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Elektrohypersensibilität

Risiko für Individuum und Gesellschaft

Mit Beiträgen von Franz Adlkofer, Christine Aschermann, Frank Berner,


Bernd Irmfrid Budzinski, EUROPAEM Arbeitsgruppe EMF, Karl Hecht,
Lebrecht von Klitzing, Wilfried Kühling, Peter Ludwig, Werner Thiede.

1
Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks
Eine Schriftenreihe der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V.

HEFT 11
HERAUSGEBER
Prof. Dr. rer. nat. Klaus Buchner
Bernd Irmfrid Budzinski
Dr. med. Horst Eger
Dr. med. Markus Kern
Dr. phil. Peter Ludwig
Prof. Dr. phil. Karl Richter
Dr. rer. nat. Ulrich Warnke

REDAKTION
Dr. med. Christine Aschermann
Dr. phil. Peter Ludwig

BESTELLMÖGLICHKEITEN
Deutschland und International
Diagnose-Funk | Umwelt- und Verbraucherorganisation zum Schutz vor Funkstrahlung e.V.
Diagnose-Funk Versand | Palleskestr. 30 | D - 65929 Frankfurt | Fax: +49 (0)69 / 36 70 42 06
bestellung@diagnose-funk.org | www.shop.diagnose-funk.org
Preis: 8,00 €

ISBN 978-3-9812598-9-6

Die Broschüre wurde finanziell gefördert durch

Jo Marty, BMO AG, Uster


Schweiz: Entwicklung /
Forschung für Kosmetik
und natürliche Heilmittel;
Seminare, Vorträge;
Workshops

BILDNACHWEISE

Titelbild
Cornelia Waldmann-Selsam

Innenteil
S. 10f.: <a href='https://de.123rf.com/profile_vapi'>vapi / 123RF Lizenzfreie Bilder</a> ---
S. 23: diagnose:funk
S. 42f.: <a href='https://de.123rf.com/profile_stevanovicigor'>stevanovicigor / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>
S. 63: <a href='https://de.123rf.com/profile_vertolet'>vertolet / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>
S. 67: R_K_by_Robert Müller_pixelio.de
S. 79: <a href='https://de.123rf.com/profile_pabmap'>pabmap / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>
S. 86f.: <a href='https://de.123rf.com/profile_dotshock'>dotshock / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>
S. 91: <a href='https://de.123rf.com/profile_dzejmsdin'>dzejmsdin / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>
S. 95: <a href='https://de.123rf.com/profile_kesu87'>kesu87 / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>
S. 105: <a href='https://de.123rf.com/profile_dedivan1923'>dedivan1923 / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>
S. 109: <a href='https://de.123rf.com/profile_antonioguillem'>antonioguillem / 123RF Lizenzfreie Bilder</a>

Alle Urheberrechte vorbehalten


Saarbrücken, 1. Auflage August 2018

2
Elektrohypersensibilität
Risiko für Individuum und Gesellschaft

Inhalt
Vorwort
Christine Aschermann und Peter Ludwig Seite 4
Einleitung
Elektrohypersensibilität: Die neue Volkskrankheit?
Christine Aschermann, Peter Ludwig und Werner Thiede Seite 6

Zur gesellschaftlichen Situation Seite 10


Elektrohypersensibilität als gesellschaftliche Herausforderung
Kulturwissenschaftliche Anmerkungen zu einer drängenden
und verdrängten Frage unserer Zeit
Peter Ludwig Seite 12
Nur noch „strahlende“ Zählersysteme?
Für Vorsorge und Rücksichtnahme beim Messen von Elementargüterbezug
Werner Thiede Seite 22
"Es ist zu befürchten, dass viele eigentlich EHS-Betroffene
fälschlicherweise psychiatrisch behandelt werden ..."
Peter Ludwig im Gespräch mit Frank Berner Seite 32
Unzählige Beschwerden — eine Ursache
Interview mit einer Elektrosensiblen
Das Gespräch führte Christine Aschermann. Seite 38

Aus der Forschung und ärztlichen Praxis Seite 42


Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie
EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten
Europäische Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM), Arbeitsgruppe EMF Seite 44
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität
Kognitive Störung als gemeinsames Symptom - Ärztliche Stellungnahme – Forderung an die Politik
Christine Aschermann Seite 62
Die WLAN-Technologie: Ein Experiment auf Kosten der Gesellschaft
mit ungewissem Ausgang
Franz Adlkofer und Lebrecht von Klitzing Seite 78

Zum Recht auf Gesundheit, Schutz und Vorsorge Seite 86


Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?
Bernd Irmfrid Budzinski und Karl Hecht Seite 88
Mobilfunkfreie „Weiße Zonen“ - irreal oder rechtlich geboten?
Bernd Irmfrid Budzinski und Wilfried Kühling Seite 104

Bücher zum Thema dieser Broschüre Seite 115

Über die Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V. Seite 116

3
VORWORT

Vorwort
Christine Aschermann und Peter Ludwig

„Nicht eine glücksorientierte Gesellschaft,


eine wahrheitsorientierte Gesellschaft
hat eine Zukunft.“
Carl Friedrich von Weizsäcker

Elektro(hyper)sensibilität ist ein Politikum. Und zwar Indessen spitzt sich die bedrohliche Lage für die um-
nicht etwa in dem Sinne, dass in Politik und Gesell- weltkranken Elektrosensiblen immer mehr zu. Die neue
schaft über diese Umweltkrankheit heiß debattiert Bundesregierung strebt an, allerletzte Funklöcher
würde, sondern im Gegenteil: Die Politik im Verein mit schließen zu wollen. Technisch will man demnächst in
Industrie und Wirtschaft ist heiß bemüht, das Thema der Lage und willens sein, Funkwasserzähler auch noch
unter der Decke zu halten und reduktionistisch als in tiefsten Keller zu erreichen. SmartCity, SmartHome,
„rein psychische Angelegenheit“ zu deuten. Bezeich- SmartMeter, SmartSchool und SmartTraffic sollen mit
nend ist beispielsweise die hochproblematische Aus- WLAN und dem neuen 5G-Mobilfunk realisiert werden.
kunft des bayerischen Gesundheitsministeriums, es ge- Tausende neue Sendeanlagen sind geplant auch in Ge-
be keine medizinischen Studien, die einen kausalen Zu- stalt von Tausenden Satelliten aus der Erdumlaufbahn,
sammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern/ damit wirklich jeder Quadratmeter der Erde mit der
Strahlen und gesundheitlichen Effekten belegen könn- künstlichen elektromagnetischen Strahlung erreicht
ten. Wäre diese Behauptung wahr, hätte man relativ wird. Aus Gully-Deckeln und Straßenlampen soll Mobil-
wenig Anlass, Rücksichten auf die Befindlichkeiten funk quellen. Und in den Schulen sollen die Klassenzim-
elektrosensibler Mitmenschen in unserer Gesellschaft mer zunehmend verfunkt werden.
zu nehmen. Ist sie aber unwahr, dann ist der öffentli-
che Umgang mit der betroffenen, allzugern tabuisier- Der ethische Grundsatz, es dürfe nicht alles umgesetzt
ten Minderheit skandalös und eines Rechtsstaats un- werden, was technisch machbar sei, gilt offenbar nicht
würdig. mehr. Menschlichkeit wird abgelöst durch „post-
humanistische“ Orientierung. Alles wird dem Ziel einer
Tatsächlich hat die internationale Forschung vor allem „Gigabit-Gesellschaft“ untergeordnet – und läuft laut
dort, wo sie industrieunabhängig vorangetrieben wur- Yuval N. Hararis Bestseller „Homo Deus“ (2017) auf ei-
de, in diversen Studien und ärztlichen Beobachtungen ne „Datenreligion“ hinaus. Gewiss benötigt der digitale
einen kausalen Zusammenhang zwischen Funkstrah- „Fortschritt“ heute umfassende Funklösungen. Deshalb
lung und biologischen Effekten aufgezeigt. Exempla- darf offenkundig auf die Minderheit elektrosensibler
risch seien hier aus Deutschland Aufsätze der Professo- Mitmenschen keine Rücksicht genommen werden. In
ren Dr. Wilfried Kühling (Gesundheitliche Effekte durch diesem brutalen Beschluss scheint sich die Gesellschaft
hoch- und niederfrequente Felder, in: Internistische stillschweigend einig zu sein – die Presselandschaft
Praxis 3/2016) und Dr. Lebrecht von Klitzing (Artifi- (von Ausnahmen abgesehen) inbegriffen.
zielles EMG nach WLAN-Langzeitexposition, in: Umwelt
– Medizin – Gesellschaft 4/2016) genannt. Weiteres Der namhafte französische Krebsforscher Professor Do-
einschlägiges Material hat bereits das Buch „Mythos minique Belpomme hat an die 700 Elektrosensible un-
Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft“ (2012) von tersucht und in einem Arte-TV-Interview betont: „Es
Professor Werner Thiede gebracht, das auch die Grün- geht nicht darum, jeglichen technischen Fortschritt
de durchsichtig macht, warum Politik und Behörden rückgängig zu machen, aber Staat und Verbände müs-
den Mobilfunk-Mythos so eifrig schützen. sen handeln. Man muss beispielsweise die Schaffung

4
elektrosmogfreier Zonen anregen. Derzeit leugnen die Dieser Symptomenkomplex wird ärztlicherseits nach
Politiker das Problem völlig. Gesundheitlich zahlen wir ICD 10 (International Classification of Diseases, German
dafür einen hohen Preis…“ Von daher aber stellt sich Modification) mit Z58 verschlüsselt – hindeutend auf
die Entscheidungsfrage, deren Beantwortung Folgen Kontaktanlässe mit Bezug auf die physikalische Umwelt
für das Gesicht unserer Gesellschaft insgesamt haben wie beispielsweise Luft- oder Bodenverschmutzung,
wird: Haben Empathie und Rechtsstaatlichkeit ange- Strahlung usw.
sichts der fortschreitenden digitalen Revolution doch
noch eine Chance, oder werden sie mitsamt der Pri- Mit dieser Broschüre hoffen wir, die Öffentlichkeit ak-
vatsphäre Zug um Zug entsorgt? tuell aufzuklären und elektro(hyper)sensiblen Mitbür-
gerinnen und Mitbürgern eine nützliche Handreichung
Das neueste Negativbeispiel ist die Entscheidung des zu übergeben für ihre Argumentation gegenüber un-
bayerischen Landtags zu Gunsten einer teilweise beste- aufgeklärten bzw. allzu einseitig „aufgeklärten“ Ärzten,
henden Akzeptanzpflicht bei Wasserzählern mit Funk- Politikern, Verwaltungsbeamten, Technologen, Firmen,
modul: Wer beispielsweise ein Haus kauft, in dem be- Nachbarn … Es geht nicht nur um mehr Schutz und
reits ein solcher „Dauerfunker“ installiert ist, hat Rechte für die Betroffenen, zu denen eine wachsende
künftig kein Recht mehr, den Ausbau bzw. das Abschal- Anzahl von Menschen aller Altersstufen und auch Tiere
ten des Funkmoduls zu verlangen; das Grundrecht auf und Pflanzen zählen. Vielmehr steht der so oder so fol-
Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung gemäß Art. 13 genreiche Weg zur Debatte, für den sich unsere Gesell-
GG ist insofern also schon außer Kraft gesetzt. Wahr- schaft aktuell entscheidet. Wird diese Debatte gezielt
scheinlich aber lässt sich das so häufige Funken von vermieden oder energisch angestoßen werden, viel-
Wasser- und Stromzählern nur schwer mit der neuen leicht auch durch die vorliegende Schrift? Werden die
Datenschutzgrundverordnung der EU vereinbaren, die Bürgerinnen und Bürger gerade in den führenden In-
das Prinzip der Datenminimierung macht. Was es mit dustrieländern die Vernunft und die Kraft aufbringen,
der Problematik funkender Zähler insgesamt auf sich sich einer menschenverachtenden, totalitären Durch-
hat und warum es hier keineswegs um „Kleinigkeiten“ setzung des technisch Machbaren zu widersetzen?
geht, erläutert der Beitrag von Werner Thiede in die-
sem Heft näher. Weitere Beiträge industrieunabhängi- Saarbrücken, im Sommer 2018
ger Expert(inn)en und Autor(inn)en verschiedener
Fachrichtungen informieren über die gesellschaftliche Dr. med. Christine Aschermann
Situation, Forschung und ärztliche Praxis sowie das Dr. phil. Peter Ludwig
Recht auf Gesundheit, Schutz und Vorsorge. Hilfreich
dürfte besonders auch die hier abgedruckte Leitlinie
2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-
bedingter Beschwerden und Krankheiten der Europäi-
schen Akademie für Umweltmedizin sein.

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EINLEITUNG

Elektrohypersensibilität:
Die neue Volkskrankheit?
Christine Aschermann, Peter Ludwig und Werner Thiede

In der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland ist um Rücksichtnahme werden oft ignoriert oder lächer-
das Phänomen Elektrohypersensibilität (EHS) kaum lich gemacht. In Interviews jedoch entpuppen sie sich
präsent und in weiten Teilen der Bevölkerung unbe- in der Regel als ganz "normale, durchschnittliche" Bür-
kannt. Hin und wieder berichten Medien über elekt- ger, nur dass sie sich von einer Smartphone-nutzenden
rohypersensible Menschen, in denen diese als eine Art Öffentlichkeit fernhalten. Ihr Leiden und ihre Entbeh-
Zivilisationsflüchtlinge dargestellt werden, die im rungen werden von ihrer sozialen Umgebung kaum
Wohnwagen im Wald hausen, ohne elektrischen Strom wahrgenommen. Ihre Zahl nimmt ständig zu.
und fließendes Wasser, ohne Telefon und Fernsehen.
Solch ein Leben außerhalb der Gesellschaft wirkt auf Seit den 90er Jahren warnen international und nationa-
die komfortgewohnten Menschen des 21. Jahrhunderts le anerkannte Forscher, Wissenschaftler und Ärzte vor
sehr befremdlich, geradezu exotisch, aber da es sie dieser Entwicklung. Angesichts einer global voran-
nicht betrifft, machen sie sich meistens keine weiteren schreitenden, politisch gewollten ‚Digitalen Revoluti-
Gedanken darüber. Allenfalls: „Ich könnte so nicht exis- on‘, die auf die ubiquitäre Verbreitung von Funk-Infra-
tieren. Aber man muss diese Menschen lassen, wenn strukturen und Funk-Anwendungen setzt, als sei dies
sie die moderne Lebensweise ablehnen.“ unbedingt notwendig und ohne Alternative, scheint die
damit einhergehende kollektive Strahlenbelastung
Das Leid, das mit Elektrohypersensibilität verbunden kaum zu stoppen. Lennart Hardell, einer der weltweit
ist, wird anscheinend gar nicht erkannt, anerkannt und führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet, fordert ak-
reflektiert. In einem sehr bewegenden Appell internati- tuell dazu:
onaler Betroffenenorganisationen an Papst Franziskus
heißt es: "Elektrosensible werden auch als die neuen „Jetzt ist es an der Zeit, dass Laien, NGOs und Wissen-
'Aussätzigen' bezeichnet, nicht weil sie irgendeine schaftler auf die Politiker Druck ausüben, um das Pro-
Krankheit übertragen, sondern weil das Leben inner- gramm der WHO zur Bewertung von hochfrequenten
halb der Gesellschaft für sie unmöglich wird."1 elektromagnetischen Feldern und Gesundheitsrisiken zu
verändern und um zu zeigen, dass es das Mandat der
Neben diesen Schwerstbetroffenen, die immerhin als WHO ist, die Weltgesundheit zu fördern und nicht die
„kauzige Außenseiter“ kurzfristige Neugier erregen, Interessen der Industrie zu unterstützen.“²
stehen auch die vielen Elektrohypersensiblen, die
mitten in unserer Gesellschaft in abgeschirmten Woh- Bislang fehlt es auf internationalen wie nationalen Ebe-
nungen oder unter Abschirmkleidung leben, gelegent- nen an fruchtbarer Diskussion und ernsthafter Verstän-
lich im Fokus der Medien. Das ist z. B. der Fall, wenn digung über das Thema ‚Elektrohypersensibilität‘ zwi-
über eine neue Studie mit „selbsternannten Elektro- schen den Akteuren Staat, Industrie, Wissenschaft und
(hyper)sensiblen“ berichtet wird oder wenn es allge- Gesellschaft. Eine von zahlreichen Organisationen ge-
mein um Menschen geht, die über Umweltbelastungen tragene aktuelle Grundsatzschrift kommt deshalb unter
klagen. Sie werden häufig als psychisch gestört be- anderem zu dem Befund:
zeichnet, als Hypochonder oder Phobiker. Ihre Bitten

6
Elektrohypersensibilität (EHS): Die neue Volkskrankheit?

„Nach den beobachtbaren Einstellungen des Umgangs Vor diesem Hintergrund wendet sich die vorliegende
mit elektrohypersensiblen Menschen erscheint die be- Schrift nicht nur an EHS-Betroffene und medizinische
triebene Mobilfunkpolitik als ein unzureichend infor- Experten. Interdisziplinär ausgerichtet, versucht sie,
miertes Programm staatlicher Technik- und Wirt- aus unterschiedlichen Fachperspektiven die Menschen
schaftspolitik, das den Robusten zur gewünschten und das Thema ‚Elektrohypersensibilität‘ als eine Folge
Norm erhebt, sensibleren Menschen aber mehr oder der wachsenden elektromagnetischen Belastung zu be-
minder diskret mitteilt, dass sie weder erwünscht sind trachten. Durch die unterschiedlichen Schwerpunkte
noch gebraucht werden … Der australische Journalist und sich gegenseitig ergänzenden Sichtweisen werden
Don Maisch beobachtet im Wirkungsbereich der Mobil- Zusammenhänge verdeutlicht, die bisher öffentlich
funkpolitik Tendenzen eines ökonomischen Machiavel- kaum wahrgenommen werden, und neue Handlungs-
lismus, der sich kommerziellen Interessen zuliebe von optionen aufgezeigt.
Geboten der Moral und Menschlichkeit freispricht und
eine schleichende Entrechtung von Bürgern billigend in Wir hoffen, damit auch eine breitere Öffentlichkeit an-
Kauf nimmt. Deutlicher als im Umgang mit elektrohy- zusprechen, Menschen aus allen Kreisen der Bevölke-
persensiblen Menschen kann dieser Politikstil kaum in rung, die sich bisher nicht in der Lage sahen, die Situati-
Erscheinung treten.“³ on zu bewerten, oder die bislang keinen Zugang zu
Es ist vor allem der Arbeit zahlreicher engagierter Bür- dem Thema fanden. Denn es braucht - endlich - eine
ger-, Ärzte- und Wissenschaftler-Initiativen zu verdan- gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung über die
ken, dass das Thema ‚Elektrohypersensibilität‘ seit der massive Durchdringung unseres Lebensraumes mit
Einführung des Mobilfunks bis heute wenigstens nicht elektromagnetischer Strahlung, über den Teilaspekt
ganz in Vergessenheit geraten ist. Beispielhaft seien Elektrohypersensibilität hinaus. Es ist unsere Überzeu-
hier etwa der Freiburger Appell 2002 oder der noch gung, dass - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit - unsere
laufende Internationale Wissenschaftler-Appell 2015 gesamte Gesellschaft schon jetzt und mehr noch in Zu-
genannt.4 Doch es mangelt besonders auf Seiten von kunft von den Auswirkungen der Hoch-Risiko-Technik
Staat und Industrie noch immer an Willen zu einem Mobilfunk und verwandten Funktechniken betroffen
transparenten politischen und am öffentlichen Dialog. sein wird.
Es könnte ein erster Schritt hin zum Dialog sein, wenn
eine jüngere Studie der schweizerischen Stiftung Risi- Was die Zukunft angeht, so dreht sich vieles um den
ko-Dialog im Auftrag des staatlichen Bundesamtes für vor der Tür stehenden, noch schneller funktionieren-
Strahlenschutz (BFS) im Herbst 2017 über weltweit ak- den Mobilfunk-Standard 5G. Hier geht das Planen
tuelle Risiko-Einschätzungen im Mobilfunk-Bereich in- schon bis in den Himmel hinauf: Offenbar möchte Elon
formiert und dabei erstmalig gleichberechtigt auch Musk von dem US-amerikanischen Unternehmen Tesla
nicht-staatliche zivilgesellschaftliche Expertisen mit ein- ein Netz von tausenden erdnahen Satelliten in-
bezieht.5 Es braucht jedoch noch viele weitere Schritte, stallieren, das ultraschnelles und lückenloses Internet
um eine gesamtgesellschaftliche Diskussion und politi- auf jedem Quadratmeter der Erde ermöglicht. Erste
sches Handeln in Gang zu bringen. Test-Satelliten sind bereits im Umlauf und sollen der

7
EINLEITUNG

Anfang für das „himmlische“ Netz sein, das 2019 online sikprofessor Yuri Feldman mögliche Gefahren einer
gehen soll. Etwa zehn weitere Firmen wollen ebenfalls Mikrowellenstrahlung im Bereich oberhalb von 50 Gi-
Tausende von Satelliten installieren, um Mobilfunk von gahertz (wie sie bisher für Waffen geprüft worden ist!)
oben zu senden. Bisher waren weltweit „nur“ einige aufgelistet: „Die Schweißdrüsen in der Haut, zwei bis
Dutzend Mobilfunk-Satelliten aktiv. vier Millionen im Schnitt, reagierten auf diese kurzwel-
lige Strahlung ‚wie Antennen‘. Deshalb müssten mögli-
Viele freuen sich schon auf die neue Strahlung – und che Gesundheitsgefahren unbedingt abgeklärt werden,
blenden die Risiken aus. Dabei deuten immer mehr In- bevor die Menschheit ‚einem gigantischen unkontrol-
dizien auf die biologisch zweifelhafte Wirkung von lierten Experiment‘ ausgesetzt würde.“9
Funkstrahlung hin. Das betrifft zum einen die Krebsge-
fahr. Schon 2014 erklärte der US-amerikanische Mobil- Auch die Schweizer Ärzte für Umweltschutz warnten
funk-Experte Martin Blank in seinem Buch Overpowe- im Dezember in einer Medienmitteilung vor einer zu
red, die herkömmliche Einteilung in ionisierende (z.B. schnellen Einführung von 5G. Doch das Schweizer Bun-
aus radioaktiven Substanzen stammende) Strahlung desamt für Umwelt (Bafu) hielt dagegen: Die Anwen-
und nicht-ionisierende Strahlung (wie Mobilfunk) sei dungsmöglichkeiten derart hoher Frequenzen befän-
willkürlich. 2016 wurden in den USA Teil-Ergebnisse den sich erst im Forschungsstadium, so dass ja noch ge-
der bisher umfassendsten Tierstudie zu nicht- nügend Zeit bleibe, kritischen Fragen nachzugehen. Die
ionisierender Strahlung und Krebs weltweit bekannt: Forderung nach einem Moratorium sei gut gemeint,
Laut dem National Toxicology Program (NTP) kann Mo- aber „aus prinzipiellen Gründen nicht umsetzbar“.
bilfunkstrahlung durchaus auf verstandene Weise zu Denn es sei unmöglich, die „sehr vielen biologischen
Tumoren führen. Weltweit führende Experten wie Len- Funktionen, die potenziell beeinflusst werden könn-
nart Hardell und Franz Adlkofer, neuerdings auch italie- ten“, vollständig im Voraus abzuklären. Warum aber
nische Forscher des Ramazzini Institute Bologna, sind dann bitte nicht wenigstens teilweise? Ist diese angeb-
aufgrund ihrer Studienergebnisse von der Krebsgefähr- liche Unmöglichkeit nicht vielmehr im pekuniären In-
dung durch Mobilfunk überzeugt.6 Und 2018 unter- teresse von Industrie und Wirtschaft begründet?
mauerte Isabel Wilke mit einer umfangreichen Über-
blicksstudie zu WLAN den Verdacht auf Gesundheits- Insbesondere eventuelle Langzeitauswirkungen könn-
schädlichkeit.7 ten dafür nicht erfasst werden, hieß es aus der Schweiz
weiter. Als gäbe es nicht bereits besorgniserregende
Zum andern geht es gerade auch bei 5G um die noch Mobilfunk-Langzeitstudien wie von dem Medizinpro-
unklare Direktwirkung auf Elektrosensible. Vorigen fessor Karl Hecht („Zu den Folgen der Langzeiteinwir-
Herbst unterzeichneten über 180 Ärzte und Wissen- kungen von Elektrosmog“, 2014) oder aus den USA be-
schaftler aus 36 Ländern den sogenannten 5G-Appell sagte NTP-Studie. Schließlich erklärte das Schweizer
und forderten ein Moratorium: Sie warnten davor, Bundesamt: Gemäß dem Vorsorgeprinzip sollten die
„Millionen von Menschen einem Experiment mit unkla- Emissionen „so weit begrenzt werden, als dies tech-
ren Auswirkungen auf die Gesundheit auszusetzen.“8 nisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich trag-
Die hochfrequenten Mikrowellen im neu geplanten Be- bar ist, mindestens aber so weit, dass nachgewiesene
reich von 6 bis 100 Gigahertz haben sehr kurze Wellen- Risiken für die Gesundheit ausgeschlossen werden kön-
längen von nur wenigen Millimetern, und die werden nen.“10 Technische und wirtschaftliche Tragbarkeit ist
bei Frequenzen über 20 Gigahertz primär von der Haut also entscheidend? Angesichts der internationalen Stu-
absorbiert. Also soll der Haut und den Extremitäten des dienlage darf bezweifelt werden, ob Gesundheits-
Menschen eine höhere Strahlenbelastung zugemutet risiken wirklich interessieren; missachtet wird jeden-
werden, ohne dass wirklich klar wäre, wie hoch sie sein falls schon einmal grob die biologische Toleranzgrenze
darf, ohne kurz-, mittel- oder langfristig Schädigungen bei der Minderheit funkempfindlicher Menschen. Wel-
hervorzurufen. Zunächst soll 5G allerdings in den bishe- che Horizonte tun sich hier auf? Zeigt der Post-
rigen längerwelligen Frequenzbereich eingefügt wer- humanismus sein brutales Gesicht? Trägt die Planung,
den; erst Jahre später soll dann in einem zweiten 5G weltweit flächendeckend zu betreiben, nicht in-
Schritt die Nutzung von Frequenzen in Millimeter- sofern totalitäre Züge, als keineswegs alle Menschen
wellenband über 20 Gigahertz zum Tragen kommen. solche „Versorgung“ wünschen, sie zum Teil sogar ent-
Bislang gibt es jedenfalls kaum Untersuchungen hin- schieden ablehnen?
sichtlich der biologischen Gesamtwirkungen. Immerhin
hat eine international präsentierte Studie der Hebräi- Bislang war noch nicht zu erfahren, ob, wann und wem
schen Universität in Jerusalem unter Leitung von Phy- die Genehmigungen für die titanischen Satellitenpro-

8
Elektrohypersensibilität (EHS): Die neue Volkskrankheit?

jekte erteilt werden. Ließe sich da nicht durch Aktivitä- gehören zu den Verlierern der rücksichtlos vorangetrie-
ten von verantwortungsbewussten Politikern, kirchli- benen digitalen Revolution. Jeder hingegen, der sich
chen Ethikern und engagierten Verbänden rechtzeitig menschliches Empfinden bewahrt hat und darauf hört,
etwas mehr Nachdenklichkeit erzeugen? Doch wahr- muss und wird sich für sie einsetzen, letztlich zum
scheinlich dürfte schon alles zu spät sein. Mittlerweile Wohle alles Lebendigen.11
arbeitet man bereits am 6G-Standard. Elektrosensible

1) Zum zunehmend sich auch international artikulierenden 6) Vgl. dazu einige ausgewählte Publikationen zum Thema:
Widerstand von EHS-Betroffenen-Organisationen vgl. die aus- Lennart Hardell und Michael Carlberg in ihrem Resultat
gewählten Berichte und Stellungnahmen online http:// "karzinogen" für die BioInitiative - http://www.aerzte-und-
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/europaeische-ehs- mobilfunk.eu/evidence-for-increased-risk-of-brain-tumors/ -
betroffenen-organisationen-zur-situation/ (letzter Zugriff Interview mit Franz Adlkofer zur NTP-Studie - https://
30.06.2018) www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/
detail&newsid=1086 -
2) World Health Organization, radiofrequency radiation and
health – a hard nut to crack (Review). In: International Jour- Zur neuen Studie des Ramazzini Institute (RI), Bologna -
nal of Oncology, July 2017. https://doi.org/10.3892/ http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/new-ri-study-
ijo.2017.4046, (letzter Zugriff 30.06.2018) confirms-cancer-link/
3) Gegen Irrwege der Mobilfunkpolitik – für Fortschritte im 7) Zum von diagnose:funk herausgegebenen Review von Isa-
Strahlenschutz. Scheinwissenschaftlich legitimiertes staatli- bel Wilke s. http://www.aerzte-und-mobilfunk.eu/neue-wlan
ches Handeln und seine sozialen Folgen. In: Gegen Irrwege -review-bestaetigt-gesundheitsrisiken/ sowie https://
der Mobilfunkpolitik - für Fortschritte im Strahlenschutz. Kriti- www.diagnose-funk.org/themen/mobilfunk-anwendungen/
sche Bilanz nach einem Vierteljahrhundert des Mobilfunks. wlan-an-schulen
Heft 10 der Schriftenreihe der Kompetenzinitiative, S.11f.
8) Zum Appell s. http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/
http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/gegen-irrwege-der-
internationale-wissenschaftler-zu-5g-potentiell-ernste-
mobilfunkpolitik-fuer-fortschritte-im-strahlenschutz/
gesundheitliche-auswirkungen/
(letzter Zugriff 30.06.2018)
9) https://ehtrust.org/internet-things-poses-human-health-
4) Zu bisherigen Ärzte-Appellen s. http://www.aerzte-und-
risks-scientists-question-safety-untested-5g-technology-
mobilfunk.eu/aerzte-appelle/ - Zum aktuellen Internationa-
international-conference/
len Wissenschaftler Appell s. http://kompetenzinitiative.net/
(letzter Zugriff 06.07.2018)
KIT/KIT/internationaler-wissenschaftler-appell/ (letzter Zu-
griff 30.06.2018) 10) https://www.beobachter.ch/gesundheit/5g-mobilfunk-
strahlung-mit-unbekanntem-risiko
5) Ausgewählt wurden: BfS (Bundesamt für Strahlenschutz),
BioInitiative, BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz 11) Vgl. zum Thema Werner Thiede: Mythos Mobilfunk. Kritik
Deutschland e.V.), diagnose:funk e.V., Dkfz (Deutsches Krebs- der strahlenden Vernunft, München 2012; Martin Blank:
forschungszentrum), Ecolog – Institut für sozial-ökologische Overpowered. The Dangers of Electromagnetic Radiation
Forschung und Bildung gGmbH, IARC (International Agency (EMF) and What You Can Do About It. Seven Stories Press
For Research On Cancer), ICNIRP (International Commission 2014; Ursula Niggli: Land im Strahlenmeer. Über die gesund-
on Non-Ionizing Radiation Protection), IZMF (Informa- heitlichen Auswirkungen von Funkstrahlungen bei Mensch
tionszentrum Mobilfunk e.V.), Kompetenzinitiative zum und Tier – eine europäische Diskussion, Berlin 2017; Christine
Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V., Aschermann/Cornelia Waldmann-Selsam: Elektrosensibel.
LUBW und LfU (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Strahlenflüchtlinge in einer funkvernetzten Gesellschaft, Aa-
Naturschutz Baden-Württemberg, Bayerisches Landesamt für chen 2017.
Umwelt), SCENIHR (Scientific Committee on Emerging and
Newly Identified Health Risks), SSK (Strahlenschutz-
kommission), WHO (World Health Organization). Studie onli-
ne http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/divergierende-
risikobewertungen/

9
10
Zur gesellschaftlichen Situation
Menschen mit ‚Elektrohypersensibilität‘ (EHS) sind international wie natio-
nal gesehen seit langem ausgegrenzt. Das wirft unterschiedliche Fragen
auf: Wie lässt sich die derzeitige gesamtgesellschaftliche Situation ein-
schätzen, in der das Thema weitgehend tabuisiert ist? Wie steht es um die
ethischen und politischen Herausforderungen angesichts der gestiegenen
Gesundheitsbeeinträchtigungen gerade von EHS-Betroffenen, etwa am
Beispiel der vieldiskutierten Einführung funkender Zählersysteme? Und
wie sehen typische Erfahrungen von EHS-Betroffenen und Betroffenen-
Organisationen bei näherer Betrachtung aus?

11
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Elektrohypersensibilität als
gesellschaftliche Herausforderung
Kulturwissenschaftliche Anmerkungen
zu einer drängenden und verdrängten Frage unserer Zeit

Peter Ludwig

Elektrohypersensibilität (EHS)? - Es ist wohl in weiten Schichten und Kreisen unserer Gesell-
schaft Realität, dass über Elektrohypersensibilität nur sehr wenig oder so gut wie gar nichts
bekannt ist. Dabei wird das Phänomen und seine möglichen Zusammenhänge mit der Strahlen-
belastung durch künstlich erzeugte elektromagnetische Felder (EMF) - vor allem durch vermu-
tete Auswirkungen der seit den 1990er Jahren zunehmend verbreiteten Mobilfunk-
Technologien - seit mindestens zwei Jahrzehnten in der internationalen Forschung und Ärzte-
schaft kontrovers diskutiert. Doch über gewisse Expertenzirkel in Wissenschaft und Medizin,
über Betroffene und Betroffenen-Organisationen oder interessierte Laienszenen hinaus, auch
wenn alle diese Gruppierungen inzwischen zahlenmäßig stetig anwachsen, scheinen die damit
verbundenen Vorstellungen und Herausforderungen noch nicht in der Mitte unserer Gesell-
schaft angekommen. Es fragt sich, warum. Denn aus kulturwissenschaftlicher Perspektive lässt
sich EHS als ein drängendes und zugleich intensiv verdrängtes Phänomen unserer Zeit betrach-
ten. Und dabei dürfte sich die bedrängende Situation der EHS-Erkrankten in allernächster Zeit
durch neueste Funk-Technologien noch weiter verschärfen.

Unsere Gesellschaft Man wird davon ausgehen können, dass noch eine gro-
weiß nicht viel über EHS ße Mehrheit in Deutschland über Elektromagnetische
Aus dem Naturkunde-Unterricht ist bekannt, dass wir Felder (EMF) und speziell über ‚Elektrohypersensibi-
Menschen uns förmlich in einem ‚elektromagnetischen lität‘ (EHS) so gut wie nichts weiß oder wissen will. 1 Das
Ozean‘ bewegen. Das schützende Magnetfeld der Erde verwundert nicht, denn die Situation erscheint unge-
umgibt uns, wir leben als bioelektrische Wesen mit und wiss und unübersichtlich genug.
in ihm, sind im Laufe der Evolution an natürliche Strah-
lung gut angepasst. Doch wie sieht es aus mit künstlich Beschäftigt man sich mit den inzwischen seit über zwei
produzierter Strahlung? Jahrzehnten laufenden wissenschaftlichen Auseinan-
dersetzungen, so zeigt sich einzig sicher, dass dabei
Wie selbstverständlich umgeben wir uns rund um die Zusammenhänge zwischen EHS und Auswirkungen
Uhr mit Hochfrequenz (HF), etwa mit Radio- und TV- künstlich erzeugter EMF, vor allem aufgrund des seit
Sendern, WLAN-Access-Points, -Routern und -Clients den 1990er Jahren immer flächendeckender verbreite-
wie Smartphones oder Tablets, oder beispielsweise ten Mobil- und Kommunikationsfunks, auf dem Prüf-
mit Schnurlos- und Mobiltelefonen sowie entsprechen- stand stehen.
den Basisstationen und Bluetooth- und anderen Ein-
richtungen.

12
Elektrohypersensibilität (EHS) als gesellschaftliche Herausforderung

Mustert man in dieser Hinsicht die wissenschaftliche konsequent in die Vereinzelung, Absonderlichkeit,
Informationslage, so lassen sich zum Phänomen ‚Elek- Anormalität und Psychiatrie verwiesen werden. Die
trohypersensibilität‘ grundsätzlich zwei Erklärungsan- regelmäßige Berufung auf den ‚internationalen Kennt-
sätze mit je unterschiedlichen Argumentationsrichtun- nisstand‘ meint sehr häufig ein Dokument der Weltge-
gen ausmachen. Der Einfachheit halber können wir sie sundheitsorganisation (WHO) vom Dezember 2005,
als eher ‚offizielle‘ und als eher ‚nicht-offizielle‘ Wis- Fact sheet No 296, in dem behauptet wird: „es gibt …
sensstände bezeichnen. keine wissenschaftliche Basis, um die EHS-Symptome
mit der Einwirkung von EMF in Verbindung zu brin-
„EHS existiert nicht und gen“.
ist ein Fall für die Psychiatrie“
Auf der einen Seite stehen insbesondere offizielle re- Das vierseitige Papier gibt für die Informationspolitik
gierungsamtliche Berichte oder Verlautbarungen staat- von Regierungen auch entsprechende Sprachregelun-
licher Institutionen und Behörden, die EHS prinzipiell gen vor, indem es „die klare Aussage“ empfiehlt, „dass
die Existenz absprechen. Sie berufen sich in der Regel es derzeit keine wissenschaftlichen Belege für die An-
auf ausgewählte internationale Dokumente, die auf nahme eines Zusammenhangs zwischen EHS und der
dieser Linie liegen bzw. sie auch vorgeben - entweder Einwirkung von EMF gibt“. Ebenso anweisend darüber
aus der Feder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hinaus, man sähe „Hinweise, dass die Symptome durch
oder, bis in jüngste Zeit hinein, auf europäischen Ebe- bestehende psychiatrische Bedingungen sowie Stress-
nen etwa aus dem Ausschuss Neu auftretende und neu reaktionen aufgrund von Ängsten vor Gesundheitsfol-
identifizierte Gesundheitsrisiken (SCENIHR) oder dem gen durch EMF begründet sein dürften, eher als durch
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EESC) die Einwirkung von EMF selbst“.5
stammen.² Diese Dokumente wiederum berufen sich in
Regelmäßigkeit auf jahrzehntealte Grenzwerte, die Im Kontext dieses Merkblattes wird eine Nähe zu psy-
lediglich auf sog. thermische (wärmebezogene) EMF- chiatrischen Störungen suggeriert. Solche programma-
Wirkungen fixiert bleiben. tische Subjektivierung und Individualisierung bei gleich-
zeitiger Psychiatrisierung betroffener Menschen ist bis
Beispielgebend für unser Land sind leitbildhafte Äuße- in kleinste Sprachbausteine offizieller Verlautbarungs-
rungen der Strahlenschutzkommission, die im Ton dog- politik zu hören. So hält beispielsweise eine amtliche
matischer Setzung behauptet: „Es bleibt festzustellen, Studie aus dem Jahr 2008 zusammenfassend fest,
dass es nach wie vor keine objektiven Beweise für das „dass über Länder- und Kontinentgrenzen hinweg zahl-
Phänomen der ‚Elektrosensibilität‘ gibt.“ Sie ist der reiche Personen an einem breiten Spektrum unspezifi-
Ansicht, dass „in der Zusammenschau mit der internati- scher Beschwerden leiden. Ein Teil dieser Personen
onalen Literatur der Schluss gezogen werden [muss], führt diese Beschwerden auf die Belastung durch Elekt-
dass EHS im Sinne eines ursächlichen Zusammenhangs rosmog zurück.“ Oder heutzutage leicht variiert formu-
mit der Exposition durch EMF mit großer Wahrschein- liert, wenn amtlich konstatiert wird, dass Teile der
lichkeit nicht existiert.“ Daher die Konsequenz: „Wei- „deutschen Bevölkerung [sich] als elektrosensibel be-
tere Forschung sollte … in einem Themenkreis außer- zeichnen. Sie führen unterschiedliche Beschwerden,
halb der EMF-Forschung erfolgen“.³ wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafstörungen,
Müdigkeit und Konzentrationsstörungen, auf das Vor-
Diese offizielle Denk- und Argumentationsregel zeigt handensein dieser Felder in ihrer Umwelt zurück.“6
sich eng gebunden an die seit Jahrzehnten unverändert
herrschenden deutschen Grenzwerte, die allein thermi- Für sprachwissenschaftliche Forschung wären solche
sche Wirkungen berücksichtigen. Die Nicht-Existenz Verlautbarungstexte eine Fundgrube für Analysen, wo-
von EHS begründet unter anderem die Existenz schutz- möglich würden auch unterschwellige Ambivalenzen
gebender staatlicher Grenzwerte: „Die Ergebnisse des bemerkbar, eine Botschaft aber bleibt vernehmbar:
DMF [Deutsches Mobilfunk Forschungsprogramm] wie Das Phänomen EHS ist Resultat rein subjektiver Selbst-
auch der derzeitige internationale Kenntnisstand geben Bezeichnung, nach dieser Sichtweise, Selbst-Deutung
insgesamt keinen Anlass, die Schutzwirkung der beste- betroffener Menschen.
henden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen.“4
EHS existiert und ist umweltbedingt
Kann es hier Unsicherheit geben? Nein. So liegt es völ- Auf der anderen Seite, unterhalb offizieller Ebenen, vor
lig in der Logik offizieller staatlicher Nicht-Existenz von allem in Bereichen industrie-unabhängiger internatio-
EHS, dass etwaige, wie auch immer auftretende ‚Fälle‘, naler Forschung, bewegt sich hingegen seit Jahren vie-

13
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

les. Insbesondere in Bezug auf die Untersuchung und Es gibt demnach tatsächlich EHS- und EMF-bedingte
Analyse biologisch-medizinisch feststellbarer, sog. Beschwerden. Sie sind nicht subjektiv, sondern durch
athermischer EMF-Auswirkungen, die in offiziellen Stu- Umwelteinflüsse verursacht. Wie bei allen Umweltbe-
dienrastern nicht wahrgenommen werden. Beispielge- lastungen gilt: Wann und wie wir von Strahlenwirkung
bend dafür ist die EMF Leitlinie 2016 der Europäischen beeinträchtigt werden können, hängt auch von unserer
Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM). Allein je individuellen Disposition und Konstitution ab.
schon in ihrem Forschungsüberblick zeigt die Leitlinie,
wie vielfältig und vielgestaltig EMF-bedingte Gesund- Wer ist betroffen und wie viele?
heitsschäden sein können.7 Während der Entstehung dieser Schrift erreicht mich
am 20. Januar 2017 eine Post-Sendung von Frau W. aus
Neben ihrer Aufarbeitung innovativer Forschung zum F. „Vielleicht können Sie uns in irgendeiner Weise hel-
Thema erscheint es aus vorliegender Sicht zunächst fen“, fragt sie an, und legt drei Schriftstücke bei: Einen
einmal als ein großes Verdienst der EMF Leitlinie 2016, Ablehnungsbescheid ihres Landkreises bzgl. ihrer Be-
dass sie mit medizinischer Expertise grundsätzlich die schwerde „wegen unzulässigen Strahlungsimmissionen
Realität von EHS- und EMF-bedingten Beeinträchtigun- im Wohnhaus ausgelöst durch Funkanlagen“. Ihre an-
gen nicht nur rückhaltlos anerkennt, sondern auch aus schließende Eingabe an das Landesministerium für
den offiziell behaupteten Sphären bloßer Gespinste Soziales und Verbraucherschutz sowie die entspre-
und verstörter Selbst-Bezichtigungen befreit. chende briefliche Antwort des zuständigen Fachrefe-
renten. Ich gebe wörtliche Exzerpte aus dieser Korres-
„Studien, empirische Beobachtungen und Berichte von pondenz wieder.8
Patienten weisen ganz eindeutig auf Wechselwirkun- Der 1. Beigeordnete des Kreises führt in seiner Ableh-
gen zwischen Beschwerden und der Exposition gegen- nung vom 22. November 2016 u.a. aus:
über elektromagnetischen Feldern hin“, so eine der
Kernaussagen der Schrift. Und wenn diese Wechselwir- Der Schutzumfang vor schädlichen Umwelteinwirkun-
kungen real und real erfahrbar sind, so fragt sich, wo- gen wird durch normenkonkretisierende Verwaltungs-
her und warum. vorschriften … und technische Regelungen bestimmt,
wobei es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit regel-
Dazu erläutert die Schrift, in wissenschaftlich gebote- mäßig nicht auf besondere subjektive Gegebenheiten
ner Vorsicht, seriös begründete Annahmen. Neben ankommt (Elektrosensibilität), sondern auf einen sog.
zahlreichen erforschten physikalischen und chemi- Durchschnittsbetroffenen … In nachfolgender Tabelle
schen Umweltfaktoren, die als ursächliche Stressoren werden die jeweiligen Sicherheitsabstände und Entfer-
krankheitsbildend wirken können, erscheint es „not- nungen zwischen dem Wohnhaus … und der Funkanla-
wendig, jetzt auch solche ‚neuen Expositionen‘ wie ge angegeben … Aufgrund der beschriebenen Ab-
EMF zu berücksichtigen“. standsverhältnisse besteht im Ergebnis derzeit kein
Hinweis darauf, dass schädliche Umwelteinwirkungen
Damit rücken EHS- und EMF-bedingte Beeinträchtigun- … am Wohnhaus … ausgelöst werden. Es wird somit
gen in die Reihe potentiell schädlicher Umwelt-Lasten, davon ausgegangen, dass die derzeit maßgeblichen
wie etwa durch Dioxin, Passivrauchen, Formaldehyd, Grenzwerte … sicher eingehalten werden. Da die vom
Blei, Lärm, Ozon, Feinstaub und andere Schadstoffe Verordnungsgeber festgelegten Grenzwerte … den
hervorgerufene Beeinträchtigungen. Das Phänomen Maßstab unseres behördlichen Handelns bilden, kön-
hat demnach nichts Spekulatives, Nebulöses oder Ver- nen wir Ihnen … bedauerlicherweise nicht helfen.
wirrtes an sich, sondern ist schlichtweg rückführbar auf
unsere gesellschaftliche Lebenswirklichkeit, die mit Danach eine dreiseitige Eingabe von Frau W. vom 5.
menschengemachten Umweltbelastungen konfrontiert Januar 2017 an das Landesministerium, wo sie u.a.
ist. begründet:

Aus dieser Perspektive gewinnt sich eine medizinische Ich wende mich heute, nach fast zwei Jahren zuneh-
Sichtweise des Phänomens, die inzwischen durch eine mender psychosomatischer Probleme, an Sie. Als unse-
fortschrittliche Studienlage gut abgesichert ist. EHS - re Familie vor über zwei Jahren nach F. umzog, war ich
und EMF-bedingte Beeinträchtigungen lassen sich dem gesund und schlief gut. Wir bewohnen hier eine Dienst-
Bereich der Umweltbelastungen zuordnen, für die mitt- wohnung mit Residenzpflicht … Die Wohnung … liegt
lerweile zahlreiche Erkenntnisse über biologische und nahe der beiden Funktürme, die hinter dem Stadtkern
gesundheitsrelevante Wirkungen vorliegen. zu sehen sind.

14
Elektrohypersensibilität (EHS) als gesellschaftliche Herausforderung

Nach etwa sechs Monaten fühlte ich körperliche Unru- Frau W. schreibt aus ihrer Erfahrung vor Ort, dass
he, litt unter Kreislaufproblemen, Kopfschmerzen, Tinni- „noch ungezählte Weitere unter oben genannten
tus, Seh- und Schlafstörungen und Konzentrationsstö- Symptomen leiden“.
rung. Meine nervliche Belastung führte zu Arbeitsunfä-
higkeit … Ich beschrieb den Ärzten mein Empfinden, Doch schon angesichts der einfachen Frage, wer und
dass Wellen durch meinen Körper gehen und mein Kopf wie viele gesamtgesellschaftlich gesehen durch EHS
wie Brennnesseln brennt. Die … Untersuchungen der oder EMF bedingte Beeinträchtigungen betroffen sind
Fachärzte ergaben: ‚Symptomatik mit ungeklärter Ur- oder sein könnten, stößt man auf höchst unterschiedli-
sache‘. che Antworten. Eine offizielle themenspezifische Statis-
tik ist meines Wissens noch nicht erstellt.
Ich sehne mich nach der verlorenen Lebensqualität …
Im Gespräch mit anderen Bürgern unserer Stadt stellte Das Bundesamt für Strahlenschutz spricht – mit der
es sich heraus, dass noch ungezählte Weitere unter erwähnten rhetorischen Etikette ‚Selbst-Bezeichner‘ -
oben genannten Symptomen leiden … Ich gebe die aktuell von „knapp zwei Prozent der deutschen Bevöl-
Hoffnung nicht auf, dass irgendwoher Hilfe kommt … kerung“. Das wären ungefähr geschätzte 1,5 Mio. Bür-
Hiermit bitte ich höflichst die Anerkennung eines durch gerinnen und Bürger unseres Landes. Im Jahr 2008
elektromagnetische Belastung ausgelösten Krankheits- wird die Zahl „25.000“ kolportiert, freilich mit Bezug
bildes. offenbar auf chronisch stark Betroffene, die bereits
seinerzeit permanent auf der Suche nach Schutz in sog.
Schließlich eine zweiseitige Antwort des zuständigen Funklöchern gewesen seien.9
Fachreferenten vom 9. Januar 2017, worin es u.a.
heißt: Die neue medizinische EMF Leitlinie 2016 kann eben-
falls nicht mit konkreten EHS-Zahlen aufwarten. Freilich
Sehr geehrte Frau W. betont sie: „Chronische Krankheiten mit unspezifischen
… Ihre Sorgen und Ängste vor der Strahlenbelastung Symptomen nehmen zu“. Sie erinnert an europäische
durch Mobilfunk nehmen wir sehr ernst, halten sie je- Zahlen des Projekts Umweltbedingte Krankheitslasten,
doch auf Grund des vorliegenden Sach- und Erkenntnis- nach dem bis dato bekannte schädliche Umwelteinflüs-
standes für unbegründet … se für drei bis sieben Prozent der jährlichen Krankheits-
Nach Abschluss des DMF [Deutsches Mobilfunk For- last in sechs europäischen Ländern verantwortlich sind;
schungsprogramm] im Frühjahr 2008 haben das Bun- oder an gestiegene Zahlen psychischer und/oder psy-
desamt für Strahlenschutz (BfS) und die Strahlenschutz- chosomatischer Erkrankungen, die in internationalen
kommission (SS) unabhängig voneinander festgestellt, und nationalen Studien dokumentiert sind, ohne dass
dass die vorliegenden Ergebnisse keine Erkenntnisse die Ursachenforschung dazu abgeschlossen wäre - z.B.
erbracht haben, die die geltenden Grenzwerte … in Fra- bei Burnout, ADHS, allergischen bzw. asthmatischen
ge stellen. Erscheinungsformen und vielen weiteren komplexen
Krankheitsbildern.
Im Rahmen des DMF wurden auch die sogenannten
athermischen Wirkungen (Elektrosensibilität) unter- Wenn man also international und national auf die Ge-
sucht. Diese ließen sich wissenschaftlich bisher jedoch samtbevölkerung hochrechnen möchte, so steht zu
nicht belegen … Wir … hoffen … mit den … Ausführun- vermuten, dass man es in Bezug auf EHS und EMF be-
gen hinsichtlich der Auswirkungen des Mobilfunks et- dingte Beeinträchtigungen – seien sie Betroffenen nun
was zur Aufklärung und … Versachlichung der Diskussi- bewusst oder nicht bewusst – womöglich mit Größen
on beigetragen zu haben. zu tun hat, die in die Hunderttausende, wenn nicht
Millionen gehen. Dies immer, versteht sich, mit aller
Man erkennt in der behördlichen Reaktion leicht den Vorsicht ausgesprochen.
offiziellen Denk-, Argumentations- und Sprachschema-
tismus wieder. Hier konkret umgesetzt in staatlichen Die Leitlinie schließt denn auch ihren Zahlenüberblick
Vollzug. Solche Antwortschreiben haben inzwischen mit der nachvollziehbaren Empfehlung einer aktuellen
den Charakter eines institutionalisierten Abwehr-Auto- internationalen EHS-Studie (Hedendahl / Carlberg /
matismus. Sie sind nicht nur für eine Vielzahl von Ein- Hardell 2015): „Es ist an der Zeit, dass niederfrequente
zeleingaben, sondern auch für inzwischen zahlreiche (ELF) und hochfrequente (HF) elektromagnetische Fel-
Eingaben oder Appelle größerer Bürgerinitiativen in der als Umweltbelastungen anerkannt werden, die
den letzten beiden Jahrzehnten repräsentativ. dementsprechend überwacht werden müssen.“

15
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Tina Goebel, österreichische Journalistin,


im Gespräch mit Regisseur Klaus Scheidsteger:

„Es bleibt nicht bei der Wissenschaft.


Da wird sehr schnell versucht,
einfach auch das Privatleben von
Wissenschaftlern zu zerstören.“

Szene aus dem Doku-Krimi


Thank You For Calling (2016).

Es ist viel Geld im Spiel, digitales Wachstumsland Nr. 1 in Europa wird … Auch
auch für Wissenschaftler feste Funkanwendungen (Hotspots, WLAN) bieten Po-
Aber wer soll und kann angemessen ‚überwachen‘? tenziale, die wir nutzen werden.“11 So erklären sich
Angesichts der beschleunigten Dynamik der globalen aktuell verschiedenste neue staatliche Offensiven in
funkbezogenen Märkte sehr schwierig zu beantworten. viele gesellschaftliche Bereiche hinein, etwa in Rich-
tung sog. „Industrie 4.0“ oder sog. „Digitale Bildung“,
Man hat sich vor Augen zu halten, dass die bereits be- die zugleich komplett die Bildungslandschaft und Ar-
stehenden oder ständig neu zu generierenden Wert- beitswelt WLANisieren sollen.
schöpfungsketten in diesen funkbezogenen Märkten Man muss nicht unbedingt ein überzeugter System-
gigantisch sind: von der Entwicklung bis hin zur Reali- oder Kapitalismuskritiker sein, um wahrzuhaben, dass
sierung technischer Infrastrukturen, von der Entwick- in solch gewaltigen Marktentwicklungen je eigene, wie
lung über die Konstruktion bis hin zur Produktion von auch immer geartete Abhängigkeiten im Beziehungs-
Zwischen- oder Endgeräten, von angeschlossenen mög- dreieck von Staat, Industrie und Wissenschaft entwe-
lichen Zulieferern, Dienstleistungen, Diensten bis hin zu der schon lange entstanden sind oder stets neu ge-
Anwendungen, daneben noch entsprechend voluminö- schaffen werden. Zu erinnern ist an neuere wissen-
sen PR-, Werbe- und Medien-Etats – nimmt man nur schaftshistorische Erkenntnisse über problematische
schon das hier Erwähnte zusammen, darf man von in- Verflechtungen, Ideologeme und Strategien industrie-
zwischen weitverzweigten globalen Industrien eines abhängiger Wissenschaft in anderen Bereichen, die die
gewaltigen Ausmaßes und Gewichts sprechen.10 Der internationale Diskussion um Lobbyismus verstärkt
deutsche Staat ist in diesen Märkten vielfach Mit- haben.12
Akteur, auch bereits ganz am Anfang der Wertschöp-
fungskette durch milliardenschwere Versteigerungen Auch für den Mobilfunkbereich erscheint eine wissen-
und Vergaben von Funklizenzen für immer neue Stan- schaftskritische Selbstreflexion besonders dringlich,
dards tätig. denn hier sprechen spezifische Analysen ebenfalls eine
deutliche Sprache, wenn selbst Insider der Forschung
Für die deutsche Regierung ist Digitalisierung seit lan- die Wissenschaft grundsätzlich im „Würgegriff von In-
gem wesentlich, nahezu alternativlos, mit funkbasier- dustrie und Politik“ sehen.13 Gerade in Bezug auf inter-
ten Ausrichtungen verbunden. ‚Innovationsfreundlich- nationale Dokumente, die EHS kategorisch abstreiten,
keit‘ im Geist und Einklang mit europäischen Digitalisie- wie z.B. die vorn erwähnten Papiere des WHO-
rungszielen wird betont: „Wir wollen, dass Deutschland Factsheets (2005) oder des jüngeren europäischen

16
Elektrohypersensibilität (EHS) als gesellschaftliche Herausforderung

EESC-Entscheids (2015), weiß man inzwischen sehr Und in jüngster Zeit kündigt sich ein Umdenken an, das
genau, wie stark deren Entstehung durch eklatante angesichts erster sichtbarer Auswirkungen die Kehrsei-
Interessenkonflikte oder Regelverstöße der Gremien ten der Revolution geltend macht, wenn z.B. gesell-
geprägt war, so dass eine ausgewogene und seriöse schafts- und kulturkritische Analysen vom ‚Mythos Mo-
Wahrnehmung des Themas von vornherein verunmög- bilfunk‘, von ‚digitalisierter Freiheit‘ als technokrati-
licht wurde.14 Das schafft alles andere als Vertrauen, scher ‚Ersatzreligion‘, von ‚Digitaler Hybris‘, vom
weder in den Staat, noch in die Wissenschaft oder die ‚verdrängten Sozialen‘ oder von ‚Smarter Diktatur‘
Wirtschaft. sprechen.18

Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass Wirtschaft Noch ein Wort zu unseren Medien
und Industrie legitime Eigeninteressen verfolgen und in Warum ist von all dem kaum etwas in unseren Leit-
Formen von Lobbyismus politisch durchzusetzen versu- medien zu sehen oder zu hören? Immerhin ist zu be-
chen. Niemand wird der Wissenschaft Möglichkeiten obachten, dass sie die zunehmende öffentliche Medi-
von industrienaher Drittmittel-Forschung grundsätzlich enkritik, etwa an ‚Mainstream‘- oder ‚Fake‘-News, auf
absprechen. Und niemand wird dem Staat versagen ihre Weise mit Formaten und Inhalten beantworten,
wollen, dass er Errungenschaften und Entwicklungen die eigene Recherche- oder Investigationsleistungen
favorisiert, die gesellschaftliche Wohlfahrt verspre- gebührend betonen. Mobilfunk- oder EHS-Fragen zäh-
chen. Insbesondere dann, wenn es dabei um so ge- len dabei jedoch (noch) nicht zu diesen Pionierarbei-
nannte Fortschrittstechniken geht. Allerdings brauchen ten.
diese immer und unverzichtbar auch öffentlichen Dis-
kurs durch Technikfolgenabschätzung (TA). Es ist auffällig - vor allem angesichts der Medienaktivi-
täten rund um die Uhr, die ja irgendwie gefüllt werden
Technikfolgenabschätzung, eine der wichtigsten wis- müssen - wie abstinent unsere Leitmedien in den letz-
senschaftlichen und gesellschaftspolitischen Errungen- ten Jahren solchen Fragen gegenüber sind.19 Und
schaften des 20. Jahrhunderts, steht immer in Span- auffällig auch, dass sie, wenn sie einmal berichten,
nungsfeldern häufig heterogener politischer, wirt- kräftig ins Horn der eingangs erläuterten ‚offiziellen‘
schaftlicher, ökologischer, gesamtgesellschaftlicher Marschrichtung blasen. In Massenmedien wie Fachor-
oder individueller Interessenlagen. Solche spannungs- ganen gleichermaßen. Inzwischen vorliegende Analy-
reichen Konstellationen können in Grundsatz- oder sen zeigen, wie sehr sich solche journalistischen Er-
Einzelentscheidungen auch Dilemma-Charakter ha- scheinungsformen nicht nur in Einseitigkeiten oder
ben.15 Umso wichtiger daher, dass TA in politischen Desinformationen gefallen, sondern darüber hinaus
Kommunikationsformaten mögliche Chancen und zu auch noch in Hetz- und Vernichtungsfeldzügen verstei-
erwartende Risiken neuer Technologien mit bedenkt – gen, die fatale Folgen für betroffene Wissenschaftler
mit unterschiedlichen inhaltlichen Perspektiven in per- haben.20 Selbst profilierte Journalisten wie Peter Mi-
sonell vielfältigen und ausgewogenen Besetzungen. chael Lingens und Tina Goebel sprechen hier unter
Doch gerade mobilfunkpolitisch tätige Entscheidungs- anderem von einem „Kesseltreiben“ oder von
gremien, ob auf internationaler oder nationaler Ebene, „Schmutzkübel-Kampagnen“.21
haben seit langem schon ein massives Problem mit
Intransparenz und Interessenkonflikten, die einen fair Sind es wirtschaftliche und politische Vorteile oder
auszuhandelnden Interessenausgleich zwischen Inno- Zwangslagen, die solchen Journalismus hervorbringen?
vation und Risiken verhindern.16 Oder gibt es andere Motive? Darüber werden wohl nur
verantwortliche Medienmacher und Kommunikations-
Auch Kulturwissenschaftler sollten sich befragen las- konzerne selbst Auskunft geben können.
sen, inwieweit ihre von der Digitalen Revolution eu-
phorisierten Kulturtheorien, Medien- oder Kommuni- Vor diesem Hintergrund erscheinen drei unabhängige
kationskonzepte seit den späten 80er Jahren dazu bei- investigative Film-Produktionen des Jahres 2016 gera-
getragen haben, vorbehaltlose kollektive Anpassung an dezu als herausragende mediale Ereignisse. Alle befas-
den Fortschritt zu flankieren oder zu fördern. Immerhin sen sich, aus je unterschiedlichen Blickwinkeln recher-
standen und stehen seit langem kritische interdiszipli- chiert, mit drängenden Fragen der Forschung und der
näre Ansätze bereit. „Die Einheit von naturwissen- EHS-Betroffenheit: Thank You For Calling von Klaus
schaftlich-technischer, geisteswissenschaftlich-ästhetis- Scheidsteger, Was wir nicht sehen von Anna Katharina
cher und demokratischer Kultur ist längerfristig der Wohlgenannt, Das Strahlungskartell von Azaris Film.22
einzige Garant eines zukunftsfähigen Fortschritts.“17

17
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Protest-Aktion in Frankreich:
„Wie hoch die Mobilfunkstrahlung
im öffentlichen Bereich sein darf,
ist auf internationaler Ebene durch
Grenzwerte festgesetzt, die je nach
Land stark variieren. Diese werden
seit Jahren von Wissenschaftlern
und Bürgern beanstandet.“

Szene aus der Dokumentation


Das Strahlungskartell, Azaris Film (2016)

Aber das ist (immer noch) Minderheitenprogramm. In Folgt man Zeitgeist-Diskussionen, so scheint funkba-
den häufig Likes-, Friends-, Follower-, Quotenge- sierte Technik gar den Glauben an die Möglichkeiten
triebenen Medienwelten sind übliche Konsumenten technischer Kommunikation generell zu befeuern. Das
natürlich unablässig Mitspieler. Schließlich schalten macht nachdenklich. In wieweit sind die menschliche
oder klicken sie selbst Kanäle ein oder aus, kaufen und Bedürftigkeit und Bedürfnisse nach Kommunikation
bezahlen in der Regel Produkte oder Dienste, die mit durch Technik überhaupt zu erfüllen? Gibt es noch
Funk zu tun haben. Werte oder Qualitäten auf den Wegen direkter, un-
mittelbarer, schlichter körperlicher Nähe und Zugänge
Konsum von Funk scheint unverzichtbar. Von ‚Funk- zu Mitmenschen? Ob es Lifestyle-Eitelkeit oder Konfor-
Klingelhosen in verschiedenen Größen‘ für unter- mitätsdruck ist? Ist es viel Stress oder Müdigkeit vor
schiedliche Altersstufen vom Säugling bis zum Senior alltäglicher Überbelastung? Oder ist es tief verunsi-
über funkende Schmusepuppen, Kinderstuben und cherte Selbst- und Fremdwahrnehmung? Oder sind wir
Schulzimmer bis hin zu Smart-Cities, Smart-Verkehrs- gar bei Philosophischem angelangt? So bei kursieren-
oder Smart-Arbeitssystemen und Smart-Homes, soll den Spielarten transhumanistischer Träume, nach de-
funkbasierte Datenübertragung und Kommunikation nen wir Menschen uns irgendwie zu Übermenschen
mit entsprechend omnipräsenten Infrastrukturen und modellieren sollen? Träume von synthetischen Wesen
Bediengeräten wie Tablets und Smartphones flächen- – Humanoiden, Androiden, Künstliche Intelligenzen 24
deckend und durchgreifend alle unsere öffentlichen oder wie immer sie heißen mögen, die Glück und evo-
und privaten Lebensräume dominieren – körpernah bis lutionären Quantensprung versprechen in allperfekten
körperintern. körperlosen Ewig-Existenzen?

