Formen, Ursachen und Grenzen), Breuer (1994
Bürokratie und Charisma: zur politischen Soziologie Max Webers), Reinermann
(1993Ein neues Paradigma für die öffentliche Verwaltung: Was Max Weber heute
empfehlen dürfte), Seidler (1987 Zwei Konzeptionen der Bürokratie).
19
3 Talcott Parsons: Der Systembegriff
Parsons (1976 Zur Theorie sozialer Systeme).
20
4 Luhmann
4.1.1 Systemeffekte
Allein diese zukünftigen Karrierechancen dienten als Motivation, innerhalb des
Systems positiv selektiert zu werden. Die Hoffnung, man könne etwas davon später
brauchen, sei eine absolut ungewisse. Zensuren schaften ein Risikobewusstsein.
Man könne ausprobieren, wie weit man ohne Aufwand und Anstrengung kommt.
Eine Besonderheit des Erziehungssystems sei es, dass es, anders als in anderen
Systemen, keine klare Unterscheidung von Codierung und Programmierung gebe.
Erziehungsziele und Unterrichtsstoffe ließen sich nicht nur als Entscheidungs-
programme oder Selektioncodes begreifen. Sie dienten auch als Funktionsträger
des Systems. Erziehung und Selektion agierten im selben System und müssten
aufeinander Rücksicht nehmen. Das führte zu paradoxer Kommunikation. Sie
sendeten auf zwei verschiedenen Ebenen unterschiedliche Botschaften. In Fami-
lien träte dies auch auf, als Paradoxie von Liebe und Herrschaft. In der Schule
handelte es sich um Erziehung und Selektion. Der Vorteil sei hier, dass man
freundliche Erziehung ignorieren könne. Die Koexistenz von beidem aber mache
das System bistabil. Es hat zwei Fixpunkte. Der Trick sei, genau zwischen beidem
das Gleichgewicht zu halten.
21
Luhmann System- und Organisationstheorie
Fragilität
bistabiles Gleichgewicht
22
5 Dirk Baecker: Wirtschaftssoziologie
Baecker (1999Organisation als System), Baecker (2006Die Form des Unterneh-
mens), Thode (2003Integration in unternehmensinternen sozialen Beziehungen).
23
6 Der Institutionen-Begriff von Douglas
C. North
North (1996Institutions, institutional change and economic performance).
24
Teil II
Sadismus
25
Es muss unterschieden werden zwischen dem philosophischen und dem psycho-
patologischen Begriff des Sadismus. Die Psychologie hat sich hauptsächlich mit
dem deviaten Sexualverhalten Sades beschäftigt. Dieses stellt unbestreitbar einen
großen Teil seines Werkes dar, kann aber auch als Stilmittel zur Untermalung eines
theoretischen Anspruchs verstanden werden. Die sadistische Sexualität ist nur
eine von vielen möglichen praktischen Umsetzungen der sadistischen Philosophie.
26
7 Psychologie
Die Psychologie grenzt den Begriff des Sadismus dialektisch von dem des
Masochismus ab.
7.1 Krafft-Ebbing
Krafft-Ebing (1891) definiert in seinem lexikalischen Werk Psychopathia Se-
xualis erstmalig die Begriffe Sadismus und Masochismus.
7.2 Freud
In „Triebe und Triebschicksale“ stellt Freud das Gegensatzpaar folgendermaßen
dar:
Nach Freud kann jemand, der der einen aggressiven Sadismus auslebt, in der
Rückwendung des Triebes auf die eigene Person eine masochistische Erfahrung
machen. Die Projektion des Sadismus auf die eigene Person als Opfer erlaubt ein
größeres Lustempfinden bei der Ausführung weiterer Sadismen.
Freud 1924a: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie in Gesammelte Schriften
V, Freud 1955: Jenseits des Lustprinzips, Gesammelte Werke XIII, Freud 1924b:
Totem und Tabu – Arbeiten zur Anwendung der Psychoanalyse, Bd. X, Freud
1955:Das ökonomische Problem des Masochismus, Die infantile Genitalorgani-
sation, Das Ich und das Es, Psychoanalyse und Libidotheorie, Suggestion und
Libido, Bd. XVI.
27
Psychologie Allen — Drei Typen von Sadismus
28
Psychologie Allen — Drei Typen von Sadismus
den solche Geschichten erregen, hinge nicht davon, ab, dass jemand das Blut
von jemandem saugt, sondern von etwas tieferem. Es könne sein, dass der Ge-
danke des Blutsaugens so allgemein bekannt ist, obwohl unterdrückt, das seine
Repräsentation in einem Buch oder Film eine emotionale Erregung bewirkt.
Die Tendenz zum Sadismus liege also in allen Menschen, auch wenn sie,
abgesehen von Sport und Krieg, versuchten, so viel wie möglich Abstand dazu zu
halten.
29
Psychologie Allen — Drei Typen von Sadismus
7.3.3 Kritik
Es fällt auf, dass Allen sich nur mit männlichem Sadismus beschäftigt. Wie
zum Beispiel Eskapa (1988) zu entnehmen ist, handelt sich dabei aber keineswegs
um eine geschlechtsgebundene Deviation. Auch Wiethold (1927) beschäftigt sich
in einem Vortrag von mit »Sadismusmus bei weiblichen Jugendlichen«.
Allen (1962)
7.3.5 Psychoanalyse
Ein großer Teil der Psychoanalyse beschäftigt sich mit den vielschichtigen
Veränderungen des aggressiven Instinktes, mit seiner Fixierung auf verschiedene
30
Psychologie Allen — Drei Typen von Sadismus
31
Psychologie Neuere Studien
Das Resultat ist dan wohl ein ziemliches Durcheinander von Hass und Liebe.
2 Dies gilt laut (Reinisch und Beasley 1991177) für alle Paraphilien.
32
Psychologie Neuere Studien
33
8 Soziologie
8.1 Deleuze
Während die Psychoanalyse beziehungsweise die Sexualpsychologie nach wie
vor von einem Gegensatz von Sadismus und Masochismus ausgeht, arbeitet
Deleuze heraus, dass es siches sich um eine Verwechslung von Analogie und
Genealogie handelt. Nicht das eine entsteht aus dem anderen, sondern es handelt
sich um zwei verschiedene Systeme, die nicht-komplementär sind.
In von Sacher-Masoch (1968Venus im Pelz. Mit einer Studie über den Ma-
sochismus von Gilles Deleuze) beruft er sich auf Bataille (2008), der ausführt,
dass die Sprache Sades im wesentlichen die Sprache des Opfers ist, da nur das
Opfer die Tortur beschreiben könne, die ihm widerführe. Der Täter, der hier
Henker genannt wird, verwende keine Sprache der Gewalt, sondern die Sprache
der herrschenden Macht. Sie sei es, die ihm eine höhere Funktion verleihe. Die
rationale Darlegung diene als »Entschuldigung« für die Ausübung von Gewalt.
Das führt Deleuze zu der Feststellung, die rationale Darlegung sei auf der Seite,
wo Gewalt ausgeübt wird und stelle so selbst eine Gewaltsamkeit dar.
Er identifiziert zwei Faktoren, die Sades Sprache ausmachen:
Deleuze stellt fest, dass auch die Sprache von Masoch imperativisch und
deskriptiv ist. Aber seine Perspektive ist die des Opfers. Es gibt ein aktives Opfer,
dass sich seinen Henker sucht. Mit Hilfe eines Vertrages begibt sich der Masochist
in eine Untergeordnete Position. Er bleibt aber ein Subjekt. Schließlich arbeitet
er den Vertrag aus.
Ein Sadist würde laut Deleuze einen solchen Vertrag sofort zerreissen. Er stellt
seine übergeordnete Position mit Hilfe von Institutionen her. »Der Masochist
braucht Verträge, dar Sadist braucht Institutionen.« Ein Unterschied ist auch
die aktive Rolle des Sadisten im Unterwerfungsprozess. Eine Sadistin niemals ein
34
Soziologie Typ1 – Sadismus in der Sozialpsychologie
8.2.1 Adorno
Adorno (199640 – 63, Die Konstruktion der Faschismus (F) – Skala).
35
Soziologie Erich Fromm
Destruktivität & Zynismus: Dieser Typ zeichnet sich aus durch eine allge-
meine Feindseligkeit und der Diffamierung des Menschlichen.
36
9 Das literarische Werk de Sades
Dem Autor zugänglich waren die folgenden Werke:
Nachdem sie die Existenz von Hölle und Paradies abgelehnt und sich zu einem
Atheismus bekannt hat, der besagt, dass alle Lebewesen nach ihrem Tod wieder
in den »Schmelztiegel der Natur« zurückfallen, sagt Madame Delbène, die
Äbtissin des Klosters von Panthemont, in dem Juliette erzogen wird auf S.16:
»Und ich gehe sogar so weit, ernstlich diese ebenso kindische wie
törichte Forderung zurückzuweisen, die uns anhält, keinem anderen
etwas zuzufügen, vom dem wir nicht wollen, da[ss] er es uns antut.
37
Das literarische Werk de Sades Die Geschichte der Juliette
Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Natur uns rät; denn
ihr einziges Gebot fordert, da[ss] wir uns erfreuen, ganz gleich auf
wessen Kosten.«
»Wir müssen der Natur gehorchen, und ihre Ordnung lehrt uns
keineswegs gegenseitige Hilfeleistungen. Sie gibt uns nur das
Bestreben ein, für uns allein und zu eigenen Wohle die Kraft zu
erwerben, die nötig ist, all die Übel durchzustehen, die sie für uns
vorgesehen hat; das Mitgefühl aber bereitet unsere Seele nicht im
Minesten auf dergleichen Mißgeschick vor; es schwächt sie nur, macht
sie weich und entzieht ihr den Mut, den sie nicht mehr wiederfinden
kann, wenn sie ihn später für de eigenen Leiden nötig hat.[...] Wer es
versteht, sich am Unglück der anderen abzuhärten, wird auch bald
den ihn selbst betreffenden Schicksalsschläge gegenüber
unempfindlich, und es ist weit wichtiger, dass man selbst mutig leiden
kann, als dass man sich daran gewöhnt, die anderen zu beweinen.«
»Ja, das ist ungerecht, aber nur für meine Frau; ich sage ihnen, dass
in Bezug auf mich selbst nichts so recht und billig ist, wie das, was
ich mit ihr treibe.«
»Die Gesetze aber sind schändlich, denn während sie das Glück des
einzelnen schmälern, um das Glück der Allgemeinheit zu wahren,
nehmen sie mehr als sie geben.«
38
Das literarische Werk de Sades Die Geschichte der Juliette
»[...] hat [man] uns einfach gesagt: die Macht, die wir ihnen
übertragen, ist dazu bestimmt die Menschen glücklich zu machen.
Nun, es ist unmöglich, alle gleichzeitig glücklich zu machen. Aber da
es unter uns einige gibt, die zufrieden sind, ist unser Ziel erreicht.«
Saint-Fonds:
»Das Laster macht glücklicher als die Tugend. Ich diene daher dem
allgemeinen Glück besser, wenn ich das Laster beschütze, als wenn
ich die Tugend belohne.«
Hier wird nicht nur ein unverholener, zynischer Machtmissbrauch zur Schau
gestellt es wir außerdem deutlich, dass das ideale Gegenstück zu einem Sadisten
eben nicht ein Masochist ist, sondern jemand, der ebenfalls skrupellos ist. So
sagt Saint-Fonds (s.34) zu Juliette:
Aber auch ein gewisses Maß an Unterwürfigkeit scheint für den Gegenpart des
Sadisten nötig. Der Minister betont, dass es überaus wichtig ist mit Respekt
behandelt zu werden:
Bevor sie mit der Orgie beginnen, hält Noirceuil einen ausschweifenden Vortrag
über den Schmerz: (S.37)
39
Das literarische Werk de Sades Die Geschichte der Juliette
Er vergleicht es mit dem Geschmackssinn. Was bei dem einen Ekel auslöst,
schmeckt dem anderen wunderbar. Man sieht auch hier, dass sich Sadisten mit
dem empfangen von Schmerz beschäftigen.
Dann setzt er sich damit auseinander, was denn mit jemandem ist, dem
Schmerzen einfach nicht gefallen, weil das nicht nach seinem Geschmack ist. Er
stellt Überlegungen darüber an, wie man ihn dazu zwingen kann.
Die Gefühle des Opfers spielen dabei keine Rolle. Es dient nur als ein Objekt,
denn
40
10 Die Philosophie de Sades
Klossowski (1969Der ruchlose Philosoph), Sclippa (2004Lire Sade), Knauss
(2006Die Marquise de Sade – Roman einer Ehe), Dühren (1904Neue Forschungen
über den Marquis de Sade und seine Zeit mit besonderer Berücksichtigung der
Sexualphilosophie de Sade’s auf Grund des neuentdeckten Original-Manuskriptes
seines Hauptwerkes Die 120 Tage von Sodom).
41
11 Zusammenfassung
42
Teil III
Erziehungswissenschaft
43
12 Geschichte der Pädagogik
Die Etablierung der Pädagogik als Wissenschaft beginnt laut Winkler (1995)
im Jahre 1780 mit der ersten Nennung des Terminus »Pädagogik«. Die ersten
Vertreter waren: Fichte, Trapp, Herbart und Schleiermacher. Scheibe (1967)
nennt als »große pädagogische Theoretiker« der deutschen Klassik und Romantik:
Fröbel, Hebart und Schleiermacher. Alle drei sind Philosophen. Einige noch ältere
Beispiele einer systematischen Erziehungswissenschaft finden sich bei Rutschky
(1977: »Schwarze Pädagogik«).
12.1.1 Zucht
Lechler (1875) definiert in einem enzyklopädischen Artikel Zucht als
»[...] BeĆandtheil deŊ ThunŊ, durĚ welĚeŊ der unm§ndige MensĚ zur sittliĚen Vollkommenheit
geleitet werden soll.(S. 681)«.
Dies ist also fast das Selbe wie der Erziehungsbegriff bei Menck. Die Erfahrung
des Faschismuss liegt noch vor der deutschen Pädagogik. Hier ist man noch der
Meinung,
»Der Wille deŊ KindeŊ mu gebroĚen werden, d.h. eŊ mu lernen, niĚt siĚ selbĆ, sondern einem
anderen zu folgen.« (S. 681)
44
Geschichte der Pädagogik »Schwarze Pädagogik«
(»materielle ZweĘe«, »Fortkommen in der Welt, reiĚliĚen VerdienĆ, erhŽhten Lebensgenu) hätte
keine »sittliĚe Bedeutung«. Man würde »raĎinierte Teufel« erziehen.
