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Symphilosophie/Sympoesie

Die romantischen Netzwerke generierten zum Ende des 18. Jahrhunderts ein intensives Feld
wechselseitiger Anregungen und geistiger Durchdringungen. In einer ausgeprägten
Salonkultur blühte die Kunst der Konversation in vielfältigen Gestalten auf und führte zu
hybriden ästhetischen Produktionsformen wie Korrespondenzen und Briefromanen mit
teilweise verteilten Autorschaften. So finden sich etwa in der 1798 herausgegeben Zeitschrift
"Athenaeum" 451 Fragmente, die in Kollaboration zwischen dem Herausgeber Friedrich
Schlegel und Friedrich von Hardenberg (Novalis) sowie Friedrich Schleiermacher entstanden
sind und ohne Markierung des Autornamens abgedruckt wurden. Hinter dieser Praxis stand
die Idee des Symphilosophierens:
"Vielleicht würde eine ganz neue Epoche der Wissenschaften und Künste beginnen, wenn die
Symphilosophie und Sympoesie so allgemein und so innig würde, daß es nichts seltnes mehr
wäre, wenn mehrere sich gegenseitig ergänzende Naturen gemeinschaftliche Werke
bildeten." (Friedrich Schlegel in einem Brief an seinen Bruder August Wilhelm, zit. nach:
Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Schriften auf der Berliner Zeit 1798-1799, Kritische
Gesamtausgabe Bd. 2, Berlin 1984, Historische Einführung des Herausgebers Hans-Joachim
Birkner, S. XXXII)
Diese gemeinschaftliche Praxis wird sicherlich auch von romantischen
Verschmelzungswünschen angetrieben. Im selben Brief schwärmt Schlegel von einer "Kunst,
Individuen zu verschmelzen" und entwirft ein Programm teilnehmender Kritik, die eben solche
"fantastischen Kombinationen" verschiedener Autoren vornehmen kann (durchgespielt am
Beispiel von Jean Paul und Peter Leberecht). Ganz praktisch leben die Romantiker aber auch
schon frühe Formen von Wohngemeinschaft1, Frauenenmanzipation, und freier Liebe, was sie
in dieser Hinsicht zu Vorläufern der Studentenbewegung macht.2
Die Intention des Symphilosophierens war radikaldemokratisch, die außerakademischen
gemeinschaftlichen literarischen Produktionsformen fanden ihren Ausdruck in einem
kompromißlos freien Ideenaustausch bis hin zu deren Verwertung.3

Zentrum der frühromantischen Lebens- und Produktionspraxis wurde ein auf Autonomie des
Einzelnen zielender emanzipatorischer Begriff von Gesellschaft und Geselligkeit, der die
Segmentierung und Partialisierung der arbeitsteiligen bürgerlichen Lebenszusammenhänge
und eine nach Herkunft selektierende geschlossene Gesellschaftsform zu überwinden
trachtete:
Schleiermacher entwickelte in seiner anonym veröffentlichten Abhandlung "Versuch einer
Theorie geselligen Betragens" das Konzept einer freien produktiven Geselligkeit, in der der
Einzelne in einem idealen Netzwerk von Querbeziehungen mit den Anderen in permanentem
Austausch steht und durch Schnittstellen zu den fremden Spären seinen Horizont und vor
allem seine Perspektive erweitert:
"Alles soll Wechselwirkung seyn [...] Alle sollten zu einem freien Gedankenspiel angeregt
werden."
( Friedrich Schleiermacher, ebd. S. 170)