Es wäre eine eigene Untersuchung wert zu fragen, wa- Wie auch immer. Handeln ist aus naturwissenschaftlich
rum das Konsumenten so begeistern kann. Mittlerweile -medizinischer und ethischer Sicht geboten. Die Strah-
gibt es anregende Analysen zu psychopolitischen Di- lenbelastung steigt weiter. „Die Verschmutzung des
mensionen unseres Verhaltens, die vor allem auf die lebenswichtigen natürlichen elektromagnetischen Oze-
eigenartige Bereitschaft vieler Menschen verweisen, ans mit technischer Energie (Elektrosmog) ist heute ein
sich unter verlockenden Einbildungen von Freiheit und gravierender Eingriff ungeahnten Ausmaßes in die Na-
Unabhängigkeit in Abhängigkeit und Gehorsam gegen- tur und das Leben der Menschen, der leider ignoriert,
über unserer konsumistischen Hochleistungsgesell- bagatellisiert und sogar hypochondrisiert wird.“25
schaft zu begeben.23

18
Elektrohypersensibilität (EHS) als gesellschaftliche Herausforderung

Es empfiehlt sich, so wenigstens auf unseren Körper zu Der Mensch hat die besondere Fähigkeit entwickelt, die
hören. Und wenn schon nicht auf unseren eigenen Kör- Umwelt zu ändern. Dabei ist es ihm möglich, technisch
per, so wenigsten auf die Wahrnehmungen unserer sehr anspruchsvolle und fortgeschrittene Umgebungen
Nachbarn. Es empfiehlt sich neues Realitätsbewusst- zu schaffen (als „Technosphäre“ bezeichnet). Diese kön-
sein. Menschen, die unter der gestiegenen Funk-Last nen einen großen Nutzen mit sich bringen, können aber
leiden und dadurch in ihren Lebensmöglichkeiten ein- auch extreme Veränderungen in der Umwelt verursa-
geschränkt oder existenziell bedroht sind, besitzen chen. Deshalb ist es dringend notwendig, beispielsweise
zweifellos eine außergewöhnliche Sensibilität, die uns eine „ethisch“ vertretbare und biologisch verträgliche
vieles zu sagen hat. Elektronik zu entwickeln, sodass sowohl beim Herstel-
lungsprozess als auch bei der Verwendung der Mensch
Exemplarische Plädoyers für die und die Natur respektiert werden … Von Fachleuten
Anerkennung von EHS-Erkrankten zum Schluss wird EHS … nun als „Vorwarnungskrankheit“ bezeich-
Some people are now already sick but we are all affec- net. Durch sie wird nämlich die übrige Bevölkerung ge-
ted to varying degrees, without knowing it. The Electro warnt, die ebenfalls betroffen ist, auch wenn sich die
Hyper Sensitives (E.H.S.) … lose everything: work, fa- Auswirkung in ihrem Körper nicht so deutlich zeigt.
mily, friends, home … Geneviève is one of them. (Koordinationsgruppe für ein Europäisches Bürgerbe-
Through magnificent poems, she tells us with wit and gehren von Initiativen für eine Regulierung von elektro-
humour about their difficult everyday life and the magnetischen Feldern, die wirklich die Bevölkerung
strength needed to keep hope alive. schützt.28)
(Martine Castello, Wissenschaftsjournalist, zur Poesie
Daily Life.26)

Es geht um massive Eingriffe in das Leben, wie die uner-


betene Durchstrahlung von privaten Grundstücken,
Wohnungen und Häusern - die Bestrahlung von Men-
schen mit Körper, Geist und Seele.
(Frank Berner, Digitalismus auf Erfolgskurs.27)

Dr. phil. Peter Ludwig


Literatur- und Kulturwissenschaftler mit Forschungen und
Publikationen zur Literatur‐ und Wissenschaftsgeschichte
der Moderne. Arbeitsschwerpunkte: Themenfelder und
Fragestellungen in Grenzbereichen von Naturwissen-
schaft, Medizin, Technik und Kulturwissenschaft; interdis-
ziplinäre Vermittlung und Kommunikation. Mitwirkung u.a.
an Standardwerken zu Goethe. Dozenten- und Referen-
tentätigkeit für verschiedene Hochschulen und Bildungs-
träger. Seit 2014 Geschäftsführung der Kompetenzinitiati-
ve zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V..

19
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Anmerkungen und Lektüre-Hinweise 10) Zahlen, die inzwischen wohl weit übertroffen sind, z.B.
von Ralph Schweinfurth in der Bayerischen Staatszeitung
1) Diese Einschätzung aufgrund der Zahlen bei Christiane vom 11. April 2014: http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/
Pölzl-Viol, Bundesamt für Strahlenschutz, Fortbildung für den bayrische-staatszeitung-mobilfunk-gesundheit-risiko-
öffentlichen Gesundheitsdienst, Berlin 22. März 2012, Elekt- wirtschaftliche-interessen/
romagnetische Felder – Risikowahrnehmung in der Öffentlich- 11) Nachzulesen in der sog. Digitalen Agenda der Bundesre-
keit: http://www.bfr.bund.de/cm/343/elektromagnetische- gierung: https://www.digitale-agenda.de/Webs/DA/DE/
felder-risikowahrnehmung-in-der-oeffentlichkeit.pdf - gese- Handlungsfelder/1_DigitaleInfrastrukturen/1-3_Mobilitaet/
hen am 20.01.2017. mobilitaet_node.html – https://www.digitale-agenda.de/
Webs/DA/DE/Handlungsfelder/7_Dimension/7-
2) Dazu näherhin die Stellungnahme der Kompetenzinitiative
1_EuropaeischeEinbettung/europaeische-
zur europäischen Situation: Ein Schritt vor, zwei Schritte zu-
einbettung_node.html - ges. am 24.01.2017.
rück: http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/ein-schritt-vor-
zwei-schritte-zurueck/ 12) Siehe die anregende wissenschaftshistorische Studie von
Naomi Oreskes und Erik M. Conway: Die Machiavellis der
3) Stellungnahme der Strahlenschutzkommission, Verab-
schiedet in der 250. Sitzung der Strahlenschutzkommission Wissenschaft (2014).
am 29./30.09.2011, S. 29 - http://www.ssk.de/SharedDocs/ 13) Franz Adlkofer, Koordinator der europäischen REFLEX-
Beratungsergebnisse_PDF/2011/2011_10.pdf%3F__blob% Studie (2000-2004), in einem Vortrag der Offenen Akademie
3DpublicationFile - gesehen am 19.01.2017. Gelsenkirchen, 1. Oktober 2015: http://
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/mobilfunkforschung-im-
4) Bundesamt für Strahlenschutz, „Ausblick“, gesehen am
wuergegriff-von-industrie-und-politik/ - Entsprechende Do-
10.10.2017 http://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/
kus über Verflechtungen industrieller, wissenschaftlicher und
hff-diskutiert/hff-diskutiert.html
politischer Strukturen in Deutschland: Strahlenschutz im Wi-
5) Weltgesundheitsorganisation (WHO) Fact sheet No 296, derspruch zur Wissenschaft. Eine Dokumentation (2011) und
Dezember 2005, Elektromagnetische Felder und öffentliche Was ist vom Strahlenschutz-Auftrag geblieben? Eine Doku-
Gesundheit – Elektromagnetische Hypersensitivität mentation zur deutschen Mobilfunk-Politik (2013): http://
(Elektrosensibilität) kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/broschuerenreihe/ - Für die
http://www.who.int/peh-emf/publications/facts/ US-amerikanische Situation Norm Alster: Captured Agency:
ehs_fs_296_german.pdf - gesehen am 20.01.2017. How the Federal Communications Commission Is Dominated
by the Industries … Havard University, Center for Ethics 2015:
6) So in einer Studie über Elektrosensibilität des Bundesamts
http://ethics.harvard.edu/files/center-for-ethics/files/
für Strahlenschutz (2008):
capturedagency_alster.pdf
http://www.emf-forschungsprogramm.de/forschung/
Vgl. auch Werner Thiede: Mythos Mobilfunk, München 2012,
biologie/biologie_abges/bio_015_AB.pdf Auf dieser Linie die
70ff.
Sprachregelung bis heute: im „Ausblick“, gesehen am
10.10.2017: 14) Zu den jüngeren europäischen Vorgängen im EESC, die
selbst von der Europäischen Ombudsfrau gerügt wurden:
http://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/hff-
http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/europaeische-ehs-
diskutiert/hff-diskutiert.html
betroffenen-organisationen-zur-situation/ - Das WHO EHS
7) EUROPAEM EMF Guideline 2016 for the prevention, diag- Factsheet entstand unter Federführung des industrie-
nosis and treatment of EMF-related health problems and finanzierten Michael Repacholi. Dazu u.a. Microwave News,
illnesses. Zuerst in: Reviews on Environmental Health 2016- 13. November 2006: http://microwavenews.com/CT.html
0011; inzwischen auch in deutscher Fassung: http:// oder Gigaherz, 25. November 2005: https://
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/europaem-emf-guideline- www.gigaherz.ch/das-zwielichtige-spiel-des-drmrepacholi-
2016/ - Die Leitlinie 2017 ist in vorliegender Schrift in Auszü- dritter-akt/
gen abgedruckt, s. S. 42.
15) Grundlegend zur Diskussion David Collingridge: The Social
8) Mit mündlicher Einwilligung von Frau W. aus F. – wörtlich Control of Technology (London u.a. 1982).
zitiert, aber anonymisiert.
16) Soeben ist wieder ein „No-Confidence-Letter“ der unab-
9) Zur Zahl die Mitteilungen auf der Webseite des Bundes- hängigen BioInitiative Working Group an die WHO gerichtet:
amts für Strahlenschutz: http://www.bfs.de/DE/themen/ http://www.bioinitiative.org/bioinitiative-working-group-
emf/hff/wirkung/hff-diskutiert/hff-diskutiert.html gesehen issues-a-no-confidence-letter-to-the-who-emf-program-
am 10.10.2017. Marco Lauer im Stern, 22. Oktober 2008: manager/
„Einer internen Studie des Bundesamts für Strahlenschutz
17) Grundlegend so seit langem Karl Richter, nicht nur, aber
zufolge sind mittlerweile etwa 25.000 Elektrosensible … in
auch für die Mobilfunk-Frage - http://
Deutschland unterwegs, auf der Suche nach Funklöchern“ -
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/karl-richter-wird-achtzig-karl
http://www.stern.de/panorama/wissen/mensch/
-richter-turns-eighty/
handystrahlung-letzter-ausweg-funkloch-3745026.html - ges.
am 19.01.2017.

20
Elektrohypersensibilität (EHS) als gesellschaftliche Herausforderung

18) Eine kleine Auswahl an beispielgebenden Publikationen: 24) Vgl. Holger Volland: Die kreative Macht der Maschinen.
die Studien von Werner Thiede: Mythos Mobilfunk (2012), Warum Künstliche Intelligenzen bestimmen, was wir morgen
Die digitalisierte Freiheit (2. Aufl. 2014), dazu auch: http:// fühlen und denken, Weinheim 2018.
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/trilogie-des-mutigen-
25) Karl Hecht: Der elektromagnetische Ozean – Lebenswich-
engagements/ - Ideologiekritisch bes. mit Blick auf gegen-
tiger Umweltfaktor in Gefahr. In: Die Naturheilkunde 1/2017,
wärtige pädagogische Debatten die Initiativen und Ausfüh-
14f. - http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/der-
rungen von Ralf Lankau und Matthias Burchardt: https://
elektromagnetische-ozean-lebenswichtiger-umweltfaktor-in-
bildung-wissen.eu/kommentare/trojaner-aus-berlin-
gefahr/
derdigitalpaktd.html - oder von Gerald Lembke: http://gerald
-lembke.de/keynotes/ - oder von Peter Hensinger, z.B. 26) http://order-book-ehs-english.blogspot.de/p/blog-
http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/homo-politicus-homo page.html
-oeconomicus-homo-algorithmicus/
27) 5. Dezember 2015: http://www.elektrosensibel-
19) Ausnahmen bestätigen die Regel. Von den verschwin- muenchen.de/aktuelles-leser/items/digitalismus-auf-
dend wenigen Beiträgen, die mir in den letzten Jahren aufge- erfolgskurs-kommentar-zur-aktuellen-lage-von-
fallen sind, seien zur EHS-Thematik zwei verdienstvolle Bei- elektrosensiblen-menschen.html
träge erwähnt: Arte in Ermittlungen der Woche, 20. Oktober
2014 (online nicht mehr präsent), oder Deutschlandradio 28) In einem Offenen Brief an Papst Franziskus, übergeben
Kultur, Tina Hüttl, Besuch bei Elektrosensiblen, 19. April 2015: zum Weltjugendtag in Krakau vom 26. – 31. Juli 2016: http://
http://www.deutschlandradiokultur.de/im-spannungsfeld- kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/europaeische-ehs-
besuch-bei-elektrosensiblen.1076.de.html? betroffenen-organisationen-zur-situation/
dram:article_id=317410 - Neuerdings zwei Beiträge: Über
den bekannten EHS-Betroffenen Ulrich Weiner in der WDR-
Reihe Menschen hautnah, 2. März 2017: http://
www.ardmediathek.de/tv/Menschen-hautnah/Der-Mann-
der-im-Wald-lebt-Aus-dem-Leb/WDR-Fernsehen/Video?
bcastId=7535538&documentId=41085554 und ZDF planet
erde, Krankmacher Handy?, 2. April 2017: https://
www.zdf.de/dokumentation/planet-e/planet-e-krankmacher-
handy-100.html
20) Beispiele eines solchen Journalismus sind inzwischen gut
aufgearbeitet. Dazu die Analysen bzgl. Kampagne gegen die
REFLEX-Studie von Franz Adlkofer und Karl Richter: Strahlen-
schutz im Widerspruch zur Wissenschaft (2011): http://
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/broschuerenreihe/ - Zu EHS
von Christine Aschermann: Wie die öffentliche Meinung über
Elektrosensibilität geprägt wird in Wissenschaft und Presse,
in: umwelt – medizin – gesellschaft (3/2014): http://
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/wie-die-oeffentliche-
meinung-ueber-elektrosensibilitaet-gepraegt-wird-
wissenschaft-und-presse/ - Zu Fachmedien von Franz Adlk-
ofer: Das Deutsche Ärzteblatt im Dienste der Mobilfunkin-
dustrie (31. Aug 2016): http://www.pandora-stiftung.eu/
archiv/2016/dt-aerzteblatt-im-dienste-der-
mobilfunkindustrie.html
21) Dazu Peter Michael Lingens: Das Handy-Gesundheitsrisiko
im österreichischen Nachrichtenmagazin Profil, 3. Dezember
2015: http://www.profil.at/meinung/peter-michael-lingens-
handy-gesundheitsrisiko-6121763
22) Infos zu den Werken: http://kompetenzinitiative.net/KIT/
KIT/thank-you-for-calling/ - http://kompetenzinitiative.net/
KIT/KIT/thank-you-for-calling-in-deutschland/ - http://
www.plancfilm.com/german/filme/whatwedontsee.php -
http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/das-strahlungskartell/
23) So z.B. Überlegungen in Publikationen von Byung-Chul
Han. Einen Überblick bietet SWR 2, 8. Januar 2015: http://
www.swr.de/swr2/wissen/selbstausbeutung-han/-/
id=661224/did=14832682/nid=661224/1k09lg6/

21
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Nur noch „strahlende“ Zählersysteme?


Für Vorsorge und Rücksichtnahme
beim Messen von Elementargüterbezug

Werner Thiede

Der namhafte deutsche Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde, einst


Richter des Bundesverfassungsgerichts, hat schon vor Jahren auf eine bedenkliche Tendenz in
unserer Gesellschaft hingewiesen: „Die Menschen erfahren und erleben sich zunehmend als
Rollenträger und partiell Betroffene, eingefügt in Arbeits- und Systemabläufe, die über sie
Macht gewinnen, die sie aber nicht selbst beherrschen und gestalten können.“1 Demgemäß lie-
gen mittlerweile in der Rechtsordnung „zwei Arten von Rechten nebeneinander und zum Teil
ineinander verschränkt: das alte personenbezogene, Rechte und Pflichten regelnde Recht und
das neue ‚Recht‘ zweckrationaler, streng funktionsbezogener Ablaufnormen. Aber die Formen
sekundärer Systeme haben die Tendenz, sich auszubreiten. Wenn sie sich jedoch weiter aus-
breiten und zunehmend für die gesamte rechtlich geregelte Lebensordnung bestimmend wer-
den, stellt sich eine neue Frage: Kann der Mensch so leben?“ Diese Frage stellt sich heute ver-
stärkt angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und Elektrifizierung: Sie soll offenkundig
mit aller Macht auch jenem Bevölkerungsteil gegenüber durchgesetzt werden, der dieser Ent-
wicklung durchaus kritisch gegenübersteht.² Das gilt beispielsweise für die Digitalisierung des
Straßenverkehrs³, des eigenen Heims und auch der darin befindlichen Zähler für Elementargü-
ter wie Strom, Gas oder Wasser. Was da alles „geregelt“ wird, lässt massiver denn je fragen:
Können und wollen die Menschen alle so leben?

Voriges Jahr wurde mir brieflich über eine Dame aus paar Sekunden durchs Haus gehen, durchaus als ge-
Ostbayern berichtet, die sich irritiert darüber zeigte, sundheitliche Belastung, gerade auch für den Schlaf
dass sie seit dem Einbau eines elektronischen Wasser- störend empfindet? Hatte nicht schon Professor Erwin
zählers sehr schlecht schlafe. Sie frage sich verzweifelt, Schliephake 1932 in der Deutschen medizinischen Wo-
ob dies etwa durch die Funkstrahlung des neuen Zäh- chenschrift ein Forschungsergebnis veröffentlicht, wo-
lermoduls verursacht sein könne oder ob sie womög- nach Personen, die sich längere Zeit in der Nähe elek-
lich verrückt werde. Tatsächlich würde eine amtliche trisch schlecht abgeschirmter Sender aufhielten, Symp-
Auskunft in Bayern aktuell hierzu pauschalisierend lau- tome einer typischen vegetativen Störung zeigten –
ten, dass nach derzeitigem Forschungsstand und nach darunter „Schlafstörungen in der Nacht“? Inzwischen
Feststellung fachlich zuständiger Staatsministerien für liegt eine Vielzahl an Studien vor, die den Zusammen-
Gesundheit und Pflege sowie für Umwelt und Verbrau- hang von gesundheitlichen Beschwerden und Strahlen-
cherschutz die von den Geräten ausgehende Funk- belastung nahelegen. Beispielhaft sei eine Studie der
strahlung gesundheitlich unbedenklich sei; ihre Feld- Universität Wien genannt, die schon für vergleichswei-
stärke liege ja typischerweise noch unterhalb der durch se niedrige Expositionswerte unter anderem die
Mobilfunkgeräte erzeugten Feldstärken4. Schlussfolgerung zieht: „Trotz der sehr geringen Expo-
sition gegenüber Hochfrequenzfeldern können Wirkun-
Was aber, wenn ein Mensch wissend oder unwissent- gen auf Wohlergehen und geistige Leistungsfähigkeit
lich elektrosensibel ist? Könnte es nicht sein, dass sein nicht ausgeschlossen werden, wie durch kürzlich erhal-
Nervensystem elektromagnetische Impulse, die alle tene experimentelle Ergebnisse gezeigt wurde; jedoch

22
Nur noch „strahlende“ Zählersysteme?

„Die digitale Revolution ist risikofreundlich, weil sie nicht wollen kann,
dass technischer Fortschritt eingeschränkt werde. Wer möchte sich denn
noch die Mühe machen, ethisch darüber nachzudenken, ob tatsächlich die
Chancen die Risiken übersteigen, ja viel wichtiger: ob Risiken überhaupt mit
Chancen verrechenbar sind, wenn es um demokratische Grundrechte geht?“

Werner Thiede zu sog. intelligenten Mess-Systemen.

sind die Wirkungsmechanismen bei diesen niedrigen halb der in Deutschland geltenden, ohnehin sehr um-
Leistungsflussdichten unbekannt.“5 In der Schweiz zeig- strittenen Grenzwerte. Aus den USA kommt 2017 die
te 2011 das dortige „Nationale Forschungsprogramm Meldung, dass dort beim Stromzählen eingesetzte,
NFP57“: „Elektromagnetische Felder im Bereich des funkende Smart Meter den menschlichen Herzrhyth-
Mobilfunks haben einen Einfluss auf die Hirnaktivität mus stören können9. Pauschale Bestreitungen des Um-
während des darauffolgenden Schlafs.“6 Professor Pe- stands, dass Funk die Biologie des Menschen nicht tan-
ter Achermann, einer der beiden Direktoren am Hu- gieren würde, entsprechen heute jedenfalls nicht dem
man-Schlaflabor der Universität Zürich, berichtete sei- Forschungsstand.
nerseits: „Wir haben jetzt immer wieder in unseren
Experimenten gesehen, dass eben diese pulsmodulier- Umso mehr gilt es zu bedenken: Heutige Technik er-
ten Felder im gleichen Frequenzbereich das Schlaf-EEG laubt bei Zähler-Apparaturen im Prinzip auch Übertra-
verändern. Und unsere Interpretation ist, dass dies ein gungslösungen jenseits von baubiologisch bedenkli-
nicht-thermischer Effekt ist.“7 chen Strahlungsemissionen10. Doch vor allem wirt-
schaftliche und verwalterische Gesichtspunkte veran-
Zudem geht aus einer 2015 in der renommierten Wis- lassen Firmen, in der Regel auf gesundheitliche Fragen
senschaftszeitschrift Scientific Reports veröffentlichten allenfalls formal im Rahmen der umstrittenen gesetzli-
Studie hervor, dass schon nach fünf Minuten WLAN- chen Grenzwerte11 Rücksicht zu nehmen, also rein
Bestrahlung mit 8000 µWatt/m² Zellfunktionen negativ funktionalen Aspekten ein höheres Gewicht zuzu-
beeinflusst werden können8 – also tausendfach unter- ordnen. Damit tut sich ein grandioses Szenario der Zu-

23
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

mutungen auf: Derzeit entwickeln sich gesetzliche Vor- Dass Fernablesung von Mess-Systemen sehr praktisch
schriften direkt oder indirekt in die Richtung, Gesund- im Sinne technisch-ökonomischer Praktikabilität sein
heitsbewusste und elektrosensible Menschen zu ent- mag, lässt sich kaum bestreiten – auch wenn ihre Sinn-
rechten, indem die Entscheidung darüber, ob Zähler für haftigkeit keineswegs jedermann einleuchtet17. Doch
elementare Versorgungsgüter wie Strom, Wasser und eine letztlich erzwungene Installation hat auch noch
Gas im eigenen Haushalt lästigen Elektrosmog emittie- andere, nämlich moralische und rechtliche Aspekte.
ren dürfen, im Endeffekt den liefernden Firmen über- Gesetzeslagen kann man mit wie auch immer zustande
lassen bzw. rein verwaltungstechnisch getroffen wird. gekommenen Mehrheiten eher manipulieren als ethi-
Offenbar wird der brisante Interessenkonflikt von der sche Grundsachverhalte18. Im Falle unerwünschter
Politik dank Lobby-Einflüssen und baubiologischer Un- „strahlender“ Zähler im eigenen Haushalt geht es nicht
aufgeklärtheit in Zeiten der fortschreitenden digitalen nur um die Missachtung bürgerliche Freiheit19, sondern
Revolution völlig einseitig von oben herab entschieden. um die Frage einer durchaus denkbaren Störung und
Gewohnte Grundrechte bröseln, damit Wirtschaft und Schädigung von Menschen.
Technik blühen.
Zunächst zum Grundsätzlichen: Wer der Überzeugung
So hat der deutsche Bundestag 2016 gegen die Stim- ist, dass digitales Zählen bzw. Datenübermitteln ers-
men der Opposition und gegen die mehrheitliche Ein- tens aus datenschutzrechtlichen Gründen in Frage ge-
stellung der Bevölkerung das neue Gesetz zur Digitali- stellt werden muss und dass zweitens dabei möglicher-
sierung der Energiewende12 beschlossen. Darin ist be- weise zum Einsatz kommender Mobil- und Kommuni-
reits festgeschrieben: Digitales Stromzählen wird von kationsfunk oder auch PLC mit durchaus bedenklichem
keinem Haushalt mehr abzulehnen sein (spätestens ab E-Smog einhergehen, der vertritt eine gut zu begrün-
2020 – sofern die Maßnahme technisch möglich ist und dende, ehrwürdige Ansicht. Selbst wenn die offizielle
in einem wirtschaftlich vertretbaren, hier nicht näher Politik und die Justiz eine gegensätzliche Meinung mit
zu beschreibenden Kostenrahmen bleibt)13. Der Geset- anderer, jedenfalls auch angreifbarer Begründung ver-
zestext weist die Freiheit der Entscheidung über einen treten und so direkt oder indirekt für einen unge-
Einbau von Smart Meter Gateways also völlig einseitig hinderten Ausbau entsprechender Technologien sor-
den Firmen statt den Haus- bzw. Wohnungsinhabern gen mögen, dürfen sie doch schwerlich so weit gehen,
zu. Zwar besteht formal Wahlfreiheit hinsichtlich des die bürgerliche Meinungs- und Gestaltungsfreiheit als
Messstellenbetreibers – mit Blick auf diese „Freiheit“ ökologische Ausrichtung sogar noch in den Privaträu-
haben wohl viele Abgeordnete dem neuen Gesetz am men, sprich: im eigenen Haushalt zu ignorieren – zumal
Ende in ihrem Gewissen zustimmen zu können ge- die diesbezügliche Forschungslage heute nicht so ein-
meint. Doch falls die Betreiber dank der politisch ge- deutig ist, wie gern unterstellt wird20. In Sachen Daten-
wollten Wettbewerbssituation und der darum mög- schutz stellte sich die Rechtslage bislang so eindeutig
lichst preiswerten Umsetzung der Vorschriften sich dar, dass das Bayerische Ministerium des Innern, für
allesamt ausschließlich auf baubiologisch bedenkliche Bau und Verkehr noch Ende März 2017 mit Blick auf
Angebote beschränken, ist die Unfreiheit auf Seiten der elektronische Wasserzähler formuliert hatte, deren
Kundschaft perfekt. Es sieht immer mehr danach aus, Einbau und Betrieb begründeten „jedenfalls bei Einfa-
dass vor allem solche problematische „Lösungen“ das milienhäusern Eingriffe in das Recht auf information-
Feld behalten werden, die auf Funkmodule oder auf elle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs.
Datentransport über die Stromleitungen (Powerline 1 GG), weil personenbezogene Daten gespeichert wer-
Communication: PLC bzw. dLAN) hinauslaufen.14 den, und stellen zusätzlich einen Eingriff in das Recht
auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG)
Viel ließe sich sagen über die umstrittenen Pläne, Ren- dar, soweit diese Daten aus der Wohnung heraus an
diten und Realisierungen der sogenannten Smart den Wasserversorger übermittelt werden.“21 Und was
Grids15 einerseits und über die problematischen Grenz- digitales Stromzählen betrifft, so resümiert Johannes
werte für Mobilfunk und die Einschätzungen der Elek- Franck in seiner Dissertation über „Smart Grids und
trosensibilität als solcher16. Doch dafür ist hier nicht Datenschutz“: Sofern „personenbezogene Energieda-
der Raum. Im Folgenden geht es konzentriert um eini- ten in kurzen Intervallen ohne ein Einwilligung der be-
ge Fragen hinsichtlich der ethischen Unzumutbarkeit troffenen Bewohner erhoben und verarbeitet werden,
einer Akzeptanzpflicht hinsichtlich „strahlender“ Tech- stellt dies einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den
nologien im Haushalt von Menschen, die ihnen gegen- Schutzbereich von Art. 13 GG dar.“22 Tatsächlich ist und
über aus Überzeugung und Erfahrung sehr kritisch ge- bleibt die Unverletzlichkeit der Wohnung ein in Art. 13
genüber stehen. geregeltes Abwehr-Grundrecht. Satzungen von Kom-

24
Nur noch „strahlende“ Zählersysteme?

munen dürfen ebenso wenig wie Parlamentsgesetze einem konkreten Fall die Notwendigkeit von Abschirm-
Regelungen in Kraft setzen, die dieses Grundrecht in maßnahmen anerkannt, wofür bereits ein ärztliches
unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen23. Deshalb Privatgutachten über die ausgeprägte Elektrosensibili-
besagt auch das Elektrizitätswirtschafts- und - tät der Klägerin und das Gutachten eines Ingenieurs für
organisationsgesetz von 2010 (ElWOG) ganz selbst- Baubiologie ausreichten24. Das beschwichtigende Argu-
verständlich: „Im Rahmen der durch die Verordnung ment, die Strahlen seien doch „schwach“ eingestellt,
bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter klingt im Übrigen zynisch gegenüber den Betroffenen:
Messgeräte hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Wer wollte sich erdreisten, ihnen vorzuschreiben, ab
Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhal- wann sie E-Smog schmerzlich empfinden dürfen? Wäre
ten, zu berücksichtigen“ (§ 83 Abs. 1). nicht selbst für den Fall einer unterstellten Hypochond-
rie, also angstgesteuerter Einbildung, ihr subjektives
Und tatsächlich wurde im April 2018 in der Bayerischen Empfinden wenn schon nicht in der Öffentlichkeit, so
Gemeindeordnung bei Wasserzählern mit Funkmodul doch in ihren privaten Rückzugsräumen zu respektie-
für jedermann ein 14-tägiges voraussetzungsloses Wi- ren? Würde nicht alles andere moralisch und grund-
derspruchsrecht nach Einbau-Ankündigung einge- rechtlich als höchst fragwürdig zu beurteilen sein? Und
räumt. Allerdings gibt es leider doch unverhältnismäßi- das übrigens nicht zuletzt mit Blick auf den Umstand,
ge Einschränkungen; so müssen etwa Immobilienkäu- dass der Messstellenbetreiber zwar alleiniges Verfü-
fer bei bereits eingebautem Funkzähler trotz Art. 13 gungsrecht über das Zählergerät und insofern gewiss
GG auf eine Forderung zum Ausbau bzw. zum Abstellen Zugangsrecht zu ihm hat, schwerlich aber auch auto-
des Funkmoduls verzichten. kratisch über die Art und den Weg der Datenüber-
mittlungsstrecke bestimmen kann, zumal wenn diese
Und im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende sich mit ihren Emissionen räumlich und zeitlich fast
von 2016 ist festgeschrieben, dass die Freiheit der Ent- über den gesamten Haushalt ausdehnen will und tech-
scheidung über einen Einbau von Smart Meter Gate- nische Alternativen eigentlich nicht ausgeschlossen
ways im Wesentlichen einseitig bei den betreffenden sind25!
Firmen statt bei den betroffenen Wohnungsinhabern
liegt. Zwar ist der Wortwahl nach von keinem Zwang Dies gilt für Mess- und Übermittlungssysteme bei den
die Rede, sondern strategisch schlau (auf englisch: Elementargütern Strom, Wasser und Gas. Während
smart) vom Wünschen. Aber das Recht zu wünschen Datenschutz und Datensicherheit als ernst zu nehmen-
wird eben lediglich den einbauenden Firmen statt der de Probleme einigermaßen im Blick sind, spricht man in
Kundschaft zugewiesen, die auf die Dauer kein Ableh- diesen Zusammenhängen kaum je mit entsprechender
nungsrecht (abgesehen vom Aspekt der wirtschaftli- Differenzierungsbereitschaft von Strahlenschutz. Dabei
chen Vertretbarkeit) mehr behält. Das ist eine ethisch engagieren sich für baubiologisch angemessenere Re-
und juristisch schon im Grundansatz mehr als fragwür- gelungen zahlreiche Bürgerinitiativen. Denn auf „jeden
dige Regelung, die der Bundesrat trotz seiner Gesetzes- Fall sollten unter dem Gesichtspunkt der Expositions-
zustimmung in einer ausdrücklichen Beifügung be- minderung wo immer möglich kabelgebundene LAN-
mängelt hat, ohne sie damit – wie es sich eigentlich Netzwerke bevorzugt werden.“26 In der Industrie sind
gehört hätte – durchzustreichen. Wird hier erkanntes solche Kabellösungen beim Wasserzählen gang und
Unrecht gewissermaßen politisch „geduldet“? Und gäbe. Ungeachtet dessen versuchen Firmen und Ge-
muss es bei der angepeilten breitflächigen Implemen- meinden bereits jetzt in vielen Ortschaften funkende
tierung „strahlender“, also gesundheitlich umstrittener Wasserzähler zu installieren – gegen den Protest man-
Messsysteme für Elementargüter bleiben? cher Betroffenen und gegen die Intention des grundge-
setzlichen Wohnungsschutzes. Aktuell wird in Deutsch-
Schlimm wäre das insbesondere für elektro(hyper)- land Narrowband-IoT kommerziell eingeführt: Die Ab-
sensible Mitmenschen. Nachdem etliche von ihnen vor deckung soll mittels eines eigenen Funknetzes auf der
der Mobilfunk-Strahlung in Keller geflohen sind, wür- Frequenz von 450 MHz derart durchdringend sein, dass
den sie nun gerade dort womöglich häufig bzw. auch Zähler im Keller künftig per Mobilfunk problemlos
„kleinteilig“ funkende Strom-, Gas- oder/und Wasser- erreicht werden27. Ein entsprechendes Pilotprojekt
zähler antreffen. Oft haben sie ihre Wohn- oder/und läuft im Bereich Smart Metering. Dabei stärken Berich-
Kellerräume gegen Funkstrahlung durch spezielle Ma- te über die Fähigkeit funkender Smart Meter-Anlagen,
terialien abgeschirmt. Nun wären sie doppelt ge- andere Geräte zu stören28, längst die Evidenz, dass sie
schädigt, weil die Strahlung von innen reflektieren wür- auch Menschen biologisch stören könnten. Mussten
de. Allerdings hat das Finanzgericht zu Köln 2012 in nicht aus Sicht des deutschen Strahlenschutzes auf der

25
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Basis durchgeführter Forschungsprojekte zur Gesamt- bern privaten Wohnraums keinesfalls das Übergewicht
problematik biologisch-medizinischer Wirkungen der erhalten. Gegen entsprechendes juristisches und mora-
Mobilfunkstrahlung vor rund einem Jahrzehnt nicht lisches Unrecht formieren sich inzwischen in etlichen
endgültig geklärte Fragen offen gehalten werden29? Ländern bürgerliche Kräfte: „Die Anti-Smart-Meter-Be-
Aber wen interessiert das, solange man nicht selbst wegung wächst so rasant wie das Smart-Meter-Netz.“36
von entsprechender Sensitivität betroffen ist? Empa- Der Baubiologe Martin H. Virnich weiß: „Der Einsatz
thie geht in unserer Gesellschaft in dem Maße zurück, von Smart Metern polarisiert, hier scheiden sich die
in dem die Maschinenherrschaft voranschreitet30. Geister: Industrie und Verteilnetzbetreiber werben
dafür, Bürgerinitiativen in allen Ländern sind skeptisch
Dabei könnten auf einer eher unbewussten Ebene auch und sehen den Einsatz kritisch.“37
nicht direkt „Elektrosensible“ tangiert sein. Denn mit
dem flächendeckenden Einbau verstärkt sich die Ge- Laut den Forderungen der neuen Charta der Digitalen
samtstrahlenbelastung in Wohngebieten – und zwar Grundrechte der Europäischen Union genießen Kinder,
auch nachts31. Überhaupt hat damit die ökologische Heranwachsende und „besonders schutzbedürftige
Idee eines reinen Outdoor-Mobilfunks, der mit Außen- Personen in der digitalen Welt speziellen Schutz“ (Art.
antennen an Nutzer-Gebäuden funktionieren und die 19). Das sollte insbesondere für Elektrosensible im Be-
Wohnräume von Nichtnutzern weithin unbehelligt las- reich ihrer Wohnung bzw. ihres Haushalts und auch
sen würde, keine Chance mehr32. Angesichts besorgnis- ihrer Keller gelten38. Es wird höchste Zeit, dass Politik,
erregender Studien hinsichtlich der biologischen Ver- Industrie, Wirtschaft und Justiz sich hierauf einstellen.
träglichkeit von nicht-ionisierender Strahlung müsste Ein erster, hoffnungsvoller Durchbruch ist 2016 in
die rechtlich gebotene Vorsorge des Staates eine Frankreich gelungen, wo ein Gericht anordnete, im
Pflicht zur Akzeptanz für häufiger funkende Zähler ei- Interesse einer Elektrosensiblen müsse auf Grund ihrer
gentlich unterbinden33. Doch die digitale Revolution ist ärztlichen Bescheinigungen ein in Echtzeit übertra-
risikofreundlich, weil sie nicht wollen kann, dass techni- gender Funk-Wasserzähler durch einen nicht funken-
scher Fortschritt eingeschränkt werde. Wer möchte den ersetzt werden.39 International sollten am besten
sich denn noch die Mühe machen, ethisch darüber „intelligente“ Zähleranlagen grundsätzlich so anvisiert
nachzudenken, ob tatsächlich die Chancen die Risiken und realisiert werden, dass sie nur in Ausnahmefällen
übersteigen, ja viel wichtiger: ob Risiken überhaupt mit mit Funk arbeiten und in der Regel per Kabel. Ihre
Chancen verrechenbar sind, wenn es um demokrati- Wirtschaftlichkeit dürfte sich mittel- und langfristig auf
sche Grundrechte geht? dem Gebiet der Volksgesundheit erweisen.

Bei genauerer Reflexion aber verdient der Bund für Dabei wäre es wohlgemerkt zu einfach, vergröbernd
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Zustim- Funk- und Kabellösungen einander gegenüberzustellen.
mung zu seiner aktuellen Forderung, ein Rechtsan- Denn auch bei der schon erwähnten Datenübertragung
spruch auf Verweigerung zum Einbau funkbasierter übers Stromnetz (PLC oder dLAN) kommt es in den
intelligenter Messtechnik müsse sichergestellt werden, häuslichen Leitungen – sofern sie wie im Normalfall un-
und man solle vorrangig auf kabelgebundene Lösungen geschirmt sind – zu Abstrahlungen aus der gesamten
setzen34. Akzeptabel wäre vielleicht noch eine bidirekti- Elektroinstallation mitsamt angeschlossenen Geräten.
onale Funklösung, wie sie eine Firma35 im Sinne des Befindlichkeits- oder Gesundheitsstörungen können
Minimierungsgebots entwickelt hat: Das Zählergerät laut baubiologischer Erfahrung die Folge sein40. Der
funkt nur dann wenige Male, wenn es selten (in der Schweizer Ingenieur Peter Schlegel weiß: Der Fre-
Regel jährlich) ein aktiv ausgesendetes Aktivie- quenzbereich von PLC verursacht „elektrosensiblen
rungssignal des vor dem jeweiligen Haus befindlichen Personen spontane Beschwerden.“41 Mit dem Ingeni-
Sammlers erhalten hat und beantwortet; ansonsten eur Gerd Bajog gilt es zu realisieren, dass viele Men-
herrscht diesbezüglich Funkstille – doch solch eine Lö- schen aus Furcht um ihre Gesundheit oder ihr Wohlbe-
sung widerspräche dem Datenhunger der Firmen, die finden „kein PLC-, BPLC-, dLAN- oder WLAN-Signal und
aus häufigen Daten mehr Geld machen können. Und auch vom Nachbarn her keinerlei Breitband-Stör-
könnte die Kundschaft bei einmal eingebauten Geräten strahlung im Haus wünschen, sich aber dennoch dem
Änderungen im Funkmodus noch kontrollieren bzw. Einsatz von Smart Metern nicht verschließen wollen
mitbestimmen? bzw. können…“42 Laut der Österreichischen Ärzte-
Begründete Interessen an sehr häufiger Ablesung mag kammer liegen für Frequenzen im Kilohertzbereich, wie
es geben. Aber sie dürfen angesichts der gleicherma- sie bei PLC-Anbindung vom Trafo zum Smart-Meter
ßen begründeten, gegenläufigen Interessen von Inha- auftreten, Daten aus den USA vor, die auf erhöhtes

26
Nur noch „strahlende“ Zählersysteme?

APPELL gegen Zwang zu funkenden Zählern

1. Die eigene Wohnung ist nach europäischem Recht ein besonders geschützter Raum; auch schon in
Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es, niemand dürfe willkürlichen Ein-
griffen in seine Wohnung ausgesetzt werden. Hierzu sollte sich niemand in Widerspruch stellen,
indem er Bürgerinnen und Bürgern ihr bisheriges Recht bestreitet, Funkemissionen in ihrem pri-
vaten Lebensbereich abzulehnen.
2. Der Bundesrat hat angesichts des vom Deutschen Bundestag am 23. Juni 2016 beschlossenen Ge-
setzes zur Digitalisierung der Energiewende verlangt, dass doch noch ein Mitspracherecht für die
Verbraucher beim Einbau von „Smart Metern“ und bei der Einbindung in Kommunikationsnetze
einzuräumen sei. Diese Nachforderung sollte baldmöglichst konkret umgesetzt werden.
3. Digitale Geschäftsmodelle dürfen weder gesetzgeberisch noch firmenpolitisch über gesundheitliche
Aspekte und ethisch gebotene Vorsorge gestellt werden. Dem digitalen Imperialismus von heute
und morgen ist entschieden entgegenzutreten, statt ihm Tür und Tor zu öffnen.
4. Die bislang geltenden Mobilfunk-Grenzwerte orientieren sich ursprünglich bloß an physikalischer
Wärmewirkung. Die Schutzpflicht des Staates umfasst aber auch eine angemessene Berücksichti-
gung biologischer Effekte, die wissenschaftlich nicht mehr zu leugnen sind, weshalb im Wohn- und
Schlafbereich die bereits 2008 vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
empfohlenen, viel niedrigeren Grenzwerte festgeschrieben werden sollten.
5. Der Trend zur Vertuschung und Tabuisierung von funkkritischen Forschungsergebnissen in der Pres-
se wie in den öffentlichen Ämtern muss ein Ende haben und einer neutralen Informationspolitik für
Bürgerinnen und Bürger Platz machen.
6. Das rechtlich und ethisch zu beachtende Vorsorgeprinzip außer Kraft zu setzen, damit technischer
„Fortschritt“ nicht behindert werde, ist eine derzeit öfter laut werdende, aber unethische Forde-
rung. Gerade angesichts der an Tempo zunehmenden Technologisierung unserer Kultur braucht es
dringend kritische Reflexionsbereitschaft hinsichtlich der möglichen Folgen.
7. Auch unabhängig von aktuellen wissenschaftlichen Beweislagen gilt es, Sorgen, Ängste und Be-
schwerden von Bürgerinnen und Bürgern spätestens dort zu respektieren, wo ihre Meinungsfreiheit
mit dem eigenen Lebensstil auch den persönlichen Wohnraum betrifft.
8. Die bereits eingespielte gesellschaftspolitische Rücksichtslosigkeit gegenüber der Minderheit elek-
trosensibler Mitmenschen muss als verwerfliche Diskriminierung gebrandmarkt und auf allen Ebe-
nen korrigiert werden, zumal hinreichend medizinische Forschungen und Belege für biologische und
keineswegs nur hypochondrische Reaktionsmuster bei diesem Krankheitssyndrom vorliegen.
9. Digitale Zähler- und Mess-Systeme funktionieren auch ohne Funk und Powerline. Unvermeidbare
Vorschriften und Realisierungen ihres Einbaus sollten deshalb zeitnah verpflichtend das Angebot
alternativer Lösungen wie Ethernet-Lan, Festnetz-DSL oder Glasfaser beinhalten.

gez. Prof. i.R. Dr. rer. pol. Rüdiger Flick, Prof. i.R. Dr. jur. Heinz Albert Friehe, Prof. Dr. med. Ingrid
Gerhard, Prof. em. Dr. med. Karl Hecht, Prof. a.D. Helmuth Kern, Prof. i.R. Dr. phil. Dr. theol. Chris-
toph L. Lorenz, Prof. Dr. phil. Ralf Lankau, Prof. Dr. theol. Werner Thiede.

27
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Krebsrisiko hindeuten43. Umso mehr besteht Grund zu und seine Würde müssten respektiert werden. Gilt das
der Forderung, dass es grundsätzlich möglich sein nicht auch hinsichtlich der politischen, legislativen und
muss, PLC-Kabellösungen im privaten Lebensbereich juristischen Entscheidungen über Zähler-Apparaturen?
abzulehnen – zu Gunsten der Wahl wirklich intelligent Zumal es hier um ethische und rechtliche Grundfragen
zu nennender Datenübertragungstechniken per Ether- geht, die im weiteren Sinn ungefähr die ganze Bevölke-
net-LAN, Festnetz-DSL bzw. Glasfaserkabel (aber bitte rung betreffen und im engeren Sinn jene „Strahlen-
ohne WLAN oder dLAN am Übergangspunkt!)44. Der flüchtlinge“, die als Elektrosensible nicht in ihrem ele-
wohl hilfreiche Einbau eines PLC-Filters45 käme Ver- mentaren Recht auf körperliche Unversehrtheit und
braucher teuer. auf Gestaltungsautonomie in der eigenen Wohnung
beschnitten werden dürfen, sollten auch die Kirchen
Humane Lösungen auf dem Gebiet digitaler Zähltech- ihre Stimmen erheben und sich um der von ihnen ge-
nik dürfen nicht zum bloßen, unerreichbaren Wunsch- predigten Barmherzigkeit willen einsetzen für eine Poli-
traum werden. Auch wenn für die Datenübertragung tik, die „sich schützend vor die Bedrängten stellt und
die Nutzung eines verlässlichen Kommunikationskanals die zum Widerspruch auffordert, wo Freiheit und
vorgeschrieben ist, sollte kundenseitiges Kabel-Internet Selbstbestimmung bedroht werden.“47
nicht pauschal als unzuverlässig angesehen werden –
wer wollte umgekehrt die perfekte Zuverlässigkeit von Entsprechend sind Aktivitäten auf Seiten und zu Guns-
Mobilfunk behaupten wollen? Bundeskanzlerin Angela ten Betroffener und Initiativen angesagt, denn die Fra-
Merkel (CDU) hat auf der Technologiemesse CeBIT ge drängt sich immer mehr auf: Können und wollen die
2017 den eindringlichen Appell formuliert, vom digita- Menschen so leben? Es stimmt schon, was einst Ludwig
len Wandel verunsicherte Menschen nicht zu missach- Ganghofer in seinem Roman Der Ochsenkrieg formu-
ten und sie in das neue Zeitalter der Digitalisierung mit- lierte: „Die bösen Dinge laufen so schnell, daß die gu-
zunehmen46. Wie könnte das anders als durch einpro- ten sich um den Vorsprung tummeln müssen.“ Mög-
grammierte Rücksichtnahmen und die Ermöglichung liche Aktionen und Proteste können Bezug nehmen auf
echter Wahlfreiheit bei technologischen Lösungen ge- den vorn abgedruckten, von acht Professoren unter-
schehen? Nur einen Tag zuvor hatte damals Martin zeichneten Appell, der unter Angabe der Quelle der
Schulz anlässlich seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden Erstveröffentlichung48 beliebig verbreitet werden darf
und Kanzlerkandidaten betont, der einzelne Mensch und soll.

Prof. Dr. theol. habil. Werner Thiede bel. Der Technikwahn und seine Folgen“ (2015),
„Evangelische Kirche – Schiff ohne Kompass? Im-
Pfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche in Bayern, apl.
pulse für eine neue Kursbestimmung“ (2017),
Professor für Systematische Theologie (Dogma-
„Überm Chaos heiliger Glanz. Glaubensgedich-
tik / Ethik) an der Universität Erlangen-Nürnberg
und Publizist (www.werner-thiede.de). Von 2006 te“ (2018).
bis 2016 arbeitete er als Theologischer Referent
beim Regionalbischof im Kirchenkreis Regens-
burg; zuvor war er Chefredakteur des „Evangel-
ischen Sonntagsblatts aus Bayern“ und von 1991-
1996 wissenschaftlicher Referent an der Evange-
lischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
(EZW). Von seinen zahlreichen Büchern seien
hier genannt: „Mythos Mobilfunk. Kritik der
strahlenden Vernunft“ (2012); „Die digitalisierte
Freiheit. Morgenröte einer technokratischen Er-
satzreligion“ (20142); „Digitaler Turmbau zu Ba-

28
Nur noch „strahlende“ Zählersysteme?

Anmerkungen und Lektüre-Hinweise in den USA Smart Meters etwas anders funken als diesseits
des Atlantiks.
1) Ernst-Wolfgang Böckenförde: Recht, Staat, Freiheit. Stu-
10) Hingewiesen sei hier auf den Ultraschall-Wasserzähler
dien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsge-
Br62 Multical: Er ist durch ein 2,5 Meter langes, geschirmtes
schichte, Frankfurt a.M. 1991, 66. Nächstes Zitat ebd. Kabel mit der Berechnungseinheit verbunden (sollte größerer
2) Vgl. Stefan Aust/Thomas Ammann: Digitale Diktatur. Total- Abstand – bis zu 10 Meter – zwischen Durchflusssensor und
überwachung – Datenmissbrauch – Cyberkrieg, Düsseldorf/ Berechnungseinheit gewünscht sein, könnte ein Pulse-
Berlin 2014; Werner Thiede: Die digitalisierte Freiheit. Mor- Transmitter-Kabel verwendet werden), könnte also den Funk
genröte einer technokratischen Ersatzreligion, Berlin 20142; bei Bedarf zumindest nach außerhalb des Hauses verlagern.
Harald Welzer: Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Noch besser wären freilich reine Kabellösungen zur Daten-
Freiheit, Frankfurt a.M. 2016. übertragung.
3) Hierzu mein Aufsatz „Autonome Autos ohne Technikfol- 11) Vgl. Karl Hecht u.a.: Warum Grenzwerte schädigen, nicht
genabschätzung? Ethische Fragen zwischen Sicherheitsfana- schützen – aber aufrechterhalten werden. Be-weise eines
tismus und Horrorvision“ in: Zeitschrift für Evangelische Ethik wissenschaftlichen und politischen Skandals, St. Ingbert 2009.
60 (2016), 131-138. Die britische Wissenschaftlerin Sarah J. Starkey bestätigt
4) Dieser Wortlaut entspricht den brieflichen „Maßgaben und vergleichend, dass die Studienlage pseudowissenschaftlich
Empfehlungen“ des bayerischen Innenministeriums für den verfälscht wird (Inaccurate official assessment of radiofre-
Einsatz elektronischer Wasserzähler vom 29.3.2017. Was quency safety by the Advisory Group on Non-ionising Radiati-
aber, wenn sich Wohnungsinhaber immer schon bewusst on, in: Reviews on Environmental Health 31 [2016], 493-503).
gegen den Betrieb von Mobilfunkgeräten in ihrem eigenen 12) Der Gesetzeswortlaut findet sich unter
Haushalt entschieden haben? In der Augsburger Allgemeinen https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?
vom 1. April 2017 suchte Rupert Reitberger, Vorsitzender des startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=%2F%2F*%5B%
Zweckverbands Magusgruppe, zu beschwichtigen: „Die funk- 40attr_id=%27bgbl116s2034.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%
gesteuerten Wasserzähler senden den Zählerstand nur alle 2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl116s2034.pdf%27%
16 Sekunden mit einer jeweiligen Dauer von 0,01 Sekunden. 5D__1489835655068 (Zugriff 17.3.2017). Diesem Gesetz
Der Funk ist also nicht dauernd in Betrieb“ (http:// dürfte es weniger um die Energiewende als viel-mehr um die
www.augsburger-allgemeine.de/aichach/Rupert-Reitberger- weitere Durchsetzung der Digitalisierung insgesamt gehen,
Digitale-Wasserzaehler-sind-sicher-id41060876.html). Das von der Kanzlerin Angela Merkel kürzlich explizit sagte, der
sollte kein Aprilscherz sein! Reitberger fügte übrigens hinzu: Staat solle sie „besser durchsetzen“ (http://www.faz.net/
Wer den Einbau eines digitalen Wasserzählers verweigere, agenturmeldungen/dpa/merkel-wirbt-fuer-digitalisierung-
müsse die Kosten für einen anderen, teureren Zähler über- und-lebenslanges-lernen-14919895.html – Zugriff
nehmen. 11.03.2017). Vgl. auch Ulrich Brand/Markus Wissen: Imperi-
5) Hans-Peter Hutter/Hanns Moshammer/Peter Wallner/ ale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur in
Michael Kundi: Subjective symptoms, sleeping problems, and Zeiten des globalen Kapitalismus, München 2017.
cognitive performance in subjects living near mobile phone
13) Der Rollout wird vielleicht etwas später beginnen und
base stations, in: Occupational and Environmental Medicine
sich über 2020 hinaus hinziehen und sich mit der Zeit auf
2006 (63), 307-313.
immer kleinere Jahresverbrauchskundschaft erstrecken.
6) Siehe http://www.nfp57.ch/
d_forschung_epidemiologie.cfm?command=details&id=20 14) Zu PLC siehe unten. Zum Beispiel schrieb Nikolaus Starza-
cher 2013, die Firma Discovergy nutze wann immer möglich
(Zugriff 22.4.2017).
„einen bereits vorhandenen Internetanschluss zur Übermitt-
7) Zit. nach: Christine Werner: Menschen, Masten und Mobil- lung der Zählerstände. Dadurch werden unnötige Kosten und
funk. Der Kampf ums letzte Funkloch (2011), SWR2-Feature, Funkbelastungen (Mobilfunk) vermieden“ (in: Berufsverband
erneut gesendet am 18.10.2017 (im Manuskript: S. 14). Deutscher Baubiologen VDB e.V. [Hg.]: Smart Meter, Smart
8) Siehe näherhin Peter Hensinger/Isabel Wilke: Mobilfunk: Grid, Smart Home/Smart Building, Fürth 2013, 74). Die Stadt-
Neue Studienergebnisse bestätigen Risiken der nicht- werke Pforzheim (SWP) indes stellten 2016 für Stromzähler
ionisierenden Strahlung, in: umwelt · medizin · gesellschaft lediglich die „strahlenden“ Alternativen LTE-Mobilfunk und
3/2016, 16-26, bes. 19. Nach Lebrecht von Klitzing lässt sich PLC in Aussicht (SWP aktiv, Herbstausgabe, 14). Müssten die
zeigen, „dass bei Testpersonen, die zuvor einer WLAN- angeblich „gelebte Kundennähe“ und „vorsorgende Ver-
Langzeitexposition ausgesetzt waren, sich in der EMG-[= antwortung“ (ebd. 2) bei „individueller Beratung“ (24) nicht
Elektromyogramm]-Zeitreihe die deutliche 10-Hz- auch alternative Angebote ermöglichen? Offenbar denken
Komponente des WLAN-Signals darstellt, und zwar schon in desgleichen andere regionale Netzgesellschaften auf Grund
der Kontrolle ohne entsprechende aktuelle elektromagneti- ihnen freistehender Technikauswahl nur an Funk- und PLC-
sche Belastung“ (Artifizielles EMG nach WLAN- Lösungen. Wieviel Hoffnung auf menschliches Entgegenkom-
Langzeitexposition, in: umwelt · medizin · gesellschaft men für umweltsensible Kundschaft ist noch berechtigt?
4/2016, 39). Zählt allein das kapitalistische Prinzip?
9) EKG-Aufzeichnungen zeigen einschlägige Effekte: https:// 15) Dazu bereits mein Aufsatz „Wenn Strom- und Wasserzäh-
www.youtube.com/watch?v=p-aNRQNRtaI&t=2s (Zugriff ler ‚strahlen‘. Ethische Aspekte der künftig ein-zusetzenden
18.5.2017). Hierbei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass digitalen Messgeräte, in: ETHICA 20 (2012), 165-183.

