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I. Tatbestand
1. objektiver Tatbestand
b) Unterlassen
= Nichtvornahme der zur Erfolgsabwendung objektiv gebotenen und objektiv
"physisch-real" möglichen Handlung
Merke: „möglich“ ist auch eine erfolgsabwendende Handlung in Fällen von
Pflichtenkollision: vor der Entscheidung, den einen oder anderen Rechtsgutsträger zu
retten, bestand die Möglichkeit zur Rettung des späteren Opfers!
hier: Abgrenzung zum positiven Tun in Fällen mit doppeldeutigem Charakter
- hM: nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit = normative (bewertende) Sichtweise,
vgl. den sog. Ziegenhaar-Fall: nicht ein Nichtdesinfizieren der Haare als solches ist der
Kern des strafrechtliche Vorwurfs, sondern die Ausgabe der nichtdesinfizierten Haare
zur Bearbeitung
- MM 1: Lehre vom Energieeinsatz = Anstoßen eines Kausalverlaufs durch positiven
Energieeinsatz: liegt Begehungskausalität vor oder nicht?
- MM 2: kein Abgrenzungsproblem auf Tatbestandsebene sondern Vorrang des
schwereren Begehungsdeliktes bei Zurücktreten des Unterlassungsdeliktes auf
Konkurrenzebene
im einzelnen:
(1) Abbruch eigener Rettungsmaßnahmen:
Unterlassen, wenn der Täter diese abbricht, bevor die Rettungshandlung dem Opfer
eine realisierbare Rettungsmöglichkeit eröffnet hat
Positves Tun, wenn der Täter diese zu einem Zeitpunkt abbricht, in dem bereits eine
gesicherte Rettungschance bestand
(2) Abschalten eines medizinischen Gerätes:
Unterlassen bei ärztlichem Täter (anders Energieeinsatz-Lehre)
Positives Tun bei Drittem
(3) Vereitelung fremder Rettungsbemühungen
Unterlassen bei Verweigerung der Herausgabe von Rettungsgeräten
Positives Tun durch Zerstören eines Rettungsmittels, durch Abhalten Rettungswilliger
(4) Fälle der omissio libera in causa (im Ursprung freie Unterlassung) = Täter versetzt
sich in eine Lage der Handlungsunfähigkeit (Handlungsvereitelung), indem er zB Schlaf-
tabletten einnimmt => Unterlassen (durch Tun)
Merke: diese Rechtsfigur ist ähnlichen Bedenken ausgesetzt wie die actio libera in
causa.
e) Feststellung der Gleichwertigkeit des Unterlassens mit positivem Tun nur bei
verhaltensgebundenen Delikten erforderlich (zB bei § 263, § 224 I Nr. 3, Heimtücke); bei
Steigerung von Schmerzintensität, von Gefährdungen, bei „grausam“ (diff. insoweit
Rengier AT § 49 Rn 33), lebensgefährdender Behandlung“ keine gesonderte Prüfung
erforderlich)
2. subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz, gerichtet auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale, also auch auf die
Umstände, welche die Garantenstellung aus machen; Nichtkenntnis dieser Umstände →
Tatbestandsirrtum
b) sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale
II. Rechtswidrigkeit
ev. rechtfertigende Pflichtenkollision
Vor.: Kollision zweier gleichrangiger Pflichten
Erfüllung der einen Pflicht zulasten der anderen
Rettungswille
III. Schuld
1. Schuldfähigkeit
2. spezielle Schuldmerkmale
3. Vorsatzschuld
4. Unrechtsbewußtsein: Nichtkenntnis der Garantenpflicht = regelmäßig vermeidbarer
Gebotsirrtum
5. Fehlen von Entschuldigungsgründen
6. Unzumutbarkeit normgemäßen Verhalten (vgl. BGH NStZ 1994, 29)