»Lernen an siĚ iĆ niĚt ZuĚt [...], sondern zum Lernen gehŽrt ZuĚt. [...] ZuĚt iĆ [...]
in erŊter Linien niĚt Wort, sondern That [...], und wenn sie siĚ in Worten darĆellt, niĚt
Lehre, sondern Befehl.«
Das Wort Zucht entspräche dem hebräischen musar, was für eine strenge Ausle-
gung des Gesetzes stehe und sich vom Stammwort jaser – strafen ableite. Luther
habe es in Zucht übersetzt. Zucht sei nach Schleiermacher »LebenŊhemmug«. Gespro-
chen wird hier auch von »Aufhebung des LebenŊgenueŊ, der LebenŊfreude«. Die Grundlage
aller echten Zucht sei Strafe. »[...] fr§hzeitig und naĚdr§ĘliĚ, aber »sparsam angewendet«,
weil »[...] daŊ FleisĚ die MaĚt iĆ, [...] die [...] gebroĚen werden mu.«.
Degradiation Es wird auf die Kränkung des Gestaften abgezielt und auch zum
Auslachen ermutigt. Bahrdt ist der Meinung dass gerade durch Degradia-
tion das Ehrgefühl des Zöglings gestärkt wird. Er benutzt dafür folgende
Instrumente:
Die Fidel Ein Holz, dass Kopf und Hände einschließt
Das Karre fahren Bei schweren Verstössen angewendet. Ein Hölzerner
Schubkarren muss zwischen einem Tor des Schlosses und dem anderen hin
und her gefahren werden.
Schildwache Der Bestrafte muss ine bestimmte Zeit irgendwo stehen
und darf nichts sagen. Die anderen machen sich über ihn lustig. Auf seinen
Rücken kann ein Zettel geklebt werden, auf dem sein »Verbrechen« steht.
Das Rad Der Bestrafte muss ein schweres Rad drehen (Strafarbeit).
45
Geschichte der Pädagogik »Schwarze Pädagogik«
12.1.3 Demütigung
Lechler (1843, S. 464: »Demütigung in der Erziehung«)
»[...] Wie aber soll diese besĚaĎen sein? Vor allen Dingen niĚt viele Worte. Worte sind
§berhaupt niĚt gerade daŊjenige, wodurĚ SittliĚeŊ begr§ndet und entwiĘelt, UnsittliĚeŊ
abgesĚaĎt und entfernt werden kann; sie kŽnnen nur alŊ Begleiter einer tiefer greifenden
Operation von Wikung sein. [...] Sie erregen Langeweile und Ćumpfen ab. [...] Am
eindringliĚĆen lehrt immer daŊ Leben. Man f§hre also den D§nkelvollen in VerhŁltniĄe ein,
wo er [...] siĚ seiner Mangelhaftigkeit bewut wird. [...] ; der AnbliĘ einer jugendliĚen
LeiĚe [...] dem§tiget mehr alŊ oft wiederholteŊ Abmahnen oder Tadeln.«
Er weist dann noch darauf hin, das schwache Schüler, die fleßig sind immer loben
soll, auch wenn sie etwas dummes gesagt haben. Kluge Schüler, die faul sind dage-
gen kann man demütigen. Heute findet sich der Begriff der Demütigung nicht mehr
als erzieherisches Mittel in pädagogischen Handbüchern und Nachschlagewerken.
Das heisst jedoch nicht, dass sie nicht mehr angewendet wird.
12.1.4 Frühaufstehen
Stromberger (1878): DaŊ Fr§haufĆehen der Kinder iĆ durĚ die Eltern und deren LebenŊweise
bedingt. Diese sei durch Berufsarbeit bedingt. Daraus ergäbe sich die Verschiedenheit
der Rythmen. Auch sei bei den Kindern das Schlafbedürfnis unterschiedlich
ausgeprägt. Das Frühaufstehen sei ein Teil der nothwendigen kŽrperliĚen AbhŁrtung. Das
Kind solle anghalten werden, rasĚ und sĚnell munter zu werden, denn Nur der niĚt §ber
das Ma auŊruhende KŽrper iĆ zur Arbeit frisĚ und behend. Das Verlagern des Lebens in die
Abendstunden verteuere den Lebensunterhalt. Dann zählt Pastor Stromberger jede
Menge Beispiele von erfolgreichen Männern auf, die angeblich alle Frühaufsteher
46
P. Villaume: Ob und inwiefern bei der Erziehung die Volkommenheit des einzelnen Menschn
Geschichte der Pädagogik seiner Brauchbarkeit auzuopfern sei?
waren. Er zitiert ein römisches Sprichwort: Aurora Musis amica 2 . Man solle die
Zöglinge auch nicht morgens lange im Bett liegen und und über ihr Schicksal
nachdenken lassen. Sehr verderbliĚ iĆ’Ŋ, wenn Kinder, inŊbesondere erregte, durĚ daŊ lange
liegen im Bette Zeit erhalten, dem Spiel der Phantasie naĚzuhŁngen: Dann kommt jeneŊ trŁumerisĚe
Gebahren, daŊ mit den Augen auf daŊ BuĚ sieht und mit den Gedanken drauen herumsĚweift. Es
führe außerdem zu »Onanie3 . So empfählen auch Ärzte das Frühaufstehen zur
Verhütung von »Onanie«. Er empfielt Morgenspaziergänge, außer an Werktagen.
Da »gehŽren die Fr§hĆunden der Arbeit. »Mit unbedingter VollmaĚt zu r§tteln und zu şttlen, ein
naĄeŊ TuĚ aufzulegen u.s.w. mu aber der dienĆbare GeiĆ auŊger§Ćet sein, denn der SĚlaf fŁllt sonĆ
wie ein gewappneter noĚmals auf seine Beute.«
47
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
12.3.1 Herbart
Er gilt als ein Kritiker des preußischen Schulsystems und wollte das Haus-
lehrerwesen ausbauen. Laut König und Zedler (1998: 18) studierte er in Jena
Philosophie und Jura und war danach von 1796 bis 1799 Hauslehrer in der Schweiz.
1802 begann er in Göttingen Vorlesungen über Pädagogik und Philosophie zu
halten. Herbart hat 1806 eine »Allgemeine Pädagogik« verfasst. Laut König und
Zedler (1998S. 18) war der sog. ’Herbartianismus’ bis circa 1910 das vorherrschen-
de Konzept wissenschaftlicher Pädagogik. Blaß schreibt in seiner Dissertation
über Herbart. Blaß stellt fest, dass die pädagogischen Aussagen Herbarts auf
Basis von Induktion und Deduktion gewonnen werden. Sie seien ein Verbindung
von apriorischen und empirischen Elemtenten. Beobachtungen und Experimente,
sowie die sittlichen Ideen der Philosophie durchdringen sich gegenseitig.
Ein Satz aus dem Vorwort der »Algemeinen Pädagogik« lautet: »Die gegenwär-
tige Pädagogik ist gar nicht so stolz, für ein spekulatives Kunstwerk gelten zu
wollen.« (Herbart 1887S. 144).
Moralität ist laut Blaß(, S. 74) bis dahin der ganze Zweck der Erziehung gewesen.
Der Pädagogik sei zu wünschen, dass sie sich unabhängig von philsophischen
Zweifeln erhalten kann (Herbart 1887: 26).
In »Kurze Encyklopädie der Philosophie« schreibt Herbart (1897, S. 137 ff.)
»Über die Erziehungskunst«, Erziehung sei Sache der Familien. Der Einwand, die
»Reinheit des Gemüths« müsse so lange wie möglich erhalten bleiben ist auch
hier schon bekannt. Der »Jugendliche Frohsinn« werde in »unmäßigem Zwange«
erstickt oder Fehltritten sei nicht der nötige Widerstand entgegengesetzt worden.
48
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
Wichtiger für diese Arbeit aber erscheinen mir jedoch die »Briefe über die
Anwendung der Psychologie auf die Pädagogik« von 1831. Hier zeichenen sich
erste Versuche ab, eine präzise, gesetzesmäßige Wissenschaft zu formulieren. In
einer Zeit, in der sich laut Blaß die Psychologie in einem «staus nascendi», im
Entstehen befindet. Deswegen auch die zwanglose Briefform. Bereits 1816 hatte
Herbart ein »Lehrbuch zur Psychologie« veröffentlicht.
Der Begriff der Psycholgie ist laut Wikipedia seit 1509 bekannt. Im »Lehrbuch
zur Psychologie« beruft sich Herbart aber hauptsächlich auf Wollf, der als Gründer
der empirischen Psychologie gilt. Nicht das Herbart es ihm gleichtun wollte. Er
ist nicht überzeugt davon, dass die Psychologie eine empirische Wissenschaft ist.
Eine logische exakte Bearbeitung des Stoffes sei deswegen nicht möglich, weil ihr
kein wirklicher Stoff zugrunde liegt (Blaß 1972, S. 154). Bildsamkeit, Didaktik
und Institutionen sind die Hauptthemen der psychologischen Pädagogik. Auch
Individualität könne mit pädagogischen Mitteln nicht bearbeitet werden, aber
mit psychologischen (, S. 105). Bildsamkeit und Individualität hängen zusammen.
Bildsamkeit unterscheidet sich in »Naturanlage« und als phasenbedingte (=
spezifische) Lernfährigkeit. Das »Angeborene«, die »Naturanalgen« kommen in
der Individualität zum Vorschein (, S. 157).
12.3.1.1 Affekte
Im Kapitel »Affekte« beschäftigt sich Blaß mit Herbarts Psychologie. Ein
Aspekt der Affekte ist die Neugier. »Ignoti nulla cupido«, Unbekanntes wird nicht
begehrt. Gegeben sei eine Vortellung H, die durch zwei andere Vorstellungen
a und b gehemmt, also unbewusst sind. Damit H ins Bewußtsein treten kann,
müssen a und b gehemmt werden, die ja bereits bewusst sind. Das ist nur
möglich, wenn eine neue, dem H gleichartige Vorstellung hinzukommt und a
und b entgegentritt. Wenn H z.B. die Vorstellung einer bekannten Person ist,
dann wäre c die Anschauung dieser Person, die das Bewußtsein ausfüllt in dem
Augenblick, da wir ihr begegnen. Wenn H geweckt wird
12.3.1.2 »Regierung«
Mit dem Begriff »Regierung« bezeichent Herbart in seinen Vorlesungen in
Stuckert (1999, S. 99) alle Maßnahmen, die sowohl für die Pflege und Fürsorge,
als auch für die Disziplinierung vond Kinder gedacht sind. Darunter versteht er
Pflege, Aufsicht, Strafen, Belohnungen und körperliche Gewalt, notwendig dafür
sind Autorität und Liebe. (Herbart 1887, S. 17 ff.)
49
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
12.3.1.3 Zucht
Aufgabe der Zucht ist es laut Stuckert (1999, S. 106), dem aktuellen Ver-
halten des jungen Menschen strukturierend und wertend zu begegnen. (ebd.)
Vorrangigges Medium sei das Gespräch, Vorraussetzung das Vertrauen und das
»Entgegenkommen« des Zöglings. Die »Zucht« bewirkt: die Verhütung von Lei-
denschaften, Beeinflussung der Affekte, , Einprägung »geselliger Rücksichten«,
behutsam werden. Herbart unterscheidet drei Arten von Zucht: (Herbart 1887:
110ff.)
1 Die haltende Zucht Dient dazu, die bereits vorhandenen Ansätze
des Guten zu stärken
2 Die bestimmende Zucht soll die Heranwachsende zur »Selbsttä-
tigkeit in seinen Handlungsentscheidungen« veranlassen.
3 Die regelnde Zucht soll die moralische Auseinandersetzung des
jungen Menschen beratend begleiten.
Hierfür sind auch Zwang und Repression geeignet, aber nur in Ausnahmefällen.
Eigentlich ist man auf die Bereitschaft des Zöglings angewiesen, sich auf den
Erzeiher einzulassen. Hier heisst es:
»Es gibt eine traurige Kunst, dem Gemüt sichere Wunden beizubrin-
gen. Wir dürfen diese Kunst nicht verschmähen. Sie ist oft unent-
behrlich [...]. Zugleich aber muss ein Zartgefühl sie beherrschen [..],
welches ihr Schonung gebietet und sie nur braucht, um beleidigende
Härten zu vermeiden.« (Herbart 1965 [1806], S. 131)
50
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
Physische Gewalt durch die Eltern auf Grund ihrer Überlegenheit oder
durch den Lehrer dem die Macht des Gemeinwesens Autorität verleiht.
Mißbilligung »Mildere Formen« der Strafe, die sich in »Erregung der
Scham« vollzieht. Instrumente der Mißbilligung sind:
I Verneinung,
I Verurteilung,
I Verabscheuung und,
I bei kleineren Kindern liegt die Mißbilligung in Gebärde und Ton.
Schleiermacher ist der Meinung, dass die Gegenwirkung keine erzieherische Tätig-
keit ist, weil sie nicht »bessern« kann. Ganz verbannen könne man sie aber nicht.
In seinen »Pädagogische Schriften« (Schleiermacher 1957: 174) heisst es:
Wenn man überhaupt straft, dann mit etwas, was die Jugend sowieso lernen
muss. Der Mensch muss schließlich auch lernen, Schmerzen und Entbehrungen
Freude am lernen!
zu ertragen (vgl. Scheibe 1967, S. 139). Naturkatastrophen und sonstige Zufälle
wurden damals als Strafe Gottes angesehen. Gott war sozusagen der Erzieher der
Erwachsenen. Heute würde man die Anpassung des Menschen an seine Umwelt
eher als Sozialisation bezeichnen. Es bedeutet in beiden Fällen das Gleiche:
Fit machen für den Überlebenskampf. Auch das die Natur genauso wie die
soziale Umwelt auf das Verhalten des Menschen einwirkt, ist zwar theologisch
als Erziehung durch Gott zu sehen, wird soziologisch aber unter dem Begriff der
Sozialisation Zusammengefasst. Schleiermacher scheint zu unterscheiden zwischen
der Erziehung durch die Umwelt und der Erziehung durch andere Menschen:
Strafen ergeben sich aus diesem »gemeinsamen Leben«. Wo der einzelne Mensch
im Blickfeld steht, scheint sie laut Scheibe (1967: 140) für Schleiermacher nicht
nötig. Hierüber kann man m. E. geteilter Meinung sein, denn es gibt sicher auch
Gründe, ein eizelnes Kind zu bestrafen. Das Problem ist eher hypothetischer
Natur. Ein heranwachsender Mensch alleine ist gar nicht überlebensfähig. Er
bracht nicht nur Zucht, sondern auch Mißbilligung und Gegenwirkung, um den
51
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
1. Die Jugend wir abgehärtet. Dies ist zwar auch gewollt, wer aber keine
Schmerzen spürt, der lässt sich mit Schmerzen auch nicht mehr bestrafen.
