B E N E DI C T U S N E W S JUNI 2008

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Was kommt danach?
BenedictusNews 08
AUSG A BE J U N I 2 0 08

von Bertram Stubenrauch

Prof. Dr. Bertram Stu- Was kommt nach dem Tod? Was kommt, wenn ich –
benrauch, 47, ist katho- ich persönlich – gestorben bin? Jeden Menschen geht
lischer Priester und ist diese Frage an, niemand kann sich vom Sterben und
Inhaber des Lehrstuhls auch nicht von der Frage, was das Sterben bringen
für Dogmatik und Öku- wird, auf Dauer distanzieren. Christen und Christin-
menische Theologie an nen glauben und wissen, weil sie glauben: Der Tod ist
der Ludwig-Maximilian- die Vollendung des menschlichen Lebens. Der Tod
Universität in München. schenkt ewiges Leben – und das meint nicht einfach
Über das Leben nach die Fortführung des Daseins hier und heute unter an-
dem Tod schrieb er aus- deren Vorzeichen, sondern sehr viel mehr und sehr
führlich in seinem letzten viel Beglückenderes. Ewiges Leben bedeutet, im le-
Buch „Was kommt bendigen Gott aufzublühen. Ewiges Leben ist, wie die
danach? Himmel, Hölle, Bibel sagt, die Fülle des Lebens, ein Zuhause-Sein in
Nirwana oder gar nichts“ unvergänglicher Liebe – ohne Anfechtung, ohne Be-
Pattloch Verlag, drohung, ohne alles Böse.
München 2007. Ist der Gedanke zu schön, um wahr zu sein? Handelt es
sich nur um eine Utopie? Gläubigen Menschen steht
der von den Toten auferweckte Jesus von Nazaret vor
Augen, und sie hoffen, dass jeder Mensch dem toten
und seit Ostern für immer lebenden Jesus gleich ge-
staltet wird. In ihm hat das ewige Leben ein konkretes,
menschliches Gesicht. An seiner Person hat sich eine
neue Welt gezeigt, in der sich Gottes Reich durchge-
setzt hat und in der es deshalb keinen Tod mehr gibt.
Gott und der Tod, das sind unversöhnliche Gegensät-
ze. Gott ist ein Gott der Lebenden – oder er ist über-
haupt kein Gott.
Seit Jesus den Tod zur Tür des Lebens gemacht hat, ist
das Sterben ein Vorgang der Geburt: Die ganze Schöp-
fung wird in Jesus neu sein und nur noch der Liebe
Platz bieten. In dieser Hoffnung stimmen alle großen
Weltreligionen und viele Philosophien mit dem Chris-
tentum überein. Es gibt kaum einen Grund dafür, am
Ende des Lebens nichts als Vernichtung zu sehen.
Schon das Leben hier und jetzt ist ein Wunder – sollte
man das Wunder nicht auch dem Tod zugestehen? Es
gilt, was der Apostel Paulus angesichts seines eigenen
Sterbens bekannt und erfahren hat: Im Tod ist das Le-
ben!
VO R WO R T Lieber Leser,
ist der Tod in unserer Gesellschaft präsent genug? Was kommt
danach? Diesen Fragen möchten wir auf den folgenden Seiten
nachgehen und das oft tabuisierte Thema Sterben wieder in die
Mitte der Diskussion holen. Ein Versuch, der derzeit auch
von einem renommierten Künstler gestartet wurde. Gregor
Schneider möchte in Berlin einen sterbenden Menschen im
Museum auszustellen. Das führt uns auch zu der Frage: Was darf
und kann die Kunst zu solchen – ins Metaphysische reichende –
Themen beitragen? Und: Wie soll man mit dem Tod umgehen?
Auf was darf man sich freuen? Lesen Sie im Folgenden, was
Günter Grass über Kunst und Religion denkt, lernen Sie eine
junge Frau kennen, die Ihren Freund bis zum Ende begleitet
hat und erfahren Sie, was uns nach dem Tod erwartet.

