Vous êtes sur la page 1sur 421

Täterschaft

und Tatherrschaft

von
Claus Roxin
Achte Auflage

wDE

G
RECHT

De Gruyter Recht • Berlin


U n i v e r s i d a d de Navarra
h \°\%A6ZA2-. Servicio de Bibliotecas
Dr. Dr. h. c. mult. Claus Roxin
em. o. Professor und Direktor des Instituts
für die gesamten Strafrechtswissenschaften
an der Universität München

1. Auflage: 1963'-
2. Auflage: 1967
3. Auflage: 1975 Für
4. Auflage: 1984
5. Auflage: 1989
MEINE FRAU
6. Auflage: 1994 und für
7. Auflage: 1999 Lucio und O L G A MONACO
(* erschienen als Band 50 der „ H a m b u r g e r Rechtsstudien")

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN-13: 978-3-89949-194-4
ISBN-10: 3-89949-194-7

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek


Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-
bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Copyright 2006 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH,


D-10785 Berlin
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-
wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung
des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,
Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek-
tronischen Systemen.

Printed in Germany
Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, 06773 Gräfenhainichen
Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort zur achten Auflage
Die vorliegende achte Auflage enthält neben dem wie immer unveränderten
Text der Erstausgabe einen Schlußteil 2006 (S. 546-762), der sehr gründlich
bearbeitet und erweitert worden ist und selbst schon den Umfang einer
Monographie erreicht hat. Ich habe die seit der Vorauflage ergangene Recht-
sprechung ebenso wie die seither erschienene umfangreiche Literatur (Kom-
mentare, Lehrbücher, Monographien und Aufsätze) dokumentiert und kri-
tisch gewürdigt. Dabei habe ich mich bemüht, alle neuen Ansätze und auch
alle Kritiken meiner Konzeption zum Gegenstand der Auseinandersetzung
zu machen und auf diese Weise zur weiteren Entwicklung der Täterlehre bei-
zutragen. Das Buch enthält also nicht nur meine ursprünglichen Thesen, son-
dern gibt auch den aktuellen Stand der Täterlehre sowie meiner eigenen,
manchmal auch geänderten oder modifizierten Auffassungen wieder.
Die sechste Auflage dieses Buches ist Ende 1998 unter dem Titel „Autoria
y dominio del hecho en derecho penal" in der Übersetzung von Joaquin
Cuello Contreras und Jose Luis Serrano Gonzalez de Murillo in spanischer
Sprache erschienen (im Verlag Marcial Pons, Madrid und Barcelona). Diesel-
ben Übersetzer und derselbe Verlag haben im Jahre 2000 auch die siebente
Auflage in spanischer Sprache veröffentlicht. Die dadurch ermöglichte Ver-
breitung des Werkes in den Spanisch sprechenden Ländern hat zur internatio-
nalen Resonanz des Buches wesentlich beigetragen. Ich danke meinen Über-
setzern und dem Verlag für diese Unterstützung sehr herzlich.
Ebenso herzlich danke ich den deutschen Förderern dieser Neuauflage, die
mir in unterschiedlicher, aber wirkungsvoller und nachhaltiger Weise geholfen
haben. Meine Frau hat nicht nur, wie schon bei der Erstauflage (vor 43 Jah-
ren!), die Korrekturen mitgelesen, sondern mir auch das Entscheidungsmate-
rial aufbereitet. Meine Sekretariatsmitarbeiterin Frau Marlies Kotting hat aus
zahllosen handschriftlichen Zetteln einen lesbaren und druckreifen Gesamt-
text hergestellt und mich auch bei den Registern, bei der Ordnung der Lite-
raturbelege, der Vereinheitlichung der Zitierformen und den Querverweisen
unterstützt. Und der Verlag de Gruyter (vertreten durch Herrn Dr. Michael
Schremmer und Frau Karin Hergl) hat mich nicht nur in motivierender Weise
zur baldigen Lieferung der Neuauflage ermuntert, sondern auch die Herstel-
lung des Buches mit bewährter Zuverlässigkeit betreut.

München, Weihnachten 2005 Claus Roxin


Aus dem Vorwort zur vierten Auflage Vorwort zur ersten Auflage
Am 1. Januar 1975 ist ein neuer Allgemeiner Teil unseres Strafgesetzbuches in Die Arbeit hat in ihren wesentlichen Teilen im Frühjahr 1962 abgeschlossen
Kraft getreten. Die einzige Vorschrift, die sich mit den Erscheinungsformen vorgelegen. Doch war es möglich, für den Druck Schrifttum und Recht-
der Täterschaft befaßt, der neue §25 StGB, hat jedoch das vorliegende Buch sprechung noch bis zum 1. Januar 1963 (in Einzelfällen auch darüber hinaus)
inhaltlich nicht veralten lassen. Im Gegenteil: Nachdem der Gesetzgeber die zu verwerten.
unmittelbare Täterschaft, die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft
umrißhaft in der Form kodifiziert hat, die schon den früheren Entwürfen Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich in meinen Bemühungen unter-
seit 1959 zugrundelag und die auch in dieser Monografie von Anfang an stützt haben; in erster Linie meinem verehrten Lehrer Heinrich Henkel, der
befürwortet worden war, hat das Bemühen um die inhaltliche Ausformung meinen wissenschaftlichen Werdegang mit immerwährender fürsorglicher
und Konkretisierung dieser drei Rechtsfiguren und ihre Abschichtung von Güte und Teilnahme geleitet hat; sodann der Deutschen Forschungsgemein-
der Teilnahme seine ungeschmälerte Bedeutung behalten. Die vorliegende schaft, durch deren großzügige Beihilfe der Druck und das schnelle Erschei-
Darstellung hat sogar an Aktualität gewonnen, weil die neue Bestimmung, nen des Buches ermöglicht worden sind. Von denen, die mir bei der Arbeit
wie es schon in der Begründung des insoweit gleichlautenden E 1962 hieß, selbst zur Seite gestanden haben, will ich nur zwei mit Namen nennen:
„dem Gedanken der Tatherrschaft Raum" gibt und damit auf längere Sicht Herrn Gerichtsassessor Dr. Rudolphi, der die wesentliche Arbeit an den
möglicherweise einer Ablösung der subjektiven „Animustheorie" zugunsten Registern geleistet hat; und meine Frau, die mir in sachlicher Hinsicht viele
des hier für weithin maßgebend erklärten Tatherrschaftsprinzips auch in der wertvolle Ratschläge gegeben und die Last der Korrekturen fast allein ge-
Rechtsprechung Bahn brechen wird. tragen hat.

München, im November 1983 Göttingen, im Juni 1963


Claus Roxin Claus Roxin
Inhaltsverzeichnis

§ 1. Einleitung 1

Erstes Kapitel: Methodische Ansatzpunkte

§ 2. Kausale Täterlehren 4

§ 3. Teleologische Täterlehren 7

§4. Ontologische Täterlehren 13

§ 5. Der Täterbegriff als Synthese sinnerfassender und zwecksetzender


Betrachtungsweise 19

§ 6. Der Täter als Zentralgestalt des handlungsmäßigen


Geschehens 25

Zweites Kapitel:
Die Täterlehren vor der Tatherrschaftstheorie

§ 7. Die formal-objektive Theorie 34

§ 8. Die materiell-objektiven Theorien 38


I. Die Lehre von der Notwendigkeit des kausalen Beitrages
(„Notwendigkeitstheorie") 38
II. Die Lehre von der Mitwirkung vor und während der Tat
(„Gleichzeitigkeitstheorie") 41
III. Physisch und psychisch vermittelte Kausalität 44
IV. Die Lehre von der Überordnung des Täters („Überordnungstheorie") . . 49
§9. Die subjektiven Theorien 51
I. Die Dolustheorien 52
II. Die Interessentheorie 55

§ 10. Gemischte Theorien 57


XII XIII

Drittes Kapitel: §17. Die Tatherrschaft als offener Begriff 122


Entwicklung und Stand der Tatherrschaftstheorie I. Offene Begriffe 122
1. Das beschreibende Verfahren als erstes Merkmal des offenen
Begriffs, S. 123; 2. Der Einbau von Regulativen als zweites
§11. Die Entstehung der Tatherrschaftslehre 60 Merkmal des offenen Begriffs, S. 125
I. Die Entwicklung des Begriffes „Tatherrschaft" 60 IL Vorausschauender Überblick 126
II. Die dogmatischen und inhaltlichen Entstehungsgrundlagen der
Tatherrschaftstheorie 64
Fünftes Kapitel: Die Handlungsherrschaft
§ 12. Die heutigen Vertreter der Tatherrschaftslehre 68
§ 18. Die vorsätzlich-freie eigenhändige Tatbestands-
I. Welzel 68 verwirklichung 127
II. Maurach 69 §19. Die vorsätzlich-unfreie eigenhändige Tatbestands-
III. Gallas 71 verwirklichung 131
IV. Lange 75 I. Die Nötigungsfälle 131
1. Der Streitstand, S. 131; 2. Die Argumente für die Täterschaft
V. Weitere Vertreter der Tatherrschaftslehre 77
des Handelnden, S. 132; a) Gleichbleibende Ablaufsgestaltung,
1. Niese, S. 77; 2. Sax, S. 79; 3. Busch, S. 80; 4. v. Weber, S. 80;
S. 133; b) Die Natur der mittelbaren Täterschaft, S. 133;
5. Less, S. 81; 6. Jescheck, S. 82
c) Systematische Erwägungen, S. 134; d) Die Bedeutung der
Entschuldigungsgründe, S. 135; e) Akzessorietätserwägungen, S. 135
§ 13. Verwandte Lehren und Gesichtspunkte 83
IL Die vorsätzliche und ungenötigte, aber entschuldigte
I. Bockelmann 83
Tatbestandsverwirklichung 136
IL Nowakowski 84
§ 20. Die eigenhändig-vorsätzliche Verwirklichung einzelner
III. Weitere Autoren 86 Tatbestandsmerkmale 137
I. Die Erfüllung von Tatmodalitäten und die Vornahme der
§ 14. Der Tatherrschaftsgedanke in der Rechtsprechung des Tatbestandshandlung 137
Bundesgerichtshofs 90 1. Zum Meinungsstand, S. 137; 2. Genügt die Verwirklichung
irgendeines Tatbestandsmerkmales? S. 137; 3. Die Bedeutung der
Tatbestandshandlung, S. 139
IL Der Irrtum über unrechtsrelevante Situationsmomente 139
Viertes Kapitel:
Die strukturellen Grundlagen des allgemeinen Täterbegriffs
Sechstes Kapitel: Die Willensherrschaft
Vorbemerkung 107 §21. Die Willensherrschaft kraft Nötigung 142
I. Der Nötigungsnotstand (§ 52 StGB) 143
§ 15. Die Tatherrschaft als unbestimmter Begriff 108 1. Tatherrschaft des Nötigers und des Genötigten, S. 143;
I. Die Wissenschaft 108 2. Willenseinfluß ist keine Willensherrschaft, S. 143; 3. Die
Kriterien der Willensherrschaft, S. 144; 4. Teilnahmefälle beim
IL Die Praxis 110 Nötigungsnotstand, S. 148
III. Die Ursachen dieser Entwicklung 111 IL Der einfache Notstand (§ 54 StGB) 149
IV. Stellungnahme 113 1. Die vorsätzliche Herbeiführung eines Notstandes gemäß § 54
StGB, S. 149; 2. Die Tatveranlassung oder Unterstützung bei
§ 16. Die Tatherrschaft als fixierter Begriff 119 bestehender Notlage, S. 150; a) Die Aufforderung an den
Notstandstäter, S. 151; b) Die Umgestaltung der Situation zugunsten
I. Methodologische Gegenargumente 119
des Notstandstäters, S. 151
IL Dogmenhistorische Gegenargumente 120 III. Der übergesetzliche entschuldigende Notstand 153
III. Gegenargumente aus dem Wesen der Täterschaft 120 1. Die vorsätzliche Herbeiführung eines übergesetzlichen entschul-
1. Unnötigkeit schematisierender Abstraktion, S. 121 digenden Notstandes, S. 153; 2. Die Veranlassung oder Unter-
2. Mangelnde Fixierbarkeit von Sinnelementen, S. 121 stützung eines in entschuldigtem übergesetzlichen Notstand
3. Gefahr begriffsjuristischer Verfehlung des Sachgehaltes, S. 122 Handelnden, S. 155
XIV XV

