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EINLEITUNG

Dieses Buch will und kann nicht sein eine wirkliche Geschichte des spätantiken
Kapitells im Osten. Ich habe nur einen kleinen Teil des ungeheueren Gebietes,
in dem sich die Geschicke der spätantiken Kunst erfüllt haben, durchreisen, mich
nur an wenigen Orten länger aufhalten können. Dazu spürt man bald: was heute
über der Erde und uns bekannt ist, kann nicht ausreichen, einen geschlossenen
Uberblick über das Ganze der Entwicklung zu gewähren. In diesem Stoff klaffen
Lücken, die erst systematische Ausgrabungen werden schließen können. Über-
legen wir, daß wir in Konstantinopel eine einzige Kirche aus vorjustinianischer
Zeit kennen, daß wir von frühchristlichen Zentren wie Antiochia, Alexandria und
anderen, keinerlei Anschauung haben. Es ist deutlich: eine Geschichte des spät-
antiken Kapitells kann heute noch nicht geschrieben werden.
Ich jedenfalls muß mich bescheiden, Beiträge zu einer solchen Geschichte zu
bringen. Ich habe Salona (Spalato), allerlei in Griechenland, Konstantinopel
(Brussa, Nikäa), die vorderkleinasiatischen Ausgrabungsstätten (vor allem Ephesus),
dann Konia, Aleppo (Kalat Seman), Baalbeck, Damaskus, Jerusalem (Gerasa),
Kairo und Alexandria etwas genauer studieren können. Ergänzungen bot die vor-
liegende Literatur. Ich werde nicht jedes Kapitell, das irgendwo einmal genannt
wird, erfaßt haben; doch hoffe ich, das Wichtigste aufgenommen zu haben. Die
russische, rumänische, bulgarische und jugoslawische Literatur konnte ich nicht
durcharbeiten. So fehlen die Kapitelle aus dem Umkreis des Schwarzen Meers,
in Rumänien, in Bulgarien, in Serbien. Natürlich ist auch die Abgrenzung gegen
den Westen willkürlich. Die Kapitelle in Salona habe ich erörtert, obwohl Salona
dem Osten des Reichs erst unter Justinian zufiel. Kapitelle aus den Städten der
oberen Adria habe ich im allgemeinen nur herangezogen, wenn sie Anhaltspunkte
für die Datierung bestimmter Typen boten, so zahlreiche ravennatische Kapitelle,
Kapitelle in Pola, Parenzo, Grado und so weiter. Dagegen habe ich die großartige
Sammlung byzantinischer und anderer Kapitelle aus dem Osten, die San Marco
in Venedig wieder verwendet in und um sich vereinigt, beiseite gelassen: wir wissen
über die Herkunft und die Entstehungszeiten dieser Stücke gar nichts. Doch ist
die Sammlung so reich, daß man für eine sehr große Zahl der unten beschriebenen
Typen in ihr Beispiele findet ». Sehr viel bescheidener, aber auch noch recht statt-
lich ist die Ausbeute, die die Moschee Sidi Okba in Kairuan 1 gewährt. Ich habe

1 C. Boïto, La Basilique de St. Marc, Portefeuille V der Tafeln (Ongania). * Saladin, La mosquée
de Sidi Okba = Les monuments historiques de la Tunisie II : Les monuments arabes.
I K a u t z a c h 'Kapitelle

