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Ibrahim Saidi
Matrikelnummer: 412084
Gescherweg 60
48161 Münster
i_said02@wwu.de
Zwei-Fach Bachelor
1. Fach: Mathematik
2. Fach: Islamische Religionslehre
8. Fachsemester
0
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ................................................................................................................. 2
2. Rituelle Reinheit ....................................................................................................... 4
2.1. Wasserarten ........................................................................................................... 4
2.2. Die Reinheit des Hundes und des Wassers, von dem ein Hund getrunken hat . 5
3. Hadithwissenschaftliche Aspekte ............................................................................. 7
3.1.Grundlagen der Hadithwissenschaft zum Verständnis der Analyse der
Offenbarungstexte .................................................................................................... 7
3.2.Der Hadith über das siebenmalige Waschen eines Gefäßes, aus dem ein Hund
getrunken hat ............................................................................................................ 9
3.2.1. Betrachtung der Werke, in denen dieser Hadith überliefert wird ............... 9
3.2.2. Betrachtung des Sanads und Rückschlüsse auf den Wortlaut .................. 11
3.2.3. Ableitungen über das Waschen des Gefäßes ............................................ 13
3.3. Die Eigenschaft der Freiheit von versteckten Krankheiten eines Ṣaḥīḥ-Hadiths
................................................................................................................................ 14
4. Rechtsmethodologische Aspekte............................................................................ 16
4.1. Der Qiyās ......................................................................................................... 17
4.2. Kriterien des Basisfalles und seiner normativen Beurteilung ......................... 17
4.3. Die Definition derʿIlla, die Methodik ihrer Ermittlung, wenn sie nicht explizit
erwähnt wird und ihre Kriterien ............................................................................. 18
4.4. Rechtsmethodologische Argumente der Mālikiyya, die gegen die Unreinheit
des Hundes sprechen .............................................................................................. 20
4.4.1. Die Auslegung des Koranverses ............................................................... 20
4.4.2. Weitere von der Mālikiyya angeführten Überlieferungen ........................ 22
5. Abstrakte Rechtssätze (Qawāʿid al-Fiqhiyya)........................................................ 24
5.1. Kullu Ḥayyin Ṭāhir .......................................................................................... 26
6. Die Argumentation des Ibn Rušd al-Ǧadd ............................................................. 27
7. Fazit ........................................................................................................................ 28
8. Literaturverzeichnis ................................................................................................ 30
1
1. Einleitung
Im Zuge der Entstehung und des Einflusses vieler moderner, sich selbst als
Reformbewegung verstehender Strömungen, ging das Bewusstsein für eben diese
Tradition verloren und es kam in der gesamten islamischen Welt zu
rechtschulablehnenden Haltungen, die propagierten, man könne auf Basis der
Offenbarungstexte selbstständig Normen ableiten. Gemäßigtere Strömungen
unterscheiden zwar bis heute zwischen Laien und Gelehrten, lehnen aber diese
Institutionen und somit die Kette, die bis auf den Gesandten Allahs zurückgeht und
eine mehr als tausendjährige Tradition innehaben, ab. Eine Ursache und zugleich eine
Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass diverse Diskurse lediglich oberflächlich
geführt werden, da kein Rückgriff auf bereits vorhandene Werke vergangener
Generationen getätigt werden kann. Dies eben wegen des fehlenden Studiums jener
Werke. Unzählige Debatten und Diskurse mussten somit in den letzten Jahrzehnten
neu aufgerollt werden. Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, soll im Rahmen
dieser wissenschaftlichen Arbeit auf die Reflexion und Komplexität der Tradition
aufmerksam gemacht werden und für die präzisen Argumentationsstränge dieser
Methodik zu sensibilisiert werden. Dies soll auch illustrieren, dass innerhalb der
Islamischen Jurisprudenz seit jeher eine Vielfalt von divergierenden Meinungen
koexistieren. Die in der Moderne oftmals gesuchte stärkste Meinung wurde durch die
Rechtschule determiniert und konnte nicht allgemein und verbindlich formuliert
werden. Diese Vielfalt resultiert daraus, dass die Religion keine Institution kennt, die
2
Normen vorgibt oder ablehnt. Der gesamte Prozess der Beurteilung von Normen
basiert auf einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen. Jede Meinung,
deren Argumentation der kritischen Prüfung Stand gehalten hat und weiterhin in einer
Rechtschule tradiert wird, ist somit gültig.
In dieser Arbeit soll eine Fragestellung aus den gottesdienstlichen Handlungen der
Jurisprudenz und die Argumentation einer Randmeinung im selbigen Diskurs genauer
untersucht werden. Die Frage, ob der Hund bzw. sein Speichel rituell rein ist, wurde
bereits in den Anfängen des Islams kontrovers diskutiert. In diesem Diskurs gibt es
viele Detailfragen, in denen Uneinigkeit herrscht. Über den Speichel des Hundes
jedoch sind sich alle heute noch existierenden Rechtschulen - mit Ausnahme der
malikitischen – also die Mehrheit der Gelehrten darüber einig, dass dieser unrein sei.
Diese Meinungsdivergenz existiert, obwohl zu dieser Thematik zahlreiche
authentische Offenbarungstexte vorliegen, derer sich bereits die frühen Gelehrten
vollkommen bewusst waren. Dadurch ist gewährleistet, dass ein Einblick in die
unterschiedlichen und komplexen Rechtsmethodologien und in die vielfältige
Quellenarbeit der Rechtschulen gewonnen wird. Aufgrund der Reichweite dieses
Themas wird der Fokus auf die malikitische Rechtschule gelegt. Dies nicht zuletzt aus
dem Grund, dass ihre Meinung sehr stark von denen der anderen abweicht. Dies macht
die Beleuchtung ihrer Argumentation umso interessanter. Hieran manifestiert sich,
dass eine Vielfalt von Meinungen durchaus erlaubt ist, vorausgesetzt diese sind
plausibel. Die Meinungen, Argumente und Gegenargumente der Šāfiʿītiyya werden
zwar auch am Rande thematisiert, allerdings nicht besonders ausführlich und lediglich
um einen besseren Einblick in den Diskurs zu ermöglichen. Die Positionen anderer
Schulen werden zu Beginn zwar angeführt, doch dienen sie nur dazu, einen Überblick
über die vertretenen Meinungen zu vermitteln und die Besonderheit der malikitischen
Position adäquat zu erläutern. Bei der darauffolgenden Darstellung des Diskurses
spielen sie allerdings keine Rolle. Denn das Ziel der vorliegenden Arbeit ist kein
gegenüberstellender Vergleich der Rechtschulen und ihrer inkludierten Argumente.
Vielmehr wird durch die Arbeit intendiert, durch deskriptive Ausführungen Einblicke
in die grundlegenden und komplexen Konzepte der islamischen Jurisprudenz im
Allgemeinen und der malikitischen Rechtschule im Speziellen zu ermöglichen.
Dies geschieht, indem zunächst der Begriff der Reinheit (Ṭahāra) in seinen
unterschiedlichen Kategorien und Facetten intrudiert wird. Dazu zählen auch die
3
unterschiedlichen Arten der rituellen Reinigung. Daraufhin werden die Meinungen der
jeweiligen Rechtschulen über die Reinheit des Hundes angeführt, ohne dabei näher auf
die Herleitung ihrer Beurteilung einzugehen. Dem folgt eine systematische
Darstellung der Ebenen, auf denen diese Meinungsverschiedenheit ausgetragen wird,
um diese nach derselben Systematik zu erarbeiten. Abschließend wird die
Argumentationsstruktur der Mālikiyya und die aus der vorliegenden Arbeit
gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst.
2. Rituelle Reinheit
Das Wort, das im Arabischen und in klassischer Fiqh-Literatur für Reinheit verwendet
wird, ist Ṭahāra. Philologisch leitet sich das Wort Ṭahāra aus der Wortwurzel Ṭa-ha-
ra ab und bedeutet „sowohl die ‚Sauberkeit‘ als auch die ‚Reinigung von Schmutz oder
Fehlern (Läuterung).“1
Normativ unterscheidet man zwischen Ṭahāra al-Ḫabaṯ und Ṭahāra al-Ḥadaṯ2. Ṭahāra
al-Ḫabaṯ meint „die Behebung der rituellen Unreinheit (Naǧāsa) von Bekleidung,
Körper und Ort“3, während Ṭahāra al-Ḥadaṯ „eine rituelle Handlung [bezeichnet], die
auf vorgegebene Art und Weise ausgeführt werden muss, um den rituellen Zustand
wiederherzustellen, mit dem man rituelle Handlungen vollziehen kann und darf.“4
Die Beseitigung von unreinen Substanzen und die rituelle Reinigung werden mit
Wasser vollzogen, wobei dies für die rituelle Reinigung verbindlicher ist.
2.1. Wasserarten
Es wird im Fiqh allgemein zwischen drei Arten von Wasser unterschieden. Wasser
kann rituell rein und reinigend, rituell rein aber nicht reinigend, oder rituell unrein sein.
1
Zaidan, Amir: Fiqhul-ʾibaadaat. Einführung in die Modalitäten der rituellen Handlungen (Gebet,
Fasten,Zakaah und Pilgerfahrten), Wien 2009, S. 47
2
Vgl. Laraki, Ali: The practical Guidebook of essential islamic Scienes. A commentary on Ibn
Ashirʾs al-Murshid al-Muʾin. 2012, S. 36
3
Zaidan: Fiqhul-ʿibaadaat, S. 47
4
Ebd.