2. Der Bestrafte ist von der Strafe dermaßen beeindruckt, dass er keinen Wider-
stand leistet, sondern nachgibt, Angst hat und dem Schmerz auszuweichen
versucht. Damit verliert er an »charakterlicher Substanz« (ebd. 146).
Eine Strafe wird also entweder wirkungslos bleiben, oder sie macht »weich und
feige«.
12.3.2.2 Strafformen
1. Neben den Körperstrafen nennt Schleiermacher auch Entbeherungsstrafen,
merkt aber an, dass diese eigentlich auch körperlich sind, weil sie körper-
52
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
3. Hemmung der Aktivität (Einsperren): Auch hieran könne man sich gewöh-
nen oder sogar gefallen an der Untätigkeit finden.
53
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
Schmerz folgte. In der ersten Periode sind Strafen als von Nutzen (ebd.). Sobald
das Gedächtnis aber anfängt, Analogie zu bilden, fängt es an, kompliziert zu
werden. Es werden auch ähnliche Handlungen gescheut. Dies gelte nicht nur für
Köperstrafen, sondern auch später für die Beschämung, die später hauptsächlich
eingesetzt werden soll.
Sie wäre »unnatürlich« wenn sie nicht die Äußerung eines Inneren wäre.
Kalte Verarchtung, als »leidenschaftsloser Vollstrecker« sei eine falsche Haltung
54
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
(Scheibe). Es würde den Bezug zwischen beidem Aufheben und damit die Wir-
kungsmöglichkeit der Strafe einschränken. Leidenschaftlichkeit dagegen würde
die Gefahr in sich bergen, maßlose Strafen zu verhängen. Durch die Verbindung
von Schmerz und »sittlichem Unwillen« ensteht beim Zögling ein Eindruck der
Scheu vor »sittlich unangenehmen Empfindungen«.
2. Zurechnung
Wie bereits oben erwähnt, geht Schleiermacher davon aus, dass jede Hand-
lung zwei Seiten hat. Die äußere Seite, die auf Erfolg gerichtet ist, und
die Innere Seite, das Motiv. Wenn eine Handlung eine der beiden Seiten
nicht hätte, würde sie nicht bestraft werden. Sie würde sie entweder nicht
begangen oder es gebe keine »Zurechnung«. Eine Strafe, die auf dem Gesetz
beruht, müsse zwar allgemeingültigen Charakter haben, es dürfe trotzdem
nicht das Motiv vernachlässigt werden.
55
Geschichte der Pädagogik Normative Erziehungswissenschaft
sein müssen, dürften sie willkürlich sein. Zur Vermeidung von ungerechtigkeit
müssen sie dann aber gesetzmäßig sein.
Aus dem zweiten Antagonismus könne man die Differenz zwischen häuslicher
und schulischer Strafe konstruieren. Im häuslichen Leben könne das Eindringen
des einen in das Bewusstsein des anderen eher vorausgesetzt werden. Das Innere,
die Zurechnung kann hier also mehr berücksichtigt werden. Im schulischen Zu-
sammenahng muss eher Wert auf den allgemeinen Charakter der Strafe gelegt
werden. Wenn auch nicht in dem Maße, in dem es Staat tun muss. Die Schule
stünde zwischen Familie und Staat. Die Autorität sei in der Familie natürlich,
in der Schule müsse sie erst durch Erfahrung gebildet werden. »Eltern, welche
Strafgesetze geben vernichten ihre natürliche Autorität, [...]« (ebd. , 183).
1. Auf der Sicherheit der Erinnerung an die Strafe bei jedem Impuls zur
Handlung. Auf dieser beruhe die Erinnerung. In der Erinnerung müssten
Handlung und Strafe kombiniert sein. Dieses werde in frühen Erzeihungspe-
rioden erreicht durch möglichst schnelles bestrafen. Später, wenn die Strafen
seltener werden, sollten sie sich auf ein breiteres Gebiet ausdehnen.
2. Die Stärke des Eindrucks muss den Reiz des Verbotenen übersteigen. Dabei
ist die Stärke des Eindrucks nicht proportional abhängig der »materiellen
Seite« der Strafe (ebd. , 187), keine direkte Folge derselben. Der Erzieher
sei für den Zögling stets eine Macht, die , wenn sie sich als Strafe zeigt,
die neben der unmittelbaren unangenehmen Empfindung eine allgemeine
Besorgnis erzeugt.
56
Geschichte der Pädagogik Hermeneutische Erziehungswissenschaft
Der Ehrtrieb sei die Subsumtion des Selbstbewusstseins unter die Gemeinschaft.
Ein sittliches Selbstbewusstsein. Die Zucht sei die Eigentliche Gegenwirkung in
der Erziehung. Sie ziele darauf ab, durch Gewöhnung des Tuns die Gesammte
Sinnlichkeit zu einem Organ der sittlichen Kraft auszubilden.
12.3.3 Fichte
12.4.1 Hauptrichtungen
Innerhalb der Hermeneutischen Erziehungswissenschaft unterscheiden König
und Zedler(S. 84) fünf verschieden Ansätze:
1. Begründung der Hermeneutk durch Wilhelm Dilthey zu begin des 20. Jahr-
hunderts
5. Die Phase der Qualitativen Forschung die sich seit den 80er Jahren etabliert.
12.4.2 Dilthey
Dilthey war Professor für Philosophie in Berlin von 1882. Er starb 1911.
In Dilthey (1923: 4 ff.) von 1883 findet sich ein Kapitel, in dem er die Geistes-
wissenschaften von den Naturwissenschaften abgrenzt. Gegenstand der Geistes-
wissenschaften sei die »geschcihtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit«. Wissenschaft
ist »jeder Inbegriff geistiger Tatsachen«. Der Begriff Geisteswissenschaft gehe
wohl hauptsächlich auf die Logik von J. St. Mills zurück, oder sei durch diesen
Berühmt geworden. Der »globus intellectualis« ist also bie Dilthey in zwei Hälften
geteilt Naturwissenschaft, und Geisteswissenschaft. Es gibt eine Verscheidenheit
57
Geschichte der Pädagogik Hermeneutische Erziehungswissenschaft
zwischend der Welt der Geister und der Welt der Körper. Was nichts weiter ist als
eine Trennung zwischen Geist und Gegenständen. Thomas (von Aquin?) unter-
scheiden zwischen Wesen (essentia quidditas) und Sein (esse). An die Stelle von
materiellen und geistigen Substanzen trat irgendwann der Gegensatz Sensation
von (äußere Wahrnehmung) und Reflektion (innere Wahrnehmung). Hier wird
nicht in Frage gestellt, dass dem Geist die physikalische Ursache von Gehrin und
körperlicher Erscheinung zu Grunde liegt. Man wäre in der Lage alles naturwissen-
schaftlich zu erklären, der Geist ist aber zu beschränkt. Die Wahrnehmung muss
selektieren. Es sei eine Sache, die Farbe blau als das Resultat von Schwingungen
zu erklären und eine andere, die Wahrnehumung der Farbe blau zu beschrei-
ben. Geistige Tatsachenseien auch intersubjektiv unvergleichbar, im gegeseits zu
gleichförmigen materiellen Vorgängen. Auf jeden Fall sei es nicht zu vergleichen,
wie die Eindrücke auf das »Selbstbewusstsein« wirken. Die Unerklärbarkeit des
Geistigen sei Beständig.
12.4.2.1 Hauptthesen
Dilthey hätte zwischen 1884 und 1895 auch pädagogische Vorlesungen gehalten
. König und Zedler (1998: 85) nennen fassen folgende Hauptthesen zusammen:
58
Geschichte der Pädagogik Hermeneutische Erziehungswissenschaft
stellen nur einen uns praktisch sichtigen aus ihr fest, ohne am
Innenleben des Redenden ein Interesse zu haben. Wogegen wir
in anderen Fällen durch jede Miene, jedes Wort agestrengt in
das Innere eines Redenden zu dringen streben.« (Dilthey 1924, S.
319)
5
3
1
... V2 V1 V T T1 T2 ...
2
4
Dieser kann ad infinitum weiterlaufen.
Der deutsche Idealismus und der Neuhumanismus hätten zu einer epistemo-
logischen Problemsituation geführt, die nur in einem Realitätschub bearbeitet
werden konnte. Winkler(S. 18) nennt das die »Sattelzeit der Aufklärung«. Bis in
die zwanziger Jahre des vergangen Jahrhunderts hinein sei es denkbar gewesen,
Pädagogik als hochtheoretische Wissenschaft zu betreiben. In der Nähe zur Phi-
losophie, aber mit einem eigenen Selbstverständnis. Vorerst auch »noch nicht«
59
Geschichte der Pädagogik Empirische Erziehungswissenschaft
60
Geschichte der Pädagogik Empirische Erziehungswissenschaft
12.5.3 Verhaltenstheoretische
Erziehungswissenschaft – Behaviorismus
König und Zedler (199857) nennen für Intersubjektivität, die Grundlage der
verhaltenstheoretischer Erziehungswissenschaft ist, folgende Kriterien:
12.5.3.1 Objektivität
Objektivität: Unterschiedliche Beobachter müssen bei der Durchfürung der
Messung zum gleichen Ergebnis kommen.
Reliabilität: Bei Wiederholter Messung muss man möglichst zum Selben Er-
gebnis gelagen.
61
Geschichte der Pädagogik Empirische Erziehungswissenschaft
1. Nominal-Skalen
2. Ordinal-Skalen
3. Itervall-Skalen
4. Rational-Skalen
62
Geschichte der Pädagogik Empirische Erziehungswissenschaft
Der Vorteil des Experimentes ist, dass man nicht mehr warten muss, bis die
Erscheinung eintritt, da man sie absichtlich herbeiführt. Die verhatlenstheoretische
Erzeihungswissenschaft ist durch drei Grundsätze gekennzeichnet:
12.5.3.3 Verhaltensmodifikation
In den 70 / 80er Jahren wurde versucht die empirischne Erkentnisse in der
Praxis nutzbar zu machen. Insbesondere ging es dabei um die Lerntheorien
von Thorndike und Skinner. Grundlage seien insebesondere die Gesetze des
»Operanten Konditionierens«. (König und Zedler 199871).
I Wenn ein Verhaltne von einem angenhemn Reiz begleitet oder gefolgt wird,
erhört sich seine Auftretenswahrscheinlichkeit.(Verstärkung des Verhaltens)
I Wenn ein Verhalten von einem negativen Reiz begleitet oder gefolgt wird,
sinkt die Auftretenswahrscheinlichkeit. (Bestrafung)
I Wenn ein Verhalten von keinem Reiz begleite oder gefolgt wird, sinkt seine
Auftretenswahrscheinlichkeit. (Extinktion / Löschung)
63
Geschichte der Pädagogik Empirische Erziehungswissenschaft
64
Geschichte der Pädagogik Reformpädagogik
12.6 Reformpädagogik
65
Geschichte der Pädagogik Wilhelm Flitner
12.7.2.1 Bildung
Mit diesem (unübersetzbaren) Wort habe das ausgehende 18. Jahrhundert
die geistige Gestalt des inneren Menschen bezeichnet. Vorher habe Bildung die
äußere Gestalt von Menschen Tieren und Pflanzen bezeichnet.
66
Geschichte der Pädagogik Wilhelm Flitner
12.7.3 Forschungsansätze
Im Folgenden diskutiert er zwei verschiedene wissenschaftliche Herangehens-
weisen an das Phänomen der Erziehung.
1. Antropologisch
Es sei naheliegend, dass erzieherische Phänomen antropologisch zu behan-
deln, da es schließlich ein altes Phänomen sei. Das »Sichselbsthelfenkönnen«
stünde am Ende dieses Prozesses. Flitner meint, es müsse dabei auch ein
»Anderenhelfenwollen und -können« sein. Er plädiert auch für eine möglichst
»naturgemäße Aufzucht«.
»Die Pflege und Führung der Nichtvollgereiften bis zur Reife hin
und alle Erscheinungen des Lebens, die damit zusammen hängen,
lassen sich in dieser Betrachtungsweise als Erziehungswirklichkeit
bezeichnen.«
2. Geschichtswissenschaftlich
Geistige Fähigkeit wie Werkzeuge und Zeichen zu benutzen und zu schäffen
sowie ihre permanente Verbesserung wirkten in den Habitus eines auf-
wachsenden Menschen. Alles Geistige werde »geschichtlich«. Eine wichtige
Funktion der erwachsenen Generation ist in diesem Zusammenhang sicher-
lich das Auswählen dessen, was überliefert werden soll.
67
Geschichte der Pädagogik Wilhelm Flitner
Beide Betrachtungen sähen das Phänomen jedoch nur von außen. Bis jetzt sei es
eine einseitige, historisch-soziologische Erziehungstheorie. Er zitiert Ziller damit,
dass Erziehung eine
Auch hier wird also schon vermutet, dass die Erziehungsintention das entschei-
dende Phänomen ist.
12.7.4 Kategorien:
Flitner (198355) unterscheidet fünf verschiedene Kategorien, in denen Erzie-
hung stattfindet:
2. Erziehungsmächte
3. Objekt-geistige Sinngehalte
68
Geschichte der Pädagogik Antipädagogik
12.7.4.1 Erziehungsmächte
In Anlehenung an Schleiermacher und Platon unterscheidet Flitner (198388):
1. Natürliche Erziehungsmächte:
Familie und Sippe. Früher auch Arbeitsleben, Kirche und Heer.
2. Sekundäre Erziehungsmächte:
»Mächte des Gesellschaftlichen Notdaseines«, d. h. Zünfte und andere
zukünftige Arbeitskörperschaften.
3. Geistige Erziehungsmächte
( a) Kirche
(b) Staat
Geistige Erziehungsmächte : (c) Die international autonome Wis-
senschaft, Literatur und Kunst
(d)
Die geistige Nation als Kultur-
gemeinschaft
12.8 Antipädagogik
69
Geschichte der Pädagogik Antipädagogik
und kommt auf sprachlogischer Basis Analyse zu dem Schluss, dass Erziehung
abgeschaftt werden muss, weil sie einen undemokratischen Gewaltakt gegenüber
schwächeren, nämlich Kindern darstellt.
von Braunmühl (1976) bezeichnet die Idee der Erziehung als »para-religiös«.