IV. Notstandsähnliche Situationen 155 Qualifikationsvoraussetzungen, S. 212; B. Der error in persona


1. Die notstandsähnliche seelische Beeinflussung, S. 156; und verwandte Erscheinungen, S. 213; a) Die vierte Stufe der
2. Der Nötigungsnotstand zur Selbstverletzung, S. 158; Tatherrschaft, S. 213; b) Die Relevanz des konkreten Handlungs-
a) Zum Streitstand, S. 158; b) Stellungnahme, S. 161; sinnes für die Tatherrschaft, S. 214; C. Der Irrtum über taterhebliche
3. Die Erfolgsbewirkung durch einen genötigten, rechtmäßig . Handlungsvoraussetzungen, S. 217; D. Der Irrtum über
handelnden Dritten, S. 163 Qualifikationsvoraussetzungen, S. 219; 2. Risikoirrtum, S. 220;
A. Der psychologische Aspekt, S. 221; B. Die rechtliche Bedeutung
V. Der rechtswidrige bindende Befehl 168 des psychisch relevanten Risikoirrtums, S. 223
VI. Zusammenfassung 169 VI. Der Irrende handelt tatbestandslos oder rechtmäßig 225
1. Der Ausführende handelt tatbestandslos, S. 225;
,22. Die Willensherrschaft kraft Irrtums 170 2. Der Ausführende handelt rechtmäßig, S. 230
I. Der vorsatzausschließende, schuldlose oder unbewußt fahrlässige VII. Zusammenfassung 231
Irrtum 170
1. Der Tatmittler handelt ohne Vorsatz und Schuld, S. 170; § 23. Die Willensherrschaft bei Benutzung von Unzurechnungs-
A. Die Struktur der Willensherrschaft bei Benutzung eines fähigen und Jugendlichen 233
vorsatzlosen Werkzeuges, S. 170; a) Keine Tatbeherrschung durch
den Irrenden, S. 171; b) Keine Beherrschung der Person des I. Die Zurechnungsfähigkeit des unmittelbar Handelnden ist
Irrenden durch den Hintermann, S. 171; c) Die finale Überdeter- ausgeschlossen oder gemindert 233
mination des Kausalverlaufs als Kriterium der Willensherrschaft, S. 172; 1. Der Ausführende ist unzurechnungsfähig, S. 233;
B. Mittelbare Täterschaft bei bloßer Unterstützung des irrenden a) Die Deliktsbegehung Unzurechnungsfähiger, S. 233;
Werkzeuges, S. 173; C. Mittelbare Täterschaft bei unwesentlicher aa) Zum Meinungsstand, S. 233; bb) Der Defekt liegt im
Beeinflussung des Kausalverlaufes, S. 175; 2. Der Tatmittler intellektuellen Bereich, S. 234; cc) Der Defekt liegt im
handelt unbewußt fahrlässig, S. 178 voluntativen Bereich, S. 235; b) Die Selbstschädigung
Unzurechnungsfähiger, S. 236; 2. Der Ausführende handelt
II. Der Irrende handelt bewußt fahrlässig 180 in verminderter Zurechnungsfähigkeit, S. 237
1. Problemstellung, S. 180; 2. Finalität und bewußte Fahrlässigkeit
in der Literatur; S. 181; A. Die Finalität umfaßt auch die bewußte IL Der unmittelbar Handelnde ist ein Kind oder Jugendlicher 238
Fahrlässigkeit, S. 181; B. Die Finalität umfaßt nur die Absicht unter a) Die Tatherrschaft bei Delikten von Kindern und Jugendlichen,
Ausschluß des dolus eventualis, S. 182; C. Die Finalität umfaßt alle S. 238; b) Die Tatherrschaft bei der Selbstschädigung von
Formen des Vorsatzes unter Ausschluß der bewußten Fahrlässigkeit, Kindern und Jugendlichen, S. 240
S. 183; a) Armin Kaufmann, S. 184; b) Stratenwerth, S. 184; c) Welzel,
III. Zusammenfassung 242
S. 185; 3. Stellungnahme zu den fünf Finalitätsbegriffen unter dem
Aspekt der Tatherrschaftslehre, S. 185; 4. Ergebnis, S. 189;
§ 24. Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate 242
A. Bei übereinstimmender Kenntnis der Erfolgs-Chance: Teilnahme,
S. 189; B. Bei weiterreichender Kenntnis des Hintermannes: I. Die Fallkonstellation 242
Verschiebung der Problemstellung, S. 192; a) Irrelevanz der Vorsatz-
Fahrlässigkeitsgrenze, S. 192; b) Irrelevanz der Kausalitäts- IL Das Ausscheiden einer Nötigungs- und Irrtumsherrschaft 243
Finalitätsgrenze, S. 193
III. Die strukturellen Grundlagen der Organisationsherrschaft 244
III. Der Irrende handelt ohne das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit 193
1. Der reine Verbotsirrtum, S. 193; A. Zum Streitstand, S. 193; IV. Die digmatische Beurteilung der Täterverhältnisse im Eichmann-
a) Welzel, S. 193; b) Bockelmann, S. 194; c) Maurach, S. 194; Prozeß 246
d) Andere Autoren, S. 195; B. Keine Beherrschung der Person
V. Einzelprobleme 248
des Unmittelbaren Täters, S. 196; C. Stufen sinnhafter Tatgestaltung,
1. Täterschaft und Teilnahme innerhalb der Organisation, S. 248;
S. 197; D. Die Lösung der Problematik, S. 199; 2. Zum Irrtum
2. Beschränkung der Organisationsherrschaft auf rechtsgelöste
über sachliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes,
Apparate, S. 249
S. 205; A. Unabhängig von der Irrtumslehre: mittelbare
Täterschaft des sehenden Hintermannes, S. 205; B. Gegenstimmen, VI. Methodologische Aspekte der Organisationsherrschaft 251
S. 206; C. Stellungnahme, S. 207
IV. Der Handelnde nimmt irrig die Voraussetzungen eines Schuld- § 25. Willensherrschaft bei dolosen Werkzeugen 252
ausschließungsgrundes an 208 I. Das qualifikationslose dolose Werkzeug 253
1. Willensherrschaft kraft Nötigung? S. 208; 2. Willensherrschaft 1. Zum Meinungsstand, S. 253; 2. Der Hintermann handelt ohne
kraft Irrtums: Die dritte Stufe der Tatherrschaft, S. 209 Tatherrschaft, S. 254; 3. Die Qualifikation als psychologisches
V Der Irrende handelt tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft . . . 211 Herrschaftskriterium? S. 254; 4. Die Qualifikation als normatives
1. Der Irrtum über den konkreten Handlungssinn, S. 212; A. Seine Herrschaftskriterium? S. 256
Erscheinungsformen, S. 212; a) Der error in persona und verwandte IL Das absichtslose dolose Werkzeug 258
Erscheinungen, S. 212; b) Der Irrtum über taterhebliche
Handlungsvoraussetzungen, S. 212; c) Der Irrtum über III. Das dolose Gehilfenwerkzeug 259
XVI XVII
§26. Der Irrtum über Tätervoraussetzungen 261 §30. Die Struktur des Tatherrschaftsbegriffes 318
I. Die Verkennung tatherrschaftsbegründender Umstände 261 §31. Die dogmenhistorische Stellung der Tatherrschaft 322
1. Mittelbare Täterschaft? S. 262; a) Die Begründung der
Tatherrschaft im Schrifttum, S. 262; b) Die Kenntnis der § 32. Die systematische Stellung des Tatherrschaftsbegriffes 327
herrschaftsbegründenden Umstände als notwendiger Steuerungs- I. Die Tatherrschaft als Systemelement 327
faktor, S. 263; 2. Vollendete Teilnahme, S. 264; a) Die Meinungen, II. Die Tatherrschaft im Verhältnis zu Unrecht und Schuld 328
S. 264; b) Der Ausführende handelt vorsätzlich, S. 265; c) Der 1. Ablehnung eine „Indiztäterschaft", S. 328; 2. Die Täterschaft
Ausführende handelt unvorsätzlich, S. 266; aa) Der Ausführende als Erscheinungsform des Unrechts, S. 329; 3. Die Schuldindifferenz
handelt bewußt fahrlässig, S. 266; bb) Der Ausführende handelt ohne des Täterbegriffs, S. 330; 4. Die Tatherrschaftslehre als Argument
das Bewußtsein möglicher Tatbestandsverwirklichung, S. 267; für die Zugehörigkeit des Vorsatzes zum Tatbestand, S. 331;
3. Versuchte Teilnahme und fahrlässige Täterschaft? S. 269 5. Täterschaftsbegründende Schuldelemente, S. 332
II. Die irrige Annahme tatherrschaftsbegründender Umstände 270
1. Die Meinungen, S. 270; 2. Vollendete Teilnahme, S. 271;
3. Mittelbare Täterschaft? S. 273 Neuntes Kapitel:
Der Täterbegriff der vorsätzlichen Begehungsdelikte
Siebentes Kapitel: Die funktionelle Tatherrschaft § 33. Die Reichweite des Tatherrschaftsbegriffes 335
§ 27. Die Mitwirkung im Ausführungsstadium 275 I. Das Kriterium der Tatherrschaft als allgemeiner Täterbegriff 335
I. Möglichkeit und Struktur gemeinsamer Tatherrschaft 275 II. Tatherrschaft, Zueignungsdelikte und das Problem des absichtslosen
dolosen Werkzeugs 338
II. Die Mittäterschaft als funktionelle Tatherrschaft 277 1. Der Diebstahl und das absichtslose dolose Werkzeug, S. 339;
III. Die funktionelle Tatherrschaft 282 a) Zum Streitstand, S. 339; b) Die Lösung, S. 341;
c) Zum Problem des „absichtslosen dolosen Werkzeugs"
IV. Einzelfragen 285 im allgemeinen, S. 345; 2. Die Unterschlagung, S. 347;
1. Die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses, S. 285; a) Die einseitige
3. Hehlerei und Wilderei, S. 350
Unkenntnis des Zusammenwirkens, S. 285; b) Der Exzeß des
Mittäters, S. 286; c) Der error in persona eines Mittäters, S. 286; § 34. Pflichtdelikte 352
d) Mittäterschaft kraft „kausalen Mitwirkens" ? S. 288; e) Mittäter- I. Zur Einführung 352
schaft bei ausgeschlossener oder geminderter Schuld eines
Beteiligten, S. 288; f) Mittäterschaft bei Verwirklichung ungleich- II. Die Mittäterschaft bei den Pflichtdelikten 355
artiger Tatbestände, S. 289; 2. Sukzessive Mittäterschaft, S. 289 III. Die mittelbare Täterschaft bei den Pflichtdelikten 360
IV. Zum Problem der Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat bei den
§ 28. Die Mitwirkung im Vorbereitungsstadium 292 Pflichtdelikten 364
I. Der Streitstand 292 1. Die Akzessorietät bei den Herrschaftsdelikten, S. 365; 2. Die
Akzessorietät bei den Pflichtdelikten, S. 367; A. Folgerungen aus
II. Keine Mittäterschaft des Vorbereitenden 294 dem Täterbegriff der Pflichtdelikte, S. 367; B. Teleologische
III. Auseinandersetzung mit Welzel 295 Erwägungen, S. 371; a) Erstreckung der Täterschaft auf Nicht-
IV. Das Problem des Bandenchefs 298 qualifizierte ? S. 371; b) Erweiterung der Organhaftung als
Problemlösung? S. 371; c) Einwände aus dem Akzessorietätsprinzip?
V. Arbeitsteilung und Mittäterschaft 300 S. 372; d) Verfälschung der Tatbestandsstruktur? S. 372;
VI. Die Abgrenzung von Vorbereitung und Ausführung 302 e) Überdehnung der Strafbarkeit ? S. 374; f) Einwände aus dem
positiven Recht? S. 376; g) Ergebnisse, S. 378
V Der Pflichtgedanke in der Entwicklung der Tatherrschaftslehre 379
Achtes Kapitel: 1. Übereinstimmungen und Unterschiede im Täterbegriff der
Tatherrschaft und gegenwärtiger Meinungsstand Herrschafts- und Pflichtdelikte, S. 379; 2. Extensiver Täterbegriff,
Pflicht und Herrschaft bei Eb. Schmidt, S. 380; 3. Die Ineinssetzung
§ 29. Die inhaltliche Bestimmung des Tatherrschafts-Begriffs 307 von Tatherrschaft und Pflicht bei Lange und Gallas, S. 382;
4. Tatherrschaft und Pflicht als gemeinsame Tätervoraussetzungen
I. Der maßgebende Einfluß auf Hergang und Erfolg der Tat 307 bei Welzel und Maurach, S. 383; 5. Die Anwendung des Pflicht-
II. Das Ablaufs-und Hemmungsvermögen 310 gedankens auf Herrschaftsdelikte bei Hardwig, S. 384
III. Die Möglichkeit, dem Geschehen die entscheidende Wendung zu geben . 313 VI. Der Erstreckungsbereich der Pflichtdelikte 384
1. Allgemeine Fragen, S. 384; 2. Die Beleidigung, S. 388;
IV. Die Tatmacht 313 3. Unechte eigenhändige Delikte, S. 392
V. Die Willensunterordnung 314 VII. Systematische Hinweise 395
VI. „Tatherrschaftswille" und „Urhebergefühl" 315 1. Pflichtdelikte und Systemeinheit, S. 395; 2. Der Täter der
1. Der „Tatherrschaftswille", S. 315; 2. Das „Urhebergefühl", S. 318 Pflichtdelikte als Subjekt des Unrechts-Gesamttatbestandes, S. 397
XVIII
§ 35. Eigenhändige Delikte 399 IV. Die unterlassene Selbstmordhinderung 473
I. Zum Problem- und Meinungsstand 399 1. Die Untauglichkeit der Teilnahmelehre für die Lösung der
Problematik, S. 473; 2. Auseinandersetzung mit Gallas, S. 474;
II. Die Wortlauttheorie 402 3. Zur Problematik der Garantenstellung, S. 475
1. Ihre Hauptvertreter, S. 402; 2. Kritik, S. 402
III. Die Körperbewegungstheorie 405 § 38. Die Teilnahme durch Unterlassen 476
1. Ihre Hauptvertreter, S. 405; 2. Kritik, S. 406
I. Die Ausgangsproblematik 476
IV. Die „Intensitätstheorie" 409
II. Die Teilnahme bei fehlendem Unterlassungstatbestand 477
V. Die eigene Lösung 410 1. Der Ausschluß der Unterlassungstäterschaft trotz bestehender
1. Die täterstrarrechtlichen Delikte, S. 410; 2. Verhaltensgebundene Erfolgsabwendungspflicht, S. 477; a) Die Voraussetzungen der
Delikte ohne Rechtsgüterverletzung, S. 412; a) Die Begründung Garantengebotstatbestände, S. 477; b) Beispiele fehlender Unter-
der Eigenhändigkeit, S. 412; b) Über die Eigenhändigkeits- lassungstatbestände, S. 479; A) Die eigenhändigen Delikte, S. 479;
Rechtsprechung des BGH und über die Täterschaft bei den B) Die höchstpersönlichen Pflichtdelikte, S. 480; C) Die
Sittlichkeitsdelikten im allgemeinen, S. 416 Zueignungsdelikte, S. 481; 2. Die Begründung der Unterlassungs-
VI. Die Akzessorietät bei den eigenhändigen Delikten 420 teilnahme trotz bestehender Erfolgsabwendungspflicht, S. 483
1. Teilnahme an unvorsätzlicher Tat? S. 420; 2. Extreme III. Teilnahme bei fehlender Erfolgsabwendungspflicht 485
Akzessorietät bei eigenhändigen Straftaten, S. 425 1. Unterlassen als positive Tatförderung, S. 485; 2. Die unterlassene
VII. Die Eigenhändigkeit bei einigen umstrittenen Tatbeständen 427 Taterschwerung als Beihilfe ? S. 489
1. Ehebruch und Doppelehe, S. 427; 2. Rechtsbeugung, S. 428;
3. Rauschtat, S. 430; 4. Zusammenfassender Rückblick, S. 433 IV. Abweichende Auffassungen 489
1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, S. 489; 2. Armin
§ 36. Zusammenfassungen und Ergänzungen 433 Kaufmann, S. 493; 3. Gallas und Kielwein, S. 496; 4. Schröder,
S. 506; 5. Versuche einer Abstufung der Garantenpositionen
I. Die Möglichkeit anderer Täterkriterien 434 (Gallas, Schröder), S. 508
1. Gesinnungsmerkmale als täterschaftliche Umstände? S. 434;
a) Straferhöhende Gesinnungsmerkmale, S. 435; b) Strafbegrün- §39. Anstiftung und Beihilfe zur Unterlassungstat 510
dende Gesinnungsmerkmale, S. 436; 2. Tatbestands- und delikts-
gruppenbezogene Täterbegriffe, S. 441; a) Die Tatbestandsbezogen- I. Schließt ein fehlender Unterlassungsvorsatz die Möglichkeit einer
heit des Täterbegriffs im Verhältnis zu den generellen Täterkriterien, Anstiftung zum Unterlassen aus? 510
S. 441; b) Deliktsgruppenbezogene Täterbegriffe, S. 445 II. Sprechen Gerechtigkeits- und Strafwürdigkeitserwägungen gegen die
II. Positivität und Verbindlichkeit des Täterbegriffs 447 Annahme einer Anstiftung zum Unterlassen? 513
1. Zufallsergebnisse? S. 513; 2. Ist eine Anstiftung bei Unter-
III. Der Einheitstäterbegriff 451 lassungsdelikten vergleichsweise strafwürdiger als bei
IV. Die Täterschaft beim versuchten Delikt 452 Begehungstaten? S. 516
1. Die Täterkriterien bei nicht durchgeführter Tat, S. 452 III. Läßt sich die Anstiftung zum Unterlassen als unmittelbare
2. Adäquanz, Versuch und Tatherrschaft, S. 456 Begehungstäterschaft auffassen ? 518
1. Die Lehre Armin Kaufmanns und Welzels, S. 518; 2. Das
Tatherrschaftserfordernis als täterschaftsausschließender Faktor,
S. 520; 3. Die praktische Undurchführbarkeit der Begehungstäter-
Zehntes Kapitel: lösung, S. 521; 4. Die Strafbarkeitslücken der Begehungstäter-
Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen lösung, S. 524