4
In der malikitischen Rechtschule gilt Wasser als rituell rein, wenn Geruch, Geschmack
oder Farbe nicht künstlich verändert wurden. Wurde es mit einer rituell reinen
Substanz vermischt, so kann dieses Wasser nicht zur rituellen Reinigung verwendet
werden, ist aber trotzdem rein und kann im Alltag benutzt werden. Wasser, das mit
einer rituell unreinen Substanz vermischt wurde, ist zu entsorgen.5
Dieser Aspekt verdeutlicht, dass die Diskussion um die rituelle Reinheit des Hundes
in direktem Zusammenhang mit dem Wasser steht, aus dem ein Hund getrunken hat.
Weiterhin demonstrieren diese Definitionen den deutlichen Unterschied zwischen der
linguistischen und der normativen Bedeutung von Reinheit. Es sind durchaus Fälle
denkbar, in denen eine Person nach der linguistischen Bedeutung von Reinheit als
„unrein“ klassifiziert wird, sich aber dennoch im Zustand der rituellen Reinheit
befindet und umgekehrt.
2.2. Die Reinheit des Hundes und des Wassers, von dem ein Hund getrunken hat
Der Mašhūr6 der malikitischen Rechtschule besagt, dass lebendige Hunde und ihr
Speichel rein sind.7 Mayyara erwähnt, dass Ṣaḥnūn und Ibn Maǧīšūn der Meinung
waren, dass Trinkreste von jedem Tier rein wären, außer von Hunden und Schweinen.
Ibn Wahb überliefert, dass Mālik keine rituelle Reinigung mit Wasser vollzog, von
dem ein Hund getrunken hat, unabhängig davon ob der Hund krank war oder nicht.
Dies war seine erste Meinung und er unterschied zwischen Hunden aus der Wüste und
anderen Hunden. Später kehrte er zu der von Ibn al-Qāṣim erwähnten Meinung zurück,
welche bis heute die Mehrheitsmeinung unter den malikitischen Rechtsgelehrten ist,
5
Vgl. Mayyara, Muḥammad bin Aḥmad: ad-durr aṭ-ṭamīn wa al-Mawradu al-Muʿīn. Šarḥ al-Muršid
al-Muʿīn ʿalā aḍ-Ḍarūrī min ʿUlūm ad-Dīn, Kairo 2008. S.124
6
Mašhūr bedeutet die weit verbreitete und bekannte Meinung innerhalb der Rechtsschule. Es gibt
unterschiedliche Kategorien, denen die Positionen innerhalb einer Rechtschule zugeordnet werden
kann. Mašhūr gilt nach Muttafaq ʿalayhi als die höchste Stufe. Höher als Mašhūr liegt also nur der
Konsens innerhalb der Schule.
7
Vgl. Ebd., S.126
5
nämlich, dass es Makrūh ist mit diesem Wasser Wuḍūʾ zu machen, es aber nicht
erlaubt ist Tayammum zu machen, wenn dieses Wasser vorhanden ist.
Qāḍī ʿAbd al-Wahhāb schreibt diese Meinung auch az-Zubayrī, al-Awzāʿī und aṭ-
Ṭawrī zu. 8
Ibn ʿAbd al-Barr schreibt, dass al-Awzaʿī den Speichel des Hundes für
unrein hielt und das Wasser aus dem ein Hund trinkt ebenfalls, wenn es sich dabei um
ein Gefäß handelt, aus dem er trinkt und nicht um eine größere Wasserstelle.9
Die Šāfiʿiyya wie die Ḥanafiyya sind der Meinung, dass der Hund unrein ist.10
Abū Dāwūd aẓ-Ẓāhirī schließt sich der Meinung der Mālikiyya an und hält den
Speichel des Hundes für rein.11
Im Folgenden Teil dieser Arbeit werden die drei Ebenen, auf denen dieser Diskurs
geführt wird, dargestellt. Die erste Ebene ist die der Hadithwissenschaft, da im
Zentrum der Diskussion ein Hadith steht, ohne dessen Anführung und Analyse die
gesamte Diskussion nicht verständlich ist. Daran anknüpfend wird auf die Ebene der
Rechtsmethodologie eingegangen, da diese im direkten Zusammenhang mit dem
Hadith und seiner Auslegung steht. Abschließend wird auf die Ebene der al-Qawāʿid
al-Fiqhiyya eingegangen, da die Argumentation auf dieser Ebene weitestgehend
eigenständig verläuft, die Beleuchtung der beiden Ebenen aber dennoch zum
Verständnis der Argumente beitragen.12
8
Vgl. Ebd.
9
Ibn ʿAbd al-Barr: Al-Istiḏkār. Beirut 2000: Dār al-Kutub al-ʿIlmiyya, Bd 1, S. 206
10
Vgl. Ebd.
11
Vgl. Ebd.
12
Ibn Rušd strukturiert seine Argumentation anders und beginnt mit al-Qawāʿid, weil dadurch die
Basis für die Analyse dieses Falles geschaffen ist, nämlich, dass alles prinzipiell rein ist bis
Gegenteiliges bewiesen wurde. Von diesem Ausgangspunkt aus werden dann die Argumente
angeführt, die begründen, inwiefern es berechtigt ist im Falle des Hundes diesen Rechtssatz
einzuschränken. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine andere Struktur festgelegt, weil der Fokus
dieser Arbeit auf der Analyse der Überlieferung und auch die Rechtsmethodologischen Argumente
liegen soll. Um diese nachvollziehen zu können, muss zunächst der Hadith angeführt und analysiert
werden.
6
3. Hadithwissenschaftliche Aspekte
Abū Bakr al-Ḫāṭib definiert die Verbundenheit des Sanad wie folgt: Ein Sanad heißt
verbunden, wenn alle Überlieferer in der Kette miteinander verbunden sind.
Verbunden bedeutet in diesem Kontext, dass jede Person den Hadith von der jeweils
vor ihm im Sanad liegenden Person gehört hat und es keine Lücke gibt.14 Ein
klassisches Beispiel einer solchen Überlieferungskette ist Mālik von az-Zuhrī von Ibn
ʿAbbās vom Gesandten Allahs. Es ist bekannt, dass Mālik ein Schüler az-Zuhrīs war.
Weiterhin ist bekannt, dass az-Zuhrī ein Schüler von Ibn ʿAbbās war. Ibn ʿAbbās selbst
war ein Gefährte und gilt als einer der gelehrtesten unter den Gefährten des Gesandten
Allahs.
Rechtschaffenheit (ʿAdāla):
Linguistisch leitet sich das Wort aus der Wurzel ʿayn-dāl-lām ab und bedeutet
Gerechtigkeit und kann in Bezug auf den Charakter eines Menschen als rechtschaffen
übersetzt und verstanden werden.
13
Ibn al-Ṣalāḥ al-Shahrazūrī: An Introduction to the Science of the Ḥadīth. Reading 2006, S.5
14
Vgl. Ebd., S.29
7
3. Er muss über einen gesunden Menschenverstand verfügen. Sollte er unter einer
geistigen Behinderung leiden oder in einer anderen Form geistig eingeschränkt
sein, so gilt er nicht als rechtschaffener Überlieferer.
4. Er muss über ein so hohes Maß an Gottesbewusstsein und Gottesfurcht
verfügen, dass er sich von großen Sünden fernhält und „nicht auf kleinen
Sünden“15 beharrt.
5. Er muss sich an die gesellschaftlichen Normen halten und diese achten.
In der Hadithwissenschaft gilt eine Person als genau (ḍābit), wenn sie aufmerksam ist,
während ihr Hadithe überliefert werden. Weiterhin muss er den Hadith von dem
Moment, an dem er ihn erhalten hat bis zu dem Moment, an dem er ihn weiter tradiert,
gewissenhaft und exakt bewahren. Diese Person muss also ein gutes Gedächtnis haben
und dazu in der Lage sein, den Hadith ohne die Stütze einer Mitschrift zu überliefern,
um so zu gewährleisten, dass der Hadith vor Fehlern, Verfälschungen und
Veränderungen sicher ist.16
Diese Bedingungen zeigen, dass es durchaus sein kann, dass ein als Ṣaḥīḥ eingestufter
Hadith tatsächlich nicht auf den Gesandten Allahs zurückzuführen ist. Diese Kriterien
sollen die Fehlerquote möglichst geringhalten. Weiterhin erkennt man, dass
unterschiedliche Bewertungen der Elemente eines Hadith letztlich dazu führen, dass
er als Ṣaḥīḥ eingestuft wird. In diesen Bewertungen können Gelehrte differieren und
deshalb kann es durchaus sein, dass Überlieferungen unterschiedlich eingestuft
werden. Es wird im Rahmen dieser Arbeit keine Analyse des Hadithes in Bezug auf
diese drei Kriterien geben, da dies den Rahmen sprengen würde. Ibn Ṣalāḥ gab an,
15
Heider, Ferid: Einführung in die Hadith-Wissenschaft. Berlin 2007, S. 63
16
Vgl. Kamālī, Mohammad Hashim: Textbook of Hadith Studies. Leicestershire 2009, S. 13
17
Vgl. Ibn al-Ṣalāḥ S. 57
8
dass es bereits seinerzeit zu aufwendig und schwer realisierbar gewesen wäre
Überlieferungen zu überprüfen, weshalb man sich an den bekannten Werken orientiert.
Die beiden bekanntesten und authentischsten Werke, sind die Ṣaḥīḥ-Sammlungen von
Buḫārī und Muslim, wobei die Mehrheit der Gelehrten dem Werk von Buḫārī den
Vorzug geben.1819 Es entstand mit der Zeit ein Hadith-Kanon, das aus sechs Büchern
besteht, den Kutub as-Sitta. Zu diesen zählen die beiden bereits erwähnten Werke und
die Sammlungen von Ibn Māǧa, at-Tirmiḏī, an-Nasāʾī und Abū Dāwūd. Ein weiteres
Werk, das zu den authentischsten und frühesten Sammlungen gezählt wird, ist al-
Muwaṭṭaʾ von Imam Mālik. Die Überlieferung wird in dem in diesen Werken
vorkommenden Wortlaut und Überlieferungskette im hierauf folgenden Kapitel
angeführt. Eine der fünf Eigenschaften eines Ṣaḥīh-Hadiths wird am Ende dieses
Abschnittes angeführt.