I N H A LT In dieser Ausgabe
I M PR ESSU M V.i.S.d.R.: Angelika Schweiger Die gemeinnützige Benedictus Stiftung finanziert sich
Benedictus Stiftung
Martiusstraße 1, D-80802 München
ausschließlich durch Ihre Spende. Ihre Spende ist
steuerlich absetzbar.
Die Beichte ist etwas sehr Menschliches
schweiger@benedictusstiftung.de Spendenkonto Interview mit Günter Grass über Religiosität, Kunst, Christentum und Beichte
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Ich werde da sein, wenn du stirbst
Vorstand: Alexa Künsberg BLZ: 700 202 70 Marie-Sophie Lobkowicz über ihr neues Buch
Gründer: IBAN: IBAN DE66 7002 0270 0654 7109 29
Pater Eberhard von Gemmingen SJ
Alois Glück
BIC: HY VEDEMMXXX
Was kommt danach?
Friedrich Kardinal Wetter Dr. Bertram Stubenrauch über den Tod
Abtprimas Prof. Dr. Notker Wolf OSB
Layout/Illustrationen:
Alexander von Lengerke, Köln

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B E N E DI C T U S N E W S
Die Beichte ist etwas
sehr Menschliches
Günter Grass, ein politisch engagierter Autor mit großer
Medienpräsenz, wirkt nicht nur durch seine gedruckten Texte in
die literarische und gesellschaftliche Öffentlichkeit hinein, sondern
auch durch das gesprochene Wort. Mit Aldo Parmeggiani von Radio
Vatican sprach der Agnostiker Grass über Religiosität und Kunst,
Christentum und Beichte.
Günter Grass, 80, ist der In gewisser Hinsicht sind Schriftsteller ja auch immer
wohl bekannteste zeitge- Existenzanalytiker. Kann Religiosität in Ihren Augen
nössische Schriftstellter auch Ausdruck menschlicher Sinnsuche sein?
Deutschlands. 1999 wur- Grass: Bei mir ist das, wenn ich zwischen meinem
de er mit dem Literatur- Schreibhaus in den Wald gehe und alte Buchenstäm-
Nobelpreis für sein Werk me zeichne. Da stehe ich jedes Mal vor einem Wunder.
ausgezeichnet. Weil jede Buche anders ist. Also, was der Natur alles
einfällt, da reicht keine Phantasie, selbst meine nicht
heran. Was da alles geschieht und immer wieder neu ge-
schieht. Selbst dort wo die Natur durch Menschenwerk
beschädigt ist. Ich war einige Jahre lang unterwegs und
habe auf den Kammlagen im Harz oder damals noch
in der DDR die zerstörten Wälder gezeichnet. Selbst
der absterbende Wald hat noch etwas, was einem in Er-
staunen setzt und was uns als Menschen klein macht.
Der Philosoph Habermas vertritt die Überzeugung, dass
Religionen nicht verschwinden werden und fügt hinzu: Sie
sind der einzige kulturelle Grundbaustein unserer Zivili-
sation.
Grass: Wenn ich nur den Vergleich anstelle, was an
bildender Kunst in Verbindung mit der katholischen
Kirche oder im Bereich der Musik mit der protestanti-
schen Kirche entstanden ist, ist das, was in der Gegen-
wart künstlerisch zum Ausdruck kommt, jämmerlich
und lächerlich. …
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JUNI 2008
Sie sprechen selten über Kirche und Religion. Und wenn
Sie darüber sprechen, üben Sie meist Kritik an der Insti-
tution Kirche und am Klerus. Gibt es etwas, was Ihnen an
der Kirche gefällt?
Grass: Ja, ich finde die Einrichtung der Beichte etwas
sehr Menschliches. Weil die Gegenseite ans Schweige-
gebot gebunden ist, und der Mensch sich erleichtern
kann von dem, was ihn bedrückt. Eine sehr mensch-
liche Geste. Keine öffentliche Anklage, man macht
das in dem Beichtstuhl aus. Die Beichte ist etwas sehr
Gutes.
B E N E DIC T U S N E W S JUNI 2008
Ich werde da sein,
wenn du stirbst
Marie-Sophie Lobkowicz, 28, verliebt sich in einen jungen Mann, der
unheilbar an Krebs erkrankt ist. Dennoch entscheiden sich beide für die
Liebe und sie begleitet ihn in seinem Leiden. Marie-Sophie Lobkowicz
verspricht: „Ich werde da sein, wenn du stirbst“! Wir sprachen mit ihr
über die Angst vor dem Tod und darüber, ob das Thema Sterben noch
einen Platz in unserer Gesellschaft hat.