§ 37. Der Täter des Unterlassungsdelikts 458 IV. Beihilfe zum Unterlassen 525

I. Einleitung 458
II. Die Unterlassungsverbrechen als Pflichtdelikte 459 Elftes Kapitel:
1. Die Erfolgsabwendungspflicht als täterschaftsbegründendes
Element, S. 459; 2. Das Ausscheiden des Tatherrschaftsgedankens, Problem, System und Kodifikation in der Täterlehre
S. 462; a) Die Eingriffsmöglichkeit als Unterlassungsherrschaft?
S. 463; b) Der Unterlassende als Träger „sozialer" Tatherrschaft? § 40. Gedanken zu einem System der Täterlehre 527
S. 465; 3. Der Begriff des Unterlassungstäters bei Armin Kaufmann
und Grünwald, S. 467 I. Zusammenfassung der Ergebnisse 527
II. Zur Dialektik des Täterbegriffs 528
III. Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft bei Unterlassungen 469
1. Mittäterschaft, S. 469; a) Mehrere Unterlassende als Mittäter, III. Dogmatische Folgerungen 532
S. 469; b) Handelnder und Unterlassender als Mittäter, S. 470; 1. Die zwei Hauptfehler der Teilnahmedogmatik, S. 532; 2. Der
2. Mittelbare Täterschaft, S. 471 „Widerstand der Sache" als Kriterium inhaltlicher Richtigkeit, S. 533
XX

3. Herausarbeitung statt Nivellierung der Gegensätze, S. 535 a) Der Nötigungsnotstand und das Verantwortungsprinzip, S. 685;
b) Andere Einwirkungen auf den Notstandstäter, S. 686;
IV. Probleme und Systeme in der Täterlehre 536
c) Die Nötigung zur Selbstverletzung und Selbstschädigung, S. 688;
3. Die Mitwirkung bei den Taten Schuldunfähiger, bei Kindern,
§41. Zur Kodifikation der Täterlehre 539
- _ Jugendlichen und vermindert Schuldfähigen, S. 693; a) Schuld-
unfähige, Kinder und Jugendliche, S. 693; b) Vermindert
Schuldfähige, S. 694; 4. Die Irrtumsherrschaft, S. 695;
Zwölftes Kapitel: a) Das vorsatzlos handelnde Werkzeug, S. 695;
b) Zur abweichenden Struktur der Irrtumsherrschaft im
Schlußteil 2006 Verhältnis zur Nötigungsherrschaft, S. 696; c) Die Benutzung
Zum neuesten Stand der Lehre von Täterschaft und Teilnahme eines im Verbotsirrtum handelnden Mittelsmannes, S. 697;
d) Die Täuschung über den konkreten Handlungssinn, S. 700;
§ 42. Die Entwicklung von Täterschaft und Teilnahme in der Gesetzgebung . . . . 546 5. Die Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate,
S. 704; a) Zur Begründung der mittelbaren Täterschaft, S. 704;
A. Die eigenhändige Tatbestandsverwirklichung 546 b) Die Mittäterschaftsthese, S. 709; c) Die Annahme einer
B. Teilnahme nur bei vorsätzlicher Tat 552 Anstiftung, S. 711; d) Ausdehnung der „Organisations-
herrschaft" auf Wirtschaftsunternehmen ?, S. 715; 6. Das
C. Die Beteiligung an vermeintlich vorsätzlicher Tat 556 absichtslos dolose Werkzeug, S. 718
III. Die funktionelle Tatherrschaft 719
§ 43. Die Entwicklung der Lehre von Täterschaft und Teilnahme 1. Zur Grundkonzeption, S. 719; 2. Der gemeinsame
in der Rechtsprechung 558 Tatentschluß, S. 723; 3. Die gemeinsame Tatausführung, S. 725;
4. Die Erheblichkeit des Tatbeitrages im Ausführungsstadium, S. 733;
A. Die Urteile der Jahre 1962-2005 558 5. Die additive Mittäterschaft, S. 733; 6. Alternative Tatbeiträge
B. Resümee 642 S. 735; 7. Error in persona und sukzessive Mittäterschaft, S. 736;
8. Fahrlässige Mittäterschaft, S. 737
C. Rechtspolitische, systematische und dogmatische Hintergründe
der neueren Rechtsprechung 646 C. Pflichtdelikte 739
§ 44. Die Entwicklung der Lehre von Täterschaft und Teilnahme I. Allgemeines 739
in der Wissenschaft 655 II. Das qualifikationslose dolose Werkzeug 746
A. Grundsätzliches zur neueren Entwicklung der Täterlehre 655 III. Täterschaft und Teilnahme durch Unterlassen 750
I. Die Tatherrschaftslehre heute 655 D. Eigenhändige Delikte 757
II. Schmidhäusers Ganzheitstheorie 659
Literaturverzeichnis bis 1963 763
III. Steins Beteiligungsformenlehre 660
IV. Die idealistische Konzeption von Köhler und Klesczewski 662 Literaturverzeichnis 1963-2006 773
V Die Wiederbelebung der formal-objektiven Theorie durch Freund 665
VI. Die Entscheidungsträgerschaft bei Heinrich 668 Paragraphenverzeichnis 785
VII. Das Täter-Teilnehmer-System bei Schild 669
Verzeichnis höchstrichterlicher Entscheidungen 789
VIII. Bemerkungen zur Methode 670
1. Renzikowski, S. 670; 2. Klesczewski, S. 671 Sachverzeichnis zum Hauptteil 793
• B. Herrschaftsdelikte 673
Sachverzeichnis zum Schlußteil 2006 813
I. Handlungsherrschaft ^73
II. Willensherrschaft 677
1. Grundsätzliches zur Struktur der mittelbaren Täterschaft, S. 677; Verzeichnis der Rezensionen 819
a) Die Leugnung der mittelbaren Täterschaft bei Schild, S. 677;
b) Die Leugnung der Tatherrschaft als Kriterium mittelbarer
Täterschaft bei Stein und Köhler, S. 678; c) Das Prinzip der
Autonomie bzw. der Selbstverantwortung des anderen als
Kriterium der Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und
Anstiftung, S. 678; aa) M.-K. Meyer, S. 679; bb) Schumann,
S. 680; cc) Renzikowski, S. 681; d) Der Hemmschwellen-Gedanke
bei Heinrich, S. 684; 2. Die Nötigungsherrschaft, S. 685;
§ 1 . Einleitung

Unser geltendes Strafgesetzbuch unterscheidet unter mehreren an einer


Straftat Beteiligten zwischen Tätern, Anstiftern und Gehilfen (§§ 47ff StGB),
und auch im kommenden Strafrecht soll diese Dreiteilung aufrechterhalten
werden (vgl. §§29 ff Entwurf 1962). Trotz einer umfangreichen Judikatur
und einer bis weit in das verflossene Jahrhundert zurückgehenden unüber-
sehbaren Literatur, trotz reichen praktischen Anschauungsmaterials und
zahlreicher scharfsinniger Theorien ist es jedoch bis heute nicht gelungen,
diese Beteiligungsformen in befriedigender Weise voneinander abzugren-
zen. „Die Teilnahmelehre 1 ist das dunkelste und verworrenste Kapitel der
deutschen Straf rechts Wissenschaft", klagte Kantorowicz 2 schon im Jahre
1910, Binding 3 nahm dieses Wort bald danach auf, und noch in der Sitzung
der Großen Strafrechtskommission vom 3. Februar 1955 berief sich Richard
Lange 4 auf den Ausspruch, um die in der Debatte zutagegetretenen durchaus
widerstreitenden Ansichten zu erklären.
Unversöhnt standen sich lange Jahrzehnte die Meinungen gegenüber. Das
Reichsgericht hielt an der von ihm schon in den ersten Entscheidungen
entwickelten sog. subjektiven Teilnahmetheorie 5 bis zuletzt unbeirrt fest
und forderte damit das Schrifttum zu ungewohnt heftiger Kritik heraus.
Obwohl beispielsweise Max Ernst Mayer 6 diese Lehre „eine nicht zu über-
bietende sophistische Verdrehung des Gesetzes" nannte und Beling 7 sie
als „ein das Gesetz ausschaltendes und im Ergebnis oft kraß vergewaltigen-
des reines Phantasieprodukt" bezeichnete, obwohl Rosenfeld 8 sie im Jahre
1930 für der Widerlegung gar nicht mehr bedürftig hielt, nahm die Recht-
sprechung von den vielfältigen Argumenten ihrer Gegner nicht einmal
Notiz. Andererseits konnte sich aber auch in der Wissenschaft keine der
zahlreichen unterschiedlichen Ansichten auf die Dauer durchsetzen 9 .

1
im weiteren, die Täterschaft einschließenden Sinne, wie er durch die Überschrift des
3. Abschnitts unseres StGB gekennzeichnet wird.
2
Aschaffenburgs Monatsschrift (= Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechts-
reform), 7. Jahrg., 1910, S. 306
3
Abhandlungen, S. 253
4
vgl. Niederschriften, 2. Band, S. 96
5
Grundlegend sind die Urteile RGSt 2, 160-164; 3, 181-183
6
Lehrbuch, S. 402
7
Gerichtssaal, Bd. 101, 1932, S. 10
8
Frank-Festgabe II, S. 169
9
vgl. dazu im einzelnen unten S. 35-59
2 3

In die beinahe erstarrten Fronten ist erst in den letzten 25 Jahren wieder Daraus entsteht für die Darstellung eine Schwierigkeit. Denn da das ein-
lebendige Bewegung gekommen. Die von Lange 10 vorbereitete, bald darauf schlägige Schrifttum seit Beginn des 19. Jahrhunderts fast unübersehbar groß
von Welzel in seinen „Studien zum System des Strafrechts"'' zum ersten- ist, ist es weder möglich noch sinnvoll, alles, was zu diesem Thema je gesagt
mal umfassend entwickelte und später besonders von Gallas 12 ausgebaute worden ist, in gleicher Breite zu referieren und einer so ermüdend umfang-
Theorie der „finalen Tatherrschaft" steht seither im Mittelpunkt der Dis- reichen und verschlungenen Dogmengeschichte erst nachträglich die eigene
kussion. Sie hat in der Wissenschaft bald zahlreiche Anhänger gefunden Meinung anzuhängen. Vollständigkeit der Belege ist nur bei Behandlung der
und kann heute beinahe schon als herrschend bezeichnet werden 13 . Auch der Tatherrschaft erstrebt worden. Im übrigen muß das gesamte historische
Bundesgerichtshof hat den terminus „Tatherrschaft" in mehreren Entschei- Material von vornherein durchgefiltert werden im Hinblick darauf, was für
dungen übernommen' 4 und sogar schon der Erwägung Raum gegeben, ob die Täterlehre heute noch verwertbare Ansätze bietet und zum Verständnis
nicht diese Lehre gegenüber der die Rechtsprechung seit eh und je beherr- ihrer Entwicklung wesentlich ist. Es ist daher erforderlich, schon zu Beginn
schenden subjektiven Theorie vorzuziehen sei 15 . Selbst die Begründungen der Abhandlung einige methodische Gesichtspunkte herauszuarbeiten, die
der neuesten Strafgesetzentwürfe arbeiten mit dem Kriterium der Tatherr- für die Bestimmung des Täterbegriffs leitend sein und einen Maßstab für die
schaft16, ohne freilich diese Lehre gesetzlich festlegen zu wollen. Ordnung und kritische Sichtung der verwirrend vielfältigen Auffassungen
Es fehlt aber auch nicht an skeptischen Stimmen. So meint etwa Engisch 17 , bieten können. Auf diese Weise sind in der gesamten Arbeit die dogmen-
der Begriff der Tatherrschaft führe nicht wesentlich über ältere, verwandte geschichtliche Darstellung, die Kritik anhand übergeordneter Maßstäbe und
Vorstellungen hinaus; Baumann 18 sagt, „daß in der Tatherrschaft ein neu- die daraus abgeleitete Entwicklung eines sachgerechten Täterbegriffes nicht
artiges und selbständiges Kriterium ... nicht gefunden" sei; Hardwig 1 9 ist getrennt, sondern ineinander verwoben worden, so daß jeder Abschnitt
der Auffassung, der Begriff der Tatherrschaft sei nicht der „Endpunkt der allen drei Zwecken zugleich dient und die vorgeschlagene Lösung sich im
theoretischen Durchdringung", und Schwalm 20 hält die Ersetzung des Laufe der Darstellung im Fortschreiten des Gedankenganges schrittweise
„Täterwillens" durch die „Tatherrschaft" für eine bloße Vertauschung gleich enthüllt. O b ein solches Verfahren fruchtbar ist, möge die folgende Ab-
inhaltloser Begriffe. Gerade bei den jüngsten Beratungen der Strafrechts- handlung zeigen.
kommission hat die resignierende Meinung, daß eine brauchbare Abgren- Zwei sachliche Hinweise seien noch vorangestellt: Die Behandlung des
zung der Teilnahmeformen niemals gefunden werden könne, wieder zur kriminologischen Täterbegriffes gehört nicht zum Thema dieser Arbeit. -
Forderung nach dem Einheitstäterbegriff geführt 21 . Und auf selbständige rechtsvergleichende Untersuchungen ist verzichtet
Dieser Stand der Dinge rechtfertigt es, den ganzen Problembereich noch worden, weil auf diesem Gebiet aus jüngerer Zeit mehrere sorgfältige Dar-
einmal aufzugreifen und unter Einbeziehung der in den letzten Jahrzehnten stellungen vorliegen 22 .
gewonnenen Erkenntnisse neu zu durchdenken. Es entspricht der Bedeu-
tung, zu der die Tatherrschaftslehre gelangt ist und dem Umstand, daß sie
noch niemals eine eingehende monographische Würdigung erfahren hat,
daß diese Theorie - ihre Stellung in der Entwicklung der Täterlehre und
die Tragweite ihrer Ansätze - dabei den größten Raum einnehmen muß.
Allerdings kann sich die Arbeit keineswegs auf sie beschränken. Denn da
es uns um die Begriffe von Täterschaft und Teilnahme schlechthin geht, ver-
dienen auch alle anderen Lehren Berücksichtigung, soweit sie heute noch
von Belang sind.