Ähnlich einer Religion zielt sie auf die Unterwerfung zum eigenen Wohl ab und
genau so bezweckt sie sich selbst. Ein Pastor würde nicht zugeben, dass es keinen
Gott gibt, weil er sich damit selbst seiner Lebensgrundlage berauben würde.
Genauso kann auch ein Erziehungswissenschaftler nicht zugeben, dass Erziehung
überflüssig ist.
70
Geschichte der Pädagogik Antipädagogik
dieser »Subjektivierung«. Die einzige Lösung, die von Braunmühl für dieses Pro-
blems vorschlägt, ist die Revidierung des Erziehungsbedürftigkeits-Paradigmas.
Der Mensch dürfe nicht als »Erziehungsbedürftiges«, sondern müsse als »lernen-
des« Wesen begriffen werden. Ein »Gewaltverhältnis« sei dann überflüssig und
Lernen müsse nicht durch Unterwerfung induziert werden. Ein neugeborenes We-
sen könne auch funktional Lernen. Die Funktionen des Zusammenlebens würden
dann beobachtet und durch ihre inherente Notwendigkeit erlernt (Kommunikati-
onsmöglichkeiten, Spielregeln usw.). Auf diese Art wird auch nichts Überflüssiges
gelernt. Ein Baby sei nicht unmündiger als ein alter oder kranker Mensch. Faire
Interaktionsstrukturen sind in solchen Fällen ja nicht nur erstrebenswert, sondern
auch ein Recht . . . . »Nicht Lernen,
sondern
Erziehung Lernen Nichtlernen ist das
Was Unterwerfung Selbstvertrauen erklärungsbedürfti-
Als was Objekt Subjekt ge
Wie angstvoll angstfrei Phänomen«
(Habermaas 1973,
Legitimationsproble-
Tabelle 12.2: Der Unterschied zwischen Lernen und Erziehung nach von Braunmühl
me des
(1976), eigene Darstellung
Spätkapitalismus:
27f.)
Da man wohl davon ausgehen kann, dass der Mensch seine Energie nur für
eine Operation zur selben Zeit nutzen kann, erscheint es plausibel, wenn von
Braunmühl schreibt, dass die Lernende ihre Energie entweder nutzen kann, um
ihre Umgebung zu erforschen, oder um Abwehrkämpfe bestehen. »Erziehung«
kann also Nichtlernen oder eine Vielzahl nicht-intentierter Lernprozesse mit sich
bringen.
71
Geschichte der Pädagogik Antipädagogik
Das Eindringen des Erziehers in die Privatsphäre des Zöglings stelle dabei einen
in psychologischen Fachsprache so genannten »kleinen Mord« dar, der akzeptiert
werden müsse, um einen »größeren Mord« zu vermeiden. Jeder erzieherische Akt
ist also ein kleiner Mord, oder »eine Amputation«.
Erlingenhagen (1973, Autorität und Anitautorität. : 75) schreibt, dass das
Ziel von Erziehung sein muss, dass »der autoritäre Wille nicht mehr [...] als
Ausprägung der Macht empfunden wird, sondern er wird fraglos verbindlich«.
von Braunmühl nennt das »totale Entselbstung«. 5
73
Geschichte der Pädagogik Reaktanz
Das eine führt in eine immer kränker werdende Gesellschaft, während das an-
dere, allgemein als gescheitert angesehen wird. Konrad Wünsche (1973: Die Wirk-
lichkeit des Hauptschülers: 178): »Selbstbefriedigungswisseschaftler« . . . schlapp-
schwänzige, rückradlose [...] Pädagogen. . . "(ebd.)
Alles in allem schöne Ideen, witzig und spannend geschrieben aber nicht
wissenschaftlich genug. Er gibt keine Beweise für seine Theorie, des »Gegenteil-
effekts«, verwendet lediglich Literatur zur untermauerung seiner Thesen, was
natürlich nicht besonders glaubwürdig erscheint, wenn man Literatur benutzt um
Literatur zu kritisieren.
Tatsächlich aber sind solche so genannten »Reaktanz-Reaktionen« auch in
der Psychologie bekannnt.
12.9 Reaktanz
Felser (2001Lexikon der Psychologie)versteht unter Reaktanz den »inneren
Wiederstand gegen Einschränkungen und Verbote bzw. äußeren Druck«. Reaktanz
fördere die Tendenz, das zu tun, was verboten oder unerwünscht ist. Die Reak-
tanztheorie besagt, dass sogar eine Aufwertung der verlorenen oder bedrohten
Alternative stattfindet. Dies zeige sich typischerweise bei
Bei Verboten. Laut Lexikon der Psychologie soll Katharina die Große den
Russen die Kartoffel dadurh schmackhaft gemacht habe, dass sie die Äcker
umzäunen lies und den Kartoffeldiebstahl hart bestrafen lies.
74
Geschichte der Pädagogik Reaktanz
Freihheitserwartung Reaktanz stellt sich nur ein, wenn die Personen ursprüng-
lich erwartet haben, über die verlorene oder Bedroht Option frei verfügen zu
können. Ohne diese Erwartung sei mit einer Aufwertung der verbliebenen
Alternative zu rechnen (Saurer-Trauben-Effekt).
Wichtigkeit der Freiheit Die bedrohte Freiheit muss mit wichtigen Bedürf-
nissen verknüpft sein. Das Ausüben der Freiheit sollte mit hinreichender
Sicherheit dem eigenen Nutzen dienen und die Verfügbaren Restoptionen
sollten der verloren Option nicht zu ähnlich sein.
75
Geschichte der Pädagogik Reaktanz
dem sie unter anderem die Kindheit von Adolf Hitler analysiert. Miller (198526ff)
Rousseau’scher Optimismus über die menschliche Natur. Kind wächst in einer
konkreten Umgebung auf. Die Mitmenschen üben als Bezugspersonen unterbe-
wusst einen großen Einfluss aus. Rousseaus Pädagogik ist manipulatorisch. Zum
Beispiel Emile oder die Erziehung: Es gibt keine vollkommenere Unterwerfung als
die, der man den Schein der Freiheit zugesteht. Jeder Art von Erziehung wohnt
der Wunsch inne...
4. . . . die Idealisierung der eigenen Kindheit und der eigenen Eltern zu erhalten.
Miller (1985) behauptet, dass jeder Akt von Erziehung mindestens eins der
oben aufgeführten Motive enthält. Dies könne allenfalls dazu reichen, aus dem
Zögling eine guten Erzieher zu machen. Sie schlägt statt Erziehung Begleitung
vor, die folgende Züge aufweise:
76
Geschichte der Pädagogik Reaktanz
Einen Beweis der Wirksamkeit bleibt sie hier jedoch schuldig. Oelkers und
Lehmann (198348) kritisieren an Miller vor allem ihre psychoanalytische Methode,
wenn auch auf eine sehr dumme Art: Sie kritisieren den »Zeitgeist«, der sich
nahezu ausschließlich mit dem Scheitern beschäftigt und die Gründe dafür in
der Vergangenheit sucht. Sie werfen Miller Diffamierung von Lehrern vor. Außer-
dem werfen sie ihr ein extrem deterministisches Erziehungsverständnis vor. Es
bestünde keine Notwendigkeit der Abschaffung von Erziehung. Es ginge ledig-
lich darum, seine Einstellung zu ändern. Die Durchlebten Frustrationen sollen
durchlebt und »ausreagiert« werden. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass Oelkers
und Lehmann (1983) vom westermann – Verlag herausgegeben wurden. Dieser
profitiert schließlich vom Fortbestehen des Schulsystems in seiner jetzigen Form.
Allerdings kann man Miller wohl tatsächlich vorwerfen, dass sie eigentlich nur
Propaganda für die Psychoanalyse betreibt. Auch Weiler (1987)kritisiert Millers
intuitive Herangehensweise als unwissenschaftlich. Wie ernst kann man jemanden
nehmen, der das wachsende Arsenal an Atomwaffen als ein Resultat aufgestauter
Aggressionen betrachtet?
77
Geschichte der Pädagogik Reaktanz
Erzeihung findet unter einem Gewaltverhältnis statt, dass Auswirkungen auf das
Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit hat. Je älter der zu Erziehende wird,
desto zwingender muss Erziehung arragiert werden, soll sie als Ausübung von
Herrschaft überhaupt noch akzeptiert werden. Zum letzten mal sieht er Erziehung
bei der Bundeswehr, wo nur um Befehlt und Gehorsam geht. Das Werben um
Einsicht wäre fehl am Platze. Auch eine gute Erziehung kann sich im Erwachse-
nenalter wieder relativieren. Niemand kommt auch auf die Idee, jemand müsse
nacherzogen werdem. Es sei denn, er ist sozial untragbar. Die Erziehungsberehti-
gung enthält die Zulassung unterschiedlicher Zwangsmaßnahmen. Belohnt und
geliebt dürfen Kinder auch ohne rechtliche Basis werden. Wenn das stimmt, dann
geh doch mal und küss ein Kind! Das Gewaltverhältnis zwischen Erziehungsberch-
tigtem und Kind ist im bürlgerlichen Gestzbuch geregelt. Erzieher könne leichter
bestraft werden, wenn sie Erziehung versäumen, als wenn sie sie vollzeihen. Man
wird nicht dazu erzogen, einen Motor zu reparieren. Das wird einem beigebracht.
Fleiß, Gehorsam, Gewissenhaftigkeit können anerzogen werden. Einstellungen
und Wissen haben etwas mit Bildung zu tun. Innerlich angeeignete Dispositionen
sich in bestimmter Weise Inhalten gegenüber zu verhalten. Unter den gegebenen
Gesellschaftlichen Verhältnissen bleibt oft der Zwang das einzige Mittel. Es kann
aber keine Erziehung zu Neugier oder Kreativität geben. Genauso Liebe, Mitleid,
Mitgefühl. Rouseau: »Emile« maniuplativer Charakter (249).
78
13 Theoriebildung
13.2.1 Grundlagenforschung
13.2.1.1 Begriffsorientierung
Grundlagenforschung in der Pädagogik müsse in erster Linie begriffsorientiert
sein. Die hermeneutische Durchdringung der pädagogischen Wirklichkeit habe
dazu geführt, dass der in ihr enthaltene Grad an Rationalität erhöht wurde.
79
Theoriebildung Grundlagentheoretische Pädagogik
80
Theoriebildung Grundlagentheoretische Pädagogik
(Sünkel 1995198).
1. Zwecksetzung
Handeln besitzt zwei Rationalitätsformen:
2. Mittelwahl
Sünkel stellt fest, dass die Logik, die über die Erreichbarkeit der Zwecke und
die Tauglichkeit der Mittel entscheidet nicht die Selbe sein kann wie die, deren
Kategorien der Zweck und das Mittel sind.
Es gibt also 1. Eine Logik der Erreichbarkeit und Tauglichket, eine Logik des
Könnens
13.2.2.3 Erziehungshandeln
Pädagogisches Handeln erscheine als konkret-individuelles Handeln. Es könne
zwar teilweise systematisiert, nicht aber in generellen Begriffen und Begriffszu-
sammenhängen abgebildet werden,da es zu viele Einflussfaktoren gäbe. Dieses
Problem werde durch normativistische Zielvorgaben gelöst. Das Sollen sei fest-
gelegt, der Rest liege in der Hand des Praktikers. Auch im Zögling ließen sich
überindividuelle Gesetzmäßigkeiten finden. Man könne diese Erkentnisse aber
nicht als grundlegend im pädagogischen Sinne betrachten, weil sie nur indirekt
mit dem Gegenstand des pädagogischen Handelns zu tun hätten.
Das pädagogische Handeln eine Rationalitätsform hätte, bedeute nicht, dass
es immer rational sei. Sünkel behauptet, dass pädagogisches Handeln nicht immer
81
Theoriebildung Grundlagentheoretische Pädagogik
geplant oder rational ist. Als Beispiele nennt er Glaubensgewißheit oder Kunst-
empfinden. Ausgangspunkt sei die bestimmte Wahrnehmung des pädagogischen
Handels. Erst die Wahrnehmung des Problems mache eine Entscheidung darüber
möglich, ob das Problem adequat behandelt wurde.
13.2.2.4 Handlungsproblemstrukturen
Problemstrukturen seien Strukturen, mit denen logisch operiert werden kön-
ne. Man müsse zwischen Handlungsproblemen und Erkenntnisproblemen unter-
scheiden. Für Handlungsprobleme gebe es keine Heuristk. Der freie Fall sei ein
Erkentissproblem gewesen, bis Galilei es mit Hilfe des Fallgesetztes erklärt habe.
Seit dem existiere es nicht mehr. Handlungsprobleme blieben bestehen, auch
wenn sie gelöst seien. Das Handlungsproblem eines Fahrlehrers, seinen Schülern
das Autofahren beizubringen stellt sich immer wieder. Im pädagogischen Be-
reich seien die Problemstrukturen dauerhaft und identisch, die Lösungen das
vorübergehende und veränderlich (206). In der Struktur pädagogischer Hand-
lungsprobleme stecke die Vernünftigkeit und damit auch die Erkennbarkeit der
Erziehung. Die theoretische Pädagogik löse ihre Erkentnissprobleme dadurch, dass
sie ihren Gegenstand auf die konstituierenden Handlungsproblemstrukturen hin
analysiert, um diese in Begriffen darzustellen. In den Strukturen pädagogischer
Handlungsprobleme fänden sich Indikatoren der Strukturen des pädagogischen
Handelns. Sünkel beschreibt das Erkenntnisverfahren der theoretischen Pädagogik
als »handlungsproblemstrukturanalytisch«. Wer wissen wolle, was Erziehung
wirklich ist, der müsse das Problem identifizieren, dessen Lösung die Erziehung
darstellt, die Struktur dieses Problems rekonstruieren und könne durch die Ana-
lyse die systematische Basis für eine Entfaltung und Differenzierung zutreffender
theoretischer Aussagen gewinnen.
13.2.2.5 Wissenschaftsverständnis
Pädagogik als eine »Theorie der Praxis für die Praxis« zu verstehen, sei ein
logischer Fehler. Es handele sich um eine Äquivokation 2 . Das Gleichsetzen zweier
unterschiedlicher Begriffe, indem man ihnen den gleichen Namen gibt, hätte die
geisteswissenschaftliche Pädagogik daran gehindert, zu einem Theorieprogramm
zu kommen.
82
Theoriebildung Grundlagentheoretische Pädagogik
In der Literatur sei bisher nicht zwischen beiden unterschieden worden. Die
Vermischung habe die Qualität vieler Autoren gemindert. Sünkel ruft dazu auf,
diese Vermischung nachträglich aufzutrennen und so die Geschichte des pädagogi-
schen Denkens zu rekonstruieren als Geschichte der pädagogischen Erkentniss.
