recht Entscheid Bundesgericht

Achtung
vor Kommissar Zufall
Vom
Filmen ist
abzuraten
Wer sich beim zu schnell
Fahren filmen lässt, handelt
gefährlich und fahrlässig.
Und wer den Film noch
hochlädt und einem weite-
ren Kreis bekannt macht,
muss unter Umständen
damit rechnen, dass ihm die
Polizei auf irgendeine Weise
auf die Schliche kommt und
ihn zur Verantwortung zieht.
Speziell jüngere Lenker
brüsten sich oft damit, sich
mit völlig übersetzter Ge-
schwindigkeit am Lenkrad
ablichten zu lassen. Sie ge-
fährden damit nicht nur sich
selbst, sondern auch weitere
Verkehrsteilnehmer.
Darüber hinaus sollten sie
sich im Klaren sein, dass sie
empfindlich gebüsst werden
können. Natürlich rechnen
sie nicht damit. Aber es
liegt im Wesen des Zufalls,
dass er ohne Vorwarnung
zuschlägt. Vor allem dann,
wenn man es nicht erwartet.
Am besten und vernünf-
tigsten ist es deshalb, sich
von vornherein gar nicht
auf derartige Spielchen
einzulassen. Sie lohnen sich
nicht, sondern verursachen
nur Ärger. AO

HANDY-FILM Wer Erwägungen der obersten Richter

Das Bundesgericht kam in seinen Überlegungen
Gültiges Beweis-
mittel Handyfilm.
Sicherstellung von Gegenständen
In ihren weiteren Erwägungen räumt das Bundes-
sich beim Fahren mit zum Schluss, dass die gefilmten Sequenzen der
massiven Tempoüberschreitungen keine uner-
Der Art. 179 quater
StGB kommt nicht zur
gericht in Lausanne ein, dass die gefilmten Se-
quenzen ganz offenkundig auf Zufallsfunden im
übersetzter Geschwindig- laubten und deshalb unverwertbaren Beweise dar-
stellten, die von der Verletzung des Artikels 179
Anwendung, wenn
sich jemand während
Sinn von Artikel 243 StPO beruhten. Diese Ge-
setzesbestimmung sieht konkret vor, dass zufällig
keit filmen lässt, fordert quater des Strafgesetzbuchs (StGB) herrührten.
Denn dieser Artikel sieht vor, dass derjenige, der
des Rasens bewusst
dabei filmen lässt.
entdeckte Spuren oder Gegenstände, die mit der
abzuklärenden Straftat nicht in Zusammenhang
das Schicksal heraus. eine Tatsache aus dem Geheimbereich eines an-
deren oder eine nicht jedermann ohne Weiteres
stehen, aber auf eine andere Straftat hinweisen,
ebenso sichergestellt werden. Die Gegenstände
zugängliche Tatsache aus dem Privatbereich eines werden mit einem Bericht der Verfahrensleitung
anderen ohne dessen Einwilligung mit einem Auf- übermittelt; diese entscheidet danach über das
Text: Sébastien Fanti
nahmegerät beobachtet oder auf einen Bildträger weitere Vorgehen.
Foto: Shutterstock
aufnimmt, auf Antrag mit einer Freiheits- oder

D
as Bundesgericht hat die Filmauf-
nahmen von schweren Geschwin-
digkeitsüberschreitungen auf ei-
nem Handy als rechtmässige
Beweismittel zugelassen. Die mas-
siven Geschwindigkeitsverletzungen hatten sich
in den Monaten Januar, Februar und März des
Jahres 2012 zugetragen. Sie waren nur durch Zu-
fall ans Licht gekommen. Nämlich dadurch, dass
das Handy bei einer Untersuchung im Zusam-
menhang mit einem Drogenhandel beschlag-
nahmt worden war. Deshalb wurde X zu einer be-
dingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 60
Franken sowie zu einer Busse von 2160 Franken
verurteilt. Diese Strafen hat das Bundesgericht
bestätigt. Die Tempoexzesse fanden im Jahr 2012,
also vor Inkrafttreten von Via sicura vom 1. Ja-
nuar 2013, statt. Die Überschreitungen betrugen
+90 km/h bei einer Limite von 80 km/h, +110 km/h
bei einer Limite von 120 km/h sowie +150 km/h
bei einer Limite von 120 km/h. Es waren auch zu
jener Zeit ganz erhebliche Tempoverletzungen.
Geldstrafe bestraft (Verletzung des Geheim- oder
Privatbereichs durch Aufnahmegeräte) wird.
Diese Sachlage aber war im vorliegenden Fall
nicht gegeben. Denn X war sich bewusst, dass er
während seiner Fahrten gefilmt wurde und dazu
sein Einverständnis gab oder sich zumindest nicht
dagegen wehrte. Insofern konnte er sich nicht da-
rauf berufen, mit der ganzen Filmerei nichts am
Hut gehabt oder nichts davon geahnt zu haben.
Der weitere Einwand des Beschwerdeführers X mit
Verweis auf Artikel 141 Abs. 2 der Strafprozess-
ordnung (StPO) war unbehelflich. Danach dürfen
Beweise, welche die Strafbehörden in strafbarer
Weise oder unter Verletzung von Gültigkeits-
vorschriften erhoben haben, nur dann verwertet
werden, wenn ihre Verarbeitung zur Aufklärung
schwerer Straftaten unerlässlich ist. Da X, wie aus-
geführt, gegen das Filmen nichts einzuwenden hat-
te, lag auch keine strafbare Handlung der Behör-
den vor. Insofern kam Artikel 141 StPO nicht zur
Anwendung. Dass der Rasertatbestand von Via
sicura erst am 1. Januar 2013 in Kraft trat, war ohne
Belang und hatte keinen Einfluss.
Rechtsgültige Anordnung
Nun aber, führt das oberste Gericht weiter aus,
lässt die Auswertung von Zufallsfunden nach
Lehre und Rechtsprechung nicht nur vermuten,
dass die erzwungene Massnahme, die zu diesen
Entdeckungen geführt hat, auf rechtsgültige Art
angeordnet wurde. Lehre und Rechtsprechung
gehen darüber hinaus davon aus, dass die Straf-
behörden diese Massnahmen anordnen konnten,
wenn sie schon von Anfang an konkrete Ver-
dachtsmomente für weitere Gesetzesverletzungen
hatten. Im vorliegenden Fall war das nach Auf-
fassung des Bundesgerichts so. Denn die Über-
wachung des Handys wurde ordnungsgemäss mit
der Einleitung eines Verfahrens gegenüber Z, dem
Eigentümer des Handys, wegen Drogenschmug-
gel verfügt. Hätten die Strafbehörden überdies
schon von Anfang an Kenntnis von den schweren
Geschwindigkeitsverletzungen gehabt und darü-
ber, dass Z diese noch gefilmt hatte, dann hätten
sie die Beschlagnahme des Handys von Z und
dessen Auswertung durch die Polizei verfügen
können. AR

10 AUTOMOBIL revue Nr. 14 Freitag, 6. April 2018