29
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

16) Hierüber habe ich mich in meinem Buch „Mythos Mobil- eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für
funk. Kritik der strahlenden Vernunft“ (München 2012) aus- die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Be-
führlicher geäußert; Weiteres findet man in der vorliegenden hebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr
Broschüre sowie in der „Leitlinie 2016 zur Prävention, Diag- oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen
nostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krank- werden.“ Doch wer Abs. 7 unvoreingenommen liest, merkt
heiten“ der European Academy for Environmental Medicine schnell: Angesichts Art. 13 Abs. 1 GG stellt er keine geeignete
e.V. (deutsche Übersetzung der englischen Original-Veröf- Rechtsgrundlage dar, die den genannten Zweck in ein ausge-
fentlichung „EUROPAEM EMF Guideline 2016“), Hermeskeil wogenes Verhältnis mit den grundrechtlich hoch angesetzten
2016, und bei Ursula Niggli: Land im Strahlenmeer. Über die Schutzinteressen von Wohnungsinhabern gegenüber dauern-
gesundheitlichen Auswirkungen von Funkstrahlungen bei dem Elektrosmog bringt. Schließlich geht es bei Leckage-
Mensch und Tier – eine europäische Diskussion, Berlin 2017 Ortungen kaum je um die „Verhütung dringender Gefahren
sowie Christine Aschermann/Cornelia Waldmann-Selsam: für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“, „Lebensgefahr
Elektrosensibel – Strahlenflüchtlinge in einer funkvernetzten für einzelne Personen“ oder um ähnlich Schwerwiegendes.
Gesellschaft, Aachen 2018.
24) http://www.fg-koeln.nrw.de/behoerde/presse/
17) So wird etwa auf dem Gebiet der Wasserzähler dafür, pressemitteilungen/archiv_2012/02_04_2012/index.php
dass bisher einmal jährlich ein Mitarbeiter oder Firmenwagen
in Hausnähe vorbei kommt und die im Abstand von einigen (Zugriff 24.3.2017). Der Senat hat eine Revision zum Bundes-
Sekunden gefunkten Daten auffängt, oft (nicht bei allen Fir- finanzhof gegen sein Urteil nicht zugelassen!
men!) ein ganzes Jahr lang praktisch rund um die Uhr E-Smog
25) Angemerkt sei hier, dass grundsätzlich der Begriff
erzeugt! Beim Zähler der Firma Kamstrup wurde von Dietrich
„Wohnung“ in Art. 13 GG als „weit“ auszulegen ist, also auch
Moldan (Dr. Moldan Umweltanalytik) am 16.3.2017 in 1,5
Keller und Treppenhäuser mit umfasst (http://www.jura-
Metern Entfernung noch Emissionen in Höhe von 450 µWatt/
schemata.de/unverletzlichkeit-der-wohnung.htm - Zugriff
m2 gemessen – das Signal kommt alle 16 Sekunden! Funktio-
15.4.2017).
nierte nicht bislang die Übermittlung der Wasserzähldaten
vielfach problemlos durch jährliches Absenden einer rasch 26) So Martin H. Virnich in: Berufsverband Deutscher Baubio-
ausge-füllten Postkarte pro Haushalt oder per digitalem Ein- logen VDB e.V. (Hg.): Smart Meter, Smart Grid, Smart Home/
trag auf der betreffenden Firmen-Site? Smart Building, Fürth 2013, 23. „Aus Gründen der Emissions-
18) Immerhin weist die Präambel des deutschen Grundgeset- minimierung sollten Funklösungen grundsätzlich vermieden
zes auf das Bewusstsein der „Verantwortung vor Gott und werden“ (25; vgl. 29). Zur geplanten Änderung der bayeri-
den Menschen“ hin, womit eine religiös begründete Ethik schen Gemeindeordnung siehe Diagnose:Funk-kompakt
bestimmend für seine Auslegung sein muss. Der protestanti- 4/2017, 16f (https://www.diagnose-funk.org/publikationen/
sche Ethiker Peter Dabrock, seines Zeichens Vorsitzender des artikel/detail?newsid=1233 – Zugriff 1.12.2017).
Deutschen Ethikrats, gibt zu bedenken: „In einem demokrati- 27) Siehe https://www.welt.de/wirtschaft/article177440058/
schen Rechtsstaat kann das Recht den Interessen der Mehr- Blackout-Stromversorger-fordern-eigenes-Funknetz-um-
heit auch Einhalt gebieten“ (Interview: Humanität der Grau- Netzstabilitaet-abzusichern.html (Zugriff 1.7.2018). „Die Tele-
zone, in: Der Spiegel 46/2017, 39). kom arbeitet mit dem Messdienstleister Ista zusammen, um
19) Vgl. Werner Thiede: Akzeptanzzwang zu funkbasierten die Messung des Wärme- und Was-serverbrauchs sowie
Messsystemen? Ein No-Go für Freiheitsliebende, Gesund- Rauchmelder mit NarrowBand-IoT zu erreichen. Die Unter-
heitsbewusste und Elektrosensible, in: umwelt · medizin · nehmen arbeiten zusammen, um die Geräte für Erfassung,
gesellschaft 2/2017, 33-41. Visualisierung und Abrechnung von Energieverbräuchen
marktreif zu machen“ (https://www.golem.de/news/lte-
20) Siehe näherhin z.B. http://www.initiative.cc/ telekom-fuehrt-narrowband-iot-netz-in-deutschland-ein-
Artikel/2012_05_14_smartmeter.htm (Zugriff 28.4.2017). 1702-126359.html - Zugriff 24.2.2017).
22) Wortlaut der „Maßgaben und Empfehlungen“ (a.a.O., s. 28) Vgl. z.B. https://einarflydal.com/2017/03/02/smarte-
Anm. 1), 3. strommalere-hvordan-kan-sa-lite-straling-vaere-et-problem/
22) Vgl. Johannes Franck: Smart Grids und Datenschutz, sowie http://www.lefigaro.fr/conso/2016/09/24/20010-
Frankfurt a.M. u.a. 2016, 151. Hier wird auch erkennbar, 20160924ARTFIG00012-pourquoi-le-compteur-linky-allume-
warum die Smart Grid-Programmatik als solche keinen hin- votre-lampe-de-chevet-ou-eteint-votre-tele.php (Zugriff
reichenden Grund für eine Aufhebung oder Einschränkung 3.3.2017).
dieses schützenden Paragraphen darstellt.
29) Vgl. SKK: Biologische Auswirkungen des Mobilfunks
23) Gern wird behauptet, der verfassungsrechtliche Schutz (2011, 44 – siehe http://www.ssk.de/de/werke/2011/
der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG lasse volltext/ssk1109.pdf; Zugriff 25.3.2012).
sich bei den Funkwasserzählern einschränken wegen der
dadurch erleichterten Aufklärung von Störungen im Wasser- 30 Vgl. Werner Thiede: Digitaler Turmbau zu Babel. Der Tech-
versorgungsnetz, so dass Absatz 7 greife: Eingriffe und Be- nikwahn und seine Folgen, München 2015. „Die heutige poli-
schränkungen dürfen „nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr tisch-gesellschaftliche Entwicklung beschert uns ein wachsen-
oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund des Maß an Rücksichtslosigkeit und Kälte“, weiß auch Karl

30
Nur noch „strahlende“ Zählersysteme?

Richter (Mobilfunk und Gesellschaft, in: ders./H. Wittebrock Smart-Meter-Aktivisten). Vgl. ferner Gunni Nordstrom: The
[Hg.]: Kommerz, Gesundheit und demokratische Kultur, St. Invisible Disease, New York 2004.
Ingbert 2005, 13-100, hier 95).
37) Virnich, a.a.O. 28. Übrigens zeigte der 3sat-Film „Wir
31) Der Mediziner Karl Braun-von Gladiß gibt demgegenüber hacken Deutschland“ vom 8.11.2017 die Anfälligkeit deut-
zu bedenken: „Eine der basalen Forderungen aller für den scher und internationaler Infrastruktur für Hackerangriffe
problembewussten Umgang mit Mobilfunk plädierenden deutlich auf. Wäre nicht das allein ein hinreichender Grund,
Wissenschaftler heißt, die Mobilfunkdichte vor allem nachts den Einbau entsprechender Geräte im eigenen Haushalt zu
zu reduzieren, weil das biologische System in dieser Zeit be- verweigern?
sonders sensibel ist. Dementsprechend zweifelte bislang kein
38) Nutzer sollten wenigstens das Recht haben, selber einen
unabhängiger Wissenschaftler an der Notwendigkeit, nachts
Ersatzzugang durch eine Leitung außer Haus (über Kabel oder
die Sendeleistungen von Mobilfunkbasisstationen herunter
nach innen abgeschirmtem Funk an der Außenwand) anzu-
zu regeln, was technisch gut möglich ist“ (Kritische Stellung-
bieten, den der auf Funk pochende Betreiber annehmen
nahme zur neuen Stromablesetechnik (http://
muss.
www.funkfrei.net/dokumente/090331-Gladisz-
Stromablesetechnik.pdf - zuletzt geöffnet am 26.11.2016). 39) Siehe http://www.next-up.org/pdf/
CP_Ordonnance_de_Refere_demontage_compteurs_RF.pdf
32) Die seit 25. Mai 2018 geltende europäische Datenschutz-
und https://informations.handicap.fr/art-electrosensible-
Grundverordnung (DSGVO) verpflichtet laut Art. 5 Absatz 1 c
justice-875-9369.php (Zugriffe 13.12.2016).
in Verbindung mit Art. 25 Absatz 2 DSGVO u.a. dazu, die
Menge und den Umfang der verarbeiteten Daten auf das 40) Vgl. Martin H. Virnich/Dietrich Moldan: Internet aus der
Erforderliche zu beschränken, weshalb eine automatische Steckdose, in: Wohnung und Gesundheit 6/2012 (Nr. 143),
periodische Datenübermittlung in allzu kurzen lntervallen 70-73; Wolfgang Maes: Stress durch Strom und Strahlung,
eigentlich nicht erlaubt sein dürfte. Neubeuern 20136, 473ff und 600ff. Aktuell siehe Diagno-
33) Nikolaus Starzacher erklärte 2013 für die Firma Dis- se:Funk Kompakt 1/2017, 9.
covergy: „Wünscht der Kunde aus persönlichen Grün-den
41) Peter Schlegel: Auch das „Internet über die Steckdose“
keine so hohe Erfassungsdichte des Stromverbrauchs wie sie
strahlt! (http://www.buergerwelle.de/assets/files/
vom System her möglich ist, so kann die Erfassungsrate auch
internet_ueber_steckdose_strahlt.pdf - Zugriff 16.2.2012).
beliebig reduziert werden“ (in: Berufsverband Deutscher
Baubiologen [Hg.], a.a.O. 80). Persönliche Gründe sollten 42) Vgl. Gerd Bajogs Beitrag in: Berufsverband Deutscher
auch künftig und nicht zuletzt bei Wasserzählern gelten; Baubiologen e.V. (Hg.), a.a.O. 36 und 45. „Die NATO sieht
schließlich kam man bisher auch allgemein gut ohne hohe ebenso große Bedenken in der Verbreitung von BPLC/
Erfassungsdichte aus! dLAN“ (49).
34) Siehe https://www.bund.net/index.php? 43) https://smartmeterharm.files.wordpress.com/2014/07/
id=188&no_cache=1&tx_bundpoolnews_display%5Bnews% aust-phys-chamber-pr-2-12-german1.pdf; siehe auch http://
5D=919&tx_bundpoolnews_display%5Bcontroller% www.initiative.cc/Artikel/2012_05_14_smartmeter.htm
5D=News&tx_bundpoolnews_display%5Baction%5D=show (Zugriffe 28.4.2017).
(Zugriff 1.12.2016).
44) Siehe im genannten Heft vom Berufsverband Deutscher
35) Die Firma ISTA erläutert in ihrer Broschüre „Der innovati- Baubiologen 15ff, 23ff, 35ff und 65ff.
ve Weg in die Zukunft“ zum Funksystem symphonic sensor
net, die Verbrauchsdaten würden lediglich bei gezielter An- 45) Geeignete PLC-Filter könnten die problematischen Signa-
frage gesendet: „Da die Mess- und Verteilgeräte bei der bidi- le und Störspannungen vielleicht reduzieren oder aussperren
rektionalen Datenübertragung nur passiv ‚lauschen‘, ist die (vgl. näherhin Bajogs Beitrag sowie aktueller: http://
Belastung der Umwelt durch Sendesignale (‚Elektrosmog‘) www.emv-newline.com - Zugriff 10.3.2017).
gegenüber unidirektionaler Datenübertragung praktisch zu
46) http://www.morgenpost.de/wirtschaft/
vernachlässigen“ (6).
article209987665/Kanzlerin-Merkel-eroeffnet-CeBIT-mit-
36) Lesenswert ist der Spiegel-Online-Report von Juliane mahnenden-Worten.html (Zugriff 20.3.2017).
Schiemenz: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/anti-
47) Peter Hinze: Luther und die Kraft der Differenz, in: Evan-
smart-meter-bewegung-widerstand-gegen-intelligente-
gelische Verantwortung 1/2017, 12.
stromzaehler-a-984085.html (Zugriff 8.8. 2014). Die Rede ist
hier auch von dem Filmemacher Josh del Sol, der bei Seattle 48) Werner Thiede: Darf man funkende Wasseruhren vor-
lebt: Er schätzte damals, dass mittlerweile eine Million Men- schreiben? Das Vordringen in private Räume kann auch zu
schen der Bewegung in ganz Nordamerika angehörten und es weit gehen, in: Bayerische Staatszeitung Nr. 45 vom
Aktivistengruppen in über 40 Staaten gebe. In jenem Teil 11.11.2016, 18.
Washingtons, der zum Staat Maryland gehört, können die
Einwohner sich mittlerweile gegen eine Gebühr für ihr altes Ferner: „Dieses Gesetz entspricht dem Willen der Industrie“.
Gerät entscheiden: Die Wahlmöglichkeit ist in den Verord- Interview mit Werner Thiede, in: Bayerische Staatszeitung
nungen des Bundesstaats verankert (erkämpft von den Anti- Nr. 3/2018 vom 19.1.2018, 22.

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ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

„Es ist zu befürchten, dass viele


eigentlich EHS-Betroffene fälschlicherweise
psychiatrisch behandelt werden …“
Peter Ludwig im Gespräch mit Frank Berner

Frank Berner war über sechs Jahre im Vorstand des Vereins "Elektrosensible und Mobilfunkge-
schädigte München". Er beantwortet die Fragen zu seinen persönlichen Erfahrungen als Elektro-
sensibler und der Arbeit für eine Betroffenenorganisation. Dabei äußert er sich auch zur politi-
schen, medizinischen und gesellschaftlichen Situation von Menschen mit EHS.

Dieser Beitrag erscheint auf Wunsch von Frank Berner nur in der gedruckten Ausgabe und nicht in
der digitalen Version. Er darf weder ganz noch in Teilen digital veröffentlicht werden.
Copyright Frank Berner 2018.

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„Es ist zu befürchten, dass viele eigentlich EHS-Betroffene fälschlicherweise psychiatrisch behandelt werden …“

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ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

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„Es ist zu befürchten, dass viele eigentlich EHS-Betroffene fälschlicherweise psychiatrisch behandelt werden …“

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ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

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„Es ist zu befürchten, dass viele eigentlich EHS-Betroffene fälschlicherweise psychiatrisch behandelt werden …“

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ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Unzählige Beschwerden –
eine Ursache
Interview mit Michaela Reimer (Name geändert),
Gymnasiallehrerin, verheiratet, zwei Söhne.

Das Gespräch führte Christine Aschermann.

Frau Reimer, Sie leiden wie so manche an dass es daran liegen könnte. Vor allem aus dem Grund,
Elektrohypersensibilität. Mit welchen Beschwerden weil unsere Fernsehprogramme dadurch gestört wa-
begannen Ihre Unverträglichkeitsreaktionen, ren, kauften wir ein neues Telefon, das nur strahlte,
und in welchem Alter waren Sie damals? wenn telefoniert wurde. Damit waren überraschender-
Ich war etwa 40 Jahre, als es anfing. Ich hatte plötzlich weise auch meine Kopfschmerzen verschwunden.
Aussetzer beim Herzschlag und starkes Herzklopfen. Da Schließlich stellten wir auf ein kabelgebundenes Tele-
bekam ich natürlich Todesangst. Ich ging zum Arzt und fon um.
wurde in der Klinik der weit entfernt gelegenen Groß-
stadt gründlich untersucht. Danach hieß es, es sei alles Damit aber war Ihr Leiden nicht vorbei?
in Ordnung, es lägen keine Herzrhythmusstörungen o- Nein, denn der erste Nachbar, mit dem wir uns gut
der andere Auffälligkeiten vor. Ich ging jahrelang regel- standen, ging dann auf WLAN über. Er war immerhin
mäßig zu Kontrollen, da sich die Herzanfälle zu Hause bereit, das WLAN abzuschalten, wenn es nicht ge-
ständig wiederholten. Später überfielen sie mich auch braucht wurde. Der Sohn war so nett und achtete da-
bei der Arbeit. Man sagte mir, ich solle darauf achten, rauf. Mit einigen Mitbewohnern des Reihenhauses
bei welchen Gelegenheiten sie aufträten. Aber ich konnten wir reden, mit anderen nicht. Der eine, der ein
konnte keinen Zusammenhang mit irgendeiner Tätig- irrsinnig starkes WLAN hatte, sagte, das doch sei „seine
keit finden. Nach und nach hatte ich so die Nase voll neue Lebensqualität“. Ich konnte schließlich den Funk
von den häufigen Arztterminen, dass ich nicht mehr von WLAN und den schnurlosen Telefone nirgendwo
hinging. Immer hieß es, dem Herzen fehle nichts. Erst mehr aushalten. Mein Mann kommt aus der Elektronik-
im Laufe der Jahre stellte ich dann fest, dass es mit un- branche, er kennt sich aus und versteht das Problem.
serem WLAN zu tun hatte. (Anm.: In den Arztpraxen Wir planten deshalb, uns an einem anderen Ort ein
und Krankenhäusern waren damals kabellose Internet- neues Haus mit extra dicken Wänden zu bauen, mit ei-
verbindungen und Telefone noch nicht sehr verbreitet.) nem Schlafzimmer, das im Keller liegt, damit ich mich
Wie so viele Menschen nutzten wir zu Hause WLAN wenigstens in der Nacht von der allgegenwärtigen
und ein schnurloses Telefon, Modell Siemens Gigaset. Strahlung erholen konnte. Allerdings mussten wir als
Der Router stand auf der einen Seite der dünnen Ytong Übergangslösung für die drei Jahre, solange das Haus
-Wand, in Höhe des Platzes, wo sich auf der anderen im Bau war, in einen Neubaublock ziehen. Die neuen
Seite das Kopfende meines Bettes befand. Wir schalte- Nachbarn verzichteten mir zuliebe auf drahtlose Inter-
ten WLAN am Router ab und ersetzten es durch ein Ka- netverbindungen. Trotzdem ging es mir immer schlech-
bel für das Internet. Von da an konnte ich wieder schla- ter: Schlaflosigkeit, Übelkeit und Schwindel, Krämpfe
fen. Ich war anfangs allerdings nur auf WLAN „geeicht“. im Bauch mit plötzlichen Durchfällen, starkes Herzklop-
Nach einiger Zeit merkte ich, dass ich auch dann Kopf- fen; ich sah Lichtblitze vor den Augen, konnte nicht
schmerzen und Übelkeit bekam, wenn ich auf der denken und schaffte oft den Haushalt nicht mehr. Auf
Couch saß. Direkt daneben stand die Basisstation unse- der Arbeit ging es mir manchmal besser als zu Hause.
res Telefons. Aber erst konnte ich mir nicht vorstellen, Da hatten die Schüler nur die „normalen“ Handys ein-

38
Unzählige Beschwerden — eine Ursache

stecken, die ich nicht so stark merke. Das war vor der che Verkehrsmittel kann ich auch nicht mehr benutzen.
Zeit der Smartphones, ich komme später darauf zurück. Am übelsten ist es in Reisebussen oder in den Zügen
Jedenfalls fühlte ich mich ständig müde und erschöpft der Bahn, die heutzutage mit WLAN ausgestattet sind.
und konnte trotzdem nicht schlafen. Auch Tinnitus und Menschenansammlungen muss ich meiden. Oft bin ich
Sehstörungen traten auf. Weil meine Beine anfingen zu arbeitsunfähig. Häufig muss ich die Karenztage aus-
kribbeln, wurde ich in die Neurologische Klinik über- schöpfen, weil es mir so schlecht geht, dass ich nicht in
wiesen. Die Ärzte stellten die Diagnose von „Restless der Lage bin, in die Schule zu gehen. Eine Kur kommt
legs“ – das heißt: „unruhige Beine“ – und verordneten wegen WLAN im Kurhaus nicht in Frage – so kann ich
mir Tabletten. Wochenlang war ich krank geschrieben. den Antrag bleiben lassen! Inzwischen, seit fünf Mona-
ten, kann ich gar nicht mehr arbeiten. Einst war ich le-
Und welche Ursachen waren dafür verantwortlich? bensfroh und unternehmungslustig und bin nun dazu
Auf dem Dach gegenüber unserer Wohnung war mir ei- verurteilt, zu Hause zu sitzen: für mich die „Höchst-
nes Tages ein Stab aufgefallen. Eine Freundin sagte strafe“! Eine gerichtliche Klage, dass die Elektrohyper-
mir, um was es sich handeln könnte. Daraufhin kaufte sensibilität als Ursache meiner Schwerbehinderung an-
ich mir ein Messgerät (HF 35C von Gigahertz Solutions). erkannt wird, zehrt seit vier Jahren an meinen Nerven.
Nun wusste ich es ganz genau: Es handelte sich um ei-
ne Mobilfunkantenne. Auch am neuen Wohnort nahm Als Sie die Ursache Ihres Problems erkannt hatten -
mich anfangs kein Arzt ernst. Ich schirmte auf eigene wie sind Sie selber damit umgegangen?
Initiative die Fenster mit metalldurchwirkten Stoffen Ich las nun alles über Mobilfunk, was ich finden konnte
gegen die eindringende Strahlung ab. Trotzdem litt ich – in Broschüren, Info-Flyern und im Internet. Ich grün-
und konnte nachts nicht mehr schlafen. Deshalb bin ich dete aus meiner Not heraus eine Selbsthilfegruppe für
zum Schlafen in den Keller unseres Rohbaus gegangen, Elektrohypersensible, denn ich bin mit diesem Problem
ein ganzes Jahr lang, auch im Winter bei minus 20 bei weitem nicht allein! Wir treffen uns regelmäßig ein-
Grad. Unser Bauplatz lag unweit unserer Wohnung. mal im Monat und werden sogar finanziell von der AOK
Dort halb unter der Erde konnte ich gut schlafen. Nach gefördert. Alle meine Beschwerden treten nur auf,
drei Jahren war unser Haus mit den dicken Wänden wenn ich mich innerhalb hochfrequenter Strahlung be-
fertig. Aber da die Strahlungsintensität von außen dras- finde. Sobald ich mich in meinem Keller aufhalte, geht
tisch zugenommen hat, bin ich auch jetzt gezwungen, es mir gesundheitlich gut, aber psychisch bescheiden!
bestimmte Bereiche gegen die Strahlung – Mobilfunk, Was will ich denn dauerhaft in einem Keller? Aber au-
LTE, schnelles Internet für das Handy, TETRA, Behör- ßerhalb beginnen sofort die Symptome! Und leider ver-
denfunk, digitales Radio und so weiter – abzuschirmen. trage ich die Abschirmkleidung nicht, die ich mal pro-
Nur im Keller hinter mehreren Abschirmungen ist es behalber angezogen hatte. Das, was ich erlebe, ist wie
mir möglich zu schlafen. Schließlich aber kam noch ein Folter für mich, die immer dann aufhört, wenn ich der
WLAN-Hotspot mit Richtfunk-Internetverbindung dazu, Hochfrequenzexposition aus dem Wege gehen kann.
mitten auf dem Marktplatz unseres kleinen Dorfes. Er
funkt in unseren Garten. Wie hat sich Ihr Leben durch die
Elektrohypersensibilität verändert?
Entsprechend schlecht geht es Ihnen heute? Früher war ich eine lebenslustige Frau, die alles mit-
Mich draußen aufzuhalten, ist eine Quälerei. Von allen nahm, Tanzen, Fasching, Shoppen, Essengehen mit
Seiten wirkt die Strahlung der mobilen Geräte auf mich Freunden, Kino, Radfahren, Wandern in den Bergen.
ein. Am schlimmsten ist es mit dem Aufkommen der Ich habe einen Garten mit Gemüse und Blumen, kann
Smartphones geworden. Bei den Smartphones wirken mich aber kaum noch darin aufhalten. Ich bekomme
nicht nur die normalen Handysignale; oft sind gleichzei- dort schon nach kurzer Zeit Glieder- und Hüftschmer-
tig und aus der Unwissenheit der Nutzer heraus die zen. Ich kann nirgendwo mehr hingehen, da Mobilfunk
mobile Datenübertragung, die 2., 3. und 4. Mobilfunk- und WLAN heute fast überall sind. Nur das Hallenbad
generation mit ihren technischen Verbesserungen, besuche ich zum Schwimmen, denn dort sind Smart-
WLAN und Bluetooth aktiviert. Das bedeutet im phones nicht erlaubt. Die meisten Leute halten sich
schlimmsten Fall eine siebenfache Belastung. Fast alle dran. Das gechlorte Wasser vertrage ich, ich dusche
Menschen tragen heute ein Smartphone mit sich her- hinterher gründlich. Ich kann mit dem Computer arbei-
um. So kann ich kaum noch einkaufen gehen. Ich kann ten, wenn auch nicht lange. Weil wir wissen, dass die
nicht mehr ins Kino, Theater, Museum, keinen Urlaub Laptops allein durch die Akkus schon strahlen, nehmen
mehr machen. Überall WLAN-Hotspots oder Menschen wir sie bei Nichtgebrauch immer heraus!
mit Smartphones oder Laptops und Tablets! Öffentli-

39
ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION

Wenn jemand sich krankheitsbedingt so stark zurück- ker. Ich bin ja auch „durchgeimpft“, in den Impfungen
ziehen muss aus allen gemeinsamen Aktivitäten, hat sind regelmäßig Zusatzstoffe enthalten! Ich entwickelte
dies nicht auch Reaktionen der Umgebung zur Folge? viele Nahrungsmittelunverträglichkeiten, z.B. auf Glu-
Meine Schwestern und meine Mutter haben glückli- ten und Milcheiweiß. Auf Rohkost reagierte ich mit
cherweise Verständnis. Die eine Schwester leidet an starken Blähungen. Später ging ich ambulant in eine
Borreliose und ist ebenfalls elektrohypersensibel. Auch Klinik für alternative Behandlungsmethoden. Dort wur-
die Nichten sind lieb und lassen ihre Smartphones bei de eine Darmsanierung mit Darmbakterien durchge-
Besuchen draußen im Auto liegen. Schwieriger ist es führt, und ich musste die Therapie privat zahlen.
mit Menschen außerhalb der Familie. Durch meinen
Umzug habe ich die meisten früheren Freundinnen ver- Haben Sie außer der Bauweise mit speziell dicken
loren bis auf ein paar Ausnahmen. Im Kollegenkreis Mauern noch etwas unternommen, um sich in Ihrem
wurde ich von einigen regelrecht gemobbt. Ich muss Haus vor der Strahlung zu schützen?
als Lehrerin viele Versammlungen des Lehrerkollegi- Wir hatten vor dem Verputzen unser ganzes Haus in ei-
ums besuchen und konnte teilweise erreichen, dass in ne Art Hasengitter eingepackt. Mein Schlafzimmer liegt
dieser Zeit keine Smartphones benutzt wurden. Drau- im Keller, dort war es bis vor zwei Monaten sehr gut.
ßen auf dem Flur telefonierten sie trotzdem mit ihrem Jetzt haben die Betreiber aber den Mobilfunksender
Smartphone. Die Schüler zeigten weitgehend Verständ- mit LTE „modernisiert“. Seitdem sind auch in meinem
nis. Aber man darf nicht vergessen, dass es sich um pu- durch doppelte Wände geschützten Schlafzimmer stän-
bertierende Jugendliche handelt, und da ist die Nach- dig, wenn auch niedrige, Werte auf unserem Messge-
richt auf dem Smartphone auch mal wichtiger als das rät - Electrosmog-Meter, Messbereich von 100 MHz bis
Wohl der Lehrerin. So gibt es Kinder, die das Handy 8 GHz - nachweisbar. Es ist nun für mich kaum noch
heimlich wieder anschalten. Solange sie das Handy in auszuhalten. Ich wache mit Kopfschmerzen auf, und
der Hosentasche dabei haben dürfen, wird das immer wenn ich aufstehe und im Erdgeschoss das Frühstück
ein Problem sein. zubereite, habe ich heftige Schmerzen in der gesamten
Schädeldecke. Außer LTE und WLAN strahlen bei uns
Und was erlebten Sie mit Ihren Ärzten? TETRA und Radar ein, ein richtiger „Cocktail“. Ich muss
Ich habe lange nach Ärzten gesucht, die meine Be- Kopfschmerztabletten einnehmen. Um es für mich wie-
schwerden nicht als psychosomatisch abtun. Meine jet- der erträglicher zu gestalten, hat mein Mann kürzlich
zige Hausärztin ist aufgeschlossen und versucht mir zu trotz bitterer Kälte ein spezielles Metallgitternetz drau-
helfen, wo sie kann. Mehrmals war ich auch bei einer ßen an den Dachsparren angebracht, das jetzt an der
Umweltmedizinerin, aber die Fahrt von mehreren hun- Fassade herunterhängt. Schön sieht es nicht aus, aber
dert Kilometern war mir auf die Dauer zu weit. Eine es hilft. Ich kann wieder etwas durchatmen! Wir haben
Ärztin und ein anderer Untersucher, bei denen ich also eine Abschirmung durch zwei Gitternetze, Alumini-
Tests für mein Gerichtsverfahren durchführen ließ, um-Jalousien und Vorhänge. Im Schlafzimmer werde
hatten eine funkbelastete Praxis, ahnten aber selber ich mir noch zusätzliche Abschirmstoffe an den Wän-
nichts davon. Deshalb waren die erstellten Gutachten den anbringen. Ich kann nicht mehr arbeiten, weil der
nicht zu verwerten! Wenn der Aufbau des Experiments drahtlose digitale Wahnsinn, politisch befohlen, auch in
fehlerhaft ist, also bei angeblicher Null-Exposition in der letzten Dorfschule Einzug hält. Mein ganzes Geld
Wirklichkeit schon Funkstrahlung vorhanden ist, hat aus meiner beruflichen Existenz steckt in unserem
man keine Chance, den Nachweis zu erbringen, dass Haus, für Therapien ist da nicht viel übriggeblieben. Ich
der Körper auf Funk reagiert. kann hier nicht mehr weg und frage mich täglich, wie
lange man solch eine Folter überleben kann.
Was haben Sie an Therapien durchgeführt, die für
Elektrohypersensible üblicherweise empfohlen wer- Tatsächlich gibt es dazu eine Reihe von Studien, die
den? aufzeigen, dass die körperlichen Reserven nach und
Ich habe auf Anraten der Umweltärztin zwecks Ent- nach aufgebraucht werden… Was erhoffen Sie sich
giftung Chlorella-Algen eingenommen. Ich hatte zwar selber denn nun für Ihre Zukunft – beruflich und pri-
damals alle (Anm.: quecksilberhaltigen) Amalgamfül- vat?
lungen auf eigene Kosten bereits entfernen lassen, Ich habe beim Landratsamt Antrag auf Anerkennung
wusste aber nicht, dass der Körper solche Giftstoffe von Elektrohypersensibilität als Behinderung gestellt.
wie Quecksilber auch woanders deponiert und man Vor kurzem wurde mein Klageverfahren auf Höherstu-
solche „Depots“ durch nicht-fachmännische Entgiftung fung abgeschlossen, mit Erhöhung auf einen Grad der
in Bewegung versetzen kann. Ich wurde immer krän- Behinderung von 40. Mein Ziel war 50 GdB, da dann

40
Unzählige Beschwerden — eine Ursache

der Arbeitgeber mehr Möglichkeiten hat. Man hat mich Nachbemerkung der Interviewerin: Es ist geradezu
auf meinen Arbeitsvertrag und die Schwerbehin- klassisch, was Frau Reimer berichtet. Viele Elektrohy-
dertenvertretung verwiesen. Ohne Erhöhung des GdB persensible haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie
oder wenigstens Gleichstellung organisiert man für verwenden oft jahrelang ohne Bedenken Handy und
mich gar nichts. — In der Hauptsache würde ich mir für WLAN, Bluetooth und Schnurlostelefone. Eines Tages,
mein weiteres Leben wünschen, dass ich die Funkstrah- plötzlich oder mit schleichendem Beginn, treten Symp-
lung nicht mehr spüre! Außerdem sollte sich auf der ju- tome auf, die häufiger und heftiger ausfallen als frühe-
ristischen Ebene etwas ändern: dass alles, was mit Ge- re Beschwerden oder die ganz andersartig sind. Da
setzgebung und Gerichtsbarkeit zusammenhängt, nicht meistens auch innere Unruhe, Anspannung, Störungen
nur als Farce abläuft! Der GdB wird offiziell danach ein- des Denkens, der Konzentration, Wortfindungsschwie-
geschätzt, wie groß die Teilhabemöglichkeit am gesell- rigkeiten u.a. vorhanden sind, ist die Besorgnis der Be-
schaftlichen Leben ist. Bei hochgradig Elektrohypersen- troffenen verständlich! Sie wandern von Arzt zu Arzt,
siblen ist sie praktisch gleich null! Elektrohypersensibili- ohne Ergebnis. Die Ärzte sind ratlos, bis sie schließlich
tät ist bei den medizinischen Grundlagen für die Festle- auf solche Verlegenheitsdiagnosen zurückgreifen wie
gung des Grades der Behinderung aber gar nicht aufge- „psychisch“ oder „vegetativ bedingt“, „psychosoma-
führt. Stattdessen bekam ich Diagnosen wie „psychisch tische“ oder „somatoforme Störung“. Sie neigen dazu,
bedingt“, „Anpassungsstörung“ oder „funktionelle Stö- an den in der Ausbildung gelernten Diagnosen festzu-
rungen“. Es wird unterstellt, dass ich mir das „ein- halten und sind zu wenig flexibel, zu wenig aufge-
bilde“. Man hielt mir sogar vor, dass ich mir durch mein schlossen gegenüber „neuartigen“ Krankheiten. In sol-
Verfahren Vorteile verschaffen wolle. In Wirklichkeit chen Fällen wird oft Yoga zur Stressbewältigung oder
geht es um den Ausgleich von Nachteilen, die mir auf- eine Psychotherapie empfohlen. Leider verschwinden
grund meiner Behinderung entstehen. Gern würde ich dadurch die Symptome nicht, sondern es kommen im
auch gern wieder in meinem Beruf arbeiten. Es gibt für Laufe der Zeit immer weitere hinzu. Betroffene finden
mich nichts Schöneres, als Kinder zu unterrichten. Dazu oft erst über Gespräche mit anderen, eigene Internet-
braucht man, zumindest was meine Fächer angeht, recherche oder Broschüren der aufklärenden Vereine
auch in modernen Zeiten nur Tafel und Kreide, kein In- (Anm.: z. B. Bürgerwelle e.V., Diagnose: Funk e.V., Kom-
ternet, kein WLAN! Und wenn Internet doch den Un- petenzinitiative e.V.) den Zusammenhang mit funken-
terricht ergänzen soll: Es lässt sich auch per Kabel nut- den Geräten oder Sendeanlagen heraus, Medienbe-
zen. Meine Generation hat die Universität ohne dies al- richte tragen eher selten dazu bei. Wenn sie Bescheid
les absolviert! Die heutigen Jugendlichen setzen Inter- wissen, sind sie in der Lage, für Abhilfe zu sorgen, z.B.
net und WLAN gleich, sie wissen gar nicht mehr, dass durch Abschalten, oder sie können wenigstens durch
man auch ein Kabel für den Router benutzen könnte! Abschirmen die Belastung senken. Eine überraschend
große Anzahl von Elektrohypersensiblen sieht es nun
Frau Reimer, vielen Dank für dieses als ihren Auftrag an, selber Aufklärungsarbeit zu leis-
aufschlussreiche Gespräch! ten, um vor der Gefahr durch Funk zu warnen. So wie
Frau Reimer mit Ihrer Selbsthilfegruppe! Das ist eine
höchst notwendige gesellschaftliche Aufgabe.

41
42
Aus der Forschung und ärztlichen Praxis
Fortschritte der Forschung und Erfahrungen der ärztlichen Praxis zur ‚Elektrohypersen-
sibilität‘ werden öffentlich kaum wahrgenommen. Seit mindestens zwei Jahrzehnten liegt
eine Vielzahl an internationalen und nationalen Studien zum Thema vor. Dabei geht es um
grundlegende Erkenntnisse über Erscheinungsweisen von EMF-bedingten Beeinträchtigun-
gen oder von Elektrohypersensibilität. In der Analyse dabei vor allem: die biologisch-
medizinisch feststellbaren, potentiell gesundheitsschädigenden Auswirkungen gegenwärti-
ger Funktechnologien.

43
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik


und Therapie EMF-bedingter Beschwerden
und Krankheiten
Europäische Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM) – Arbeitsgruppe EMF

Die Europäische Akademie für Umweltmedizin (European Academy for Environmen-


tal Medicine) veröffentlichte unlängst eine Leitlinie, die von einem internationalen
Team von Wissenschaftlern und Ärzten in mehrjähriger Arbeit verfasst wurde. Die
Leitlinie gibt aus medizinischer Sicht einen Überblick über den derzeitigen For-
schungsstand zu den Risiken niederfrequenter und hochfrequenter elektromagneti-
scher Felder (EMF) und den Forschungsstand zu Elektrohypersensibilität (EHS). Sie
enthält Empfehlungen für ärztliche Diagnose und Behandlung. Wir dokumentieren
hier die EMF-Leitlinie in Auszügen.1

Zusammenfassung
Chronische Krankheiten mit unspezifischen Sympto- Häufige Quellen elektromagnetischer Felder (EMF) sind
men nehmen zu. Neben chronischem Stress im sozia- etwa: Hochfrequente elektromagnetische Strahlung
len Umfeld und bei der Arbeit gibt es im häuslichen, oder kurz Hochfrequenz (HF) (3 MHz bis 300 GHz) wird
beruflichen und freizeitlichen Umfeld physikalische und von Radio- und Fernsehsendern, WLAN-Access Points,
chemische Umweltfaktoren, die als ursächliche oder WLAN-Routern und WLAN-Clients (z.B. Smartphones,
verstärkende Stressoren wirken und sowohl von Allge- Tablets), Schnurlos- und Mobiltelefonen einschließlich
meinärzten als auch vom gesamten medizinischen ihrer Basisstationen und Bluetooth-Geräten abge-
Fachpersonal mehr Beachtung verdienen. strahlt. Niederfrequente elektrische (ELF EF) und mag-
netische Felder (ELF MF) im ELF-Bereich (3 Hz bis 3 kHz)
Es scheint notwendig, jetzt auch solche „neuen Exposi- gehen von Elektroinstallationen, Beleuchtungsmitteln
tionen“ wie EMF zu berücksichtigen. Ärzte werden im- und elektrischen Geräten aus. Niederfrequente elektri-
mer häufiger mit Beschwerden unbekannter Ursache sche (VLF EF) und magnetische Felder (VLF MF) im VLF-
konfrontiert. Studien, empirische Beobachtungen und Bereich (3 kHz bis 3 MHz), die durch Oberschwingun-
Berichte von Patienten weisen ganz eindeutig auf gen und Verzerrungen von Spannung und Strom verur-
Wechselwirkungen zwischen Beschwerden und der Ex- sacht werden, gehen von Elektroinstallationen, Be-
position gegenüber elektromagnetischen Feldern leuchtungsmitteln (z.B. Energiesparlampen) und elekt-
(EMF) hin. Die individuelle Empfindlichkeit gegenüber ronischen Geräten aus.
Umwelteinflüssen wird jedoch meist außer Acht gelas-
sen. Neue Funktechnologien und Funkanwendungen Einerseits gibt es starke Hinweise dafür, dass Langzeit-
wurden eingeführt, ohne dass vorher ihre Auswirkun- expositionen gegenüber bestimmten elektromagneti-
gen auf die menschliche Gesundheit hinreichend ge- schen Feldern einen Risikofaktor für verschiedene
klärt wurden, was die Medizin und Gesellschaft vor Krankheiten wie z.B. verschiedene Arten von Krebs,
neue Herausforderungen stellt. Zum Beispiel ist die Alzheimer-Krankheit und männliche Unfruchtbarkeit
Frage nach den so genannten nicht thermischen Effek- darstellen und andererseits wird die neu auftretende
ten und potenziellen Langzeiteffekten im Niedrigdosis- elektromagnetische Hypersensitivität (EHS) immer häu-
bereich vor Einführung dieser Technologien kaum un- figer von Gesundheitsbehörden, Behörden und Sachbe-
tersucht worden. arbeitern für die Feststellung von Behinderungen, Poli-
tikern sowie Gerichten anerkannt.

44
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

Wir empfehlen, elektromagnetische Hypersensitivität gegenwärtiger Sicht erscheint ein Behandlungsansatz


(EHS) klinisch als einen Teil der chronischen Multisyste- besonders empfehlenswert, der bei anderen Multisys-
merkrankungen (CMI) zu behandeln, aber dabei anzu- temerkrankungen in zunehmendem Maße praktiziert
erkennen, dass die eigentliche Ursache in der Umwelt wird und zum Ziel hat, die schädigende Wirkung von
begründet liegt. Zu Beginn treten EHS-Symptome oft Peroxynitrit zu minimieren.
nur gelegentlich auf, aber mit der Zeit nehmen sie an
Häufigkeit und Intensität zu. Häufige EHS-Symptome Diese EMF-Leitlinie bietet einen Überblick über den
sind zum Beispiel Kopfschmerzen, Konzentrations- derzeitigen Wissensstand zu EMF-bedingten Gesund-
schwierigkeiten, Schlafprobleme, Depressionen, Ener- heitsrisiken und gibt Empfehlungen für die Diagnose,
giemangel, Erschöpfung und grippeähnliche Sympto- Behandlung und Barrierefreiheit von EHS, um den indi-
me. Eine ausführliche Anamnese, die sowohl alle Symp- viduellen Gesundheitszustand Betroffener zu verbes-
tome als auch deren Auftreten mit Bezug auf den Zeit- sern bzw. wiederherzustellen, sowie zur Entwicklung
punkt und den Ort und im Kontext von EMF- von Präventionsstrategien.
Expositionen erfasst, ist der Schlüssel zur Diagnose. Die
EMF-Exposition wird in der Regel durch EMF-
Messungen zu Hause und bei der Arbeit ermittelt. Ge- Gegenwärtiger Stand der wissenschaftlichen
wisse EMF-Expositionen können auch durch das Erfra- und politischen Diskussion über EMF-be-
gen von häufigen EMF-Quellen im Umfeld des Patien- dingte Beschwerden aus medizinischer Sicht
ten eingeschätzt werden.
Einführung
Das Projekt der“ Umweltbedingten Krankheitslasten“
Es ist sehr wichtig, die individuelle Empfindlichkeit ei- (engl. Environmental Burden of Disease Project) hat
nes Patienten zu berücksichtigen. Die primäre Therapie untersucht, wie sich neun verschiedene schädliche Um-
sollte sich vor allem auf die Vermeidung und Reduktion welteinflüsse (Benzol, Dioxin einschließlich Furane und
der EMF-Expositionen konzentrieren. Dabei sollten alle Dioxin-ähnliche PCBs, Passivrauchen, Formaldehyd,
Quellen hoher EMF-Expositionen zu Hause und am Ar- Blei, Lärm, Ozon, Feinstaub und Radon) auf die öffentli-
beitsplatz reduziert oder entfernt werden. Die Reduzie- che Gesundheit in sechs Ländern (Belgien, Finnland,
rung der EMF Expositionen sollte auch auf öffentliche Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande)
Orte wie z.B. Schulen, Krankenhäuser, öffentliche Ver- auswirken. Diese neun schädlichen Umwelteinflüsse
kehrsmittel und Bibliotheken ausgedehnt werden, da- waren für 3 % bis 7 % der jährlichen Krankheitslast in
mit sie von Personen mit EHS ungehindert genutzt wer- den sechs europäischen Ländern verantwortlich.²
den können (Barrierefreiheit). Wenn eine nachteilige
EMF-Exposition ausreichend reduziert wird, hat der Eine Studie der Bundespsychotherapeutenkammer
Körper die Chance zu genesen und EHS-Symptome (BPtK) in Deutschland hat gezeigt, dass die Zahl der
werden zurückgehen oder sogar ganz verschwinden. Es psychischen Erkrankungen weiterhin gestiegen ist und
gibt viele Beispiele, die zeigten, dass sich solche Maß- dass insbesondere die Zahl der betrieblichen Fehltage
nahmen bewährten. Um die Wirksamkeit der Behand- zwischen 2004 und 2011 aufgrund von Burnout um das
lung zu erhöhen, sollte die Vielzahl anderer Umweltein- Siebenfache gestiegen ist.³ Im Jahr 2012 waren in Deu-
flüsse, die zur Gesamtbelastung des Körpers beitragen, tschland 42 % der Frührenten durch psychische Erkran-
ebenfalls berücksichtigt werden. Alle Maßnahmen, die kungen bedingt, wobei Depression die häufigste Diag-
die Homöostase unterstützen, helfen auch die Wider- nose war.4 In Deutschland werden von allen verschrei-
standskräfte gegen Krankheiten zu stärken, und damit bungspflichtigen Medikamenten Psychopharmaka am
auch gegen die schädlichen Auswirkungen von EMF- dritthäufigsten verschrieben.5
Belastungen.
Die Einnahme von Methylphenidat (Ritalin, Medikinet,
Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Exposition Concerta) ist seit Beginn der 1990er Jahre drastisch an-
gegenüber elektromagnetischen Feldern einen starken gestiegen. Dieses Psychopharmakon wird insbesondere
Einfluss auf die oxidative und nitrosative Regulationsfä- bei kleinen Kindern und Jugendlichen zur Therapie bei
higkeit von Betroffenen ausübt. Dieser Ansatz kann Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung
auch erklären, warum sich der Grad der Empfindlich- (ADHS) eingesetzt. Nach den Angaben des Bundesinsti-
keit gegenüber EMF verändern kann und warum die tuts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist
Liste von Symptomen, die im Zusammenhang mit EMF- die Verschreibung dieses Medikaments seit 2000 dra-
Expositionen beschrieben worden ist, so lang ist. Aus matisch angestiegen und hat 2012 einen Höhepunkt

45
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

erreicht. Im Jahr 2013 wurde nur ein leichter Rückgang der überschneiden.11 In den folgenden Abschnitten
bei den Verschreibungen dieses Medikaments ver- werden Hintergrundinformationen zu wichtigen Aspek-
zeichnet.6 ten EMF-bedingter biologischer Wirkungen vorgestellt.
Diese Ausführungen sollten aber nicht als eine umfas-
Interessanterweise fällt der rasante Anstieg für die Ver- sende Literaturübersicht über die gegenwärtig verfüg-
schreibung von Methylphenidat in eine Zeit, in der Mo- bare Evidenz missverstanden werden.
bilfunk und andere drahtlose Technologien stark aus- Aufgrund der oben bereits erwähnten Überschneidung
gebaut werden und stellt damit eine offene Frage für biologischer Wirkmechanismen ist die Trennlinie zwi-
die Forschung dar. schen hochfrequenten (HF) und niederfrequenten (ELF)
Feldern nicht immer scharf abgegrenzt. An dieser Stelle
In Deutschland haben sich in den Jahren von 1994 bis soll auch darauf hingewiesen werden, dass ganz spezifi-
2011 die Meldungen zur Erwerbsunfähigkeit und die sche Expositionsbedingungen bei einer Person zu biolo-
Zahl der betrieblichen Fehltage aufgrund von psychi- gischen Reaktionen führen können, aber nicht bei an-
schen Erkrankungen mehr als verdoppelt.7 In den OECD deren. Einzelberichten zufolge erhöht sich bei der ers-
-Ländern bestehen große Unterschiede bei der Ver- teren Personengruppe mit der Zeit die individuelle Re-
schreibung von Antidepressiva und generell wird ein aktionsgeschwindigkeit und Empfindlichkeit. Die Un-
steigender Trend beobachtet. Der sozialökonomische verträglichkeit erstreckt sich dann auf eine immer brei-
Status und die Therapiestandards können diese Be- tere Palette von Expositionsbedingungen.
obachtungen nicht vollständig erklären. 8 Funktionelle
Störungen, wie chronische Entzündungen und verän- Chronische Krankheiten mit unspezifischen Sympto-
derte Funktionen der Neurotransmitter, die durch Um- men nehmen zu. Neben chronischem Stress im sozia-
welteinflüsse bedingt sind, werden dabei kaum unter- len Umfeld und auf Arbeit gibt es im häuslichen, be-
sucht. ruflichen und freizeitlichen Umfeld physikalische und
chemische Umweltfaktoren, die als ursächliche oder
Weltweit hat die Häufigkeit der allergischen bzw. asth- verstärkende Stressoren wirken und sowohl von Haus-
matischen Erkrankungen stetig zugenommen, wobei ärzten als auch dem gesamten medizinischen Fachper-
inzwischen 30 % bis 40 % der Weltbevölkerung von ei- sonal mehr Beachtung verdienen. Es scheint notwen-
ner oder mehreren allergischen bzw. asthmatischen Er- dig, jetzt auch solche „neuen Expositionen“ wie EMF zu
krankungen betroffen sind.9 berücksichtigen oder in den Worten von Hedendahl et
al.:12 „Es ist an der Zeit, dass niederfrequente (ELF) und
Es besteht der Verdacht, dass elektromagnetische Um- hochfrequente (HF) elektromagnetische Felder als Um-
welteinflüsse eine ursächliche Rolle im Hinblick auf weltbelastungen anerkannt werden, die dementspre-
EMF-bedingte Beschwerden spielen können.10 Dazu ge- chend überwacht werden müssen.“
hören unter anderem Expositionen der Bevölkerung
gegenüber Hochfrequenz von z.B. Schnurlostelefonen Statements von Organisationen
(DECT), Mobilfunkbasisstationen und Mobiltelefonen aus aller Welt zum Thema EMF
(GSM, GPRS, UMTS, LTE), insbesondere Smartphones, Die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation
Datenkarten für Laptops und Notebooks, WLAN sowie (WHO) zu niederfrequenten elektrischen (ELF EF) und
funkbasierte und PLC -basierte Smart Meter, aber auch magnetischen Feldern (ELF MF) sowie hochfrequenter
gegenüber niederfrequenten elektrischen Feldern (ELF elektromagnetischer Strahlung (HF), erstellt von der In-
EF) und niederfrequenten magnetischen Feldern (ELF ternationalen Strahlenschutzkommission für nicht ioni-
MF) einschließlich „Dirty Electricity“, die von Störungen sierende Strahlung (ICNIRP),13 beruhen auf induzierten
der Elektroinstallationen, Stromleitungen, elektrischen Körperströmen (ELF) und dem thermischen Wirkmodell
Geräten und anderen Maschinen ausgehen. Diese Ex- (HF).
positionen stellen sowohl die Gesellschaft als auch die
Mediziner vor neue Herausforderungen. Thermische Wirkungen werden durch Temperaturer-
höhungen infolge der Absorption elektromagnetischer
Während man die biophysikalischen und biochemi- Energie hervorgerufen. Die spezifische Absorptionsrate
schen Wirkmechanismen schwacher elektromagneti- (SAR) beschreibt die Rate, mit der elektromagnetische
scher Felder nicht genau kennt, wurden in den letzten Energie je Masseneinheit des Körpergewebes absor-
Jahrzehnten jedoch große Fortschritte gemacht. Zahl- biert wird. Sie ist proportional zum schrittweisen Tem-
reiche Daten deuten darauf hin, dass sich die Wirkme- peraturanstieg in dem entsprechenden Gewebe. Ein
chanismen niederfrequenter und hochfrequenter Fel- signifikanter Temperaturanstieg muss tatsächlich ver-

46
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

mieden werden, da er ganz unmittelbar negative ge- Großbritannien, 2000; Salzburger Resolution, Öster-
sundheitliche Folgen (Gewebsnekrose, Herzbelastun- reich, 2000; Freiburger Appell, Deutschland, 2002;
gen, etc.) nach sich ziehen kann. Es gibt aber auch Ex- Catania-Resolution, Italien, 2002; Statement der Irish
positionen ohne (messbaren) Temperaturanstieg, weil Doctors’ Environmental Association, Irland, 2005; Hel-
die Wärme entweder abgeführt wird oder die Energie- sinki Appell, Finnland, 2005; Benevento-Resolution, Ita-
menge der Exposition so niedrig ist, dass keine nen- lien, 2006; Venedig-Resolution, Italien, 2008; Porto
nenswerte Erwärmung erfolgt. Eine Exposition ohne Alegre-Resolution, Brasilien, 2009; Resolution des rus-
Temperaturanstieg wird als nicht thermisch bezeich- sischen Nationalkomitees zum Schutz vor nicht ionisie-
net. Biologische und gesundheitsrelevante Wirkungen render Strahlung, Russland, 2001; Internationaler Ärz-
nicht thermischer Expositionen wurden von vielen For- teappell, Europa, 2012, und der Report des Ständigen
schungsgruppen aus aller Welt nachgewiesen und be- Gesundheitsausschusses, Kanada, 2015.20
sprochen.14
Im August 2007 und im Dezember 2012 hat die BioIniti-
Die Empfehlungen der ICNIRP wurden von der EU in ih- ative Working Group, die sich aus 29 Experten aus ver-
rer Ratsempfehlung von 1999 übernommen, ohne dass schiedenen Kompetenzbereichen zusammensetzt, zwei
Langzeitwirkungen nicht thermischer Effekte berück- bahnbrechende Berichte unter der Herausgeberschaft
sichtigt worden wären. In diesem Zusammenhang soll- von Cindy Sage und David O. Carpenter mit dem Titel
te aber erwähnt werden, dass auf einer internationalen „BioInitiative 2007 bzw. BioInitiative 2012 – A Rationale
EMF-Konferenz in London (2008) Professor Paolo for a Biologically-based Public Exposure Standard for
Vecchia als ICNIRP-Vorsitzender von 2004 bis 2012 zu Electromagnetic Fields (ELF and RF)” veröffentlicht. Die
den Expositionsrichtlinien ausführte, „Was sie nicht Autoren fordern, aufgrund der verfügbaren wissen-
sind“: „Sie sind keine verbindlichen Sicherheitsvor- schaftlichen Erkenntnisse Vorsorgemaßnahmen gegen
schriften“, „Sie sind nicht das ‚letzte Wort‘ zu diesem EMF-Belastungen zu ergreifen.21 Die beiden Berichte
Thema“ und „Sie sind keine Basis für die Verteidigung der BioInitiative sind globale Meilensteine im Hinblick
der Industrie und anderer“.15 auf die umfassende Bestandsaufnahme der biologi-
schen und gesundheitlichen Wirkungen schwacher
Für alle HF-bedingten nicht thermischen Wirkungen elektromagnetischer Felder sowie den Schlussfolgerun-
sind SAR-Abschätzungen keine angemessene Expositi- gen und Empfehlungen für die Öffentlichkeit. Der Bio-
onsgröße, stattdessen sollte entweder die Feldstärke Initiative Report von 2012 enthält Abschnitte über wis-
oder die Leistungsflussdichte in Verbindung mit der Ex- senschaftliche Belege für die Auswirkungen auf: Gen-
positionsdauer in Richtlinien zur Anwendung kom- und Proteinexpression, DNA, Immunfunktion, Neurolo-
men.16 Im Gegensatz zu den ICNIRP-Richtlinien, basie- gie und Verhalten, Blut-Hirn-Schranke, Hirntumoren
ren die russischen Sicherheitsstandards auf nicht ther- und Akustikusneurinome, Kinderleukämie, Melatonin,
mischen Effekten hochfrequenter Strahlung, da mehre- Alzheimer-Krankheit, Brustkrebs, Fruchtbarkeit und Re-
re Forschungseinrichtungen der ehemaligen Sowjetuni- produktion, Erkrankungen von Föten und Neugebore-
on, die über Jahrzehnte hinweg Studien zur chroni- nen, Autismus, Störungen durch modulierte Signale,
schen Exposition gegenüber hochfrequenter Strahlung medizinische Therapiegeräte sowie Abschnitte über die
durchführten, genau diese nicht thermischen Effekte Problemdarstellung, die gegenwärtigen Grenzwerte
dokumentierten.17 zum Schutz der Bevölkerung, den Nachweis über die
Unzulänglichkeit dieser Grenzwerte, das Vorsorgeprin-
Und im Gegensatz zum WHO-Hauptquartier in Genf hat zip, Beispiele der globalen öffentlichen Gesundheit, die
die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Emp-
eine an die WHO angegliederte Agentur mit Sitz in fehlungen für die öffentliche Gesundheit und eine Zu-
Lyon, niederfrequente magnetische Felder (ELF MF) sammenfassung für die Öffentlichkeit einschließlich
2002 als möglicherweise krebserregend für den Men- Schlussfolgerungen.
schen (Gruppe 2B) eingestuft18 und im Jahr 2011 eben- Da EMF als Gesundheitsrisiko meist ignoriert wird, hat
so hochfrequente elektromagnetische Felder.19 die Europäische Umweltagentur das Risiko von nicht
ionisierender Strahlung (EMF) mit anderen Umweltrisi-
Es ist außerdem festzuhalten, dass in den letzten 20 ken wie Asbest, Benzol und Rauchen verglichen und
Jahren mehr als 20 Positionspapiere und Resolutionen dringend empfohlen, im Hinblick auf EMF das Vorsor-
zum Thema EMF und Gesundheit von EMF-Forschern geprinzip anzuwenden.22 In weiteren Veröffentlichun-
und Ärzten verabschiedet wurden wie z.B.: Wiener gen von 2011 und 2013 wurde dieser Standpunkt be-
EMF-Resolution, Österreich, 1998; Stewart Report, kräftigt und noch detaillierter ausgeführt.23

47
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Im September 2008 forderte das Europäische Parla- sensiblen Personen‘, die an einer Unverträglichkeit ge-
ment in einem Statement, dass die EMF-Grenzwerte genüber elektromagnetischen Feldern leiden, soll be-
der EU-Ratsempfehlung von 1999, die auf den ICNIRP- sondere Beachtung geschenkt und konkrete Maßnah-
Richtlinien beruhen, unter Einbeziehung des BioInitiati- men zu ihrem Schutz eingeführt werden, einschließlich
ve Reports überprüft werden sollen.24 Dieses Anliegen der Errichtung strahlungsfreier Gebiete, die nicht von
wurde in einer Resolution des Europäischen Parla- Funkdiensten abgedeckt werden.“
ments im April 2009 noch einmal bekräftigt.25
In ihren Empfehlungen vom Juli 2012 hat die Amerika-
Auf einer Tagung im November 2009 in Seletun, Nor- nische Akademie für Umweltmedizin (AAEM) aner-
wegen, haben Wissenschaftler einen Konsens verab- kannt, dass es Patienten gibt, die durch EMF-
schiedet, der Präventions- und Vorsorgemaßnahmen Belastungen beeinträchtigt werden. Die AAEM forderte
empfiehlt, die aufgrund der verfügbaren Evidenz mögli- die Ärzte auf, die Belastung durch elektromagnetische
cher globaler Gesundheitsrisiken durch EMF zum jetzi- Felder bei der Diagnose und Therapie zu berücksichti-
gen Zeitpunkt gerechtfertigt sind.26 Neben allgemeinen gen und anzuerkennen, dass die Exposition gegenüber
und konkreten Empfehlungen, zum Beispiel für Mobil- elektromagnetischen Feldern „eine zugrunde liegende
funk und Schnurlostelefone, sprachen die Wissen- Ursache für den Krankheitsverlauf des Patienten sein
schaftler auch Grenzwertempfehlungen für niederfre- kann“.29
quente magnetische Felder (ELFMF) und hochfrequen-
te elektromagnetische Strahlung (HF) aus. Die Wissen- Seit 2014 ist in Belgien Mobiltelefonwerbung für Kinder
schaftler hielten fest: Die hier empfohlenen Richtwerte unter sieben Jahren verboten und auf allen Mobiltele-
berücksichtigen noch nicht empfindliche Bevölkerungs- fonen muss die spezifische Absorptionsrate (SAR) aus-
gruppen (Personen mit EHS; Personen mit schwachem gezeichnet sein. Außerdem müssen beim Verkauf gut
Immunsystem; Föten; Kinder in den Entwicklungsjah- sichtbare Warnhinweise angebracht sein, die die Ver-
ren, ältere Menschen; Menschen, die Medikamente braucher darauf hinweisen, ein Headset zu benutzen
einnehmen; etc.). Daher ist höchst wahrscheinlich ein und wie sie ihre Strahlenbelastung minimieren kön-
weiterer Sicherheitszuschlag für die hier empfohlenen nen.30
EMF-Richtwerte gerechtfertigt.
Im Januar 2015 verabschiedete das französische Parla-
Seit 2007 empfiehlt der Oberste Sanitätsrat des öster- ment ein umfangreiches Gesetz zum Schutz der Bevöl-
reichischen Bundesministeriums für Gesundheit, Vor- kerung vor überhöhter Exposition gegenüber elektro-
sorgemaßnahmen zu ergreifen, um die Exposition ge- magnetischen Wellen. Unter anderem wurde verab-
genüber HF-Strahlung bei der Nutzung von drahtlosen schiedet, dass WLAN in Kindergärten für Kinder unter
Geräten zu reduzieren, und zwar bei Geräten mit lang drei Jahren verboten ist und dass WLAN in Grundschu-
dauernder Exposition mindestens um den Faktor 100 len für Kinder unter elf Jahren nur dann eingeschaltet
unter den Referenzwerten der EU-Kommission; es wer- werden soll, wenn es für bestimmte Teile des Unter-
den auch eine Reihe von konkreten Empfehlungen aus- richts genutzt wird. Wenn an Orten, die der Öffentlich-
gesprochen, wie man die persönliche Exposition gegen- keit zugänglich sind, WLAN angeboten wird, muss die-
über Mobiltelefonstrahlung reduzieren kann.27 ser Umstand durch ein Schild eindeutig gekennzeichnet
sein. Beim Verkauf von Mobiltelefonen muss der SAR-
Im Mai 2011 verabschiedete die Parlamentarische Ver- Wert klar erkennbar sein. In Zukunft muss jede Mobil-
sammlung des Europarates den Bericht über „Die mög- telefonwerbung auch Empfehlungen enthalten, wie
lichen Gefahren elektromagnetischer Felder und ihre Nutzer die Hochfrequenzbelastung ihres Kopfes zum
Auswirkung auf die Umwelt“.28 Die Parlamentarische Beispiel durch den Gebrauch eines Headsets reduzie-
Versammlung unterbreitete den Mitgliedsstaaten des ren können. Angaben über die örtliche HF-Strahlen-
Europarates viele Empfehlungen zur Prävention, mit belastung soll für die allgemeine Bevölkerung leichter
denen die Bevölkerung und die Umwelt vor allem auch zugänglich gemacht werden, indem unter anderem lan-
vor Hochfrequenzbelastungen geschützt werden kön- desweite Standortkarten der Sendeanlagen zur Verfü-
nen: „Es sollen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen gung gestellt werden sollen. Des Weiteren muss die
werden, um die Exposition gegenüber elektromagneti- französische Regierung dem Parlament innerhalb eines
schen Feldern zu reduzieren, insbesondere den Funk- Jahres einen Bericht zum Thema elektromagnetische
frequenzen von Mobiltelefonen und ganz besonders Hypersensitivität vorlegen.31
die Belastung für Kinder und Jugendliche, die das
höchste Hirntumorrisiko zu haben scheinen …,Elektro-

48
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

Im Februar 2016 hatten bereits 220 Wissenschaftler magnetischen Felder werden in ihrer Gesamtheit kurz
aus 42 Ländern den internationalen Appell unterzeich- als EMF und umgangssprachlich als „Elektrosmog“ be-
net, der sich an die Vereinten Nationen (UN) und die zeichnet.
Weltgesundheitsorganisation (WHO) wendet und zum Im Rahmen einer Fragebogenerhebung wurden 2001 in
Schutz vor nicht ionisierenden elektromagnetischen der Schweiz 394 Personen befragt, die ihre spezifischen
Feldern aufruft. Der Appell spricht die wissenschaftlich Beschwerden auf EMF-Expositionen zurückführten,
nachgewiesenen Wirkungen auf die Gesundheit an so- wobei 58 % der Umfrageteilnehmer an Schlafproble-
wie die derzeit gültigen, aber unzureichenden interna- men oder Schlafstörungen litten, 41 % an Kopfschmer-
tionalen Richtlinien (ICNIRP) und deren Anwendung zen, 19 % an Nervosität, 18 % an Müdigkeit und 16 %
durch die WHO. Außerdem wurden neun Forderungen an Konzentrationsstörungen. Die Umfrageteilnehmer
aufgestellt, einschließlich dass: „die Öffentlichkeit voll- brachten ihre Symptome zum Beispiel mit Mobilfunk-
ständig über die möglichen Gesundheitsrisiken aufge- basisstationen (74 %), Mobiltelefonen (36 %), Schnur-
klärt und über Strategien zur Schadensminimierung un- lostelefonen (29 %) und Hochspannungsleitungen (27
terrichtet werden soll und dass Mediziner und Ärzte zu %) in Verbindung. Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer
den biologischen Wirkungen elektromagnetischer hatten Maßnahmen ergriffen, um ihre Symptome zu
Energie und zur Behandlung von Patienten mit elektro- lindern, wobei Expositionsvermeidung die häufigste
magnetischer Hypersensitivität ausgebildet werden“.32 Maßnahme war.34

Im September 2015 wurde eine internationale wissen- Im Jahr 2001 unterzogen sich im Rahmen eines inter-
schaftliche Deklaration zu elektromagnetischer Hyper- disziplinären Pilotprojekts der Umweltmedizin in Basel
sensitivität und vielfacher Chemikalienunverträglichkeit 63 Personen, die ihre Beschwerden auf Umweltexposi-
von dem Ausschuss der Wissenschaftler verabschiedet, tionen zurückführten, einer Beratung. Ein interdiszipli-
der im Anschluss an die Tagung des 5. Pariser Appells näres Expertenteam beurteilte die Symptome der ein-
vom 18. Mai 2015 an der königlichen Akademie der zelnen Patienten durch medizinische, psychologisch-
Medizin in Brüssel, Belgien, tagte. In dieser Deklaration psychiatrische und umweltmedizinische Untersuchun-
werden nationale und internationale Behörden und Or- gen, einschließlich Hausbesuchen und umwelttechni-
ganisationen aufgefordert, elektromagnetische Hyper- schen Messungen zu Hause. Im Hinblick auf die 25 Pati-
sensitivität (EHS) und vielfache Chemikalienunverträg- enten mit EHS bestätigte das Expertenteam, dass bei
lichkeit (MCS) als Krankheiten anzuerkennen und wur- einem Drittel der Patienten mindestens ein Symptom
de die WHO dringend gebeten, EHS und MCS in die In- plausibel mit Elektrosmog im Zusammenhang stand,
ternationale Klassifikation der Krankheiten aufzuneh- obgleich die EMF-Exposition innerhalb der Schweizer
men. Außerdem wurden nationale und internationale Grenzwerte lag. Sie kamen zu dem Schluss, dass Pati-
Behörden und Organisationen dazu aufgerufen, einfa- enten mit EHS medizinisch, psychologisch und im Hin-
che Vorsorgemaßnahmen einzuführen, die Öffentlich- blick auf ihre Umwelt beraten werden sollten.35
keit aufzuklären und wirklich unabhängige Sachver-
ständigengruppen einzuberufen, um diese Gesund- Eine Fragebogenerhebung unter Finnen (n=206), die
heitsrisiken auf der Grundlage wissenschaftlicher Ob- sich selbst als an elektromagnetischer Hypersensitivität
jektivität zu evaluieren, was gegenwärtig nicht der Fall (EHS) leidend beschrieben, zeigte, dass die häufigsten
ist.33 Symptome mit dem Nervensystem im Zusammenhang
standen: Stress (60 %), Schlafstörungen (59 %) und Er-
schöpfung (57 %). Die EMF-Quellen, die am häufigsten
Elektromagnetische Hypersensivität (EHS) als Auslöser von EHS angegeben wurden, waren Com-
Eine zunehmende Anzahl von Menschen ist in ihrem puter (51 %) und Mobiltelefone (47 %). Nach Aussagen
Alltag ständig und in zunehmendem Maße einer Kom- von 76 % der Umfrageteilnehmer war die Reduktion
bination von elektromagnetischen Feldern ausgesetzt: oder das Vermeiden elektromagnetischer Felder (EMF)
statische, niederfrequente elektrische und magneti- mit dafür verantwortlich, dass sie ihre Gesundheit voll-
sche Felder, einschließlich ELF und VLF (very low fre- ständig oder teilweise wiederherstellen konnten.36 Ei-
quencies: im Allgemeinen von 3 kHz bis 3 MHz, in an- ne im Jahr 2004 in der Schweiz durchgeführte reprä-
deren Fällen von 3 kHz bis 30 kHz), sowie hochfrequen- sentative Telefonumfrage (n=2048; Alter > 14 Jahre)
te elektromagnetische Felder (HF). Diese Expositionen ergab eine Häufigkeit von 5 % (95 %-CI 4 % bis 6 %) für
zeichnen sich durch unterschiedliche Signalmuster, Personen, die ihre Symptome auf Elektrosmog zurück-
Feldstärken und technische Anwendungen zu unter- führten, also an sogenannter elektromagnetischer Hy-
schiedlichen Zeiten aus. Diese verschiedenen elektro- persensitivität litten.

