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Operative Nervendekompression
an der unteren Extremität bei
Redaktion
T. Mittlmeier, Rostock
Zeichnungen
R. Himmelhan, Heidelberg
diabetischer Polyneuropathie
Operationsprinzip und -ziel Studienform belegte Operation zur Hoffmann-Tinel-Zeichen über dem
Dekompression der Nerven der unte- Tarsaltunnel hat im Hinblick auf eine
Die Ursachen der Nervenanschwel- ren Extremität. Eine verbesserte Sen- sensible Regeneration zu 90% einen
lung der unteren Extremität bei dia- sibilität mit Erhöhung der Stand- und positiv prädiktiven Wert [6]. Ein
betischer Polyneuropathie liegen in Gangsicherheit sowie ggf. reduzierte positives Hoffmann-Tinel-Zeichen
der Umwandlung von Glucose in Sor- Ulzerations- und Amputationsraten über dem Fibulaköpfchen wie auch
bitol, welches stark wasseranziehend sind jedoch in zahlreichen Kohorten- dem N. peronaeus profundus über
ist und somit zur Nervenanschwel- studien beobachtet worden [1, 2, 3, 4, dem Fußrücken lässt sich in über 50%
lung führt [4, 6], im gestörten axo- 5, 7, 8, 10, 13, 14, 16, 17, 18]. der Patienten ebenfalls auslösen, wo-
plasmatischen Transport des Nerven bei der Rückschluss auf die Erholung
mit gestörter Ernährung und verzö- Vorteile der Sensibilität überwiegend für den
gerter Reparatur sowie im Einbau gly- Tarsaltunnel gilt. Problematisch ist
kolisierter Bausteine mit konsekutiv F
Geringe Zugangsmorbidität der ge- die Intra- und Interobserver-Variabli-
geringerer Flexibilität des Nerven. zielten Zugänge an 3 Lokalisationen tät in der Ausführung des Hoffmann-
Bei Patienten mit diabetischer Poly- F
Schmerzreduktion und damit ver- Tinel-Zeichens (Ein- oder Zweifin-
neuopathie kann eine kompressions- bundener reduzierter Verbrauch von gertechnik, Schlagkraft, [11]). Die
bedingte Schwellung und Kompres- Analgetika und weniger potentielle Polyneuropathie sollte deshalb neuro-
sion von Nerven an der unteren Ex- Nebenwirkungen physiologisch gesichert sein.
tremität an mehreren Lokalisatio- F
Verbesserung der Stand- und Gangsi- F
Fehlende subjektive Beschwerdebes-
nen entstehen: in Höhe des Fibula- cherheit mit reduziertem Sturzrisiko serung trotz optimierter diabetischer
köpfchens und des proximalen Unter- F
Potentielle Reduktion von Ulzeratio- Stoffwechseleinstellung (Diät, Sport
schenkels (N. peronaeus communis, nen und Amputationen und Medikation), Antikonvulsiva
N. peronaeus profundus, N. perona- oder Analgetika
eus superficialis), in Höhe des Tarsal- Nachteile F
Kein oder minimales Fußödem
tunnels (N. tibialis posterior, Rr. cal- F
Gute Compliance des Patienten
canei, N. plantaris medialis, N. plan- F
Unsichere Prognose hinsichtlich der
taris lateralis) sowie in Höhe des Fuß- Verbesserung der Sensibilität und der Kontraindikationen
rückens (N. peronaeus profundus). Ulzerationsfrequenz
In Analogie zur Dekompression des F
Drei chirurgische Zugänge am poten- F
Fehlendes Hoffmann-Tinel-Zeichen
N. medianus bei der Karpaldachspal- tiell durchblutungseingeschränkten über dem Tarsaltunnel
tung oder des N. ulnaris beim Kubi- Unterschenkel und Fuß mit mögli- F
Kein Schmerz, keine Sensibilitätsstö-
taltunnelsyndrom zielt die Dekom- chen Wundheilungsstörungen. Von runge
pression der Nerven der unteren Ext- den operierten Patienten erfahren F
Pathologische Verschlussdrücke mit
remität (N. peronaeus, N. tibialis) bei 20% keine subjektive Verbesserung. Doppler-Arm-Knöchel-Index <0,7
diabetischer Polyneuropathie auf die F
Körpergewicht >140 kg
Verbesserung schmerzhafter Sensi- Indikationen F
Relative Kontraindikation: venöse
bilitätsstörungen durch Reduktion Stase und postthrombotisches Syn-
von potentiellen Druckschäden der F
Schmerzhafte diabetische Polyneuro- drom
Nerven [4, 6]. Allerdings existiert der- pathie an der unteren Extremität mit
zeit für die chirurgische Behandlung einem positiven Hoffmann-Tinel-
der diabetischen Polyneuropathie Zeichen über dem Tarsaltunnel bzw.
keinein randomisiert-kontrollierter Sensibilitätsstörungen. Ein positives
Patientenaufklärung F
Entwicklung eines chronisch-regio- F
Strikte postoperative Entlastung über
nalen Schmerzsyndroms (CRPS) 3 Wochen
F
Wundheilungsstörung F
Thrombose und Embolien F
Postoperative Verbesserung der Sen-
F
Schmerzhaftigkeit im Versorgungs- F
Iatrogene Nervenverletzung sowie sibilität des Fußes und Schmerzre-
gebiet des peripheren Nerven durch Gefäßverletzung der A. tibialis poste- duktion bei 80% der Patienten [1, 2, 3,
Re-Innervation rior sowie A. plantaris medialis und 4, 7, 8, 10, 13, 16, 17, 18]
F
Zeitraum bis zur Nervenregeneration lateralis
12 Monate oder länger
M. peronaeus long.
N. peronaeus
M. biceps fem. comm.
N. peronaeus comm. N. peronaeus
a b c prof. N. peronaeus superfic.