10
„Der m o d e r n e Täterbegriff", 1935
" ZStW, Bd. 58, 1939, S. 537ff.
12
G u t a c h t e n , 1954, S. 121 ff; Sonderheft Athen, 1957, S. 3ff.
13
D a r ü b e r im einzelnen unten S. 6 8 - 8 9
14
D a z u die Zusammenstellung unter S. 9 0 - 1 0 6
15
vgl. B G H S t 8, 395
16
vgl. E n t w u r f 1958; S. 36; E n t w u r f 1960, S. 139; E n t w u r f 1962, S. 147/48
17
ZStW, Bd. 66, 1954, S. 383
18
J Z 1958, S. 232
19
G A 1954, S. 353 Dietz, Täterschaft u n d Teilnahme im ausländischen Straf recht, 1957
20
Niederschriften, 2. Bd., S. 89 Straub, Täterschaft u n d Teilnahme im englischen Strafrecht, 1952
21
Schwalm a. a. O . S. 90; Krille, Niederschriften, a. a. O . S. 99 Benakis, Täterschaft u n d Teilnahme im deutschen u n d griechischen Strafrecht, 1961
5

Kausalbegriff zur Lösung der Problematik von Täterschaft und Teilnahme


führen könne. „Die Lehre von der Kausalität ist für die Teilnahme von der
entschiedensten Bedeutung" schrieb v. Buri 3 , und Birkmeyer ging in seiner
umfangreichen Monographie 4 ohne weiteres davon aus, daß „die Lehre von
der Teilnahme die Lehre von der Kausalität zu ihrer wissenschaftlichen
Basis hat."
Freilich läßt dieser methodische Ansatzpunkt für recht unterschiedliche
Lösungen Raum. Man kann die von ihm aus vertretbaren Auffassungen in
Erstes Kapitel zwei große Gruppen teilen, die sich danach unterscheiden, ob man alle
logischen Bedingungen eines Erfolges für gleichartig hält oder ob man
Methodische Ansatzpunkte glaubt, die einzelnen Beteiligungsformen auf eine verschiedene Art der Ver-
ursachung zurückführen zu können.
Wenn man den Begriff der Täterschaft bestimmen und von den übrigen Für die erste Auffassung von der Gleichartigkeit aller Bedingungen liegt
gesetzlichen Beteiligungsformen abgrenzen will, so kann man dabei ver- es nahe, den Unterschied zwischen Tätern, Gehilfen und Anstiftern über-
schiedene Denkwege einschlagen, die das Ergebnis in einem gewissen, noch haupt zu leugnen und vom Begriff des Einheitstäters auszugehen. So lesen
näher zu bestimmenden Grade beeinflussen. Man tut also, um nicht un- wir z.B. bei v. Liszt noch in der letzten von ihm selbst besorgten Auflage 5 :
kritischer Einseitigkeit zu verfallen und einzelne Lösungen von vornherein „Aus dem Begriff der Ursache folgt, daß jeder, der durch Setzen einer
auszuschließen, gut, sich zunächst auf die Methode seines Vorgehens zu Bedingung zu dem eingetretenen Erfolge an dessen Herbeiführung sich
besinnen. beteiligt, den Erfolg verursacht hat; daß, da alle Bedingungen des Erfolges
Das Problem der Täterschaft hat nie im Mittelpunkt der strafrechtsmetho- gleichwertig sind, zwischen den einzelnen an der Herbeiführung des Erfol-
dologischen Erörterungen gestanden. Doch lassen sich die Wandlungen, ges Beteiligten ein begrifflicher Unterschied nicht besteht ..." Die danach
denen das strafrechtliche Denken unter dem Einfluß geistesgeschichtlicher allein folgerichtige Lösung, nämlich der Verzicht auf verschiedene Beteili-
Strömungen in den letzten hundert Jahren unterworfen gewesen ist, auch auf gungsformen, war aber durch die vom Gesetz vorgenommene Differen-
diesem Teilgebiet der Dogmatik deutlich verfolgen. zierung ausgeschlossen. Der Einheitstäterbegriff konnte daher nur als For-
derung de lege ferenda vertreten werden. Kennzeichnend dafür ist etwa
Heimberger 6 , der unabhängig von den kriminalpolitischen Forderungen
§ 2 . Kausale Täterlehren der Liszt-Schule das Verlangen nach dem Einheitstäter allein aus der Kausal-
lehre ableitete und aus ihr folgerte: Er (seil, der Gesetzgeber) „soll mich
Die ersten Jahrzehnte der Geltung unseres Strafgesetzbuches standen im nicht zwingen, zu unterscheiden, wo mir das Unterscheidungsvermögen
Banne des naturalistischen Positivismus, der die Geisteswissenschaften dem fehlt".
naturwissenschaftlichen Denken unterwerfen und auch die rechtlichen Auf der Grundlage des geltenden Rechts blieb, wenn man dem kausalen
Phänomene auf bloße Kausalabläufe und verschieden geartete Kausalver- Ansatzpunkt treu bleiben wollte, konsequenterweise nur die Möglichkeit,
knüpfungen reduzieren wollte 1 . Auf die Lehre von Täterschaft und Teil- die Unterschiede zwischen den Beteiligungsformen auf die subjektive Tat-
nahme übertragen, bedeutet das: Die verschiedenen an einem Delikt be- seite zu verlegen 7 ; denn wenn man - unter dem Zwang des Gesetzes, nach
teiligten Personen beschäftigen das Strafrecht in erster Linie unter dem dem man angetreten - nur den Kausalablauf berücksichtigte und alle Be-
Gesichtspunkt ihrer kausalen Mitwirkung bei der Erfolgsherbeiführung. dingungen als äquivalent betrachtete, bot die objektive Tatseite schlechter-
• Über diesen Punkt bestand bei aller Unterschiedlichkeit der Ergebnisse dings keine Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen verschiedenen
weithin Einigkeit, v. Bar formulierte nur die damalige Grundanschauung, Beteiligten.
wenn er schrieb 2 : „Die Lehre von der Teilnahme ... kann als besondere An- Daher mußte die kausale Methode vom Boden der Äquivalenztheorie
wendung der Lehre von der Kausalität betrachtet werden." Die Haupt- aus mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zur subjektiven Teilnahmelehre
vertreter der einander heftig bekämpfenden subjektiven und objektiven
Theorie, v. Buri und Birkmeyer, waren sich einig darüber, daß allein der
3
Ü b e r Kausalität u n d deren V e r a n t w o r t u n g , 1873, S. 102
4
Die Lehre von der Teilnahme u n d die Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts,
1890, S. 5
5
' vgl. zu den allgemeinen geistesgeschichtlichen G r u n d l a g e n Welzel, N a t u r a l i s m u s u n d Lehrbuch, 21./22. Aufl., 1919, S. 204
6
Wertphilosophie, S. 1-40 Mitteilungen, S. 534-540 (538)
7
2
Die Lehre vom Kausalzusammenhange, 1871, S. VII v. Liszt selbst ist diesen Weg bekanntlich nicht gegangen.
6 7

führen, wie sie bekanntlich von Buri mit so großem Erfolge entwickelt die Erscheinungen der Außenwelt ihr unterworfen sind, zur Erfassung
hat 8 . Wenn er sagt, eine relevante Verschiedenheit der Wirksamkeit (des rechtlicher Sinn- und Bedeutungszusammenhänge nichts beitragen kann. O b
Urhebers 9 und des Gehilfen) für den Erfolg erkenne die subjektive Theorie jemand Täter oder Teilnehmer ist, kann ich nur sagen, wenn ich den Sinn
so wenig an, „daß ihre ganze Existenz durch die Gleichartigkeit der Wirk- der Bestimmungen erfasse, die von dieser Unterscheidung ausgehen. Eine
samkeit des Urhebers und des Gehilfen bedingt ist" 10, so zeigt das sehr deut- kausale Betrachtungsweise kann mir zwar die Verknüpfung äußerer Gesche-
lich, daß seine Teilnahmelehre für ihn ihre Daseinsberechtigung allein seiner hensabläufe verständlich machen, über ihre rechtliche Bedeutung aber kann
Kausaltheorie verdankt. sie nichts aussagen. Sie ist sinn- und wertblind.
Diese Ableitung der subjektiven Theorie aus der kausalen Methode Dennoch hat dieser Rückblick auf die ersten Jahrzehnte der Teilnahme-
findet sich auch in der Rechtsprechung. Eine für die spätere Judikatur lehre mehr als nur historisches Interesse. Er zeigt, daß ein methodisches
grundlegende Entscheidung aus dem Jahre 1 8 8 1 " meint, es könne zwischen Prinzip nicht nur eine Problemlösung ermöglicht, sondern zu sehr unter-
Gehilfen und Mittätern eine Verschiedenheit nicht bestehen und der Gehilfe schiedlichen Ergebnissen führen kann. Er lehrt aber andererseits, daß die
müsse stets Mittäter sein, „wenn diese Verschiedenheit aus der objektiven Methode auch nicht gleichgültig ist, so daß man sie unbeachtet lassen dürfte.
Beschaffenheit der gemeinschaftlich geäußerten Tätigkeit hergeleitet werden Denn sie schneidet den Weg zur Entdeckung zahlreicher anderer Lösungs-
müßte. Darum kann die Verschiedenheit zwischen Hülfeleistung und möglichkeiten von vornherein ab. So ist es z. B. vom kausalen Ansatzpunkt
Mittäterschaft nur eine subjektive, durch die Verschiedenheit des Willens her nicht denkbar, den Täterbegriff etwa nach Kriterien wie denen der
des Gehülfen und des Mittäters begründete sein". Eine von diesem Strafwürdigkeit, der Intensität der verbrecherischen Energie, der zweck-
Ausgangspunkt abweichende Begründung hat die subjektive Teilnahme- tätigen Beherrschung des Geschehensablaufes oder des sozialen Bedeutungs-
theorie in der Rechtsprechung nie erfahren. Es ist also immerhin bemerkens- gehaltes der Tat zu bestimmen. Derartige mögliche Denkwege kommen gar
wert, daß eine Lehre, die - wenigstens der Form nach - noch heute vom nicht erst in den Blick.
Bundesgerichtshof festgehalten wird, methodisch auf einem Wege gewonnen Aber noch ein weiteres zeigt diese kurze Darstellung: So wenig eine
worden ist, über dessen Ungangbarkeit heute kein Zweifel mehr bestehen Methode nur eine Lösung zuläßt, so wenig ist ein Ergebnis schon deshalb
kann. unrichtig, weil es auf methodisch fehlerhaftem Wege gewonnen worden ist.
Aber auch die materiell-objektiven Theorien sind zunächst auf dem Man macht es sich zu leicht, wenn man, wie es oft geschehen ist, die subjek-
Boden einer reinen Kausalbetrachtung entstanden, obwohl sie sachlich tive Theorie schon deshalb für widerlegt hält, weil sie ihren Siegeszug
durchaus im Gegensatz zum Äquivalenzgedanken stehen. Denn wenn man unter dem Banner des Kausaldogmas angetreten hat. Sie kann ja auch von
glaubte, unter den Bedingungen des Erfolges kausale Unterschiede heraus- anderen Ausgangspunkten her eine richtige Lösung darstellen. Ebenso
finden und etwa zwischen Ursache und Bedingung unterscheiden zu ist es möglich, daß von den kausalen Verschiedenheiten, die zu den zahl-
können, so mußte man von dem einmal gegebenen methodischen Ausgangs- reichen objektiven Theorien geführt haben, einzelne sich auch vom
punkt her diese Unterschiede zur Grundlage der Abgrenzung von Täter- Gesichtspunkt einer rechtlich wertenden oder sinnerforschenden Betrach-
schaft und Teilnahme machen. Auf diese Weise sind die überaus zahlreichen, tungsweise aus als bedeutsam erweisen könnten. Im Hinblick darauf werden
diese kausalen Differenzierungen später noch zu untersuchen sein 13 .
nach Arten und Graden der Kausalität differenzierenden objektiven Theo-
rien entstanden, deren Darstellung im einzelnen hier nicht erforderlich
ist 12 .
O b man nun vom kausalen Ansatzpunkt her die Täterschaft von der § 3 . Teleologische Täterlehren
Teilnahme nach subjektiven oder nach objektiven Gesichtspunkten ab-
grenzte oder ob man die ganze Unterscheidung überhaupt verwarf: Heute ist Seit den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts war die naturalistisch-kausale
die Zeit einer solchen kausalen Methode endgültig vorbei. Es bedarf Denkweise in der Rechtswissenschaft endgültig überwunden. Man besann
keiner Diskussion mehr darüber, daß die Kategorie der Kausalität, so_sehr sich auf die Eigenständigkeit der Kulturwissenschaften gegenüber den
Naturwissenschaften und entwickelte spezifisch geisteswissenschaftliche
Methoden zur Bewältigung des Rechtsstoffes. Im Bereiche des Strafrechts
8
gewann dabei die neukantianische Schule in ihrer Ausprägung durch
Zuerst in: „Zur Lehre von der Teilnahme an d e m Verbrechen u n d der Begünstigung",
die sog. südwestdeutsche Wertphilosophie entscheidenden Einfluß 1 . Sie
1860
9
des Täters nach heutigem Sprachgebrauch.
10
G A , Bd. 17, 1869, S. 234
11
R G S t 3 , 181 ff. (182) 13
12 Siehe unten S. 38ff.
Die beste Übersicht ü b e r die verschiedenen Auffassungen gibt Perten, S. 11-34; vgl. 1
M a ß g e b e n d w u r d e n insbesondere die methodologischen Arbeiten von Rickert u n d die
im übrigen die Auseinandersetzung mit den materiell-objektiven T h e o r i e n unten
„Rechtsphilosophie" von Lask.
S. 38-51
8 9