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2 EINLEITUNG

auch dieses Bauwerk nicht berücksichtigt, aus ähnlichen Gründen wie San Marco:
es steht nicht fest, ob die hier wieder verbauten Kapitelle aus dem Osten oder aus
dem Westen stammen. Außer Alexandria und Kairo habe ich Afrika, wie den ganzen
Westen außer Betracht gelassen.
Die gefundenen Kapitelle sind in der Hauptsache landschaftlich gesondert in
parallelen Kapiteln behandelt. Doch erwies es sich als zweckmäßig, die Angehörigen
bestimmter Typen, insbesondere der eigentlich byzantinischen, beisammen zu
lassen und den betreffenden Typus jeweils in einem abzuhandeln. Diese Inkon-
sequenz muß das Ergebnis rechtfertigen.
Da sicher datierte Beispiele ungemein selten sind, gab es nur einen Weg. Die
einzelnen Kapitelle waren in entwicklungsgeschichtliche Reihen zu bringen und
diese Reihen in Beziehung zueinander zu setzen. Schließlich mußte es möglich
sein, dem relativen Nacheinander der Reihen mit Hilfe einzelner überlieferter Daten
absolute Bedeutung, eine feste Zeitbestimmung zu geben. Natürlich bleibt bei
solchem Verfahren vieles noch ganz unsicher. Wenn wir auch über das Ziel der
Entwicklung im Klaren und einig sind — ich komme nachher darauf zurück —,
dieses Ziel ist an verschiedenen Orten auf verschiedenen Wegen und in sehr ver-
schiedenem Tempo erreicht worden. Es wurde im fünften und im sechsten Jahr-
hundert viel gebaut. Selbstverständlich arbeiteten verschiedene Hütten oder
Werkstätten nebeneinander. Es konnte gar nicht ausbleiben, daß man nicht überall
gleich schnell fortschritt : eine Werkstatt mochte an dem einmal ergriffenen Typus
lange zähe festhalten, während eine andere schon geraume Zeit zu einer neuen
Weise übergegangen war. Daher sind entwicklungsgeschichtliche Reihen nicht
ohne weiteres chronologische Reihen. Manche Gruppen, die wir schön getrennt
nacheinander abhandeln, sind in Wirklichkeit gleichzeitig entstanden. Und manche
'Entwicklungsstufen', die scheinbar nahe beieinander liegen, sind in Wirklichkeit
erst in großen Abständen nacheinander erreicht worden. Man muß also den absoluten
Zeitbestimmungen notwendigerweise viel Spielraum lassen. Dennoch glaube ich,
daß wir nur auf dem angegebenen Weg aus dem Herumraten heraus allmählich
zu einer deutlichen Vorstellung vom Ablauf der Entwicklung kommen können. Und
dann muß sich dieser Ablauf auch zeitlich festlegen lassen.
Entwicklung, Ziel der Entwicklung sind Begriffe, die wir rückwärtsschauend in
das Nacheinander der Vorgänge hineintragen, ihm einen Sinn zu geben. Dennoch :
es ist doch wohl so, daß der künstlerische Wille einer Zeit mehr oder weniger einheit-
lich eine gewisse Richtung verfolgt. In der Geschichte des spätantiken Kapitells
vollzieht sich allmählich (und wie oben gesagt auf verschiedenen Wegen und in
verschiedenem Tempo da und dort) schließlich allgemein folgende Wandlung. An
die Stelle der organisch-plastischen Komposition des Blätter-Kelchkapitells tritt
das massiv-einfache tektonische Gebilde des Kämpferkapitells oder einer ver-
wandten Form. Nicht plötzlich. Aber allmählich so gut wie überall. Das geht so
zu: die Blätter, die den Kelch des korinthischen Kapitells, des Normalkapitells,
in zwei Kränzen umstehen, verlieren ihr organisches Leben und damit ihre Selb-
ständigkeit. Sie treten zu einer flächigen Schmuckhülle um den Kern des Kapitells

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EINLEITUNG 3

zusammen. Der übrige Schmuck: Kaules, Helices, Voluten, wird vereinfacht und
verkümmert. Die Kernmasse des Kapitells selber übernimmt die Aufgabe, die er
bisher erfüllt hat: sie verzieht sich aus dem Rund ihres unteren Querschnitts in
das Viereck des Auflagers. Ich setze als bekannt voraus, was E. Weigand an ver-
schiedenen Stellen 1 über diesen Prozeß ausgeführt hat. Seine Beobachtungen sind
absolut richtig.
Die besprochene Wandlung ist nicht allein durch statische Erwägungen bedingt.
Sie entspricht einer Wandlung des künstlerischen Empfindens. Die Freude am
Organisch-Lebendigen, an der körperlichen Erscheinung war längst schal geworden.
An ihre Stelle trat zunächst die Freude am Malerisch-Bewegten, an Helldunkel-
wirkungen, am Kleinteilig-Flimmernden. Man denke an den Sieg des Impressionis-
mus in der römischen Malerei, im Mosaik. Dabei ist bezeichnend, daß der Schmuck
seine alte .natürliche' Form mehr und mehr stilisiert: sie wird immer abstrakter,
geometrischer. Der oben geschilderte Prozeß des Massiv-Werdens wird also am
Kapitell zunächst aufgehalten durch malerische Tendenzen. Begreiflicherweise
da am stärksten, wo das künstlerische Leben aufs reichste sich entfaltete: in Kon-
stantinopel. Sobald aber das Zwischenspiel des feingezahnten und windbewegten
Akanthus sich ausgelebt hatte, da trat das Kämpferkapitell sofort auf den Plan.
Die Freude an der malerischen Haltung der Form dauert noch an : auch das Kämpfer-
kapitell bekommt eine malerisch-bewegte Hülle; subtile à-jour-Arbeit sorgt für
starke Helldunkelwirkung. Aber dieser raffinierte Geschmack (der Hauptstadt)
hält sich nur etwa durch zwei Generationen. Dann siegt auf der ganzen Linie die
massive tektonische Form.
Das ist der eigentliche Sinn der Entwicklung, und es liegt recht nahe, die Wand-
lung von der organisch-plastischen zur irrational-malerischen, weiter zur rational-
tektonischen in Parallele zu setzen zu dem bekannten Stilwandel Barock—Rokoko—
Louis XVI. Gewiß: geschichtliche Vorgänge wiederholen sich nie ganz gleich.
So zeigt unsere Entwicklung Züge, die der spätere Par alleiVorgang nicht auf weist.
Daß das korinthische Kapitell eine Nachblüte erlebt, mag man als nebensächlich
ansehen. Aber sehr im Gegensatz zu dem Wandel Rokoko—Louis XVI bedeutet
das Massiv- und Tektonischwerden der Form in unserem Falle zugleich unleugbar
ein Arm- und Derbwerden, eine gewisse Barbarisierung. Und schließlich mündet
die ganze Entwicklung wirklich in jenen Stil des siebenten und achten Jahrhunderts,
dessen Kapitelle im Verhältnis zu den klassischen oder den frühbyzantinischen
barbarisch genannt werden müssen. Daß ihre Eigenart damit nicht genügend
gekennzeichnet wird, habe ich weiter unten auseinanderzusetzen.
So sind die Hauptvorgänge durchaus klar. Es handelt sich nur darum, die einzelnen
Kapitellgruppen jeweils an ihrer Stelle richtig einzuordnen und dem Ganzen durch
sichere Daten festen Halt und eine chronologische Gliederung zu geben. Diese
Aufgabe wird eine künftige Forschung allmählich noch vollkommener lösen können ;
ich will mich dabei bescheiden, einen Anfang gemacht zu haben.