49
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Bei n=107 Personen mit EHS waren die häufigsten Die häufigsten Symptome im Zusammenhang mit EHS
Symptome Schlafprobleme (43 %), Kopfschmerzen (34 waren Erschöpfung, Kopfschmerzen, Konzentrations-
%) und Konzentrationsschwierigkeiten (10 %). Erstaun- probleme, Schlafstörungen und Schwindel. Die häufigs-
licherweise konsultierten nur 13 % der Betroffenen ih- ten Ursachen waren Mobilfunkbasisstationen, Mobilte-
ren Hausarzt. Betroffene, die in der Vergangenheit ihre lefone von anderen, Computer, Stromleitungen, Fern-
Beschwerden mit EMF in Verbindung gebracht hatten, seher, das eigene Mobiltelefon, öffentliche Verkehrs-
antworteten drei Mal häufiger, dass sie die „Quelle ab- mittel, Schnurlostelefone, Klimaanlagen und Autos. Zu
geschaltet“ haben im Vergleich zu denjenigen, die im- den EMF-Quellen, die unter Verdacht standen Auslöser
mer noch Beschwerden hatten. 37 von EHS zu sein, gehörten: Mobilfunkbasisstationen,
Computer, elektrische Haushaltsgeräte, medizinische
In einer Schweizer Fragebogenerhebung von 2005 ga- Geräte, Mobiltelefone, Stromleitungen und Induktions-
ben zwei Drittel der Hausärzte an, dass sie im letzten herde. 41
Jahr mindestens einmal aufgrund von EMF zugeschrie-
benen Beschwerden aufgesucht wurden. Vierundfünf- Im Jahr 2010 stellten Khurana et al. fest, dass von zehn
zig Prozent der Ärzte hielten einen Zusammenhang für epidemiologischen Studien, die gesundheitliche Aus-
möglich. In diesem Fragebogen baten die Ärzte um zu- wirkungen auf Mobilfunkbasisstationen untersuchten,
sätzliche Informationen zum Thema EMF und Gesund- acht Studien eine erhöhte Prävalenz von neurologi-
heit und um Richtlinien, wie mit EHS-Patienten umzu- schen Verhaltensstörungen oder Krebs in den Populati-
gehen sei.38 onen aufwiesen, die im Umkreis von 500 Metern einer
Basisstation lebten. Da in keiner der Studien die Strah-
In einer anderen Fragebogenerhebung von 2004, die lenpegel oberhalb der international anerkannten Richt-
ebenfalls von der Schweizer Regierung in Auftrag gege- linien lagen, liegt nahe, dass die gegenwärtigen Richtli-
ben und von der Universität Bern durchgeführt wurde, nien nicht ausreichen, um die Gesundheit der Bevölke-
gaben die befragten Schweizer Ärzte mit komplemen- rung zu schützen.42
tärmedizinischem Diagnostik- und Therapieangebot an,
dass sich 71 % ihrer Beratungen auf EMF beziehen wür- Carpenter berichtete im Jahr 201543 von einer Reihe
den. Bemerkenswerterweise vermuteten nicht nur die von gesunden Personen, die EHS entwickelten, nach-
Patienten einen möglichen Zusammenhang zwischen dem sie kurzzeitig einer hohen Mikrowellenstrahlung
ihrer Erkrankung und EMF, sondern in noch weit größe- ausgesetzt waren. Zu den typischen Symptomen gehör-
rem Maße die Ärzte selbst. Die Reduzierung oder Elimi- ten zum Beispiel chronische Kopfschmerzen, Reizbar-
nierung der Strahlungsquellen im Umfeld der Patienten keit und emotionale Labilität, geringere Libido und Ge-
war die wichtigste therapeutische Maßnahme zur Be- dächtnisprobleme, die bei einigen der Patienten über
handlung der Beschwerden, die mit EMF-Expositionen Jahre hinweg andauerten.
im Zusammenhang standen.39
Hedendahl et al.44 berichteten von zwei 15-jährigen
Eine Fragebogenerhebung unter Ärzten aus Österreich Schülern und einer 47-jährigen Lehrerin, die bei WLAN-
kam zu ähnlichen Ergebnissen. In dieser Studie bestand Exposition in der Schule gesundheitliche Beschwerden
eine erstaunliche Diskrepanz zwischen der Ansicht der wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Konzentrations-
Hausärzte und den etablierten nationalen und interna- schwierigkeiten, Herzrasen, oder Schwindel entwickel-
tionalen Risikobewertungen, da 96 % der Hausärzte es ten. Diese Fallbeispiele werden hier erwähnt, um ganz
bis zu einem gewissen Grad für möglich hielten oder gezielt auf die möglichen gesundheitlichen Folgen
ganz und gar davon überzeugt waren, dass die in der durch die zunehmende HF-Belastung von Schülern und
Lebensumwelt vorkommenden elektromagnetischen Lehrern aufmerksam zu machen. Die Frage, ob elektro-
Felder eine gesundheitsrelevante Rolle spielen wür- magnetische Hypersensitivität (EHS) ursächlich mit
den.40 EMF-Expositionen im Zusammenhang steht, ist um-
stritten. Einerseits gehen Ärzte aufgrund von Fallbei-
Bei einer Umfrage von 2009, die in einer japanischen spielen davon aus, dass ein ursächlicher Zusammen-
Selbsthilfegruppe für EHS und MCS durchgeführt wur- hang mit EMF plausibel ist, andererseits behaupten na-
de (n=75), hatten 45 % der Umfrageteilnehmer EHS als tionale und internationale Risikobewertungen in den
eine medizinische Diagnose erhalten und 49 % hielten meisten Fällen, dass es keinen derartigen ursächlichen
sich für elektrosensibel. Jeder zweite Umfrageteilneh- Zusammenhang gäbe, da Provokationsstudien unter
mer hatte eine medizinische Diagnose für MCS (49 %) kontrollierten Bedingungen in den meisten Fällen kei-
erhalten und 27 % hatten ihre eigene Diagnose gestellt. nen Zusammenhang feststellen konnten. Diese Studien

50
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

weisen jedoch ernsthafte Mängel auf, auf die einge- Eine französische Forschergruppe unter der Leitung
gangen werden muss: die Probanden wurden den Ex- von Belpomme50 untersuchte seit 2009 klinische und
positionsbedingungen oft hintereinander ausgesetzt, biologische Parameter prospektiv in einer Gruppe von
womit die Nachwirkungen nicht beachtet wurden; die Personen, die nach eigenen Angaben an EHS und/oder
Expositionsdauer und die untersuchten Wirkungen wa- MCS leiden, und zwar mit dem Ziel, objektive diagnosti-
ren nur kurz; die Scheinexposition wurde häufig unter sche Kriterien zu bestimmen und die pathophysiologi-
Bedingungen durchgeführt, die bei sensiblen Personen schen Aspekte der beiden Erkrankungen aufzuklären.
bereits Effekte auslösten; der Zeitrahmen der Experi- Auf der Grundlage der 727 auswertbaren Fälle deckte
mente berücksichtigte nicht die zeitliche Abfolge vom die Untersuchung eine Reihe von neuen und wichtigen
Auftreten der Symptome bis zu ihrem Verschwinden Erkenntnissen auf, wie zum Beispiel:
und/oder die Rekrutierung der Probanden mit EHS
wurde nicht medizinisch evaluiert. (a) Keiner der Biomarker, die bisher in der Studie be-
stimmt wurden, sind spezifisch für EHS und/oder
Die WHO zieht zum Beispiel EHS nicht als eine Diagno- MCS.
se in Betracht und empfiehlt den Ärzten, sich bei der (b) Mehrere Biomarker wie Histamin, Nitrotyrosin und
Behandlung der Betroffenen auf deren Beschwerden Antikörper gegen O-Myelin waren erhöht. Der Me-
und das klinische Bild zu konzentrieren und nicht auf latonin/Kreatinin-Quotient war im 24-Stunden-
das vermeintliche Bedürfnis der Betroffenen, EMF am Sammelurin erniedrigt.
Arbeitsplatz oder zu Hause reduzieren oder eliminieren (c) EHS und MCS sind echte somatisch-pathologische
zu wollen.45 Anhand der verfügbaren Evidenz und dem Größen.
praktischen Wissen ignoriert dieser Ansatz einen kau- (d) Unter dem Einfluss von elektromagnetischen Fel-
salen Zusammenhang.46 dern und/oder Chemikalien kann es durch zerebra-
le Durchblutungsstörungen/Sauerstoffmangel zu ei-
Die Arbeit „Electromagnetic Hypersensitivity: Fact or ner Entzündung des Nervensystems kommen.
Fiction“ von Genius und Lipp47 bietet einen aufschluss- (e) Patienten mit EHS und/oder MCS könnten möglich-
reichen Überblick über die EHS-Studien der letzten erweise gefährdet sein, chronische neurodegenera-
Jahrzehnte, einschließlich historischer Meilensteine, tive Erkrankungen und Krebs zu entwickeln.
Übersichtsarbeiten, Pathogenese, biochemischer Mar-
ker, therapeutischer Vorgehensweisen sowie der Dis-
kussion über die Legitimität von EHS. Auch wenn eine Studie von Regel et al. aus dem Jahr
200651 nach der Exposition keine Wirkungen verzeich-
In den Gesichtshautproben elektrosensibler Personen neten, fanden zwei Provokationsstudien über die Expo-
wurde ein deutlicher Anstieg der Mastzellen beobach- sition von „elektrosensiblen“ Probanden und Kontroll-
tet.48 Aus dieser und anderen früheren Studien, in de- probanden gegenüber Signalen von Mobilfunkbasissta-
nen sich EHS-Symptome oft während der Exposition tionen (GSM, UMTS oder beide) eine signifikante Ver-
mit elektromagnetischen Feldern einer Kathoden- minderung des Wohlbefindens in der Gruppe, die sich
strahlröhre (CRT) manifestierten, wurde deutlich, dass als elektrosensibel bezeichnete, nach der Exposition
die Anzahl der Mastzellen in der oberen Lederhaut in durch UMTS.52 Die meisten sogenannten Provokations-
der EHS-Gruppe erhöht war. Das Verteilungsmuster studien mit Elektrosensiblen zeigten keine Effekte. Alle
der Mastzellen war in der EHS-Gruppe auch anders. diese Studien benutzten jedoch eine sehr begrenzte
Schließlich waren in der EHS-Gruppe die zytoplasmati- Anzahl von Expositionsbedingungen und die meisten
schen Granula dichter verteilt und stärker gefärbt als in dieser Studien weisen methodische Mängel auf. Wenn
der Kontrollgruppe und grundsätzlich waren die infilt- man bedenkt, wie stark die EMF-Wirkungen von einer
rierenden Mastzellen in der EHS-Gruppe ebenfalls grö- ganzen Reihe von physikalischen und biologischen Pa-
ßer. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass später eine rametern abhängig sind53, sind die verfügbaren Provo-
ähnliche Mastzellenzunahme bei gesunden Probanden kationsstudien wissenschaftlich schwierig zu interpre-
beobachtet wurde, die in einem Experiment vor einen tieren und sind nicht wirklich geeignet den Gegenbe-
Kathodenstrahlbildschirm (CRT) und auch vor gewöhn- weis für einen Kausalzusammenhang zu erbringen.
liche Fernsehbildschirme gesetzt wurden.49
Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur zunehmend
Belege für verschiedene subjektive und objektive phy-
siologische Veränderungen wie zum Beispiel eine in
manchen Personen mit EHS markanten Herzratenvaria-

51
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

bilität (HRV), die nach Aussagen der Betroffenen nach haltenden Einschränkung des Zugangs zur Erwerbstä-
der Exposition durch bestimmte HF-Frequenzen wie tigkeit auf 85 % festgesetzt wurde.61
DECT oder WLAN auftritt.54 Eine Analyse der verfügba-
ren Daten über die Exposition von Personen, die in der In Frankreich wurde im Juli 2009 die erste strahlungsar-
Nähe von Mobilfunkbasisstationen leben, liefert klare me Zone in Drôme etabliert.62 In Österreich ist der Bau
Hinweise auf gesundheitliche Auswirkungen wie Er- eines Mehrfamilienhauses für 2015 vorgesehen, das
schöpfung, Depression, Konzentrationsprobleme, Kopf- von einem Team von Architekten, Baubiologen und
schmerzen, Schwindel, etc.55 In dem „Leitfaden Sender- Umweltmedizinern mit dem Ziel entworfen wurde, ei-
bau“ werden 30 Studien zu Mobilfunkbasisstationen ne nachhaltig gesunde Wohnumwelt zu schaffen. So-
kurz zusammengefasst.56 wohl der äußere Standort als auch die Gestaltung des
Innenraums wurden extra so gewählt und geplant, um
Im Wohnbereich werden Signale im VLF Frequenzbe- die Anforderungen an eine strahlungsarme Wohnum-
reich meist durch „Dirty Power“ / „Dirty Electricity“ welt erfüllen zu können.63
verursacht, die durch Spannungs- bzw. Stromrückwir-
kungen elektronischer Geräte wie elektronische Netz- In zahlreichen Ländern wird die Errichtung von strah-
teile für Fernseher, Bildschirme, PCs, Antriebsmotoren, lungsarmen Zonen für Elektrosensible betrieben. Die
Wechselrichter, Dimmerschalter, Energiesparlampen, Umsetzung solcher Projekte hängt zu einem Großteil
Phasenanschnittsteuerungen sowie Funken und elektri- von dem Verständnis, dem Wissen und der Toleranz
sche Überschläge bei Schaltvorgängen und an Kohle- der Mitglieder einer ausgewählten Gemeinschaft ab.
bürsten entstehen. Die kHz-Wellen / Transienten brei-
ten sich entlang der elektrischen Installation und dem Mögliche Mechanismen der
Erdungssystem (leitungsgebundene Störaussendung) Elektromagnetischen Hypersensitivität (EHS)
aus und strahlen elektrische und/oder magnetische In der wissenschaftlichen Literatur werden für die
Felder in den Raum ab (gestrahlte Störaussendung), Wechselwirkungen von EMF mit biologischen Syste-
wodurch in ihrer Nähe Menschen exponiert werden. men mehrere Mechanismen diskutiert, die für diese
Wechselwirkungen in Frage kommen.64 Auf intrazellu-
Erste Hinweise aus epidemiologischen Studien zeigen lärer und interzellulärer Ebene kommt es zum Beispiel
einen Zusammenhang zwischen „Dirty Electricity“ und zur Bildung von freien Radikalen oder oxidativem und
den meisten Zivilisationskrankheiten, einschließlich nitrosativem Stress, wodurch bestimmte Wechselwir-
Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Suizid kungen plausibel erklärbar sind.65 In der Übersichtsar-
und Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstö- beit von Georgiu66 berichteten viele der zitierten Arbei-
rung.57 Während viele Forschergruppen gezeigt haben, ten, dass reaktive Sauerstoffspezies (ROS) an den Reak-
dass die Wirkungen der niederfrequenten elektromag- tionen von Radikalpaaren beteiligt sind; aus diesem
netischen Felder (ELF) von dem lokalen Magnetfeld ab- Grund sind Radikalpaare als einer der möglichen Me-
hängig sind, gibt es auch einige Studien, die darauf hin- chanismen zu betrachten, die fähig sind EMF-
deuten, dass auch durch hochfrequente Strahlung ver- bedingten oxidativen Stress zu verursachen. Außerdem
ursachte Wirkungen von leichten Veränderungen des konnten viele der Veränderungen, die in HF-expo-
lokalen statischen Magnetfelds abhängig sind. In einer nierten Zellen zu beobachten sind, durch die (vor-
Literaturübersicht von Belyaev58 wird ein physikalischer herige) Gabe von Antioxidantien und Radikalfängern
Mechanismus postuliert, der diese Wirkungen erklärt.59 verhindert werden.67 Auch wenn bei der Interpretation
der Angaben aus den verschiedenen Studien aufgrund
Bei geringen Veränderungen des lokalen Erdmag- der unterschiedlichen physikalischen und biologischen
netfelds bis zu 10 μT, die meist aufgrund von ferromag- Parameter entsprechende Vorsicht geboten ist, zeigte
netischen Gegenständen in Büros und Wohnhäusern die Mehrheit der Studien einen Einfluss von niederfre-
auftreten, wurden biologische Wirkungen beobachtet, quenten (ELF) und hochfrequenten (HF) elektromagne-
die sich gut mit den Vorhersagen des von Binhi entwi- tischen Feldern auf den oxidativen Stress. 68 In der IARC
ckelten Ionen-Interferenz-Modells decken.60 -Veröffentlichung heißt es: „Selbst kleine Wirkungen
auf die Konzentration der Radikale könnte möglicher-
Am 8. Juli 2015 fällte ein Gericht in Toulouse, Frank- weise mehrere biologische Funktionen beeinflussen“.69
reich, ein Urteil zugunsten einer Frau, die mit dem
„Syndrom der Hypersensitivität gegenüber elektromag- Yakymenko et al.70 fassten die gegenwärtige Beweisla-
netischer Strahlung“ diagnostiziert wurde, und deren ge wie folgt zusammen: „Die Analyse der gegenwärtig
Erwerbsunfähigkeit aufgrund der erheblichen und an- verfügbaren wissenschaftlichen Literatur (Peer Review)

52
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

Pathogenese von Entzündung, Mitochondriopathie und


nitrosativem Stress als Folge der Einwirkungen von Triggerfaktoren83

zeigt, dass molekulare Wirkungen in lebenden Zellen In Übersichtsarbeiten legt Pall71 Hinweise für eine di-
durch schwache hochfrequente Strahlung ausgelöst rekte Wechselwirkung zwischen statischen Feldern,
werden; dazu gehören die starke Aktivierung von wich- statischen Magnetfelder, niederfrequenten elektri-
tigen Signalwegen, die reaktive Sauerstoffspezies (ROS) schen und magnetischen Feldern sowie hochfrequen-
erzeugen, die Aktivierung von Peroxidation, die oxidati- ter Strahlung und den spannungsabhängigen Kalzium-
ve Schädigung der DNA und Veränderungen in der Akti- kanälen (VGCC ) vor. Der durch die Aktivierung dieser
vität antioxidativer Enzyme. Daraus ergibt sich, dass spannungsabhängigen Kalziumkanäle erhöhte intrazel-
von 100 aktuell verfügbaren Studien (Peer Review), die luläre Ca2+-Spiegel kann zu vielfältigen Reaktionen des
sich mit oxidativen Wirkungen schwacher hochfre- Regulationssystems führen, wodurch unter anderem
quenter Strahlung befassen, 93 generell bestätigen, die Ca2+/Calmodulin-abhängigen NO-Synthasen nNOS
dass hochfrequente Strahlung oxidative Wirkungen in und eNOS erhöhte Mengen an Stickstoffmonoxid pro-
biologischen Systemen auslöst. Ein enormes pathoge- duzieren.
nes Potenzial der hervorgerufenen ROS und deren Be-
teiligung an Signalwegen der Zellen erklären eine Reihe In den meisten pathophysiologischen Situationen rea-
der durch schwache hochfrequente Strahlung ausge- giert Stickstoffmonoxid mit Superoxid, wobei Peroxy-
lösten biologischen/gesundheitlichen Auswirkungen, nitrit entsteht, ein starkes nicht radikalisches Oxidans,
wozu sowohl Krebs als auch andere Krankheitsbilder das jedoch Radikale bilden kann wie z.B. Hydroxyl-
als Krebs gehören.“ Radikale und NO2-Radikale.

53
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Peroxynitrit ist mit Abstand das schädlichste Molekül, Die Bedeutung des ATP wurde sowohl für das chroni-
das bei Stoffwechselprozessen in unserem Körper ent- sche Erschöpfungssyndrom (CFS)76 als auch für die Kon-
steht. Obgleich Peroxynitrit von Haus aus kein freies trollmechanismen zur Regulation von Stress77 gezeigt.
Radikal ist, ist es weitaus reaktionsfreudiger als sein Diese Patienten beschreiben dieselben Symptome wie
Ausgangsmolekül NO und O2-. Die Halbwertszeit von diejenigen, die an chronischen Multisystemerkrankun-
Peroxynitrit ist vergleichsweise lang (10-20 ms), also gen (CMI) erkrankt sind. Das könnte auf Ähnlichkeiten
lang genug, um biologische Membranen zu durchque- in den Pathomechanismen hindeuten.
ren, ein bis zwei Zelldurchmesser weit zu diffundieren
und mit den meisten entscheidenden Biomolekülen Ähnliche Störungen bei der Expression von Neurotrans-
und Zellstrukturen (Zellmembranen, Zellkern-DNA, mi- mittern wurden sowohl für Patienten mit chronischer
tochondriale DNA, Zellorganellen) und einer großen EMF-Exposition78 als auch für CMI-Patienten79 be-
Anzahl wichtiger Stoffwechselprozesse signifikant zu in- schrieben.
teragieren.72 Ein erhöhter Stickstoffmonoxidspiegel, die
Bildung von Peroxynitrit und das Auslösen von oxidati- Eine Studie80 schlug vor, einen möglichen Zusammen-
vem Stress können mit chronischen Entzündungen, ei- hang zwischen der HF-Exposition und der Integrität des
ner Schädigung der Funktion und Struktur der Mito- Myelins mit Hilfe klassischer immunhistologischer Mar-
chondrien sowie Energiemangel, z.B. durch die Reduk- ker für gesundes bzw. degeneriertes Myelin und für
tion von Adenosintriphosphat (ATP), einhergehen. Schwann-Zellen ganz allgemein zu untersuchen.

In der Leber von Wistar-Ratten wurde bei einer ELF- Die Beschwerden bei dem chronischen Erschöpfungs-
Befeldung eine signifikante Erhöhung von 3-Nitrotyro- syndrom (CFS), der Fibromyalgie (FM), der vielfachen
sin beobachtet, was eine schädliche Wirkung auf zellu- Chemikalienunverträglichkeit, der posttraumatischen
läre Proteine infolge der möglichen Bildung von Per- Belastungsstörung (PTBS) und dem Golfkriegssyndrom
oxynitrit nahelegt.73 Der Nitrotyrosin-Spiegel (> 0.9 μg/ sind sich sehr ähnlich. Inzwischen werden sie unter der
ml) war bei 30 % der 259 Personen mit EHS erhöht.74 Bezeichnung chronische Multisystemerkrankungen
(CMI) zusammengefasst.81 Bei all diesen Krankheitsbil-
Eine Studie aus dem Jahr 2014 von De Luca et al., in dern konnten verschiedene Störungen in funktionellen
der 153 Personen mit EHS und entsprechende Kontroll- Kreisläufen aufgezeigt werden: Aktivierung von Stick-
personen untersucht wurden, zeigte bei den Personen oxid und Peroxynitrit, chronische Entzündung durch die
mit EHS prooxidative und proinflammatorische Verän- Aktivierung von NF-kB, IFN-y, IL-1, IL-6 und eine Wech-
derungen wie eine verringerte Aktivität der Glutathion- selwirkung mit der Neurotransmitterexpression.82
S-Transferase (GST) in Erythrozyten, einen niedrigen
Spiegel des reduzierten Glutathions (GSH), eine erhöh- Wir empfehlen, elektromagnetische Hypersensitivität
te Aktivität der Glutathionperoxidase (GPX) in Erythro- (EHS) als eine chronische Multisystemerkrankung (CMI)
zyten, einen erhöhten Coenzym Q10-Quotient von oxi- (232, 249) einzustufen, aber dabei anzuerkennen, dass
diertem CoQ10/Gesamt-CoQ10 im Plasma und ein die eigentliche Ursache in der Umwelt begründet liegt
zehnfach erhöhtes Risiko für EHS bei Trägern der Gen- (siehe Abb. vorige Seite).
variante des Null-Allels für die Entgiftungsenzyme
Glutathion-S-Transferase GSTT1+ (Null-Allel) und GST-
M1-Varianten (Null-Allel).75

54
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

EUROPAEM EMF-Gruppe / Autoren Michael Kundi – Institute of Environmental Health, Me-


dical University Vienna, Vienna, Austria
Igor Belyaev – European Academy for Environmental Hanns Moshammer – Institute of Environmental
Medicine, Wurzburg, Germany Health, Medical University Vienna, Vienna, Austria
Amy Dean – American Academy of Environmental Me- Piero Lercher – Medical Association Vienna, Environ-
dicine, Wichita, KS, USA mental Medicine Department, Vienna, Austria
Horst Eger – Association of Statutory Health Insurance Kurt Müller – European Academy for Environmental
Physicians of Bavaria, Medical Quality Circle Medicine, Kempten, Germany
“Electromagnetic Fields in Medicine – Diagnostic, Gerd Oberfeld – Department of Public Health, Govern-
Therapy, Environment”, no. 65143, Naila, Germany ment of Land Salzburg, Austria
Gerhard Hubmann – Center for Holistic Medicine Peter Ohnsorge – European Academy for Environmen-
“MEDICUS”, Vienna, Austria; and Wiener Internationa- tal Medicine, Wurzburg, Germany
le Akademie für Ganzheitsmedizin (GAMED), Vienna, Peter Pelzmann – Department of electronics and com-
Austria puter science engineering, HTL Danube City, Vienna,
Reinhold Jandrisovits – Medical Association Burgen- Austria
land, Environmental Medicine Department, Eisenstadt, Claus Scheingraber – Working Group Electro-Biology
Austria (AEB), Munich, Germany and Association for Environ-
Markus Kern – Medical Quality Circle “Electromagnetic mental- and Human-Toxicology (DGUHT), Wurzburg,
Fields in Medicine – Diagnosis, Treatment and Environ- Germany
ment”, Kempten, Germany; and Kompetenzinitiative Roby Thill – Association for Environmental Medicine
zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V., (ALMEN), Beaufort, Luxembourg
Kempten, Germany

Europäische Akademie Die Europäische Akademie für Umweltmedi-


für Umweltmedizin e.V. zin konzentriert sich dabei auf:
(EUROPAEM) − Angebote für medizinische Ausbildung,
Grundlagen und fortgeschrittene Inhalte,
Allgemeine Ziele insbesondere für Ärzte,
Ein großer Teil der Bevölke- − Ausrichtung wissenschaftlicher Konferenzen
rung leidet unter Umweltver- und ähnlicher Veranstaltungen,
schmutzung. Aus diesem − Beratung von Institutionen und Organisationen
Grund wurde der neue Wis- des Gesundheitswesens und Mitglieder entspre-
senschaftszweig der Umwelt- chender Berufsgruppen,
medizin eingeführt. − Veröffentlichung wissenschaftlicher Studien
und Unterstützung von Öffentlichkeitsarbeit,
Neue und komplexe Krankheiten müssen diagnosti- − Organisation und wissenschaftliche Begleitung
ziert und behandelt werden. Die Europäische Aka- von Forschungsprojekten im Bereich der Um-
demie für Umweltmedizin begleitet diesen Prozess weltmedizin.
mit den folgenden vorrangigen Zielen:
EUROPAEM Geschäftsstelle
Förderung von Trierer Strasse 44
− Gesundheitsbildung und -erziehung, 54411 Hermeskeil
− Wissenschaft und Forschung, Deutschland
− grundlegender Gesundheitsversorgung, Fon: +49 6503 981 0880
präventivem Umweltschutz. Fax: +49 6503 981 0881
E-Mail: office@europaem.eu
Aufgaben
Das Wissen über theoretische und klinische Um- Ansprechpartner:
weltmedizin in Europa soll entwickelt und verbrei- Dr. med. Ortwin Zais, Geschäftsführender Vorstand
tet werden zum Nutzen sowohl des Einzelnen, als
auch der Allgemeinheit.

55
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

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2016-gedruckt/ - Die folgenden Auszüge aus dieser Ausgabe: tions of Canadian safety panel 6: microwaves act through
S. 6-8, S. 9-15, S. 23-31. Ausgespart sind hier Handlungsemp- voltage-gated calcium channel activation to induce biological
fehlungen, diagnostische und therapeutische Teile, für die impacts at non-thermal levels, supporting a paradigm shift for
wir auf die Druckausgabe verweisen. Der Abdruck erfolgt mit microwave/lower frequency electromagnetic field action. Rev
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60
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

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61
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Individuelle Ausprägung
von Elektrohypersensibilität
Kognitive Störung als gemeinsames Symptom -
Ärztliche Stellungnahme - Forderung an die Politik

Drei Fallschilderungen (Namen und persönliche Daten geändert)

Christine Aschermann

Erfahrungen mit dem DECT-Telefon bauchultraschall. Da die Blutdruckwerte noch im obe-


Frau Dr. Winter, verheiratete Mutter von drei Kindern, ren Normbereich lagen, wurde zunächst auf eine Be-
als Kinderärztin in einer Gemeinschaftspraxis tätig, handlung verzichtet.
schrieb einen Bericht über ihre Erlebnisse mit einem
DECT-Telefon, den die Autorin in bearbeiteter und ge- Diese Anfälle, bevorzugt in den späten Abendstunden
kürzter Form wiedergibt. und nachts, häuften sich jedoch; auch dauerten sie im-
mer länger; zudem nahm der Blutdruck im Anfall im-
Erstes Auftreten von Stress-Symptomen mer höhere Werte an (aus völliger Ruhe heraus bis auf
Im Herbst 2003 traten bei der 44-Jährigen, aus voller 180/110 mmHg). Sie begann, Blutdrucksenker einzu-
Gesundheit heraus, Zeichen eines Überlastungssyn- nehmen. Ein Phäochromozytom (meist gutartiger Ne-
droms auf (Erschöpfungszustände, Durchfälle, anfall- bennierenmarktumor, der anfallsartig Stresshormone
weise Blutdruckkrisen). Die Menschen ihrer Umgebung ausschüttet) wurde mit einer Urinuntersuchung ausge-
schoben es auf „den Stress“ ihrer Lebenssituation und schlossen
gaben gutgemeinte Ratschläge. Sie habe zu lange über
ihre Kräfte gelebt und brauche Urlaub u. a. Zwei Wochen später wurde sie im präkollaptischen Zu-
stand mit einer Tachykardie von 150 pro Minute zum
Das erste Mal konsultierte sie einen internistischen Kol- Internisten gefahren, wiederum in einer Blutdruckkrise.
legen Ende September in einem derartigen „Anfall“. Sie Jetzt veranlasste der besorgte internistische Kollege so-
schilderte ihm vor allem massive Angstgefühle, den fort ein Magnetresonanztomogramm des Kopfes zum
Eindruck, nicht mehr klar denken zu können, und Enge- Ausschluss eines Hirntumors und ein Computertomo-
gefühl im Brustkorb, so dass sie einen Herzinfarkt be- gramm des Abdomens, um durch Darstellung der Ne-
fürchtete. Der Blutdruck schnellte hoch auf 160/90 bennieren nochmals das Phäochromozytom auszu-
mmHg (normalerweise hatte sie einen niedrigen Blut- schließen. Die Blutdruckmedikation wurde gesteigert,
druck), es stellten sich Durchfall und Muskelzittern ein, und für etwa zwei Wochen war sie einigermaßen
ähnlich einem Schüttelfrost. Diese Angstzustände bes- „anfallsfrei“.
serten sich anfangs spontan nach etwa 30 Minuten
Dauer. Unverständliche Besserung im Krankenhaus
In der letzten Oktoberwoche traten erneut die genann-
Durch EKG und Troponinschnelltest wurde ein akuter ten „Zustände“ auf, heftiger als je zuvor. Nachts konnte
Infarkt ausgeschlossen. Es folgten Belastungs-EKG, sie nicht mehr schlafen. In einer Woche nahm sie zwei
Langzeit-EKG und -Blutdruckmessung, Herz- und Ober- Kilogramm ab, die Erschöpfungszustände verstärkten

62
Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten

„Als Ärztin bin ich zunächst einmal mit kranken Einzelpersonen konfrontiert und aufgerufen, zusam-
men mit dem Betroffenen Lösungen für sein individuelles Schicksal zu erarbeiten, wie möglichst weit-
gehende Expositionsvermeidung und Behandlung von Vorschädigungen … Durch die rasant zuneh-
mende, außerordentliche Häufung eines bisher nahezu unbekannten Krankheitsbildes wird rasch er-
kennbar: die eigentliche Ursache liegt in der Umwelt … Die Schäden sind nicht mehr zu übersehen
(Zunahme von Krankheiten bei Mensch, Tieren und Pflanzen, Artensterben … Um das Leben zu schüt-
zen und zu erhalten, muss auf politischer und gesellschaftlicher Ebene schnellstmöglich eine drasti-
sche Kurskorrektur vollzogen werden …“

Christine Aschermann über die Zunahme EMF-bedingter Belastungen und EHS.


Kopfschmerz ist dabei nur eins von vielen möglichen Symptomen.

sich. Teilweise schüttelte es sie am ganzen Körper. Nun befürchtete sie, aus gutem Grund, von den Kolle-
Nach drei Nächten absoluter Schlaflosigkeit ging sie gen als „psychischer Fall“ angesehen zu werden. We-
freiwillig in die Klinik. gen des verlängerten Wochenendes wurde sie von
Samstag bis Montag beurlaubt. Gleich in der ersten
Am belastendsten waren für sie, so die Ärztin, die aus- Nacht zu Hause das inzwischen gewohnte Bild, und sie
geprägten Angstgefühle. wurde immer verzweifelter. Während des folgenden
dreitägigen Klinikaufenthaltes (u.a. für ein Szinti-
Der Blutdruck bei der Aufnahme betrug 170/110. Da gramm): Keinerlei Symptome! Im Entlassungsbericht
die Klinik sehr voll belegt war, musste sie bis nach- wurde vermerkt: „Ein Anhalt für eine organische Ursa-
mittags auf ein freies Bett warten. Allmählich sank der che der Hypertonie fand sich nicht. Entlassungsmedika-
Blutdruck – ohne jede Medikation – bis er abends Nor- tion: Metoprolol 1-0-0.“
malwerte angenommen hatte. Mit dem 24-Stunden-
Urin sollte wiederum das Phäochromozytom abgeklärt Zweifel an sich selbst
werden. Merkwürdigerweise war hier keine einzige Die Ärztin schilderte nachfühlbar, wie sie an sich selbst
Blutdruckkrise zu verzeichnen; die Werte betrugen zu zweifeln begann; eine psychische Mitverursachung
stets um die 120/80! erschien ihr naheliegend. So erlernte sie Entspannungs-

63
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

übungen und nahm ein Hormonpflaster unter der Vor- Dennoch blieb sie skeptisch. Sie fragte sich, nach allem,
stellung, es könne sich um etwas ungewöhnliche was sie schon unternommen hatte, warum ihr Problem
Wechseljahresbeschwerden handeln. Die „Anfälle“ tra- an einem Telefon liegen sollte. Aber in der Ver-
ten nicht mehr auf, und der Blutdruck ließ sich – vor- zweiflung greift man nach jedem Strohhalm.
übergehend – besser einstellen.
Wieder genesen
Wiederum ging es ungefähr drei Wochen gut. Dann Eine Woche, nachdem sie probehalber die DECT-
wurden die Schlafstörungen immer massiver. Sie such- Basisstation zwei Etagen tiefer ins Erdgeschoss ver-
te eine Neurologin auf zur Frage einer larvierten De- bannt hatte, hörten die Durchfälle auf. Nach einer wei-
pression. Das EEG wurde als „etwas chaotisch“ be- teren Woche schlief sie zum ersten Mal seit fast einem
schrieben. Sie erhielt ein Antidepressivum, zögerte je- Jahr einigermaßen gut.
doch, es einzunehmen. Nach und nach konnte die antihypertensive und die
Während einer Urlaubsreise über Weihnachten spürte hormonelle Medikation abgesetzt werden.
sie eine gewisse Erholung, aber vorher und nachher
schlief sie nachts schlecht oder gar nicht. Im Sommer 2004 fühlte sie sich „wie früher“, abgese-
hen von einem etwas „dünneren Nervenkostüm“. Ein
Wieder zu Hause, verlor sie vollends den Mut. Sie Jahr später legte sich die Familie wieder ein konventio-
musste die Blutdruckmedikation stetig erhöhen, fand nelles Schnurtelefon zu.
aber dennoch abends und nachts kaum Ruhe. Ein Psy-
chotherapeut empfahl ihr Psychotherapie. Zeitweise Unbeachtete Vorläufersymptome
griff sie auf Tabletten zurück, um überhaupt einmal Im Rückblick ergänzte Frau Dr. Winter, dass sie noch ei-
schlafen zu können. nige andere „Befindlichkeitsstörungen“ bei sich selbst
beobachtet hatte. Im Herbst 2002, als sie ehrenamtlich
Nun machte sie sich Sorgen, wie sie ihre Praxis würde stark gefordert wurde, erlebte sie eine Episode unge-
weiterbetreiben können, wenn die beschriebenen wöhnlicher Leistungsfähigkeit, im Frühjahr begannen
Symptome sich nicht bald besserten: Alb- und Angstträume, und die Tiefschlafphasen waren
gestört.
„Ich fühlte mich am Ende meiner Kräfte und war ver-
zweifelt, hatte ich doch gar keine Idee, woher diese Im Sommer 2003 fühlte sie sich oft wie ausgelaugt. Ihre
seltsamen Symptome stammten.“ Familie fand, dass sie sehr gereizt und nervös sei. Beim
Betreten ihres Hauses wurde sie von Beklemmungen
Hochfrequenzbelastung im Verdacht befallen. Im Herbst erfolgte schließlich der Zusammen-
Um diese Zeit fiel ihrem Mann ein Artikel in die Hände, bruch ihres vegetativen Nervensystems.
der von den hohen Strahlungsimmissionen in der Nähe
von DECT-Telefonanlagen handelte. Im Sommer 2002, Die Krankheitskosten für dieses halbe Jahr betrugen für
ein Jahr vor Auftreten der ersten Symptome, hatten sie ihre Versicherung ca. 5000 €, Verdienstausfall und Ver-
ein solches Telefon installieren lassen. Die Basisstation gütung für die Praxisvertreterin nicht eingerechnet.
befand sich im Arbeitszimmer, das direkt neben dem
Schlafzimmer lag.
Von der Elektrosensibilität zu Elektro-
Vielleicht, weil sie berichtet hatte, wie „frei“ sie sich hypersensibilität und Elektrosensitivität
draußen im Wald fühlte, und weil ihr aufgefallen war,
dass sie nachts manchmal in einem der Kinderzimmer Chronisch-entzündliche Darmerkrankung
Schlaf finden konnte, schlug ihr Mann vor, die Räume Hermann Imroth verbrachte Kindheit und Jugend in
auf Hochfrequenzstrahlung messen zu lassen. Sie hielt den Fünfziger-, Sechziger-Jahren in der Nähe des
einen Zusammenhang für unwahrscheinlich, wusste bis (funkbelasteten) Berliner Flughafen Tempelhof. Auf
dahin nicht einmal genau, wie ein solches Telefon funk- seinem Schulhof konnte man, erinnerte er sich, den
tionierte! Sender RIAS Berlin an der als Antenne fungierenden
Metallumzäunung hören.
Das Ergebnis erschütterte ihre Ansicht: über ihrem Bett
waren im Hochfrequenzbereich Maximalwerte um 390 Nach Ausbildung und Berufstätigkeit in Niedersachsen
μW/m² messbar. Baubiologen empfehlen Werte unter- zog er mit 28 Jahren zurück nach Berlin, um dort in ei-
halb 1 μW/m², maximal ca. 5 μW/m².1 nem öffentlichen Verkehrsbetrieb als Mechaniker und

64
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität

Elektroniker zu arbeiten. Kurze Zeit später erkrankte er tisch und zerstreut, die anderen bekamen plötzlich
an abdominellen Koliken, Erbrechen und krampfartigen schweren Diabetes, oder sie hatten Ticks oder Herzbe-
Durchfällen. Nach mehreren Rezidiven wurde die Diag- schwerden.
nose eines Morbus Crohn gestellt und eine Cortison-
therapie eingeleitet. Darunter wurde Imroth vorüber- Trotz eines beruflichen Grundlagenwissens zu Strom
gehend beschwerdefrei. Wegen der zahlreichen Fehlta- und Funk hatte Imroth zu jener Zeit noch keine Kennt-
ge noch in der Probezeit hatte er Schwierigkeiten an nisse über mögliche Schadwirkungen dieser Technik.
seinem Arbeitsplatz.
Neue gesundheitliche Störungen
Dieser lag in der Nähe des Berliner Funkturms und des Schließlich bat er von sich aus um Versetzung an die
Senders Freies Berlin in ca. 200 bzw. 400 Meter Entfer- Küste nach Norddeutschland. Seine neue Wohnung lag
nung. Der große Funkturm war bestückt mit Rundfunk-, nur 30 bis 40 Meter entfernt von mehreren Mobilfunk-
Fernseh-, Richtfunk- und weiteren Sendern. Später ka- sendern. Weil er beruflich dazu verpflichtet war, führte
men analoge und die heute üblichen digitalen Mobil- er ein Mobiltelefon direkt am Körper mit sich. Außer-
funksender hinzu. dem trug er sein privates Handy in der Hosentasche.

Fistelbildung und Darmstenosen führten immer wieder Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich noch
zu Krankenhauseinweisungen. Unter Nahrungskarenz mehr. Nach etwa zwei Monaten traten Schlafstörungen
und krampflösenden Medikamenten klangen die Be- in Erscheinung, Unruhe, Angstzustände, Konzentrati-
schwerden innerhalb weniger Tage ab, dann drängte onsmängel, Depression und Herzschmerzen. Die ent-
der Patient ungeduldig auf Entlassung. zündliche Darmerkrankung flackerte immer wieder auf.

Verschlimmerung am neuen Arbeitsplatz Eine Ärztin für Umweltmedizin wies ihn nun erstmalig
Wegen einer Umstrukturierung der Firma gab Imroth darauf hin, dass seine Beschwerden möglicherweise
nach über zehn Jahren seine Tätigkeit auf und war kur- mit Funkeinrichtungen in Zusammenhang stünden.
ze Zeit arbeitslos. Er absolvierte in Westdeutschland ei- Deshalb versuchte er, seine Handynutzung, so weit es
ne Umschulung zum Industriekaufmann. Nach Hunder- ging, einzuschränken, und wechselte mit der Familie
ten von Bewerbungen fand er endlich eine Stelle als die Wohnung.
Sachbearbeiter bei einer privaten Eisenbahngesell-
schaft. Von Anfang an fühlte er sich an seinem neuen Was er nicht vorausgesehen hatte: Die neue Unter-
Arbeitsplatz sehr unwohl. kunft war ebenfalls stark funkbelastet, mit Radaranla-
gen (für die Bundeswehr und den Schiffsverkehr) sowie
Rückblickend nannte er eine Reihe belastender Um- nahegelegenen Mobilfunksendern. Nach dem Einzug
stände: erlitt er Bewusstseinsstörungen, konnte sich z. B. plötz-
- Die stromführenden Oberleitungen der vor dem Ge- lich in der Stadt nicht mehr orientieren und fühlte sich
bäude verlaufenden S- und Bundesbahnen mit den zu- wie neben sich stehend. Er war extrem schwach, zeit-
gehörigen Magnetfeldern (Bahnstrom 16,7 Hertz). weise benötigte er Hilfe beim Aufstehen aus dem Bett.
- Die Expositionen durch die vorbeifahrenden Züge, die
immer wieder Bildschirmstörungen verursachten. Während eines Urlaubs bemerkte er einen Zeckenbiss
- Gegenüber befand sich das Gebäude einer Mobilfunk- am linken Unterarm, es bildeten sich Schwellung und
firma mit Sendeanlagen auf dem Dach. Wanderröte. Höchstwahrscheinlich wurde er dabei mit
- Bei seiner täglichen dreistündigen Zugfahrt zur Ar- Borrelien infiziert. Später wurden Antikörper nachge-
beitsstelle war er ebenfalls dem Bahnstrom ausgesetzt. wiesen.

Nun entwickelte er neben dem M. Crohn weitere In der Folgezeit wurde er elektrosensitiv, d. h. er spürte
Symptome: Rosacea (entzündliche Hauterkrankung un- jetzt die elektromagnetischen Felder (EMF) direkt, und
geklärter Ursache, meist des Gesichts), Muskelzuckun- elektrohypersensibel, entwickelte Symptome bei ge-
gen, Ängste, depressive Verstimmungen, Konzentrati- ringster Strahlung. Daraufhin verzichtete er gänzlich
onsstörungen und vieles mehr. Er fühlte sich zuneh- auf Handytelefonate.
mend unfähig, Arbeitsabläufe zu organisieren.
Leistungsminderung unter Funk
Auch beobachtete er, dass es den Arbeitskollegen ge- Weil er sich aber an Wohn- und Arbeitsort den gängi-
sundheitlich schlecht ging. Die einen waren sehr hek- gen elektromagnetischen Feldern und vor allem dem

65
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Funkeinfluss nicht entziehen konnte, wurde er dauer- Mehrere Diagnosen mit „ungeklärter Ursache“
haft arbeitsunfähig. Eine Behandlung in einer psycho- Viele diagnostische Maßnahmen (Labor, Röntgen, CCT,
somatischen Klinik unter der Annahme einer psychi- MRT, Endoskopien) wurden in den 30 Krankheitsjahren
schen Erkrankung konnte die Erwerbsfähigkeit nicht von seinen Ärzten durchgeführt, Zusammenhänge mit
wiederherstellen. Der Klinikarzt attestierte Imroth, dass elektromagnetischen Belastungen wurden jedoch nur
er den hochkomplexen Anforderungen seiner Arbeit selten anerkannt.
nicht mehr gewachsen sei. Unter den Diagnosen
„Depressive und Angststörung, gemischt“ sowie „M. Der Arzt der psychosomatischen Reha-Klinik beschrieb
Crohn“ wurde ihm eine Erwerbsunfähigkeitsrente be- schwierige lebensgeschichtliche Bedingungen: der Va-
willigt. ter, Elektromonteur, im Krieg als Funker (sic! Erg. d.
Verf.) eingesetzt, habe an extremen Kopfschmerzen
Imroth zog mit der Ehefrau nach Süddeutschland. Im und später an Verfolgungswahn (? Wodurch fühlte er
Laufe der nächsten Jahre wechselte er mehrmals den sich verfolgt? Evtl. durch elektromagnetische Strah-
Wohnort, um dem Mobilfunk zu entgehen. Er testete lung, Anm. d. Verf.) gelitten.
sich immer wieder selber, indem er funkarme Gegen-
den aufsuchte. Dort war er nach kurzer Zeit beschwer- Nach der Scheidung der Eltern habe die Mutter arbei-
defrei und leistungsfähig. ten gehen müssen und den Sohn zu den Großeltern
mütterlicherseits gegeben. Zu ihnen habe eine gute Be-
Nach der Trennung von der Ehefrau lebte er zeitweise ziehung bestanden. Aktuell habe I. Schuldgefühle ge-
bei seiner Mutter oder bei Freunden, fühlte sich aber genüber seinen drei erwachsenen Kindern, weil er sei-
sehr gestört durch deren DECT-Telefone. nem Ideal als liebender Vater nicht entspreche und sie
finanziell nicht stärker unterstützen könne.
Wenn sich die Situation an seinem neuen Wohnort ver-
schlechterte, nahm er den nächsten Umzug in Angriff. Die Autorin, Nervenärztin und Psychotherapeutin, lern-
Als er in der Umgebung kein Haus ohne Funkbelastung te Imroth 2010 kennen. Seine Klagen erschienen ihr
mehr fand, begann er, im Wald zu übernachten, erst im vollkommen glaubhaft, statt zur Aggravation neigte er
Auto, später im Wohnwagen. eher zum Bagatellisieren seiner deutlich erkennbaren
kognitiven Störungen. Sie attestierte die Notwendigkeit
Der Besuch von Städten, die notwendigen Einkäufe eines Schutzanzuges gegen Funkbelastungen.
wurden für ihn mehr und mehr zur Qual: die Handys
der Menschen, die Sendeanlagen, die Diebstahlsiche- In der relativ funkarmen Region, in der Imroth heute
rungen in den Warenhäusern verursachten ihm Un- lebt, hat sich seine Gesundheit einigermaßen stabili-
wohlsein und Zittern. siert.

Andere Symptome: Kopfschmerzen, unscharfes Sehen, Der intensive Handynutzer


Konzentrationsunfähigkeit, Wortfindungs- und Denk- Manuel Obermeyer wurde im Alter von 25 Jahren
störungen, Antriebsverlust, Leistungsminderung und elektrohypersensibel. Damals war er wissenschaftlicher
Müdigkeit, Herzrhythmusanomalien und -schmerzen, Mitarbeiter einer Universität und schrieb nebenher an
Tinnitus bzw. Brummen im Kopf, Schwindel und seiner Dissertation. Er gehörte zur großstädtischen Sze-
Schwanken, verschiedene Allergien, metallischer Ge- ne, war sehr sportlich und ein typischer „Yup-
schmack im Mund. pie“ (young urban professional), mit gutem Einkom-
men und befriedigender Partnerschaft. Insgesamt führ-
Bei Computerarbeit reagierte er mit Händekribbeln auf te er ein glückliches Leben.
die Maustaste. Er hatte Schmerzen am ganzen Körper,
hauptsächlich an Rücken, Oberschenkeln und Gelen- Während eines längeren Aufenthalts mit seiner Partne-
ken. Nach jeder elektromagnetischen Belastung konn- rin an der afrikanischen Atlantikküste betrieb er ausgie-
ten die Beschwerden bis zu 48 Stunden anhalten. big sein Hobby, Wassersport, und fühlte sich dabei
durchgehend leistungsfähig und gesund.
Auch die psychische Symptomatik weitete sich aus:
Klaustrophobie, Tunnelangst und Angst vor einer un- Anhaltender Rückenschmerz
entdeckten Krankheit. Am Morgen nach dem langen Rückflug verspürte er, als
er wie gewohnt sein Fitnesstraining startete, bereits
nach dem ersten Klimmzug plötzlich stechende

66
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität

Schmerzen im Genick. Seine Schulter-, Nacken- und tie-


fen Rückenmuskeln waren stark kontrahiert und began-
nen, wie Feuer zu brennen, die Sehnenansätze waren
sehr druckempfindlich.

Es war ein Schock für ihn, Ähnliches hatte er noch nie


zuvor erlebt. Deshalb reduzierte er zunächst sein Trai-
ning. Als die Beschwerden jedoch nach mehreren Wo-
chen unverändert fortbestanden, veranlasste er ärztli-
che Untersuchungen. Er wandte sich an einen Sport-
Orthopäden und einen Osteopathen, die mit Hilfe von
Röntgen- und CT-Aufnahmen Bandscheibenprotrusio-
nen und Spondylosen im Hals- und Lendenwirbelsäu-
len-Bereich diagnostizierten. Aber ein sicherer Zusam-
menhang mit der generalisierten Tonuserhöhung der
Skelettmuskulatur konnte daraus nicht erschlossen
werden.

Neben seinen starken Schmerzen, welche die Diagnose


einer Fibromyalgie nahelegten, litt er zunehmend an
körperlicher Kraftlosigkeit und schmerzbedingten
Schlafstörungen. Nur etwa jede dritte Nacht war er in
der Lage, ein paar Stunden zu schlafen. Trotzdem erfüll-
te er weiterhin seine beruflichen Aufgaben, wenn auch
mit immer größerem Kraftaufwand.

Zur Therapie erhielt er Massagen, Chiropraktik und, be-


sonders wohltuend, Lymphdrainage und Craniosacral-
therapie. Er erlernte physiotherapeutische Übungen
und sanfte Methoden wie Yoga, Tanzen und Entspan-
nungstechniken. Zusätzlich befolgte er Tipps zu gesun-
Christine Aschermann berichtet
der Ernährung. Obermeyer konnte mit diesen Maßnah-
men seine Schmerzen etwas vermindern.
über Erfahrungen eines EHS-Patienten.

Geschwächtes Immunsystem „Für ihn als einem modernen jungen Mann war es
Nach Ablauf einiger Jahre traten jedoch immer häufiger selbstverständlich, beruflich und privat ein Mobilte-
Infekte auf, mit Fieber, Schüttelfrost, Erbrechen und lefon zu nutzen; länger als zehn Jahre und über-
Durchfall. Diese Krankheitsepisoden dauerten mehrere durchschnittlich viel, wie er später meinte. Mehr
Wochen, und im Intervall erholte er sich nicht vollstän- und mehr bemerkte er jedoch, dass die Schmerzen
dig. stets nach dem Telefonieren mit seinem Handy ver-
stärkt einsetzten. Sie begannen an dem Ohr, mit
Hinzu kamen eine Hypertonie, Tinnitus und mehrere dem er telefonierte, und breiteten sich auf Nacken,
Hörstürze. Zeitweise litt er an Schwäche und Kribbel- Hinterkopf und Rücken aus … Diese Symptome hielt
parästhesien des linken Armes. Belastend erlebte er er für die Folge einer bisher ungeklärten Erkran-
auch kognitive Defizite mit Konzentrations- und Auffas- kung oder einer Nervenschädigung an der Wirbel-
sungsstörungen. Diese fielen zwar anderen nicht auf, säule.“
aber er selbst merkte, dass ihm nicht mehr die gewohn-
te Leichtigkeit im Denken und Formulieren zur Verfü- Rote heiße Ohren beim Telefonieren sind häufig
gung stand. ein Alarmzeichen am Beginn. Für Schwerbetroffe-
Nun folgte eine Odyssee mit weiteren Ärzten, darunter ne sind Handys oder Smartphones tabu, sie wer-
ein Immunologe, Tropenmediziner, Internist, ein homö- den nicht einmal in vielen Metern Entfernung tole-
opathisch bzw. anthroposophisch arbeitender Arzt, ein riert.
Psychiater, Neurologe, Psychotherapeut, Lungenfach-

67
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

arzt, Kardiologe, HNO-Arzt und Radiologe. Ohne Nach- Während er meditierend an einem unberührten und
weis stark auffälliger Befunde! menschenleeren Strand saß, empfand er plötzlich ein
massives Stechen links am Hinterkopf. Er wendete sich
Schließlich stellte er sich bei einem Facharzt für Um- um und sah, dass sich im rückwärtigen Gelände ein jun-
weltmedizin vor. Dieser diagnostizierte erhöhte Anti- ger Einheimischer näherte. Als dieser hinter ihm vorbei
körpertiter auf Borrelien, eine früher durchgemachte und dann nach rechts vorne schritt, wanderte der star-
Epstein-Barr-Virus-Infektion, einen speziellen Immun- ke Schmerz sofort an die rechte Schläfe und Stirn. Da
defekt und eine Quecksilber- und Bleibelastung. erst entdeckte Obermeyer, dass der Mann mit seinem
Handy telefonierte. Je weiter sich dieser entfernte, um-
Bei einem Test auf Varianten derjenigen Gene, welche so mehr ließen die Schmerzen bei Obermeyer wieder
die körpereigenen Abbau- und Entgiftungsenzyme ko- nach.
dieren, ergab sich, dass bei ihm gleich mehrere
schwach aktive Enzymformen zur Ausprägung kamen. Von nun an war Obermeyer auch selbst überzeugt,
Dadurch war seine Fähigkeit zur Entgiftung vor allem dass sein Körper tatsächlich negative Reaktionen auf
bei Mehrfachbelastungen herabgesetzt. Mobilfunkexposition zeigte.