3.2.Der Hadith über das siebenmalige Waschen eines Gefäßes, aus dem ein
Hund getrunken hat
Übersetzt lautet der Hadith: Es wird mir von Malik überliefert, der von Abi Zinād
überlieferte, der von al-ʾaʿraǧ überlieferte, der von Abu Hurayra überlieferte, dass der
Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm sagte: Wenn der Hund aus einem
eurer Gefäße trinkt, so wascht dieses sieben Mal.
Der oben angeführte Hadith ist aus al-Muwaṭṭaʾ und stellt das Zentrum der Analyse
dieses Kapitels und dieser Arbeit dar. Eine Betrachtung sämtlicher Werke, in denen
dieser Hadith überliefert wird und die Analyse der Unterschiede der Überlieferungen
18
Vgl. Ibn al-Ṣalāḥ, S. 9f.
19
Die Gelehrten des Maġrib präferieren Muslim vor Buḫārī, denn auch wenn Muslim der Schüler von
Buḫārī ist und ihre Methodologie sich sehr ähnelt, gibt es einige wenige Unterschiede sowohl in der
Methodologie, als auch im Aufbau des Werks und in der Anordnung der Hadithe. Siehe Ibn al-Ṣalāḥ
S. 9ff
20
Mālik bin Anas: Al-Muwaṭṭaʾ. Abu Dhabi 2004: Muʾassasa Zāid bin Sulṭān Āl Nihiān li al-Aʿmāl
al-Ḫayriyya wa al-Insāniyya, S. 34
9
würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb werden die Überlieferungen aus
den Kutub as-Sitta und al-Muwaṭṭaʾ herangezogen.21
Dieser Hadith wird in ähnlichem Wortlaut bei Buḫārī überliefert. Dort heißt es:
َّ سو َل
َِّللا ُ إِ َّن َر:َ قَال،َ َع ْن أَبِي ه َُري َْرة،ِع ِن اْلَع َْرج َ ،ِالزنَاد ِ َع ْن أَبِي، ٍع ْن َمالِك َ ،ف
َ س َّ ُ َحدَّثَنَا َع ْبد
ُ َّللاِ ْبنُ يُو
َ َُاء أ َ َح ِد ُك ْم فَ ْليَ ْغس ِْله
س ْبعًا ِ ب الك َْلبُ فِي إِن
َ «إِذَا ش َِر:َسلَّ َم قَال
َ صلَّى هللاُ َعلَ ْي ِه َو
َ »
22
سلَّ َم
َ صلَّى هللاُ َعلَ ْي ِه َو َ َِّللا َّ سو َل ُ أَ َّن َر،َ َع ْن أ َ ِبي ه َُري َْرة،ِع ِن ْاْلَع َْرج ِ َع ْن أ َ ِبي، ٍ َع ْن َمالِك،ُأ َ ْخبَ َرنَا قُت َ ْيبَة
َ ،ِالزنَاد
ٍس ْب َع َم َّرات َ َُاء أ َ َح ِد ُك ْم َف ْل َي ْغس ِْله
ِ ب ْالك َْلبُ فِي ِإن َ « ِإذَا ش َِر:َ» َقال23
Imām Muslim überliefert ihn in seinem Ṣaḥīḥ-Werk mit folgendem Sanad und
Wortlaut:
،ٍصا ِلح َ َوأَبِي،ين ٍ َع ْن أَبِي َر ِز،ش ُ أ َ ْخبَ َرنَا ْاْل َ ْع َم،ي ْبنُ ُم ْس ِه ٍر ُّ َحدَّثَنَا َع ِل،ي َّ ي ْبنُ حُجْ ٍر ال
ُّ س ْع ِد ُّ َو َحدَّثَنِي َع ِل
َُاء أَ َح ِد ُك ْم فَ ْلي ُِر ْقهُ ث ُ َّم ِليَ ْغس ِْله
ِ «إِذَا َولَ َغ ْالك َْلبُ فِي إِن:سلَّ َم
َ صلَّى هللاُ َعلَ ْي ِه َو َ ِسو ُل هللا ُ قَا َل َر:َ قَال،َ َع ْن أَبِي ه َُري َْرة
24
س ْب َع ِم َر ٍار
َ
َع ْن، ِ َع ْن ْاْلَع َْرج، الزنَا ِد ِ َع ْن أَ ِبي، َحدَّثَنَا َما ِلكُ ْبنُ أَن ٍَس، َ ع َبادَةُ ُ َحدَّثَنَا َر ْو ُح ْبن، َحدَّثَنَا ُم َح َّمد ُ ْبنُ َيحْ َيى
َ َُاء أَ َح ِد ُك ْم فَ ْليَ ْغس ِْله
س ْب َع ِ ب ْالك َْلبُ فِي إِن
َ " إِذَا ش َِر: سلَّ َم قَا َل َ علَ ْي ِه َو َّ صلَّى
َ َُّللا َ َِّللاَّ سو َلُ أَن َر، َ أَبِي ه َُري َْرة
ٍ " َم َّرا25 .
ت
Ibn ʿAbd al-Barr erwähnt weitere Überlieferungsketten, über die ein anderer für
diese Arbeit relevanter Wortlaut überliefert wird. Von Ibn Sirīn wird ein weiterer
Wortlaut des Hadithes überliefert:
21
Für weitere eventuell wichtige Überlieferungsketten und Anmerkungen, werden auch die
Kommentare dieser Werke herangezogen, in denen auch Überlieferungsketten erwähnt werden, die
außerhalb der Kutub as-Sitta noch existieren. Der Fokus wird auf at-tamhīd, dem bekanntesten
Kommentar zu Muwaṭṭa, Fatḥ al-Bārī von Ibn Ḥaǧar und al Minhāǧ von Nawawī liegen.
22
Al-Buḫārī, Muḥammad bin Ismāʿīl. Ṣaḥīḥ al-Buḫārī. Damaskus 2000: Dār Ṭawq an-Naǧa,
Bd.I S. 45
23
An-Nasāʾī, Abū ʿAbdurraḥmān Aḥmad bin Šuaib. As-Sunan aṣ-Ṣuġrā li an-Nasāʾī. Aleppo 1986
Bd.1 S.52
24
Muslim. Ṣaḥīḥ Muslim. Beirut. Bd.1 S. 234
25
Ibn Māǧa: Sunan Ibn Māǧa. Beirut: Dār ar-Risāla al-ʿĀlamiyya, S. 130
10
ب فَ َر َوى ِهش ٍَام َع ِن اب ِْن ِ وَله َُّن ِبالتُّ َرا َ ُ س ْب َع ِم َر ٍار أ
َ َُاء أ َ َح ِد ُك ْم ِإذَا َولَ َغ فِي ِه ْالك َْلبُ أ َ ْن يَ ْغ ِسلَه
ِ ور ِإن َ قَا َل
ُ ط ُه
26 َّ
سل َم َّ ص َّلى
َ َّللاُ َع َل ْي ِه َو َ ي َّ يرينَ َع ْن أَ ِبي ه َُري َْرةَ أَ َّن ال َّن ِب ِ ِس
Diese Überlieferung beinhaltet nun die Reinigung mit Erde. Sie besagt, dass man das
Gefäß sieben Mal waschen soll und das erste Mal mit Erde. Qatāda überliefert diesen
Hadith ebenfalls von Ibn Sirīn. Dies allerdings mit der Aussage, dass die siebte
Waschung mit Erde sein soll. Andere Überlieferungen von Ibn Sirīn erwähnen
wiederum, dass eine der sieben Waschungen mit Erde durchgeführt werden sollen.
Ein weiterer für die spätere Analyse wichtiger Wortlaut der Überlieferung lautet wie
folgt:
َ صبَ َغ قَا َل َحدَّثَنَا ا ْبنُ َوضَّاحٍ قَا َل َحدَّثَنَا أَبُو بَ ْك ِر ْبنُ أَبِي
َش ْيبَة ْ َ ص ٍر قَا َل َحدَّثَنَا قَا ِس ُم ْبنُ أ َ َحدَّثَنَا
ْ َس ِعيد ُ ْبنُ ن
َّ سو َل
َِّللا ُ ِث َع ِن اب ِْن ْال ُمغَفَّ ِل أَ َّن َر
ُ ط ِرفًا يُ َحد
َ س ِم ْعتُ ُمَ ش ْعبَةُ َع ْن أَبِي التَّيَّاحِ قَا َل ُ شبَابَةُ قَا َل َحدَّثَنَا
َ قَا َل َحدَّثَنَا
ص ْي ِد َوقَا َل إِذَا ِ ص لَ ُه ْم فِي َك ْل
َّ ب ال ِ ب ث ُ َّم قَا َل َما لَ ُه ْم َو ِل ْل ِك ََل
َ ب ث ُ َّم َر َّخ ِ سلَّ َم أ َ َم َر بِقَتْ ِل ْال ِك ََل َّ صلَّى
َ َّللاُ َعلَ ْي ِه َو َ
ِ َّت َو َع ِف ُروهُ الث
ِ امنَةَ ِبالتُّ َرا
ب َ َُاء فَا ْغ ِسلُوه
ٍ س ْب َع َم َّرا ِ ْ َولَ َغ ْالك َْلبُ فِي
ِ اْلن
27
Der Kontext, in dem hier das Waschen des Gefäßes aufgeführt ist, wird in den weiteren
Ausführungen erneut aufgegriffen. Der Unterschied dieser Überlieferung zu den
übrigen besteht darin, dass die Waschung mit Erde hier nach der siebenmaligen
Waschung vollzogen werden soll.