Dies sei mit Hilfe von Rezeptionshermeneutik möglich. Diese erfordert bekanntlich
die Selbstdisziplin des Forschers. »Sine era et studio«. Objektivität.
13.2.3 Methodik
»Die Dignität 3 der Praxis ist unabhängig von der Theorie; die Praxis wird
nur mit der Theorie eine bewußtere (Schleiermacher[1826](196440)).«
Hopfner (1995) fragt sich, ob das heisst, dass Pädagogik ein affirmative4 , also
eine Legitimationswissenschaft ist. Normatives Denken sei nur dann nachvoll-
3 Dignität = Würde, Wert
4 bekräftigende
83
Theoriebildung Logik, Hermeneutik und Geisteswissenschaft
Prädikatoren: (ist, ist nicht, usw. - Prädikate). »Die Welt erhält durch
Prädikatoren eine Gliederung.« (Lorenzen 197414)
Alle Elementaraussagen sind Einzelsätze. Allgemeine theoretische Sätze setzen
theoretisches Sprechen voraus.
An möglichst vielen Beispielen die Verwendung des Prädikators demonstrieren.
Lorenzen nennt vier elementare Schritte, die zu theoretischen Aussagen führen:
84
Theoriebildung Logik, Hermeneutik und Geisteswissenschaft
Definitionen seien ein Spezialfall. Hier werde eine Aussage mit einem neuen
Prädikator eingeführt. Damit wird eine zusammengesetzte Aussage abge-
kürzt.
Diese Regeln gelten auch immernoch für die historische Hermeneutik. Schlei-
ermacher hielt Vorlesungen über Hermeneutik. Er unterschied die grammatische
und die psychologische Auslegung (vgl. Schleiermacher 1977). Dilthey knüpft
85
Theoriebildung Theorie der Geisteswissenschaft
an Schleiermacher an. Schreiter zitiert ihn mit den Worten »Die Natur erklären
wir, das Seelenleben verstehen wir«. (Dilthey 1894: 1314 z. n. Schreiter). Ein
berühmtes Zitat.
Schreiter (1990ebd.) stellt fest: »Hermeneutik ist Geisteswissenschaft. Geistes-
wissenschaft ist immer hermeneutisch.«
1927 erschien Sein und Zeit von Heidecker, in dem er Denken als »Hermeneutik
des Daseins« bezeichnet. Gadamer erfand später eine »Philosophie ohne Subjekt«
(Schreiter 1990543). Er zitiert Gadamer (1975: 98) mit den Worten »Das Subjekt
des Spieles sind nicht die Spieler, sondern das Spiel kommt durch die Spieler
lediglich zu Darstellung.«.
Auch Derrida, der sich an Nietzsche anlehnt, lehnt das Subjekt ab. Darauf
folgendend wird eine materialistische Hermeneutik entwickelt. Es wird der Ruf
nach einer speziellen Methodik für spezielle Disziplinen laut.
86
Theoriebildung Theorie der Geisteswissenschaft
Die Theorie zweiten Grades enthalte und bestunde aus den Erfahrungen
des Praktikers. Sie werde aus Generalisierungen gespeist. Sie sei oft auch
nicht verbalisiert, liesse sich aber unter gewissen Schwierigkeiten an andere
weitergeben und »kann dann zu einer Kunstlehre gerinnen«.
Die Theorie dritten Grades sei wissenschaftliche Theorie. Sie sei der Praxis
nachgängig. Die Theorien ersten und zweiten Grades leiten das konkrete
Handeln, die Theorien dritten Grades leite die Reflexion über dieses Handeln.
87
Theoriebildung Theorie der Geisteswissenschaft
88
Theoriebildung Konstruktivismus
13.5 Konstruktivismus
Konstruktivismus ist eine Verschränkung von Sozial und Naturwissenschaften
(Siebert 200221).
Maturana und Varela hätten in Der Baum der Erkenntnis die Entwicklung
des Lebens nicht primär als Prozess der »natürliche Auslese« im Sinne Darwins
erklärt, sondern als »deriva natural«, einen relativ eigenständigen, geschlossenen
und selbstreferenziellen Prozess des »natürlichen Driftens«. Als Schlüsselbegriff
dieser Theorie identifiziert Lorenzen den von Maturana eingeführten Begriff der
»Autopoiesis« (αυτo = »Selbst«, πoιeω = »schaffen, bauen«). Lorenzen übersetzt
ihn mit »Selbsttätigkeit«. So sei zum Beispiel die Zellteilung ein autopoietischer
Prozess. Er fände aus der Zelle selbst heraus statt und werde nicht von außen
angestoßen. Allerdings muss gesagt werden, dass ein lebensfreundliches Milieu
Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt Zellteilung stattfindet. Auch entschei-
det nach Maturana und Varela (198785ff) die beeinflusst Art des Milieus die
Entwicklungsrichtung des Zellverbundes (Organismus). Die Verbindung zwischen
Lebewesen und Umwelt nennen Maturana und Varela »strukturelle Koppelung«:
»Bei diesen Interaktionen ist es so, dass die Struktur des Milieus in den
autopoietischen Einheiten Strukturveränderugen nur auslöst, diese
also weder determiniert, noch instruiert [...], was auch umgekehrt für
das Milieu gilt. Der Ergebnis wird [...] eine Geschichte wechselseitiger
Strukturveränderungen sein, also das, was wir strukturelle Koppelung
nennen.«
89
Theoriebildung Phänomenologie
Gehirn und Milieu seien strukturell gekoppelt. Bewusstsein sei das Resultat
zwischenmenschlicher Interatkion. Das Bewusstsein befinde sich laut Roth (1992)
nicht an einem lokalisierbaren Ort des Gehirns, sondern bestünde aus den vier
Großsystemen des Gehirns: Aufmerkamkeit, Sensumotorik, Gedächtnis und Hand-
lungskoordination. Es Bewußtsein bewerte Wahrnehmungen und es könne die
eigene Wahrnehmung wahrnehmen.
Lernen werde von Maturana und Varela behavioristisch als instrumentelle
Verhaltensänderung definiert. Es stelle die »Strukturkoppelung« zwischen Mensch
und Milieu sicher (Siebert 200224).
13.6 Phänomenologie
Edmund Husserl
90
14 Grundbegriffe
14.1 Erziehung
In einem Radiointerview bezeichente Adorno (1982106) die Begriffe Bildung
und Erziehung als substantiell im Sinne Hegels. Sie verstehen sich aus der Kultur
heraus, von selbst.
Für Giesecke (199969) ist Erziehung eine «Entwicklungstatsache». Der Mensch
müsse in einem langen Lernprozess zu einem fertigen Mitglied der Gesellschaft
werden.
Auch Luhmann (2002VI.) hält Erziehung für notwendig, sogar in den einfachs-
ten Gesellschaften, da Sozialisation zu lange dauern würde und auch irreversible
Auswirkungen auf die Entwicklung der Gesellschaft haben könnte. Die ersten
Hauslehrer hätten unter Aufsicht und an Stelle des Vaters gehandelt, um dem
Nachwuchs etwas beizubringen, was die Eltern nicht wussten. Hier ist der Be-
ginn der Trennung zwischen Sozialisation und Erziehung. Am Ende steht ein
Erziehungssystem, dass auf Selbstdisziplinierung, Selbstorganisation, Methodik
und professionelles Selbstbewußtsein der Pädagogen angewiesen ist (Luhmann
200262).
Das Lexikon der Pädagogik (1971) definiert Erziehung als über die Zeit un-
definierbar. Es gebe ein für jede Epoche ein verbindliches Wesen der Erziehung.
Auf jeden Fall bedeute Erziehung »alle Maßnahmen und Prozesse, die dem als
Mensch geborenen Wesen helfen, in seine Menschlichkeit hineinzufinden.«.(ebd.)
Nach W. Flintner (z .n. ebd.) sei Erziehung:
91
Grundbegriffe Erziehung
Menck (1998) versucht in einem gleichnamigen Buch, die Frage »Was ist
Erziehung?« zu beantworten. Er möchte den Begriff der Gehirnwäsche aus dem
der Erziehung heraushalten und zitiert Wolfgang Brezinka (1974: 95) mit den
Worten:
Die Grenze des Begriffs Erziehung hier durch das BGB definiert, dass die Volljähr-
igkeit, und damit die »Mündigkeit« festschreibt.
Allerdings wird das Jugendstrafrecht oft auch noch
für Volljährige angewendet. Hier liegt die Ent-
scheidung über die Mündigkeit im Ermessen einer
Richterin. Menck schließt sich Ritzel an, der Er-
ziehung als »die Vermittlung von Mündigkeit an
Unmündige« definiert (Ritzel 1973: 15, z. n. Menck
Abbildung 14.1: Magister Bo-
1998ebd.). Menck (1998132) bezeichnet »Zwang« kelmann in Wilhem Buschs
als ein »konstitutives Mittel« von Erziehung. Im Plitsch und Plum
»Erziehungssystem« werde immer auch Macht ausgeübt, mit der Pädagogen
gegebennenfalls die pädagogische Situation erzwängen.
Mittel der Erziehung Unter »Mittel zur Erziehung« nennt er: Ermahnung,
Ermunterung, Belobigung und Liebesentzug. Erzieherisch legitim sei Zwang
allerdings nur dort, wo mit Recht unterstellt werden könne, dass die Erzogene –
wären sie mündig – ihre Zustimmung gäbe.
92
Grundbegriffe Erziehung
Der Erzieher formt also den Menschen zu dem, was er »mündig« nennt und
empfindet es dann als Bestätigung, dass die Erzogene seinen Maßnahmen im
nachhinein zustimmt. Niemand kann wissen, was aus ihr geworden wäre, hätte
man sie nicht erzogen. Allein, das sie nicht völlig daneben gegangen ist, ist noch
kein Beweis dafür, dass sie gut war. Genauso könnte man sagen: Ich habe mich
zwar verfahren, aber hier ist es auch ganz schön.
14.1.1.2 Erziehungsbedürftigkeit
Da der Mensch laut Hans-Jochen Gamme ein »Züchter seiner selbst« sei, sei
die »Erziehungsbedürftigkeit« ein »Wesensmerkmal des Menschen« (Heinrich
Kupfer 1972). Der Mensch ist nach Hermann Giesecke von Geburt an auf Lernen
angewiesen. Das macht ihn zum »homo educandus« (Giesecke 1969: Einführung
in die Pädagogik ). Auch Kant (1963) geht von der Erzeihungsbedürftigkeit des
Menschen aus. Der Mensch sei das einzige Geschöpf, dass erzogen werden müsse.
Unter Erzeihung versteht er »Wartung«, »Disziplin (Zucht)«, »Unterweisung«
und »Bildung«.
14.1.1.3 Sozialpädagogik
In der Sozialpädagogik ist Mencks Begriff der Erziehung überschritten. Die
Klientel seien sozial benachteiligte Menschen, diese gelten per Gesetz durchaus
als mündig.
14.1.2 Luhmann
Luhmann (1992103) stellt fest, man brauche offenbar Kinder, um sagen zu
können, man erziehe. In Luhmann (2002) versucht er, einen Strich unter die
93
Grundbegriffe Erziehung
14.1.2.1 Husserl
Husserl spricht von »Intentionalität«. Es gibt einen Zusammenhang von
Fremdreferenz, Selbstreferenz, Zeitlichkeit und Intentionalität. Husserl nennt
diesen Status transzendent.
Die Psychologie benutzt die Begriffe Kognition, Intention und Motivation.
Absichten und Handlungen stehen in einem engen Zusammenhang. Wäre dies
nicht der Fall, würde man von Verhalten sprechen. Absichten muss man erzählen,
aber nicht unbedingt erklären können.
Die Erziehungsabsicht diene dem Erziehungssystem als ein Symbol, das Hand-
lungen verknüpft und damit die Einheit des Systems symbolisiere (Luhmann
1992112). Mit Parsons kann man sagen, das »symbolische Generalisierungen« im
System zirkulieren. Gleich einem binären Code ist auch die erzieherische Absicht
eine Blankett-Form, die noch nicht festlegt, welche Operationen ablaufen, sondern
nur, welche Operationen zugeordnet werden können. Binäre Codes bedürften einer
Ergänzung durch Programme. Die erzieherische Absicht müsse sich in konkreten
Kommunikationen manifestieren (Lerh-Lernprogramme, Kritik und Korrektur
eines bestimmten Verhaltens). Dabei bleibt die Erziehungsabsicht ein und dieselbe,
auch wenn sie ihre Themen wechselt. Sie fasse sachlich verschiedene Sinne der
Kommunikationen im Erziehungssystem zusammen.
Erziehung setze jemanden voraus, der sie nötig hat. Die Vorstellung ist durch
die kulturelle Erfindung des Kindes (Ariès) realisiert worden. Das Kind ist in
dieser Sicht ein für Formen aufnahmefähiges Medium, eine strukturierte (und
dadurch limitierte), aber undeterminierte Einheit. Keine tabula rasa, aber auch
keine Maschine. Jedenfalls seien Kinder nach Durchlaufen der Schule nicht das,
was sie ohne die Schule geworden wären.
Was nach Luhmann vor allem gelernt wird sind: Namen, optische Außenflächen,
Sitzplätze, Verwaltungsregistraturen und vor allem: Wiederholungen.
Oelkers (1992) bemerkt, dass Pädagogen unbestreitbar Intentionen hätten, ob
und wie sie Wirkungen erzielten, sei eine andere Frage. »Pädagogische Intentionen«
94
Grundbegriffe Erziehung
95
Grundbegriffe Erziehung
nennen.
Durch die ihre Selektionfunktion wird die Schule die zentrale Dilierungsstelle
für Chancen im späteren Leben. Nur große Systeme wie die Massenmedien und
der Sport könnten noch eigene Karrieren anbieten. Nicht mehr die Herkunft
entscheidet, sondern die Karriere. Die Selektionsweisen im Wirtschaftssystem sind
von denen des Erziehungssystems grundverschieden. Es gibt im Erziehungssystem
keine Knappheit von Zensuren. Theoretisch könnte jeder eine 1 bekommen und alle
könnten jede Prüfung immer bestehen. Im Wirtschaftssystem sind die Ressourcen
und die Zahl der Arbeitsplätze, begrenzt.
Durch Erziehung lässt sich erreichen, dass dies auch in nich-stadardisierten Si-
tuationen möglich wird, während Sozialisation an den Ursprungskontext gebunden
bleibtLuhmann (2002VIII).