Aufgrund seiner rezidivierenden Krankheitsphasen ver- Lebensbestimmende Konsequenzen


lor er seinen Job und damit auch viele seiner Freunde. Er versuchte fortan, auf funkende Geräte zu verzichten.
Innerhalb weniger Tage und Wochen besserten sich da-
Schmerzen nach Handytelefonaten raufhin, für ihn überraschend, Schmerzen, Schlafstö-
Für ihn als einem modernen jungen Mann war es rungen und Energiemangel sehr deutlich.
selbstverständlich, beruflich und privat ein Mobiltele-
fon zu nutzen; länger als zehn Jahre und überdurch- Schließlich erkundete er ländliche Gegenden, mit der
schnittlich viel, wie er später meinte. Mehr und mehr Absicht, eine funkarme Behausung zu finden.
bemerkte er jedoch, dass die Schmerzen stets nach
dem Telefonieren mit seinem Handy verstärkt einsetz- Bald aber musste er feststellen, dass dies praktisch
ten. Sie begannen an dem Ohr, mit dem er telefonier- nicht mehr möglich war. Denn auf dem flachen Land
te, und breiteten sich auf Nacken, Hinterkopf und Rü- reichte die Strahlung der einzelnen hohen Sendemas-
cken aus. ten sehr weit, und es gab auch keine geschützten Täler
mehr. Außerdem fanden neue Funktechniken eine im-
Daraufhin versuchte er intuitiv, erst eine Freisprechein- mer größere Verbreitung. Sie lösten wieder starke
richtung zu verwenden, was ihm nur wenig Abhilfe ver- Schmerzen bei Obermeyer aus, unter denen er oftmals
schaffte, dann seine Handy-Telefonate deutlich einzu- beinahe verzweifelte.
schränken, um später ganz auf kabelgebundene Telefo-
nie umzustellen. Allmählich vertrug er auch die Arbeit In den letzten zwei Jahren schwollen überdies seine
am Computer mit WLAN sowie das WLAN der Nach- Unterschenkel aus unerfindlichen Gründen an. Es ent-
barn nicht mehr gut. wickelten sich schlecht heilende Geschwüre, die mit
Verbänden versorgt werden mussten. Die Freunde leb-
Alle diese Symptome hielt er für die Folge einer bisher ten nicht mehr in seiner Umgebung, sie waren großteils
ungeklärten Erkrankung oder einer Nervenschädigung weit weg gezogen, und seine Partnerbeziehung war be-
an der Wirbelsäule. Er wollte sich nicht eingestehen, endet, so dass er bereits für Kleinigkeiten fremde, d.h.
dass er an Elektrohypersensibilität litt, obwohl ihn bezahlte, Hilfe in Anspruch nehmen musste.
mehrfach Ärzte auf Zusammenhänge mit Mobilfunk
hingewiesen hatten. Zu fremd war ihm die Vorstellung, Nach und nach schwanden seine finanziellen Reserven.
dass technische Innovationen, die das Leben erleich- Er verlor seine teure Wohnung in der Großstadt, über-
tern sollten, dieses letztlich erschweren könnten und nachtete zeitweise im Wald in seinem Auto und konnte
dass tatsächlich deren Langzeitauswirkungen auf den sich kaum noch Essen leisten. Momentan ist das gerin-
Menschen nicht ausreichend untersucht worden wä- ge Pflegegeld sein einziges Einkommen, das gerade für
ren. die Krankenversicherung reicht. Er ist deshalb auf die
Unterstützung von Bekannten und einer alten Tante
Erst bei einem neuen, diesmal entspannenden Urlaub angewiesen, bei denen er unter z.T. prekären Bedin-
am Meer in Südeuropa traf ihn die Erkenntnis wie ein gungen vorübergehend hausen darf.
Schlag.

68
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität

Seit Beginn der Erkrankung hat sich sein Leben grundle- Aufgrund ihrer eigenen Erfahrung schloss sie, dass die
gend geändert. Die Wünsche nach Beruf und Familie Exposition eine gewisse Zeit dauern muss, bevor Be-
musste er zu seinem Leidwesen zurückstellen. schwerden auftreten, und dass die individuelle Emp-
findlichkeit sehr unterschiedlich ist. So hatte der Ehe-
Dennoch gibt Obermeyer nicht auf und geht hochmoti- mann, mit dem sie das Schlafzimmer teilte, in dieser
viert und kreativ die Bewältigung seiner existenziellen Zeit keinerlei Beschwerden.
Probleme an, wobei ihm seine Intelligenz und Humor
zu Hilfe kommen. Mit großem Elan arbeitete er sich in Zehn Jahre später geht es der Ärztin weiterhin gut, die
die medizinische Thematik der Elektrohypersensibilität „Zustände“ sind nach Abschaffung des Schnurlostele-
ein und engagiert sich bei der wissenschaftlichen For- fons nie wieder aufgetreten. Ein Handy benutzt sie
schung zu Diagnostik und Therapie dieser chronischen nach wie vor nicht.
Multisystemerkrankung.
Falldiskussion Hermann Imroth
Zur Zeit bemüht er sich jedoch vor allem um finanzielle Hier soll verdeutlicht werden, dass es sich bei Imroth
Hilfen für den Lebensunterhalt und die medizinische nicht um eine psychische Erkrankung, z.B. um eine Pho-
Grundversorgung, mit dem Ziel, bald wieder ein men- bie mit Vermeideverhalten, um einen Wahn, eine neu-
schenwürdiges Leben zurückzuerlangen. rotische Fixierung oder eine psychosomatische Störung
handelt. Ebensowenig liegt ein Rentenbegehren mit
Zur Bewertung der vorgestellten Fälle Aggravationstendenzen vor.

Dr. Winter: Interpretation der Es tauchen verschiedene Fragen auf:


Beschwerden durch die Betroffene selbst Kann ein einzelner Mensch so krank sein?
Als Ärztin hatte Frau Dr. Winter das Bedürfnis, ihr Be- Mit dem Hauptsymptom einer chronisch-entzündlichen
schwerdebild zu ergründen, und sie führte aus: Darmerkrankung ungeklärter Ursache (genetische Fak-
toren, eine Autoimmunstörung und Darmkeime wer-
„Meinem Eindruck nach bewirkte die Hochfrequenz- den erwogen) und vielen sogenannten „funktionellen“
strahlung einen chronischen Stresszustand in meinem Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus,
Körper. Schon lange, bevor die ersten messbaren Schlafschwierigkeiten, Gedächtnis- und Konzentrati-
Symptome auftraten, hatte ich das Gefühl, nicht mehr onsstörungen, Herz- und Gelenkbeschwerden, bei de-
richtig in Tiefschlaf fallen zu können. Nach einer kurz- nen „nichts Krankhaftes“ gefunden wird?
dauernden Episode hoher Leistungsfähigkeit begann
ich, nachdem alle Reserven aufgebraucht waren, Symp- Was dann die Ärzte einer psychosomatischen Klinik, die
tome von Erschöpfung zu zeigen, dies in immer stärke- nichts über die Wirkung von elektromagnetischen Fel-
rem Ausmaß.“ dern auf den Organismus wissen, dazu veranlasst, die
(Fehl-)Diagnose einer psychischen Störung zu stellen.
Damit befindet sie sich in Übereinstimmung mit der un- Die Ursachen der Erkrankung werden hier fälschlicher-
abhängigen Forschung zu Mobilfunk (WARNKE, weise auf eine entbehrungsreiche und belastete Kind-
HENSINGER 20132). Tatsächlich stand ihr Organismus heit zurückgeführt statt auf die Dauereinwirkung durch
unter großem Stress, nur dass er nicht, wie der Psycho- elektromagnetische Felder seit Lebensbeginn.
therapeut vermutete, psychosomatisch bedingt war,
sondern von einer technischen Quelle herrührte. Liegen möglicherweise Anhaltspunkte vor, dass Imroth
seine Beschwerden aggraviert (d. h. die Schwere über-
„Erst nach De-Exposition merkte ich, wie sehr ausge- treibt), um vorzeitig eine - bei einem 48-Jährigen ent-
laugt ich gewesen war.“ sprechend niedrige - Rente bewilligt zu bekommen?

Wie könnte man das erklären? In ähnlich gelagerten Was spricht gegen Aggravationstendenzen?
Fällen findet man häufig neben der Erschöpfung auch Imroths geradezu verzweifelte Bemühungen um einen
eine strahlungsbedingte innere Unruhe, die stimulie- Arbeitsplatz (z. B. Umschulung - jemand, der wenig mo-
rend wirkt und die notwendige Erholung verhindert. tiviert ist, hält den Stress einer Umschulungsmaßnah-
„Besonders beängstigend – auch hinsichtlich meiner me nicht durch -, Hunderte von Bewerbungsschreiben,
Tätigkeit als Ärztin – waren für mich die Konzentra- Wohnortwechsel zugunsten eines neuen Arbeitsplat-
tions- und Wortfindungsstörungen, das Gefühl, Denk- zes), seine Unterhaltsleistungen an die erwachsenen
abläufe nicht mehr richtig steuern zu können.“3 Kinder.

69
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Gibt es Hinweise, dass Imroth aufgrund einer seeli- Weitere Belastungsfaktoren (die auch bei anderen Be-
schen Erkrankung allgegenwärtige Umweltfaktoren für troffenen eine Rolle spielen): Metalle (Amalgam, s.
seine gesundheitlichen Störungen verantwortlich MUTTER 20085 , Palladium, Blei, Zinn), und eine persis-
macht (im Sinne von „überwertiger Idee“, „Fixierung“, tierende Infektion (Borreliose).
„Phobie“) ?

Es bestanden weder eine Voreingenommenheit gegen- Falldiskussion Manuel Obermeyer


über noch eine „Phobie“ oder „Fixierung“ auf hochfre-
quente Sendeanlagen, wie sich auch am Besitz eines Vorbelastungen und Entwicklung
Handys ablesen lässt. Erst eine Fachärztin für Umwelt- Manuel Obermeyer erkrankte als junger Mann, am An-
medizin wies ihn auf mögliche Zusammenhänge zwi- fang seines Berufslebens, nach etwa 10 Jahren intensi-
schen Beschwerden und EMF-Einfluss hin. ver Handynutzung. Die Symptome waren zunächst fib-
romyalgieartige (s.u.) Schmerzen. Nach längerer Wei-
Die mehrfachen Umzüge, als er für sich entdeckt hat, gerung, dies anzuerkennen, registrierte er, dass seine
dass sich sein Befinden in funkarmen Gegenden nor- Beschwerden mit der Strahlung seines Mobiltelefons
malisiert, später das Nächtigen im Auto oder Wohnwa- zusammenhingen und sich besserten, wenn er es nicht
gen sprechen für einen stark körperlich leidenden und benutzte. Ein Nocebo-Effekt ist damit ausgeschlossen.
psychisch einigermaßen widerstandsfähigen, zielbe- Ähnlich anderen Fällen bestanden bei ihm Vorbelas-
wusst handelnden Menschen, der im Hinblick auf das tungen: inkorporierte Schwermetalle, Borreliose, En-
Ziel der Beschwerdefreiheit bereit ist, Entbehrungen an zymvarianten mit der Folge von Entgiftungsschwächen.
üblichem Komfort auf sich zu nehmen.
Möglicherweise spielte bei Obermeyer zusätzlich eine
Die Autorin stellte 2010 bei einer ärztlichen Untersu- Schädigung der Halswirbelsäule eine Rolle. Kuklinski
chung fest, dass Imroth Hirnleistungsstörungen aufwies beschreibt, dass bei HWS-Traumen und bei der instabi-
in Form von erheblichen Konzentrationsmängeln, len HWS die Blut-Hirn-Schranke geschädigt werden
Wortfindungsstörungen, Abschweifen vom Thema, ge- kann, was sich anhand des S-100-Proteins nachweisen
steigertem Redefluss, subjektiv erlebten Gedächtnis- lässt (KUKLINSKI et al 20036). Warnke und Hensinger
störungen, bei gutem Kontakt und Gesprächsbereit- führen an, dass Traumen für sich allein bereits oxidati-
schaft. Seine Klagen erschienen glaubhaft, er neigte e- ven und nitrosativen Stress verursachen können
her zum Bagatellisieren. (WARNKE, HENSINGER 20132).

Wie er selber immer wieder überprüfte, hingen sämtli- Symptome und Therapie der Fibromyalgie
che Beschwerden von dem Vorhandensein elektromag- Die Symptome (Schmerzen und Energiemangel, Tonus-
netischer Felder ab, vorrangig solchen durch Funkanla- erhöhung der Muskulatur, kognitive Störungen, Darm-
gen, und endeten bei deren Abwesenheit nach einer probleme) lassen an eine Fibromyalgie denken. Dieses
gewissen Zeit. Krankheitsbild ist noch wenig erforscht. Zumindest im
späten Stadium wurde eine Mitochondriopathie nach-
In einem Attest schrieb die Ärztin: gewiesen, was auf Übergänge zum Chronischen Er-
„Für Herrn I. gibt es kaum einen geschützten privaten schöpfungssyndrom (CFS) hinweist. Nach Beobachtun-
Raum mehr. Alle Lebensbereiche sind betroffen.“ Diag- gen der Autorin liegt bei zahlreichen Elektrohypersen-
nosen: Mikrowellenkrankheit (T66) und Elektrosensibili- siblen eine Kombination mit Fibromyalgie vor.
tät (Z58)
Der amerikanische Arzt Dr. St. Amand hat Tausende
von Patienten mit Fibromyalgie erfolgreich behandelt
Die Auswirkungen von EMF kumulierten (ST. AMAND 1999 und 20067).
im Laufe des Lebens:
Vorgeburtlich und in der Kindheit der Radar vom Flug- Exkurs: St. Amand selber und seine Töchter litten an
hafen in unmittelbarer Nähe, der Sender RIAS in der Fibromyalgie. Er stellte die Hypothese auf, dass eine
Schule. Der Arbeitsplatz nahe den Sendetürmen, später körpereigene Substanz (wahrscheinlich Phosphat) nicht
am Bahngelände. Starke Magnetfelder auf dem Weg ausreichend über die Niere ausgeschieden werde und
zur Arbeit (Bahnfahrt). Am neuen Wohnort Mobilfunk- sich im Körper ablagere. Das (preiswerte, und daher
sender, Handynutzung, Radaranlagen. Zunehmend Mo- nicht pharmazeutischer Forschung gewürdigte) Guai-
bilfunk, TETRA, LTE.4 fenesin fördere die Ausscheidung. Einzige Schwierigkeit

70
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität

sei, dass es durch pflanzliche Mittel, Salizylate, blo- Allgemeine Diskussion


ckiert werde, was bedeute, dass konsequent auf be-
stimmte Kosmetika und bei der Ernährung auf künst- Definitionen von Überempfindlichkeit
lich hergestellte Pflanzenextrakte (Menthol u.a.) ver- auf elektromagnetische Felder:
zichtet werden müsse. Elektrosensitivität: Fähigkeit, elektromagnetische Fel-
der (EMF) wahrzunehmen (im Zentralnervensystem be-
Betreffend die genetischen Varianten mit Minderleis- gründete Fähigkeit), nicht gekoppelt an Symptome (z.B.
tung der Entgiftungsenzyme soll beispielhaft der Gen- siehe LEITGEB et al 20079).
Polymorphismus des Enzyms Catechol-O-Methyltrans-
ferase (COMT) hervorgehoben werden, das für den Ab- Elektrosensibilität: Stress-Syndrom mit Entwicklung
bau von Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin u.a. zustän- von Symptomen, der Zusammenhang mit EMF wird
dig ist, aber auch z.B. von Phenylderivaten. Diese Gen- nicht hergestellt.
variante liegt nach Ansicht der Autorin bei vielen Elekt-
rohypersensiblen vor. Bei Überbeanspruchung der Elektrohypersensibilität (als neuer Begriff): gesteigerte
schwachen Form des Enzyms kommt es zur Katechola- Wahrnehmung von EMF bereits bei Feldstärken, die
minerhöhung mit der Folge entsprechender Krankhei- ein großer Teil der Bevölkerung (ohne merkbare Symp-
ten. Der Katecholamin-Abbau steht überdies in Konkur- tome) toleriert, und Entwicklung von Symptomen. Die
renz zum Abbau von Fremdstoffen. Die Betroffenen biologische Wirkung hängt nicht nur von der Stärke,
sind die klassischen „Workaholics“ mit hoher Leistungs- sondern vor allem auch von den Signalcharakteristika
bereitschaft und Ausdauer, aber u.U. auch Aggressivi- der elektromagnetischen Wellen ab (Frequenz,
tät, bei Frauen oft in Form von Logorrhoe. Sie lassen in Pulsung, Modulation, Flankensteilheit u.a.).
ihrer Aktivität nicht nach, wenn die auslösende Stress-
Situation beendet ist, sondern erst bei völliger Erschöp- In der EUROPAEM EMF-Leitlinie 2016 (BELYAEV
fung. Sie überdrehen gewissermaßen wie ein heißge- 201610) wird Elektrohypersensitivität, abgeleitet vom
laufener Motor (MÜLLER 20078). englischen „electrohypersensitivity“ (Bergquist 199711)
als neuer Terminus eingeführt.
Diese Menschen wirken häufig auch dann, wenn sie
sich subjektiv schon sehr krank fühlen, aufgrund der Umgangssprachlich und in den Medien wird im Deut-
adrenalinbedingten körperlichen und seelischen Span- schen jedoch sehr häufig der Begriff Elektrosensibilität
nung aktiv und überwach (hypervigilant), so dass der ohne weitere Unterscheidung verwendet.
Arzt zu der Meinung kommt, sie seien nicht krank. Dies
ändert sich erst, wenn sie im Zustand der totalen Er-
schöpfung gesehen werden - mit der Folge, dass sie Beweise für Elektrohypersensibilität
wegen ihrer „Trägheit“ ermahnt werden.
Welche Beweise liegen vor, dass es sich bei den
Typisch ist auch: trotz zeitweise sehr quälender Be- drei vorgestellten Fällen tatsächlich um Elekt-
schwerden befassen sich viele der Betroffenen ausgie- rohypersensibilität handelt?
big mit der Thematik und bringen sich öffentlich oder
auf wissenschaftlichem Gebiet ein. Anhand der Bradford-Hill-Kriterien12 kann geprüft wer-
den, ob die Einstufung "elektrohypersensibel" berech-
Obermeyers Geschichte kann als Beipiel dafür gelten, tigt ist.
wie ein Elektrohypersensibler aufgrund seines jugendli-
chen Alters und dadurch bedingten mangelnden finan- 1. Es besteht bei den drei geschilderten Fällen eine ty-
ziellen Rücklagen (keine Rente!) rasch in die Gefahr ge- pische Symptomkombination, wie sie von chronischen
raten kann, obdachlos zu werden. Hier ist der Staat ge- Multisystemerkrankungen (CMI) her bekannt ist, d.h.
fordert, diese Menschen zu unterstützen, mit finanziel- mit Beteiligung vieler Organe, mit Entzündungen und
len Zuwendungen und Einrichtung von Schutzzonen. mit kognitiven Störungen als Ausdruck der Gehirnbetei-
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die ligung. (Zusammenfassung bei WARNKE, HENSINGER
meisten Elektrohypersensiblen, nachdem sie sich in ei- 2013 s. o., BELPOMME 2015 s. o., DE LUCA 201413)
nem vor EMF geschützten Umfeld erholt haben, dort
wieder gute körperliche und geistige Leistungen erbrin- Laut WHO passt sie zu keinem anderen bekannten
gen können, sofern noch keine bleibenden Schäden Krankheitsbild und ähnelt der Multiplen Chemikalien-
eingetreten sind. Sensitivität (MCS), einem Beschwerdebild, das mit Um-

71
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

weltchemikalien in niedrigen Konzentrationen in Ver- kann, zu Zellschäden und einer Multisystemerkrankung


bindung gebracht wird. Ein allgemeiner Begriff für die wie Elektrohypersensibilität führt (WARNKE 200715).
Überempfindlichkeit gegenüber Umweltfaktoren ist Idi-
opathische Umweltintoleranz (IEI), der auf einem WHO 7. Teilweise gelingt der Nachweis von Veränderungen
-Workshop 1996 geprägt wurde (WHO 2005, Fact sheet bei typischen Laborparametern (Serotonin, Melatonin,
29614). Nitrotyrosin, ATP). Bei zwei Fällen wurde nicht in um-
weltmedizinischer Richtung untersucht, bei Obermeyer
Andere Erkrankungen wurden ausgeschlossen. war der Energiedonator ATP deutlich unterhalb der
Norm und zeigte damit eine Mitochondriopathie an.
2. Industrieunabhängige wissenschaftliche Studien an
Bevölkerungsgruppen, hier Anwohnern von Mobilfunk- 8. Besondere Überzeugungskraft hat der experimentel-
basisstationen, die gleichartige Krankheitsbilder unter le Nachweis: indem die Betroffenen sich selber testen
Funkeinfluss nachweisen, liegen vor. oder getestet werden, ob sie auf bestimmte - individu-
ell unterschiedliche - Frequenzen (Hoch- und Nieder-
3. Spezifität: Es besteht ein räumlicher Zusammen- frequenz mit ihren komplexen Charakteristika von Mo-
hang mit einer Sendeanlage/DECT-Telefon: Ein Teil der dulation, Pulsung, Oberwellen u.a.) reagieren. Die drei
Anwohner/ Hausbewohner erkrankt. Personen überprüften ihre Hypersensibilität selber,
auch unter Nutzung von Messgeräten. Die Leistungs-
4. Der zeitliche Zusammenhang mit der Inbetriebnah- flussdichte, die Symptome hervorruft, kann bei Emp-
me einer Sendeanlage lässt sich nachweisen (Mobil- findlichen unter 1µW/m² liegen.
funkantenne, DECT-Telefon), die Beschwerden treten
erst nach Inbetriebnahme der nahegelegenen Sende- Vorschlag für die wissenschaftliche Erforschung der Er-
anlage auf. krankungen von Anwohnern an Basisstationen: Die
Sender sollten über mehrere Tage in an- bzw. ausge-
Zu beachten ist: Bei Basisstationen wurde teilweise ein schaltetem Zustand verbleiben, wie bei einer Wartung,
unangemeldeter Probebetrieb durchgeführt, so dass ohne dass die Anwohner über den Betriebszustand in-
der Zeitpunkt der Inbetriebnahme vor dem offiziell ge- formiert werden. Während dieser Zeit sind sie angehal-
nannten Beginn liegen kann. ten, ein Beschwerdetagebuch zu führen.

Auch werden Beschwerden je nach individueller Konsti- Dies wurde bisher aus naheliegenden Gründen nicht
tution nicht unbedingt sofort nach Einschalten ausge- verwirklicht. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen in
löst, sondern erst nach einem Intervall. mehreren Dörfern, in denen keine ortsfeste Basisstati-
on vorhanden war, wurden mobile Sendeanla-
5. Eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung bei Betrach- gen relativ kurzdauernd eingeschaltet (zwei Blöcke zu
tung eines Kollektivs muss im Falle der Elektrohyper- je sechs Nächten unter Exposition mit abgeändertem [!
sensibilität nicht bestehen, da die interindividuellen s.u.] GSM-Signal und sechs unter Scheinexposition) und
Unterschiede sehr groß sind. Im Einzelfall sind sie je- mit niedrigerer Feldbelastung als üblicherweise (DAN-
doch nachweisbar, hier bei Dr. Winter, die in größerer KER-HOPFE et al. 200816). Im Fall Dr. Winter dauerte es
Entfernung von der DECT-Basisstation besser schlafen z.B. ein Jahr, bis sie belastende Symptome verspürte.
konnte.
9. Analogie: Eine Schädigung wird nicht deshalb un-
6. Ein Zusammenhang wird als wissenschaftlich plausi- wahrscheinlich, weil viele Menschen (bewusst) keine
bel bezeichnet, wenn der Wirkmechanismus bekannt nachteilige Reaktion auf elektromagnetische Felder er-
ist. leben. Auch Strom, Radioaktivität oder Röntgenstrah-
lung werden von den Menschen nicht direkt wahrge-
Die Erfüllung dieses Postulats ist jedoch nicht zwingend nommen (Strom jedoch durch Elektrohypersensible)
notwendig für den Beweis, da der behauptete Wirkme- und sind zweifelsohne schädlich (siehe Krebsfälle bei
chanismus vom aktuellen Stand der Wissenschaft be- den Röntgenpionieren). Die Tatsache, dass das Risiko
stimmt und u. U. in einigen Jahren durch einen ande- dieser Agenzien offiziell erst spät anerkannt wurde,
ren ersetzt wird. Warnke fand: Schwache Magnetfelder sollte im Fall der nicht-ionisierenden Funkstrahlung zur
im Zusammenwirken mit Hochfrequenzstrahlung sind Vorsicht mahnen.
ein Auslöser für vermehrten oxidativen und nitrosati-
ven Stress, der, wenn er nicht kompensiert werden

72
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität

Zur Frage der Kausalität Als Beispiele sorgfältig


Von der Sache her kann es in der Biologie keinen stren- durchgeführter Studien seien genannt:
gen Beweis geben wie in der Mathematik oder Physik
(eine Ursache - eine Folge). REA, W. J. et al 199119
Rea testete die Frequenzen, auf die der Einzelne rea-
Mit statistischen Untersuchungen z.B. an verschiede- gierte, und führte dann verblindete Provokationsunter-
nen Bevölkerungsgruppen werden Korrelationen be- suchungen durch.
stimmt, die Kausalität ist damit nicht bewiesen.
Um die Kausalität zu klären, muss gefragt werden: MÜLLER, C.H. 200020: Projekt NEMESIS (Inaugural-dis-
In welcher Richtung wirkt der Zusammenhang? sertation, Korreferent Leitgeb, N.) Hierbei wurden ver-
änderte körperliche Reaktionen der schlafenden Ver-
Wenn ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwi- suchsteilnehmer in Abhängigkeit von niederfrequenten
schen Sendeanlagen und Beschwerden gefunden wird, Feldern festgestellt.
stellt sich heraus, dass die Verknüpfung "(Mehr) Be-
schwerden führen zu (mehr) Mobilfunksendern" unsin- LEITGEB 20079: Leitgeb fand 2007 in einer „Unter-
nig ist, während das Umgekehrte „(Mehr) Mobilfunk- suchung zur Schlafqualität bei elektrosensiblen Anwoh-
sender führen zu (mehr) Beschwerden“ einen Sinn nern von Basisstationen unter häuslichen Bedingun-
ergibt. gen“, dass die Probanden, die sich selber als elektro-
sensibel bezeichnet hatten, überzufällig häufig (63 %)
In den Antwortschreiben der staatlichen Behörden und eine niedrigere Wahrnehmungsschwelle für 50-Hz-
in der Diskussion mit industriefreundlichen Wissen- Wechselfelder besaßen, also elektrosensitiv waren.
schaftlern wird ein weiterer möglicher Wirkfaktor ein-
geführt: die Angst vor Mobilfunksendern/WLAN usw., In der EUROPAEM EMF-Leitlinie von 2016 sind weite-
die zu Beschwerden führen soll (sog. Nocebo-Effekt). re Studien zu Elektrohypersensibilität verzeichnet (Ab-
Dazu gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die aber schnitt „Neurologische Wirkungen hochfrequenter
in verschiedener Hinsicht Mängel aufweisen. Strahlung")10.

Beispielhaft sei dafür eine Studie von WITTHÖFT et al. Ungeeignetes Studiendesign
201317 genannt. In der Studie sollte die Hypothese ge- Zur Kritik an den von Wissenschaftlern durchgeführten
prüft werden, ob ein Video über die Gefährlichkeit von Provokationsstudien, bei denen Elektrohypersensible
WLAN vermehrte Beschwerden bei den Zuschauern in vielen Fällen lediglich angeben sollten, ob das elekt-
auslöst. Als Ergebnis wird angeführt, dass die Hälfte romagnetische Feld an- oder abgeschaltet war (ent-
der Teilnehmer sowohl der Versuchs- als auch der sprechend dem Fact sheet 296 der WHO), liegen eine
Kontrollgruppe im Verlauf der Testungen eine Be- Reihe kritischer Anmerkungen vor:
schwerdeverstärkung erlebte. Die Symptomzunahme
stand also offensichtlich nicht, wie von den Forschern Es wird keine sorgfältige Anamnese erhoben zur Ent-
als Hypothese angenommen, im Zusammenhang mit wicklung der EMF-bezogenen Beschwerden, stattdes-
dem Video, das nur der Versuchsgruppe gezeigt wurde sen werden psychologische Tests durchgeführt (da
(abgesehen von einer kleinen Gruppe besonders Ängst- „Elektrosensibilität“ im wörtlichen Sinne laut WHO-
licher). Der Grund dafür blieb offen, die Resultate wur- Dogma nicht existiert, nur IEI14).
den verzerrt dargestellt. Im Gegensatz dazu betonte
die Presse, dass die durch das Video ausgelöste Angst Die Belastung der Teilnehmer durch Anreise und Hin-
die Beschwerden verursache. Eine ausführliche Diskus- tergrundstrahlung wird nicht berücksichtigt. Die
sion der Studie findet sich bei ASCHERMANN 201418. Scheinbefeldung wird im nicht-abgeschirmten Labor
durchgeführt.
Bei Befragung der Elektrohypersensiblen wird man, wie
in den hier angeführten Fällen, häufig die Antwort er- Bei Abbrechern fehlt teilweise die Angabe, ob sie ihre
halten, dass die später überempfindlich gewordenen Mitarbeit wegen starker Symptome (z.B. Darmbluten)
Personen jahrelang nichtsahnend und ohne Ängste vorzeitig beendet haben.
Mobiltelefon oder WLAN nutzten. Damit scheidet der
sog. Nocebo-Effekt aus. Eine Kritik der Annahme eines Starre Schemata (z.B. zehn Minuten Exposition, zehn
NOCEBO-Effektes findet sich in dieser Studie. Minuten Scheinexposition) werden der Unterschied-
lichkeit der Probanden nicht gerecht, der eine oder an-

73
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

dere ist erst nach einem stunden- oder auch tagelan- das EMF-Projekt, so dass die Veröffentlichung der zwei
gen Intervall wieder in einem ausgeglichenen Zustand Dokumente nur ein Reklametrick seitens der zwei Orga-
und damit testfähig. Durch Vortestungen „zur Gewöh- nisationen ist.
nung“ erhöht sich der Stress für manche Mitwirkenden
so sehr, dass die Ergebnisse nicht mehr zu verwerten Praktisch ist das EMF-Projekt nur ein Aushängeschild
sind. für die Verbreitung und Umsetzung der wissenschaftli-
chen Meinungen und Richtlinien von ICNIRP. Das EMF-
Es werden z.T. nur die Aussagen der Probanden proto- Projekt der WHO ist ein Ein-Personen-Team mit einer
kolliert, nicht die physiologischen Abweichungen, z. B. einzigen Wissenschaftlerin, Emilie van Deventer, einer
Blutdruckanstieg. Ingenieurin ohne Expertise in biomedizinischer For-
schung.“23
Es werden Frequenzen mit anderen Charakteristika
verwendet als üblicherweise (z. B. UMTS mit anderen Bis 2006 hatte Michael Repacholi, Vorsitzender und jet-
Frequenzen als im Alltag, oder bei GSM Fehlen der 8,3 ziger Ehrenpräsident der ICNIRP, diese Position inne,
Hz-Pulsung). der für seine industriefreundliche Haltung bekannt ist.

Dass die Studien zur Erforschung von Elektrohypersen- Nach all diesem entsteht der Eindruck, dass die auf In-
sibilität oft so schlecht angelegt sind, dass sie „gar dustriefinanzierung angewiesenen Wissenschaftler nur
nichts“ beweisen und als „Bad science“ beurteilt wer- geringes Interesse an der Erforschung der Elektrohy-
den müssten, beklagt Dariusz Leszczynski, der früher persensibilität haben, denn sie könnte die heutige ge-
Mitglied der finnischen Strahlenschutzbehörde (STUK) winnbringende Funktechnik in Frage stellen.
war, in seinem Blog (Leszczynski 201421) .
Schlussfolgerungen
Auch seine Kommentare zur Tagung der BioEM Als Ärztin bin ich zunächst einmal mit kranken Einzel-
(internationale Jahrestagung der Bioelektromagneti- personen konfrontiert und aufgerufen, zusammen mit
schen Gesellschaft BEMS) 2014 in Kapstadt sind ver- dem Betroffenen Lösungen für sein individuelles
nichtend. Schicksal zu erarbeiten, wie möglichst weitgehende Ex-
positionsvermeidung und Behandlung von Vorschädi-
"Studien wie die von Schoeni et al. und Redmayne et al. gungen. Die beschriebenen Fälle lassen sich, wie ge-
sind Beispiele für schlechtes Studiendesign, wodurch zeigt wurde, unter die chronischen Multisystemerkran-
Zeit und Geld verschwendet wird, ohne dass brauchba- kungen (CMI) einordnen.
re Daten, die Schlussfolgerungen erlauben, zustande-
kommen. Wie ist es möglich, dass erfahrene Wissen- Aber durch die rasant zunehmende, außerordentliche
schaftler, die als prominente Experten in der EMF- Häufung eines bisher nahezu unbekannten Krankheits-
Forschung gelten, an der Gestaltung und Ausführung bildes wird rasch erkennbar: die eigentliche Ursache
solch nutzloser und unwirtschaftlicher Studien mitwir- liegt in der Umwelt24.
ken?“22
Es sei daran erinnert, dass sich alles Leben innerhalb
Angesichts der bevorstehenden Veröffentlichung der von Millionen Jahren in Einklang mit dem natürlichen
EHC-Monographie der WHO (Environmental Health Elektromagnetismus entwickelt hat (z.B. von Sonne,
Criteria) betonen Dariusz und Kirsti Leszczynski: Weltraum, Erdmagnetfeld, Schumann-Resonanzen,
Wettervorgängen) und mit sehr schwachen Impulsstär-
„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei- ken funktioniert. Widrige Umstände wie Toxinbelastun-
de – EHC und ICNIRP-Richtlinien – ein und dieselbe Ge- gen und Infektionen mussten von Anfang an bewältigt
schichte sind, abgefasst von sich überschneidenden werden.
Gruppen von Wissenschaftlern mit genau den gleichen
Meinungen zur wissenschaftlichen Beweislage. Warum Allerdings ist mit der künstlichen elektromagnetischen
sich die ‚Mühe machen‘, zwei Dokumente von ‘gleicher Strahlung, speziell der gepulsten Hochfrequenz, die
Art‘ zu verfassen? Die Antwort könnte sein, dass dies Grundlage aller Lebensvorgänge bis hin zur Vererbung
ein Weg ist zu ‚demonstrieren‘, dass das EMF-Projekt an künftige Generationen betroffen.
der WHO etwas anderes ist als die ICNIRP. Tatsächlich
ist es das nicht. Die ICNIRP liefert die gesamte wissen- Das zerstörerische Potential der nicht-ionisierenden
schaftliche Expertise und die Expositionsrichtlinien für Strahlung reicht bei längerer Wirkdauer an dasjenige

74
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität

der ionisierenden durchaus heran (HECHT 201525). Danksagung


Atomwaffen und Kernkraftwerke sind inzwischen staat- Ich danke allen, die an diesem Artikel mitgewirkt ha-
licherseits in ihrer Anwendung streng reglementiert. Im ben, mit ihren anregenden Fragen und Diskussionen,
Gegensatz dazu wird bei der Funktechnik, die jedem vorrangig aber denen, die mir einen Bericht über ihr
Einzelnen zugänglich ist und ihm geradezu aufgedrängt Leiden anvertrauten, um ihn einer breiteren Öffentlich-
wird, noch immer weiter aufgerüstet. In den letzten keit zugänglich zu machen.
zwei Jahrzehnten haben global operierende Industrie-
konzerne zusammen mit einer verantwortungslosen
Politik die Verbreitung dieser Technik forciert, so dass
mittlerweile mehr oder weniger alle Bewohner dieses
Planeten einschließlich Tieren und Pflanzen betroffen
sind.

Die Schäden sind nicht mehr zu übersehen (Zunahme


von Krankheiten bei Mensch, Tieren und Pflanzen, Ar-
tensterben) (BIOINITIATIVE 201226, WALDMANN-
SELSAM 201627). Um das Leben zu schützen und zu er-
halten, muss auf politischer und gesellschaftlicher Ebe-
ne schnellstmöglich eine drastische Kurskorrektur voll-
zogen werden.

Dr. med. Christine Aschermann


Nach dem Medizinstudium als Ärztin tätig in verschiedenen Kliniken
Süddeutschlands (Psychiatrische Klinik des Zentralinstituts für seeli-
sche Gesundheit Heidelberg/Mannheim, Neurologische Abteilung
der Universität Ulm im Bezirkskrankenhaus Günzburg, Psychosomati-
sche Fachklinik Isny-Neutrauchburg) mit Erwerb des Facharzttitels
Nervenheilkunde und der Zusatzbezeichnung Psychotherapie. Dane-
ben jahrelang im Einsatz als Konsiliarärztin in den somatischen Abtei-
lungen benachbarter Kliniken. Niedergelassen als Nervenärztin mit
Schwerpunkt in tiefenpsychologischer Psychotherapie. Seit Jahrzehn-
ten gesellschafts- und umweltpolitisch engagiert (u. a. Soziale Psychi-
atrie, Ärzte gegen Atomkrieg, Freiburger Ärzte-Appell 2002, IGUMED,
Kompetenzinitiative e.V., dort mit dem Ressort "Internationale Bezie-
hungen"). Seit über 30 Jahren lebt und arbeitet sie im Allgäu.

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AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Verweise ne affects autonomic nervous system, Eur. J. Oncol. Libr. 2010


(5):273-300
1) Nach den baubiologischen Richtwerten von 2003, SBM
2003, wird gepulste Strahlung für empfindliche Personen in [http://www.magdahavas.com/new-study-radiation-from-
Höhe von unter 0,1 µW/m² als „unauffällig“ bewertet, über cordless-phone-base-station-affects-the-heart/]
100 µW/m² als „extrem auffällig“. Gepulste Strahlung wie bei TUENGLER 2013 in: Hypothesis on how to measure
einem DECT-Telefon - hier 100 Hz - ist biologisch wirksamer electromagnetic hypersensitivity, Electromagn Biol Med
als ungepulste. Im SBM 2008 wurde die Unterscheidung zwi- 2013, 32(3):281-90
schen „gepulst“ und „ungepulst“ nicht mehr vorgenommen.
Erg. d. Verf. [https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23301924]

2) WARNKE, HENSINGER 2013 in: Steigende „Burn-out“- VON KLITZING 2014 : Einfluss elektromagnetischer Felder auf
Inzidenz durch technisch erzeugte magnetische und elektro- kardiovaskuläre Erkrankungen, in UMG 27, 1/2014:17-21
magnetische Felder des Mobil- und Kommunikationsfunks 5) Zu Quecksilber:
[http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/mobilfunk-burnout-
ulrich-warnke-peter-hensinger/] MUTTER 2008

3) Zu EEG und Hirnleistungen siehe z.B. [http://www.umweltrundschau.de/cms/the-


news/82-amalgam-quecksilber-und-schwere-
ABDEL-RASSOUL et al 2007 in: Neurobehavioral effects krankheiten-teil-1
among inhabitants around mobile phone base stations, Neu-
rotoxicology 2007 Mar;28(2):434-40. [https:// und http://www.umweltrundschau.de/cms/the-news/83-
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16962663] amalgam-quecksilber-und-schwere-krankheiten-teil-2]

BELPOMME et al. 2015 in: Reliable disease biomarkers chara- MUTTER 2017 (Neuauflage): Amalgam- Risiko für die
cterizing and identifying electrohypersensitivity and multiple Menschheit, Verlag Fit fürs Leben
chemical sensitivity as two etiopathogenic aspects of a uni- 6) KUKLINSKI et al. 2003: Hirnschrankenprotein S-100 und
que pathological disorder, Rev.Environ. Health 2015;30(4):251 Xenobiotikasuszeptibilität, in UMG 16, 2/2003 und [http://
-271 www.dr-kuklinski.info/aktuell/aktuell.html,
[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26613326] Ergänzend: durch Stickstoffradikale bedingte Schmerzen der
HUBER et al. 2002 in: Electromagnetic fields, such as those Wirbelsäule:
from mobile phones, alter regional cerebral blood flow and FREIRE et al. 2009 in: Pain Modulation by Nitric Oxide in the
sleep and waking EEG, J. Sleep Res 2002 Dec;11(4):289-95. Spinal Cord, Front Neurosci. 2009,3(2): 175–181 [https://
HUTTER et al. 2006 in: Subjective symptoms, sleeping prob- www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2751623/]
lems, and cognitive performance in subjects living near mobi- 7) Buch: R. Paul St. Amand, Fibromyalgie, erschienen in deut-
le phone base stations, Occup Environ Med. 2006 May;63 scher Übersetzung im Verlag Books on Demand, Norderstedt.
(5):307-13. Weitere Hinweise auf www.guaifenesin.de, Internet-Forum.
[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16621850] In Deutschland arbeitet z.B. Dr. Wolfram Kersten, Bamberg,
MAIER, Ruediger 2001 in: Mobilfunk-Emissionen und Ge- nach Dr. St. Amands Prinzipien.
dächtnisleistungen, unveröffentlicht, [http:// [http://www.konrad-fischer-info.de/medizin.htm]
www.elektrosmognews.de/Studien/inhalt.html]
http://www.fuerther-freiheit.info/2010/06/27/neue-
Zu unspezifischen Symptomen einschließlich hoffnung-bei-fibromyalgie/]
Diarrhoe:
8) MÜLLER 2007 in: Genetische Polymorphismen der Cate-
SULEIMAN et al. 2014 in: Electromagnetic chol-O-Methyltransferase (COMT), UMG 20,4/2007: 257-348
Radiation Health Effects in Exposed and Non-
Exposed Residents in Penang, J Geoscience 9) in: Untersuchung der Schlafqualität bei elektrosensiblen
and Environment Protection 2014,2: 77-83 Anwohnern von Basisstationen unter häuslichen Bedingun-
[https://www.emf-portal.org/de/ gen, im Rahmen des Deutschen Mobilfunkforschungspro-
article/25434] gramms,

4) zu Tinnitus: [http://www.bmub.bund.de/fileadmin/bmu-import/files/
pdfs/allgemein/application/pdf/schriftenreihe_rs709.pdf]
HUTTER et al. 2010 in: Tinnitus and mobile phone use, Oc-
cup. Environ Med 2010 Dec; 67(12):804-8 [https:// 10) in: [https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27454111]
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20573849] 11) BERGQUIST et al, Possible health implications of subjecti-
Zu Herzrhythmusstörungen: ve symptoms and electromagnetic fields. A report prepared
by an European group of experts for the European Commissi-
HAVAS et al 2010 in: Provocation study using heart rate varia- on, DGV. Arbete och Hälsa, 1997:19. Swedish National Insti-
bility shows microwave radiation from 2.4 GHz cordless pho- tute for Working Life

76
Individuelle Ausprägung von Elektrohypersensibilität

12) s. [Ätiologie (Medizin)-Wikipedia.htm], vom 08.11.2016 WALDMANN-SELSAM et al 2016 in: Radiofrequency radiation
injures trees around mobile phone base stations, Science of
13) DE LUCA et al in: Metabolic and Genetic Screening of The Total Environment, August 2016, 572:554-569
Electromagnetic Hypersensitive Subjects as a Feasible Tool
for Diagnostics and Intervention, Mediators Inflamm. 2014; [http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/new-tree-studies-of-
2014: 924184. international-research/]

[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4000647/] Letzter Zugriff für sämtliche angegebenen Internetadressen


am 14.10.2017
14) WHO 2005, in: Fact sheet on Electromagnetic Hypersensi-
tivity, Fact sheet 296, [http://www.who.int/peh-emf/
publications/factsheets/en/]

15) WARNKE 2007 in: Bienen, Vögel und Menschen - Die


Zerstörung der Natur durch "Elektrosmog" [http://
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/broschuerenreihe/]

16) in: Untersuchung der Schlafqualität bei Anwohnern einer


Basisstation - Experimentelle Studie zur Objektivierung mögli-
cher psychologischer und physiologischer Effekte unter häus-
lichen Bedingungen,

[http://www.emf-forschungsprogramm.de/forschung/
biologie/biologie_abges/bio_095.html]

17) Are media warnings about the adverse health effects of


modern life self-fulfilling?

18) Wie die öffentliche Meinung geprägt wird in Wissenschaft


und Presse, 2014, in UMG, 27, 3/2014:192-197 u. a. zur
Studie von Witthöft et al.

19) REA, W. J., YENYVES, E. J., SUJISAWA, I. et al. (1991):


Electromagnetic Field Sensitivity, Journal of Bioelectricity 10
(1&2): 241-256

20) MÜLLER, C. H. (2000) in: Projekt NEMESIS. Niederfre-


quente elektrische und magnetische Felder und Elektrosensi-
bilität in der Schweiz. Inauguraldissertation, Korreferent Leit-
geb, N.

[https://e-collection.library.ethz.ch/view/eth:25439]
21) in: [www.betweenrockandhardplace.wordpress.com]
6.April 2014, zitiert, ins Deutsche übersetzt und kommentiert
von der Bürgerwelle e.V. in [http://www.buergerwelle.de/
de/themen/wissenschaft/ehs_forschung.html]

22) [http://www.pandora-stiftung.eu/archiv/2014/bericht-
von-der-bioem2014.html]
23) in: Bericht von der „Science and Wireless 2015“ in Mel-
bourne, Australien, für die Stiftung Pandora und Kompetenz-
initiative e.V., Hervorh. Durch d. Verf. [ http://www.stiftung-
pandora.eu/downloads/pandora_dl_science-wireless-
2015_dt.pdf], Seite 4]

24) s. EMF-Leitlinie 2016, Seite 2


25) in: Ist die Unterteilung in ionisierende und nichtionisie-
rende Strahlung noch aktuell? [http://
kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/ist-die-unterteilung-in-
ionisierende-und-nichtionisierende-strahlung-noch-aktuell/])

26) BIOINITIATIVE 2012 [http://www.bioinitiative.org/table-


of-contents/]

77
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Die WLAN-Technologie:
Ein Experiment auf Kosten der
Gesellschaft mit ungewissem Ausgang
Franz Adlkofer und Lebrecht von Klitzing1

Anlässlich des 3. Internationalen Deutschlandforums, das anfangs des Jahres (2017, d. Red.)
im Bundeskanzleramt stattfand, legte die Bundeskanzlerin Angela Merkel Wert auf die Fest-
stellung, dass für sie die globale Gesundheit allergrößte Bedeutung hat.2 Bei der Tagung war
die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen ein
wichtiges Thema. Hinweise, dass diese Technologien aber auch ein Risiko für die Gesundheit
der Menschen darstellen könnten, gab es allerdings keine. Die Lobbyisten der Mobilfunkin-
dustrie sind offensichtlich ihrem Auftrag in vollem Umfang gerecht geworden. Sie haben
dafür gesorgt, dass diesem Thema in der großen Politik bis jetzt die erforderliche Beachtung
versagt geblieben ist. Dass allein in Deutschland mehr als eine Million elektrosensible Men-
schen leben, die in ihrem Wohlbefinden und in ihrer Gesundheit zum Teil schwer beein-
trächtigt sind, und dass diese Minderheit insbesondere seit Einführung von WLAN immer
größer wird, wird von der Politik schlichtweg ignoriert. Überzeugt davon, dass die Menschen
bei Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte vor gesundheitlichen Risiken jeglicher Art zuver-
lässig geschützt sind, wird auch Angela Merkel dieses Thema längst als erledigt betrachten.
Wie sollte sie wissen, dass die geltenden Grenzwerte zwar auf physikalischen Prinzipien be-
ruhen, aber mit der Wissenschaft des Lebens so gut wie nichts gemein haben.

Die Grenzwerte der Hochfrequenzstrahlung rischen Aufrüstung absichtlich unberücksichtigt. Der-


sind eine Fehlkonstruktion selbe Grenzwert, der einst die Interessen der US-
Die gegenwärtigen Grenzwerte für die Hochfrequenz- Streitkräfte schützte, schützt heute die Interessen der
strahlung wurden von der Internationalen Kommission Mobilfunkindustrie. Dass er bis heute Bestand haben
zum Schutze vor nicht-ionisierenden Strahlen (ICNIRP) konnte, ist den Methoden geschuldet, mit denen er
erstellt. Sie beruhen auf den bis heute unbewiesenen seither verteidigt wird. Sie können zwanglos der insti-
Vorstellungen des nach dem 2. Weltkrieg im Dienste tutionellen Korruption zugerechnet werden. Und die
der U.S. Navy stehenden deutschen Biophysikers Her- Politik, der die Gesundheit der Bevölkerung höchstes
man Paul Schwan. Dieser erfand sozusagen aus dem Gut sein sollte, schweigt dazu.3
Nichts den Lehrsatz, dass es bei der Hochfrequenz-
strahlung außer der Wärmewirkung keine weiteren Die Widersprüchlichkeit der Forschungsergebnisse, die
biologischen Wirkungen gibt, da dies den Gesetzen der seit der Zeit des Kalten Krieges stetig zugenommen hat,
Physik widerspricht. Mit diesem „Geniestreich“ schuf weil sich allzu viele Forscher nicht an wissenschaftli-
er für das US-Militär im heraufziehenden Kalten Krieg chen Kriterien, sondern an den Interessen ihrer Förde-
die Voraussetzung für die nahezu auflagenlose Nutzung rer orientierten, ermöglichte es, dass der Irrglaube an
der Hochfrequenztechnologie bei der Entwicklung ihrer die Grenzwerte über Jahrzehnte hinweg bis heute auf-
Waffensysteme. Die bereits damals vorliegenden recht erhalten werden konnte. Forschungsergebnisse
Kenntnisse über die Unverträglichkeit der Hochfre- aus epidemiologischen, tierexperimentellen und in-
quenzstrahlung für die menschliche Gesundheit blie- vitro-Untersuchungen, die auf gesundheitliche Risiken
ben im Hinblick auf die nationale Bedeutung der militä- der Hochfrequenzstrahlung auch unterhalb der Grenz-

78
Die WLAN-Technologie: Ein Experiment auf Kosten der Gesellschaft mit ungewissem Ausgang

Franz Adlkofer und Lebrecht von Klitzing zur


gegenwärtigen WLANisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche:

„Marco Markov und Yuri G. Grigoriev, beide Strahlenforscher mit großer inter-
nationaler Reputation, letzterer Vorsitzender des Russischen Nationalkomitees
zum Schutz gegen nicht-ionisierende Strahlung, haben 2013 deutlich wie niemand
zuvor und aus guten Gründen vor der Einführung der WLAN-Technologie gewarnt.
Für sie handelt es sich um ein gegenwärtig weltweit ohne jede Kontrolle laufendes
Experiment mit der Gesundheit der Menschheit.“

79
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

werte hinweisen, werden von ihnen zunächst ignoriert, Dass die Grenzwerte als Grundlage für den Strahlen-
wenn dies nicht genügt, so heftig wie möglich kritisiert, schutz der Bevölkerung bis heute aufrecht erhalten
und wenn auch dies fehlschlägt, so hemmungslos wie werden konnten, ist der engen Zusammenarbeit zwi-
möglich diffamiert. Bei Letzterem sind weniger die Er- schen der Mobilfunkindustrie und den von ihr kontrol-
gebnisse als die Forscher selbst das Ziel. Wie sehr der lierten Organisationen ICNIRP und Internationales EMF
gegenwärtige Stand der Forschung den geltenden -Projekt der WHO geschuldet, die mit der Erstellung
Grenzwerten und damit dem Strahlenschutz der Bevöl- und der internationalen Harmonisierung der Grenzwer-
kerung widerspricht, mögen folgende Beispiele bele- te betraut sind.7 Wissenschaftler, bei denen es weniger
gen: auf die Qualifikation als auf die Meinung ankommt,
werden in ihrem Fortkommen beruflich und persönlich
• Der bisherige Garant für negative Forschungser- gefördert und so in Amt und Würden gebracht. Mit
gebnisse, Alexander Lerchl, Professor an der Hilfe der Politik werden sie dann in die nationalen und
privaten Jacobs Universität Bremen, sah sich internationalen Beratungs- und Entscheidungsgremien
aufgrund des Ausgangs eines von Industrie und berufen. Dort stellen sie die Kausalität zwischen der
Politik finanzierten und unter seiner Leitung Strahlenexposition und gesundheitlichen Risiken mit
durchgeführten Forschungsvorhabens kürzlich dem rein theoretischen Hinweis in Frage, dass es dafür
selbst gezwungen, etwas zu bestätigen, was er kein gesichertes Wirkungsmodell gibt. Dass es eine
bisher vehement bestritten hatte, dass nämlich Reihe von Krankheiten gibt, deren Pathogenese nur
die Hochfrequenzstrahlung in Form von UMTS teilweise oder gar nicht verstanden wird, ohne dass
unterhalb des Grenzwertes bei Mäusen das Tu- deshalb deren Existenz in Zweifel gezogen wird, stört
morwachstum beschleunigen kann.4 sie weiter nicht. Sei es aus Unbedarftheit oder wider
besseres Wissens, klammern sie sich immer noch an
• Im Rahmen einer Studie des National Toxicolo- Paul Hermann Schwans längst widerlegten Lehrsatz,
gy Program (NTP-Studie) der USA wurden bei dass es außer der Wärmewirkung keine anderen Wir-
Sprague-Dawley-Ratten, die lebenslang der vor kungen der Hochfrequenzstrahlung gibt.
ca. 12 Jahren in den USA üblichen G2-Strahlung
(GSM und CDMA) ausgesetzt waren, ein Anstieg Um sich selbst zu bestätigen, behaupten sie wahrheits-
bösartiger Gliome im Gehirn und Schwannome widrig, dass unterhalb der Grenzwerte biologische Wir-
im Herzen festgestellt, auch wenn die Intensität kungen von Relevanz für die Entstehung von Krankhei-
der Strahlung unterhalb des Grenzwertes lag. ten bis jetzt nicht nachgewiesen werden konnten. Die
Diese Tumorarten entsprechen denen, die in zahlreichen Studien, deren Ergebnisse ihrer Vorstellung
epidemiologischen Studien auch bei langjähri- widersprechen, ignorieren sie, weil diese angeblich
gen Nutzern von Mobiltelefonen erhöht waren. nicht belastbar sind. Und die Professoren des Bundes-
amtes für Strahlenschutz lassen dies alles mit sich ge-
• Die im Rahmen der von der EU-finanzierten RE- schehen.
FLEX-Studie an der Medizinischen Universität
Wien erhaltenen Ergebnisse zeigen, dass die G2- Das Phänomen der Elektrosensibilität
und die G3-Strahlung (GSM und UMTS) in iso- ist längst Realität
lierten menschlichen Zellen das Erbgut schädi- Der obrigkeitliche Irrglaube, dass die Grenzwerte der
gen, indem sie auf indirektem Weg Brüche der Hochfrequenzstrahlung zuverlässig vor gesundheitli-
DNA-Stränge verursachen. Die Ergebnisse dieser chen Risiken schützen, bedeutet eine doppelte Tragö-
Studien werden seit Jahren mit ethisch fragwür- die für die Minderheit der Elektrosensiblen in unserer
digen Methoden in Zweifel gezogen.5 Gesellschaft, zum einen weil sie von Politik und Indus-
trie und oftmals auch von den Menschen in ihrer Um-
• Es gibt eine große Zahl weiterer Studien, die auf gebung grundlos als psychisch auffällig oder gar ge-
gesundheitliche Störungen wie Schlaflosigkeit, stört, als Hypochonder also, angesehen werden, zum
Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, andern weil ihnen zumindest in Deutschland die Mög-
Kopfschmerz, Tinnitus, kardiovaskuläre Erkran- lichkeit, die sonst jeder Minderheit zusteht, genommen
kungen, usw. bei Kindern und Erwachsenen hin- wird, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die
weisen, selbst wenn die Strahlenbelastungen, Gerichte berufen sich nämlich wie Politik und Industrie
der sie ausgesetzt waren, nur Bruchteile des darauf, dass Hochfrequenzfelder unterhalb des Grenz-
Grenzwertes ausmachten.6 wertes keinen gesundheitlichen Schaden anrichten
können. Die Politik, die für den Schutz der Bevölkerung

80
Die WLAN-Technologie: Ein Experiment auf Kosten der Gesellschaft mit ungewissem Ausgang

vor der Hochfrequenzstrahlung die Verantwortung schen Wirkungen von Relevanz für eine Gesundheits-
trägt, verlässt sich dabei auf die Aussagen der Strahlen- störung gebe. All diese Studien zur Frage der Elektro-
schutzkommission (SSK), die sich im Verlauf der Jahre sensibilität sind jedoch bereits vom Ansatz her zweifel-
in eine Art PR-Abteilung der Mobilfunkindustrie ver- haft, dies aufgrund folgender Überlegungen.9
wandelt hat. Noch 2011 hat sie sich zum Thema Elekt-
rosensibilität - getreu den Vorstellungen von Industrie
und Politik, aus der Sicht der Betroffenen jedoch in • In den meisten Studien wird eigentlich nicht
geradezu perfider Weise - wie folgt geäußert: untersucht, ob jemand elektrosensibel ist, son-
dern nur, ob jemand erkennen kann, dass er
„Damit kann trotz unterschiedlicher Zielgruppendefini- elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt ist.
tion und -rekrutierung in der Zusammenschau mit der Dass zwischen der Reaktion auf einen Stoff und
internationalen Literatur der Schluss gezogen werden, dem Erkennen dieses Stoffes ein Unterschied
dass „Elektrosensibilität“ im Sinne eines ursächlichen besteht, ist jedoch ein aus der Forschung über
Zusammenhangs mit der Exposition durch EMF mit die Chemikalienunverträglichkeit längst bekann-
großer Wahrscheinlichkeit nicht existiert. Weitere For- tes Phänomen.
schung sollte daher in einem Themenkreis außerhalb
der EMF-Forschung erfolgen“. • In all diesen Studien wird grundsätzlich davon
ausgegangen, dass die Reaktion auf die Expositi-
Um zu diesem Urteil zu kommen, berücksichtigte die on gegenüber der elektromagnetischen Strah-
SSK insbesondere die Untersuchungsergebnisse von lung sofort eintritt. Dies trifft jedoch keineswegs
Wissenschaftlern, die viel von Psychologie und Psychi- zu. Genauso gut, wie sie sofort zustande kom-
atrie, aber kaum etwas von der Mobilfunkforschung men kann, kann sie auch verzögert erfolgen.
verstehen. Reichlich ausgestattet mit Forschungs-
mitteln und aufgeklärt über das Wesen der Elektrosen- • Außerdem wird in diesen Studien grundsätzlich
sibilität im Sinne der Mobilfunkindustrie versuchen sie angenommen, dass elektrosensible Menschen
herauszufinden, ob zwischen Menschen, die sich als auf die elektromagnetische Strahlung unabhän-
elektro-sensibel oder nicht-elektrosensibel bezeichnen, gig von der Art der Modulation dieser Felder
und bei Elektrosensiblen mit und ohne Strahlenprovo- immer auf dieselbe Weise reagieren, obwohl
kation irgendwelche Unterschiede in Verhalten und dies nachweislich falsch ist.
Empfinden bestehen. Mittels statistischer Auswertung
von experimentell oder über Fragebögen erhaltener Der bisher stärkste Beleg für die Existenz der Elektro-
Daten kommen sie übereinstimmend zu der Erkennt- sensibilität, nämlich die Tatsache, dass die Beschwer-
nis, dass die Gruppe der Elektrosensiblen signifikant den der Betroffenen rasch nachlassen, wenn sie sich in
häufiger an somatoformen Störungen leidet, ohne dass eine strahlenfreie Umgebung begeben, wird völlig ig-
für die angegebenen Symptome eine adäquate körper- noriert.10
liche Ursache zu finden ist. Übereinstimmend stellen
sie dann fest, dass der Leidensdruck der Betroffenen
aufgrund dieser Störungen sehr hoch sein könne und Dariusz Leszczynski beschreibt in seinem Report von
dass dies entsprechend ernst genommen werden müs- der BioEM2015 den gegenwärtigen Stand der For-
se. Ebenso übereinstimmend sind sie der Meinung, schung zur Frage der Elektrosensibilität als dürftig und
dass die vorliegenden Forschungsergebnisse die Mobil- ideenlos.11 Was seiner Meinung nach nottäte, wären
funkstrahlung als Ursache der Elektrosensibilität nicht Studien, in denen bei den elektrosensiblen Teilneh-
bestätigen könnten.8 mern vor, während und nach der Exposition Messun-
gen zur Gen- und Proteinexpression durchgeführt wer-
Damit ist der Weg für die so genannte Risikokommuni- den. Mit Messdaten dieser Art, die von subjektiven
kation geebnet, für die die Mobilfunkindustrie eine Einflüssen unabhängig wären, dürfte es möglich sein,
ganz besondere Gruppe von „Experten“ bereithält. Von die Existenz der Elektrosensibilität, an der kaum noch
ihr erfährt die Bevölkerung in regelmäßigen Abstän- zu zweifeln ist, endgültig unter Beweis zu stellen. Das
den, es sei aufgrund der vorliegenden Untersuchungen größte Hindernis, das der Lösung des Problems im We-
wissenschaftlich erwiesen, dass die Elektrosensibilität ge steht, ist die Weigerung von Industrie und Politik,
ganz unabhängig von der Mobilfunkstrahlung auftrete, die allein über die erforderlichen Forschungsmittel ver-
mit ihr auch gar nichts zu tun haben könne, weil es fügen, einen Forschungsansatz dieser Art überhaupt zu
unterhalb des Grenzwertes bekanntlich keine biologi- fördern.