Abb. 1 8 Dekompression des N. peronaeus communis am Fibulaköpfchen. Am abgewinkelten und aufgestellten Unterschen-
kel (a) bogenförmiger Zugang über dem Fibulaköpfchen bis zum Ansatz des M. biceps femoris. Durchtrennung der Faszie des
lateralen M. gastrocnemius mit Darstellung des N. peronaeus communis (b). Nach ventral hin Inzision und Einkerbung der
Faszie des M. peronaeus longus (c) mit fortgesetzter Neurolyse des N. peronaeus communis nach ventral bis zur Aufteilung in
den N. peronaeus superficialis und N. peronaeus profundus
N. tibialis
Gefäßnervenbündel
(N. tibialis, A, tibialis
post. V. tibialis post.)
N. plantaris lat.
a M. abductor hallucis b Retinaculum flexorum
N. tibialis
Gefäßnervenbündel
N. plantaris med.
(N. tibialis, A, tibialis
post. V. tibialis post.)
N. plantaris lat.
Rami calcanei n. tibialis
Baxter-Nerv
c d
Abb. 2 8 Unterschenkel-Lagerung in Analogie zur Kniegelenksarthroskopie (Figure-of-4-Position), so dass der mediale Fuß-
rand exponiert zu liegen kommt. Zugang über dem fibrokartilaginären Fach des Gefäßnervenbündels hinter dem Innenknö-
chel (a). Unter Lupenbrillensicht nach Durchtrennung des Retinaculum flexorum Präparation des Gefäßnervenbündels im Tar-
saltunnel mit Darstellung des N. tibialis, der A. tibialis posterior und der häufig doppel angelegten Begleitvenen (b). Neuro-
lyse mit Präparation nach distal und Darstellung der zum Fersenbein ziehenden Rr. calcanei und des Baxter-Nervs (c). Weiter
fußsohlenwärts wird jetzt die Aufteilung des N. tibialis posterior in den N. plantaris medialis und N. plantaris lateralis präpa-
riert und die oberflächliche und tiefe Faszie des M. abductor hallucis zwischen beiden Tunnel reseziert (d)
N. peronaeus prof.
M. tibialis ant.
Retinaculum extensorum
N. peronaeus prof.
N. peronaeus prof.
M. extensor digitorum brevis. und A. dorsalis pedis
a b c
Abb. 3 8 Dekompression des N. peronaeus profundus am Fußrücken. a Zugang über eine longitudinale oder leicht S-förmige
geschwungene Inzision von 3 cm Länge über der distalen Mittelfußreihe unmittelbar lateral der tastbaren Sehne des M. ex-
tensor hallucis longus und distal des Retinaculum extensorum. b, c Darstellung des N. peronaeus profundus im ersten Inter-
metatarsalraum. Einsetzen von Langenbeck-Haken und Resektion des M. extensor hallucis brevis, der von lateral den N. pero-
naeus profundus überkreuzt. Umsetzen des Langenbeck-Haken nach proximal und tunnelierte Dekompression des N. pero-
naeus profundus einschliesslich der Einkerbung der distalen Anteile des Retinaculum extensorum mit den geöffneten Bran-
chen einer Metzenbaumschere
Schließlich Deflation der Blutsperre Fach des Gefäßnervenbündels erfol- F Fädenentfernung frühestens nach
und Blutstillung mit der bipolaren Pin- gen, um eine Wundheilungsstörung 21 Tagen
zette. Ggf. Einlage einer Redondrainage. in diesem Bereich zu minimieren. F Aquagymnastik 2- bis 3-mal pro
Bei Bluttrockenheit dann schichtweiser Woche [6]
Wundverschluss mit Ethilon 4–0 Einzel- Postoperative Behandlung F Anpassung der Analgetikagabe nach
knopfnähten. WHO-Schema [6]
Abschließend erfolgt die Anlage eines F
Initial elastische Wickelung mit Kurz- F Neurosensorische Testung nach
gut gepolsterten Unterschenkelgipses in zugbinden der Beine von distal nach 6–12 Wochen (bleibt speziellen Ein-
Neutralstellung, der für 3 Wochen belas- proximal bis zur Leiste und Hochla- richtungen vorbehalten) [6]
sen wird. gerung zur Lymphödemprophylaxe F Operation der kontralateralen Seite
Besonderheiten F
5–7 Tage strikte Bettruhe und Hoch- nicht vor 6 Wochen postoperativ
lagerung des Fußes
F
Die mikrochirurgische Präparation F
Niedermolekulare Thrombosepro- Fehler, Gefahren,
sollte unter Lupenbrillensicht mit phylaxe (z. B. Fragmin P, einmal täg- Komplikationen
geeignetem Instrumentarium und lich s.c.) über 6 Wochen bzw. bis zur
gewebeschonend erfolgen [6]. vollständigen Mobilisation F
Bei ausbleibender Befundverbes-
F
Der Zugang zum Tarsaltunnel sollte F
3 Wochen Entlastung an Unterarm- serung Einsatz bildgebender und
direkt über dem fibrokartilaginären gehstützen neurophysiologischer Diagnostik