Bei der Betrachtung der Asānīd ist zu erkennen, dass alle Überlieferungsketten auf
einen Gefährten, nämlich Abū Hurayra zurückgehen. Weder Ibn Ḥaǧar noch Ibn ʿAbd
al-Barr erwähnen in ihren Erläuterungen und Analysen dieses Hadithes, dass weitere
Überlieferungsketten existieren, die auf einen anderen Gefährten zurückgehen.
Auffällig an den Überlieferungsketten ist, dass alle Asānīd der Kutub as-Sittam bis auf
den Sanad von Muslim, auf Mālik zurückgehen, welcher von Abū Zinād überliefert,
der von al-ʾAʿraǧ überliefert, welcher wiederum von Abū Hurayra überliefert.
Ibn ʿAbd al-Barr sagt, dass der Sanad von Mālik der bekannteste Sanad zu diesem
Hadith ist. Er führt eine weitere Überlieferungskette an, über die der Hadith zu ihm
26
Ibn ʿAbd al-Barr: At-Tamhīd limā fī al-Muwaṭṭaʾ min al-Maʿānī wa al-Asānīd. 1967: Wizāra
ʿUmūm al-Awqāf wa aš-Šuʾūn al-Islāmī, Bd. XVIII S. 265
27
Ebd., S. 266
11
gelangt ist. Er überliefert von Ḫalaf bin al-Qāsim, der überliefert von Muḥammad bin
Aḥmad bin Hārūn al-Anmāṭī von Makka, der überlieferte von ʿAbdullah bin
Muḥammad bin ʿAbd al-ʿAzīz, der überlieferte von seinem Großvater, der von Yaʿqūb
bin al-Walīd überliefert, der von Mālik überliefert, der von Suhayl bin abī Ṣāliḥ
überlieferte, der von seinem Vater überlieferte, der von Abū Hurayra überliefert, der
vom Propheten Allahs Segen und Frieden auf ihm überliefert, dass er sagte, wenn der
Hund an einem Gefäß leckt, so soll dieses Gefäß sieben Mal gewaschen werden. 28 In
der zweiten Überlieferung wurde das Verb Šariba durch das Verb Walaġa ersetzt. Ibn
ʿAbd al-Barr ist der Meinung, dass dies auf einen Fehler im Sanad zurückgeht und hält
Walaġa für die authentischere Überlieferung. Er führt aus, dass der Wortlaut mit
Walaġa über so viele unterschiedliche Asānīd überliefert wurde, dass er die Stufe des
Tawātur29 erreicht hat und über die meisten Ketten die Überlieferung mit dem Wort
Walaġa überliefert wurde.30 Außerdem ist für ihn die Überlieferung ohne den Zusatz
der Waschung mit Erde ebenfalls authentischer.31 Zu denjenigen, die ihn authentisch
überliefern, zählen Abū Hurayra, Ibn ʿAbbās, ʿUrwa bin Zubayr, Muḥammad bin
Sīrīn, Ṭāūs, ʿUmar bin Dinār und von ihnen überliefern große Gelehrte wie Mālik, al-
ʾAwzāʿī, aš-Šāfiʿī, Aḥmad, Isḥāq, Abū Ṯawr, Abū ʿUbayd, Dāwūd und aṭ-Ṭabarī.32
Ibn Ḥaǧar schließt sich der Meinung Ibn ʿAbd al-Barrs an und bestätigt ebenfalls, dass
über die meisten Asānīd das Wort Walaġa überliefert wird. Er fügt allerdings hinzu,
dass rein sprachlich das Wort Walaġa mit höherer Wahrscheinlichkeit verwendet
wurde, weil es in diesem Kontext adäquater ist.33 34
Somit ist die Authentizität der Überlieferung nicht bestreitbar. Der Umstand, dass
Mālik diesen Hadith in seiner Muwaṭṭaʾ überliefert, belegt zudem, dass er sie kannte.
Die Meinungsunterschiede resultieren also nicht aus Unkenntnis. Vermutlich führt
Malik diesen Hadith an, um zu zeigen, dass er sich dieser Überlieferung vollkommen
bewusst ist.
28
Vgl. Ebd., S. 263
29
Da der Hadith nur auf einen Gefährten zurückgeht, ist hier nicht gemeint, dass es sich um einen
Mutawātir-Hadith handelt. Tawātur bezieht sich hier auf die Asānīd zu Abū Hurayra.
30
Vgl. Ebd., S. 264
31
Vgl. Ebd.
32
Vgl. Ebd., S. 268
33
Vgl. Ibn Ḥaǧar: Fatḥ al-Bārī Šarḥ Ṣaḥīḥ al-Buḫārī. Beirut 2010: Dār al-Maʿrifa, Bd. I S.276
34
Eine sprachliche Analyse würde den Rahmen sprengen, weshalb es bei dieser Anmerkung belassen
wird
12
3.2.3. Ableitungen über das Waschen des Gefäßes
Während große Einigkeit bezüglich der äußeren Form der Überlieferung herrscht,
gehen die Meinungen der Gelehrten im Hinblick auf die Auslegung dieses Hadithes
relativ weit auseinander. So sagte Zuhrī, als er von Maʿmar gefragt wurde, wie oft er
ein Gefäß waschen solle, das von einem Hund angeleckt wurde, er solle es drei Mal
waschen. Ibn Ǧurayǧ fragte ʿAṭāʾ danach und er antwortete, dass er hörte, man solle
es sieben, fünf oder drei Mal waschen. Zudem besteht eine dritte Meinung von Abū
Ḥanīfa, seinen Anhängern, aṯ-Ṯawrī und al-Layṯ bekannt, die besagt, dass es keine
obere Grenze beim Waschen des Gefäßes gibt und das Gefäß schlicht solange zu
waschen ist, bis es sauber ist. Von Šāfiʿī, Mālik, Aḥmad, Ṭabarī und weiteren ist
bekannt, dass sie der Meinung waren, ein Gefäß soll Sieben mal gewaschen werden.35
Diese Meinungsdivergenz hängt mit der jeweiligen Position der Gelehrten zur
Reinheit des Hundes zusammen, auf die im nächsten Abschnitt genauer eingegangen
wird. Sie ist auch an die Frage gebunden, ob die Anzahl an Waschungen so verstanden
wurde, dass der Gesandte Allahs darauf hinweisen wollte, dass das Gefäß gründlich
gewaschen werden muss, oder ob in der konkreten Anzahl eine uns nicht bekannte
Weisheit steckt, wodurch das Einhalten der Anzahl als Gottesdienst aufgefasst werden
kann. Die Ḥanafiyya ist der Meinung, dass es keine Begrenzung gibt, weil es sich
hierbei um das Beseitigen einer Unreinheit handelt und deswegen nicht die Anzahl der
Waschungen, sondern die Entfernung der Unreinheit im Vordergrund steht.36
Die Šāfiʿiyya vertritt zwar ebenfalls die Meinung, dass es sich bei dieser Reinigung
um die Entfernung einer Unreinheit handelt. Allerdings verstehen sie die Anzahl der
vom Propheten vorgeschriebenen Waschungen als Gottesdienst und der Ratio nicht
zugänglich, weshalb die Einhaltung der Anzahl verbindlich ist.37
Sie waren auch der Meinung, dass das Gefäß bei anderen Inhalten wie Milch oder
festem Essen sieben Mal gewaschen werden muss, während Malik das siebenmalige
35
Vgl. Ibn ʿAbd al-Barr: Al-Istiḏkār, Bd.I S. 208f
36
Vgl. Ebd., S. 209ff
37
Vgl. Ebd.
13
Waschen nur auf Wasser bezog, wobei andere Überlieferungen existieren, die besagen,
er habe es auf alle Inhalte angewandt.38
Von Mālik selbst werden im Kontext des Waschens des Gefäßes zwei unterschiedliche
Meinungen überliefert. Nach einer hielt er das Waschen des Gefäßes für eine Pflicht
und nach einer anderen Überlieferung lediglich als empfohlen. Laut einigen
Überlieferungen beschränkte er dieses Urteil auch nur auf den Wüstenhund, der nicht
gezüchtet wurde, wobei auch Überlieferungen existieren, die darauf hinweisen, dass
er keinen Unterschied zwischen den Hunden machte.39
Der Mašhūr des Maḏhabs sieht das Waschen aber als Pflicht an und unterscheidet nicht
zwischen den Hunden, die aus dem Gefäß trinken.
An dieser Stelle fällt auf, dass der Hadith verschiedene Komponenten beinhaltet, die
hinsichtlich ihrer Begründung unterschiedlich ausgelegt werden. Während die
Ḥanafiyya diese Überlieferung rational auslegt und sämtliche gottesdienstliche
Eigenschaften ausschließt, schreibt die Šāfiʿiyya zumindest der Anzahl der
Waschungen einen gottesdienstlichen Charakter zu, während die Mālikiyya widerum
den gesamten Fall als speziell betrachtet und daraus keine Schlussfolgerungen zieht.
Der Sachverhalt wird im folgenden Kapitel ausführlicher behandelt.
3.3. Die Eigenschaft der Freiheit von versteckten Krankheiten eines Ṣaḥīḥ-
Hadiths
38
Dere, Ali: Die Ḥadīṯanwendung bei Imām Mālik b. Anas (-179/795). Göttingen 1994, S. 108,
39
Ebd., S. 109
40
Vgl. Ibn al-Ṣalāḥ, S.67
41
Vgl. Ebd.
14
Krankheit kann unterschiedlichster Natur sein und auch im Sanad liegen. 42 Es gibt
verschiedene Methoden, diese festzustellen.
Im Falle des vorliegenden Hadiths erkennen die Ḥanafiyya und die Mālikiyya eine
versteckte Krankheit in dem Hadith, welche für sie die Authentizität der Überlieferung
schwächt und vor allem seine Stellung in der Diskussion um die Anzahl der Waschung
bzw. in der Diskussion um die Reinheit des Hundes relativiert. Diese Krankheit
veranlasst die beiden Rechtschulen dazu diesen nicht wörtlich auszulegen.