Da die Beschränkungen der "häuslichen und bürgerlichen Verhältnisse", die


"unzusammnehängende Empirie" von Kunst und Wissenschaft und insbesonders die
überstiegenen Selbstbilder der Künstler solche Praktiken aber behindern, ist es die Rolle des
Kritikers und Theoretiker, fast möchte man sagen auch des Lesers, die in den vorliegenden
Kunstwerken schlummernden Kräfte zu wecken und wieder in soziale Praxis und gesellige
Formen zu übertragen:
"Der Theoretiker ist es, der bei der ganzen Untersuchung auf dem höchsten Standpunkt steht;
er allein sucht den Schlüssel des Räthsels und die letzten Gründe der Handlungen; er allein will
das gesellige Leben als ein Kunstwerk construieren, das Virtuosen es oft nur als eine schöne
Fantasie betrachten."
( Friedrich Schleiermacher, ebd. S. 167)
Die Frühromantik entwirft hier also schon einen produktiven Kritik- und Rezeptionsprozeß, in
dem die Werke und Texte vollendet werden: den "abgerissenen Theilen" und
fragmentarischen Werken wird ihre "Stelle im System" zugewiesen und "durch eigene
Ergänzungen" daraus ein Ganzes (re)konsruiert. Die Formen romatischer Geselligkeit mit ihren
fein verästelten Bezugnahmen, Querbezügen und wechelseitigen Kommunikationsprozessen
können beispielgebend für den Entwurf neuer Partizipationsformen sein. Frontale und
unidirektionale ästhetische Kommunikationsformen wie Schauspiel oder Vorlesung - ohne
gleichberechtigten Rückkanal - werden als "gebundene Geselligkeit" kritisiert. Als Utopie gilt
ein freies nicht-hierarchische Netzwerkmodell:
"Denn das ist der wahre Charakter einer Geselschaft [...], daß sie eine durch alle Theilhaber
sich hindurchschlingende, aber auch durch sie völlig bestimmente und vollendete
Wechselwirkung seyn soll. [...] Es sol keine bestimmte Handlung gemeinschaftlich verrichtet,
kein Werk vereinigt zu Stande gebracht, keine Einsicht methodisch erworben werden. Der
Zweck der Gesellschaft wird gar nicht als außer ihr liegend gedacht; die Wirkung eines Jeden
soll gehen auf die Thätigkeit der übrigen, und die Thätigkeit eines Jeden soll seyn eine
Einwirkung auf die andern. Nun aber kann auf ein freies Wesen nicht anders eingewirkt
werden, als dadurch, daß es zur eigenen Thätigkeit aufgeregt, und ihr ein Objekt dargeboten
wird [...]; es kann also auf nichts anders abgesehen seyn, als auf ein freies Spiel der Gedanken
und Empfindungen, wodurch alle Mitgleider einander gegenseitig aufregen und beleben."
( Friedrich Schleiermacher, ebd. S. 167)
Eine solche nicht-funktionale Theorie des geselligen Kunstwerks und der Geselligkeit als ein
Kunstwerk gleichermaßen kann durchaus als ein Prolegomenum zur Netzkunst, als ein früher
Aufruf zu einem kollaborativen Netzprojekt verstanden werden!
Die 'freie Geselligkeit der Netzwerke' sei also - frei nach Schleiermacher - keine Sphäre rein
geschäftlicher oder rein künstlerischer Prozesse, sondern ein Freiraum für Erweiterung und
Ergänzung einzelner individueller Perspektiven durch wechselseitigen Austausch von
Gedanken!

1 Etwa von Schleiermacher und Schlegel, die ein intensives häusliches Zusammenleben und -
arbeiten pflegen: während der gemeinsamen Malzeiten wird diskutiert, vorgelesen, über
Formulierungen beraten .. die die aus diesem Zusammenleben erwachsende
gemeinschaftliche literarische Produktion wird dann später wiederum zum Gegenstand und
zum Stimulans weiterer geselliger Zusammenkünfte. Vgl. Hoffmann-Axthelm, Inge:
"Geisterfamilie". Studien zur Geselligkeit der Frühromantik, Frankfurt am Main 1979, die
Geselligkeit als "jede Art von Berührung, Relation, Kontakt, Zusammenhang, und, darüber
hinaus, Vermischung zwischen den von ihm abgelehnten Extremen der totalen Vereinzelung
und des strengens Systems (S. 155)" geradezu als Leitbegriff für Schleichermachers Denken
herausarbeitet.
2 vgl. Gisela Dischners vorzügliche Zusammenstellung historischer Dokumente in: Dischner,
Gisela: Friedrich Schlegels Lucinde und Materialien zu einer Theorie des Müßiggangs,
Hildesheim 1980.
3 So ist etwa die Teilnahme von Schlegels Freunden an der Entstehung der "Lucinde" nicht zu
unterschätzen: Streichungs- und Änderungsvorschläge wurden aufgenommen und geplant
war eine Fortsetzung des Romans auf der Basis von Briefen ... Eine "Mischung von Autoren"
und ein prinzipiel offener und unendlicher poetischer Produktions- und Reproduktionsprozeß.
In den romantischen Zirkeln fungiertenen die Texte als Vorlage und Vorschlag zur weiteren
Bearbeitung. Gemeinsames Vorlesen wurde begriffen als eine produktive sympoetische
Begegnung zwischen Autor, Vorleser und Zuhörern.

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