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Aus: Financial Times Deutschland vom 24.08.

2011

Thomas Fricke

Rezessionsfaktor Merkel
Kommentar Die konjunkturellen Warnsignale nehmen zu. Weniger wegen der
jüngsten Aktienkurseinbrüche, sondern vielmehr als Folge der neuen Panikrunde
um Europas Staatsfinanzen. Jetzt rächt sich das ewige Zögern und Zaudern der
Kanzlerin.

An potenziellen Schocks mangelt es nicht. Von den Banken ist zu hören, dass das ge-
genseitige Misstrauen wieder wächst - wie nach der Lehman-Pleite, wenn auch noch
nicht so ausgeprägt. Das könnte im Fall eines Kollaps rasch zu massenhaft gestoppten
Finanzierungen führen. Ein anderer Schock könnte politisch sein. Wenn die Skepsis
wächst, dass die vereinbarten Rettungspakete für die Krisenländer doch nicht kommen,
ist der Kollaps so gut wie sicher. Immerhin gilt die Ausweitung der Marktpanik auf Spa-
nien, Italien und ansatzweise Frankreich als ein Hauptgrund für Börsenabstürze und
konjunkturelle Rückschläge, ergab die neue Umfrage unter den Topökonomen des
FTD-Konjunkturschattenrats.
Das Fatale daran ist, dass die deutsche Regierung an dieser Ausweitung nicht ganz
unschuldig ist, um es vorsichtig auszudrücken. Die Bundeskanzlerin hat monatelang
hinzuhalten versucht und stur darauf gepocht, dass es nur Hilfe gibt, wenn die Privat-
gläubiger an den Rettungspaketen beteiligt werden - entgegen allen Warnungen, dass
dies zwar im Grunde vernünftig ist, aber nicht die richtige Zeit, weil es bei so labilen und
panikgeneigten Märkten nur die Gefahr einer neuen Spirale in sich birgt, bei der die Kri-
se immer neue Länder erfasst.
Jetzt ist genau das passiert. Die Kanzlerin ist stur geblieben, und die Krise hat seitdem
eine neue Dramatik gewonnen, vor der Europas Zentralbanker gewarnt hatten. Jetzt
sind Spanien, Italien und Frankreich unter Druck, drei Länder, die Deutschland wirt-
schaftlich alles andere als egal sein können. Und die Notenbanker mussten mit dem - in
Normalzeiten absurden - Kauf von Staatsanleihen einspringen, um Schlimmeres noch
zu verhindern. Umso fahrlässiger wirkt, wie unbedacht Deutschlands Politiker nach wie
vor mit dem Feuer spielen und so tun, als seien die Hilfen eine Art großzügiger deut-
scher Geste an böse Länder. Nein, es geht darum, den Kollaps von Märkten zu verhin-
dern. Und spätestens die neuen Ifo-Werte lassen erahnen, dass so etwas auch
Deutschlands viel gefeierte Wirtschaft in eine schwere Krise stürzen würde. Das kann
nicht in deutschem Interesse sein.
Es wird höchste Zeit, aus den Fehlern der vergangenen Monate zu lernen. In Finanzkri-
sen mit hohem Verselbständigungspotenzial muss man schnell und radikal gegenhal-
ten. Da helfen keine ordnungspolitischen Predigten. Das politische Zögern und Zaudern
könnte sich für Deutschlands Wirtschaft bald rächen.

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