Wie bereits erwähnt ist der einzige Gefährte, der diesen Hadith überliefert Abū
Hurayra. Von diesem wird aber überliefert, dass er auf die Frage, wie oft man ein
solches Gefäß waschen solle, antwortete, man solle es dreimal waschen.43 Dieser Fall,
wenn der Überlieferer seiner eigenen Überlieferung widerspricht, wird in der
Hadithwissenschaft Muḫālafa ar-Rāwī limā rawā44 genannt und wird als versteckte
Krankheit betrachtet. Ṭaḥawī sagt dazu, dass Abū Hurayra diese Überlieferung selbst
vom Gesandten Allahs gehört hat und er somit den Kontext der Überlieferung besser
kennt und wir nicht wissen, ob sie womöglich durch eine Überlieferung, die uns nicht
erreicht hat, abrogiert wurde.45 So sagt Ibn Raǧab, dass wenn dies der Fall ist, die
Authentizität des Hadithes relativiert wird und Imām Aḥmad, sowie die meisten
anderen Hadithgelehrten, dies als eine Schwächung der Authentizität der
Überlieferung auffassten.46
Die Mālikiyya lehnt diesen Qiyās ab und sagt, dass die rituelle Reinigung nicht
zwingend mit dem Entfernen von Unreinheiten zusammenhängt. Denn versteht man,
wie die Mālikiyya es tut, das Reinigen des Gefäßes als rational nicht begründbaren
Gottesdienst, so folgt aus der Aufforderung zur Reinigung des Gefäßes nicht die
Unreinheit des Speichels. Ibn ʿAbd al-Barr führt als Beispiel eine Person an, die im
Zustand der Ǧanāba ist. Diese muss keine rituelle Unreinheit an sich haben und
dennoch fordert der Koran diese Person dazu auf, sich zu reinigen. Also hängen das
42
Es kann an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden, weil eine ausführliche Erläuterung
den Rahmen sprengen würde und diese kurze Erklärung für diese Arbeit genügt. Für weitere
Informationen siehe Ibn Ṣalāḥ Kapitel 18; Kamali Hadith Studies S. 96ff
43
Ibn ʿAbd al-Barr: Al-Istiḏkār, Bd. I S. 207
44
Az-Zarqī, ʿĀdil bin ʿAbd aš-Šakūr: Qawāʿid al-ʿIlal wa Qarāʾin at-Tarǧiḥ. Riyadh, S. 95
45
Ibn ʿAbd al-Barr: Al-Istiḏkār, Bd. I S. 207
46
az-Zarqī, S. 95
15
Entfernen von Unreinheit und die rituelle Reinheit nicht immer miteinander
zusammen.
Die Mālikiyya akzeptiert den Qiyās der Šāfiʿiyya auch deswegen nicht, weil der
Regelungsgrund, auf Arabisch ʿIlla47, die die Šāfiʿiyya anführt nach ihrer Auffassung
im Falle des Hundes nicht greift, da ein Qiyās in der Mālikiyya gewisse Bedingungen
erfüllen muss, die in diesem Falle nicht erfüllt werden. Um die zugrundeliegende
Rechtstheorie genauer erläutern zu können, muss zunächst ein Koranvers betrachtet
werden, der entscheidend für die malikitische Argumentation ist.
4. Rechtsmethodologische Aspekte
Die zuvor angeführte Überlieferung ist der zentrale Offenbarungstext, auf dem die
Meinungsverschiedenheit beruht. Aus dieser Überlieferung werden von allen
Rechtschulen mit Ausnahme der malikitischen abgeleitet, dass der Regelungsgrund,
die Unreinheit des Hundes ist, weil zahlreiche Überlieferungen ähnlicher Natur
vorhanden sind, aus denen ebenfalls die Unreinheit als Regelungsgrund ausgemacht
wurde. So sagt aš-Šāfiʿī, dass ein weiterer Wortlaut des Hadithes existiert, den ʿAlī bin
Mushir und weitere von al-ʾAʿmaš überliefern, der von Abī Ṣāliḥ überliefert, der von
Abī Rāzin überliefert, welcher von Abū Hurayra überliefert, dass der Gesandte Allahs
sagte, man solle den Inhalt eines Gefäßes aus dem ein Hund getrunken hat ausgießen
und dann sieben Mal waschen. Den in diesem Wortlaut überlieferten Befehl, den Inhalt
des Gefäßes auszugießen, nimmt die Šāfiʿiyya als deutlichen Hinweis darauf, dass der
Inhalt durch den Hundespeichel unrein geworden ist, so wie auch befohlen wurde,
geschmolzenes Fett auszugießen, wenn darin ein totes Tier gefunden wurde oder
normales Fett, wenn eine tote Maus auf diesem Fett gefunden wurde. 48
47
Dieser Begriff wird im Kapitel zum Qiyās definiert und erläutert
48
Vgl. Ibn ʿAbd al-Barr: at-Tamhīd Bd. XVIII S. 273
16
4.1. Der Qiyās
Qiyās bedeutet linguistisch das Ermitteln der Länge, des Gewichts, der Qualität oder
eines sonstigen Merkmals.49 Eine weitere Bedeutung des Qiyās ist das Vergleichen,
und zwar dahingehend, dass Ähnlichkeiten und Gleichheiten zwischen zwei
unterschiedlichen Dingen erkannt werden sollen.50
Fachspezifisch ist der Qiyās „der Vergleich einer Angelegenheit, deren normative
Beurteilung nicht textuell indiziert ist, mit einer Angelegenheit, deren normative
Beurteilung textuell indiziert ist, wegen ihres gemeinsamen ‚Regelungsgrund‘ (ratio
legis).“51
Somit fußt der Qiyās auf vier Säulen: Aus dem „Ausgangsfall, dessen normative
Beurteilung (ḥukm) textuell oder durch ʾiǧmāʿ indiziert (bzw. geregelt) ist, aus dem
„Zielfall, dessen normative Beurteilung nicht indiziert (bzw. geregelt ist und eine
solche aber gesucht wird“52, aus dem ḥukm al-ʾAsl, der normativen Beurteilung des
Ausgangsfalles, die feststehen muss.53Das Urteil des bekannten Falles (ḥukm al-Aṣl)
und aus der ratio legis, der ʿilla, die im Basisfall und im neuen Fall identisch sein
müssen, „sodass die normative Beurteilung (ḥukm) des Grundfalles auch für den neuen
Fall gilt.54
Da eine genaue Betrachtung jeder dieser vier Säulen den Rahmen dieser Arbeit
sprengen würde, wird nur auf einige Kriterien, die der Basisfall erfüllen muss, sowie
auf die Kriterien der ʿIlla eingegangen.
Das in Bezug auf die vorliegende Fragestellung wichtigste Kriterium ist die
Notwendigkeit eines „erkennbare(n), offenkundige(n) und übertragbare(n)
49
Vgl. Kamali, Mohammad Hashim: Principles of Islamic Jurisprudence. Cambridge 2003, S. 180
50
Vgl. Ebd.
51
Ademi,Cefli: Einführung in die Islamische Normenlehre (Vorlesung WS15/16). Münster: Zentrum
für islamische Theologie.
52
Ebd.
53
Vgl. Ebd.
54
Ebd.
17
Wertungscharakteristikum(s) (ʿIlla)“55 für eine normative Beurteilung des Basisfalles.
Dieser Regelungsgrund sollte in den Texten explizit genannt werden bzw. einen
Konsens darstellen.56 Wird der Regelungsgrund nicht explizit genannt, so obliegt es
dem Muǧtahid den Regelungsgrund im Lichte der Maqāṣid zu ermitteln.57
Im Folgenden Kapitel wird die ʿIlla definiert und die Kriterien ihrer Gültigkeit
aufgelistet, um daran anknüpfend die rechtsmethodologischen Argumente der
malikitischen Rechtsschule gegen die Ermittlung dieses Regelungsgrundes anführen
zu können.
4.3. Die Definition derʿIlla, die Methodik ihrer Ermittlung, wenn sie nicht
explizit erwähnt wird und ihre Kriterien
Definition:
Linguistisch bedeutet ʿIlla: Krankheit, Motiv oder Grund. Fachspezifisch ist die ʿIlla
„ein deutlicher (ẓāhir), bestimmter (munḍabit) und geeigneter bzw. angemessener
(munāsib) Regelungsgrund, der nicht den Charakter einer Ausnahmeregelung aufweist
(muḫtaṣṣ).58
Wird die ʿIlla in der Offenbarung nicht explizit erwähnt und existiert kein ʾIǧmāʾ über
die ʿIlla, so obliegt e dem Mugtahid, den Regelungsgrund zu ermitteln.
55
Zaidan, Amir: Usuulul-fiqhi wa qawaaʿiduh. Wien 2011, S.216
56
Vgl. Kamali: Principles of Islamic Jurisprudence, S.185
57
Vgl. Ebd., S. 183
58
Ademi
18
Es wird zwischen drei Arten oder Schritten der Ableitung unterschieden:
Der erste Schritt wird Taḫrīǧ al-Manāṭ genannt. In diesem werden alle möglichen
Regelungsgründe ermittelt, sodass im zweiten Schritt, dem Tanqīḥ al-Manāṭ unter all
diesen möglichen Gründen der angemessenste bzw. wahrscheinlichste determiniert
wird. Tanqīḥ bedeutet linguistisch „reinigen“. Der letzte Schritt wird Taḥqīq al-Manāṭ
genannt. In diesem Schritt wird geschaut, ob der ermittelte Regelungsgrund des
Basisfalls tatsächlich zutreffend ist. Ist dies der Fall, so ist der Qiyās vollzogen. Bei
der Ermittlung angemessener Regelungsgründe werden einige Kriterien
berücksichtigt, die die ʿIlla zwingend erfüllen muss.