unterschied zwischen dem Reich des (empirisch und wertfrei aufgefaßten) hülfe überhaupt keine Rolle"; Wegner 10 wandte sich gegen „das einseitige
Seins und dem Reich der menschlicher Setzung entspringenden Werte und Abstellen auf die Verursachungsfrage"; und um das Jahr 1930 bekannten
faßte die Kulturerscheinungen als das Produkt einer Umformung der wert- sich alle großen Lehrbücher zu einer teleologischen Lösung der Teilnahme-
freien Wirklichkeit durch den sinn- und zwecksetzenden menschlichen Geist problematik 11 .
auf. Rechtliche Ordnungsprinzipien und Bedeutungsinhalte sind danach Den Täterbegriff auf der Basis einer solchen normativ - teleologischen
nicht aus der Wirklichkeit herauszulesen, sondern werden durch die vom Methode zu entwickeln, hat dann in umfassender Weise zuerst Eberhard
Zweckgedanken beherrschte Begriffsbildung erst in sie hineingetragen. So Schmidt in seiner grundlegenden Abhandlung über „Die mittelbare Täter-
wird „die Gesamtheit der dem Recht zugänglichen Gegenstände gleichsam schaft" 12 unternommen. Da es sich hier um die repräsentative Arbeit dieser
mit einem teleologischen Gespinst überzogen" 2 , und die rechtlichen Phä- methodischen Richtung handelt, die in der Folgezeit die Diskussion weit-
nomene erscheinen als „Produkte der kulturwissenschaftlichen Begriffs- gehend bestimmt hat, müssen ihre Grundgedanken wenigstens angedeutet
bildung" 3 . „Wertfreie Begriffe ... büßen ihren naturalistischen Charakter werden.
ein und erfahren eine teleologische, spezifisch juristische Umformung zu Schmidt geht davon aus, daß strafrechtliche Erkenntnisse durch „norma-
werterfüllten Begriffen" 4 . Die teleologisch - normative Methode trat ihren tive Betrachtungsweisen" zu gewinnen seien und arbeitet klar den metho-
Siegeszug an.5 dischen Gegensatz seiner Lehre zu der „kognitiv-naturalistischen Denk-
Die Untauglichkeit der kausalen Betrachtungsweise für die Bestimmung richtung" der früher herrschenden Meinung heraus 13 . „In kognitiver
der Begriffe von Täterschaft und Teilnahme wurde nun alsbald erkannt. Max Seinsbetrachtung verharrt, wer bei der ... begrifflichen Bestimmung der
Ernst Mayer erklärte schon im Jahre 1915 6 , sie stehe „in Widerspruch ... mit Täterschaft auf ein bestimmt geartetes So - Sein des Verhaltens mehr oder
allen guten Geistern methodischen Denkens ...; was für die kausale Betrach- weniger ausschließlich den Ton legt. Das ist aber vornehmlich bei denen
tung gleich ist, kann für die teleologische verschieden sein, was naturwissen- der Fall, die den Täterschaftsbegriff mit Hilfe der Kausalität bestimmen
schaftlich eindeutig ist, kann kulturwissenschaftlich mehrere Deutungen und mittels kausaler Betrachtung Täterschaft und Teilnahme unterschei-
vertragen". Wenige Jahre später wies auch Mezger 7 bei Behandlung der den." 14 Er legt nun im Anschluß an frühere Autoren die Untauglichkeit
Teilnahmefragen darauf hin, daß man nicht aus der „erkenntnistheoretisch- der kausalen Betrachtungsweise dar und stellt dann die entscheidende Frage:
logischen Gleichwertigkeit aller Glieder einer psychophysischen Kausal- „Welche normativen Gesichtspunkte haben den Ausgang für eine an Wert-
reihe" auf ihre „juristische Wertgleichheit" schließen dürfe, und daß die gedanken orientierte juristische Täterschafts- und Teilnahmelehre zu bil-
subjektive Teilnahmetheorie „fälschlich aus der kausalen auf die teleologi- den?" 1 5
sche Gleichheit der Bedingungen" schließe. Die Unterscheidung zwischen Zur Lösung dieses Problems kommt er durch die Erwägung, daß der
den verschiedenen Formen der Täterschaft und Teilnahme sei nur zu gewin- Gesetzgeber die Tatbestände formuliere, „um Werturteile über Rechtsgüter-
nen auf dem Wege einer juristisch-normativen Bewertung des einzelnen Tat- verletzungen kundzugeben." Was unter Wertgesichtspunkten einer Verhal-
beitrags 8 . tensweise das entscheidende Gepräge gebe, sei die durch sie bewirkte „Inter-
Die veränderte methodische Grundhaltung setzte sich nun in der Be- essenverletzung". 16 Daraus folgert Schmidt, daß, wenn das positive Recht
handlung der Teilnahmelehre rasch durch. Paul Merkel 9 betonte: „Die sich überhaupt nicht über das Problem „Täterschaft und Teilnahme" äußern
Kausalität ... spielt für den Unterschied zwischen Mittäterschaft und Bei- würde, „jeder, der eine Tatbestandsverwirklichung, und damit (materiell
gesprochen) eine Rechtsgutsverletzung rechtswidrig und schuldhaft bewirkt,
als Täter ... angesprochen werden müßte 1 7 ". O b er dabei selbst eine der
Deliktsbeschreibung entsprechende Handlung vornehme oder nur andere
2
Lask, S. 316 dazu veranlasse, sei belanglos, da in beiden Fällen gleichermaßen eine
3
a. a. O. S. 308 Rechtsgutsverletzung bewirkt werde.
4
Mittasch, Die Auswirkungen des wertbeziehenden Denkens, S. 31
5
Einfluß auf ihre Entwicklung hatten außerdem Heinrich Maiers „Psychologie, des
emotionalen Denkens" und die im Bereich des Zivilrechts entwickelte Interessen-
10
jurisprudenz. Es ist hier nicht der Ort, die Entstehung der teleologischen Methode im Teilnahme, in: Reform des Strafrechts, 1926, S. 105
einzelnen zu schildern. Vgl. dazu Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, 11
vgl. Mezger, a. a. O.; v. Liszt/Schmidt, 26. Aufl., 1932, S. 335, Anm. 16; Finger,
1930; Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie im Strafrecht, 1935; Mittasch, Die Straf recht, 1932, S. 544; Rob. v. Hippel, Deutsches Strafrecht, Zweiter Band, 1930,
Auswirkungen des wertbeziehenden Denkens in der Strafrechtssystematik, 1939 S. 455/56
12
* Lehrbuch, 1915, S. 390 Frank-Festgabe, Bd. II, 1930, S. 106-133
7 13
Deutsche Strafrechts-Zeitung, 1921, S. 206; vgl. auch später Lehrbuch, 2. Aufl. 1933, a. a. O. S. 106
14
S. 443, 444 a. a. O. S. 108
15
8
So später im Lehrbuch, 2. Aufl., S. 444 a. a. O. S. 114
16
9
Zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe, 1925, S. 16; vgl. auch Grundriß, 1927, a. a. O. S. 117
17
S. 173 a. a. O. S. 117
11
10

Damit ist ein sogenannter „extensiver Täterbegriff"18 gewonnen, dem, stellte 24 , sind doch andere Anhänger einer normativen Betrachtungsweise
wie Schmidt meint, „selbstverständlich" auch der „Anstifter" und „Gehilfe" zu völlig anderen Ergebnissen gekommen.
des heute geltenden Rechts untergeordnet werden müßten. Da aber das So hat sich z.B. Beling, der Hauptvertreter der formal-objektiven Theo-
Gesetz Anstifter und Gehilfen vom Täter unterscheide, müsse der „all- rie, in eingehenden methodologischen Erörterungen im Anschluß an
gemeine Täterbegriff" mit dem positiven Recht in Einklang gebracht wer- Heinrich Maier und Lask zu einer ausschließlich teleologischen Begriffsbil-
den. Während die Sonderbehandlung des Gehilfen wegen der geringeren dung bekannt 25 . Trotzdem war er der Meinung, daß Täter nur sei, wer die
Gefährlichkeit seines Verhaltens gegenüber dem verletzten Rechtsgut einen Tatbestandshandlung in einer dem Lebenssprachgebrauch entsprechenden
sachlichen Grund habe, sei die Unterscheidung von Anstiftung und Täter- Weise selbst ausgeführt habe. Er kam zu diesem Ergebnis, indem er sich -
methodisch ganz folgerichtig - fragte, was der Gesetzgeber wohl meinen
schaft durchaus doktrinär 19 , müsse aber im Hinblick auf den Gesetzes-
könne, wenn er etwa von der „Tötung eines Menschen" spreche 26 ; er legte
wortlaut ebenfalls durchgeführt werden, und zwar nach objektiven Kri-
dann die nach seiner Meinung unerträglichen Konsequenzen dar, zu denen es
terien.
führen würde, wenn man darunter jede Todesverursachung verstehe, und
Schmidt kommt also zu dem Ergebnis, daß jeder, der eine tatbestandliche
folgerte, daß der Gesetzgeber dazu „unzweifelhaft" sagen werde: „das habe
Rechtsgüterverletzung verursache, wenn er nicht Anstifter oder Gehilfe sei,
ich durchaus nicht gewollt". Er werde vielmehr „mit voller Sicherheit sagen,
als Täter angesprochen werden müsse. Die unmittelbare Täterschaft unter-
daß er ein viel konzentrierteres Vorstellungsbild vor Augen gehabt habe, -
scheide sich von der mittelbaren nur in äußerlichen, juristisch belanglosen
eben dasjenige, das der Lebenssprachgebrauch ... meint, wenn vom ,Töten
Beziehungen. Daher erkennt er eigenhändige Delikte nicht an und meint,
eines Menschen', vom ,Gehen über eine Brücke', vom ,Meineid' usw. die
daß alle Tatbestände in mittelbarer Täterschaft begangen werden könnten 20 . Rede ist" 27 .
Wenn A den geisteskranken B bestimme, mit seiner, des B, Schwester
den Beischlaf auszuüben, so sei A mittelbarer Täter des Delikts der Blut- Auch Grünhut, dessen methodologische Arbeiten zum Eindringen der
normativen Betrachtungsweise in das Strafrecht wesentlich beigetragen
schande 21 . Auch die Eltern des Mörders haben durch seine Erzeugung nach
haben 28 , hielt in Auseinandersetzung mit Schmidt für die vorsätzlichen
Meinung Schmidts den objektiven Tatbestand des §211 StGB erfüllt, da sie ja
Delikte am restriktiven Täterbegriff fest29; Hegler 29a kombinierte im Wege
eine Rechtsgutsverletzung bewirkt haben 22 ; und wer einen anderen zum
eines teleologischen Verfahrens die formal-objektive Lehre mit seiner der
Selbstmorde anstiftet, begeht einen Totschlag in mittelbarer Täterschaft 23 , da
Erklärung der mittelbaren Täterschaft dienenden „Übergewichtstheorie";
er den Tod eines Menschen bewirkt hat und wegen der Straflosigkeit des
Goetzeler 30 dagegen kam von denselben methodischen Grundlagen aus
Selbstmordes als Anstifter nicht erfaßt werden kann.
wieder zu einem extensiven Täterbegriff, verband ihn aber, anders als Eber-
Auf den sachlichen Gehalt dieser Lehren soll an dieser Stelle nicht einge-
hard Schmidt, mit einer subjektiven Teilnahmetheorie.
gangen werden. Unter methodischen Gesichtspunkten ist daran besonders
bemerkenswert, daß der durch eine wertende Betrachtungsweise unter Diese völlig heterogenen Ergebnisse enthüllen aber gleichzeitig einen
ausdrücklicher Abkehr von der naturalistisch-kognitiven Denkrichtung Mangel der Methode selbst. Die Erkenntnis, daß man den Täterbegriff mit
gewonnene extensive Täterbegriff sich von dem Einheitstaterbegriff der Hilfe einer wertenden Betrachtungsweise bestimmen müsse, gibt noch kei-
kausalen Methode kaum unterscheidet. Daran zeigt sich wieder deutlich, nen Aufschluß darüber, nach welchen Kriterien diese Wertung durchzu-
daß eine unrichtige Methode nicht notwendig zu einem fehlerhaften Ergeb- führen sei. Diese Schwäche tritt im herkömmlichen Anwendungsbereich
nis führen muß. Andererseits wird aber auch erkennbar, daß eine Methode der teleologischen Methode, bei der Tatbestandsauslegung, nicht so deutlich
wie die teleologische - wenn man ihre Richtigkeit einmal unterstellt - hervor; denn für das in einer Strafbestimmung geschützte Rechtsgut
nicht unbedingt ein zutreffendes Ergebnis verbürgt. Denn obwohl Mezger finden sich im Gesetz meist hinreichende Anhaltspunkte, und eine am
den extensiven Täterbegriff in seinem Lehrbuch sogleich übernahm und Rechtsgut ausgerichtete Interpretation wird hier in der Regel zu befriedigen-
eine „volle methodische Übereinstimmung" mit Eberhard Schmidt fest-

24
vgl. L e h r b u c h , 2. Aufl., S. 426, A n m . 3
25
18 vgl. Beling, M e t h o d i k der Gesetzgebung, 1922, S. 2 ff., 14ff., bes. S. 16
D e r A u s d r u c k ist von Z i m m e r l , Z S t w , Bd. 49, 1929, S. 40, geprägt w o r d e n . 26
vgl. a . a . O . S. 95 ff.
" a. a. O . S. 118 27
a. a. O . S. 96
20
mit der positivrechtlichen A u s n a h m e des § 160 S t G B , vgl. im einzelnen a. a. O . S. 128 ff. 28
„Begriffsbildung u n d R e c h t s a n w e n d u n g im Strafrecht", 1926, „Methodische G r u n d -
21
a. a. O . S. 130 lagen der heutigen Strafrechtswissenschaft", Festgabe für Frank, Bd. I, S. 1-32
22
a . a . O . S. 119, A n m . 1; von dieser sehr weitgehenden K o n s e q u e n z ist Schmidt bald 29
J W 1 9 3 2 , S. 366 f.
darauf wieder abgerückt, vgl. Militärstraf recht 1936, S. 4 1 . Er verneint jetzt die 29a
Festgabe für Richard Schmidt, 1932, A n m . 35, S. 73-75
Tatbestandserfüllung, da es sich nicht u m eine adäquate Bedingung des Todes han- 30
„ D e r Ideengehalt des extensiven (intellektuellen) Täterbegriffs u n d seine A u s w i r k u n -
dele. gen", SJZ 1949, Spalte 837-846
23
a. a. O . S. 125
12 13