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Grundbegriffe Erziehung
97
Grundbegriffe Erziehung
lernen. Der Verstand sei ein »weiches Wachs, das alle Figuren annimmt, die man
in sie hineindrückt.«. Wenn das Wachs hart werde, sei kein anderes Denken und
wahrnehmen mehr möglich. Falsche erste Begriffe könnten also nicht korregiert
werden.
Es ginge somit um eine ordentliche Gliederung der Sachverhatle, um eine
tugendhafte Jugend zu erziehen. Zwischen 1750 und 1780 sei Lockes Psychologie
auch in der deutsch Pädagogik »dominant« geworden. Wie zuvor in England und
Frankreich unter dem Aspekt der Moralerziehung. Die Assoziatinspsychologie
hätte die Rätsel der widerständigen Seele gelöst. Sie hätte einem starken Erzie-
hungsbegriff Platz gegeben und sie optimistische Zielannahmen erlaubt (Oelkers
199230). An die Missbrauchsmöglichkeit und Grausamkeiten, die das impliziert,
sei zunächst gar nicht gedacht worden. Oelkers zitiert einen Essay von William
Goldwin (1797), in dem wohl erstmalig kritische Gedanken wie »All education
is despotism« auftauchen. Die Hauptströmung der »vorkantischen Pädagogik«
versuche laut Oelkers, das christiliche Vollkomenheitsideal mit den gesteigerten
Pädagogisierungschancen zun verbinden. Es sei klar, schriebe Samuel Clarke
1716 an Spinoza und Hobbes, dass heidnische Philosophie nicht erziehen könne.
Die pietistische Erziehungtheorie beschreibe moralische Appelle, gepaart mit
pädagogischer Überwachung. Die notwendigen seelischen Korrelate seien Tugend,
Selbstdisziplinierung, Glauben und Arbeit, Erziehung eine moralische Absicht.
Die Mittel seien Gebet, Strenge, Aufsicht und Führung. Erziehung könne die
Erlösungserwartung nur besetzen, wenn die Seele an keine innere oder äußere
Ursache gebunden sei, wenn sie also vollständig konstruiert wird. Nach Rousseaus
Emile ist der Pädagoge ein Akteur, der disen Prozess steuert. Auch Pestalozzi
hat die Erwartung gesteigert, die an Erziehung gestellt wurde. »Erziehung setzt
Defizite voraus, aber die Erzogenen reagieren immer auch auf die vollzogene
Erziehung mit Defiziten.« Oelkers 199256. Alles mögliche »erzieht« nämlich, läßt
für eine bestimmte Dauer innere Dispositionen sich konstellieren, aber nicht kausal
abhängig von pädagogischen Intentionen (57)..
Oelkers (1982) schreibt, dass es in der Geschichte der Pädagogik einen Konsens
darüber gibt, das »Erziehen« und »Unterrichten« besondere Arten des Handelns
seien. Er zitiert Rudolf Locher, der den Sinn pädagogischen Handelns wie folgt
definiert:
98
Grundbegriffe Erziehung
14.1.4 Erziehungstechnologie
Luhmann und Schorr (1982) bemerken, dass man in der Erziehungswissen-
schaft vor dem Problem stünde, dass man keine wirklichen Zusammenhänge von
Ursache und Wirkung feststellen könne und wolle. Tatsächlichen seien bisher alle
versuche, so etwas wie eine Erziehungstechnologie zu erfinden, ergebnislos gewe-
sen. Das Erziehungssystem habe ein »Technologiedefizit«. Für einer Organisation
ohne Technologie sei es kaum möglich, die ablaufenden Entscheidungsprozese zu
steuern. Technologie bezeichne »die Wissenschaft von den Kausalverhältnissen,
die praktischen Intentionen zu Grunde liegen und nach denen das Handlen sich
richten muss, wenn es Erfolg haben will.« (11)
Das Technologieproblem bewege sich in einem Dreieck zwischen Kausalität,
Rationalität und Sozialität. Mithin habe das Problem eine Zeitdimension, eine
Sachdimension und eine Sozialdimension. Das Problem der Sozialität sei das
multibler Systemreferenzen. Luhmann und Schorr schlagen vor, die Suche nach
Kausalgesetzen zwischenmenschlicher Beziehungen einzustellen und nach Kausal-
gesetzen menschlichen Handelns zu fragen. Sie unterstellen, dass Menschen so
etwas wie »Kausalpläne« hätten, die ihr Handeln bestimmten. Dies ermögliche
eine gobe Berechenbarkeit menschlichen Handelns. Menschen handelten nach
7 Lateinisch quantum = wieviel; steht für eine kleine Einheit unbestimmbarer Größe
99
Grundbegriffe Bildung
ihren eigenen Kausalplänen und denen, die sie bei ihrem gegenüber vermuteten.
Konstante Faktoren determinierten den Selektionsrahmen. Variable Faktoren
seien zum Beispiel Faulheit oder Interessenlosigkeit, konstate Faktoren dagegen
Begabungsgrenzen.
Hoch-komplexe Systeme müssten sich gegenseitig als »Black Box« behandeln.
In Situationen, in denen eine Vielheit von Selbstrefernetiellen Systemen interagiere,
könne man kausalität nur wahrnehmen, wenn man Wahrnehmen von Kausalität
wahrnehmen könne.
Eine Paradoxie der philosophischen Antropologie zur Konstitutionsproblematik
personaler Identität laute: Weltbezug könne nur im Selbstbezug verwirklicht
werden. Die Pädagogik habe ein anderes Verständnis: Sie stelle sich die Frage,
wie Individuen ein »Selbst« oder eine »Identität« ausbildeten, wie das ICH sich
entfalte. Rosseau hätte den Anfang gemacht. Das Ich des Kindes müsse sich
abseits gesellschaftlicher Einrichtungen unter laufender Betreuung durch den
Erzieher entfalten. Das Individuum habe als nach außen hin abgetrennt und
nach innen hin unzerteilbar gegolten. Damit sei es nicht beeinflussbar, denn jede
Zerlegung würe auf Zerstörung hinausgelaufen. Der Begriff des Individuum würde
von seinem Wortsinn nicht mehr passen, auch wenn er noch verwendet werde. Das
18.Jahrhundert habe den Umweltbezug und die Dynamik individuellen werdens
herausgearbeitet. Hierfür griffe man auf den Begriff der persönlichen Identät
zurück. Erfunden von Hobbes, wird er von David Hume weiterverbearbeitet.
Im Zeitalter des Christentums sei Identität etwas gewesen, auf das man für ein
besseres Leben im Jenseits gut hätte verzichten können.
14.2 Bildung
K. Schaller weist in Lexikon der Pädagogik (1971) darauf hin, dass es sich um
ein Spezialproblem der deutschen pädagogischen Fachsprache handelt. Wichtiger
findet er die Trennung zwischen Unterricht und Erziehung.
Im Englischen gibt es bekanntlich keinen Unterschied zwischen Bildung und
Erziehung. »Education« stammt vom lateinischen »educare« ab, was so viel wie
»aufziehen« bedeutet (Brezinka in Roth (1976)). Inzwischen wird dieser Begriff
aber synonym mit Bildung verwendet. Das zeigt wohl, dass früher nicht davon
ausgegangen wurde, dass ein Mensch über die Zeit des Aufwachsenes hinaus lernt,
man mit mit der Zeit aber etwas besseren belehrt wurde.
Anders ist es im deutschen Sprachraum. Hier hat sich der Begriff der Erziehung
sozusagen «zurückentwickelt».
Kautz (194080) verwendet Begriffe wie »Volkserziehung« oder »Volkspädago-
100
Grundbegriffe Bildung
gik«, die den Arbeitern ihr Gefühlsleben wieder geben sollte. Bei der »Industrie-
pädagogik« geht es um:
Man ist also mindestens bis zur Nazi-Zeit von einer Erziehbarkeit des erwach-
senen Menschen ausgegangen, was wohl auch der Grund ist, warum man sich
danach davon abgewendet hat. Tatsächlich ist die Denkweise der NS-Pädagogen
teilweise eher peinlich:
Tumlirz (192249) gibt eine »Anleitung zu Selbsterziehung«. Das »Gute im
Menschen« ist Voraussetzung dafür. »[. . . ] besonders bei den unteren Volksschich-
ten« könne man jedoch davon ausgehen, dass das »[. . . ] sittliche [. . . ] Streben
zunächst ein recht schwaches sein wird.«. Verwirrt durch kommunistische Pro-
paganda, unterentwickelt mangels häuslicher Erzieher, erstickt durch das »böse
Beispiel« des Umfeldes, verwildert und verroht durch das lange Kriegsleben.
Raub und Ausbeutung wären an der Tagesordnung, der Sozialismus habe
die Welt gewissermaßen »entgöttert« und an ihre Stelle keine Ideale gesetzt.
Der kommunistische und der materialistische Gedanke hemme den Willen zum
»Guten«. Der Pädagoge müsse also den Arbeitern ganz »ungezwungen«, um ihr
Misstrauen nicht zu erwecken, den Kommunismus ausreden, indem er sich an
ihre Vernunft wendet. Allmählich und unmerklich müsse man die »Führung«
bekommen. Der beste Einwand sei, dass die Führer der Kommunisten alles Juden
seien, genau wie die Großkapitalisten (51). Habe man ihnen also auf diese oder
ähnlich Arte die materialistische, sozialistische Weltanschauung ausgeredet, könne
man ihr Interesse für sittliche Fragen wecken.
Nach dem zweiten Weltkrieg ist der Begriff der Volkserziehung verschwunden.
Aus »Arbeitererziehung« ist »Arbeiterbildung« geworden, auch ein Wort wie
»Volkserzeihung« wird wohl nie wieder auftauchen.
Erwachsene werden nicht erzogen, sie lernen.
101
Grundbegriffe Bildung
14.2.1 Erwachsenenbildung
Meueler (1982) trennt in der Einleitung zu seinem Buch »Erwachsene Lernen«
nicht zwischen dem Lernen eines Erwachsenen und dem eines Kindes. Nach seiner
Definition lernen alle jeden Tag, auch als Erwachsene Gutes und Schlechtes.
Sein Begriff der Erziehung bleibt etwas unklar. M. E ist er der Meinung, dass
Erziehung immer bedeutet, zum Objekt gemacht zu werden. Erwachsene können
ihren Lernprozeß ber sehr viel mehr selber steuern. Sie haben eine Motivation,
dass auszugleichen, was ihre Eltern in den Jahren ihrer Jugend falsch gemacht
haben. Der Lernprozeß des Erwachsenen ist selbstbestimmt.
Literatur
Bildung, Macht, Gesellschaft, Beiträge zum 20. Kongress der Deutschen Gesell-
schaft für Erziehungswissenschaft. Micha Brumlik (Hrsg.), Körperschaft:
Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft Kongress:Kongress der
Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft ; 20 (Frankfurt am Main)
: 2006.03.20-22 Erschienen: Opladen [u.a.]: Budrich, 2007 Schriftenreihe:
Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DG-
fE) ISBN: 978-3-86649-148-9, Standort: Staats- und Universitaetsbibliothek,
Signatur: A 2008/5941
Schiller Friedrich von Schiller als Pädagoge : ein Beitrag zum 200. Todesjahr.
Jürgen Schäfer, Bochum : Brockmeyer, 2005, ISBN: 3-8196-0667-X. Standort:
Departmentbibliothek Kulturgeschichte und Kulturkunde, Signatur: KGS-in Be-
arbeitung. Oder: Standort: Staats- und Universitaetsbibliothek, Signatur: A
2008/4642
102
Grundbegriffe Sozialisation
14.3 Sozialisation
Das Lexikon der Pädagogik (1971) bezeichnet Sozialisation als »[...] den
Prozess der Eingliederung eines Individums in die Gesellschaft oder in eine ihrer
Gruppen.«. Das schließe den Prozess des Lernens der Normen und Werten mit
ein. Sozialisation sei ein Lernprozess. Zentrale Inhalt diese Lernprozesses seien
die Normen- und Wertesysteme.
Von einem Lernprozess werde dann gesprochen, wenn eine Verhaltensände-
rung auf Grund von unterschiedlichen Erfahrungen erklärbar ist (Belohnungen,
Übungsmöglichkeiten). Prozesse der Sozialisation könnten immer als Lernprozesse
interpretiert werden (ebd., 114). Auch Regelsysteme wie das der Mathematik
zählten hierzu.
Es handele sich um ein »zweifaches Spannungssystem«. Die Triebe des Indivi-
duums und die Anforderung der Gesellschaft stünden im Widerspruch, deswegen
müsse die Gesellschaft so etwas wie ein Kontrollsystem schaffen, um den Trieben
des Individuums ein »Gewissen« entgegenzusetzen.
Je größer der Konsensus einer Gesellschaft über die geltenden sozialen Normen
sei, desto weniger bewusst und reibungsvoll finde der Sozialisationsprozess statt.
14.3.1.1 Transmissionstheorie
Die Transmissionstheorie unterstelle eine Asymetrie von Sozialisator und Sozia-
lisand. Dafür sei sie kritisiert worden. Luhmann geht auf Grund der bestehenden
Wechselwirkungen z.B: in Schule und Familie von einem zirkulären Modell aus,
dass dann aber die Brechung der Symmetrie berücksichtigen muss. Kulturguttrans-
mission fände in Schleifen statt. Nur die gelungene Seite der Transmission werde
als Sozialisation gedeutet. Der Rest bliebe unbeleuchtet. Die Individualisierung
sei ein wichtiger Bestandteil der Sozialisation geworden, um Gegenbewegungen
mit einzuschließen. Deswegen gebe es in der Schule eine Komparatistik anhand
von Zensuren.
Wahre Individualität könne man im Sozialisationsprozess nur erreichen, wenn
man zum Beispiel von zu Hause wegliefe. Dies werde aber nicht als Sozialisation
betrachtet, weil keine erfolgreiche Transmission stattfände. Diese »Besonderhei-
ten« seien aber eigentlich sehr erstrebenswert. Wenn man zum Beispiel an die
103
Grundbegriffe Subjekt
14.4 Subjekt
14.4.1 Subjektivität
K.Schaller in Lexikon der Pädagogik, Bd. 4192 Subjektivität im pädagogischen
Sinne. Der gedankliche Hintergrund der subjektivistischen Bildungtheorie wurde
von Leibniz zur Verfügung gestellt und bei Rousseau erstmals exemplifiziiert. Auch
bei Montessori und in der Psychoanalyse leben sie fort. Mit Pestalozzi beginnt
die Infragestellung dieser Systeme. Auch die »personale Pädagogik« sprengt das
subjektivistische Bildungsverständnis. J. Dewey spricht sich gegen eine Teilung
von Subjekt und Objekt aus und sprincht von einer Ganzheit beider.