Nach Kamali gibt es unter den Gelehrte starke Divergenzen bei der Anzahl der
Kriterien, die die ʿIlla erfüllen muss. Er versucht, diese in fünf wesentliche
Eigenschaften zusammen zu fassen, die in dieser Arbeit übernommen und im
Folgenden erläutert werden:
1.) Nach der Mehrheit der Gelehrten muss die ʿIlla eine konstante Eigenschaft
sein, die sich nicht durch Faktoren wie Personen, Zeit, Ort oder andere
Umständen verändert. Die Mālikiyya und Ḥanbaliyya relativieren dieses
Kriterium.59
2.) Der Regelungsgrund muss deutlich, präzise und sinnlich wahrnehmbar sein. Er
darf kein uns nicht zugängliches Phänomen, wie die Absicht oder den guten
Willen darstellen.
3.) Die dritte Bedingung ist die, dass die ʿIlla ein angemessener Regelungsgrund
sein muss, dessen Bezug zur normativen Beurteilung des Basisfalles rational
nachvollziehbar ist.
4.) Das vierte Kriterium bezieht sich auf die Übertragbarkeit der ʿIlla. Die ʿIlla
darf sich nicht auf einen Regelungsgrund beziehen, der ausschließlich dem
Basisfall zu eigen ist.60
59
Dies hängt damit zusammen, dass die meisten Gelehrten strikt zwischen Ḥikma und ʿIlla trennen
und sich darin einig sind, dass lediglich die ʿIlla relevant ist für die Gültigkeit des Ḥukms. Somit ist
der Ḥukm auch dann gültig, wenn die Ḥikma verloren geht und nur noch die ʿIlla vorhanden ist. Die
Ḥanbaliyya und Mālikiyya trennen diese beiden Ebenen nicht so strikt und deshalb kann man bei
ihnen die ʿIlla durchaus von neuen Umständen beeinflusst werden (Vgl. Kamali: Jurisprudence, S.
190)
60
An dieser Stelle verweist Kamāli auf eine Meinungsdifferenz zwischen der Ḥanafiyya und der
Šāfiʿiyya. Die Šāfiʿiyya relativiert dieses Kriterium und hält es durchaus für Möglichkeit auf Basis
eines solchen Regelungsgrundes einen Qiyās zu vollziehen. (Vgl- Kamali, S. 192)
19
5.) Das fünfte und für diese Arbeit wohl wichtigste Kriterium besagt, dass die ʿIlla
nicht im Widerspruch zur Offenbarung stehen darf.
Die Šāfiʿiyya hält die Unreinheit des Hundes deshalb als Grund für die in der
Überlieferung getätigten Aussage des Gesandten Allahs -Allahs Segen und Frieden
auf ihm-, weil er dem Muster anderer Überlieferungen ähnelt, in denen ebenfalls die
Unreinheit der Regelungsgrund war.6162 Weiterhin begründet die Šāfiʿiyya ihre Wahl
des Regelungsgrundes damit, dass der Hadith in einem Wortlaut überliefert wird, in
dem es heißt, dass der Inhalt des Gefäßes ebenfalls entsorgt werden soll, was ein
deutlicher Hinweis darauf ist, dass der Inhalt unrein geworden ist. Wäre er noch für
den Alltag brauchbar, so würde es diese Aufforderung nicht geben.63
Die Mālikiyya erlaubt diesen Qiyās nicht, weil die ʿIlla für sie die fünfte Bedingung
nicht erfüllt. Die Mālikiyya führt einige Texte sowohl aus dem Koran, als auch aus der
Sunna des Gesandten Allahs -Allahs Segen und Frieden auf ihm-, deren offenkundige
(ẓāhir) Bedeutungen diesem Regelungsgrund widersprechen. Im Zentrum dieser Texte
steht ein Vers aus dem Koran, der im Folgenden genauer betrachtet wird.
Der thematisierte Koranvers ist der vierte Vers aus der Sure Māʾida und lautet: „
Sie fragen dich, was ihnen erlaubt ist. Sag: Erlaubt sind euch die guten Dinge. Und
wenn ihr beutegreifende Tiere durch Abrichtung von dem gelehrt habt, was Allah
61
Ibn ʿAbd al-Barr: Al-Istiḏkār, Bd. I S. 207
62
Hier wurde die Überlieferung über die tote Maus, die im Fett oder in der Schmalzbutter gefunden
wird, angeführt
63
Ibn ʿAbd al-Barr: At-Tamhīd, Bd. XVIII S. 273
20
euch gelehrt hat, dann eßt von dem, was sie für euch fassen, und sprecht den Namen
Allahs darüber aus. Und fürchtet Allah. Allah ist schnell im Abrechnen.
Imām al-Qurṭubī sagt über diesen Vers, dass er wegen der Frage von ʿAdī al-Ḥātim aṭ-
Ṭāʾī und Zayd ibn al-Muhalal aṭ-Ṭāʾī, den der Gesandte Allahs auch Zayd al-Ḫayr
nannte, herabgesandt worden ist. Diese waren Fischer und Jäger, die mit Hunden und
Raubvögeln jagten. Sie sagten dem Gesandten Allahs, dass sie ein Volk sind, die mit
Hunden und Raubvögeln jagen und auf diese Nahrungsquelle angewiesen seien. Nun
seien aber einige der erbeuteten Tiere bei der Ankunft des Jägers bereits tot und andere
leben noch, sodass sie geschlachtet werden. Sie fragten ihn, wenn Allah das Fleisch
toter Tiere64 verboten hat, was ist ihnen nun erlaubt?65 Dieser Begebenheit geht ein
Ereignis voraus, das Abū Rāfiʿī überliefert: „Ǧibrīl kam zum Propheten – Allahs Segen
und Frieden auf ihm- und bat um Eintritt in sein Haus. Er gewährte es ihm und er (der
Prophet) sagte66: ‚Wir gewährten dir den Eintritt, Oh Gesandter Allahs.‘ Daraufhin
sagte er (Ǧibrīl): ‚Gewiss, doch wir betreten kein Haus, in dem sich ein Hund
befindet.‘ Dann überliefert Abū Rāfiʿī weiter: ‚Dann befahl er (der Prophet), dass wir
die Hunde in Madina töten sollen, so tötete ich, bis ich bei einer Frau endete, die einen
Hund hatte, der mich anbellte. So ließ ich vom Hund ab und ging zum Gesandten
Allahs zurück und er befahl mir diesen Hund zu töten. So kehrte ich zurück und tötete
den Hund. Daraufhin gingen sie zum Propheten und fragten: „Oh Gesandter Allahs,
was ist von dieser Art erlaubt, die du zu töten befohlen hast?“67
Die normativen Ableitungen, die aus diesem Vers gewonnen werden, beziehen sich
im Wesentlichen auf die Jagd und müssen an dieser Stelle nicht ausführlich dargelegt
werden. Die für diese Arbeit relevante Norm, die bei Berücksichtigung des oben
angeführten Kontextes des Verses als offenkundige Bedeutung des Verses
angenommen werden kann, ist Folgende:
64
Ibn ʿAṭiyya ergänzt, dass hier mit totem Tier solches Tier gemeint ist, dessen Seele den Körper
verlassen hat ohne dass der Tot durch eine gültige Schlachtung eingetreten ist, oder auf eine solche
Art, die den Verzehr des Fleisches erlaubt (Vgl. Ibn ʿAṭiyya: Al-Muhar al-Waǧīz fī Tafsīr al-Kitāb al-
ʿAzīz. Beirut 2001: Dār al-Kutub al-ʿIlmiyya, Bd. II S. 158)
65
Vgl. Al-Qurtubi: Al-Ǧāmiʿ li Aḥkām al-Qurʾān. Kairo 1964: Dār al-Kutub al-Miṣriyya, Bd. VI S.
65
66
Ibn ʿAṭiyya schildert in seinem Tafsīr dieses Ereignis ebenfalls und dort wird deutlich, dass Ǧibrīl
trotz der Erlaubnis einzutreten nicht eintrat und der Prophet ihn daraufhin erst die folgende Frage
stellte
67
Ibn al-ʿArabī, Muḥammad bin ʿAbd Allāh Abū Bakr. Aḥkām al-Qurʾān. Beirut 2003: Dār al-Kutub
al-ʿIlmiyya, Bd. II S.32
21
Das von einem Jagdhund, der von einem Muslim trainiert und für die Jagd verwendet
wird, erbeutete Tier ist für den Muslim zum Verzehr erlaubt, auch wenn bei der
Ankunft des Jägers das Tier bereits verstorben ist und er es nicht mehr schlachten
kann.68 Nach Imam Mālik steht die ʿIlla im Widerspruch zur offenkundigen Bedeutung
dieses Verses, weil dieser Vers in einem gewissen Rahmen den Verzehr von Tieren
erlaubt, die von einem Hund erlegt wurden. Imam Mālik sagt, wäre der Speichel des
Hundes nāǧis, so würde das Fleisch des Tieres durch die Vermengung mit dem
Speichel ebenfalls unrein werden.69 Weiterhin würde es Bedingungen für den Verzehr
des Fleisches geben, die sich eben auf die Vermengung des Speichels mit dem Blut
beziehen. Allerdings sind keine Bedingungen dieser Art bekannt.70
Al-Qurṭubī erwähnt weitere Überlieferungen, die gegen die Unreinheit des Hundes
sprechen. So schreibt er: „Der Gesandte Allahs wurde nach den Wasserstellen (al-
Ḥiyāḏ, die zwischen Makka und Madina liegen gefragt. Man sagt über sie: ‚Die Hunde
und Raubtiere besuchen diese regelmäßig. So sagte er: Ihnen gebührt das, womit sie
ihre Bäuche gefüllt haben und uns gebührt das, was übrig ist; Eine reine Tränke.71
Weiterhin führt er an, dass in al-Buḫārī von Ibn ʿUmar überliefert wird, dass sie Hunde
in der Moschee des Gesandten antrafen und sie sich dort aufhielten, ohne dass über die
Stellen, an denen sie sich aufhielten, Wasser gegossen wurde.72
Ein weiteres starkes Argument der Mālikiyya wird durch zwei Überlieferungen
gestützt. Die erste überliefert Qurra, der von Ibn Sirīn überliefert, der von Abu Hurayra
überliefert, dass er sagte: „Der Gesandte Allahs sagte: Das Gefäß aus dem eine Katze
getrunken hat, muss einmal oder zweimal gewaschen werden.“
Die zweite Überlieferung stammt von Mālik von Qatāda und besagt: „Kabša holte
Wasser für seine rituelle Gebetswaschung, woraufhin eine Katze kam und aus dem
Gefäß (indem sich das Wasser befand) trank. Der Gesandte Allahs sagte daraufhin: Es
68
Vgl.Ebd.