den Ergebnissen führen. Bei der Unterscheidung zwischen Täterschaft, Das führt zu folgendem Ergebnis: Auch wenn man eine am Gesetzes-
Anstiftung und Beihilfe dagegen liegen die gesetzgeberischen Wertungs- zweck orientierte Denkart grundsätzlich als die der Rechtswissenschaft
gesichtspunkte keineswegs klar zutage. Es besteht dabei die Gefahr, daß angemessene Methode betrachtet, so bedarf sie doch, um zu brauchbaren
jeder unbesehen seine eigene Meinung in das Gesetz hineininterpretiert. Ergebnissen^ zu führen, jedenfalls der Ergänzung durch eine auf Gewinnung
Wenn die teleologische Betrachtungsweise auf diese Art zu ganz beliebigen der Wertmaßstäbe gerichtete Arbeitsweise, deren Entwicklung bisher weit-
Ergebnissen führt, ist sie als Methode unbrauchbar. Denn der Wert einer gehend vernachlässigt worden ist. O b und inwieweit freilich das normative
Methode besteht eben darin, daß sie den Weg zu bestimmten konkreten Denken, selbst wenn man es in der angedeuteten Weise anwendbar macht,
Lösungen bahnt und nicht jede nur denkbare Möglichkeit offenläßt. Eine überhaupt den Weg zu einer wesensgerechten Erfassung des Rechtsstoffes
normative Denkweise kann also in diesem Bereich nur dann weiterhelfen, bahnt - dieser Frage kann erst in der Auseinandersetzung mit der nun
wenn man gleichzeitig einen Weg zeigt, auf dem die richtigen Wertungskrite- folgenden methodologischen Strömung näher nachgegangen werden.
rien aufzufinden sind.
Diese Aufgabe aber ist von denen, die die Täterlehre unter teleologischen
Gesichtspunkten bearbeitet haben, durchaus vernachlässigt worden. So ist es § 4 . Ontologische Täterlehren
z. B. recht verwunderlich, daß Eberhard Schmidt meint, dem Problem gerade
mit Hilfe des Rechtsgutsbegriffs beikommen zu können. Es ist zwar durch- In den Dreißigerjahren dieses Jahrhunderts trat mit der Überwindung der
aus richtig, daß die Tatbestände - unter anderem - dem Rechtsgüterschutz neukantianischen Lehren in der Philosophie auch im Bereiche der Rechts-
dienen, aber es bleibt ganz unklar, warum dieser Begriff den Schlüssel zur wissenschaft eine neue Betrachtungsweise in den Vordergrund, die es ab-
Lösung der Täterschafts- und Teilnahmeprobleme liefern soll. Es zeigt sich lehnte, den Rechtsstoff als bloßes Ergebnis der Umformung eines gestalt-
denn auch, daß es Schmidt mit Hilfe dieses Kriteriums nicht gelingt, in der losen Materials durch werthaltige rechtliche Begriffe anzusehen und die
Unterscheidung von Täterschaft und Anstiftung irgendeinen Sinn zu ent- demgegenüber glaubte, in den vom Recht geregelten Sachbereichen selbst
decken. Trotzdem liegt es noch ganz außerhalb seines Gedankenkreises, die- schon Ordnungsprinzipien entdecken zu können, die es aus dem Rechtsstoff
sen für ihn leitenden Wertungsgesichtspunkt selbst einer kritischen Prüfung nur herauszulesen gelte.
zu unterziehen. Die fraglose Verwendung des Rechtsgutsbegriffes ist sach- Im einzelnen waren das recht unterschiedliche, wenn auch nicht ganz
lich-historisch wohl daraus zu erklären, daß die teleologische Methode ohne Zusammenhang nebeneinander stehende Strömungen:
immer in enger Verschwisterung mit dem Begriff des Rechtsgutes als Aus- Die Vertreter der sogenannten „Kieler Schule"' glaubten, den Verbre-
legungsrichtlinie auf getreten war 31 . O b man diesen bei der Tatbestands- chensbegriff und die rechtlichen Erscheinungen im Wege einer „intuitiven
auslegung erarbeiteten Gesichtspunkt ohne weiteres als Wertungsmaßstab Wesensschau" und durch eine „ganzheitliche und konkrete Betrach-
auf die Täterschaftsproblematik übertragen darf, hätte aber zuvor untersucht tungsweise" erfassen zu können; Dahm 2 meinte, die Begriffe der Rechts-
werden müssen. wissenschaft seien „zugleich Nachbildungen einer sinnerfüllten Wirklich-
Diese unkritische Verwendung eines kaum begründeten Wertungsge- keit ..., die nicht nur das Rohmaterial für die rechtliche Begriffsbildung dar-
sichtspunktes findet sich aber ebenso bei Beling, der zum entgegengesetzten stellt, sondern ihr den einzuschlagenden Weg in gewissen Grenzen schon
Ergebnis kommt. Er bemüht sich zwar, den extensiven Täterbegriff von vorschreibt".
seinen Konsequenzen her zu widerlegen, kommt dann aber ganz unvermit- Carl Schmitt entwickelte unter dem Einfluß der Institutionentheorie von
telt zu dem Schluß, der Gesetzgeber wolle seine Unterscheidung „unzweifel- Maurice Hauriou seine Lehre vom „konkreten Ordnungsdenken" 3 . Danach
haft" und „mit voller Sicherheit" auf den Lebenssprachgebrauch abstellen. wird die rechtliche Ordnung nicht - wie es die normativistische Lehre
Hier wird die Begründung durch eine volltönende Redeweise ersetzt. Es annahm - durch eine Summe von Regeln geschaffen, sondern die Regel ist
wird außer acht gelassen, daß dem Gesetzgeber noch viele andere Wertungs- umgekehrt nur Bestandteil einer schon vorgegebenen, im Volke lebenden
möglichkeiten offenstehen. Beling läßt auch nicht recht deutlich werden, Ordnung 4 .
welche inhaltlichen Wertungsgesichtspunkte eigentlich durch das Abstellen
auf den Sprachgebrauch zum Ausdruck kommen. Auch bei ihm steht also
die Überprüfung der Wertungsgesichtspunkte selbst noch jenseits der
1
methodischen Besinnung. Vgl. nur Dahm und Schaff stein, Methode und System des neuen Strafrechts, 1938
(=ZStW, Bd. 57, S. 225 ff.). Zur Kritik, auch im folgenden: Schwinge/Zimmerl, Wesens-
schau und konkretes Ordnungsdenken im Straf recht, 1937; Schwinge, Irrationalismus
und Ganzheitsbetrachtung in der deutschen Rechtswissenschaft, 1938
2
a. a. O. S. 13
3
vgl. dazu nur die zusammenfassende Arbeit von Schwinge über „Teleologische Be- Vgl. seine Schrift: Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934
4
griffsbildung im Strafrecht", 1930 a. a. O. S. 13
14 15

Welzel 5 wandte sich in Anlehnung an die ontologischen Forschungen ein aufschlußreicher Beleg dafür, daß man von einer kausalen, einer teleolo-
Nicolai Hartmanns gegen die von der südwestdeutschen Schule vorgenom- gischen und einer auf die konkreten Ordnungen abstellenden Betrachtungs-
mene „Trennung der abstrakten juristischen Begriffswelt von der Lebens- weise aus mit ganz verschiedenen methodischen Mitteln zum selben Ergeb-
realität" 6 . Für ihn sind die rechtlichen Begriffe „keine methodologischen nis, dem Einheitstäterbegriff, gelangen kann.
Umformungen eines amorphen Materials, sondern Deskriptionen eines Auch Dahm beschäftigte sich zunächst weniger mit einer Abgrenzung der
gestalteten ontischen Seins" 7 . „Das Sein hat vom Ursprung an Ordnung und verschiedenen Beteiligungsformen als mit einer davon unabhängigen Täter-
Gestalt in sich und bekommt diese nicht erst von irrealen Formen geborgt; typologie. Danach entspricht dem gesetzlichen Tatbestand ein „bestimmter
und ebenso steht das Gemeinschaftsdaseins des Menschen in ursprünglichen Typus des Täters, der in seinem Wesen erfaßt werden muß, eben darum aber
Ordnungen ..., die nicht erst durch umformende theoretische Begriffsbil- durch rationale Zweckmäßigkeitserwägungen allein nicht erfaßt werden
dungsakte an ein ungestaltetes Dasein herangetragen werden". kann" 12. Dieb ist nur, „wer seinem Wesen nach Dieb ist. Das Wesen des
Für die hier interessierende Problematik mußten diese Lehren zu dem Diebstahls erschöpft sich nicht in der Summe seiner Merkmale" 13. Diesen
Versuche führen, den Täterbegriff nicht durch eine Besinnung auf den Geset- Versuchen, die für die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme nichts
zeszweck, sondern durch einen Rückgriff auf die der Rechtsordnung vorge- hergeben, kann hier nicht näher nachgegangen werden.
lagerten ontologischen Strukturen oder sozialen Sinngebilde zu bestimmen. Erste Ansätze zu einer sich auf vorgegebene Sachzusammenhänge stüt-
Eine solche Betrachtungsweise war schon von Beling ins Auge gefaßt und zenden Lehre über die Abgrenzung der verschiedenen Beteiligungsformen
vom Boden seiner teleologischen Denkrichtung aus als „verkehrte Methode finden sich dann in der für die folgende Entwicklung sehr bedeutsamen
der Begriffsbestimmung" verurteilt worden. „Man wähnt" - heißt es bei ihm Schrift von Lange über den modernen Täterbegriff14. Sachlich kommt Lange
- „die Begriffe ,Täter, mittelbarer Täter, Anstifter, Gehilfe' seien schon da, es zu dem Ergebnis, daß zur Ermittlung des Täters „bei ursächlicher Be-
gelte nur, sie richtig zu erkennen" 8 . Ganz deutlich wird der Unterschied der teiligung mehrerer an einer Straftat zu fragen ist: Wessen Werk ist das Ver-
beiden Denkrichtungen, wenn er fortfährt, demgegenüber sei „die richtige brechen?" 1 5 - eine Lösung, die der späteren Tatherrschaftslehre nahesteht
Methode die, daß man die Begriffe als Funktionsbegriffe im Sinne des und sie beeinflußt hat 16 .
gesetzgeberischen Zwecks faßt. Ohne dies würde sich die zerfließende Methodisch steht die Arbeit zwischen der teleologischen und einer mehr
Unanschaulichkeit der behaupteten Begriffsinhalte und der über ihnen ontologischen Betrachtungsweise. Lange stützt sich in seiner „methodolo-
schwebende Nebel niemals bannen lassen ... Für den Gesetzgeber wird es gischen Grundlegung" 1 7 in ausdrücklicher Wendung gegen das natura-
hoffentlich nicht besonderer Aufmunterung dazu bedürfen, sich keine Phan- listisch-kognitive Denken auf die von Grünhut, Mezger und Erik Wolf
tasiegebilde von ,Täter, Anstifter, Gehilfen' als angeblich schon daseiende herausgearbeiteten normativen Lehren und spricht von seiner „unein-
aufnötigen zu lassen, die dann Herr über seine Anordnungen sein sollen, geschränkten Zustimmung zu der von Schmidt angewandten Methode" 18;
sondern erst zu fixieren, was er sachlich will und danach zwecklogisch die er liefert dann aber doch eine grundlegende Kritik des von Eb. Schmidt ent-
Begriffe so auszuprägen, daß sie ihre Würde von ihm zu Lehen tragen" 9 . wickelten extensiven Täterbegriffs und kommt zu der Auffassung, daß „der
Gerade diese von Beling vorausschauend abgelehnten Auffassungen Täterbegriff unabhängig von positivrechtlichen Teilnahmevorschriften zu
lagen aber auf der Linie der neuen Methode. Freilich gingen nicht alle ihre bilden" sei, daß der von ihm gefundene Täterbegriff „auch für jedes andere
Vertreter diesen Weg. So verwarf z.B. Carl Schmitt die Differenzierung System gültig" sei, das mit Tatbeständen arbeite 19 , und daß durch den von
zwischen den Beteiligungsformen überhaupt 10 und meinte: „Die Abson- ihm kritisierten Strafgesetzentwurf „Formen echter Täterschaft in innerlich
derung ,allgemeiner Begriffe', wie ... Beihilfe, von dem konkreten Ver- unbegründeter Weise zu unselbständigen Teilnahmeformen herabgedrückt"
brechen ... erscheint uns heute nicht mehr als begriffliche Klärung ..., son- würden 20 , eine Ansicht, die nur dann verständlich ist, wenn man in den
dern eher als eine künstliche und sinnwidrige, die natürlichen und wirklich Begriffen „Täter" und „Teilnehmer" einen von den gesetzgeberischen Zweck-
gegebenen Lebenszusammenhänge auseinanderreißende Abstraktion" 11 - vorstellungen unabhängigen Sinn erkennt.

12
D a h m in: D a h m u n d Schaffstein, Grundfragen der neuen Rechtswissenschaft, 1935,
5 S.104
N a t u r a l i s m u s u n d Wertphilosophie im Strafrecht 1935; zu den philosophischen
13
U r s p r ü n g e n seiner Auffassung vgl. im übrigen jetzt Welzels eigene Ausführungen, in: Grundfragen, S. 102; später ausgebaut in: D e r T ä t e r t y p im Strafrecht, 1940
14
Das neue Bild, 4. Aufl., 1961, S. IXff. D e r m o d e r n e Täterbegriff u n d der deutsche Strafgesetzentwurf, 1935
15
6
a. a. O . S. 62 a. a. O . S. 36 u n d passim
16
7
hier u n d das folgende Zitat: a. a. O . S. 74 vgl. d a r ü b e r noch unten S. 66
17
8
M e t h o d i k , S. 107 a. a. O . S. 7ff.
18
9
a. a. O . S. 107/08 a. a. O . S. 21
19
10
für die Anstiftung hat er das allerdings nicht ausdrücklich hervorgehoben. a. a. O . S. 67
20
11
a. a. O . S. 60 a. a. O . S. 75
16 17