1 AM. 39, 1914, 22 ff. ByzZ. 23, 1914—1919, 193 ff.


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Daß ich mit den Kapitellen des frühen vierten Jahrhunderts beginne, wird man
billigen. Diokletian, Konstantin bedeuten einen neuen Anfang. Man spürt die
Cäsur auch in der Geschichte der Kunst. Und wenn auch — soweit das Kapitell
in Frage kommt — das vierte Jahrhundert, wie Weigand richtig gesehen hat, vor-
nehmlich ein Zeitalter der Auflösung, des Zuendegehens ist, so ist doch diese Auf-
lösung so wesentlich die Grundvoraussetzung für die Bildung neuen Lebens, daß
sie vor der Schilderung dieses neuen Lebens unbedingt selbst dargestellt werden
muß.
Nicht ebenso leicht zu rechtfertigen ist es, wenn ich meine Schilderung nur bis
in die Anfänge des siebenten Jahrhunderts führe. Immerhin bedingt das Vordringen
des Islam und weiter der Bilderstreit Veränderungen, die es erlauben, im Beginn
des siebenten Jahrhunderts einen Einschnitt zu machen.
Endlich muß ich noch ausdrücklich entschuldigen, daß ich in den Beschreibungen
der Kapitelle weder über die Maße noch über den Werkstoff der einzelnen Stücke
Angaben machen kann. Das ist natürlich sehr bedauerlich. Allein es war vielfach
schlechterdings unmöglich, Maße zu nehmen oder den Werkstoff festzustellen, so
zum Beispiel in den Moscheen Kairos, auf dem Tempelplatz in Jerusalem, in vielen
Kirchen. Anderswo war es mindestens überaus schwierig. So habe ich denn lieber
ganz und gar auf diese Vervollständigung meiner Beschreibungen verzichtet, schon
um Zeit zu sparen, was auf der Reise ohnehin oft genug dringendes Gebot war.
In einigen Fällen finden sich in der angeführten Literatur Notizen über Größe und
Material der Kapitelle.
Zu den üblichen Angaben über den Werkstoff muß ich übrigens noch einiges
bemerken. Sind sie nicht meist zu allgemein, auch zu wenig begründet, um irgend
etwas zu beweisen ? Aber nehmen wir einmal an, wir könnten mit Sicherheit fest-
stellen, dieses Kapitell in Jerusalem ist aus einem Marmor gearbeitet, der nur in der
Umgebung Konstantinopels und sonst nirgends vorkommt. Was ist damit be-
wiesen ? Kann nicht der rohe Marmorblock in Palästina eingeführt und dort be-
arbeitet sein ? Umgekehrt : sollte nicht auch einmal ein eingewanderter Steinmetz
aus Byzanz in Alexandria ägyptischen Kalkstein gemeißelt haben? Mit anderen
Worten: über den künstlerischen Charakter eines Stücks kann der Werkstoff allein
nicht entscheidend aussagen. Allenfalls unterstützt der Nachweis seiner Herkunft
die Analyse des Stils.

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