81
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Ein weiterer ebenfalls aussichtsreicher Weg zum Nach- zwischen etwas verselbstständigt, weil zunehmend alle
weis der Elektrosensibilität wird von Tuengler und von technischen Abläufe im häuslichen Umfeld funktech-
Klitzing beschrieben.12 Die Autoren gehen aufgrund der nisch gesteuert werden können.15
Ergebnisse ihrer Untersuchung davon aus, dass bei
gleichzeitiger Messung der Herzratenvariabilität (HRV), Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass sich
der Mikrozirkulation und des an der Hautoberfläche das WLAN-Strahlenspektrum von der natürlichen
abgeleiteten Elektromyogramms (EMG), also von Strahlung, mit der sich alles Leben im Verlauf der Phy-
Messgrößen, die sich der subjektiven Einflussnahme logenese arrangieren konnte, stark unterscheidet. Der
weitgehend entziehen, Elektrosensibilität nachgewie- auffälligste Unterschied besteht in der strengen nieder-
sen werden kann. Dieser Befund steht zudem in Ein- frequenten 10 Hz-Periodizität. Welche Bedeutung die-
klang mit dem anderer Autoren.13 sem Phänomen zukommt, darüber kann gegenwärtig
nur gerätselt werden. Während zu Recht niemand da-
Zusammengefasst ergibt sich, dass der Stand der For- ran zweifelt, dass die Hochfrequenzstrahlung erst
schung zur Frage der Elektrosensibilität zwar immer durch Modulation funktauglich wird, besteht beträcht-
noch dürftig ist, aber sicherlich fortgeschritten genug, liche Uneinigkeit darüber, in welchem Ausmaß die bio-
um dem Zweifel an ihrer Existenz die Grundlage zu logische Wirkung von der Modulation abhängig ist.
entziehen. Da die Vorteile des Status Quo für Industrie Dies ist bei der Erstellung der Grenzwerte völlig unbe-
und Politik jedoch offensichtlich sind, ist wohl kaum rücksichtigt geblieben, was allein schon ihre Zuverläs-
damit zu rechnen, dass der Wissenschaft in absehbarer sigkeit in Frage stellt.
Zeit die Möglichkeit eingeräumt wird, den Zusammen-
hang zwischen Elektrosensibilität und Strahlenbelas- Der Kanzler der Universität Bremen gab 2001 beim
tung mit zuverlässigeren Methoden als bisher zu klä- nova-Institut für Ökologie und Innovation ein Gutach-
ren. Elektrosensible Menschen in Deutschland empfin- ten in Auftrag, um eine Vorstellung über die Strahlen-
den unter diesen Umständen vorerst wohl nur Ohn- belastung der an der Universität Bremen Beschäftigten
macht, Zorn und Verzweiflung, womit gegen staatli- durch das zur drahtlosen Netzwerkanbindung von
chen Zynismus allerdings wenig auszurichten ist. Wir Notebooks eingerichtete WLAN-Funknetz zu erhal-
wollen mit diesem Artikel dazu beitragen, dass sie zu- ten.16 In verschiedenen Universitätsgebäuden wurden
mindest bei ihren Mitmenschen Verständnis finden. an insgesamt zehn Messpunkten 20 Messungen durch-
geführt. Die festgestellten Leistungsflussdichten (LFD),
Der WLAN-Memory-Effekt stellt die Nutzung die in erheblichem Maße von der Sendeleistung und
dieser Technologie in Schulen in Frage der Ausrichtung der Antennen abhängig waren, lagen
WLAN (Wireless Local Area Network), in den angel- zwischen 2,504 und 0,0005 mW/m2. Eine LFD von
sächsischen Ländern WiFi genannt, wird zum Aufbau 2,504 mW/m2 ent-spricht 0,025 % des von der ICNIRP
lokaler Computer-Netzwerke verwendet. Über werks- festgelegten und in der 26. Verordnung zum Bundes-
seitig eingebaute Funkschnittstellen in Laptop- und Immissionsgesetz (26.BlmSchV) von Deutschland über-
Tablet-Computern oder über entsprechende Einsteck- nommen Grenzwertes. Bei den Notebook-Nutzern war
karten können die Geräte kabellos miteinander ver- die Strahlenbelastung abhängig von ihrer Entfernung
netzt werden. Zentrale Zugangspunkte (Access Points, von den W-LAN-Netzwerkkarten des Notebooks, je-
Hot Spots) ermöglichen die Anbindung an übergeord- doch weit höher als bei anderen Personen, die sich
nete Netzstrukturen, im beruflichen Bereich zum Bei- ohne Notebook im selben Raum befanden. Bei einem
spiel an ein firmeneigenes Datennetz. Auch viele Abstand von 60 cm betrug die LFD 3,15 mW/m 2, was
Smartphones enthalten eine WLAN-Schnittstelle. An 0,032 % des Grenzwertes entspricht. Bei einem Ab-
öffentlichen Orten wie z.B. in Hotels oder an Flughäfen, stand von 20 cm stieg die LFD auf 158 mW/m2 und da-
aber auch im privaten Bereich sind damit kabellose mit auf 1,58 % des Grenzwertes an.
Internetverbindungen ohne Nutzung eines Mobilfunk-
netzes möglich.14 Im Gegensatz zu Deutschland wird die WLAN-Instal-
lation in Schulen und Kindergärten in andern Ländern
WLAN wird mittels einer gepulsten und polarisierten zumindest kritisch gesehen, wenn nicht sogar verbo-
Mikrowellenfrequenz von 2450 MHz betrieben, bei ten. Das Bundesamt für Strahlenschutz rät, WLAN-
dem komprimierte Datenpakete mit einer Periodizität Zugangspunkte nicht im Schlaf- oder Kinderzimmer zu
von 10 Hz gesendet werden. Diese ursprünglich für installieren und Schulklassen nicht per Funk sondern
kurze Übertragungsstrecken in der Computer- über Kabel an das Internet anzubinden. Dies führe zu
Peripherie vorgesehene kabellose Technik hat sich in- einer Abnahme der Strahlenbelastung, was beruhige,

82
Die WLAN-Technologie: Ein Experiment auf Kosten der Gesellschaft mit ungewissem Ausgang

selbst wenn sich in Zukunft kein einziger Verdacht auf Memory-Effekt viele Stunden nach der WLAN-
ein gesundheitliches Risiko bestätigen sollte.17 Martin Exposition zukommt, ist gegenwärtig unbekannt. Umso
Röösli, der als Mitglied der ICNIRP an die Schutzfunkti- besorgniserregender ist seine Existenz. Dass das Gehirn
on der Grenzwerte zu glauben verpflichtet ist, schließt in derselben Weise betroffen sein könnte, erscheint
sich offensichtlich dieser Vorstellung an, wenn er be- zumindest wahrscheinlich. Unter anderem stellt sich
tont, dass „die Energie, die man von einem WLAN- die Frage, ob die bei WLAN-exponierten Kindern wie-
Netzwerk abbekommt, das sich in Reichweite befindet, derholt beschriebenen psychischen und physischen
üblicherweise rund 100.000-Mal geringer ist als beim Auffälligkeiten, d. h. Verhaltens- und Gesundheitsstö-
Handy-Telefonieren“. Dagegen lehnen Ärzte vom Ar- rungen, damit erklärt werden können. Sollte dieser
beitskreis Digitale Medien den vorgesehenen Ausbau Befund bestätigt werden, woran kaum Zweifel beste-
des WLAN-Netzes und die Ausbreitung von digitalen hen, stellen sich zunächst zwei Fragen: 1) Was für Un-
Medien an Schulen grundsätzlich ab. Dabei verweisen tersuchungen sind erforderlich, damit seine Bedeutung
sie auf Arbeiten aus mehr als 40 Fachzeitschriften, aus verstanden wird? und 2) Ist beim jetzigen Stand des
denen sich ergibt, dass die Strahlenbelastung zu Kon- Wissens der Einsatz der WLAN-Technologie in Schulen
zentrationsstörungen, Kopfschmerzen, ADHS, Spermi- überhaupt zu verantworten?
enschädigungen bis hin zu DNA-Strangbrüchen und
damit zu Krebs führen kann.18 Das Problem besteht Nur wer weiß, dass er betrogen wird,
darin, dass gegenwärtig niemand weiß, ob die WLAN- kann sich zur Wehr setzen
Strahlung als Teil der Gesamtstrahlung, der die Bevöl- Treibende Kraft bei der flächendeckenden Einführung
kerung ausgesetzt ist, nicht doch ein besonderes ge- der WLAN-Technologie ist natürlich die Industrie, für
sundheitliches Risiko darstellt. die es um ein Multimilliardengeschäft geht. Ihre Lobby-
isten haben die Politik so fest im Griff, dass diese nicht
Dariusz Leszczynskis Report von der BioEM2016 enthält nur alles erlaubt, was gewünscht wird, sondern mit
ein Kapitel mit dem Titel „Wi-Fi und Gesundheit - Lite- ihrem Bekenntnis zu den Grenzwerten auch noch die
raturübersicht mit unbegründeter Schlussfolgerung“.19 Verantwortung für die möglichen Folgen übernimmt.
Darin kritisiert er den Vortrag der Wissenschaftler des
EMF-Portals, die unter Berücksichtigung der gesamten Marco Markov und Yuri G. Grigoriev, beide Strahlenfor-
bis 2016 vorliegenden wissenschaftlichen Literatur zu scher mit großer internationaler Reputation, letzterer
dem Ergebnis kommen, dass es bei WLAN keine ge- Vorsitzender des Russischen Nationalkomitees zum
sundheitlichen Probleme gibt, über die man sich Sor- Schutz gegen nicht-ionisierende Strahlung, haben 2013
gen machen müsste. Kurz nach dieser Klarstellung er- deutlich wie niemand zuvor und aus guten Gründen
gänzen sie, dass unser gegenwärtiges Wissen zu die- vor der Einführung der WLAN-Technologie gewarnt.
sem Thema noch sehr begrenzt ist. Dariusz Les- Für sie handelt es sich um ein gegenwärtig weltweit
zczynskis Kommentar dazu lautet: „Das tatsächliche ohne jede Kontrolle laufendes Experiment mit der Ge-
Problem ist dieses: unbefriedigende Forschung, geringe sundheit der Menschheit.21 Wir teilen ihre Einschät-
Qualität der Forschung und das Fehlen von Studien zung, die aufgrund der Ergebnisse der nunmehr an die
wird als Beweis dafür angesehen, dass es keine gesund- 70 Jahre zurückreichenden Forschung in Russland hin-
heitlichen Auswirkungen gibt.“ Daraus kann man ei- länglich belegt ist. Der Unterschied zu den Ergebnissen,
gentlich nur schließen, dass das EMF-Portal - wie allge- die gleichzeitig in den USA erhalten wurden, beruht auf
mein angenommen - nach wie vor von der Mobilfunk- den völlig verschiedenen Forschungsansätzen. In Russ-
industrie kontrolliert wird. land orientierte man sich bei der Forschung von Anfang
an im Interesse der Menschen an biologischen, in den
Ganz andere Konsequenzen ergeben sich aus Untersu- USA im Interesse von Militär und Industrie dagegen an
chungen, deren Ergebnisse Lebrecht von Klitzing kürz- physikalischen Prinzipien. Die Versuche der unabhängi-
lich publiziert hat. Diese weisen auf ein bisher nirgend- gen Wissenschaft, die Öffentlichkeit darüber wahr-
wo beschriebenes Phänomen hin, das dringend der heitsgemäß aufzuklären, sind letzten Endes an der Pha-
weiteren Abklärung bedarf.20 Bei ca. 30 Prozent der lanx aus industrieller und politischer Macht geschei-
von ihm untersuchten Personen, die am Tag vor der tert.
Untersuchung der WLAN-Strahlung kontinuierlich aus-
gesetzt waren, beobachtete er, dass das EMG-Signal Wenn in einem modernen Staat Legislative (Gesetz-
schon bei der Kontrollmessung vor Beginn des eigentli- gebung) und Exekutive (ausführende Gewalt) wie beim
chen Testprogramms durch eine 10-Hertz-Komponente Schutz der Bevölkerung vor der Mobilfunktechnologie
überlagert war. Welche Bedeutung diesem 10-Hz- versagen, ist die Judikative (Rechtsprechung) gefordert.

83
AUS DER FORSCHUNG UND ÄRZTLICHEN PRAXIS

Wie bereits 2012 hat vor einigen Tagen wiederum ein Wie der VW-Skandal gerade offengelegt hat, wird die
italienisches Gericht entschieden, dass der bei einem staatliche Exekutive bei einer mächtigen Industrie
langjährigen Handynutzer diagnostizierte Hirntumor offensichtlich erst dann tätig, wenn die Katastrophe
auf die Mobilfunkstrahlung zurückzuführen ist.22 Für bereits eingetreten ist. Bei der Automobilindustrie hat
den Richter waren offensichtlich die Ergebnisse der sie jahrelang übersehen, dass die Einhaltung der Grenz-
unabhängigen Forschung überzeugender als die Kritik werte auf Betrug beruht. Sie hat sich damit u. a. auch
daran, die von der Mobilfunkindustrie mit Hilfe ihrer der Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung schuldig
Söldner aus der Wissenschaft vorgebracht wird. Ob gemacht. Bei der Mobilfunkindustrie hat die Exekutive
dieses Urteil durch ein höherrangiges Gericht alsbald bis heute noch nicht einmal erkannt, dass bereits die
aufgehoben werden wird oder nicht, es zeigt zumin- Erstellung der Grenzwerte auf Betrug beruht. Die Ein-
dest, dass es Richter gibt, die sich unabhängig von den sicht, dass die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung
Vorgaben der staatlichen Exekutive ein eigenes Urteil durch die Mobilfunkstrahlung die durch Nichteinhal-
bilden. Die Voraussage, dass die Zunahme von Hirntu- tung der Grenzwerte für Autoabgase wohl bei weitem
moren bei Langzeitnutzern von Mobiltelefonen sie ei- in den Schatten stellt, dürfte ihr gänzlich abgehen. Die
nes Tages in ihrer Überzeugung bestätigen wird, Demokratie in Deutschland wird gegenwärtig sicherlich
scheint beim gegenwärtigen Stand der Forschung nicht durch Zwang und Gewalt bedroht, schon eher
durchaus wahrscheinlich. durch Korruption und Betrug. Nur wer weiß, dass er
hintergangen wird, kann sich zur Wehr setzen. Dazu
will unser Artikel beitragen.

Prof. Dr. med. Franz Adlkofer


Arzt für Innere Medizin; Forscher am Max-Planck-Institut für Bioche-
mie München, dann Freie Universität Berlin; 20 Jahre in der Industrie
tätig; 1992-2011 Geschäftsführer der Stiftung Verum; Koordinator
mehrerer EU-Projekte, u.a. des europäischen REFLEX-Projekts zur
Gentoxizität von Mobilfunkstrahlung. Vorsitzender der ‚Pandora -
Stiftung für unabhängige Forschung‘.

Dr. rer. nat. Lebrecht von Klitzing


Studium der Physik, Biochemie; Diplom / Promotion 1966 TU Braun-
schweig. 1966-1975 Wissenschaftliche Assistenz: TU Braunschweig,
MPI Zellbiologie, Universität Bonn. 1975-2002 Administrative Leitung
der Klinischen Experimentellen Forschungseinrichtung des Universi-
tätsklinikum an der Medizinischen Universität zu Lübeck. Seit 2002
freiberuflich tätig: www.umweltphysik.com/medizinphysik - Forsch-
ungsschwerpunkte: Biokybernetik der Stoffwechselregulation; Ver-
fahren zur Prophylaxe des Atemnotsyndroms bei Frühgeborenen;
Entwicklung medizin-physikalischer Verfahren; Einfluss elektromagne-
tischer Felder auf neurophysiologische Parameter beim Menschen.
Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, Buchbeiträge, Vorträge.

84
Die WLAN-Technologie: Ein Experiment auf Kosten der Gesellschaft mit ungewissem Ausgang

Verweise 19) https://


betweenrockandhardplace.files.wordpress.com/2016/07/
1) Original- / Erstveröffentlichung: https:// bioem2016_report-_dl_final1.pdf
www.rubikon.news/artikel/das-wlan-experiment - für diese 20) von Klitzing: 10 Hz-memory effect in EMG after WLAN
Schrift leicht bearbeitet. exposure.
2) https://www.bundesregierung.de/Content/DE/ 21) http://www.avaate.org/IMG/pdf/Wi-fi_Technology_-
StatischeSeiten/Breg/IDF/2016-12-29-3-idf.html1 _An_Uncontrolled_Global_Experiment_on_the_Health_of_M
ankind_-_Marko_Markov_Yuri_G._Grigoriev.pdf
3) http://www.stiftung-pandora.eu/downloads/
pandora_doku_vortrag-harvard-erweitert-2012.pdf 22) http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/recht-und-
gehalt/italiener-bekommt-rente-tumor-vom-mobiltelefon-
4) http://www.pandora-stiftung.eu/downloads/adlkofer_-
14981641.html
stellungnahme-zu-lerchl-09-03-2015.pdf

5) http://www.pandora-stiftung.de/archiv/2015/das-
waterloo-des-strahlenschuetzers-lerchl.html
Strahlenschutz im Widerspruch zur Wissenschaft (2011) -
http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/broschuerenreihe/

6) https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/
detail?newsid=1088
http://www.srf.ch/sendungen/puls/alltag-umwelt/schaden-
mobiltelefone-dem-gedaechtnis

von Klitzing L: Einfluss elektromagnetischer Felder auf kardi-


ovaskuläre Erkrankungen. (2014) UMG 27:18-21
7) http://www.stiftung-pandora.eu/downloads/
pandora_leszczynsk_ehc-bericht_170329.pdf
8) http://www.pandora-stiftung.eu/downloads/pandora_ehs
-haeublein_160309_deutsch.pdf

9) http://www.magdahavas.com

10) https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/
detail?newsid=1176
11) http://www.pandora-stiftung.de/downloads/bioem2015-
_-bericht-von-dl.pdf

12) Tuengler A , von Klitzing L (2013): Hypothesis on how to


measure electromagnetic hypersensitivity. Electromagnetic
Biology and Medicine 32(3): 281-290).

13) Havas M, Marrongelle J, Pollner B, Kelley E, Rees CRG,


Tully L: Provocation Study using Heart Rate Variability shows
Radiation from 2.4 GHz Cordless Phone affects Autonomic
Nervous System (2010) Eur. J. Oncol. Library,vol 5).
14) http://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/anwendung/
kabellos/kabellos.html

15) von Klitzing L: WLAN- Ein Trojanisches Pferd? Die Natur-


heilkunde 1/2017 (94) 23
16) http://www.dmn.tzi.org/wlan/wlan-emvu-gutachten-
bremen.pdf
17) https://www.welt.de/gesundheit/article137612666/
Bundesamt-warnt-Schulen-vor-WLAN-Netzen.html
18) https://www.welt.de/print/welt_kompakt/webwelt/
article137463198/Alle-nur-Hypochonder.html

85
86
Zum Recht auf Gesundheit,
Schutz und Vorsorge
Es wird öffentlich noch gar nicht diskutiert: Die gegenwärtigen Mobilfunktechnologien sind
Hoch-Risiko-Technologien, deren Einführung und Verbreitung seit langem ohne eingehende
Risikoabschätzungen durchgesetzt werden. Das wirft Fragen auf, die sich vor allem an den Staat
und die Politik richten. Es geht dabei unter anderem um individuelle wie kollektive Rechte auf
Gesundheit, Schutz und Vorsorge. Nicht zuletzt um Menschen- und Bürgerrechte besonders
der durch die Strahlenbelastung beeinträchtigten oder betroffenen Bürger.

87
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

Elektrohypersensibilität – Phantom
oder Anzeichen einer Gemeingefahr?
Richter am VG a.D. Bernd Irmfrid Budzinski und Prof. em. Prof. Dr. med. habil. Karl Hecht 1

Presse, Rundfunk und Fernsehen berichten von einer Krankheitswelle, die durch
Deutschland schwappt: Millionen klagen über Befindlichkeitsstörungen aller Art und
eine neue Volkskrankheit: Burnout (‚Leschs Kosmos‘ im 2. Deutschen Fernsehen -
ZDF - am 23.2.2016, ab 23 Uhr)². Von Epidemien ist die Rede, doch die Suche nach
ihren Ursachen bleibt dürftig. Nahe liegende Umweltfaktoren werden durchweg
ausgeblendet. Allein im „Stress“ bei den Kranken selbst, ihrer Arbeitswelt und sozia-
len Umgebung wird die Ursache gesucht. Viele werden dabei hypochondrisiert, denn
eigentlich müsste der Stress heute vielfach sogar geringer sein. Gibt es vielleicht
etwas zu verbergen? Und sind umweltrechtliche Konsequenzen zu ziehen?

I. Einleitung Das wird von Umwelt- oder Gesundheitsbehörden we-


82 % aller Deutschen fühlen sich krank, berichtete die der erklärt noch geklärt. Soweit ersichtlich, findet kei-
ZEIT 2014 über eine Studie unter dem Titel „Volks- nerlei gezielte Untersuchung statt, wie sie bei jeder
krankheit Einbildung.“³ Die Süddeutsche Zeitung erläu- Epidemie eines solchen Ausmaßes geboten wäre und
terte dies am 11.3.2015 unter dem Titel: „Angst vor zum Beispiel bei der Vogel- und Schweinegrippe durch-
Krankheiten: Hypochonder fürchten Böses im Körper“. geführt worden ist. Um so mehr, als selbst bei großzü-
Schon 2013 hatte sie von einer „eingebildeten Epide- gigster Einstufung nach medizinischer Erfahrung nur 1
mie“ gesprochen und der Tagesspiegel war sich im Jahr bis 7% aller Deutschen als „Hypochonder“ einge-
zuvor sogar sicher: Deutschland ist ein „Land der Hypo- schätzt werden dürften (AOK).7 Ebenso können Kopf-
chonder“4. Was rechtfertigt einen solchen Vorhalt? schmerzen kaum durch Einbildung entstehen. 8 So hat
das Robert-Koch-Institut über die - durchaus reale -
Offensichtlich sprengen die Krankenzahlen der Kassen Kopfschmerz-Epidemie bei den (Schul-) Kindern deutli-
jede Vorstellung: Zwei Drittel aller Deutschen, darunter che Besorgnis geäußert.9
4 von 5 Schulkindern5, verspüren Kopfschmerzen. Rund
die Hälfte leidet an Schlafstörungen und ebenso viele All das wird nicht ernsthaft infrage gestellt, wenn das
an Depressionen bis hin zum Burnout - ein noch nie da- Institut nun neuerdings vage meint, dass die Gesund-
gewesener Zustand, eingetreten binnen 10 Jahren nach heit sich in den letzten Jahren „insgesamt gebessert“
einer Verdoppelung des damals schon nicht niedrigen habe - auch bei den Kindern „nach Maßgabe der Ein-
Niveaus. Belegt wird dies weiter mit einer Steigerung schätzung durch die Eltern“.10 Noch weniger überzeugt
der direkten Krankenkosten allein von 2002 bis 2008 die plötzliche Kehrtwende der Süddeutschen Zeitung
um ein Drittel auf 5,2 Milliarden Euro, der indirekten vom 4.12.2015: „Drei Viertel aller Deutschen fühlten
Kosten von 10,3 auf 16,7 Milliarden (Allianz).6 sich blendend“.11 Wo sind nun die 82% Kranken oder
sich zumindest krank Fühlenden geblieben?
Was aber ist von 2002 bis 2013 geschehen? Sind wir
vielleicht Opfer einer schleichenden Vergiftung, einer Mit wohlgefälligen Schlagzeilen und bloßen Einschät-
Umweltkatastrophe, oder wirklich alle einbildungs- zungen der Eltern zum Gesundheitszustand ihrer Kin-
krank geworden - und warum dann dies? der lassen sich indes weder langjährige „Epide-
mien“ (weg-) erklären noch die behördliche Untätigkeit

88
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

rechtfertigen. Vielmehr werden Umweltverbände, die ausreichende Gefahrerforschung eingeführt wurden


dazu befugt sind, Klagen gegen die Regierung auf und deshalb zuvorderst im Verdacht der Schädlichkeit
Schutz und Normerlass ins Auge fassen müssen, falls stehen (müssen); z.B. wäre spontan an die so gut wie
keine befriedigende Erklärung und Lösung gefunden zu denken.
werden. Diese Notwendigkeit ist nunmehr an einem
herausragenden Beispiel aufzuzeigen. 4. Ein besonders gut belegbares Musterbeispiel ist aber
bei näherer Untersuchung der in seiner heutigen Viel-
II. Ansatzpunkte falt äußerst rasch eingeführte Mobilfunk, zweifellos der
1. Eine explosionsartige Vermehrung oder sogar erst- größte und allgegenwärtigste Umweltfaktor. Ist er mit
malige Entstehung von ‚Volkskrankheiten’ legt als Ursa- seiner Fähigkeit, überall einzudringen, vielleicht Aus-
che Umweltfaktoren nahe, deren es genug gäbe: Gen- löser der neuen ‚Volkskrankheiten‘ - Kopfschmerz,
und Nanotechnik, Platin aus Katalysatoren, Feinstaub, Schlaflosigkeit, Depressionen, Burnout? Da der zeitli-
Chemikalien aller Art, PET in Getränken, Bisphenol, Gly- che Zusammenhang der ‚Massenepidemie‘ mit dem
phosat, verbliebene Bleigehalte aus Benzin, neuartige starken Ausbau der letzten 10 Jahre (UMTS-Netz ab
Pestizide (‚Bienensterben‘) und die ständige Beriese- 2004) gegeben ist und neue Erkenntnisse der For-
lung des Landes mit nicht-ionisierender Strahlung aus schung dazu vorliegen, soll dieser von offizieller Seite
ca. 300.000 Mobilfunksendeanlagen ebenso wie euro- auffallend strikt und durchgängig vermiedenen Frage
paweit mit schwacher ionisierender Strahlung in Form hier nachgegangen werden.
von Nukliden aus Kernkraftanlagen – alle könnten je-
weils einzeln oder zusammen sich auf Dauer und lan- III. Heimlicher Krankmacher Mobilfunk?
desweit auf unsere Gesundheit auswirken. Und diese 1. 50% aller Deutschen werden bis 2017 an ‘Elektrohy-
Aufzählung ist noch nicht vollständig - wie auch der persensibilität’ erkrankt sein, berechneten Forscher 15,
Umwelt-Giftreport von Green Cross und Pure Earth die seit Jahren die Wirkung von Elektro-Smog, insbe-
zeigt.12 sondere der allgegenwärtigen Mobilfunkstrahlung, un-
tersuchen. Sie werden bestätigt durch umfangreiche
2. Ohne dies untersucht zu haben, wird der massenhaft russische Langzeituntersuchungen16. Und ihre Vorher-
leidenden Bevölkerung stattdessen von Meinungsfüh- sage trifft sowohl nach Zahl als auch Krankheitsbild den
rern ‚Einbildung‘ vorgehalten. Das wirkt voreilig und Großteil der gegenwärtigen Beschwerden: Außer
höchst befremdlich. Wer oder was macht(e) z.B. füh- Krebszunahmen Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit,
rende Printmedien so sicher in ihrem „Psycho“-Urteil? starke Kopfschmerzen, Augenprobleme, starke Er-
Warum stellen dies Gesundheitsbehörden nicht unter schöpfungszustände, extreme Vergesslichkeit und Kon-
Aufklärung der wahren Ursachen der „Epidemien“ rich- zentrationsstörungen, zunehmende Herzrythmusstö-
tig? Oder soll lediglich – gleichgültig wie - von der ex- rungen, Parästhesien, Immunschwäche, Lebensmittel-
plosionsartigen Verschlechterung der Volksgesundheit allergien und sonstige allergische Symptome, zeit-
abgelenkt werden? Auf wessen Veranlassung? weiliges starkes Schwitzen, auffällig reduzierter Allge-
meinzustand - über Jahre anwachsend bis zu einer
3. Es werde doch trotz aller Umweltgifte „gar niemand Burnout-ähnlichen Erschöpfung (Depression)17. Hat
krank“, dieses scheinbar einleuchtende Argument aller sich diese Vorhersage nun etwa schon frühzeitiger ab
Umweltbelaster und auch mancher Behörden wird bei 2013 bewahrheitet?
einem empfundenen Krankenstand von 82% mehr als
erschüttert. Erst recht, wenn mindestens 50% nach- 2. Der Einwand, dieser Vergleich bestätige ja erst recht
weislich erkrankt sind, wohl gemittelt auch aus Mehr- die eingebildete Epidemie, da die genannten „unspezi-
facherkrankungen. Und sie stellen offenbar nicht nur fischen Symptome“ beim Mobilfunk „bekanntlich“ auf
das Ergebnis einer bloßen Umfrage, sondern auch ab- Einbildung beruhten, ist schon deshalb fragwürdig, weil
gerechneter Krankenfälle dar. Schließlich bezeugen höchstens 10% der Bevölkerung überhaupt einen Zu-
den Krankheitsschub vollends die binnen 10 Jahren sammenhang mit dem Mobilfunk als Ursache ihrer Lei-
verdoppelten Notfalleinsätze13 sowie die zahlreichen den sieht18. Wie könnte dies zu massenhafter „Angst“
Frühverrentungen.14 und einer Verdoppelung des Krankenstands mit zumin-
dest 50% - gefühlt sogar 82% - „eingebildeten“ Kranken
Man ahnt: Das darf nicht sein. Eine daraus folgende Be- führen? Hinzu kommt, dass bei gewissenhafter Unter-
unruhigung der Bevölkerung könnte zur Suche nach suchung kaum „eingebildete“ Mobilfunkkranke gefun-
den (wirklichen) Ursachen führen. Bald würde sich zei- den werden können, wie sich aus den weiteren Ausfüh-
gen, dass insbesondere neue Technologien meist ohne rungen ergibt.

89
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

3. Dass hier ein reales Krankheitsgeschehen in auffälli- funknahen“ Forschung nicht länger in Zweifel gezogen
gem Zusammenhang mit dem Mobilfunkausbau wird35.
stattfindet, ist bereits an anderer Stelle eingehend dar-
gestellt worden. Darauf wird zunächst verwiesen19. Da 3. Dieser („Gegen“-)Beweis ist angesichts der auch
die “Elektrohypersensibilität” inzwischen außerdem als noch Stunden nach dem Ende der Exposition anhalten-
‘echtes’ Krankheitsbild vom BVerwG nicht länger aus- den sowie je nach Frequenzen oder Pulsung unter-
geschlossen wird - zumindest bei sog. RADAR- schiedlichen Wirkung36 weder durch die Behauptung
Soldaten20 -, kann der Streit nicht länger darum gehen, erbracht, es handle sich im EEG um einen „bloßen Re-
ob es dieses Krankheitsbild gibt, sondern nur noch da- flex“, noch durch Kurzversuche meist „junger gesun-
rum, ob es (auch) durch Mobilfunkwellen ausgelöst der männlicher“ Probanden im Schlaf-Labor, wobei die-
wird. Das ist mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu se „gut geschlafen“ hätten. Selbst, dass bei dieser kurz-
bejahen21. Kaum anders als RADAR-Soldaten können zeitigen Exposition „keine Veränderung der Schlaf-
auch vom Mobilfunk Betroffene prinzipiell an Elekt- architektur“ habe festgestellt werden können, besagt
rohypersensibilität (EHS) erkranken22. Das bestätigt noch nichts über die Langzeitwirkung, welcher inzwi-
überzeugend der heutige Stand der Mobilfunk-For- schen Tag und Nacht die Bevölkerung ausgesetzt ist.
schung23: Erst recht, nachdem diese vielfach und glaubhaft sowie
weltweit seit Jahren von Schlafstörungen berichtet.
Schließlich zeigte ein länger währender Rattenversuch
IV. Stand der Mobilfunkforschung 2016 sogar die „Fragmentation des Schlafes“ auf und zusätz-
In jüngster Zeit zeigen besonders die eine Vielzahl von lich Stoffwechselstörungen37. Ebenso wird auch konk-
Studien zusammenfassenden Arbeiten renommierter ret durch spezielle Schlaf-Studien beim Menschen eine
Forscher klar ein nervliches Krankheitsgeschehen, häu- „Unausgeschlafenheit oder Verschlechterung des
fig auch mit hochplausiblen und zunehmend überein- Schlafes“ bestätigt38. Dass für einige Forscher die Be-
stimmenden Erklärungen des Wirkungsmechanismus. einflussung des EEG „nur thermisch über die Haut er-
Hervorzuheben sind die Arbeiten von Belpomme24, Jo- klärbar“ sein mag39, ist ebenfalls kein Gegenbeweis und
hansson25 und Hardell26, ferner das Werk von Blank27 ändert an den Endergebnissen sowie an der Tatsache
und Pall.28, um nur einige zu nennen. Sie werden er- nichts, dass die Wirkungen weit unterhalb der thermi-
gänzt durch die Feststellungen auch anderer Forscher schen Grenzwerte stattfinden.
von oxidativem Stress29 mit Zell- und Spermaschäden30.
4. Mobilfunkwellen können weiter nachweislich 40 Schä-
1. Danach wird nicht mehr ernstlich bestritten, dass das den an der DNA verursachen, die jenen durch Radio-
Nervensystem durch Funkstrahlung beeinflusst wird - aktivität verursachten zum Verwechseln gleichen41.
und zwar „immer“ und bei jedermann (Schlaf-EEG- Auch dies mag nervlich relevant sein. Sie sind darüber
Belege): „Nach wissenschaftlichen Kriterien ausrei- hinaus geeignet, zu genetischen Schäden oder Krebs zu
chend nachgewiesen ist eine Beeinflussung der Hirn- führen, weshalb sie die WHO/-IARC 2011 - ebenso wie
ströme“ (Schweiz. Bundesrat 2015)31. Mit der Verände- schon 2001 Hochspannungsleitungen und Hausstrom -
rung der Hirnströme sind auch Kopfschmerzen32 und als „potenziell kanzerogen“ einstufte (Stufe 2B)42.
angesichts der Veränderung des Schlaf-EEG’s Schlafstö-
rungen33 durch benachbarte Mobilfunkbasisstationen, 5. 130 einschlägige positive Studien43 bestätigen
wie sie Anwohner tausendfach berichten34, sehr plau- schließlich unwiderlegt44 Störungen der Fruchtbarkeit
sibel und nicht notwendig psychisch bedingt – ohne, einschließlich Schädigungen des Spermas. Darauf hat
dass es für etwas, was „immer“ auftritt, noch eines zurückhaltend, aber unübersehbar die kanadische Ge-
weiteren „Beweises“ durch einen regelmäßig geforder- sundheitsbehörde von British Columbia 2013 hingewie-
ten ‘Wirkungsmechanismus’ bedarf. sen und vor den Gefahren des zugleich beobachteten
„fairly consistent oxidative stress“ für degenerative Er-
2. Vielmehr bedürfte es nunmehr von Rechts wegen für krankungen wie Alzheimer und Parkinson gewarnt.
die weiterhin behauptete „Nicht-Wirkung“ der Ände- Und gerade oxidativer Stress kann auch für das Ner-
rung der Hirnströme auf Schlaf, Wohlbefinden und Ge- vensystem bedeutsam sein.
sundheit eines Beweises von Seiten jener, die dies be-
haupten bzw. diese Veränderung mit ihren Anlagen be- 6. Diese Aussagen beschränken sich keineswegs auf das
reits ständig auszulösen scheinen. Um so mehr, als die wegen seiner Körpernähe relativ „viel stärker senden-
Beeinflussung des zentralen Nervensystems weit unter- de“ Handy. Denn dessen (kurzzeitige) Stärke liegt le-
halb der Grenzwerte auch international in der „mobil- diglich um den Faktor 50 bis 100 höher45 als die ganz-

90
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

Bernd I. Budzinski und Karl Hecht zu neuen Herausforderungen der Rechtsprechung:

„Mögliche krankmachende Wirkungen von Funkstrahlung … lassen sich …


nicht länger wegdiskutieren und verlangen nach Maßnahmen. Um so mehr, als …
europäische Gerichtsurteile Geschädigten inzwischen Recht gaben. So Entschädigung
wegen eines Tumors an einen starken Handynutzer durch das oberste italienische Gericht und -
nach mehreren Urteilen gegen den Bau von ‚Masten’ in Frankreich und Belgien - nun erstmals
auch Entschädigung an eine im ‚Funkloch‘ lebende Elektrosensible durch ein französisches
Sozialgericht - einer ehemaligen Radio-Journalistin, der nach ärztlichem Gerichtsgutachten
(zunächst befristet) Rente wegen Berufsunfähigkeit zuerkannt wurde.“

zeitig und überall einfallenden Immissionen der Mobil- V. Abwiegelungsstrategie


funkbasisstationen, wobei zudem weder eine untere 1. Statt zu handeln, finden es Politiker und Entschei-
Wirkungsgrenze noch eine gesicherte Linearität der dungsträger noch immer nicht anstößig oder abwegig,
Wirkungen besteht46. Ist somit das Handy gefährlich, sich lieber auf ein umstrittenes sog. „fact sheet“ der
dann ist es auch der “Mast”. WHO zu berufen, worin 2005 'empfohlen' wurde, er-
krankte ‚Elektrosensible‘ keineswegs vor weiterer -
7. Es spricht also alles dafür, die epidemisch aufgetre- auch noch zunehmender - Bestrahlung zu schützen so-
tenen neuen Volkskrankheiten auf ihre Entstehung wie auch nicht die evtl. strahlenbedingte Ursache ihres
bzw. nachhaltige Beförderung durch Mobilfunkwellen Leidens zu erforschen, sondern sie bei Andauer der
zu überprüfen, z.B. durch testweise Senderabschaltun- ‚Beschwerden‘ psychotherapeutisch und psychiatrisch
gen, die Einrichtung mobilfunkfreier Zonen sowie eine zu behandeln (‘fact sheet No. 296’ der WHO)49.
„Meldestelle für Mobilfunknebenwirkungen“47. Eigent-
lich alles Selbstverständlichkeiten, insbesondere als Ba- 2. Diese Verhaltensweise überrascht um so mehr, als
sis weiterer Erkenntnis die Meldestelle, wie sie in der das Bundesministerium für Bildung und Forschung
Schweiz für Tierschäden an Rindern durch benachbarte 2014 bereits die etwaige zivil- und strafrechtliche
Mobilfunksender bereits verwirklicht wurde48. Haftung politikberatender Mitarbeiter, z.B. der Strah-

91
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

lenschutzkommission, für den Fall (weiterer?) ungenü- richtsgutachten (zunächst befristet) Rente wegen Be-
gender Beachtung des neuesten Stands der Forschung rufsunfähigkeit zuerkannt wurde60. Trotzdem geschieht
untersuchen ließ50. Selbst bloße Aussagen erfahrener in Deutschland nichts und wird weiterhin nachhaltig
Praktiker, wie - um ein Beispiel herauszugreifen - des versucht, die massenhaft auftretenden Gesund-
Umweltmediziners Schmidt51, wonach voraussichtlich heitsstörungen zu ignorieren oder rundweg zu negie-
die Hälfte aller leichteren Depressionen geheilt wäre, ren61.
wenn die Erkrankten vor weiterer Mobilfunk-Be-
strahlung geschützt würden, dürften hiernach nicht 1. Schlafforscher
länger übergangen werden. Erst recht, weil eine finni- Eher hilflos wirkt der Versuch, mit Hilfe von Schlaffor-
sche Studie diese Erfahrung bestätigte, wie auch nach schern die landesweit massiven Schlafstörungen zu ba-
dem Abbau eines Senders in einer speziellen Studie gatellisieren und Kopfschmerzen mit „Stress“ wegzuer-
(erneut) ‘signifikant’ beobachtet wurde52, dass fast aus- klären:
schließlich die Deexposition zur Heilung Elektrohy-
persensibler führt, während Psychotherapie so gut wie Die Schlaflosigkeit der halben Bevölkerung hänge heut-
nichts nützt53. zutage auch damit zusammen, dass wir über den Schlaf
„zu viel nachdächten“; zudem sei es durchaus natür-
3. Das beweisen weiter verschiedene Unternehmen, lich und schon immer so gewesen, dass wir nachts wie-
die mit Abschirmungsmaßnahmen im Betrieb spürbare derholt aufwachten62. Und die Kopfschmerzwelle be-
Gesundheitsverbesserungen erzielten, z.B. die Allianz- sonders auch unter den Kindern beruhe auf dem heuti-
Handwerkerservices mit 750 Beschäftigten54, auch die gen (Schul-)Stress. Verschwiegen wird, dass schon die
Handwerkskammer Ulm55, oder schon frühzeitig BMW Kinder- und Jugendstudie des Deutschen Mobilfunk-
mit einem weitaus niedrigeren „hauseigenen Grenz- Forschungsprogramms (DMF) auch Handytelefonate
wert“ für DECT56. und benachbarte Mobilfunksender als potenzielle Ur-
sache ausfindig machte.63
Umgekehrt muss angesichts einer sich abzeichnenden
großen Gefahr von Depressionen durch Funkstrahlung 2. Aussagekraft der Statistik
erheblich zu denken geben, dass sich mehr als 60 Ange- Schließlich wird auch die Aussagekraft der Statistik der
stellte der französischen Telekom - sicherlich durchweg Krankenkassen in Zweifel gezogen. Die Zahlen stimm-
Handy-Vieltelefonierer - binnen knapp 3 Jahren wegen ten zwar, aber dem könne trotzdem kein reales Ge-
starker Depressionen das Leben nahmen57. Auch der schehen zugrunde liegen. Es seien wohl doch nur um
‚dynamische‘ Präsident des schweizerischen Mobil- die Hälfte weniger Personen betroffen. Übersehen
funkbetreibers Swisscom, der sein Büro „mobil“, also wird, dass auch jede 3. Frühberentung wegen einer
wohl ebenfalls ständig mit Handy, führte, schien mit psychischen Erkrankung erfolgt64. Und wie selbstver-
Anzeichen von Burnout depressiv zu werden und wur- ständlich geht die WHO davon aus, dass die bereits
de schließlich 2011 erhängt aufgefunden58. deutlich gestiegenen Krebserkrankungen sich bis 2030
sogar fast verdoppeln werden65. Besser können Aus-
VI. Psychologische „Kriegsführung“ maß der Epidemie und Ratlosigkeit der Verantwortli-
Mögliche krankmachende Wirkungen von Funkstrah- chen nicht spürbar werden.
lung und ein Zusammenhang mit der „Massenepide-
mie“ lassen sich nach alldem nicht länger wegdiskutie- 3. Hypochondrisierung
ren und verlangen nach Maßnahmen. Um so mehr, als Die unübersehbare Argumentationsnot von Regierung
sich eine besonders gründliche und alarmierende Stu- und Betreibern führt nun neben der bereits eingangs
die - die europäische Reflex-Studie, die seinerzeit (er- festgestellten Beschönigung der Krankenzahlen durch
neut) den Auftakt für die Besorgnisse bildete, - nicht Jubelberichte in der Presse („Kreuzfidel“ - eine zu 75%
länger als „Fälschung“ abtun lässt59 und europäische „sich blendend fühlende“ Bevölkerung66) verstärkt
Gerichtsurteile Geschädigten inzwischen Recht gaben. auch zur gezielten Hypochondrisierung (Psychologi-
So Entschädigung wegen eines Tumors an einen star- sierung) von Schadensmeldungen ebenso wie von For-
ken Handynutzer durch das oberste italienische Gericht schungsberichten67:
und - nach mehreren Urteilen gegen den Bau von
‚Masten‘ in Frankreich und Belgien - nun erstmals auch Parallel zur bevölkerungsweiten generellen Zerstörung
Entschädigung an eine im „Funkloch“ lebende Elektro- der seit altersher bestehenden Gewissheit, sich auf die
sensible durch ein französisches Sozialgericht - einer Signale des Köpers verlassen zu können68, wird mit ge-
ehemaligen Radio-Journalistin, der nach ärztlichem Ge- zielten Studien versucht, ‚wissenschaftlich‘ zu bewei-

92
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

sen, dass schädliche Mobilfunkwirkungen allein der ten Krebs-Studie bestätigt73. Eine konkrete Untersu-
Phantasie von Hypochondern oder Hysterikern, auch chung der (nervlichen) Beschwerden von Anwohnern,
Simulanten, Wichtigtuern oder fortschrittsfeindlichen die die Inbetriebnahme eines Senders „blind“ und
Ideologen entsprängen. Solche Studien zeigten, dass nachteilig gespürt hatten, durch eine hieran anknüp-
auch scheinbar echte Krankheitssymptome nur durch fende ‚Studie‘ mit probeweisen Senderabschaltungen
„Einbildung“, nämlich sog. Nocebos, erzeugt würden. usw. stellt dies alles nicht dar.74
Diese zusätzlich zum allgemeinen Verdacht „einge-
bildeter Epidemien“ ebenfalls landesweit in die Medien b) Soweit Beschäftigte des bayerischen Umweltamtes
eingeführte Wissenschafts-Kampagne gipfelt in „Mobil- in Erlangen (LfU) eine eigens für sie versuchshalber auf
funkstudien“ ohne Einsatz von Mobilfunkstrahlung. dem Dach eingerichtete und gesteuerte UMTS-
Antenne „nicht zuverlässig gespürt“ haben sollen75,
VII. „Beweise“ für Harmlosigkeit handelt es sich um keinen vergleichbaren Vorgang: Die-
ses Studien-Kollektiv repräsentierte nicht eine übliche
1. Fehlende Wahrnehmung beweist „Hysterie“? Anwohnerschaft, die Tag und Nacht - insbesondere
Schlagender Beweis sei zunächst, dass die ‚Sensiblen‘ während des Schlafes - einer Antenne im Normalbe-
die sie schädigende Strahlung im kontrollierten Ver- trieb ausgesetzt war, sondern eine wohl überwiegend
such gar "nicht erkennen" könnten; also bleibe diese in homogene ‚Mannschaft‘ eher mittleren Alters, die zu-
Wahrheit auch bei ihnen ohne Wirkung. dem nur zeitweilig und künstlich gesteuert bestrahlt
wurde. Die Dienstangehörigen sollten während der
So gesehen müsste allerdings auch Radioaktivität als Dienstzeit lediglich „erkennen“76, ob die Antenne in Be-
völlig harmlos eingestuft werden, denn weder für die trieb war, und diese - wie bereits dargelegt - fragwürdi-
eine noch die andere Strahlung verfügt der Mensch ge „Erkenntnis“ dann ggf. ihrem schwerlich an einer
über ein sinnliches Wahrnehmungsorgan. Der unwis- positiven Auskunft interessierten77 Dienstherrn mittei-
senschaftliche Satz: ‚Was man nicht spürt, kann nicht len. Um so mehr ein fast unmögliches Unterfangen, als
schaden‘ (oder was alle tun, ebenfalls nicht!), sollte ei- überhaupt Strahlung wegen des „Funkschattens“ - wie
gentlich in einer seriösen Gesundheitsdiskussion kei- ansonsten für das Gebäudeinnere unter der Antenne
nen Platz haben; er wird beim Mobilfunk aber subtil hervorgehoben wird - kaum nennenswert oder jeden-
unterschoben, statt sich mit der Forschungslage aus- falls örtlich nicht zuverlässig abschätzbar eingefallen
einanderzusetzen69. sein konnte (sog. Leuchtturmeffekt).

c) Widersprüchliche Erklärungen der Betreiber ebenso


2. Ein „Paradebeispiel“ zur Einbildung wie eingesehene Stromrechnungen78 zeigten hingegen
Seit Jahren wird die Behauptung verbreitet, Anwohner in jenen Alltagsfällen, denen informell nachgegangen
hätten sich schon beschwert, obwohl der Sender "noch wurde, regelmäßig einen Sendebeginn vor dem ange-
gar nicht in Betrieb" gewesen sei. gebenen "Inbetriebnahme-Termin". Wesentlich ist in-
soweit weiter die offenbar verfolgte Praxis der Mobil-
a) Dieses Argument entpuppt sich als vielfache Zei- funkbetreiber, wonach unter „Inbetriebnahme“ erst
tungsente. Kein einziger Fall ist - soweit ersichtlich - vor die endgültige Einbindung der Sendeanlage in das
Ort gründlich bzw. überhaupt untersucht worden. Bei- Funknetz zu verstehen sei, während zuvor natürlich ein
spielsweise müsste schon ausgeschlossen sein, dass zu- Probebetrieb stattfindet.
vor und unerkannt ein weiterer - nicht ins Auge sprin-
gender - Sender oder hauseigene mobilfunkende Gerä- d) Eben diesen jeweiligen „Probebetrieb“ haben offen-
te in Betrieb gegangen waren. Auch das bisweilen er- bar über Jahre Hunderte - wenn nicht Tausende - von
wähnte Zitat „Leitgeb 2000“ verweist nicht auf eine Anwohnern jeweils zeitgenau und "empfindsam" sowie
Studie, sondern wesentlich auf die persönliche Über- angesichts eines angekündigten späteren Termins un-
zeugung des heutigen Vorsitzenden des Ausschusses erwartet, also ‚blind‘, ‚gespürt‘, so dass ihre scheinbar
für nicht-ionisierende Strahlung in der SSK, es müsse ‚vorzeitigen‘ Beschwerden nicht gegen, sondern für
ausweislich von „anekdotischen Berichten der Mobil- spürbare Wirkungen der Sender sprechen. Ungeachtet
funkbetreiber (!) und der Gesundheitsämter“ solche dessen wurden und werden sie in den Medien öffent--
Vorgänge gegeben haben70. Darin sehe er sich außer- lich der Lächerlichkeit preisgegeben, so dass sich die
dem durch die Ergebnisse des DMF71, seiner eigenen Bundesregierung - wenn auch spät - veranlasst sah,
Grazer Schlafstudie (EPROS)72, einiger Laborversuche künftig eine verbesserte Bekanntgabe des Sende-
und einer am „Vorurteil des Untersuchers“ gescheiter- beginns anzumahnen79.

93
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

3. Strahlung als Fiktion dem ist in der Wissenschaft umstritten, ob die erzeug-
Auch aufwendige universitäre Studien werden durch- ten Erregungsbilder bestimmte konkrete Inhalte der
geführt und eingesetzt, um das Leiden der Elektrohy- Gehirntätigkeit zuverlässig widerspiegeln, so dass auch
persensiblen als ‚wissenschaftlich‘ bestätigte „Ein- schon deshalb keine gesicherte Aussage über eine spe-
bildung“ von der politischen Agenda fernzuhalten. Zwei zifische Angstreaktion wegen Strahlung vorliegt.
Simulations-Studien sollen als symptomatisch für die Schließlich dürften Aussagen der Computertomogra-
reine ‚Hypochondrisierung‘ der gegenwärtigen Mobil- phie schon generell als wenig zuverlässig für komplexe
funkforschung, besonders soweit sie in Deutschland psychische Schlussfolgerungen eingeschätzt werden.
noch stattfindet, herausgegriffen werden:
VIII. Aussagekraft psychologischer
80
a) Witthöft/Rubin stellten 2013 fest, mehr als die Häl- Forschung für Strahlenphänomene
fte von Probanden hätten nach Vorführung eines be-
drohlichen Films über die Gefahren von W-LAN schon 1. Forschungsansatz
bei der bloßen Behauptung, sie würden nun von W- Trotz ihrer Fragwürdigkeit verfehlen die genannten
LAN ‚bestrahlt‘, nervlich-körperliche Symptome ge- „psychologischen Forschungsergebnisse“ nicht ihre
zeigt. (Propaganda-) Wirkung. Die Bereitschaft, ungeprüft
„wissenschaftlichen“ Berichten der Medien zu folgen,
Die Presse, so die Süddeutsche Zeitung, titelte: „Schon die bei selbst nachweislichen Reaktionen von bloßer
die bloße Nachricht löst Strahlen-Symptome aus.“ Al- „Einbildung“ sprechen, erscheint zur Verdrängung eige-
lerdings verschwieg sie, dass auch die Kontrollgruppe, ner Ängste fast grenzenlos.
die den dramatischen Film nicht gesehen hatte, die
gleichen Symptome zeigte. Lediglich besonders Ängst-- a) Auch wegen dieser Zweischneidigkeit infolge eigener
liche in einer Untergruppe, deren Zahl und Charakteri- Befangenheit kann den Reaktionen der Psyche sowie
sierung nicht bekannt sind, hatten - wie bei Ängstli- psychologischen Studien beim Mobilfunk keine große
chen zu erwarten - gesteigerte Reaktionen gezeigt, was Aussagekraft zukommen. Da unstreitig reale Wirkun-
aber ebenfalls nicht problematisiert wurde. gen vorkommen, ist die Psyche allenfalls eine Begleit-
komponente des Krankheitsgeschehens. Psychologisch
Die offenbar unbrauchbare Studie verschwand in der interessiert bei dieser Ausgangslage folglich nur noch -
Folge aus der Diskussion und die Zeitung erhielt im Mai ergänzend die Untersuchung, inwieweit Zahl und Aus-
2014 vom Presserat, den eine empörte Leserin81 an- maß der Störungen durch eine psychisch besondere
gerufen hatte, eine Rüge wegen "unsorgsamer" journa- Veranlagung und Gestimmtheit merklich vergrößert
listischer Arbeit („Hinweis“ nach § 12 Beschwerdeord- werden können oder inwieweit auf typische Fehldeu-
nung)82. tungen bei Elektrosensiblen zu achten ist. Danach
könnten etwa Notwendigkeit und Umfang von Vorsor-
b) Des Weiteren wurde untersucht (Landgrebe)83, ob ge- und Hilfsmaßnahmen besser abgeschätzt werden.
schon die bloße Vorstellung von einer Gefahr genauso
im Gehirn ablesbare physiologische Reaktionen zeitigt, b) In Einzelfällen mag auch von Bedeutung sein, ob pa-
wie die Gefahr selbst. Dazu wurden Probanden mit ei- rallel zum realen Geschehen eine vollständige rein psy-
nem am Kopf angebundenen Handy ohne Funktionsfä- chische Provokation von elektrosensiblen Symptomen,
higkeit in die Röhre eines Computer-Tomographen mit etwa analog einer posttraumatischen Belastungsstö-
der wenig später folgenden Bitte gefahren, die nun an- rung oder tatsächlich als „Nocebo“-Effekt, möglich ist
geblich einsetzende „Sendetätigkeit“ des Handys zu und nennenswert häufig vorkommt. Ebenso könnte die
„erspüren“. Die sich dabei im Gehirn abbildenden Erre- Suche nach dem Wirkungsmechanismus anhand der
gungsmuster wurden als „Beweis“ für die „lediglich Feststellung psychologischer Reaktionen vielleicht er-
eingebildete Wirkung“ auf Grund einer Angst- und Ab- leichtert werden. Eine neue epidemiologische Studie84
wehrhaltung gegenüber dem Mobilfunk gewertet, da deutet zudem darauf hin, dass abhängig von der Ent-
die Handys ja in keinem Falle senden konnten. fernung zu einem Mobilfunksender (als grober Anhalt)
auch direkt organisch-psychologische Effekte durch
Allerdings blieb die enorme Strahlenwirkung des Com- Funkstrahlung entstehen können85.
puter-Tomographen unbeachtet. Diese allein schon
vermöchte - verbunden mit dem Aufmerksamkeitsim- c) Die bisherige psychologische Forschung ist diesem
puls, „auf elektromagnetische Wellen zu achten“ - ver- Ansatz in keiner Weise gerecht geworden. Ihr ging es
mutlich alle möglichen ‚Muster‘ auszulösen. Außer- offenbar darum, ausschließlich in psychologisch erklär-

94
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

Rechtliche Forderungen von


Bernd I. Budzinski und Karl Hecht:

„Die ‘Elektrohypersensibilität’ lässt sich


ebenso wenig wie die sog. Lichtallergie oder
die Burnout-Schädigung von RADAR-Soldaten
(BVerwG 2014) als ‚Phantom‘ abtun, sondern
ist heute der nicht-ionisierenden Mikrowellen-
strahlung, wie sie auch der Mobilfunk verwendet,
zuzurechnen, weil diese nachgewiesenermaßen
das zentrale Nervensystem beeinflusst …
Der Mobilfunkbetrieb muss als ‚Hochrisiko‘-
Technologie u.a. so ausgestaltet werden,
dass er von den Versicherern erstmals auch
gegen strahlenbedingte Gesundheitsgefahren
versichert wird.“

baren Vorgängen die Ursache der Elektrosensibilität zu b) Natürlich werden außerdem alle Lebensvorgänge
entdecken86, also Elektrosensible entweder als Simu- von psychischen Reaktionen begleitet. Wie bei jeder
lanten zu ‚entlarven‘ oder ihr ‚Leiden‘ in eine - notfalls Krankheit können somit auch bei Strahlungsfolgen psy-
neue - rein psychosomatische Kategorie einzuordnen. chische Effekte eine verstärkende, aber auch abschwä-
chende Rolle spielen.
Dies setzt die Annahme oder besser: Unterstellung vo-
raus, ihr Leiden werde mit absoluter Sicherheit nicht c) Hypochondrie ist schließlich eine altvertraute indivi-
schon durch die ‚Strahlung‘ selbst ausgelöst87. Da eine duelle Erscheinung, aber kein 'Massenphänomen'. Nur
nervliche Wirkung jedoch „nach wissenschaftlichen Kri- ganz wenige Prozent einer Bevölkerung dürften – wie
terien ausreichend nachgewiesen“ ist (EEG) (Schwei- bereits erwähnt - als „Hypochonder“ eingeschätzt wer-
zerischer Bundesrat 2015), müssen Studien, die dies den. Und Hysterie allein kann die zahlreichen klini-
absolut ausschließen, wegen Voreingenommenheit un- schen Symptome von ‚Elektrosensiblen‘ nicht erklären,
berücksichtigt bleiben. Häufig lässt sich dies am Stu- erst recht nicht als ‚Massenhysterie‘, wie z.B. in Ober-
diendesign in Verbindung mit den Autoren feststellen. ammergau bei ca. 250 Erkrankten 2006 unterstellt wur-
de. Es kommt hinzu, dass derartige Behauptungen in
2. Psychologische Gründe keinem einzigen Fall - soweit ersichtlich – vor Ort medi-
für Strahlenreaktionen zinisch untersucht und positiv festgestellt wurden.
a) Wenn also reale Schädigungen möglich sind, kommt
es naturgemäß auch zu ‚echt‘ traumatisierten Men- 3. Nocebo trotz Placebo?
schen. Für sie genügt schon eine Versuchssituation, die Sog. ‚Nocebo-Effekte‘ sollen zu guter Letzt die nicht
sie äußerlich an jene Situation erinnert, welche sie als mehr weg zu diskutierenden klinischen Symptome
traumatisierend erfahren haben, um ohne jede wirkli- ‚Elektrosensibler‘ erklären helfen und sie weiterhin als
che Strahlung Strahlensymptome zu entwickeln (ver- „rein psychisch“ ausgrenzen.
gleichbar etwa mit einer sog. Posttraumatischen Be-
lastungsstörung). Dies nicht zu beachten, macht zahl- a) Um reale Wirkungen ausschließen zu können, ma-
reiche ‚psychologische Mobilfunk-Studien‘ unbrauch- chen also sogar stets streng auf die „Wissenschaft-
bar. lichkeit“ der Grenzwerte verweisende Ärzte und Mobil-

95
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

funkbetreiber einen Schritt in Richtung Esoterik, näm- gleichzeitiger Einstellung der Ursachenforschung einlei-
lich hin zum Glauben an die Schaffung von Wirklich- tete, ist von der WHO selbst kaum als das Ergebnis um-
keiten durch Wille und Vorstellung. Das allein schon fassender neuester medizinischer Erkenntnis vor-
bedarf der (wissenschaftlichen) Erklärung, mögen auch gestellt worden. Sie berief sich - soweit überhaupt er-
tatsächlich in Einzelfällen ‚unerklärliche‘ - positive - Pla- kennbar - im Wesentlichen auf einen 2004 von ihr in
cebo-Effekte auftreten88. Prag abgehaltenen ‚Workshop‘93, bei dem man in der
Regel die fehlende Kausalität betonte94. Einer fundier-
b) Jedenfalls die noch weniger erforschten - negativen - teren medizinischen und psychologischen Erkenntnis
Nocebo-Effekte89 müssen daher als eher umstritten und Begründung hätte es darüber hinaus allerdings um
gelten. Und warum sollte gerade auch beim Mobilfunk so eher bedurft, weil der bisherige Wissens- und Mei-
die - wie schon gesagt - fast ausnahmslos mobilfunkbe- nungsstand der WHO bereits ein ganz anderer war:
geisterte Bevölkerung millionenfach „Böses“ erwarten
und panische Ängste entwickeln - bis hin zu klinischen b) In den „Environmental Health Criteria N° 16”
Beschwerden? Um so mehr, als viele der später Er- „Radiofrequency and Microwaves” hatte sie nämlich
krankten nachweislich niemals damit rechneten oder bereits 1981 nicht-thermische Effekte anerkannt: Die
z.B. ganz konkret den Bau eines Senders sogar begrüßt bloße Wärmebetrachtung durch SAR-„curves cannot,
hatten? Auch in Studien wurde klar, dass am Anfang however, be used as the only basis for predicting bio-
der Beschwerden in aller Regel nicht die Befürchtung, logical effects or health risks over the microwave/RF
sondern stets deren tatsächlicher Eintritt mit erst nach- spectrum, ... Despite the photon energies, some recent
folgender Ursachensuche stand90. theoretical explanations of experimental observations
strongly indicate the possibility of interactions at the
c) Gerade beim Mobilfunk besteht eher die Gefahr ei- molecular level.” ... (WHO 1981)95.
ner Verdrängung und nicht der Provokation von Effek-
ten. Die bereits erwähnte Mobilfunk-Propaganda, die c) Eine Auseinandersetzung mit dieser eigenen Position
in ihrer Subtilität seit Jahrzehnten ihresgleichen sucht, unterblieb ebenso wie mit den diese stützenden und
hat ein absolut sicheres und festverankertes Bewusst- im Workshop daselbst vorgestellten Studienergebnis-
sein in der Bevölkerung geschaffen, dass weder die sen, so u.a. des schweizerischen „NEMESIS“-Projekts:
häuslichen noch die fremden Sendeanlagen irgend- „Die Dauer des Tiefschlafs war verkürzt, der Schlaf war
welche Beschwerden auszulösen in der Lage seien. oberflächlicher“96 - mit Verdeutlichung für die Kon-
Wenn überhaupt, macht sich hier eher ein massen- gressbesucher: „A purely psychosomatic reaction or a
hafter „Placebo“-Effekt bemerkbar, weil selbst auftre- placebo effect can be dismissed.“97 „These patients
tende „Phänomene“ ausnahmslos anderen Ursachen need to managed appropriately regarding attenuation
zugeschrieben werden - selbst dann, wenn gar keine of their exposures to EMF ... even major life-style
anderen oder nur weit unwahrscheinlichere Ursachen changes in carefully selected cases”, wurde in einem
zu finden sind. weiteren Beitrag festgestellt98. Dies alles und selbst der
von einem Teilnehmer gemachte Vorhalt, dass so viele
d) Eine gründliche finnische Studie greift nun diese ‚peer-reviewed‘ untersuchte Situationen „cannot at all
Fehlentwicklung und so auch das fact sheet No. 296 be understood in terms of imagination or psychology“,
der WHO ausdrücklich an und fordert stattdessen, „auf führten aber nicht zu einer differenzierteren Betrach-
die Betroffenen zu hören,“ wie es bei „neuartigen tung.
Krankheitsbildern“ auch der BGH rechtlich für geboten
hält91. Die psychiatrische oder psychotherapeutische d) Allem Anschein nach bewusst herausgestellt wurde
Behandlung nütze bei Elektrohypersensibilität (fast) vielmehr gleich zu Beginn: „The hypothesized biological
nichts und Psychopharmaka schadeten sogar, hielten processes and mechanisms are implausible. The re-
die Forscher fest92. Das wirft die Frage nach der Her- search program of the toxicogenic theory is degenera-
kunft dieser ‚Empfehlung‘ der WHO, No. 296, auf. tive in the sense that it has generated no evidence to
support it and has failed to explain the evidence in sup-
port of the opposing psychogenic theory.”99 Das genüg-
IX. Die unrühmliche Rolle der WHO te offenbar dem Leiter des „EMF-Project“ in der WHO,
Repacholi, der zugleich den Workshop in Prag geleitet
1. Der Ursprung von fact sheet No. 296 hatte, 2005 das fact sheet No. 296 „ex cathedra“ auf
a) Das fact sheet No. 296, das frühzeitig die Verschie- den Weg zu bringen. Zugleich verschwand der
bung der Mobilfunkdiskussion in die Psychiatrie bei „Criteria“-Bericht N° 16 im Archiv.