14.4.1.1 Descartes
René Descartes gilt als Begründer der neuzeitlichen Subjekt-Philosophie,
verwendet aber den Begriff in seinen »Meditationes« im vormodernen Sinne: Der
Geist wird Subjekt genannt, weil er Träger der »cogitationes« (Gedanken, Ideen)
ist. Zwar kommt schon das substantivierte »Moy« (moi) vor, aber er bezeichnet
es als »res« (Ding) und als »substantia«. Entscheidend ist Descartes’ Versuch, die
Gewissheit des denkenden Selbstbezugs, wodurch das denkende Ich zur Grundlage
aller wissenschaftlich erfassbaren Wirklichkeit wird. Dies ist der Übergang von
der ontologischen zur erkenntnistheoretischen Bedeutung des Subjekts.
14.4.1.2 Kant
Kant (1911307): »Die Sinne stellen uns die Gegenstände vor, wie sie erscheinen,
der Verstand aber, wie sie sind.« Das ist aber nur empirisch zuverstehen und
nicht transzentental. Der Verstand beruht schließlich auf Erfahrung. Verstand
104
Grundbegriffe Subjekt
und »Sinnlichkeit« hängen also zusammen. Sie ist auch notwenidig, um Sätze zu
beweisen.
Kant (1911Von dem Unterschiede der reinen und empirischen Erkenntnis) »Das
all unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel;[...]«
Aber nicht all unsere Erkenntnis entspringt der Erfahrung. Erkenntnisse, die
nicht der Erfahrung entspringen, nennt Kant a priori. Sie sind nicht gänzlich von
Erfahrung unabhängig, aber haben nicht unmittelbar mit der Erkenntnis zu tun.
Dem Gegenüber stehen Erkentnisse, die aus der Erfahrung gewonnen werden
können. Er nennt sie a posteriori bzw. empirische Erkenntnisse.
Ein weiterer interssanter Begriff in diesm Zusammenhang ist der der Reflexion.
Kant (1911Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe). Transzendentale Reflexion:
Das Verhältnis gegebener Vorstellungen zu einer oder der anderen Erkenntnisart
(Sinnlichkeit (Noumena) oder Verstand)
Wagner (2001) erklärt Subjektivität mit J. H. Mead. Im »Social Act« zeige
sich nach Mead Subjektivität sich erst, wenn ein Problem im Handlungsablauf
auftritt. In einer Krise wird Subjektivität als nicht-identisch wahrgenommen.
14.4.1.3 Adorno
14.4.2.1 Aristoteles
Griechisch: hypokeimenon, lateinisch: subiectum. Erstmals findet sich hypo-
keimenon bei Anaximander und Anaximenes, aber auch bei Demokrit, dann
bei Platon. Sein volles Spektrum entfaltet der Begriff erst bei Aristoteles. Er
verwendet ihn hauptsächlich in der Lehre von den Kategorien und Prädikabilen.
In der Kategorienschrift unterscheidet Hypokeimenon das Seiende hinsichtlich
Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit. In einem Hypokeimenon sein, von
einem Hypokeimenon ausgesagt werden, kein Hypokeimenon und nicht von einem
Hypokeimenon ausgesagt werden sind vier verschiedene Seinsweisen. Die Wis-
senschaft ist in einem Hypokeimenon, nämlich in der Seele, und wird von einem
Hypokeimenon ausgesagt. Das, was weder in einem Hypokeimenon ist noch von
einem Hypokeimenon ausgesagt wird, ist Ousia, Substanz.
Boethius führt den Begriff subiectum ein, als er Aristoteles übersetzt.
105
Grundbegriffe Subjekt
3. Das Satz-Subjekt.
5. Den Untertan
106
Grundbegriffe Subjekt
3. nur jener Terminus, von dem eine Bestimmung im Rahmen einer Wissen-
schaft beweisbar ist.
J.H. Alsted:
»Subiectum est homo, qui Sacra litteras docere debet, vel in Ecclesia,
vel in Schola.«
Descartes nennt den Geist insofern Subjekt, als eer Träger der »cogitationes«
ist. Der Geist als ein Ding, dass Subjekt des Denkens ist, ist eine Substanz.
Leibniz führt den Begriff der Monade ein. Das ist die Individuelle Substanz,
die als letztes Subjekt dem alle Prädikate involviert sind.
Thomas Hobbes sieht den Körper als Träger von Eigenschaften, vom Leuchten
als Subjekt des Lichts. Von Bedeutung wird seine Definitiondes Körpers als träger
von Empfindungen. Subjekt der Sinnenwahrnehmung ist der Wahrnehmende selbst.
Dabei ist der Kitzel nicht eine Eigenschaft der Feder, sondern eine Veränderung in
dem der Gekitzelt wird (Galilei). Es findet ein »Subjekt-Wechsel« statt (S.379).
Hume nimmt einige Ausschließungen vor.
J. A. Eberhard meint, dass die Seele etwas beständiges im Menschen ist. Dies
ist ein Subjekt.
14.4.2.2 Kant
Kant sieht die Erkentniss des Subjektes als den »wahren Gegenstand der
Philosophie«.(382). »Ich denke als Subjekt, das Sinnlichkeit hat und bin Seele.«
Das letzte Subjekt »das weiter von keinem Ding mehr praediziert werden, und
das selbst das Subjekt aller Praedikate ist.« Ich als ein denkendes Wesen bin
das absolute Subjekt aller meiner möglichen Urteile und diese Vorstellung von
mir selbst kann nicht zum Prädikat eines anderen Dinges gebraucht werden.
(ebd.) Also bin ich als denkendes Wesen, Substanz. Das Denken könne in zwei
Prämissen gefasst werden: 1. In Beziehung auf ein Objekt und 2. In Beziehung
auf sich als Subjekt. Ich zweiten Fall ist von Ich die Rede, welches das Subjekt
des Bewusstseins ist.
107
Grundbegriffe Subjekt
14.4.2.3 Fichte
Fichte hat laut Kible u. a. (1998384) als erster das Subjekt als Grundprinzip
der Philosophie angesehen. In seiner »frühen Wissenschaftslehrer« erscheint
es als »Ich« oder als »absolutes Subjekt«, was die Einheit von Selbst- und
Existenzgewisseheitempfindet.
14.4.2.4 Hegel
Hegel versteht das Subjekt als Korreltiven Terminus zu dem des Objekts.
Jedoch bezeichnet er damit ein Teilmoment einer Ursprünglichen Einheit. Die
Vereinigung von Subjekt und Objekt ist das göttliche , die Liebe. Hierin sieht
J. Stolzenberg in Kible u. a. (1998386) eine doppelte Verwendung des Begriffes
Subjekt. Zum einen ein Moment im Begriff der Vereinigung, zum anderen eine
verselbständige, Vereinigung ausschließende Position. In der »Phänomenologie
des Geistes« heisst es, es käme alles darauf an, das Wahre nicht als Substanz,
sondern als Subjekt aufzufassen und auszudrücken. Dies besagt laut Stolzenberg,
dass nur das als Wirklich gelten kann, was der logischen Struktur des Begriffes
Subjekt entspricht.
14.4.2.5 Spätidealismus
Schelling benutzte den Begriff des Subjektes wieder im Aristotelischen Sinne.
Das Sunjekt ist das, was dem anderen Untertan ist, gelichbedeutend mit Potenz,
Materie, Möglichkeit und mit dem Unvermittleten, Vorausgesetzen, des unmit-
telbar Gewissen, das schlechterdings nicht hinwegzudenkende, nicht-nicht sein
Könnende, das nicht zu verneinende Sein, dasjenige von dem etwas ausgesagt wird.
Thematisiert wird auch das Subjekt-Subjekt-Verhältnis (E.P. Geijer) in mensch-
lichen und göttlichen Dingen. Chalibäyus Der Zweck der positiven Liebe seies,
dass das Objekt, das vorerst nur ein selbstloses, unwirkliches Gedankenobjekt ist,
wirklich Objekt und damit Subjekt in sich wird.
14.4.2.6 Nachidealismus
U. Dreisholtkamp in Kible u. a. (1998391)führt heir Herbart an, der sich
unabhängig von Hegel in der Psychologie entwicklet habe. Empfindungen seien
das zweite Glied einer Reihe, das Vorausgesetze ist das Subjekt. Diesem kommt
nicht nur denken, sonder auch Wollen und Fühlen zu.
Für Schopenhauer sind Obejkte der Erfahrung demSubjekt als Vorstellung
gegebne. Subjekt und Materie sind in der Vorstellung unternnbar miteineander
108
Grundbegriffe Subjekt
verbunden. Das Subjekt tritt in Identität mit seinem Leib als Individuum auf.
Kierkegaard geht davon aus, dass das Denken vom Existieren des Einzelnen
immer schon absiehtum das Allgemeine als das Denkbare zu gewinnen, so dass
dieser Einhzelne in einem solchen Denken nicht mehr vorkommen kann.
Feuerbach und Marx: Im Gegensatz zum spekulativen Idealismus ist Sub-
jekt des historischen Gemeinwesens das je spezifische,also historischeund damit
wandelbare Zusammenspiel jener Individuen deren Individualität gerade erst im
Bruch mit den Annahmen einer idealistischen Philosophie gewonnen werden kann.
Dilthey ist bestrebt, das erkennende Subjekt, das Locke Hume und Kant als
reine Denktätigkeit formuliert hätten, als »wollend fühlende vorstellendes Wesen«
zurückzugewinnen.
14.4.2.8 Umortung
Nietzsche kritisiert, es werde ein Subjekt als Täter in die Dinge hineingedeutet.
dies sei reine Fiktion. Hinter Subjekten und Objekten stehe der Wille zu rMAcht.
Auch Heidegger kritisiert den Subjektbegriff massiv.
109
Grundbegriffe Subjekt
110
Grundbegriffe Strafen
Zeichen.
Für Levinas vedankt sich das Subjekt gänzlich einem anderen.
14.5 Strafen
I Vom Missbrauch der Disziplin : Antworten der Wissenschaft auf Bernhard
Bueb / Micha Brumlik (Hrsg.). Mit Beitr. von S. Karin Amos 4. Aufl.,
Weinheim [u.a.] : Beltz, 2007, ISBN: 978-3-407-85765-1
Signatur: F 30/10009
Es richte sich gewöhnlich gegen die »Gefühls- und Antriebssphäre« und beein-
trächtige die »elementare Erlebnissphäre«. Subliierung des Gemeinwesens:
111
Grundbegriffe Strafen
Dies setzte aber Schuld voraus und Einsicht sonst wäre es bloße Vergletung
oder eine beleidugende Unterschätzung. Rombach geht davon aus, dass der
Mensch Gewissen hat. Diese müsse angesprochen werden. Es ginge beim Strafen
außerdem nicht nur um die Person des Täters, sondern um die Ordnung der
Gemeinschaft. Deswegene müsse auch gestraft werden, wenn eine Besserung des
Täters nicht wahrscheinich ist. Hier grenzt sich Rombach von dem von ihm so
bezeichneten »Naturalismus« ab, der Strafe ablehnt und statt dessen die Therapei
des Täters fordert, der von Grund auf Gut sei und allein durch äußere Einflüsse
zu einem deviativen Verhalten geleitet werde. Allein eine »pädagogische Strafe«
nehme Bezug auf die personale Ebene und eben nicht auf die Ordnung. Eine
pädagogische Strafe ziele auf die »Besserung der Person« ab, eine Kriminalstrafe
auf die Erhaltung der Ordnung. Jede Strafe hab allerdings einen pädagogischen
Anteil, sonst wäre sie Vergletung oder »mechanischer Schuldausgleich«. Jede
Strafe, beid der eine Besserung der Person möglich ist, sei also ein »pädagogischer
Vorgang«. Auch in der pädagogischen Strafe gäbe es eine Element der Sühnung,
der Vergletung. Nur so fühle sich der Täter auch ernst genommen und könne
»eine persönliche Sühneleistung« vollbringen.
Auch Verwarnungen zählt er zu den Strafen, weshalb Ermahnungen es wohl
auch seien. Auch Beschuldingung, Vorwurf und Drohung gehörten in diese Ka-
tegorie, die ein »Zurückschrecken vor dem letzten Schritt« kennzeichne. Diese
Rand- und Vorphänomene hätte die Eigenschaft, dass man sie auch zurücknehem
könne. Eine Strafe wäre unwiederruflich. Die Strafe ist eine »objektive Schuld-
feststellung«, in beide Personen, Strafender und Bestrafter fixiert bleiben. Ein
Strafschema garantiert ein objektives Maß der Strafe und schützt den Bestraften
vor Willkür. Die Verhängung der Strafe erfolgt nicht unmittelbar. Die Strafe
dürfe nicht nur erduldet, sonder müsse getilgt werdem, was aktiver Vorgang ist.
Erst dann kann von einer Rehabilitierung des Delinquenten gesprochen werden.
Die Schuldeinsicht ist identisch mit Reue, was Rombach als »Sühneverlangen
bezeichnet. Die Strafe gebe die Möglichkeit der »Entsühnung«, die dem Dasein
einen Gewinn an innerer Substanz zuflißen ließe. Schuldbewältung sei das ideal
einer wahrhaft humnanen Ethik und somit ist ethische Pädagigik auch Strafpäd-
agogik. Eine Schuld die nicht bestraft wird, könne zu einem »zersetzenden Gift«
werden. Aber, wo keine Schuld ist, soll auch keine Stafe sein, sonst kommt es zu
Abstumpfung.
Strafpädagogik, verstanden als Repressivpädagogik behinhalte auch »Phäno-
mene« wie Zurechtweisung, Ermahnung, Vorhaltung, Tadel, Verwarnung, Drohung,
Schimpfen, Schelten, Bloßstellen und Anprangern. Als Strafen im engern Sinne
könen diese aber nur gelten, wenn sie objetkiviert sind, also einer reglehaften Form
112
Grundbegriffe Strafen
fogen. Rombach verwendet aber auch einen »weiteren Strafbegriff«, der ihn dazu
führt, dass das die eigentliche Pädagogishce Strafe ist. Der weitere Strafbegriff
habe den Vorteil der Unmttelbarkeit. Pädagogische Strafen gingen vomsubjek-
tiven Erleben aus. Er spricht von »Strafnieveau«. Je niedriger das Strafniveau,
desto höher muss die Strafe sein, um überhautp noch so etwas wie Sühnung
zu erreichen. Das Strafniveau werde dadurch bstimmt, an welcher Schwelle die
Objektivation beginnt. Eine Strafe, die als subjektive Rache erscheint, hat keinen
pädagogischen Wert. Das gilt insbesondere für Schimpfen und Schelten. Hoher
Subjektiver Charakter.