Einen - wenn man so sagen darf - „ontologischen" Täterbegriff hat dann nähme"; und weiter: „Auch das positive Gesetz kann diese Grundunter-
zuerst Welzel in reiner Form durchzuführen versucht. Er hatte schon in schiede nicht aufheben, weil sie nicht Produkte eines Gesetzgebers, sondern
einer seiner frühesten Arbeiten 21 gegen die Auffassung, der „Begriff ,Täter' reale Erscheinungsformen des vorgegebenen Gemeinschaftsdaseins sind." 27
sei ein Wertbegriff", „erhebliche Bedenken" 22 geltend gemacht und darauf Die Einzelheiten dieser Lehre sollen uns jetzt noch nicht beschäftigen. Hier
hingewiesen, daß die für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme genügt der Aufweis ihrer methodologischen Voraussetzungen.
maßgebenden Unterschiede „in der ontologisch verschieden gearteten Hand- In Anlehnung an Lange und Welzel versuchte bald darauf auch Dahm 28 ,
lung und deren kategorialen Verschiedenheiten" 2i lägen, so daß es auch auf seine Lehre vom Tätertyp für die Abgrenzung der Beteiligungsformen
dem Gebiet der Teilnahmelehre nicht möglich sei, „an den ontologischen ... fruchtbar zu machen. Er meint, die Unterscheidung zwischen Täterschaft,
Fragestellungen vorbeizukommen". Zu welchen sachlichen Ergebnissen eine Anstiftung und Beihilfe könne „durch die Erwägung erleichtert werden,
derartige Betrachtungsweise führen würde, läßt sich dieser Arbeit noch nicht inwieweit die Beteiligten den Typus des Täters zum Ausdruck bringen" 29 .
entnehmen. Diesem volkstümlichen Täterbilde entspreche aber in der Regel derjenige
Auch aus der zwei Jahre später erschienenen, für seinen philosophischen am meisten, „als dessen Werk das Verbrechen erscheint, der die Tatherrschaft
und methodischen Standort grundlegenden Abhandlung über „Naturalismus hat."
und Wertphilosophie" lassen sich darüber keine Anhaltspunkte gewinnen. Während Welzel seinen Täterbegriff an der ontologisch vorgegebenen und
Sie geht nur auf Fragen der Handlungs- und Tatbestandslehre ein. Aber auch insoweit unverrückbaren Struktur der Handlung orientiert, will Hard-
dort 24 bemerkt Welzel unter Hinweis auf die von Eb. Schmidt vertretene wig 30 den Täter nach dem „rechtlich-sozialen Bedeutungs- und Zurech-
Ansicht ausdrücklich, daß er den Unterschied seiner Denkrichtung gegen- nungsgehalt" der Tat bestimmen; Obwohl er sich methodisch auf derselben
über der geistigen Haltung der Wertphilosophie ebensogut anhand der Linie bewegt wie Welzel, geht er nicht von festliegenden Sachstrukturen,
Täterschafts- und Teilnahmeprobleme hätte darlegen können. sondern stattdessen vom vorgegebenen sozialen Wertgehalt der Mitwir-
Erst im Jahre 1939 hat Welzel dann auf der Grundlage seiner Handlungs- kungsformen aus. Nach seiner Lehre ist die Tat „hineinzustellen in einen
lehre und in Anknüpfung an die von Richard Lange erzielten Ergebnisse sozialen konkreten Raum mit den ihn erfüllenden normativen Linien" 31 .
die heute so einflußreiche „Lehre von der finalen Tatherrschaft" zum ersten Zur Ermittlung dieses sozialen Wertgehaltes der Tat bedient er sich weit-
Male in seinen „Studien zum System des Strafrechts" 25 in umfassender Weise gehend des Sprachgebrauches, von dem er meint, ihm müßten, „mag er
entwickelt. Er geht bekanntlich davon aus, daß das ontologisch vorgegebene, noch so unsicher sein, doch Prinzipien zugrundeliegen, die es zu erfassen
durch gesetzgeberische Zweckvorstellungen nicht zu verändernde Wesen gilt" 32 . Dabei entwickelt er seine Auffassung - und das ist methodisch sehr
der „Handlung" in der Lenkung des Kausalverlaufs durch den zweck- kennzeichnend, weil es das Fehlen spezifisch rechtlicher Wertungsgesichts-
tätigen menschlichen Willen bestehe. Dementsprechend ist für ihn Täter- punkte deutlich werden läßt - an unjuristischen Fällen. Ein Beispiel, in dem
schaft „die umfassendste Form finaler Tatherrschaft. Der finale Täter ist ein Mann und eine Frau in einem Garten arbeiten, interpretiert Hardwig 3 3
Herr über seinen Entschluß und dessen Durchführung und damit Herr so: „Dient der Garten der gemeinsamen Freude und Erholung, dann arbeiten
über ,seinec Tat, die er in seinem Dasein und Sosein zweckbewußt gestaltet. beide Eheleute gemeinsam ", sie sind also gewissermaßen Mittäter. „Ist der
Anstifter und Gehilfe haben zwar auch eine gewisse ,Tat'herrschaft, aber Mann begeisterter Gartenliebhaber, während seine Frau sich im allgemeinen
nur eine solche über ihre Beteiligung. Die Tat selbst untersteht allein der weniger um den Garten kümmert, dann kann die Frau dem Mann helfen";
finalen Herrschaft des Täters. Ihre Teilnahme ist daher nur Beteiligung der Mann ist also Täter, die Frau Gehilfin. „Ist der Mann Bauer und ist es
an fremder Tat. Der Anstifter regt zwar die fremde Tat an und der Gehilfe Sache der Frau, den Gemüsegarten zu bearbeiten, dann kann der Mann
unterstützt sie, aber die finale Herrschaft über sie, die Herrschaft über der Frau bei ihrer Arbeit helfen"; hier ist somit die Frau „Täter" und der
den Entschluß und seine reale Durchführung hat allein der Täter" 26 . Welzels Mann „Gehilfe". Hardwig hat keine Bedenken, eine solche Betrachtungs-
methodische Grundhaltung tritt klar zutage, wenn er fortfährt: „Nicht in weise ebenso auf die rechtliche Problematik anzuwenden, denn „auch das
irgendwelchen positiv-gesetzlichen Bestimmungen, sondern in diesen Recht ist ein soziales Phänomen" 3 4 . So kommt er bei der Abgrenzung von
wesensmäßigen Erscheinungsformen finalen Handelns innerhalb der sozia-
len Welt liegt der strukturelle Unterschied zwischen Täterschaft und Teil-
27
a. a. O. S. 539/40
28
Der Tätertyp im Straf recht, 1940, S. 54-57
29
21
Über Wertungen im Strafrecht, in: GS, Bd. 103, 1933, S. 340-347 a. a. O. S. 54
30
22 GA 1954, S. 353-358
a. a. O. S. 341 31
23 a. a. O. S. 356
Hier und im folgenden a. a. O. S. 345 32
24 a. a. O. S. 354
a. a. O. S. 88 33
a. a. O. S. 355
25
ZStW, Bd. 58, 1939, S. 494, 500/501, 537ff. 34
a. a. O. S. 356
26
a. a. O. S. 539
18 19

Beihilfe und Mittäterschaft zu dem Satz: „Wollten wir eine nähere Auf- an dieses Merkmal gebunden sein sollte. Diese Fragen bedürften also noch
klärung über die Bedeutung des Begriffes Hilfeleistung im Sinne von §49 weiterer Klärung.
StGB geben, so könnten wir mit gutem Grunde sagen, daß der Gesetzgeber Ähnlichen Bedenken ist auch der Versuch von Hardwig ausgesetzt.
darunter nichts anderes verstanden hat und verstanden wissen wollte als das, Wenn er .etwa annimmt, daß der Gesetzgeber alles als Beihilfe ansehen
was man gemeinhin sinnvollerweise unter ,helfen' versteht." 35 wolle, „was man gemeinhin sinnvollerweise unter Helfen versteht", so
Weitere Versuche, den Täterbegriff aus der Erfassung rechtlich vorgegebe- fällt dabei auf, daß er den Blick einseitig auf die Beziehung unter den Be-
ner Phänomene zu erklären, liegen nicht vor. In der Tat stellen wohl auch die teiligten und nicht auf die nach dem Gesetzeswortlaut im Vordergrund
Lehren Welzels und Hardwigs die Pole dar, zwischen denen sich eine solche stehende Tatbestandsverwirklichung lenkt. So bildet er etwa das Beispiel,
Betrachtungsweise nur bewegen kann. Die mit der Natur des Menschen daß ein Mörder A, um die Untersuchung gegen sich im Keime zu ersticken,
gegebene und für alle Zeiten gültige, unlöslich an sie geknüpfte Finalstruktur die von der Polizei sichergestellte Leiche gemeinsam mit einem von der
einerseits und die schwankenden, dem Wechsel unterworfenen Werthaltun- Mordtat unterrichteten Freunde B aus dem Obduktionsraum entwendet 37 :
gen der Gemeinschaft andererseits stellen beide reale Vorgegebenheiten des Hardwig meint nun, wenn der Sinngehalt des § 168 StGB in der verbotenen
Rechts dar, zeigen aber gleichzeitig die ganze Spannweite dieses methodi- Wegnahme einer Leiche liege, so „stünde nichts im Wege, davon zu spre-
schen Ansatzpunktes. chen, daß B dem A beim Fortschaffen der Leiche geholfen habe". Er will
Kritisch ist, wenn man das methodische Prinzip zunächst einmal un- also den B nicht als Mittäter, sondern als Gehilfen ansehen, obwohl er den
geprüft zugrundelegt, bei diesen Versuchen etwas ähnliches festzustellen wie ganzen Tatbestand erfüllt hat. N u n ist es aber doch recht fraglich, ob der
bei denen der Vertreter einer rein teleologischen Betrachtungsweise: Es fehlt Gesetzgeber, wenn er sich schon auf eine Unterscheidung nach dem
bei der Mannigfaltigkeit der rechtlichen Vorgegebenheiten die Besinnung vorgegebenen Sprachgebrauch einlassen wollte, nicht vielmehr als Täter
darauf und die durchschlagende Begründung dafür, warum gerade diese und denjenigen angesehen hat, der bei verständiger Auslegung nach dem Lebens-
nicht eine andere Seinsgegebenheit den Schlüssel zur Lösung der Teilnahme- sprachgebrauch „eine Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten
probleme bieten soll. Person wegnimmt", der also dem Wortlaut des §168 StGB gemäß handelt
So ist es z.B. keineswegs so selbstverständlich wie es in der Darstellung und damit der auf den Täter gemünzten Strafdrohung unmittelbar unterfällt.
Welzels erscheint, daß sich aus der Handlungslehre irgendwelche Schlüsse Sollte eine in dieser Weise aus dem Lebenssprachgebrauch gewonnene
für die Abgrenzung der Beteiligungsformen ziehen lassen. Auch wenn man Unterscheidung nicht dem volkstümlichen Täterbilde besser gerecht werden,
davon ausgeht, daß die ontologische Struktur der Handlung in der finalen wie es von ähnlicher methodischer Grundlage aus etwa Dahm 3 8 ausdrücklich
Überdetermination des Kausalverlaufes besteht und wenn man weiter - angenommen hat, und wie es im Ergebnis bekanntlich auch der formal-
was keineswegs unbestritten ist - zugibt, daß der Gesetzgeber wenigstens objektiven Theorie entspricht? Wie dem auch sei: Jedenfalls fehlt bei Hard-
bei den vorsätzlichen Begehungsdelikten nur finale vorsätzliche Tatbestands- wig eine Begründung dafür, warum der rechtlich-soziale Zurechnungsgehalt
verwirklichungen dem Rechtswidrigkeitsurteil zugrundelegen darf, so bleibt der Tat gerade an die volkstümliche Auslegung des Begriffs der Hilfeleistung
es doch unklar, wie sich anhand dieses Kriteriums eine Abgrenzung der und nicht an irgendein anderes Kriterium gebunden sein sollte. Gerade
Teilnahmeformen ergeben soll. Denn da für Welzel die Finalität mit dem davon aber hängt die Überzeugungskraft dieser Lehre ab.
Vorsatz identisch ist und da natürlich auch Anstifter und Gehilfen im Hin- Über den sachlichen Gehalt der skizzierten Auffassungen und über die
blick auf den tatbestandsmäßigen Erfolg vorsätzlich handeln müssen, ergibt Brauchbarkeit des methodischen Ansatzpunktes überhaupt ist mit diesen
sich zwischen den Mitwirkenden gerade kein Unterschied in der Finalität. Bemerkungen freilich noch nichts gesagt. Diesem Problem haben wir uns
Schon Jescheck hat darauf hingewiesen, „daß die Finalität hier nicht ein- nunmehr zuzuwenden.
fach dem Vorsatz gleichgesetzt werden kann, denn diesen hat ja auch der
bloße Gehilfe" 36 . Wie aber der Begriff der Finalität hier etwa modifiziert
werden könnte, und durch welche sachlogischen Strukturen solche Differen-
§ 5. D e r Täterbegriff als Synthese sinnerfassender u n d zwecksetzender
zierungen vorgezeichnet sind, das alles wird bei Welzel nicht weiter geklärt.
Wenn man andererseits das finale Moment beiseiteläßt und allein auf den Betrachtungsweise
Begriff der Tatherrschaft abstellt, so fehlt, wenn die Handlungslehre als
Grundlage entfällt, die Erklärung dafür, warum der Gesetzgeber notwendig Die grundsätzliche Frage, ob bei der Abgrenzung von Täterschaft und
Teilnahme von einer wertenden oder von einer sinn- und strukturerfassen-
den Methode auszugehen sei, ist, wie mir scheint, nicht einseitig im Sinne

35
a. a. O. S. 358 GA 1954, S. 356/57
36
SchwZStr. 1956, S. 234 Der Tätertyp im Strafrecht, S. 55
20 21