96
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

e) All dies ist um so angreifbarer, als es sich bei Repa- X. Schlussfolgerungen


choli um den früheren Präsidenten der ICNIRP handelt, 1. Die gegenwärtig in Deutschland epidemieartig und
welcher selbst maßgeblich die Grenzwerte mitentwi- landesweit von bis zu 82% der Bevölkerung verspürten
ckelt und propagiert hatte. Die neuen Schutzprinzipien Krankheitserscheinungen (Die ZEIT 2014) haben einen
der WHO im Umgang mit nicht-ionisierender Strahlung realen Hintergrund und tragen Züge einer Gemeinge-
und deren Betroffenen unterhalb der Grenzwerte wur- fahr, d.h. sie treffen unberechenbar zu jeder Zeit und
den also maßgeblich von einem der Entwickler dieser überall jedermann.
Grenzwerte selbst festgelegt. Ihm war es gelungen, zur
rechten Zeit von ICNIRP in die WHO zu wechseln – auch 2. Im Besonderen die „Burnout-Epidemie“ sowie mas-
ohne, dass diese oder er selbst ein weiteres ‚Problem‘ senhafte Depressionen, Schlafstörungen und Kopf-
darin sahen, eine bezahlte Position in der einschlä- schmerzen (auch bei Schulkindern) verlangen eine sy-
gigen Industrie bekleidet zu haben100. Ein auf diesem stematische Aufklärung unter Einbeziehung aller Um-
Wege zustande gekommenes „fact sheet“ kann von weltfaktoren, auch des Mobilfunks.
vorneherein nicht ernst genommen werden.
3. Die ‚Elektrohypersensibilität‘ lässt sich ebenso wenig
f) Vollends nicht, weil Repacholi trotz seiner zeitweili- wie die sog. Lichtallergie104 oder die Burnout-
gen Tätigkeit als Präsident der australischen Strahlen- Schädigung von RADAR-Soldaten (BVerwG 2014) als
schutzvereinigung (1988 – 1990) die Industrie in Aust- „Phantom“ abtun, sondern ist heute der nicht-
ralien bei der Abwehr von Klagen gegen Mobilfunkmas- ionisierenden Mikrowellenstrahlung, wie sie auch der
ten (1995) oder Hochspannungsleitungen (1990) unter- Mobilfunk verwendet, zuzurechnen, weil diese nachge-
stützt haben soll. Und obwohl er am 3.8.2000 vor dem wiesenermaßen das zentrale Nervensystem beein-
Australischen Senat offenbar bekannt hatte, dass die flusst.
Grenzwerte nicht auf Wissenschaftlichkeit beruhten101,
verteidigte er sie weiterhin kompromisslos – sogar mit 4. Das „fact sheet No. 296“ der WHO, das jegliche
technisch fragwürdigem Argument, z.B. 2013 in Indien, ‚reale‘ Wirkung von Funkstrahlung unterhalb der
nachdem dieses die Grenzwerte gesenkt hatte102. Von Grenzwerte leugnet und betroffene Menschen der Psy-
seiner ernsthaften Rolle als „Strahlenschützer“ bei der chiatrie überlässt, ist als Zweckpapier nicht nur unseri-
WHO kann hiernach kaum ausgegangen werden. ös und menschenunwürdig, sondern offensichtlich
überholt.
2. Missbrauch der Psychiatrie?
a) Insgesamt erhebt sich bei dieser Sachlage der Ver- 5. Zahlenmäßig zu ‚Volkskrankheiten‘ angewachsene
dacht eines Missbrauchs der Psychiatrie. Die WHO hat Gesundheitsstörungen aller Art erfordern schon vor ei-
mit der ‚Empfehlung‘, Kranke nicht umfassend nach je- ner endgültigen Aufklärung ihrer Ursachen im Einzel-
weiligem ärztlichen Ermessen zu behandeln und nicht nen Vorsorge- und Schutzmaßnahmen, so auch gegen-
unvoreingenommen alle Krankheitsursachen zu ermit- über der Mobilfunktechnologie.
teln, ihre rein medizinische Kompetenz überschritten
oder zumindest schwer gegen medizinische Grund- 6. Der Mobilfunkbetrieb muss angesichts dieser Ent-
sätze verstoßen. Die entscheidungsoffene Anhörung wicklung als „Hochrisiko“-Technologie105 u.a. so ausge-
des Patienten ist der Angelpunkt der Medizin; sie statt- staltet werden, dass er von den Versicherern erstmals
dessen in die Psychiatrie zu verlegen, ihr Ende. auch gegen strahlenbedingte Gesundheitsgefahren
versichert wird.
b) Und die Art der Ämtervergabe zur ‚Sicherung des
Strahlenschutzes‘ verstößt offensichtlich gegen grund- 7. Im Falle weiterer Untätigkeit haben die dazu befug-
legende Rechtsprinzipien. In gleicher Weise war zudem ten Umweltverbände Klagen gegen die Bundesregie-
der deutsche Nachfolger von Repacholi in der ICNIRP, rung auf Erlass von Vorsorgeregelungen und Schutz-
Bernhardt, sogar gleichzeitig führend im Bundesamt für maßnahmen zu prüfen:
Strahlenschutz und wechselnd in der SSK tätig103. Aus-
sagen der Genannten und sich auf sie berufender Wis- Insbesondere zum Schutz von Kindern, Nachbarn und
senschaftler und Institutionen sind daher wegen insti- Elektrohypersensiblen sowie generell zur Einführung
tutioneller Voreingenommenheit angreifbar und allen- des Kabelvorrangs, des Minimierungsgebots, der
falls bedingt gerichtsverwertbar. Schaffung mobilfunkfreier „Weißer Zonen“ und mobil-
funk-reduzierter Wohngebiete ohne sog. Indoor-
Versorgung106.

97
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

Bernd Irmfrid Budzinski


Verwaltungsrichter a.D.; bis 1975 Leiter der Baurechtsabteilung des
Landratsamts Lörrach; danach bis 2010 Richter am Veraltungsgericht
Freiburg. Mitglied bei Greenpeace, nahm als Reserverichter am Wyhl-
Verfahren teil (1976). Zahlreiche Beiträge zu Rechtsfragen des Mobil-
funks in Fachzeitschriften (NVwZ, NuR), auf Tagungen und anlässlich
parlamentarischer und ministerieller Anhörungen.

Prof. Dr. med. habil. Karl Hecht


Arzt und emeritierter Professor für Neurophysiologie der Medizinischen
Fakultät (Charité) der Humboldt-Universität Berlin. Schwerpunktgebiete
seiner Forschungen in den letzten 20 Jahren: Stress-, Schlaf-, Chrono-,
Umwelt- und Weltraummedizin sowie Gesundheitswissenschaften und
ganzheitliche Naturheilkunde. Autor von zahlreichen Fach- und Sachbü-
chern sowie wissenschaftlichen Beiträgen in nationalen und internatio-
nalen Zeitschriften.

Anmerkungen article13381306.html und schon Barth, Universität Freiburg,


Bad. Ztg. v. 18.5.2009, S. 23: „Schmerzhafte Gewohnheiten“ -
1) Erstdruck und Originalveröffentlichung in: Zeitschrift Natur
„Es gibt keine eingebildeten Schmerzen“.
und Recht, Juli 2016, Springer Verlag. Inzwischen auch in
französischer Fassung - http://kompetenzinitiative.net/KIT/ 9) „Ein ernst zu nehmendes Problem..“, Ellert u.a., KIGGS;
KIT/elektrohypersensibilitaet-phantom-oder-anzeichen-einer http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00103-007-0232
-gemeingefahr/ -8
2) http://www.zdf.de/leschs-kosmos/leschs-kosmos- 10) Das nun 2015 plötzlich insgesamt „Entwarnung“ gebende
5988324.html Robert-Koch-Institut vermeidet jede Auseinandersetzung mit
3) „..Ohne dass die Ärzte eine Ursache finden könnten“; die obigen Fakten und den dramatischen – teils eigenen – frühe-
ZEIT – Wissen - v. 8.5.2014, „Volkskrankheit Einbildung“, S. ren Zahlen; http://www.rki.de/DE/ Content/
33; http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/ Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/
ZEIT/20140508/die-krankheitskranken/ GBEDownloadsGiD /2015/02_gesundheit_in_ deutschland.
14AA6C183F525EAD7164AAC237AED838.html pdf?__blob=publicationFile und http://www.rki.de/DE/
Content/ Gesundheits-monitoring/Gesund-heitsbericht-
4) http://www.tagesspiegel.de/meinung/essay-deutschland- erstattung/GBEDownloads
ist-ein-land-der-hypochonder/6487116.html GiD/2015/11_gesundheit_in_deutschland.pdf?
5) Die Welt v. 23.6.2011; http://www.welt.de/gesundheit/ __blob=publicationFile
article13446609/Viele-Jugendliche-klagen-ueber-
11) Wenig glaubhaft sollen nunmehr laut Gesundheitsminis-
Kopfschmerzen.html
terium „drei Viertel aller Deutschen“ ihre „Gesundheit als gut
6) Ärztezeitung vom 14.4.2011; http:// und sogar sehr gut einschätzen“ (so die Süddeutsche Zeitung
www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/article/650287/ unter der Überschrift „Kreuzfidel“: Druckausgabe v.
depressionen-volkskrankheit-nummer-eins.html 4.12.2015, S. 5 oder mit anderer Überschrift (ohne das Wort
https://www.vigo.de/de/behandeln/krankheiten/ „Kreuzfidel“!) im Internet: http://www.sueddeutsche.de/
psychische_erkrankungen_1/hypochonder/hypochonder.html gesundheit/ gesundheits-bericht-deutsche-fuehlen-sich-gut-
7) Bei exakter Diagnose (ICD 10) nur 0,5-1,0% und bei ober- und-werden-aelter-aber-kraenker-1.2766267).
flächlicher Einschätzung: 3-5% (Hecht). Doch das wahre Befinden zeigen die gestiegenen Fehlzeiten,
Arztbe-suche und Kosten, wovon die Krankenkassen ausge-
8) Schenk, Leiter des Zentrums für Integrative Schmerzmedi- hen – weiter bestätigt durch die ebenfalls binnen 10 Jahren
zin Berlin sowie Vorstandsmitglied des Berufsverbands der verdoppelten Notfalleinsätze.
Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der
Schmerz- und Palliativmedizin; http://www.n-tv.de/wissen/ 12) http://www.greencross.ch/uploads/media/
frageantwort/Kann-man-sich-Schmerzen-einbilden- pollution_report_2015_top_six_wwpp.pdf

98
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

13) ZDFzoom, „Notruf 112“ v. 20.1.2016, ca. 10.54 h: 24) „Our data strongly suggest that EHS and MCS can be ob-
„Steigerung in Niedersachsen in 10 Jahren um 125%, ein bun- jectively characterized and routinely diagnosed by commer-
desweiter Trend“; http://www.zdf.de/zdfzoom/zdfzoom- cially available simple tests“; Dominique Belpomme, Christine
notruf-112-41793150.html Campagnac, Philippe Irigaray - Reviews on Environmental
14) „Epidemie des 21. Jahrhunderts“ – „ein sehr reales Prob- Health. Volume 30, Issue 4, Pages 251–271, ISSN (Online)
lem“, DGB/VHS NRW, Gute Arbeit 1/2011, S. 19; http:// 2191-0308, ISSN (Print) 0048-7554, DOI: 10.1515/reveh-2015
www.aulnrw.de/uploads/media/gute_Arbeit_1-2011.pdf -0027, November 2015 „Reliable disease biomarkers charac-
terizing and iden-ti-fying electrohyper-sensitivity and multiple
15) Hallberg/Oberfeld; http:// chemical sensitivity as two etiopathogenic aspects of a
www.emfacts.com/2006/09/550-will-we-all-become- unique patho-logical disorder“.
electrosensitive/
25) Johansson O. „Electrohypersensitivity: a functional im-
16) Hecht; http://www.mobilfunkstudien.de/ pairment due to an inaccessible environment“; Rev Environ
dokumentationen/g-i/hecht-auswertung-russ-studien.php Health. 2015 Dec 1;30(4):311-21. doi: 10.1515/reveh-2015-
17) Vgl. diese Beschreibung im RADAR-Urteil des OVG Schles- 0018.
wig vom 13.09.2012 - 3 LB 21/11 - (S. 5)(bestätigt vom 26) Hedendahl L, Carlberg M, Hardell L, „Electromagnetic
BVerwG, Beschl. v. 10.4.2014 – BVerwG 2 B 36.13 - .). hypersensitivity - an increasing challenge to the medical pro-
18) Pölzl-Viol, Bundesamt für Strahlenschutz vom 22.3.2012; fession“; Rev Environ Health. 2015 Sep 15. pii: /j/reveh.ahead
http://www.bfr.bund.de/cm/343/elektromagnetische-felder- -of-print/reveh-2015-0012/reveh-2015-0012.xml. doi:
risikowahrnehmung-in-der-oeffentlichkeit.pdf, S. 7: 10.1515/reveh-2015-0012.
„Wahrgenommene gesundheitliche Beeinträchtigung wegen 27) Martin Blank (Bioinitiative Group), „Overpowered“ –
EMF: 10%“. What science tells us about the dangers of cell-phones and
19) Budzinski, „Bei Notruf – Funkstille. Wie mobil funkt der other WIFI-age devices“; Seven Stories Press, New York, 2014,
Rechtsstaat?“, NuR 2009, 846/855/856 m.w.N. ISBN 978-1-60980-620-0
20) BVerwG, Beschl. v. 10.4.2014 – BVerwG 2 B 36.13 – mit 28) Martin L. Pall, „Microwave frequency electromagnetic
Anm. Budzinski, NVwZ 2014, 1325. Auf die Diskussion, ob fields (EMFs) produce widespread neuropsychiatric effects
dies allein durch einen kleinen Anteil ionisierender Störstrah- including depression“ vom 21.8.2015: http://ac.els-cdn.com/
lung hervorgerufen wird, kann hier nicht eingegangen wer- S0891061815000599/1-s2.0-S0891061815000599-main.pdf?
den; entscheidend ist die Anerkennung der Existenz des _tid=680d12e4-7c99-11e5-8680-
Krankheitsbildes. Im Übrigen werden auch Zivilpersonen 00000aac-
„allein“ durch nicht-ionisierende RADAR-Wellen - ohne Stör- b35f&acdnat=1445943582_677d2d2f23c090b01606368f61dc
strahlung - nervlich krank, so am Züricher Flughafen: https:// 3405
www.ktipp.ch/artikel/d/alle-5-sekunden-vom-radarstrahl- 29) 93 (von 100) positive Studien lt. Metastudie Juli 2015
getroffen/ Yakumenko et al.; http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/
21) Hensinger/Warnke, „Steigende ‚Burnout‘-Inzidenz durch 26151230
technisch erzeugte magnetische und elektromagnetische 30) 130 positive Studien und 13 reviews; Diagnose – Funk,
Felder des Mobil- und Kommunikationsfunks“ Studienbericht m. w. N. vom 9.2.2016; https://www.diagnose
http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/mobilfunk-burnout- -funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1025. - Be-
ulrich-warnke-peter-hensinger/; Radarstrahlen und Mobil- zeichnenderweise wurde die Schädigung unlängst selbst im
funkwellen sind Mikrowellen gleicher Art. Der amerikanische deutschen Rundfunk unter Bezugnahme auf die neueste
Forscher Carlo geht inzwischen ohne ernstlichen Zweifel da- Forschung in Israel als so gut wie „bewiesen“ bezeichnet;
von aus, dass Elektrohypersensibilität von Funkstrahlung Bay. Rundfunk; ebenso NDR).
ausgelöst wird; so im Film „Thank you for calling“ (Filmhälfte)
31) So wörtlich in: Neuester Bericht „Zukunftstaugliche Mo-
von Klaus Scheidsteger, Start Februar 2016 in Österreich, im
bilfunknetze“ v. 25.2.2015, S. 2; http://
Juni 2016 in Deutschland.
www.bakom.admin.ch/dokumentation/
22) Rasanter Anstieg psychischer Störungen zur Volkskrank- gesetzgebung/00512/04869/index.html?lang=de
heit Nr. 1; Ärztezeitung vom 14.4.2011 http://
32) DAK: Zwei Drittel aller Deutschen leiden unter Kopf-
www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/article/650287/
schmerzen; http://www.google.de/search?q=Kopf-
depressionen-volkskrankheit-nummer-eins.html und Fehlzei-
schmerzen+Volkskrankheit+DAK&hl=de&gbv=2&gs_l=heirloo
ten-report 2012, Wissenschaftliches Institut der AOK; PM
m-serp.3...156.26937.0.28031.30.11.0.8.0.0.469. 1844.2-
vom 16.08.2012; http://www.wido.de/fzr_2012.html - Um-
1j2j2.5.0...0.0...1ac.1.12.heirloom-
weltmediziner Schmidt (ehemals österreichische Ärztekam-
mer) 2015: Sogar bis zu 18% Elektrosensible (davon 10%
stark); http://www.diagnose-funk.org/themen/ 33) Allgemein heute Schlafstörungen bei jedem Zweiten;
mobilfunkversorgung/gesundheit-und-elektrosensibilitaet/ http://www.freiewelt.net/nachricht-3781/dak-studie:-stress-
das-sind-wirklich-kranke-leute.php als-schlafkiller.htm (mit Verdoppelung binnen 10 Jahren).
23) Siehe bereits: Budzinski/Hutter: "Mobilfunkschäden An- 34) „Es ist unbestritten, dass es Menschen gibt, die in der
sichtssache? – Höchste Zeit für Beweise statt Vermutungen", Umgebung von Sendeanlagen oder haus-internen Funk-an-
NVwZ 2014, 418 m.w.N. lagen (DECT-Telefone, WLAN, etc.) schlecht schlafen“; so die

99
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

mobilfunknahe schweizerische ‚Forschungsstiftung Mo- 40) Schweiz. Mobilfunkforschungsprogramm, aaO. sowie


bil’(ETH Zürich); http://www.emf.ethz.ch/de/wissen/ schon die Reflex-Studie von 2005; www.itis.ethz.ch/ assets/
themen/gesundheit/schlafverhalten/ - gestützt vom Downloads/Papers-Reports/REFLEXFinal-Report171104.pdf;
‚Bioinitia-ti-ve Report’ v. 7.1.2013: „At least five new cell to- ebenso BAFU „Hochfrequente Strahlung und Gesundheit“, 2.
wer studies are reporting bioeffects in the range of 0.003 to Aufl., 2007, S. 14; http://www.bafu.admin.ch/publi-ka-
0.05 μW/cm²“, das entspricht 30 bis 500 μW/qm, während tionen/publi-kation/00059/index.html? lang=de
Immissionen über 200 000 μW/qm (ca. 8,6 V/m) und mehr in 41) Der damalige Röntgenologe der Bundesärztekammer,
Stadt-wohnungen gemessen werden (Grenzwerte bis 61 V/m Eckel, meinte dazu: “Die Schädigungen, die von radioaktiver
= ca. 10 Millionen μW/qm); http://www.bioinitiative.org/ Strahlung ausgehen, sind identisch mit den Auswirkungen
conclusions/ von elektromagnetischen Wellen. Die Schädigungen sind so
35) Selbst die Organisation der Mobilfunkbetreiber, Mobile ähnlich, dass man sie nur schwer unterscheiden kann”,
Manufacturers Forum -MMF-, nimmt unstreitig eine Schwäbische Post vom 7.12.2006; https://www.schwaebische
„biological response“ an, „Viewpoint“, october 2013; http:// -post.de/account/login/?aid=250707
emfhealth.info/docs/eng/2013_MMF_View-point_ SleepStu-
42) Baan, R., et al., Carcinogenicity of radiofrequency
dies.pdf - Diese ist inzwischen Gegenstand von weiterführen-
electromagnetic fields. Lancet Oncol, 2011. 12(7): p. 624
den Hypothesen zu ihrer Ursache. Des-halb kann die Wir-
kung auf das Schlaf-EEG – ungeachtet ihrer genauen Ursache 43) Diagnose-Funk, Brennpunkt v. 1.2.2016; https://
- „wohl als wissenschaftlich bewiesen gelten“, Dariusz Les- www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail?Newsid
zczynski & Kirsti Leszczynski, Bericht vom (Mobilfunk-)Forum =1025 - 89
„Science and Wireless“, Mel-bourne, 2015, S. 8; http:// 44) Siehe Budzinski/Hutter: "Mobilfunkschäden Ansichtssa-
www.stiftung-pandora.eu/downloads/pandora_dl_science- che? – Höchste Zeit für Beweise statt Vermutungen", NVwZ
wireless-2015_ dt.pdf ; ähnlich schon Neitzke, ECOLOG- 2014, 418 (421).
Institut, 2008; http://www.wissenswerte-bremen.de/
userfiles/ file/B2 _Neitzke.pdf 45) OLG Frankfurt, Urt. v. 28.11.2000 - 8 V 190/00 -, S. 5:
"Eine gebräuchliche Sendeantenne weist in 50 m Ab-stand
36) BAFU 2011 (CH), „Nichtionisierende Strahlung – Umwelt ein um lediglich 50 - 100fach niedrigeres elektromagnetisches
und Gesundheit – Programmsynthese Nat. For-schungspro- Feld als ein Handy in 2, 2 cm Entfernung auf". – „Faktor 100“,
gramm NFP 57“, S. 49: „Exposition zu HF EMF führte immer so Kuster, NFP 57, im Interview; https://www.youtube.com/
zu einer Leistungszunahme ... im Non-REM-Schlaf“..... „beim watch?v=NIrvcPXYIzc - Die tägliche Belastung durch die An-
Handy ebenso wie beim „UMTS-mobilfunkantennen-ähn- tennne eines Masten wird daher einem einige Minuten wäh-
lichen Signal“..; http://www.nfp57.ch/ files/downloads/ renden Handy-Telefongespräch gleichgesetzt.
NFP57-d.pdf - Im Detail: "…Hierbei handelt es sich um wie-
derholt festgestellte Effekte im Bereich der Spindel-fre- 46) „.. niedrige Dosen wirkungsvollere Tumorförderer als
quenzen (10-15 Hz). Vergleichbar starke nicht-modulierte hohe Intensitäten“, Slesin, microwaves-news, „Krebs-
Signale zeigen keine solchen Wirkungen. Daraus folgt, dass es förderung durch Mobilfunkstrahlung“, zur neuesten Studie
sich um nicht-thermische Effekte handelt. - Schon früher von Lerchl, 2015; http://www.diagnose-funk.org/downloads/
stellte der häufig im Regierungsauftrag tätige schweizerische df_micowave_news_krebsfoerderung-durch-mobilfu.pdf -
Forscher Röösli in frequentia, einer Zeitschrift der Mobilfunk- Sog. Fenstereffekte, d.h. Wirkungen, die z.B. bei Erhöhung
betreiber, September 2004, S. 4, tiefgreifendere Veränderun- der Intensität (oder bei einer anderen Frequenz) wieder aus-
gen fest: „Auffällig ist, dass die Effekte in einigen Studien blieben, stellten auch schon die ICNIRP-Richtlinien 1998 und
verzögert auftraten und länger anhielten als die unmittelbare die bekannte Reflex-Studie (2005) fest.
Expositionsdauer. Das deutet darauf hin, dass es sich nicht 47) Wie sie von der badenwürttembergischen Ärztekammer
nur um eine direkte Interaktion handelt, sondern um eine wiederholt gefordert wurde; http://www.aerztekammer-
komplexere Wechselwirkung. Dafür spricht auch die Tatsache, bw.de/10aerzte/05kammern/10laekbw/20ehrenamt/30aussc
dass für verschiedene Signaltypen unterschiedliche Effekte huesse/praevention/Mobilfunk-und-Gesundheit-
beobachtet wurden“; www.forum-mobil.ch/files/ _09_09_2014_.pdf
documents/de/25
48) http://www.bafu.admin.ch/elektrosmog/01095/13082/
37) Bei minimaler Bestrahlung; Regierungsnahes Institut INE- index.html?lang=de
RIS, de Sèze, Paris, 2013; www.lequotidiendumedecin.fr/
49) Skandalöserweise beruft sich auch der „Sechste Bericht
print/154323 v. 5.4.2013
der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Be-
38) 20% "Unausgeschlafenheit" laut Lustenberger et al., Brain zug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten
Stimul 2013; 6 (5): 805 – 811: „Die schlafabhängige Leistungs- Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Aus-
verbes-serung nach nächtlicher HF-EMF Exposition war im wirkungen“ auf dieses Papier; http://dipbt.bundestag.de/
Vergleich zur Schein-Exposition signifikant verringert (-20,1%, dip21/btd/18/037/1803752.pdf , S. 3.
P = 0,03)“. – vgl. auch schon http://www.handy-mc.de/
50) "Erdrückende Belege für die Existenz […] athermischer
mobilfunk-news/artikel/2008/01/22/abendliche-
Wirkungen".. (unterhalb der Grenzwerte), BMBF, Schwab,
handybenutzung-verursacht-schlechten-schlaf.html
"Sachverständige Politikberatung im Spiegel des Haftungs-
39) (Mobilfunk-)Forum „Science and Wireless“, Melbourne, rechts", Juli 2014, S. 7; https://www.bmbf.de/pub/
2015; Fußnote 35 ITA_Sachverstaendige_Politikbe-ratung_bf.pdf

100
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

51) Schmidt (ehemals österreichische Ärztekammer) 2015; Die Zahl Elektrohypersensibler, die im Keller oder Wald leben,
http://www.diagnose-funk.org/themen/ wird in Frankreich auf 70 000 geschätzt (in Deutschland auf
mobilfunkversorgung/gesundheit-und-elektrosensibilitaet/ 25 000; BfS 2007).
das-sind-wirklich-kranke-leute.php 61) Siehe jüngst die umfangreiche Studie von Baliatsas, 2015,
52) Shinjyo et al.; UMG 4/2014, https:// .... „Non-specific physical symptoms in relation to actual and
einarflydal.files.wordpress.com/2015/03/ perceived exposure to electromagnetic fields (EMF)“: „In
signifikanterruckgangemf.pdf conclusion, this study provides no evidence for an association
53) Hagström, Auranen, Ekman, "Electromagnetic hypersensi- between everyday life RFEMF exposure and NSPS and sleep
tive Finns: Symptoms, perceived sources and treatments, a quality in the population.“ http://www.researchgate.net/
questionnaire study" v. 24.2.2013 mit 395 Probanden. Else- publication/273130798_Non-
vier, Pathophysiologie, S. 117 – 122, ..„The avoidance of elec- specific_physical_symptoms_in_relation_to_actual_
tromagnetic radiation and fields effectively removed or less- and_perceived_exposure_to_electromagnetic_fields_%
ened the symptoms in EHS persons;“ http:// 28EMF%29_A_multidisciplinary_approach - Ähnlich die
www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23557856 - So auch ein typ- Fragebogenstudie mit nur 36 Probanden: Dömötör, 2016,
ischer Erfahrungsbericht von 2013: http://www.welt.de/ „Disposi-tional aspects of body focus and idiopathic environ-
gesundheit/article116612940/Wenn-die-Handystrahlung- mental intolerance attributed to electromagnetic fields (IEI-
Hoellen-Qualen-verursacht.html EMF)“; http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26861662?
dopt=Abstract
54) Krankenstand sank von 5% auf 3%; http://www.diagnose-
funk.org/themen/elektrosmog-am-arbeitsplatz/allianz-befreit 62) So etwa die Schlafforscherin Högl, Universität Innsbruck,
-arbeitsplaetze-von-elektrosmog.php im Fernsehen (sowie in der Zeit-Online (s.u.): „Die Menschen
wachen über ihren Schlaf..“); und – begleitet von 2 Kabaret-
55) Die völlige Abschirmung der Handwerkskammer Ulm tisten, die in Nachthemd und Zipfelmütze auf einem Doppel-
erhöhte die Gesundheit und das Wohlbefinden der Be- bett schlummerten - versicherte der oberste Schlafforscher
schäftigten; https://www.xing.com/communities/posts/ihk- Deutschlands, Zulley, der zur Hälfte schlaflosen Nation
ulm-laesst-ihr-gebaeude-gegen-mobilfunkmasten- „schelmisch“, dass wiederholtes Aufwachen „völlig normal“
abschirmen-1004648674 sei - „durchschnittlich 28 Mal pro Nacht“; so die ZEIT-Online
56) http://www.bunke-baubiologie.de/forschungsstudien/ v. 27.3.2010, „Aus dem Takt gebracht“; http://
freude-am-senken-bmw-group-erlaesst-drastisch-reduzierten www.zeit.de/2010/13/M-Schlaf ; ferner ähnlich in der Augs-
-strahlungsgrenzwert.html burger Allgemeinen v. 12.9.2011, „Schlaflos im Bett“; http://
www.augsburger-allgemeine.de/ wissenschaft/Schlaflos-im-
57) Spiegel-Online v. 26.4.2011; http://www.spiegel.de/
Bett-id16680766.html -Warum aber kommt es dauerhaft und
wirtschaft/unternehmen/selbstmordserie-france-telecom-
in nie gekannter Ausprägung nicht mehr zum Wiederein-
mitarbeiter-verbrennt-sich-selbst-a-759124.html
schlafen und stattdessen zur massenhaft behandlungsbedürf-
58) Spiegel-Online v. 23.7.2013, ..“keine Ruhe mehr“; http:// tigen Schlaflosigkeit?
www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/swisscom-carsten-
schloter-begeht-vermutlich-selbstmord-a-912680.html 63) Symptomatisch die unterdrückten positiven Ergebnisse
der Kinder- und Jugendstudie im DMF, Budzinski, „Das Deut-
59) Dieser Vorwurf wurde von 2 Ethikkommissionen verwor- sche Mobilfunkforschungsprogramm – Ein neues Argument
fen und, soweit er anonym und sinngemäß gegenüber dem gegen mehr Rücksichtnahme?“; NVwZ 2010, 1205 (1206).
Koordinator der Studien, Adlkofer, erhoben wurde, vom Land-
gericht Berlin (Urt. v. 8.6.2010 - 21 D 407/09 -) und, soweit er 64) „Epidemie des 21. Jahrhunderts“ – „ein sehr reales Prob-
offen vom seinerzeitigen Vorsitzenden des Ausschusses für lem“, DGB/VHS NRW, Gute Arbeit 1/2011, S. 19; http://
nicht-ionisierende Strahlung in der Strahlenschutzkommis- www.aulnrw.de/uploads/media/gute_Arbeit_1-2011.pdf
sion (SSK), Lerchl, gegenüber einer Laborantin erhoben wur- 65) WHO lt. Spiegel-Online v. 3.2.2014; http://
de, durch Urteil des Land-gerichts Hamburg un-tersagt (Urt. v. www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/krebs-zahl-der-
13.3.2015 – 324 O 511/14 -). Auch die zur Stützung des Vor- krebskranken-steigt-rasant-a-950754.html und bis 2035 sogar
wurfs verbreitete weitere Behauptung, die Ergebnisse der um rund 70% ansteigen; Handelsblatt v. 3.2.2014; http://
Reflexstudie zur Genotoxität von Mobilfunkwellen hätten www.handelsblatt.com/technik/das-technologie-update/
seither „so allerdings nie von anderen Labors reproduziert healthcare/welt-krebs-bericht-zahl-der-krebskranken-wird-
werden können“, ist vom Landgericht Hamburg als unwahr drastisch-steigen/9424944.html
untersagt worden; Urt. v. 18.1.2013 - 324 O 255/12 – nicht
66) Siehe Fußnote No.11
rechtskräftig - Gegen Süddeutsche Zeitung;
http://www.pandora-stiftung.eu/archiv/2013/ landgericht- 67) Vgl. auch Crumbler, „Prostituting Science: The Psychologi-
hamburg-bestaetigt-reflex-ergebnisse.html sation of MCS, CFS and EHS for Political Gain“, 2014, http://
vitalitymagazine.com/book-reviews/review/prostituting-
60) TCI Toulouse, Urt. v. 8.7.2015 (rechtskräftig); http://
science-the-psychologisation-of-mcs-cfs-and-ehs-for-political-
www.diagnose-funk.org/assets/urteil_toulouse_marine-
/#sthash.m8CGUfFE.dpuf
richard_2015.pdf und (frz) http://
www.lanouvellerepublique.fr/Indre-et-Loire/Actualite/ 68) Stattdessen ist im “Land der Hypochonder” niemand
Environnement/n/ Contenus/Articles/2015/09/10/ mehr ernst zu nehmen - nur noch der Arzt weiß, ob und wo
Electrosensibilite-le-debut-d-une-reconnaissance-2458578: es ‘wirklich weh tut’!

101
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

69) Vgl. dazu: Genuis/Lipp: „Elektromagnetische Hypersensi- 77) So hebt ein leitender Mitarbeiter des Amtes, Bernkopf,
bilität – Tatsache oder Einbildung?“2011,http://diagnose- bei Vorträgen regelmäßig die Unschädlichkeit des Mobilfunk-
funk.org/aktuell/brennpunkt/elektrohypersensibilitaet- betriebs hervor: ..“die aktuellen Grenzwerte schützen“ ausrei-
bestaetigung-durch-studie.php chend..., gegenteilige Studien hätten sich „mehr zufällig er-ge
70) Wobei Gesundheitsämter selbst Mobilfunkwirkungen -ben“; https://de.groups.yahoo.com/neo/groups/
unter keinen Umständen untersuchen (angeblich sogar, weil mobilfunk_newsletter/conversations/messages/ 278. Und die
ihnen dies untersagt wurde). den Versuch auswertende Universität Eichstätt-Ingolstadt war
offenbar in den Genuss von Fördermitteln eben aus der Ver-
71) Das DMF arbeitete mit Immissionen deutlich unter 0,6 V/ steigerung der nun von ihr auf ihre Wirkung untersuchten
m , die inzwischen jedenfalls für Nicht-Elektrosensible kurz- UMTS-Frequenzen gekommen; https://de.scribd.com/
fristig als nervlich „erträglich“ gelten und in Frankreich des- doc/44187747/bufo2004
halb immerhin mit dem Ziel von max. 1 V/m annähernd ange-
strebt werden; siehe Gesetz vom 29.1.2015; http:// 78) Z.B. in der Schweiz; Mitteilung von Vertretern der dorti-
www.diagnose-funk.org/themen/mobilfunkversorgung/franz- gen Bürgerwelle oder Gigaherz: ...“bewiesen wir jeweils an-
gesetz-zum-schutz-vor-mobilfunkstrahlung.php “möglichst” hand des täglichen Stromverbrauchs und anhand der Zähler-
nur 1 V/m für Anwohner, kein W-LAN in Kinderkrippen stände in der Stromzufuhr, dass die Anlagen doch eingeschal-
(Grenzwert wie in Deutsch-land: 40 – 61 V/m; Ausnahme tet waren“... ; http://www.gigaherz.ch/die-wuerde-des-
Paris: 5 – 7 V/m). menschen-ist-unantastbar/

72) Deren Immissionen zur „Kontrolle“ durch eine Abschirm- 79) Vierter Bericht der Bundesregierung 2011 zum Mobil-
folie mit nur 20 dB Wirkung (statt > 50 dB; siehe da-zu http:// funk, S. 9: „Verbesserung bei der Übersendung der Sendebe-
elektrosmog.de/die-99-luge-oder-warum-eine-hohe- ginnsanzeige“; http://dipbt.bundestag.de/dip21/
abschirmleistung-so-wichtig-ist/) zeitweise abgehalten wer- btd/17/044/1704408.pdf - Was um so mehr geboten war, als
den sollten. Zu allem hin erschienen Intensität und Charakte- die Betreiber umgekehrt stets auch ein Abschalten der Sen-
ristik der Strahlung ungesichert und untypisch, zumal die der leug-nen sollen, selbst wenn die Anwohner dieses eben-
Mobilfunkstrahlen einen Anteil von lediglich „3% der Ge- falls 'gespürt' hatten, mithin ein System der Desinformation
samtimmissionen“ ausmachten, während Rundfunk und vorhanden zu sein schien. Darauf deutet auch die Weigerung
Fernsehen die „Hauptquelle“ gewesen sein sollen und sogar in Rechtsstreitigkeiten, einen strittigen Sender "im Probebe-
funkende Handys aus der Umgebung die Untersuchung noch trieb" zur 'Probe' abzuschalten, womit einfache und ange-
messbar störten; vgl. http://www.buergerwelle.de/assets/ sichts der Bedeutung des Vorgangs prozessual gebotene Be-
files/ruzicka_kritik_an_der_ epros_studie.htm? weise systematisch vereitelt werden; siehe Budzinski, “Vom
cultureKey=&q=pdf/ruzicka_kritik_an_der_epros_studie.htm. Mobilfunk ohne Schutz zum Schaden ohne Ausgleich”; NVwZ
- Allgemein traten seinerzeit in nur 7, 1 % der normalen Haus- 2013, 988 (992) m.w.N.
halte in Österreich EMF-Belastungen über 1000 uW/qm, also 80) http://www.livingstoncounty-il.org/wordpress/wp-
in dem hier nach einiger Erfahrung relevanten Bereich über 0, content/uploads/2014/11/PR-Ex.-93-Witthoft-and-Rubin-
6 V/m, auf (Tomitsch et al., 2010, „Survey of electromagnetic 2013.pdf und http://www.uni-mainz.de/presse/56071.php
field exposure in bedrooms of residences in lower Austria“;
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19780092). Trotzdem 81) Sie will erfahren haben, dass auch der Redakteur die ge-
hatte die vorangegangene Pilotstudie von Leitgeb Effekte auf nannten Umstände gekannt hätte. Außerdem wird Prof. Rubin
den Schlaf sogar nachgewiesen: „Of nine testpersons the nachgesagt, die hier untersuchten Mobilfunkwirkungen von
more electro-sensitive appeared to sleep much better when vorneherein für abwegig zu halten; siehe Aschermann, „Wie
protected from radiofrequent radiation“; 18.6.2005, http:// die öffentliche Meinung über Elektro-sen-si-bilität geprägt
www.emfacts.com /2005/06/correlation-found-between- wird in Wissenschaft und Presse - Aktuelle Beispiele und Hin-
mobile-phone-masts-and-sleep-disturbances/ tergründe“, UMG, 3/2014, S. 192 ff.; http://
kompetenzinitiative.net/KIT/wp-content/uploads/2014/12/
73) E-Mail v. 5.2.2011 an Budzinski nach der Bitte um persön- umg-3.14-Aschermann-k3.pdf
liche Auskunft.
82)
74) So erwiesen sich die zitierten Laborergebnisse zumindest
als uneindeutig und dürfte auch eine Krebs-studie nichts mit 83) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18499479
Schlafstörungen sowie ebenso wenig das Vorurteil ihres Un- 84) Da Silva et al., 2015, „Exposure to non-ionizing electro-
tersuchers mit dem unterstellten etwaigen “Vorurteil” der magnetic radiation from mobile telephony and the associa-
hier im Schlaf Betroffenen zu tun haben. Was bleibt, sind tion with psychiatric symptoms“; http://www.scielo.br/
„anekdotische Berichte der Mobilfunkbetreiber“. scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0102-
75) Brodersen, teltarif, „Befindlichkeiten unter dem UMTS- 311X2015001002110&lng=en&nrm=iso&tlng=en.
Sendemast - Studienteilnehmer bildeten sich offenbar Be- 85) Sogar eine drogenähnliche Suchtgefahr durch direkte
schwerden ein“; http://www.teltarif.de/arch/2007/kw28/ Stimulation könnte ausgelöst werden, so Paz de la Puente,
s26544.html Balmori, Proyecto, vol. 61, pp 8-12 (2007): “due to the inter-
76) ..“Die Pilotstudie habe so gezeigt, dass sich die elektro- rup-tions, that the micro-waves provoke in the neuro-
magnetischen Felder eines Sendemasten nicht "erspüren" transmitters in the neural synapses of the reward system of
ließen...“ – wobei allein dies unmerklich vorhandene adverse the brain”; www.scribd.com/full/16246684? access_key=key-
Wirkungen nicht ausschließt. 202266dh1f2yab 028i2o ). Vgl. auch „Beobachtungen zum

102
Elektrohypersensibilität – Phantom oder Anzeichen einer Gemeingefahr?

Mobilfunk aus einer psychothera-peutischen Praxis“ mit 65 Verwirrung als Klärung der Thematik“; http://
Fällen, Aschermann; umwelt-medizin-gesellschaft 17 (1): 30- www.elektrosmognews.de/news/20041128_ work-
35 und -www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=41792 - shop_prag.html
86) Vgl. etwa Staudenmayer, WHO Workshop, Prague, 2004, 95) http://apps.who.int/iris/
S.53, „A neurobiological diathesis similar to anxiety, specifi- bitstream/10665/39107/1/9241540761_eng.pdf
cally panic disorder, is a neurobiological plausible mechanism 96) Ferner: „Im Laborversuch (erg.: mit 50 Hz) wurde die
to explain triggered reactions to ambient doses of environ- Hypothese bestätigt, dass es Menschen gibt, die elektrische
mental agents, real or perceived;“ http://www.who.int/peh- und magnetische Felder bewusst wahrnehmen können;“
emf/publications/reports/EHS_Proceedings_ June2006.pdf NEMESIS; http://e-collection.library.ethz.ch/eserv/
87) Vgl. etwa Kaul, BAUA, „Was verursacht „elektromagne- eth:23675/eth-23675-01.pdf
tische Hypersensibilität“?; S. 6: .. Exposition gegenüber Fel- 97) Müller/Schierz (NEMESIS); Workshop Prague, S. 119,
dern, „deren physikalische Eigenschaften keine direkten bio- Weiter: „The synthesis of the complete results from Project
logischen Reaktionen mehr erwarten lassen“; http:// NEMESIS makes clear that Hypersensitivity to Electricity can-
www.baua.de/cae/servlet/contentblob/668708/ not be reduced to a simple causal rela-tion-ship between
publicationFile/47128/F5212.pdf EMF Hypersensitivity between electric and magnetic fields
88) http://www.aerzteblatt.de/archiv/127205/ and the biological effects observed;“ http://www.who.int/
Nocebophaenomene-in-der-Medizin-Bedeutung-im- peh-emf/publications/facts/fs296/en/
klinischen-Alltag 98) Hocking, Workshop, Prague, S. 156. Ebenda: Leitgeb, S.
89) Dass der feste Glaube an das Gute eher "Berge versetzt", 146: „..the results show that the question still remains un-
als die "panische Angst vor dem Schlechten" erscheint - wenn solved and further research is needed. Und Johansson, S.
überhaupt - eher wahrscheinlich. 101: „There must be an end to the harassments of persons
with impairments;“ vgl. Fußnote 92
90) Dieudonné, „Does electromagnetic hypersensitivity origi-
99) Staudenmayer, Workshop, Prague, 2004, S. 52; vgl.
nate from nocebo responses? Indications from a qualitative
Fußnote 92
study“: „.. Overall, symptoms appear before subjects start
questioning effects of EMF on their health, which is not con- 100) http://microwavenews.com/CT.html
sistent with the hypothesis that IEI-EMF originates from noce- 101) „... limiting exposure to wireless radiation is not based
bo responses to perceived EMF exposure“... ; http:// on science. It was negotiated between trade unions (indu-
onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bem.21937/abstract strial) and the government of that period.“ Towards Better
91) ...„bei einer Krankheit, die gerade durch das Fehlen na- Health, „The effects of electromagnetic fields on man“ by
turwissenschaftlich gewonnener Untersuchungsbefunde Pierre Dubochet, Forum Sécurité, no.1, May 2015; http://
charakterisiert wird, (kann) der ärztliche Nachweis der Er- mieuxprevenir.blogspot.ch/2015/09/the-effects-of-
krankung auch dadurch geführt werden, dass ein Arzt seine electromagnetic-fields_13.html
Diagnose auf die Beschwerdeschilderung des Patienten 102) Dürrenberger (ETH Zürich): Das Argument von Repacho-
stützt“; BGH, Urt. v. 14.04.1999 – IV ZR 289/97 -, NJW-RR li, nun erhöhe sich durchweg die Strahlung der Handys we-
1999, 1113. gen der grenzwertbedingten Senkung der Sendeleistung der
92) Hagström, Auranen, Ekman, "Electromagnetic hypersensi- Mobilfunkbasisstationen „is technically not valid“; https://
tive Finns: Symptoms, perceived sources and treatments, a betweenrockandhardplace.wordpress.com/2014/08/04/did-
questionnaire study" v. 24.2.2013. Elsevier, Pathophysiologie, mike-repacholi-misspeak-in-india/
S. 117 - 122; http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ 103) Dort empfahl auch er maßgeblich die ausschließliche
pubmed/23557856; Darauf deutete auch schon ein Ergebnis Anwendung der auch von ihm mitentwickelten "sicheren"
hin beim WHO Work-shop in Prag, 2004, Hillert, S. 170: „No Grenzwerte und ließ sich von "Schadensmeldungen" offenbar
significant difference was reported between the treatment in keiner Weise beeindrucken.
groups (erg.: wohl mit Psychopharmaka) and control groups 104) ICNIRP, General Approach, 2002, S. 546: „Some guide-
in the biological measurements, with one exception: serum lines may still not provide adequate protection for cer-tain
cholesterol .....“; http://www.who.int/peh-emf/publications/ sensitive individuals nor for normal individuals exposed con-
reports/EHS_Proceedings_June2006.pdf comitantly to other agents, which may exacerbate the effect
93) WHO Workshop on Electrical Hypersensitivity (Prague, of the NIR exposure, an example being individuals with pho-
Czech Republic, 2004) und ältere Erkenntnisse einer internati- tosensitivity. Where such situations have been identified,
onalen conference on EMF and non-specific health symptoms appropriate specific advice should be developed - within the
(COST 244 bis, 1998) sowie des European Commission report context of scientific knowledge.“ http://www.icnirp.org/cms/
(Bergqvist and Vogel, 1997). Inwieweit beigezogene „recent upload/publications/ICNIRPphilosophy.pdf
reviews of the literature“ tatsächlich bedeutsam waren, er- 105) So die Swiss Re 2013: "Höchstes Risiko“ neben NANO-
scheint unklar; http://www.who.int/peh-emf/publications/ und Chemotechnologien; https://de.nachrichten.yahoo. com/
facts/fs296/en/ rückversicherer-stuft-mobilfunkstrahlung-als-höchstes-risiko-
94) So Stöcker, Verein für Elektrosensible, Teilnahme-Bericht: ein-swiss-000000254.html.
„Allerdings brachten die vielen Referate einzeln-thematisch Einzelheiten dazu, z.B. zur Normerlassklage, können hier
und kausal denkender Forscher im Laufe der zwei Tage mehr schon aus Raumgründen nicht weiter ausgeführt werden.

103
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

Mobilfunkfreie „Weiße Zonen“


- irreal oder rechtlich geboten?
Bernd Irmfrid Budzinski und Wilfried Kühling1

Nicht wenige Menschen reagieren in Deutschland wie in anderen Ländern sehr sensi-
bel auf die von RADAR, Mobilfunkgeräten und -sendemasten verbreitete Funk-
Strahlung. Vielfach suchen sie Schutz in strahlenarmen Kellern oder „Funklöchern“,
wenn ihre so bezeichnete „elektromagnetische Hypersensibilität“ (EHS) unerträglich
geworden ist. Da „Funklöcher“ immer seltener werden, keine andere Behandlung Er-
folg verspricht und die Betroffenen sich selbst überlassen werden, fordern Umwelt-
vereine, dass in einigen Orten oder Naturschutzgebieten - wie in Frankreich bei
Grenoble - „Weiße Zonen“ ohne Mobilfunkbetrieb erhalten oder geschaffen werden,
z.B. die „Weiße Zone in der Rhön“ (Mainpost v. 5.9.2011).

I. Einleitung ten neben dem Europarat (2011) jüngst erneut 194


Schutzzonen sind angesichts einer Flut neuer Funknet- Wissenschaftler aus 34 Ländern9.
ze und Strahlenquellen, z.B. „Rund-um-RADAR“ für
selbstfahrende Kraftfahrzeuge, und der Zunahme der Dennoch werden funkfreie oder funkreduzierte Zonen
Zahl der Erkrankten quer durch die Bevölkerung durch- in Deutschland rundweg als irreal abgelehnt10. Das er-
aus aktuell: Selbst der frühere Entwicklungschef des scheint kurzsichtig und auch rechtlich nicht haltbar.
Mobilfunkherstellers NOKIA leidet inzwischen an ‘Elek-
trohypersensensibilität’2. Er scheint nicht der einzig II. Ausgangslage
betroffene Insider zu sein, denn „aus Erfahrung“ hal- 1. Dass für funkfreie Zonen kein Bedarf bestehe, wird
ten seine Kollegen z.B. ihre Kinder von funkenden Gerä nicht einmal behauptet. Seit Jahren wohnen zahlreiche
-ten möglichst fern, an ihrer Spitze einst Steve Jobs von Menschen wegen unerträglicher Beschwerden durch
Apple (New York Times)³. Entsprechend warnt der ehe- benachbarte Mobilfunkantennen im Keller ihres Hau-
malige Chef von Microsoft/Canada vor WLAN in Schu- ses oder sogar im Wohnwagen im Wald. 2007 waren
len4 wie schon der Präsident des belgischen Mobilfunk- dies 25 000 Personen, wie das Bundesamt für Strahlen-
betreibers Belgacom5 - hatte doch der Mobilfunkbe- schutz in einer Studie - sicherlich sehr vorsichtig -
treiber Swisscom zur Verringerung der „klaren gen- schätzte11. Dabei dürften jene, die auf der Suche nach
schädigenden Wirkung“ von WLAN sogar ein Patent weniger Funkbelastung ständig umziehen, noch nicht
erhalten (2004).6 erfasst sein12. Den Handlungsbedarf und die Größe des
Risikopotenzials beweisen in Deutschland weitere 8
Jedermann kann betroffen sein: In Wohngebieten, wo Millionen Menschen (10%), die lediglich „still leiden“,
schwere Befindlichkeitsstörungen und Schlafstörungen sich aber auf Nachfrage dann doch ungeachtet damit
auftreten, kämpfen nicht wenige für die Fernhaltung verbundener gesellschaftlicher Diskriminierung als
von Sendemasten mit sog. Mobilfunkkonzepten. In „elektrosensibel“ bezeichnen (Bundesamt für Strahlen-
Frankreich sorgt inzwischen ein Gesetz für den Schutz schutz 2012)13.
von Anwohnern, die „ungleich“, d.h. überdurchschnitt-
lich stark, durch Mobilfunkbasisstationen belastet wer- 2. Der Versuch von Regierungsseite, derart viele Be-
den7. Weiter wird angestrebt, in jedem Departement troffene als „psychisches Phänomen“ abzutun14, er-
eine mobilfunkfreie Zone für stark betroffene Elektro- scheint ebenso abwegig wie die Behauptung, die Zahl
sensible einzurichten8. Solche „Weißen Zonen“ forder- der „wirklichen“ Erkrankungen habe in den vergange-

104
Staat, Industrie und Werbung suggerieren Unverzichtbarkeit einer All-Überall-Versorgung
mit Funktechnologien - Bernd I. Budzinski und Wilfried Kühling stellen hingegen fest:

„Die Forderung nach mobilfunkfreien ‚Weißen Zonen‘ ist nicht ‚irreal‘. Die staatliche
Schutzpflicht gebietet im Rahmen unseres vorsorgeorientierten Rechts- und Wertesystems,
wenn wie hier kein ‘vernachlässigbares Restrisiko’ vorliegt, zwingend die Einrichtung,
mindestens Zulassung von mobilfunkfreien oder wohnungsschützend funkdosierten
Zonen, Räumen und Verkehrsmitteln. Minimierung, Vermeidung und Abschirmung
von Funkstrahlung sind außerdem ein Gebot der Menschlichkeit - und der Vernunft.“

nen Jahren - trotz Mobilfunk - nicht zugenommen. Es den, wenn man sich die Erklärungsansätze anschaut,
„fühlen“ sich nicht nur in Umfragen 82 % aller Deut- die auf einen Wirkungsmechanismus für gesundheitli-
schen krank (Die ZEIT 2014)15, sondern immer mehr che Effekte und Schädigungen hinweisen20 - zumal die
melden sich auch krank und werden ärztlich be- Verdoppelung der Krankheitsfälle „nahtlos“ während
handelt: Zwei Drittel, darunter zahllose Schulkinder 16, des Auf- und Ausbaus des Mobilfunks erfolgte.
verspüren Kopfschmerzen17. Rund die Hälfte der Bevöl-
kerung leidet an Schlafstörungen18 und fast ebenso 4. Epidemieartige Erkrankungen stattdessen mit „Ein-
viele an Depressionen bis hin zum Burn-out19 - ein noch bildung“ erklären zu wollen, widerspricht auch medizi-
nie dagewesener Zustand, eingetreten binnen 10 Jah- nischer Erfahrung. Danach dürften nur 1 bis 7% aller
ren nach einer Verdoppelung dieses damals schon Deutschen überhaupt als „Hypochonder“ eingeschätzt
nicht niedrigen Kranken-Niveaus. werden (AOK)21. Ebenso können Kopfschmerzen kaum
durch Einbildung entstehen22; deshalb hat das Robert-
3. Derartige epidemieartige Entwicklungen deuten auf Koch-Institut über die durchaus reale Kopfschmerz-
Umweltfaktoren hin: Und hier kann der Mobilfunk als Epidemie bei (Schul-) Kindern deutliche Besorgnis ge-
eine der bedeutsamen Ursachen angenommen wer- äußert23. Zudem erwarten die Kinder wie die große

105
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

Mehrheit aller Deutschen von vorneherein nicht, durch birne“) sendeten. Weiter: Die Strahlung dringe kaum
den Mobilfunk überhaupt krank werden zu können, bis unter die Haut und sei wegen ihrer nicht zur Ioni-
können sich insoweit also auch nichts „eingebildet“ sation reichenden „Schwäche“ ohnehin unfähig, ir-
haben. gendwelche ‚biologischen Reaktionen‘ im Gewebe aus-
zulösen. Vergleichbar sei allenfalls der “wohltuende
5. Bei so noch nie dagewesenen und vielfältigen ‚Volks- Strahl einer warmen Dusche”28. Die ‚Strahlungs-
epidemien‘ wären selbst auf Verdacht hin Vorsorge- intensität‘ des Kosmos oder der Sonne liege Grö-
maßnahmen gerechtfertigt und geboten24 - auch in ßenordnungen höher; auch analoger Rundfunk und
Bezug auf den insoweit als ‚heimlichen Krankmacher‘ Fernsehen sendeten viel stärker, ohne die Gesundheit
seit Jahren verdächtigten Mobilfunk. Selbst der von der zu beeinträchtigen.
Regierung maßgeblich beachtete private Fach-Verein
ICNIRP hielt Elektrosensible offenbar für existent und 2. Alarmierende Ergebnisse aus den Labors wurden
vermehrt schutzbedürftig25. Und die einschlägig erfah- demgegenüber - wenn überhaupt - auf „zugespitzte
rene Versicherungswirtschaft forderte schon früh: Über Einzelfälle“ oder die Strahlung der „viel stärker sen-
ein „Minimierungsgebot“ hinaus „sollten dringend ver- denden Handys“ reduziert (so hinsichtlich der
bindliche Vorsorgegrenzwerte eingeführt werden.“ 26 Krebswarnung der WHO/IARC), was angeblich keine
Rückschlüsse auf die „schwache Alltagsbelastung“ der
6. Alle Versicherer weigern sich bekanntlich seit Jahren, Bevölkerung durch die ‚Masten‘ zulasse.
Gesundheitsschäden durch den Mobilfunk zu versi-
chern. Entsprechend empfahl eine deutsche Kranken- Diese Verharmlosungen beruhen auf folgenschweren
versicherung nun 2013 ihren Kunden, selbst Vorsorge- und künftig angesichts heutiger Erkenntnis sogar mit
maßnahmen zu ergreifen, nämlich, das mobile Schnur- dem Verdacht der Fahrlässigkeit behafteten Irrtümern,
los-Telefon „soweit möglich zu ersetzen“ und für's In- wie nachfolgend detailliert aufzuzeigen ist:
ternet Kabelverbindungen statt WLAN zu bevor-
zugen27. IV. Die Potenziale
nicht-ionisierender Mobilfunkstrahlung
7. Es gibt keinen vernünftigen Grund, diese Vorsorge
nicht auch durch Kabelvorrang, Abschirmungen und Ganz unabhängig von psychischen Einflüssen, die bei
Schutzzonen - ergänzend zu den Grenzwerten - im gro- jedem Vorgang im Leben und auch bei jeder Krankheit
ßen Maßstab und wahrscheinlich ohne großen Auf- eine Rolle spielen können, kommt es für die Beur-
wand durchzuführen. Da nichts geschieht, ist zu unter- teilung von biologischen Reaktionen auf physikalische
suchen, ob auch andere als mutmaßlich ideologische Reize zunächst einmal auf die wahre Energie des Strah-
Gründe für diese Untätigkeit bestehen: lungsfeldes und die wirklich die Menschen in Form von
Mikrowellen-Strahlung treffenden Energien sowie de-
III. Hindernisse für ein ren Stellung und Bedeutung in der Natur an.
verantwortliches Tätigwerden
1. Der „20-Watt-Sender“
Haupthindernis für Maßnahmen der Entscheidungsträ- Das einprägsame Bild einer „schwachen Glühbirne mit
ger scheint neben dem Glauben an „rein psychische“ 20 Watt“ zur Beschreibung der Leistung von Mobilfunk-
Wirkungen das Fehlen jeglichen Gefahrbewusstseins sendemasten29 ist mehrfach verfehlt. Diese Leistungs--
schon wegen der angeblich „extremen Schwäche“ der angabe stimmt schon absolut nicht:
auf die Menschen einwirkenden Energien zu sein („Das
kann doch gar nichts ausmachen“). Diese Vorstellung a) Im Fall einer GSM-Basisstation (dem klassischen
verkennt die tatsächlich eingesetzten Energien und Sprach-Mobilfunk) beziehen sich die 20 Watt nur auf
ignoriert die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnis- einen einzigen Kanal eines Mobilfunksenders. Bei Aus-
se über die Wirkungen selbst schwacher Mobilfunk- lastung, wofür die Basisstation dienen soll, wird hinge-
strahlung. Sie muss daher dringend richtig gestellt wer- gen jeder der typischerweise 4 (in Einzelfällen auch bis
den. zu 8) Kanäle mit dieser Leistung gespeist30, mithin er-
reicht die „Glühbirne“ also 80 bis 160 Watt. Zudem gibt
1. So verbreiteten Mobilfunkbetreiber und ihre Unter- es auch 50-Watt-GSM-Sender.
stützer, aber in ihrem Gefolge auch Behörden, zu Un-
recht seit Jahren die Behauptung, dass Mobilfunkbasis- b) Und bei den moderneren Funksystemen UMTS und
stationen ja mit „nur 20 Watt“ („wie eine kleine Glüh- LTE sind regelmäßig jeweils 40 bis 80 Watt pro Kanal