Wie ging es Ihnen nach dem Tod Ihres Freundes? Waren Weg zu gehen. Schließlich helfen wir jedem Menschen Marie-Sophie Lobkowicz
Sie für die kurze, aber intensive Zeit dankbar oder hat der am Anfang seines Lebens. Aber sind wir auch bei ihm, wuchs in Deutschland
Schmerz überwogen? wenn er gehen muss? und Tschechien auf,
Lobkowicz: Ich denke, es war beides. Im Moment sei- Stimmt es, dass die Angst der Menschen vor dem Tod dar- studierte Geschichte in
nes Todes habe ich eine Gnade empfunden, dass es gut in begründet ist, dass man sich nicht sicher ist, was danach Wien und Salzburg und
für ihn ist zu gehen, dass es der perfekte Moment war. kommt? Weil möglicherweise die Hoffnung auf ein „Nach- arbeitet seit 2007 als
Aber gleichzeitig habe ich ihn unheimlich vermisst. Ich Hause-Kommen“ fehlt? freie Schriftstellerin in
habe unheimlich gelitten und fühlte mich, als ob ich Lobkowicz: Sicher, und es tut mir sehr leid, wenn die München. Sie schildert
neben dem Leben herlaufen würde. Später haben mich Menschen diese Hoffung nicht haben. Dennoch ist es ihre Erfahrungen mit
viele gefragt: „Hast Du manchmal mit Gott gehadert? ein sehr schwieriges Thema. Wenn ich glaube, danach dem Tod ihres Freundes
Hast Du nicht Gott vorgeworfen: Warum hast Du ihn kommt nichts, warum also davor Angst haben? Dann in dem Buch „Ich werde
mir genommen? Warum hast Du ihn nicht wieder ge- ist es vorbei. Wenn ich jedoch glaube, danach kommt da sein, wenn Du stirbst
sund werden lassen?“ Das habe ich nicht gemacht. Ich das ewige Leben – und ich glaube definitiv daran, dass – Eine Liebesgeschichte“,
wusste vom ersten Moment an, dass es gut so war. Aber wir in den Himmel kommen – dann gibt mir das Hoff- Pattloch Verlag, Mün-
ich kann die Trauerzeit nicht beschönigen - sie war nung im jetzigen Leben und etwas, auf das ich mich chen 2008.
schrecklich! Das Schreiben darüber hat mir allerdings freuen kann. Durch das Glauben daran macht man be-
sehr geholfen. Es war wie eine sehr harte Therapie, in stimmt nichts falsch. Ich denke, die Menschen haben
der ich jeden Moment, den wir gemeinsam erlebt ha- Angst vor dem Nichtwissen. Unser christlicher Glaube
ben, nachgegangen bin und überdacht habe. ist aber doch eine ganz entscheidende Stütze, weil er
uns letztendlich etwas gibt, das uns die Angst nimmt
Die Menschen haben vor dem Tod eine große Angst und
und woran man sich mit guter Hoffnung klammern
versuchen ihn gleichzeitig zu verdrängen. Sind Sie der
kann.
Meinung, dass das Thema Tod in unserer Gesellschaft
Angst vor dem Tod hat man wohl dennoch. Conte (der
noch präsent genug ist?
verstorbene Freund, Anm. der Redaktion) zum Beispiel
Lobkowicz: Ich finde, der Tod ist auf eine falsche Art
hatte keine rationale Angst vor dem Tod, aber körper-
und Weise präsent. Gerade wenn man an Themen wie
lich hatte er Todesangst. Er sagte immer von seiner
aktive Sterbehilfe oder die Tötungsmaschine dieses
Angst: „Das ist nicht mein Verstand, das ist mein Kör-
Hamburger Politikers denkt. Jemanden beim Sterben
per!“ Darauf haben wir keinen Einfluss. Man ist ausge-
zu begleiten hat nichts damit zu tun, ihm aktiv beim
liefert und muss das zulassen. Wie in der Beziehung zu
Sterben zu helfen. Jemanden in den Tod zu begleiten
Gott, in der man sich ja auch ausliefert und nicht weiß,
ist das natürlichste der Welt und sollte wieder mehr zu
was geschieht. Man kann aber darauf vertrauen, dass
unserem Alltag gehören. Sterbende gehören nicht ab-
dieses Hingeben richtig ist.
geschoben, sie müssten Teil von uns sein. Menschen,
die im Sterben liegen, brauchen andere, die sie liebevoll
Die Fragen stellte Angelika Schweiger,
begleiten. Deswegen finde ich, ist die Palliativmedizin
Benedictus Stiftung.
Gottes Geschenk - Medizin, die darauf ausgerichtet
ist, das Leiden der Menschen zu vermindern, das Be-
wusstsein aber wach zu halten und mit ihnen diesen
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