69
Vgl. Ibn Rushd: The Distinguished Jurist`s Primer. Reading 2000, S. 29
70
Al-Qarāfī: aḏ-Ḏāḫira.Beirut 1994: Dār al-Ġarb al-Islāmī, Bd. I S. 183
71
Qurṭubī, Bd. XIII S. 48
72
Vgl. Ebd.
22
ist nicht unrein, denn dies ist ein Tier, das sich unter euch bewegt.“ 73 Ibn Rušd
kommentiert diesen Hadith und sagt, dass hier die ʿIlla explizit vom Propheten erwähnt
wird und diese auch auf den Hund zutrifft. Weiterhin zeigt die erste Überlieferung,
dass es in Bezug auf die Katze ebenfalls den Befehl gab, ein Gefäß aus dem sie
getrunken hat, zu waschen.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Diskussion ist die Frage, ob die Aufforderung, das
Gefäß zu reinigen, auf einen rationalen Grund basiert oder eine mit der Ratio nicht
erschließbare gottesdienstliche Handlung darstellt. Die Mehrheit der Mālikiyya, Imam
Mālik eingeschlossen, ist der Meinung, dass es sich hierbei um eine dem Verstand
nicht zugängliche Weisheit handelt und die Waschung eine rein gottesdienstliche
Handlung darstellt. 74 Die Mālikiyya führt diesbezüglich zwei Gründe an:
1. Es heißt in der Überlieferung man solle das Gefäß siebenmal waschen. Die
Mālikiyya vergleicht diese siebenmalige Waschung mit dem mehrmaligen
Waschen eines Körperteils beim Wuḏūʾ. Obwohl die erste Waschung
ausreichen würde, um die rituelle Unreinheit aufzuheben, wäscht man ein
Körperteil mehrmals, weil dies ein Gottesdienst ist, der nicht der Ratio
unterliegt.75
2. Ein Wortlaut, in dem dieser Hadith überliefert wird, erwähnt die zusätzliche
einmalige Reinigung des Gefäßes mit Erde.
Weder das Erwähnen einer konkreten Anzahl an Waschungen noch die erwähnte
Reinigung mit Erde sprechen dafür, dass der Speichel des Hundes unrein ist, denn bei
der Entfernung einer Unreinheit steht im Vordergrund, eine Gewissheit zu erlangen,
dass die Unreinheit entfernt wurde. Da in diesem Kontext allerdings eine konkrete
Anzahl an Waschungen und eine bestimmte Art und Weise festgelegt wird, scheint es
sich hier nicht um die Entfernung einer Unreinheit zu handeln, weshalb der Speichel
des Hundes nicht unrein sein kann.
73
Ibn Rushd, S. 25
74
Al-Qarāfī, S. 182
75
Ibn ʿAbd al-Barr: Al- Istiḏkār, Bd. I S. 207; Qurṭubī Bd. XIII S. 48; Ibn al-ʿArabī. Al-Aḥkām, Bd.
III S. 436; Ibn al-ʿArabī, Muḥammad bin ʿAbd Allāh Abū Bakr. Al-Qabas fī Šarḥ Muwaṭṭaʾ Mālik bin
Anas. Beirut 1992: Dār al-Ġarb al-Islāmī, Bd. I S. 156
23
Die Šāfiʿiyya entgegnet dem, dass der Vergleich zum Wuḍūʾ nicht gezogen werden
kann, weil die Zweit- und Drittwaschung im Wuḍūʾ keine Pflicht ist, während die
Pflicht des siebenmaligen Waschens des Gefäßes einen breiten Konsens darstellt.76
Auf das Argument, dass die Aufforderung, den Inhalt des Gefäßes auszuschütten klar
auf eine Unreinheit hinweist, entgegnet al-Qurṭubī, dass der Grund dieser
Aufforderung nicht die rituelle Unreinheit des Hundes ist, sondern die tatsächliche
Unreinheit.77 Zumindest kann daraus nicht die rituelle Unreinheit des Wassers
abgeleitet werden. Schließlich würde Wasser, in dem sich Hundespeichel befindet,
unabhängig davon, ob es als rituell rein oder unrein gilt, ohnehin nicht verwendet
werden.
Linguistisch leitet sich das Wort Qawāʿid aus der Wortwurzel Qāf-ʿAyn-Dāl ab und
ist der Plural des Wortes Qāʿida, das im Arabischen Fundament, Basis, Stabilität
bedeutet.78
Normativ meint der Begriff nach Tāǧ ad-Dīn as-Subkī ein Prinzip oder ein abstrakter
Rechtssatz, der auf alle betroffenen Normen (Ǧuzʾiyyāt) zutrifft.79 80 81
1. Qawāʿid, die auf den gesamten Korpus der islamischen Jurisprudenz ohne
Ausnahme zutreffen und rechtschulübergreifend Anwendung finden. Ein
76
Ibn ʿAbd al-Barr: Al- Istiḏkār, Bd. I S. 207
77
Qurṭubī, Bd. XIII S. 48
78
Elgariani, Fawzy Shaban. Al-Qawāʿid al-Fiqhiyya (Islamic Legal Maxims). Exeter 2012, S. 40
79
Es gibt in der Jurisprudenz einen Meinungsunterschied in Bezug darauf, ob die Qawāʿid im Fiqh
eine andere Bedeutung haben als in anderen Disziplinen. Dieser Meinungsunterschied bezieht sich auf
die Frage, ob Qawāʿid umfassend und prinzipiell auf alle Normen zutreffend verstanden werden, oder
ob es genügt zu sagen, dass die meisten Normen von einer Qāʿida getroffen werden müssen. Ohne
darauf länger einzugehen ist hier zu erwähnen, dass die Mehrheit der Rechtsgelehrten Qawāʿid als
umfassend verstehen, was Normen, die innerhalb einer Qāʿida eine Ausnahme sind bzw. diese
einschränken, nicht ausschließt. Siehe dazu: al-Qawāʿid al-Fiqhiyya Buch, S.40ff
80
Elgariani, S. 41
81
Vgl. Lohker, Rüdiger: Islamisches Recht. Wien 2012, S. 56
24
typisches Beispiel für diese Kategorie sind die al-Qawāʿid al-Ḫams al-Kubra,
die oftmals auch al-Qawāʿid al-Fiqhiyya al-Aṣliyya genannt werden.82
2. Qawāʿid, die auf mehrere Themengebiete zutreffen, aber deren Gültigkeit sich
nicht über sämtliche Bereiche erstreckt und somit nicht so umfassend sind wie
die erste Kategorie.
3. Die dritte Art von Qawāʿid, die für diese Arbeit die relevanteste Art darstellt,
sind die von as-Subkī als al-Qawāʿid al-Ḫaṣṣ bezeichneten abstrakten
Rechtssätze, die auch Ḍawābiṭ genannt werden. Diese abstrakten Rechtssätze
beziehen sich auf einen bestimmten Bereich des islamischen Rechts, wie
beispielweise die Jagd, das Gebet oder die rituelle Reinheit. So ist die im
Rahmen dieser Arbeit relevante Qāʿida in diese Kategorie zu verorten und
lautet: „Kullu Ḥayyin Ṭāhir“. Übersetzt heißt es: alles Lebendige ist rein.
Bevor auf diese Qāʿida eingegangen werden kann, muss allerdings eine weitere
Kategorisierung vorgenommen werden. Denn da Qawāʿid, wenn auch abstrakt,
Rechtssätze darstellen, müssen diese aus den primären oder sekundären Rechtsquellen
der islamischen Jurisprudenz abgeleitet werden. Deshalb lassen sich die Qawāʿid
hinsichtlich ihrer Legitimation in weitere Zwei Hauptgruppen unterteilen: Die
Qawāʿid Naṣṣiyya und Qawāʿid Ġayr Naṣṣiyya83:
82
Vgl. Ebd.; Vgl. Elgariani, S. 46
83
Elgariani, S. 61
25
textuell indiziert ist mit einer Angelegenheit, deren normative Beurteilung
textuell indiziert ist aufgrund eines gemeinsamen ‚Regelungsgrundes‘.
Generell gilt, dass der gesamte Prozess der Determinierung von Qawāʿid
eine allgemeine Form des Qiyās ist84, weshalb der Qiyās die größte Quelle,
aus der sich Qawāʿid ableiten, darstellt.85 Diese Art der Qawāʿid basiert auf
der ʿIlla mit der die Kategorisierung der Norm in die fünf Urteilskategorien
des islamischen Rechts begründet wird. Diese ʿIlla wird zu einem
allgemeinen Prinzip umformuliert und fungiert dann als Qāʿida.