106
Mobilfunkfreie „Weiße Zonen“ - irreal oder rechtlich geboten?

anzutreffen. Folglich können sich die Antennen- delt ab und zwar in horizontaler, aber noch wesentlich
eingangsleistungen auf einem ‚Mast‘ mit 5 Funksyste- stärker gebündelt in vertikaler Richtung (Öffnungs-
men (GSM-900, GSM 1800, UMTS, LTE-800, LTE-1800) winkel teilweise deutlich weniger als 10°). Mobilfunk-
schon überschlägig auf mehrere 100 Watt addieren. sender sind wie „Leuchttürme“, erklären die Betreiber
Diese vervielfachen sich gegebenenfalls pro Standort in anderem Zusammenhang, nämlich um Anwohner zu
weiter mit der Zahl der 3 Netzbetreiber und erreichen beruhigen, die im „Funkschatten“ direkt unter der An-
dann insgesamt Eingangsleistungen von bis zu 1500 tenne wohnen.
Watt pro Sektor - statt „nur 20 Watt“.
b) Die dem solcherart gebildeten ‚Funkschatten‘ vor-
Für den Gesamtstandort mit typischerweise 3 Sek- enthaltene Energie muss natürlich dem Hauptstrahl,
toren kann sich somit eine Eingangsleistung bis knapp auf den die Strahlung konzentriert wird, hinzuge-
5000 Watt ergeben. Selbst einen solchen Standort in rechnet werden. Mit diesem sog. Antennengewinn
der Rechtsprechung noch als „Nebenanlage“ zu be- errechnet sich die „äquivalente Strahlungsleistung“
zeichnen (§ 14 BauNVO), stellt die juristische Entspre- (EIRP), die auf das Hauptversorgungsgebiet der Anten-
chung unzureichender technischer Kenntnis und Vor- ne einwirkt.
stellung dar.
c) Die „äquivalente isotrope Strahlungsleistung“ (EIRP)
c) Außerdem findet bei UMTS und LTE eine turboartige ist, wie bei einem potenziell blendenden Scheinwerfer,
„Aufladung“ zu Spitzenleistungen (peak) statt, die die für die Vorstellung und Abschätzung der Strahlenbela-
Regelleistung bis zum Faktor 20 (13 dB) zu erhöhen stung entscheidend. Das zeigt schon die Tatsache, dass
vermag. So kann allein schon ein einzelner ‚20-Watt‘- von ihr - und nicht der Eingangsleistung – die Genehmi-
UMTS- oder LTE-Sender im kurzzeitigen Einzelfall mit gungspflicht einer Funkanlage abhängt (§ 4 I BEMFV:
400 Watt angesetzt werden (sog. Crestfactor)31. ab „10 W EIRP“). Sie gibt an, welche Leistung eine
rundum gleichmäßig abstrahlende Strahlungsquelle
d) Dass es nicht um Kleinigkeiten geht, zeigt auch die (also zum Beispiel eine Glühbirne) haben müsste, um
elektrische Anschlussleistung der Anlagen, die im die gleiche Strahlungsbelastung der Anwohner hervor-
Schnitt um die 2000 Watt Stromverbrauch pro Anten- zurufen wie der scheinwerferartige Kegel der Mobil-
ne vorsieht32 - mag davon nach den eher vagen Anga- funkantenne. Die ähnliche „äquivalente Strahlungslei-
ben der Betreiber auch ein großer Teil in die unterstüt- stung“ ist deshalb z.B. in der Schweiz in Baugesuchen
zende Technik gehen. stets anzugeben.

e) Die Intensität der flächendeckend vor allem durch Bezüglich der tatsächlich in der Umgebung auftreten-
Mobilfunksender den Raum füllenden Energie wird den Strahlungsbelastung erreichen viele Mobilfunksen-
eindrucksvoll durch die Planung eines großen Her- der somit im Ausgang konzentriert Tausende bis Zehn-
stellers veranschaulicht, die Akkus der Handys künftig tausende von Watt (EIRP) Sendeleistung; die Anwohner
über ihre Antenne aus diesem Elektrosmog der Luft könnten also durchaus - um im Bild zu bleiben - "ge-
aufzuladen33. Und das Vorhaben, Funkgeräte künftig in blendet" werden.
dieser Weise sogar ohne Akku zu betreiben, belegt die
Dichte und Konstanz des „Strahlenmeeres“34. d) Der Sicherheitsabstand der deutschen Standortbe-
scheinigung lässt erst dank einer Tabelle auf diese wah-
2. Zur wahren äquivalenten Ausgangsleistung ren (äquivalenten) Leistungen zurück schließen35, bei-
Der Vergleich einer modernen Mobilfunkantenne mit spielsweise bei 15,5 m Sicherheitsabstand = 30.000
einer rundum strahlenden Leuchte bzw. das bloße Ab- Watt (EIRP) Ausgangsleistung für UMTS 2.10036.
stellen auf die Eingangsleistung ist des Weiteren prin-
zipiell ‚schief‘. 3. Harmlose Rundfunk- und Fernsehsender?
Damit ist auch der weitere - bei Mobilfunkbetreibern
a) Maßgeblich für die mögliche Belastung ist die Aus- beliebte - Vergleich von Mobilfunkantennen mit bis-
gangsleistung, d.h. jene Energie, die die Mobilfunk- heri-gen (analogen) Rundfunk- und Fernsehsendern
antenne in Richtung auf die Bestrahlten verlässt. Und widerlegt. Unvorstellbar, dass z.B. jemals ein Fernseh-
diese ist um nochmals ein Vielfaches höher zu bewer- sender mit der entsprechenden Leistung von 30 000
ten als bei einer rundum strahlenden Leuchte. Denn Watt mitten im Wohngebiet auf dem Dach des Nach-
die Mobilfunkantenne gibt vereinfacht dargestellt ihre barn errichtet oder geduldet worden wäre.
Leistung fast ausschließlich scheinwerfer-artig gebün-

107
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

a) Vielmehr existieren nahe bei Wohngebieten lediglich b) Soweit heute nicht mehr vorhandene analoge Fern-
sog. Umsetzer oder Füllsender, die typischerweise eher sehsender ebenfalls eine deutliche Pulsungsstruktur
mit schwächeren Sendeleistungen arbeiten als heutige (Zeilenfrequenz ca. 15 kHz und Bildfrequenz 50 Hz)
Mo-bilfunkbasisstationen. Da die Sendeantennen meist haben mochten, unterschieden sie sich dennoch in der
auch einen geringeren Antennengewinn haben, ist die Leistungsregelung von den Mobilfunksendern, die
Strahlungsbelastung der Anwohner deutlich geringer weitaus schnellere und häufigere Amplitudenänderun-
als bei üblichen Mobilfunkbasisstationen. gen aufweisen, was den Pulscharakter erheblich ver-
stärkt.
b) Im Ergebnis wirken sie in jedem Falle nochmals um
ein Vielfaches schwächer, weil sie nicht auf Dächern c) Die (ungepulste) Strahlung der Sonne oder die Hin-
mitten im Wohngebiet angebracht wurden, sondern tergrundstrahlung des Kosmos sind nach alldem mit
stets außerhalb. dem Mobilfunk ebenfalls nicht zu vergleichen. So er-
reicht die insoweit neben der Hauptstrahlung (Licht
c) Soweit große Rundfunk- und Fernsehtürme tatsäch- und Wärmestrahlung) allein relevante Mikrowellen-
lich mit 100 000 Watt und mehr gesendet haben mö- strahlung der Sonne 0,06 V/m und fällt nur tagsüber
gen, befanden sie sich zumeist in vielen, oft Dutzen- an, und die natürliche nicht-ionisierende Hintergrund-
den Kilometern Abstand von Wohngebieten. Dass dort strahlung des Kosmos: 0,000014 V/m44 (Deutscher
keine hohe Strahlungsleistung mehr ankam, beweist Grenzwert für Mobilfunk: 61 V/m).
schon die Tatsache, dass innerhalb von Gebäuden kein
ausreichender Empfang mehr möglich war, sondern 5. Mobilfunkstrahlung ist 'durchschlagend'
z.B. auf dem Dach eine Außenantenne angebracht wer- Mobilfunkstrahlung dringt des Weiteren nicht nur
-den musste. „ganz geringfügig“ unter die Haut ein45. Vielmehr er-
reicht sie grundsätzlich alle inneren Organe und durch-
d) Und in nächster Nähe, d.h. dort, wo Wohnungen dringt das Gehirn46, zumal sie heutzutage angesichts
weniger weit entfernt lagen und „voll“ ‚durchstrahlt‘ der Dichte der Sendequellen von allen Seiten her ein-
wurden, erwiesen sich auch Rundfunk- und Fernseh- fällt - und zwar auch des Nachts bis in die Schlafzim-
wellen von Großsendern keineswegs als „schadlos“. mer.
Das belegen gut 15 Studien37.
Herausragendes Beispiel ist ein Sender des Vatikan, a) Das hat sich mit zusätzlicher Inbetriebnahme der
den das oberste italienische Gericht zu Schadenersatz neuen LTE-Netze und TETRA in Form einer rund 50%
wegen zahlreicher Kinder-Leukämiefälle in der Nach- igen Steigerung der Strahlenbelastung noch weiter
barschaft verurteilte38. Daneben fielen weitere Sender verstärkt47. Und dies scheint nur der Beginn einer Stei-
mit erheblichen gesundheitlichen Beschwerden auf gerung mit künftig einer Vielzahl von LTE-Netzen zu
(z.B. Radio Luxemburg, Radio Freies Europa (einge- sein, nämlich LTE-800, LTE-1800 und LTE-2600.
stellt) und Schwarzenburg (abgebaut)39.
b) Die sog. Eindringtiefe beschreibt dabei nicht das
e) Außerdem traten schon vor Jahrzehnten nervliche wirkliche Ende des Vordringens von Strahlung; sie ist
Beschwerden der Rundfunk-Techniker auf, die unter vielmehr ein Kunstbegriff. Das Eindringen nicht-ionisie-
der Bezeichnung „Rundfunkkrankheit“ diskutiert wur- render Mobilfunkwellen gilt per Definition an der Stelle
den. Erstmals leitete so gerade der Rundfunk die spä- im Körper als ‚beendet‘, an welcher nur noch 37 % der
tere Erkenntnis der ‚Elektrosensibilität‘ ein40. degressiv abnehmenden Anfangsenergie vorhanden
sind48.
4. Gefahren der Pulsung
Mobilfunkwellen sind ihrer Struktur nach zudem mit c) Die verbleibende Strahlung von mehr als einem
früheren (analogen) „Radio“-Immissionen nicht ver- Drittel setzt ihren Weg durch den menschlichen Kör-
gleichbar, sondern - unabhängig von der Sendestärke - per weiter fort und durchdringt ihn in aller Regel voll-
ihrer Art nach biologisch wirksamer41. ständig - nicht anders als z.B. auch Mauern. Um so
mehr, als die Sendeleistung bundesweit absichtlich bis
a) Sie sind wie RADAR gepulst (so das GSM-Netz und um den Faktor 100 (20 dB) verstärkt wird, damit mög-
TETRA) oder gleichartig strukturiert und wirken so lichst alle Hausmauern (selbst mehrfach) „durch-
gleich „aggressiv“, als ob sie ursprünglich gepulst wä- schlagen“ werden.
ren. Das konnte bei UMTS konkret gezeigt werden 42
und ist bei LTE nicht unwahrscheinlich43.

108
Mobilfunkfreie „Weiße Zonen“ - irreal oder rechtlich geboten?

Angesichts der Sorglosigkeit in der Verbreitung und im Umgang mit Funktechnologien


Bernd I. Budzinski und Wilfried Kühling:

„Schutzzonen sind angesichts einer Flut neuer Funknetze und Strahlenquellen, z.B.
‚Rund-um-RADAR‘ für selbstfahrende Kraftfahrzeuge, und der Zunahme der Zahl der
Erkrankten quer durch die Bevölkerung durchaus aktuell: Selbst der frühere Entwicklungs-
chef des Mobilfunkherstellers NOKIA leidet inzwischen an ‘Elektrohypersensibilität’ …“

V. Schlussfolgerungen
1. Das fehlende Gefahrbewusstsein, als ob Funkstrah- 2. Mobilfunk ist hiernach eine unversicherbare „Hoch-
lung unserem Körper (-Inneren) nichts anhaben könn- risiko“-Technologie51, die mit unberechenbar subtiler
te, ist durch nichts gerechtfertigt: Statt „einer warmen biologischer Resonanz geeignet erscheint, die gegen-
Dusche“, die die Menschen „wohltuend“ einhüllt, und wärtigen ‚Epidemien‘ (mit-) zu verursachen. Denn Mo-
Sendeanlagen, die „kleinen Glühleuchten“ vergleich- bilfunkwellen lösen außer etwa oxidativem Stress52 mit
bar schwache Energien verbreiten, sind wir allem An- beobachteten DNA- und Sperma-Schäden „immer“
schein nach einer künstlich verursachten, aber nervliche Effekte aus53. Das ist für Handys, aber auch
‚Naturgewalten‘ gleichkommenden neuen Existenzbe- für (gleich intensive) mobilfunkantennenähnliche Sig-
dingung ausgesetzt. Gewitterartige „Entladungen von nale im EEG nachgewiesen worden54. Soweit deren
Energie“, wie sie es ihrer Art und Frequenz nach auf Immis-sionen im Alltag um den Faktor 50 - 100 relativ
der Erde noch nie gab49, schaffen regelrecht ein Reizkli- schwächer als jene der Handys sind55, ist dies kein Be-
ma neuer elektromagnetischer Natur (Art. 20a GG) und leg für Harmlosigkeit. Denn eine untere Wirkungsgren-
treffen uns überall mit pausenlosem Stakkato. Selbst ze für ein sicheres Ausbleiben der nervlichen Beeinflus-
ein ‚bloßer‘ 20-Watt-UMTS-Sender vermag uns in Ein- sung und anderer Effekte wurde bei diesen Größen-
zelfällen mit Peak-Leistungsspitzen von äquivalent ordnungen bislang nicht festgestellt.
40. 000 Watt zu „durchblitzen“50.

109
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

Ganz im Gegenteil können Mobilfunkwellen offenbar 4. Eine besondere Schutzpflicht besteht gegenüber
weitgehend unabhängig von ihrer Intensität wirken 56, Wohnungen (Art. 8 I EMRK). Die Mobilfunkversorgung
d.h. nichtlinear57. Somit ist es durchaus wahrscheinlich, im Inneren von Wohnungen darf in Wohngebieten
dass die Tag und Nacht einwirkenden Mobilfunkbasis- nicht mehr von außen mit eigens bis 100-fach erhöh-
stationen nicht anders als kurzzeitig „stark“ sendende ter Sendeleistung durch die Hauswand hindurch er-
Handys das zentrale Nervensystem beeinflussen und zwungen werden. Denn diese sog. Indoor-Versorgung
epidemie-ähnliche Erscheinungen in der Bevölkerung ist weder zulässig noch notwendig - schon gar nicht mit
auslösen. Um so mehr, als eben dies - gestützt von epi- einem Dutzend Funknetzen zugleich. Jeder Bewohner
demiologischen ‚Sender‘-Studien - tausendfach berich- kann sich - sofern dies individuell gewünscht ist - mit
tet wird und die Hälfte der Bevölkerung tatsächlich hauseigenen Funkanlagen selbstverantwortlich versor-
leidet bzw. sich zu 82 % krank fühlt. gen, wie es bereits mit WLAN oder Repeatern ge-
schieht64.
3. Das zwingt zu Abwehr und Vorsorge, denn das „Ob“
des Tätigwerdens steht bei dieser Sachlage nicht im 5. Somit sind „funkdosierte“ Wohn-Gebiete zu schaffen
„weiten Ermessen“ der Regierung.58 Was nachweislich bzw. über Bauleitpläne zuzulassen65, in welchen die
„immer“ wirkt, ist auch ohne Kenntnis eines allgemeine Mobilfunkversorgung auf das Freie be-
‚Wirkungsmechanismus‘ zu beachten59. Rechtlich ge- schränkt bleibt (ähnlich das „St. Galler Modell“ in der
nügt hier allein schon der Anschein einer auch krank Schweiz mit WLAN – im Freien)66, während im Hausin-
machenden Wirkung, weil Gefahr im Verzug besteht, nern (private) FEMTO-Zellen die Versorgung gewähr-
Millionen betroffen sind, die Schäden gewaltig sein leisten können. Um so mehr wird dies notwendig, als
können und ein Kabelvorrang sowie die Bildung von zunehmend mit Isolierverglasung gedämmte moderne
Schutzzonen weder die Funkversorgung generell beein- Bauten eine höhere Sendeleistung erfordern, um
trächtigen noch voraussichtlich einen unzumutbaren durchdrungen zu werden.
Aufwand verursachen können.
6. Eine interne Selbstversorgung der Nutzer mit allen
VI. Schutz- und Vorsorgemaßnahmen Mobilfunkleistungen über Kabel oder hauseigenen
Funk in Wohngebieten widerspricht nicht der ‚Freiheit
1. Wirksame Vorsorge und Abwehr setzen die Vermin- der Kommunikation und Wirtschaft‘. Es geht lediglich
derung der Exposition voraus. Sie muss entweder bei um den Weg, nicht aber die Zulassung von Kommuni-
der Strahlenquelle (Antenne/Emissionsseite) oder dem kation. Die Einhaltung eines bestimmten Weges ist
Bestrahlten (Immissionsort) ansetzen (= das ‚Wie’ der jedenfalls schon bauplanungsrechtlich in immissions-
Vorsorge). Andere gleich wirksame Schutzmaßnahmen schutzbedürftigen Wohngebieten ebenso zuzumuten
sind nicht erkennbar. wie seinerzeit die Pflicht zur Anbringung von gemeinsa-
men Fernsehantennen auf dem Dach oder stattdessen
2. Da die zulässige abgestrahlte Sendeleistung auch der Anschluss an Kabel67.
nach der Novellierung der 26. BImSchV von 2013 un-
verändert hoch belassen wurde (Grenzwerte) und blei- 7. Der ‚mobile Versorgungsauftrag‘ für die ‚Fläche‘ (Art.
ben soll (gleichgültig, was die Forschung noch er- 87f GG) gilt - wenn überhaupt - 68 nur dort, wo Kabel
bringt!)60, kann Schutz und Vorsorge - solange keine nicht (hin-)reichen, und endet folglich an der Haus-
Einsicht zur weiteren Novellierung erfolgt - nur noch türe, zumal drinnen ein Universaldienst für das Fest-
beim Betroffenen greifen. Das „weite Ermessen“ des netz besteht. Jedenfalls kann es keinen bindenden
‚Wie‘ ist daher auf diesen Ansatz beschränkt. Auftrag geben, zwangsweise in Wohnungen hinein zu
„versorgen“, deren Inhaber oder Bewohner gar nicht
3. Somit besteht nun die staatliche Pflicht, Betroffene mit Immissionen durch die Hauswand hindurch ver-
im Notfall vor der Strahlung in Sicherheit zu bringen – sorgt werden wollen69. Auch geht in diesen Fällen die
durch die Schaffung von „Schutzräumen“, d.h. durch grundrechtliche Verpflichtung zu staatlichem Schutz
Abschirmung oder ‚Evakuierung‘. Auch ist ihnen die der Bewohner, insbesondere auch ihrer Wohnung nach
Teilhabe am bürgerlichen Leben durch (teilweise) funk- Art. 8 I EMRK, gegenüber einem keineswegs als “Rest”
freie öffentliche Gebäude und Verkehrsmittel zu er- zu vernachlässigenden Risiko für Nerven, Krebs und
möglichen, was z.B. auch die Ärztekammer Baden- Fruchtbarkeit vor70.
Württemberg für geboten hält61, von Gewerkschaften
in Frankreich gefordert62 und im Sitz der Handwerks- 8. Auch im Freien dürfen grundsätzlich ‚Versorgungs-
kammer Ulm bereits weitgehend verwirklicht wurde63. lücken‘ auftreten, soweit der ‚Bestrahlung‘ Grundei-

110
Mobilfunkfreie „Weiße Zonen“ - irreal oder rechtlich geboten?

gentum oder Planungsrecht entgegenstehen. Der Mo- 10. Ist weder eine Abschirmung ausreichend noch ein
bilfunkbetreiber ist kein Träger öffentlicher Belange; Ausweichen möglich (und auch kein Alternativstandort
auch stehen ihm keine enteignungsgleichen Rechte zu. vorhanden), so ist im Einzelfall die Immission zu vermin
Der Mobilfunk ist nicht Teil des Universaldienstes. Zu- -dern (z.B. wie in Frankreich auf möglichst 1 V/m), so
mindest legt der ‘Versorgungsauftrag’ ebenso wenig dass Abschirmungsmaßnahmen greifen. Notfalls hat
wie der Grenzwert fest, wer wo bestrahlt werden darf, der Geschädigte aus Gründen der öffentlichen Sicher-
sondern bestimmt lediglich als Zielvorgabe, dass über- heit und Ordnung und auch unmittelbar aus Art. 2 II 1
all, wo sonst keine Rechte entgegenstehen, möglichst GG einen Anspruch auf Unterbringung in einer - evtl. zu
‚flächendeckend‘, d.h. gleichmäßig, zu versorgen ist. schaffenden - mobilfunkfreien Zone.
Die ‚Empfangslücke‘ in einer mobilfunkfreien Zone zum
Schutz der Gesundheit der dort dauerhaft Wohnenden
und teilweise schwer Erkrankten ist deshalb Besu- VII. Ergebnis
chern jederzeit ebenso wie die Unbequemlichkeit einer Die Forderung nach mobilfunkfreien „Weißen Zonen“
autofreien Zone zuzumuten. ist nicht „irreal“. Die staatliche Schutzpflicht gebietet
im Rahmen unseres vorsorgeorientierten Rechts- und
9. Klagen geschädigter Nachbarn von Mobilfunkanten- Wertesystems, wenn wie hier kein ‚vernachlässigbares
nen dürfen nicht länger unter Verweis auf ihre angeb- Restrisiko‘ vorliegt, zwingend die Einrichtung, min-
lich „unbeachtliche besondere Empfindsamkeit“ abge- destens Zulassung von mobilfunkfreien oder woh-
wiesen werden, solange keine Ausweichmöglichkeit in nungsschützend funkdosierten Zonen, Räumen und
funkfreie oder funkdosierte Zonen besteht. Es geht um Verkehrsmitteln. Minimierung, Vermeidung und Ab-
die Frage, wer zu „weichen“ hat. Die Entscheidung die- schirmung von Funkstrahlung sind außerdem ein Gebot
ser Frage setzt Alternativen voraus – also Senderalter- der Menschlichkeit und der Vernunft71.
nativstandorte oder Ausweichmöglichkeiten der Nach-
barn.

Bernd Irmfrid Budzinski


Verwaltungsrichter a.D.; bis 1975 Leiter der Baurechtsabteilung des
Landratsamts Lörrach; danach bis 2010 Richter am Veraltungsgericht
Freiburg. Mitglied bei Greenpeace, nahm als Reserverichter am Wyhl
-Verfahren teil (1976). Zahlreiche Beiträge zu Rechtsfragen des Mo-
bilfunks in Fachzeitschriften (NVwZ, NuR), auf Tagungen und anläss-
lich parlamentarischer und ministerieller Anhörungen.

Prof. Dr.-Ing. Wilfried Kühling


Studium der Raumplanung an der Universität Dortmund, dort Wis-
senschaftlicher Mitarbeiter, Promotion zum Dr.-Ing. 1985. Seit 1996
Professur Raum- und Umweltplanung am Institut für Geowissen-
schaften und Geographie der Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg. Ehrenamtliche Tätigkeiten: Vorsitzender des Wissen-
schaftlichen Beirats des BUND, Mitglied im Bundesvorstand des
BUND, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der UVP-Gesellschaft.

111
ZUM RECHT AUF GESUNDHEIT, SCHUTZ UND VORSORGE

Verweise und daher "nicht mehr entdeckt“ bzw. erfasst; Universität


Basel „aktuell“ v. 4.10.2010; https://www.unibas.ch/default/
1) Erstdruck und Originalveröffentlichung in: Neue Zeitschrift de/Aktuell/News/Uni-Research/Handystrahlen-verursachen-
für Verwaltungsrecht 20/2015. Inzwischen auch in englischer laut-Basler-Studie-keine-Schlafprobleme.html
und französischer Ausgabe - http://kompetenzinitiative.net/ 13) Pölzl-Viol, Bundesamt für Strahlenschutz vom 22.3.2012;
KIT/KIT/mobilfunkfreie-weisse-zonen-irreal-oder-rechtlich- http://www.bfr.bund.de/cm/343/elektromagnetische-felder-
geboten/ risikowahrnehmung-in-der-oeffentlichkeit.pdf, S. 7:
2) „I can no longer go to the cinema or stay in public areas „Wahrgenommene gesundheitliche Beeinträchtigung wegen
with lots of radiation for long. ...says Niemelä, who in his EMF: 10%“. - Umweltmediziner Schmidt (ehemals österreichi-
forties, must accept that the four walls of his home are now a sche Ärztekammer) 2015: Sogar bis zu 18% Elektrosensible
prison“; Satakunnan Kansa v. 18.10.2014 (finnische Zeitung); (davon 10% stark); http://www.diagnose-funk.org/themen/
http://www.satakunnankansa.fi/Satakunta/1194934030776/ mobilfunkversorgung/gesundheit-und-elektrosensibilitaet/
artikkeli/entinen+nokiapomo+kannykka+vei+terveyteni.html das-sind-wirklich-kranke-leute.php
übersetzt in: http://mieuxprevenir.blogspot.de/2014/10/ 14) So die frühere baden-württembergische Gesundheitsmi-
former-nokia-technology-chief-mobile.html nisterin, Stolz, lt. Badischer Zeitung v. 16.10.2009: „Das Phä-
3) “That’s because we have seen the dangers of technology nomen ... verweise auf psychische Grundbedingungen“;
firsthand. I’ve seen it in myself, I don’t want to see that hap- http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/geschuetzte-
pen to my kids” (Anderson); http:// funkloecher-wird-es-nicht-geben--21108172.html
www.nytimes.com/2014/09/11/fashion/steve-jobs-apple-was 15) Die ZEIT – Wissen - v. 8.5.2014, „Volkskrankheit Einbil-
-a-low-tech-parent.html?_r=1 dung“, S. 33; http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/
4) Clegg; http://www.techvibes.com/blog/wifi-in-schools-is-a- ZEIT/20140508/die-
potential-health-hazard-2013-05-10- krankheitskran-
ken/14AA6C183F525EAD7164AAC237AED838.html
5) "Les ondes sont dangereuses", Didier Bellens, Sudpresse v.
25.11.2011 und Trends-Tendances v. 17.10.2007; s. Diagnose- 16) Die Welt v. 23.6.2011: 4 von 5 Schülern; http://
Funk kompakt v. 1.2.2013, S. 5; http://www.diagnose- www.welt.de/gesundheit/article13446609/Viele-Jugendliche
funk.org/assets/df_kompakt_2013-01-2.pdf -klagen-ueber-Kopfschmerzen.html; vgl. auch Budzinski zur
Kinder- und Jugendstudie des Deutschen Mobilfunk-
6) Patent Nr. WO 2004/07583 A1; http://www.diagnose- forschungs-programms; NVwZ 2010, 1205 (1206)
funk.org/technik/wlan/swisscom-beschreibt-krankmachende-
funktechnik.php 17) SWR Wissen v. 3.2.2015; http://www.swr.de/swr2/
wissen/kopfschmerzen-ein-vielfaeltiges-volksleiden/-/
7) Gesetz vom 29.1.2015; http://www.diagnose-funk.org/ id=661224/did=15006898/nid=661224/1853pek/index.html
themen/mobilfunkversorgung/franz-gesetz-zum-schutz-vor-
mobilfunkstrahlung.php Kein WLAN in Kinderkrippen; “mög- 18) „Jeder Zweite“, Die Zeit v. 27.3.2010, „Aus dem Takt ge-
lichst” nur 1 V/m für Anwohner (Grenz--wert wie in Deutsch- bracht“; http://www.zeit.de/2010/13/M-Schlaf.
land: 61 V/m). 19) Rasanter Anstieg psychischer Störungen zur Volkskrank-
8) http://www.next-up.org/Newsoftheworld/ heit Nr. 1; Ärztezeitung vom 14.4.2011 http://
Ein_land_fur_die_EHS.php . www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/article/650287/
depressionen-volkskrankheit-nummer-eins.html und Fehlzei-
9) Appell internationaler Forscher tenreport 2012, AOK vom 16.08.2012; http://www.wido.de/
http://35689.seu.cleverreach.com/ fzr_2012.html
c/18770461/0a883625879-nq53g7
20) Desai N. R., Kesari K. K. and Agarwal A. (2009): Pathophy-
10) Antwort des b.-w. Gesundheitsministeriums auf eine siology of cell phone radiation: oxidative stress and carcino-
Kleine parlamentarische Anfrage (Splett); http:// genesis with focus on male reproductive system, in: Repro-
www9.landtag-bw.de/WP14/ ductive Biology and Endocrinology, 2009, 7:114.
Drucksachen/5000/14_5113_d.pdf - Trotz steigender Kran- (www.rbej.com/content/7/1/114) und Von Baehr, V. (2012):
kenzahlen: http://www.emfacts.com/2006/09/550-will-we- Rationelle Labordiagnostik bei chronisch entzündlichen Sy-
all-become-electrosensitive/ stemerkrankungen; umwelt-medizin-gesellschaft 25 (4): 244-
11) Lauer, Financial Times Deutschland v. 1.8.2008, Weekend 247
30, S. 1 u. 2 ; www.ftd.de/lifestyle/outofoffice/393254.html? 21) https://www.vigo.de/de/behandeln/krankheiten/
mode-print; ebenso Der Standard, Wien, v. 9.10.2008 psychische_erkrankungen_1/hypochonder/hypochonder.html
www.derstandard.at/?url=/?id=1577836824337%26sap=2%
22) Schenk, Leiter des Zentrums für Integrative Schmerzmedi-
26pid =11237524
zin Berlin sowie Vorstandsmitglied des Berufsverbands der
12) Der Schweizer Forscher Röösli meinte anlässlich der Er- Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der
mittlung des Schlafverhaltens der Bewohner in Basel im Re- Schmerz- und Palliativmedizin; http://www.n-tv.de/wissen/
gierungsauftrag, einige Menschen könnten die Strahlung frageantwort/Kann-man-sich-Schmerzen-einbilden-
"merken", würden ihr "zu ihrem Schutz aus dem Weg gehen" article13381306.html und Barth, Universität Freiburg, Bad.

112
Mobilfunkfreie „Weiße Zonen“ - irreal oder rechtlich geboten?

Ztg. v. 18.5.2009, S. 23: „Schmerzhafte Gewohnheiten“ -„Es 35) „Unter Berücksichtigung von Emissionen anderer ortsfes-
gibt keine eingebildeten Schmerzen“. ter Funkanlagen“, die eingerechnet werden müssen (z.B.
Rundfunksender)(§ 3 BEMFV).
23) Ellert u.a., KIGGS; http://link.springer.com/
article/10.1007%2Fs00103-007-0232-8 36) Bay. Landesamt für Umwelt und baden-
württembergisches Umweltamt, „Elektromagnetische Felder
24) So hat das BVerfG, Beschl. 24.11.2010 - BvF 2/05 -, in der im All-tag“, S. 82; https://www.lubw.baden-
Gentechnologie auf die Berechtigung des Gesetzgebers we- wuerttemberg.de/servlet/is/6515/felder_im_alltag.pdf?
gen seiner „besonderen Sorgfaltspflicht“ - gerade angesichts command=downloadContent&filename=felder_im_alltag.pdf
eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes – hin-
gewiesen, schon frühzeitig und umfassend jegliches Risiko 37) Warnke, 1.Bamberger Mobilfunk-Ärzte-Symposium
einzuschränken. 29.01.2005, Tagungsband S. 9; http://buergerwelle.de/ as-
sets/files/bamberg_warnke_manuskript.pdf?
25) „Ergänzung der ICNIRP-Richtlinien“ von 1998 (auf denen cultureKey=&q=pdf/bamberg_warnke_manuskript.pdf
die Grenzwerte beruhen), ICNIRP, general approach, 2002, S.
546: “Different groups in a population …may have a lower 38) WIK, EMF-Brief v. 2.3.2011 und Agentur ANSA v.
tolerance…(like photo-sensitivity)….Some guidelines may not 25.2.2011: „Vatican ordered to pay damages for radio
have adequate protection for certain sensitive individuals…” electrosmog“ www.ansa.it/web/notizie/rubriche/
english/2011/02/25/visualizza_new.html_1583011632.html
26) E+S Rück, "Emerging Risks - Schadenpotenziale der Zu-
39) Schweiz. Umweltamt BAFU, akt. am 20.08.2014:
kunft", 2006, S. 46 ff., 71; https://www.es-rueck.de/184453/
„Gesundheitliche Auswirkungen von Hochfrequenz-Strah-
schriftenreihe-nr-10-emerging-risks-schadenpotenziale-der-
lung“: .. „statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen
zukunft.pdf
Schlafstörungen und dem Sendebetrieb des .. Radio-Kurz-
27) Mit einem Vorwort des Vorstandsvorsitzenden zur Vorsor- wellensenders Schwarzenburg. Weiter klagten Bewohner im
ge; Die Continentale BKK; Mitgliedermagazin Puncto Nr. 2, näheren Umkreis dieses Senders gehäuft über gesund-
2013 | ZKZ 83855 | 64. Jahrgang; S. 3, 10/13: „Elektrosmog | heitliche Beschwerden wie Nervosität, Unruhe, allgemeine
Gesunder Umgang mit Handy & Co.“; http://www.epaper- Schwäche, Müdigkeit und Gliederschmerzen“; http://
archiv.de/fkm/puncto/2013-02/#10 www.bafu.admin.ch/elektrosmog/01095/01096/index.html?
lang=de u. Studien in Diagnose-Funk: http://www.diagnose-
28) So Glaser in der regierungsnahen Forschungsgemein- funk.org/themen/forschung/schwarzenburg-resultate-doch-
schaft Funk - FGF: „15 Jahre Forschung über biomedizinische noch-publiziert.php
Wirkungen hochfrequenter Felder des Mobilfunks – Eine Er-
40) Warnke, 1.Bamberger Mobilfunk-Ärzte-Symposium, aaO.;
folgsstory oder eine endlose Geschichte?“, FGF, news letter
Fußnote 36
3/07, S.6; www.fgf.de/publikationen/newsletter2007. html
41) So die ICNIRP: „Im Vergleich zur CW-Strahlung sind ge-
29) "Dies entspricht der Leistung von gerade einmal zehn pulste Mikrowellenfelder mit derselben durchschnitt-lichen
Handys", die „waagrecht über die Nachbarn hinweg-geht“, so Rate der Energiedeposition in Geweben im allgemeinen bei
symptomatisch der Mobilfunkexperte der Telekom, Gehlen, der Erzeugung einer biologischen Reaktion wirksamer,...
wörtlich vor Anwohnern; http://www.rp-online.de/nrw/ (ICNIRP 1996)“; ICNIRP-Richtlinien 1998, deutsche Fassung
staedte/rommerskirchen/t-mobil-keine-gefahr-durch- des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reak-
mobilfunksender-aid-1.140429 torsicherheit, S. 72.
30) http://www.elektrosmog-messen.de/mobilfunk-eirp.html 42) Forschungsbericht 2009 der AUVA - Österr. Unfallversi-
cherungsanstalt, z.B. S. 77, 92 und 134; http://www.auva.at/
31) Virnich, Referat bei der Anhörung zum Thema
mediaDB/555261_ R47.pdf
„Mobilfunk“ im Südtiroler Landtag am 29. April 2015,
„Technische Aspekte der Mobilfunktechnologien“, S. 2 u. 4 43) Die BReg. verzichtete auf eine Untersuchung der Auswir-
(Erhöhungen auch bei GSM-EDGE möglich); http:// kungen von LTE, weil dieses „..bezüglich der Signalform ..
www.diagnose-funk.org/downloads/ dem UMTS-Standard...“ ähnele (folglich allenfalls die gleichen
virnich_mobilfunktechnik_web_bozen_150429.pdf Wirkungen haben müsse), „6. Bericht der Bundesregie-
rung...“, S. 2; http://dipbt.bundestag.de/dip21/
32) Lutz, Studie der Universität Chemnitz, in der Computer- btd/18/037/1803752.pdf - Studie aus China 2014: Deutliche
zeitschrift Chip v. 10.5.2007; http://www.chip.de/news/ Wirkungen von LTE im EEG; http://www.emf-portal.de/
Mobilfunkmasten-sind-extreme-Stromfresser_26396570.html viewer.php?l=g&aid=26349 - Damit wäre u.U. auch insoweit
33) Entwicklung von NOKIA; Originalmeldung: EE/Times, der verschärfte Grenzwert nach § 2 I Nr. 2 26.BImSchV für
News & Analysis; www.eetimes.com/electronics- „Pulsung“ zu prüfen.
news/4195530/Nokia-working-on-energy-harvesting-handset 44) Neitzke, zit. nach Diagnose-Funk, Ratgeber Mobilfunk Nr.
5 für Gemeinden, 2. Aufl. 2015, S. 45.
34) „Kommunikationsgeräte ernähren sich von Funkwel-
len“ (Ambient backscatter) http://www.golem.de/news/ 45) Auch die Haut selbst könnte geschädigt werden, denn
ambient-backscatter-kommunikationsgeraete-ernaehren-sich ihre Proteinexpression wird verändert; finnische Strahlen-
-von-funkwellen-1308-100992.html schutzbehörde „STUK“, Karinen, Leszczynski u.a. -

113
www.stuk.fi/stuk/tiedotteet/en-_GB/news_481/_print/ - Die 58) Nur das „Wie“ - so der Präsident des BVerfG, Voßkuhle, in
gegenwärtige Explosion von Hautkrebs scheint dies zu bestä- NVwZ 2013, 1 (4)
tigen; http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/barmer-gek-
59) So auch die UVP-Gesellschaft in ihrer grundsätzlichen
arztreport-zahlen-fuer-hautkrebs-steigen-in-deutschland-
Aufarbeitung der Risiken und Gefahren durch EMF: Kühling,
stark-an/9429866.html
W.; Hornberg, C. (2014): Nichtionisierende Strahlung. In: UVP
46) Die WHO bestätigt in fact sheet No 193, S. 2, dass „in den -Gesellschaft e.V., AG Menschliche Gesundheit (Hrsg.): Leitli-
inneren Organen“ eine („vernachlässigbare“) Wärmewirkung nien Schutzgut Menschliche Gesundheit, Hamm, 122-137
entstehe, die Mobilfunk-Strahlung also tatsächlich überall im 60) Prof. Caroline Herr für die SSK: „Wir können weiter for-
Körper ankommt; http://www.who.int/peh-emf/publications/ schen, aber es ist nichts an den Grenzwerten zu verändern“;
facts/fs193_deutsch_2010.pdf?ua=1 merkur-online vom 5.7.2012, http://www.merkur-online.de/
47) 6. Bericht der BReg, aaO., S. 9; http:// aktuelles/bayern/streit-mobilfunk-strahlung-landtag-
dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/037/1803752.pdf 2379152.html
61) http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/60302/
48) http://www.pueschner.com/basics/eindringtiefe.php .
Aerztekammer-Baden-Wuerttemberg-raet-zur-
49) Ausgenommen evtl. wesentlich intensitätsärmere analo- Zurueckhaltung-beim-Mobilfunk
ge Fernsehsender. 62) CGT, CFDT, FO, SUPAP, UCP: « ..doivent exister des lieux
50) Siehe Virnich, aaO., Fußnote Nr. 31 publics et des lieux de travail qui protègent les personnes
électro-hypersensibles et ne les excluent ni de la vie profes-
51) Zuletzt Swiss Re 2013: "Höchstes Risiko“ neben NANO- sionnelle, ni de la vie sociale »; http://
und Chemo-technolo-gien; https:// www.robindestoits.org/Ondes-electromagnetiques-Le-CHSCT
de.nachrichten.yahoo.com/rückversicherer-stuft- -vote-l-application-de-la-loi-Abeille-dans-les-espaces-
mobilfunkstrahlung-als-höchstes-risiko-ein-swiss- jeunesse-des-bibliotheques_a2316.html
000000254.html
63) https://www.xing.com/communities/posts/ihk-ulm-laesst
52) 93 (von 100) positive Studien, Metastudie Juli 2015, Yaku- -ihr-gebaeude-gegen-mobilfunkmasten-abschirmen-
menko et al.; http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ 1004648674
pubmed/26151230 - Einstufung der WHO/IARC 2011: Funk
64) So schon Technology-Review v. 19.10.2009 „Das funken-
ist potenziell kanzerogen (Stufe 2B).
de Heim“ - http://www.heise.de/tr/artikel/Das-funkende-
53) BAFU 2011, „Nichtionisierende Strahlung – Umwelt und Heim-821397.html - und http://www.heise.de/mobil/
Gesundheit – Programmsynthese Nat. Forschungsprogramm artikel/Mini-Basisstationen-verbessern-Handy-Telefonate-
NFP 57“, S. 49: „Exposition zu HF EMF führte immer zu einer 790519.html
Lei-stungs-zu-nah-me ... im Non-REM-Schlaf“... „beim Handy 65) Vgl. BVerwG Urt. v. 17.12.2013 - 4 A 1.13 - (zur Niederfre-
ebenso wie beim „UMTS-mobilfunkantennen-ähnlichen Sig- quenz): .."Die Belastung mit elektromagnetischen Feldern
nal“..; http://www.nfp57.ch/files/downloads/NFP57-d.pdf auch unterhalb der Grenzwerte ist in der Abwägung zu be-
54) „Zukunfts-taug-liche Mobilfunknetze“, schwei-z. Bundes- rücksichtigen."
rat v. 25.2.2015, S. 2: „Nach wissenschaftlichen Krite-rien 66) Diagnose-Funk Brennpunkt v. 15.1.2015: http://
ausreichend nachgewiesen ist eine Beeinflussung der Hirn- www.diagnose-funk.org/assets/
ströme“; http://www.bakom.admin.ch/dokumentation/ df_229_bp_stgallen_150114.pdf
gesetzgebung/00512/04869/index.html?lang=de
67) Oder der Anschluss an die Gasversorgung mit dem Verbot
55) OLG Frankfurt, Urt. v. 28.11.2000 - 8 U 190/00 -, S. 5: „.. eigener Feuerstätten.
50 - 100fach niedrigeres elektromagnetisches Feld als ein
Handy in 2, 2 cm Entfernung" und Kuster, NFP 57: „100“; 68) Keine Gewährleistung nach Art. 87f GG, VGH B-W., Urt. v.
https://www.youtube.com/watch?v=NIrvcPXYIzc 28.5.2015 – 8 S 634/13 -, S. 18 – 20.
69) Budzinski, „Von der Versorgung ohne Auftrag zur Bestrah-
56) Naziroglu M, Akman H (2014): Effects of Cellular Phone -
lung ohne Gesetz“, NVwZ 2011, 1165 (1170)
and Wi-Fi - Induced Electromagnetic Radiation on Oxidative
Stress and Molecular Pathways in Brain, in: I. Laher (ed): Sys- 70) Siehe Budzinski/Hutter „Mobilfunkschäden Ansichtssa-
tems Biology of Free Radicals and Antio-xidants, Springer che? – Höchste Zeit für Beweise statt Vermutungen“; NVwZ
Berlin Heidelberg, 2014, 106, S. 2431-2449 (2435): 2014, 418 m.w.N.
" ..neurological damage … found 150 - 200 from a mobile
phone mast. ..„the weakest fields are the bio-lo-gically most 71) So auch der Präsident der GSMA (Weltweiter Verband
harmful." der GSM-Funkgerätehersteller) zur WHO-Warnung vor Ge-
hirntumoren ("Werden Vieltelefonierer gewarnt werden?"):
57) Slesin „.. niedrige Dosen wirkungsvollere Tumorförderer“, "Sicher .. ist auch eine Frage der Vernunft" („questione di
microwaves-news, 2015; http://www.diagnose-funk.org/ buon senso“); RAI, ital. Fernsehen, “Fuori Campo”, v.
downloads/df_micowave_news_krebsfoerderung-durch- 21.11.2011,Wortprotokoll, S. 23.
mobilfu.pdf

114
Bücher zum Thema dieser Broschüre

Bücher zum Thema dieser Broschüre

Christine Aschermann / Cornelia Waldmann-Selsam

Elektrosensibel
Strahlenflüchtlinge in einer
funkvernetzten Gesellschaft
Shaker Media (Aachen) 2017, 326 S., € 18,90
ISBN 978-3-95631-622-7

In der Öffentlichkeit sind sie so gut wie unsichtbar – elektrosensible Mit-


menschen, deren Zahl mit steigender Funkbelastung ständig zunimmt.
Elektrosensibilität kann jeden treffen, auch Technikfans. Dazu werden Fall-
beispiele, Hintergründe und absehbare Entwicklungen aufgezeigt.
Dr. Christine Aschermann und Dr. Cornelia Waldmann-Selsam sind Ärztin-
nen und beide seit vielen Jahren mit umweltpolitischen Themen, insbeson-
dere mit Fragen der gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunk, be-
fasst.

Werner Thiede

Mythos Mobilfunk
Kritik der strahlenden Vernunft
München (oekom-Verlag) 2012, 300 S., € 19,95
ISBN 978-3-86581-404-3

„Werner Thiede beschreibt in seinem umfassenden Werk, wie es passieren


kann, dass unsere gesamte Gesellschaft nicht im Stande und überhaupt wil-
lens ist, die negativen Auswirkungen des Mobilfunks zu deuten, zu verste-
hen und zu bewerten. Das Buch ist ein Muss für alle, die selbstbestimmt le-
ben wollen.“ Bayerische Staatszeitung

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Über die Kompetenzinitiative
zum Schutz von Mensch, Umwelt
und Demokratie e. V.

Die Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und


Demokratie e.V. ist eine internationale, interdisziplinäre, überpar-
teiliche und als gemeinnützig anerkannte Fachvereinigung insbe-
sondere von Wissenschaftlern, Ärzten, Juristen und Technikern.
Sie engagiert sich für eine zeitgemäße Gesundheits- und Umwelt-
politik vor allem auf dem Gebiet des Mobil- und Kommunikations-
funks. Diesem Anliegen sind auch ihre beiden Schriftenreihen Wir-
kungen des Mobil- und Kommunikationsfunks und Forschungsbe-
richte gewidmet. Es zählt zu den Besonderheiten beider Reihen,
dass sie nicht nur von den biologischen Risiken des Elektrosmog
handeln, sondern auch von den Folgen der betriebenen Funk-
Politik für demokratische Kultur und Menschenrechte.

Eingehendere Informationen
www.kompetenzinitiative.net
www.aerzte-und-mobilfunk.net

Die Initiative ist mit ihren wissenschaftlichen


und gesellschaftspolitischen Projekten auf Hilfe angewiesen.
Wer sie unterstützen möchte, kann ihr als Mitglied beitreten
oder ihre Arbeit mit einer Spende fördern.

Konto der Kompetenzinitiative e.V.


Sparkasse Saarbrücken
IBAN: DE30 5905 0101 0067 0954 48
BIC: SAKSDE55XXX

Kontakt
Kompetenzinitiative e.V.
Geschäftstelle
Parallelstr. 50
D-66125 Saarbrücken
sekretariat@kompetenzinitiative.net

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Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks
Eine Schriftenreihe der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V.

Bienen, Vögel und Menschen. thermische Wirkungen und lassen die Frage von Lang-
Die Zerstörung der Natur durch ‚Elektrosmog‘. zeitwirkungen außer Acht.
Ulrich Warnke HEFT 3, 2008, 2. A. 2009 / ISBN 978-3-9812598-1-0 / 64
In der hier vorgelegten Schrift zeigt Ulrich Warnke, wie Seiten / Preis 6,00 €
Menschen und Tiere elektrische, magnetische und
elektromagnetische Felder seit Millionen von Jahren Warum Grenzwerte schädigen, nicht schützen - aber
für ihre biologische Information und Organisation nut- aufrechterhalten werden. Beweise eines wissen-
zen. Er kann von da aus aber auch verständlich ma- schaftlichen und politischen Skandals.
chen, dass die wachsende Flut technisch erzeugter Mit Beiträgen von Franz Adlkofer, Karl Hecht, Lebrecht
elektromagnetischer Felder den biophysikalischen von Klitzing, Klaus Kniep, Wilhelm Mosgoeller, Karl
Haushalt des Lebens störend und zerstörerisch überla- Richter, Hans-Christoph Scheiner, Ulrich Warnke
gert. Die in dem Heft vereinten Beiträge konvergieren in
HEFT 1, 2007, 2. A. 2008 / ISBN 978-3-00-023124-7 / 48 dem klaren Ergebnis, dass die geltenden Grenzwerte
Seiten / Preis 5,00 € (Ins Englische, Französische und niemanden schützen, weil sie maßlos überhöht sind
Spanische übersetzt) und nach anachronistischen Gesichtspunkten festge-
legt wurden und kommt zum Urteil, dass der betriebe-
Die Gefährdung und Schädigung von Kindern durch nen Politik des Mobil- und Kommunikationsfunks die
Mobilfunk. Ärztliche Beobachtung - wissenschaftliche wissenschaftliche, die demokratische und die men-
Erkenntnis - gesellschaftliche Erfahrung. schenrechtliche Legitimation fehlt.
Mit Beiträgen von Heike-Solweig Bleuel, Markus Kern, HEFT 4, 2009 / ISBN 978-3-9812598-2-7 / 64 Seiten /
Karl Richter, Cindy Sage, Cornelia Waldmann-Selsam, Preis 6,00 €
Ulrich Warnke und Guido Zimmer
Die Schrift zeigt mit dem Stand medizinischer und bio- Strahlenschutz im Widerspruch zur
wissenschaftlicher Erkenntnis, an wie vielen Stellen der Wissenschaft. Eine Dokumentation.
Kreislauf des Lebens von den Wirkungen elektromag- Von Franz Adlkofer und Karl Richter
netischer Felder betroffen ist und warum Kinder in be- Der erste Teil dieser Schrift dokumentiert die Anstren-
sonderer Weise gefährdet sind. Sie macht aber auch gungen eines leitenden deutschen Strahlenschutzbe-
sichtbar, wie fragwürdig Politik und Öffentlichkeit bera- auftragten, für Industrie und Staat unbequeme Er-
ten werden und wie weit die Mobilfunkindustrie die kenntnisse gentoxischer Wirkungen aus dem Weg zu
Aufklärung der Gesellschaft im Sinne ihrer Produktinte- räumen. Die weiteren Teile des Heftes belegen aber
ressen steuert. auch, wie weit sich der deutsche Strahlenschutz dabei
HEFT 2, 2008, 2. A. 2009 / ISBN 978-3-9812598-0-3 / 52 vom Stand internationaler Erkenntnis entfernt hat –
Seiten / Preis 6,00 € (Ins Italienische übersetzt) auch mit Projekten des Deutschen Mobilfunk For-
schungsprogramms.
Wie empfindlich reagieren die Gene auf Mobil- HEFT 5, 2011 / ISBN 978-3-9812598-3-4 / 64 Seiten /
funkstrahlung? Stand der Forschung - Entwarnungen Preis 6,00 € (Ins Englische übersetzt)
und Intrigen - Vorschlag zur Selbsthilfe.
Mit Beiträgen von Franz Adlkofer, Igor Y. Belyaev, Karl Zu den Folgen der Langzeiteinwirkungen
Richter und Vladislav M. Shiroff von Elektrosmog.
Die Verfasser machen deutlich, wie vielfältig die inter- Karl Hecht
nationale Forschung gentoxische Wirkungen belegt – Auf der Grundlage eines breiten medizinischen und
im Sinne von nicht-thermischen Wirkungen, deren be- statistischen Datenmaterials, das er der Auswertung
sondere Gefahr auch in der Dauer der Einwirkung liegt. von 878 russischsprachigen Studien verdankt, kann
Doch die geltenden Grenzwerte berücksichtigen nur Karl Hecht an einem Zeitraum von bis zu zwei Jahr-

117
zehnten deutliche gesundheitsschädigende Langzeit- Langzeitrisiken des Mobil- und Kommunikationsfunks.
wirkungen elektromagnetischer Felder zeigen. Am Bei- Vorträge der Tagung vom 5. April 2014 in Würzburg.
spiel seiner Forschungsrecherche macht er aber auch Mit Beiträgen von Lennart Hardell und Michael Carl-
anschaulich, wie solche Ergebnisse tabuisiert werden, berg, Michael Kundi, Ulrich Warnke, Karl Braun-von
wenn sie ökonomischen und politischen Interessen wi- Gladiß, Franz Adlkofer, Wilfried Kühling und Bernd Irm-
dersprechen. frid Budzinski.
HEFT 6, 2012 / ISBN 978-3-9812598-4-1 / 64 Seiten / Die Schrift dokumentiert die Vorträge der wohl ersten
Preis 6,00 € Tagung zu den Langzeitrisiken des Mobil- und Kommu-
nikationsfunks. Die biowissenschaftlich-medizinischen
Gesundheitsgefahren durch Mobilfunk: Warum Vorträge eines internationalen Teams von Experten be-
wir zum Schutz der Kinder tätig werden müssen. legen Risikopotenziale der wachsenden Dichte elektro-
Übersetzung einer Schrift von MobileWise. magnetischer Felder an der Zunahme von Gehirntumo-
Angelsächsische Wissenschaftler und Ärzte, die sich in ren, dem Um-sich-Greifen von Entzündungen, den be-
der Vereinigung MobileWise zusammengeschlossen sonderen Risiken für Kinder und Elektrosensible. Ge-
haben, stellen in ihrer Schrift fest, „dass bis heute mehr sellschaftskritische und juristische Einschätzungen zei-
als 200 wissenschaftlich begutachtete Studien ver- gen aber auch, wie unzeitgemäß ein angeblicher staat-
öffentlicht worden sind, die auf einen Zusammenhang licher ‘Strahlenschutz’ mit den Risiken umgeht.
zwischen langfristiger Handynutzung und ernsthaften HEFT 9, 2014 / ISBN 978-3-9812598-7-2 / 84 Seiten /
Gesundheitsschäden hindeuten“. Sie folgern, dass es Preis 8,00 €
vor diesem Hintergrund keine Alternative zu schnellen
Maßnahmen der Aufklärung und Vorsorge gibt. Gegen Irrwege der Mobilfunkpolitik – Für Fortschritte
HEFT 7, 2012 / ISBN 978-3-9812598-5-8 / 64 Seiten / im Strahlenschutz. Kritische Bilanz nach einem Viertel-
Preis 6,00 € jahrhundert des Mobilfunkfunks.
HEFT 10, 2017 / ISBN 978-3-9812598-8-9 / 32 Seiten /
Was ist vom Strahlenschutz-Auftrag geblieben? Preis 5,00 €
Eine Dokumentation zur deutschen Mobilfunk-Politik.
Mit Beiträgen von Karl Richter, Klaus Buchner, Ulrich
Warnke, Karl Braun-von Gladiß, Markus Kern und Franz
Adlkofer
Die Schrift dokumentiert Vernetzungen, Interessenkon-
flikte und Satzungsverstöße, mit denen sich Organe des
deutschen ‚Strahlenschutzes‘ weit von ihrem Grün-
dungsauftrag entfernt haben und eher als Einrichtun-
gen zum Schutz ökonomischer Interessen betätigen.
Sie zeigt am Beispiel des 5. Mobilfunk-Berichts der Bun-
desregierung an den Deutschen Bundestag,
wie ein nachweislich manipulierter Stand der Erkennt-
nis die Entscheidung der Volksvertreter in industriege-
fälliger Weise beeinflussen und lenken soll.
HEFT 8, 2013 / ISBN 978-3-9812598-6-5 / 36 Seiten /
Preis 6,00 €

Bestellmöglichkeiten
Deutschland und International
Diagnose-Funk | Umwelt- und Verbraucherorganisation zum Schutz vor Funkstrahlung e.V.
Diagnose-Funk Versand | Palleskestr. 30 | D - 65929 Frankfurt | Fax: 0049 (0)69/36 70 42 06
bestellung@diagnose-funk.org | www.shop.diagnose-funk.org

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Forschungsberichte zur Wirkung elektromagnetischer Felder
Ergänzend zu der Broschürenreihe Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks veröffentlicht die Kompetenzini-
tiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V. eine Reihe von Forschungsberichten zu diesem Thema.
Die Beiträge informieren über den Stand der Risikoforschung auf oft vernachlässigten Arbeitsgebieten. Soweit auch
über neue technologische Entwicklungen berichtet wird, die Alternativen zu den Funk-Techniken anbieten, möchte
die Initiative zu einer frühzeitigen Abwägung von Chancen und Risiken beitragen - was bei der Einführung des Mobil-
funks versäumt wurde.

Die Forschungsberichte werden vom jeweiligen Vorstand der Kompetenzinitiative e.V. herausgegeben und zunächst
online publiziert. Siehe http://kompetenzinitiative.net/KIT/KIT/category/forschung. Bei entsprechender Nachfrage
werden sie jedoch auch gedruckt zugänglich gemacht. Bestellung solcher Sonderdrucke über den Versand von Diag-
nose-Funk.

Der Wert der Grenzwerte für Handystrahlungen Gesundheits- und umweltverträgliche


Karl Hecht Massen-Kommunikation
2009 / 72 Seiten / Sonderdruck 8,50 € mit Photonischen Netzen
Claus Scheingraber und Stefan Spaarmann
Das erste Kapitel des Reports der Bioinitiative 2012 / 127 Seiten
Eine Zusammenfassung für die Öffentlichkeit
Erstellt für die Bioinitiative Working Group von Kommunikation ohne Smog
Cindy Sage (2007) Stefan Spaarmann
deutsche Übersetzung von Katharina Gustavs 2013 / 20 Seiten
2009 / 39 Seiten
Steigende ,Burn-out‘- Inzidenz durch
Die Auswirkungen technisch erzeugte magnetische
elektromagnetischer Felder auf Tiere und elektromagnetische Felder
Ein Forschungsbericht des Mobil- und Kommunikationsfunks
Ulrich Warnke Forschungsbericht
2009 / 12 Seiten / Sonderdruck 3,00 € Ulrich Warnke und Peter Hensinger
2013 / 32 Seiten / Sonderdruck 5,00 €
Wirkungen elektromagnetischer
Felder auf Pflanzen ,Wetterfühligkeit‘ und Elektrosensibilität
Beobachtungen und Studien aus 80 Jahren Walter Sönning
Cornelia Waldmann-Selsam 2013 / 8 Seiten
2010 / 15 Seiten / Sonderdruck 3,00 €
Der Mobilfunk und seine ,Grenzwerte‘
Die Leugnung des Elektrosmog-Risikos Zur gezielten Begriffsverwirrung beim
für Tiere und Pflanzen und ihre Folgen Elektrosmog-Problem
Zu einer Stellungnahme des Walter Sönning und Hans Baumer †
Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) 2013 / 6 Seiten
Ulrich Warnke und Karl Richter
2012 / 14 Seiten Ist die Unterteilung in ionisierende und
nichtionisierende Strahlung noch aktuell?
Handystrahlung - eine Gefahr für Kinder? Karl Hecht
Dokumentation einer Kontroverse 2015 / 21 Seiten
Dr. med. Joachim Mutter antwortet
Professor Dr. Alexander Lerchl
2010 / 45 Seiten

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Das zerstörerische Potential der nicht-ionisierenden Strahlung reicht
bei längerer Wirkdauer an dasjenige der ionisierenden durchaus heran ...
Atomwaffen und Kernkraftwerke sind inzwischen staatlicherseits in
ihrer Anwendung streng reglementiert. Im Gegensatz dazu wird bei
der Funktechnik, die jedem Einzelnen zugänglich ist und ihm
geradezu aufgedrängt wird, noch immer weiter aufgerüstet.

Dr. med. Christine Aschermann


‚Individuelle Ausprägung
von Elektrohypersensibilität‘

Wie der VW-Skandal gerade offengelegt hat, wird die staatliche


Exekutive bei einer mächtigen Industrie offensichtlich erst dann
tätig, wenn die Katastrophe bereits eingetreten ist ... Bei der
Mobilfunkindustrie hat die Exekutive bis heute noch nicht einmal
erkannt, dass bereits die Erstellung der Grenzwerte auf Betrug beruht ...
Laut den Forderungen der neuen Charta der Digitalen Grundrechte
der Europäischen Union genießen Kinder, Heranwachsende und
„besonders schutzbedürftige Personen in der digitalen Welt
speziellen Schutz“ (Art. 19). Das sollte insbesondere für
Elektrosensible im Bereich ihrer Wohnung bzw. ihres Haushalts
und auch ihrer Keller gelten. Es wird höchste Zeit, dass Politik,
Industrie, Wirtschaft und Justiz sich hierauf einstellen.

Prof. Dr. med. Franz Adlkofer


Dr. rer. nat. Lebrecht von Klitzing
‚Die WLAN-Technologie: Ein Experiment auf
Kosten der Gesellschaft mit ungewissem Ausgang‘

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