Es ist klar, dass nur die Handlung und nicht die Peron bestraftwerden darf.
14.5.1.0 Stufen des pädaggischen Strafens
1. Die unmittelbar auf ein bestimmtes Verhlaten gerichtete Strafe. Mit dem
Zweck, bstimmte Reflexe zu erzeugen Die das Verhalten im Sinne sozialer
Angepasstheit regulieren. Belohnung & Bestrafung. Diese Strafen werden
unmittelbar, unreflektiert und unwillentlich angewand. Wir hier nachwievor
im Kindesalter verortet.
4. SÜhne Bei höher entwickelten Personen ist es möglich, dass sich nach dem
begagennen Unrecht ein Strafverlangen entwickelt. Dann wird die Strafe
als Befreiung empfunden (Sühne). Hat der Mesnch diese Stufe erreicht, hat
der Erzeiher seine Erziehhungauftrag vollendet. Die Anspruche der Person
an siech selbst sind praktisch Deckungsgleich mit den geltenden Gegeln.
Die »Kunst des pädagogischen Strafens« bestünde darin, auf der richtigen
Stufe zu strafen und die Art der Strafen auf eine Höherführung hin auszurichten.
113
Grundbegriffe Strafen
114
Grundbegriffe Strafen
1964 zitiert n. Heinelt 1967, S. 44). Rollen sind kulturell bedingt. Je älter der
Mensch werde, desto sltener Stref er. Eine wichtige Charaktereigenschaft des
Strafenden sei Phantasie. Die Strafe werde mechanisch starr und dumm, wenn sie
immer gleich bliebe. Der Humor sei zur Versöhnung bereit. Jede Form von emo-
tionalität könne schnell als Schwäche ausgelegt werden und zu Autoritätsverlust
führen. Im Strafen könne ein Machtzuwachs erlebt werden der Minderwertigkeits-
gefühle, die durch kompensatorische Überformung in Überhöhte Machtansprüche
übergeschlagen sind zu befriedigen. In einem solchen Machtmenschen riefe bereits
der Anblick von Schwäche Zeichen von Dominanz hervor. Das Strafverhalten, das
nach Adler und Künkel auf einem Minderwertigkeitsgefühl beruheriefe ein Straf-
verhalten hervor, das Züge von Gewalttätigkeit nd Grausamkeit beinhalte. Eine
strenge , gefhlsarme Erzeihen könne zu einem kalten, unbeteiligten Strafverhalten-
führen. Auch enttäuschte Lebenserwatungen, unerfüllte Hoffnung und elementare
Bedürfnisversagungne könntenzu rigorosen Sgtrafeinstellung führen. Dem Strafen
kann also der Bedeutungwert einen katatischen Abreaktion zukomen. Es gint auch
so etwas wie Projektion. Verdrängt Eigenscaften und Triebregungne können auf
einen anderne übertragen werden. Die Schuldgefühle, die davon ausgelöst werden
werden als Schuld auf den Anderen übertragen. Die Erxternalisierung innerer
KOnfliekt ruft dann eine Bridigung hervor. Slbstbestrafe sind auch eine ganz
besonder Form von Strafsubjekten. Oder Geständniszwang. Wem das Strafen
eine Lustgewinn bereite, der sollt auf keine eine pädagogischen Beruf ergeifen.
Die Strafsituation sei eine Grenzsituation, die charakteristische Merkmale ei-
ner Stresssituation annehmn kann. Kernqualitäten eines Krater treten hierin
Erscheinung.
Perzeption,
3. Wirkung
Strafsubjekt: Kognition,
und Nachwirkung
Reaktion
1. Strafauslöser: 2. Straferhalt:
3. Wirkung
Strafobjekt: Straferreger Erleiden, Annahme,
und Nachwirkung
Normwidrigkeit Ablehnung
Die soziale Rolle des Strafobjektes ist die soziale Gegenrolle des Strafsubjektes.
Die Rollenanforderung und -erwartung ist soziokulturell bedingt. Die Rollener-
wartung an einen Viertklässler ist eine andere als die an einen Lehrling. Die
»Rollennormen« berücksichtigen also Variablen wie Alter, Geschlecht, Milieu
usw. . Der Rollenträger selber hat außerdem innerhalb seines Sozialraumes eine
115
Grundbegriffe Strafen
bestimmte Rolle (z. B. Klassenclown). Aus dieser Rolle könne ein strafauslösendes
Verhalten resultieren. Aus dieser Rolle resultiert auch die Reaktion auf die Strafe
(Annahme oder Ablehnung).
Die Ansprechbarkeit gegenüber verschiedenen Strafformen ist individuell ver-
schieden (sensibler Charakter – Indolenz 8 ). Die Frustrationstoleranz ist abhängig
vom sozialen Umfeld. Je mehr Freunde jemand hat, desto bedenkenloser kann
man ihn strafen. Dies kann zu Ungerechtigkeitsdiskussionen führen, die in ei-
nem kooperativen Führungsstil leichter bewältigt werden kann, als in einem
autoritären.
Die Tiefenpsychologie hätte einen Zusammenhang hergestellt zwischen Strafen
und masochistischen Triebregungnen. Es werde also von der Strafe ein Hass
erzeugt, der dann in Sadismus erzeugt, der in Masochismus umgewandelt wird.
Dies sei aber nicht immer der Fall. Was immer schwere Schäden nach sich zöge,
wäre der Liebesentzug, der immer ein Bestandteil der Strafe, manchmal ihr
einziger Bestandteil sei.
Heinelt untersucht den Zusammenhang zwischen Strafe und Führungsstil.
Er unterscheidet drei Typen: Autoritär, kooperativ und laisser-faire, was die
klassische Unterteilung nach K. Lewin ist.
Der autoritäre Führungsstil zeichne sich besonders durch soziale Distanz
aus. Es gäbe keine Persönlichen Bindungen, außer über das Strafen und gestraft
werden. Zugrunde liege dem mangeldes Selbstwertgefühl, was dazu führt, dass
die »Berufsmaske« überbetont wird. Das Resultat eines solchen Führungsstils in
der Lerngruppe sei eine Aufspaltung. Eine Gruppe Leistungsstarker stehe einer
Gruppe Leistungsschwacher gegenüber. Die soziale Rangordung konstituierte
sich nach diesen Kriterien. Diejenigen, die einen solchen Führungsstil überleben,
verfügten über einen unbegrenzt einsetzbaren Willen und Intellekt. Die emotionale
Seite und das eigenständige Denken hingegen verkümmern.
Der kooperative Führungsstil straft selten. Die soziale Distanz ist ein opti-
males Minimum. Es wird besonderer Wert auf die Entfaltung kommunikativer
Fähigkeiten gelegt. Dieser Führungsstil bewähre sich gegenüber dem autoritären
in Bezug auf Leistung bei Abwesenheit des Gruppenleiters.
Er gibt eine Übersicht:
Der Lasser-faire-Stil begünstige ähnliche Gruppenmerkmale wie der autoritäre
Führungsstil: Frustrationen, Oppositionen und Aggressionen. Es gäbe Fallbe-
richte, die nach Einführung eines solchen Stils von dem Zusammenbruch der
Gruppenstruktur sowie dem Verlust der Autorität berichteten.
8 Gleichgültigkeit gegenüber Schmerzen
116
Grundbegriffe Strafen
Zur verdeutlichung der sozialen Rolle lässt sich aus (Lersch 1964: 175) folgendes
Schaubild entnehmen. Bei der Modifikation einer Rolle, die dem Individum
14.5.3 Lewin
Lewin (1931) hat sich mit der Psychologie von Lohn und Strafe auseinander-
gesetzt. Insebesondere damit, wie es auf das Verhalten eines Kindes wirkt, wenn
man Lohn und Strafe in aussicht stellt. Lohn und Strafe werden psychologische
Kategorien behandelt, nicht als jusristische. Ein und die selbe Handlung kann hier
als Lohn oder als Strafe empfunden werden. Lohn und Strafe sind ein künstlicher
Weg, um Interesse zu erzeugen. Das Interesse kann unterschiedlich strak sein.
14.5.3.1 Interesse-Situation
117
Grundbegriffe Strafen
Wenn diese kraft, relativ zu den anderen bestehenden Kräften stark genug ist,
wird eine Aktion des Kindes in Richtung der Puppe erwartet.
118
Grundbegriffe Strafen
P+
B
Wenn sich zwischen Kind und Puppe
Æ eine physische oder soziale Barriere
befindet, bedeteutet, dass das sich
K die Aktion des Kindes auf das Ziel
hin erschwert.
Abbildung 14.5:
Interesse mit Barriere Lewin (1931: 7)
P+
Eine Solche Barriere wird die Aktion B
den Kindes nicht zum Stehen brin- Æ 2
gen, sondern sie umlenken. Es tritt K
immer wieder ein Vektor in Richtung
auf das Ziel auf.
Abbildung 14.6: Interesse mit umgange-
ner Barriere Lewin (1931: 8)
Der Vektor der Strafandrohung muss stark genug sein, dass er das Kind in
der Nähe seiner Matheaufgabe hält. Das heisst : ÆSt ÆM .
Man kann sich vorstellen, dass das ein sehr instabiles Gleichgewicht ist.
119
Grundbegriffe Strafen
M-
Will man das Kind denoch dahin bewe-
gen, dass es sich mit der Aufgabe ausen- ÆM
andersetzt, muss man eine Art von »Feld-
K
kraft« erzeugen, die Strak genug ist, um
dem Vekto (hier ÆM ) entgegenzuwirken. ÆSt
Eine Möglichkeit hierfür ist die Andro-
hung von Strafe. Dies ist ein zweiter nega- St -
tiver Aufforderungscharakter, der prak-
tisch hinter das Kind gestellt wird: Abbildung 14.8: Gebot und Stra-
fe Lewin (1931: 8)
M-
B Kommt nun noch ein Barriere wie im
obigen Beispiel dazu, wird das Kind,
ÆM dem oben aufgestllten Gesetz folgend
sich aus seiner Situation herausbe-
K
wegen, um der Abstoßreaktion der
ÆSt negativen Situation nachzugeben:
St
-
St -
120
Grundbegriffe Autorität
14.6 Autorität
121
Grundbegriffe Autorität
122
Teil IV
Machttheorien
123
15 Soziologische Machttheorien
Weber (1980Wirtschaft und Gesellschaft), Dahl (1957The concept of power ),
Luhmann, Nienhüser, Russell, Simon:Macht,Plessner (1981Macht und menschliche
Natur ), Sofsky (1991Figurationen sozialer Macht. Autorität – Stellvertretung –
Koalition),Neuenhaus (1993Max Weber und Michel Foucault. Über Macht und
Herrschaft in der Moderne), Prostka (1989Nietzsches Machtbegriff in Beziehung
zu dem Machiavellis) ,Nietzsche (1959Der Wille zur Macht : Versuch einer
Umwertung aller Werte).
124
Soziologische Machttheorien Helmut Plessner
man wohl bei der Erkenntnis angelangt, dass es sich in Richtung Meritokratie
entwickeln wird, was bedeutet, dass diejenigen regieren, die es verdient haben.
125
16 Politische Machttheorien
Arendt (1996Macht und Gewalt),Nye (2004 Soft power.), Foucault (1983Der
Wille zum Wissen), Kahl (2004Michel Foucaults politische Analytik. Studien zum
Verhältnis von Wissen und Macht), Banzhaf — Koalitionsmacht.
126
17 Ökonomische Machttheorien
Strange (1975What is economic power und who has ist? ), Strange (2007The
Retreat of the state : the diffusion of power in the world economy).
127
18 Johan Galtung: Strukturelle Gewalt
Titel: Imperialismus und strukturelle Gewalt : Analysen über abhängige
Reproduktion /hrsg. von Dieter Senghaas. Mit Beitr. von Johann Galtung ...
Sonst. Personen: Senghaas, Dieter ; Galtung, Johann Ausgabe: Erstausg., 1.
Aufl. Erschienen: Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1972 Schriftenreihe: Edition
Suhrkamp ; 563 ISBN: 3-518-10563-9
128
Teil V
Schlussfolgerung
129
19 Demokratisierung von
Organisationsstrukturen
Plag (2007Veränderungsmanagement in Bundesministerien : eine empirische
Untersuchung auf Basis multipler Fallstudien), Weber (2006 Modernisierung
öffentlicher Steuerung der Jugendhilfe), Bode (2005Desorganisation mit System).
130
20 Innere Schureform
1. Ïnnere Schulreformïn der Hauptschule : eine empirische Untersuchung
über die Möglichkeiten und Grenzen des Organisationslernens / Albert Scherr. -
Schwalbach/Ts. : Wochenschau-Verl., 2007
2. Qualitätssteigerung im Bildungswesen : innere Schulreform - Auftrag für
Schulleitungen und Kollegien / Gisela Schmirber. - München : Hanns-Seidel-
Stiftung, 2000
3. Humane Schule : Bausteine für eine permanente innere Schulreform ; 94
Thesen aus pädagogischer und psychologischer Sicht / Eberhard Quickert. -
Frankfurt am Main [u.a.] : Lang, 2000
4. Wir entwickeln unsere Schule weiter : ein Praxisleitfaden für die innere
Schulentwicklung / Gustav Keller. - 1. Aufl. - Donauwörth : Auer, 1997
5. Innere und äußere Schulreform : Carl-Ludwig Furck zum 3. November 1988
/ Ulf Schwänke. - Hamburg : Hamburger Buchwerkstatt, 1989
6. Innere Schulreform / 2 / Norm- und Wertfragen in Schule und Bildungspo-
litik / Marian Heitger. - 1982
7. Innere Schulreform / Marian Heitger. - Wien [u.a.] : Herder, 1981-
8. Der gebildete Mensch und die innere Schulreform / Ulrich Freyhoff. -
Dortmund : Kulturamt, [1962]
9. Evangelische Unterweisung und innere Schulreform / Siegfried Wolf. -
München : Kaiser, 1959
10. Innere Schulreform / Karl Stöcker. - Frankfurt/M. [u.a.] : Diesterweg,
1955
131
VI Anhang
A
Abbildungsverzeichnis
1.1 Bernhard Rust leitete von 1934 bis 1945 das Reichsministerium für Wissen-
schaft, Erziehung und Volksbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
13.1 Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
B
Tabellenverzeichnis
12.1 Experimentaldesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
12.2 Der Unterschied zwischen Lernen und Erziehung nach von Braun-
mühl (1976), eigene Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
C
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... 1971 ...: Sozialistation. In: Willmann-Institut München, Wien (Hrsg.):
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