Die Qāʿida Kullu Ḥayyin Ṭāhir86, Alles Lebendige ist rein, ist ohne Einschränkung nur
in der malikitischen Rechtsschule zu finden. Mit der Einschränkung, dass Hunde und
Schweine ebenfalls unrein sind, ist sie auch in der Šāfiʿiyya vorhanden.87
Nach Ibn Rušd ist diese Qāʿida eine, die aus der ʿIlla einer Norm hergeleitet wurde.
Die Qāʿida legitimiert sich nach seiner Meinung durch den Umstand, dass die Tötung
eines Tieres, die nicht durch das Schlachten erfolgt ist, der Grund für die Unreinheit
84
Elgariani, S. 68
85
Vgl. Ebd.
86
Al-Bāǧī: al-Munṭaqā fī Šarḥ al-Muwaṭṭa Kairo 1904: Dār al-Kutub al-Islāmī, Bd I S. 62; al-
Maqqari:al-Kulliyyāt al-Fiqhiyya li al-Maqqarī. Tunis 1997: Dār al-ʿArabiyya li al-Kitāb, S. 78
87
Vgl. Ibn al-Wakīl: al-ʾAšbāh wa an-Naẓāʾir fī Fiqh aš-Šāfiʿī. Beirut 2002: Dār al-Kutub al-ʿIlmiyya,
Bd.1 S.297; az-Zarkašī, al-Manṭūr fī al-Qawāʿid al-Fiqhiyya. Kuwait 1985: Wizāra al-Awqāf wa aš-
Šuʾūn al-Islāmī, Bd. II S. 112
88
Ibn Šās: ʿAqd al-Ǧawāhir aṭ-Ṭamīna fī maḍhab ʿĀlim al-Madīna. Beirut 2003: Dār al-Ġarb al-
Islāmī, Bd. I S.10
89
Al-Qarāfī, Bd. I S. 181
90
Ibn Rušd: Bidāyat al-Muǧtahid wa Nihāya al-Muqtaṣid. Kairo 2004: Dār al-Ḥadīṯ, S. 34
91
Vgl. Ibn al-ʿArabī: Al-Aḥkam, Bd. III S. 443
26
des Tieres ist. Dies liefert die Grundlage für den Qiyās, wonach das Leben die
Grundlage für die Reinheit des Körpers eines Tieres darstellt.92
So argumentiert die Mālikiyya, dass die Meinung der Hund sei unrein, dieser Qāʿida,
die sich aus den Rechtsquellen ableitet, widerspricht. Somit müsste es explizite
Hinweise geben, auf Basis derer der Hund als eine Ausnahme dieser Qāʿida gelten
könnte, die allerdings nach der malikitischen Rechtschule aufgrund der in den
vorherigen Kapiteln angeführten Argumente nicht vorliegen.
Ibn Rušd al-Ǧadd verweist auf den möglichen alternativen Grund für die Aufforderung
des Propheten, sich vor Tollwut zu schützen, da dies eine Krankheit ist, die in der
damaligen Zeit unter den Hunden Madīnas verbreitet war und Tollwut
bekanntermaßen durch den Speichel übertragen wird.95 In diesem Kontext ist ein
Wortlaut, in dem der Hadith überliefert und der von Ibn ʿAbd al-Barr angeführt wird:
92
Vgl. Ibn Rushd: The Distinguished Jurists Primer, S. 26
93
Vgl. Arabi/Oussama, Powers, David /Spectorsky, Susan:Islamic Legal Thought. Chicago 2013, S.
296
94
Vgl. Ibn Rushd: The Distinguished Jurists Primer, S. 28 f
95
Vgl. Ebd., S. 29
27
َ صبَ َغ قَا َل َحدَّثَنَا ا ْبنُ َوضَّاحٍ قَا َل َحدَّثَنَا أَبُو بَ ْك ِر ْبنُ أ َ ِبي
ش ْيبَةَ قَا َل َحدَّثَنَا ْ َ ص ٍر قَا َل َحدَّثَنَا قَا ِس ُم ْبنُ أ َ َحدَّثَنَا
ْ َس ِعيد ُ ْبنُ ن
َّ ص َّلى
َّللاُ َع َل ْي ِه َّ سو َل
َ َِّللا ُ ِث َع ِن اب ِْن ْال ُمغَفَّ ِل أَ َّن َر
ُ ط ِرفًا يُ َحد َ س ِم ْعتُ ُم َ ش ْعبَةُ َع ْن أ َ ِبي التَّيَّاحِ قَا َل ُ شبَابَةُ قَا َل َحدَّثَنَا
َ
َاء ِ ْ ص ْي ِد َو َقا َل ِإذَا َو َل َغ ْالك َْلبُ فِي
ِ اْلن َّ ب ال ِ ص لَ ُه ْم فِي ك َْل ِ ب ث ُ َّم قَا َل َما لَ ُه ْم َو ِل ْل ِك ََل
َ ب ث ُ َّم َر َّخ ِ سلَّ َم أ َ َم َر ِبقَتْ ِل ْال ِك ََل
َ َو
96
ب ِ َّ ت َو َع ِف ُروهُ الث
ِ امنَةَ بِالتُّ َرا َ ُفَا ْغ ِسلُوه
ٍ س ْب َع َم َّرا
In diesem Wortlaut wird der Befehl, die Hunde Madīnas zu töten in einem Zug mit
dem Reinigen des Gefäßes, aus dem ein Hund getrunken hat, erwähnt. Die Tötung der
Hunde Madīnas hängt mit ihrem aggressiven Verhalten und dem Umstand, dass sie
viele Krankheiten, unteranderem Tollwut übertrugen, zusammen.97
7. Fazit
Die Argumentation der Mālikiyya lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Hadith,
der im Zentrum dieser Diskussion steht und auf der die anderen Rechtschulen ihre
Meinung, der Hund sei unrein, stützen, besitzt eine Schwäche. Die Schwäche ist die,
dass der Gefährte, der diesen Hadith überliefert, Rechtsurteile gefällt hat, die im
Wiederspruch zu der Überlieferung stehen. Dies wird Muḫālafa ar-Rāwī bi mā rawā
genannt und weist auf eine ʿIlla, eine versteckte Krankheit im Hadith hin. Dies macht
die Überlieferung nicht irrelevant oder unauthentisch, sondern relativiert diese
lediglich und spricht gegen eine wörtliche Auslegung des Hadithes. Des Weiteren gibt
es einen Koranvers und zahlreiche prophetische Überlieferungen, die darauf
hinweisen, dass der Speichel des Hundes rein ist. Dies schwächt den Analogieschluss,
der auf Basis dieser Überlieferung vollzogen wird, weil dieser Hadith so interpretiert
wird, dass der Grund für den Befehl des Propheten die Unreinheit des Hundes war.
Damit diese ʿIlla gültig ist, muss sie aber gewisse Kriterien erfüllen und da es
Offenbarungstexte gibt, die diesem Regelungsgrund widersprechen, muss dieser
Regelungsgrund verworfen werden, weil er die Grundkriterien einer gültigen ʿIlla
nicht vollständig/umfassend erfüllt. Dennoch stellt sich die Frage nach dem Grund für
den Befehl des Gesandten Allahs. Hier sagt die Mehrheit der Mālikiyya, dass es sich
bei dieser Reinigung um einen der Ratio nicht zugänglichen Gottesdienst handelt, weil
96
Ibn ʿAbd al-Barr: at-Tamhīd, Bd. XVIII S.265
97
Siehe für mehr Informationen über den Befehl die Hunde Madīnas zu töten und über den Zustand
der Hunde Madīnas: An-Nawawī: Al-Minhāǧ Šarḥ Ṣaḥīḥ Muslim bin al-Ḥaǧǧāǧ. Beirut 1972: Dār al-
Kutub al-ʿIlmiyya, Bd. III, S. 1200 ff
28
sie nicht wissen, weshalb der Prophet dies befahl. Ibn Rušd al-Ǧadd, ein bekannter
malikitischer Rechtsgelehrter bietet eine alternative Erklärung für diesen Befehl.
Seiner Meinung nach ging es bei diesem Befehl nicht um die Frage nach Unreinheit,
sondern darum dass die Hunde, die in und um Madīna lebten viele Krankheiten
übertrugen, unteranderem auch die Tollwut und der Gesandte Allahs die Muslime
deshalb dazu aufforderte, ein Gefäß aus dem solch ein Hund getrunken hat zu waschen
und den Inhalt zu verschütten. Der gesamten Diskussion geht voraus, dass es einen
abstrakten Rechtssatz gibt, der besagt, dass alles Leben der Grund für Reinheit ist, oder
verallgemeinert formuliert, die Grundannahme gilt, in Allem ist die Reinheit. Das
bedeutet, dass alles prinzipiell rein ist, lebendige Tiere in besonderer Weise. Damit der
Hund als eine Ausnahme angesehen werden kann, muss es explizite Indizien dafür
geben, die aufgrund der obigen Argumente nach der Mālikiyya nicht vorliegen.
Dieser Diskurs zeigt im besonderem Maße die Tiefe und die Präzision der islamischen
Jurisprudenz. Sie wird seit Jahrhunderten nicht mehr praktiziert und hat ihren
Ursprung vor über tausend Jahren gehabt. Dennoch beeindruckt die Plausibilität der
Argumente der Rechtsgelehrten bis in die heutige Zeit. Der Diskurs zeigt einerseits,
dass die islamische Jurisprudenz hinsichtlich ihrer Positionen sehr vielfältig ist. Dies
veranschaulicht das anfängliche Kapitel über die Meinungen zur Reinheit des Hundes
und das Kapitel über die normativen Ableitungen, die aus dem Hadith gewonnen
wurden. Er manifestiert aber auch, dass jede dieser Meinungen auf plausiblen
Argumenten fußt, die der kritischen Untersuchung zahlreicher Rechtsgelehrten seit
Jahrhunderten standhalten.
29
8. Literaturverzeichnis
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Mündliche Verweise
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