der einen oder der anderen Denkrichtung zu entscheiden. Denn so sehr die „Anschmiegung des Rechts an sein Substrat", bei der es von Wichtigkeit
Betrachtung des Rechtsstoffes als ein durch den Begriff und die Zweckbezie- sei, „daß die Lebensverhältnisse bereits einen typisch gestalteten, für die
hung erst zu formendes gestaltloses Material oder im Gegensatz dazu als rechtliche Regelung also präparierten Stoff darbieten" 4 .
vorgegebener, schon in sich selbst sinnvoll gegliederter Bedeutungszusam- Auch .der zweite führende Vertreter dieser Denkrichtung, Gustav Rad-
menhang in der polemischen Zuspitzung antithetisch gegeneinander stehen bruch, hat zeitlebens mit dem Problem gerungen, ob der von ihm als Aus-
mögen, so sehr bedarf die Rechtswissenschaft einer Synthese beider Metho- gangspunkt streng festgehaltene sog. „Methodendualismus", der Satz also,
den. Keine von ihnen läßt sich allein in rigoroser Reinkeit durchführen. Das daß aus Seinsgegebenheiten niemals Sollenssätze abgeleitet werden können,
gilt ganz allgemein, ebenso wie für das hier zu behandelnde Thema im streng durchzuführen sei. Schon in seiner Abhandlung über „Rechtsidee und
besonderen. Es zeigt sich dabei, daß die gegensätzlichen Auffassungen in Rechtsstoff" 5 kommt er zu dem Ergebnis, der Stoff des Rechtes sei die „mit-
dreifacher Weise Recht und Unrecht zugleich haben. tels sozialer Begriffe vorgeformte Gegebenheit" 6 . Er fährt dann fort: „Diese
I. Die Materien rechtlicher Regelung empfangen ihren Sinngehalt nicht sozialen Begriffe sind vorrechtlicher Art, aber sie entsprechen rechtlichen
vom Gesetzgeber, Richter oder Forscher. Er ist vielmehr durch ontologische, Begriffen, besser: ihnen entsprechen rechtliche Begriffe, gewissermaßen
ethische und im weitesten Sinne soziale Gesetzlichkeiten und Entwicklungs- begriffliche Greifzangen der Rechtsordnung, der Gestalt der sozialen Sach-
strukturen vorgegeben. Darin liegt das Recht einer seins- und sinnerfassen- verhalte nach Kräften angepaßt, um diese packen und rechtlicher Behand-
den Methode und das Unrecht des reinen Zweckdenkens. lung zuführen zu können." Auch in seiner „Rechtsphilosophie" kommt er
Aber es hängt vom Ermessen des Gesetzgebers und von seinen Wertvor- auf die „Stoffbestimmtheit der Idee" zu sprechen 7 und meint: „... in der
stellungen ab, welche der zahlreichen vorgegebenen Differenzierungen er Tat besteht die psychologische Möglichkeit, in und aus dem Stoffe die
zur Grundlage seiner Regelung machen will. Darin liegt das Recht des teleo- Idee zu erschauen ... Dasselbe bedeutet es, wenn der Jurist nach der ,Natur
logischen Verfahrens und das Unrecht einer Betrachtungsweise, die den der Sache' entscheidet". 8 Radbruch fährt dann zwar einschränkend fort:
Gesetzgeber an bestimmte Vorgegebenheiten binden will. „Aber solche Schau der Idee in dem Stoffe, den sie zu formen bestimmt ist,
Dieser Sachverhalt ist auch von den Vertretern der unterschiedlichen ist ein Glücksfall der Intuition, nicht eine Methode der Erkenntnis", doch
methodischen Richtungen nie ganz übersehen, wenngleich oft als Problem ändert das nichts daran, daß die vorgeformten Gegebenheiten Berücksichti-
empfunden worden. gung verlangen und, wie er an anderer Stelle 9 sagt, das methodendualistische
1. So hat schon Lask, der die südwestdeutsche Wertphilosophie als erster Dogma „mildern" 10.
in umfassender Weise für die rechtswissenschaftliche Methodologie frucht- 2. Andererseits können auch die Vertreter einer Auffassung, nach der
bar gemacht hat, darauf hingewiesen, wie schwer es sei, „den kopernikani- die rechtliche Begriffsbildung sinnvoll gegliederte Seinsgegebenheiten nur
schen Grundgedanken" - d.h. den Gedanken, daß die Bedeutungen nicht nachzuzeichnen habe, den Einfluß einer davon unabhängigen gesetzgebe-
in den Dingen liegen, sondern ihnen erst durch den Menschen aufgeprägt rischen Wertung nicht leugnen. So hat sich z.B. bei Welzel und seinen
werden - überall streng festzuhalten. 1 Er räumt sogar ein, auch der Metho- Schülern heute die Erkenntnis durchgesetzt, daß die sogenannten „sach-
dologe werde nicht umhin können, „in der von ihm bereits vorgefundenen logischen Strukturen" zwar ontologische, für den Gesetzgeber unveränder-
primitiven Disziplinierung des Stoffes gleichsam Vorarbeiten der wissen- liche Vorgegebenheiten darstellen, daß es aber weitgehend eine Sache
schaftlichen Tätigkeit anzuerkennen" 2 und zieht daraus den Schluß: „Die gesetzgeberischer Wertung ist, an welche dieser Strukturen er mit seiner
Tatsache der vorwissenschaftlichen Bearbeitung verbietet es, als das Material Regelung anknüpfen will. Daher heißt es auch bei Welzel 11 : „Diese ewigen
der Kulturwissenschaften ohne weiteres die unmittelbar gegebene Wirk- Wahrheiten der sachlogischen Sphäre können den Gesetzgeber nur rela-
lichkeit zu betrachten. Zwischen diese und das von der Wissenschaft er- tiv' binden, nämlich bedingt dadurch, welche er von ihnen als Grundsatz
strebte Endziel schiebt sich vielmehr in den meisten Fällen, einem Halbfabri- wählt ...", und Stratenwerth 12 kommt zu dem Ergebnis, sachlogische
kate vergleichbar, eine schon auf Kulturbedeutungen bezogene Welt, und
diese komplexe Kulturrealität, nicht die ursprüngliche, von jeder Art der
Wertbeziehung freie Wirklichkeit wird zum Material der Kulturwissenschaf-
ten." 2 Lask hat auch erkannt, daß die von ihm sogenannte vorwissenschaft- 4
S. 324
5
liche Begriffsbildung „nirgends eine so große Rolle spielt wie auf juristi- Archiv für Rechts- u n d Wirtschaftsphilosophie, Bd. 17, 1923/24, S. 343-350
6
a. a. O . S. 349
schem Gebiet" 3 ; er spricht in diesem Zusammenhang geradezu von einer 7
5. Aufl., 1956, S. 98
8
a. a. O . S. 98/99
9
A r c h . f. R e c h t s - u n d Wirtsch. phil., a. a. O . S. 344
10
in einer seiner letzten A b h a n d l u n g e n ü b e r „Die N a t u r der Sache", Laun-Festschrift,
1 S. 162, hat er diese E i n s c h r ä n k u n g sogar widerrufen.
Rechtsphilosophie, S. 309
11
2
a. a. O . S. 309 N a t u r r e c h t u n d materiale Gerechtigkeit, 2. Aufl., S. 198
12
3
a. a. O . S. 315 Das rechtstheoretische P r o b l e m der „ N a t u r der Sache", S. 17f.
22 23

Strukturen seien „ontische Gegebenheiten, die sich unter einem bestimmten Berücksichtigung der Eigenart der verschiedenen Regelungsmaterien geson-
Gesichtspunkt als wesentlich herausheben"; die Wahl dieses Gesichtspunktes dert, wenn auch nach einheitlichen methodischen Gesichtspunkten, zu
aber sei weitgehend eine Sache gesetzgeberischer Wertentscheidung. Etwas untersuchen sein 17 .
weiter geht nur Armin Kaufmann, wenn er meint, ein ontischer Sachverhalt II. Auch in einer zweiten Hinsicht zeigt sich, daß die beiden Auffassungen
sei im Sinne einer sachlogischen Struktur „vorgegeben", wenn er eine einander notwendig ergänzen und daß die Vernachlässigung eines der beiden
Wertung notwendig - also ohne die Möglichkeit gesetzgeberischer Wahl - Aspekte eine sinnvolle Regelung verhindert.
herausfordere, 13 doch sieht Kaufmann anscheinend solche Strukturen nur 1. So wenig nämlich der vom Gesetzgeber zu regelnde soziale Raum sich
in der Handlungs- und Unrechtslehre, so daß sich für die hier zu erör- als strukturlose tabula rasa darstellt, so wenig ist es tunlich, einer auf die
ternde Problematik kein Unterschied zu den vorgenannten Auffassungen „konkreten Ordnungen" abstellenden Betrachtungsweise dadurch den Vor-
ergibt. rang zu verschaffen, daß man dem Gesetzgeber ansinnt, die vorgefundene
Nicht anders ist es auch, wenn man die Vorgegebenheiten nicht so sehr „natürliche" Ordnung ohne weitere begriffliche Durchformung einfach zu
in unveränderlichen Seinsstrukturen als vielmehr in einer Vorgeformtheit übernehmen. Dafür sind alle vorrechtlich-sozialen Gebilde bei weitem zu
des Rechtsstoffes durch soziale Bedeutungsgehalte erblickt. Denn es läßt unklar konturiert.
sich nicht leugnen, daß es soziale Sinnzusammenhänge vielfältig verschiede- Um es gleich am Beispiel der Täterlehre zu demonstrieren: Man könnte
ner Art gibt, und daß es weitgehend von den gesetzgeberischen Wertvor- der Meinung sein (die ja auch oft vertreten worden ist), daß der Gesetzgeber
stellungen abhangt, welche von ihnen er als rechtlich entscheidend ansehen zwar die Teilnahmeformen nach seinen Wertvorstellungen abgrenzen könne,
will. daß es aber angebracht sei, dabei ohne weiteres auf soziale Vorgegebenheiten
3. Demnach liegt auch in der Täterlehre der richtige Weg darin, die maß- - wie die volkstümlich-bildhaften Vorstellungen des Täters, Anstifters,
gebenden Wertungskriterien oder - von der anderen Seite her gesehen - Gehilfen, oder den viel berufenen Lebenssprachgebrauch - zurückzugreifen.
die für die rechtliche Regelung leitenden vorgegebenen Differenzierungen Im Ergebnis würde das weitgehend auf eine, wenn man so sagen darf,
herauszuarbeiten. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, daß dieser ontisch-soziale Täterlehre hinauslaufen.
Notwendigkeit im allgemeinen zu wenig Beachtung geschenkt worden Es ist aber leicht einzusehen, daß das zu einseitig wäre und dem Recht-
ist 14 . Das zeigt nicht nur die jahrzehntelang geübte, methodisch so verfehlte suchenden bei allen schwierigen Fällen nicht weiterhelfen würde 1 8 . So wird
Heranziehung des Kausalbegriffs. Auch die einseitige und unkritische sich, um ein beliebiges Beispiel herauszugreifen, die einfache Frage, ob der-
Verwendung so heterogener Kriterien wie derjenigen der Rechtsgutsverlet- jenige, der einen Bravo zu einem Morde dingt, mittelbarer Täter Mittäter
zung, des Lebenssprachgebrauchs, der Strafwürdigkeit, der Gefährlichkeit, oder Anstifter sei, durch die Berufung auf sprachliche Kriterien oder soziale
der Finalstruktur usw.15 - um nur einige von ihnen wahllos herauszugreifen Bedeutungsgehalte niemals klären lassen.
- bleibt so lange unverbindlich und willkürlich, als nicht aufgewiesen wird, Vielmehr können solche Abgrenzungsfragen nur dadurch gelöst werden,
warum und inwieweit sie der rechtlichen Regelung zugrundeliegen. Dabei daß der Gesetzgeber oder - bei seinem Schweigen - der Richter und Wissen-
sind die Maßstäbe dem Gesetz zu entnehmen, und zwar den Vorschriften schaftler anhand der Zweck- und Wertvorstellungen, die im Gesetz ihren
des Allgemeinen Teils über Täterschaft und Teilnahme ebenso wie den Tat- Ausdruck gefunden haben, den Begriff präzisieren und weiter durchbilden.
beständen des Besonderen Teils. Es empfiehlt sich dabei nicht, deduktiv Das ist nicht nur hier so, sondern bei allen Rechtsbegriffen, die für die
vorzugehen, d. h. einen irgendwie gewonnenen Täterbegriff allen Er- Anwendung brauchbar sein sollen: An den „Rändern" handelt es sich um
scheinungsformen des Verbrechens wie vorsätzlichen und fahrlässigen gesetzliche, richterliche oder wissenschaftliche Begriffs„bildungen", die sich
Taten, Begehungs- und Unterlassungsdelikten und den zum Teil ganz ver- nie als bloße Abbilder außerrechtlicher Vorformungen, sondern stets als
schieden gearteten Einzeltatbeständen gleichermaßen aufzuzwingen. Bei Produkt des wissenschaftlich gestaltenden Geistes darstellen und keine
einem solchen Vorgehen besteht die große Gefahr, daß die Phänomene unmittelbare Entsprechung im Raum der vorgegebenen sozialen Strukturen
vergewaltigt und Einzelaspekte in unzulässiger Weise verabsolutiert wer- aufweisen.
den - ein Fehler, der vielfach begangen worden ist, wie sich noch im In den Grenzbereichen der Rechtsbegriffe bleibt also ein freies Feld für
einzelnen zeigen wird 16 . Vielmehr werden alle diese Erscheinungen unter die selbständig-schöpferische begriffliche Formung eines insoweit gestalt-
losen Materials. In diesem eingeschränkten Sinne hat daher die südwest-
deutsche Lehre gegenüber ihren Kritikern recht.

13
Die D o g m a t i k der Unterlassungsdelikte, S. 17
14
Vgl. aber die beiläufigen u n d treffenden Bemerkungen von Schaffstein, ZStW, Bd. 56, ,7
Vgl. die D u r c h f ü h r u n g unten S. 107ff.
1937, S. 149 18
15 D i e Frage wird im Hinblick auf die speziellen P r o b l e m e des Tatherrschaftsbegriffs
Vgl. d a r ü b e r im einzelnen gleich u n t e n S. 2 8 - 3 2
16
Vgl. S. 34 ff. u n t e n noch wieder aufzugreifen u n d im einzelnen zu behandeln sein, vgl. S. 116/117
24 25

2. Andererseits behauptet aber auch die dem Recht vorgelagerte sinn- lehren gegenüber den Befürwortern eines ausschließlich wertenden Ver-
hafte Ordnung des Seins ihren Platz gegenüber einer einseitig wertenden fahrens recht.
Betrachtungsweise. Denn so sehr die Randbezirke rechtlicher Gebilde sich III. Noch in einer dritten Weise müssen schließlich, wenn man die recht-
als spezifisch juristische Begriffsschöpfungen darstellen, so verfehlt ist es, lichen Erscheinungen ganz verstehen will, eine sinnschaffende und eine
den Begriffskern unter Verzicht auf die stabilisierende Kraft vorgegebener sinnerfassende Methode sich untrennbar miteinander verbinden.
Gliederungen einer rein „normativen" Behandlung zu unterwerfen. Ein Denn es wäre unrichtig zu meinen, daß die vorgegebenen sozialen Be-
solches Verfahren führt zwangsläufig in die Irre. deutungsgehalte gerade im Bereiche des Rechts dem Gesetzgeber und der
Um auch das gleich am Beispiel der Täterlehre zu demonstrieren: Vom Wissenschaft schon als fertige und unveränderliche Ergebnisse entgegen-
Standpunkt einer einseitig ausgerichteten teleologischen Methode liegt es träten. Vielmehr werden die sozialen Formungen ihrerseits durch gesetz-
nahe, von dem vorgeblich naturalistischen So-Sein der in der Außenwelt sich geberische Zwecke und wissenschaftliche Erkenntnisse tiefgehend be-
abspielenden Vorgänge ganz abzusehen und die Erscheinung des Täters einflußt. So sehr etwa die volkstümlichen Anschauungen vom „Täter",
mit Hilfe eines ausgesprochenen Wertbegriffes wie der „Strafwürdigkeit" „Anstifter", „Gehilfen" sich auf die gesetzgeberischen Wertvorstellungen
zu bestimmen. Ein derartiges Kriterium ist in der Tat von allen vorrecht- auswirken, so sehr werden diese Anschauungen ihrerseits mitgeprägt durch
lichen Gliederungsformen weitgehend unabhängig, denn man kann schwer- die Bedeutungsgehalte, die der Gesetzgeber kraft seiner Intentionen mit
lich mit absoluter Gültigkeit ermitteln, daß ein bestimmtes äußeres Verhalten ihnen verbinden will. Auch insoweit stellen daher die rechtlichen Begriffe
stets strafwürdiger sei als ein anderes. eine unauflösbare Synthese zugleich sinnerfassender wie sinngebender
Einen solchen Weg hat in jüngerer Zeit wieder Roeder 19 in engem An- Betätigung dar.
schluß an die methodischen Bestrebungen Eb. Schmidts und Mezgers Es liegt hier also nicht, wie viele Vertreter der südwestdeutschen Wert-
beschritten. Wie es nicht anders zu erwarten war, kommt er zu dem Ergeb- philosophie meinten, eine Strukturverschlingung von Sein und Sollen in dem
nis, daß sich eine generell geringere Strafwürdigkeit eines wie auch immer Sinne vor, daß ein wertfreies Sein und die Zweckvorstellungen empirischer
bestimmten „Gehilfen" oder „Anstifters" nicht feststellen lasse. Wer sich Subjekte die Verbindung miteinander eingingen; aber es ist auch nicht so,
überhaupt nicht an der Ausführung beteilige, wie etwa der Verfertiger einer daß ein werthaltiges vorrechtliches Sein allein der Rechtsordnung ihre
komplizierten Höllenmaschine, könne doch mehr tun und strafwürdiger Gehalte vorzeichnete; vielmehr durchdringen vorgegebene Bedeutungsge-
sein als derjenige, der durch Betätigung des Hebels die Ausführungshand- halte und sinnstiftende Wertsetzungen einander derart, daß eine ständige
lung vornehme 20 . Er gelangt daher zu der Forderung nach einem alle Betei- Wechselwirkung zwischen ihnen stattfindet und das Ergebnis sich nicht als
ligungsformen umfassenden, Anstiftung und Beihilfe ausschließenden, von ein erstarrtes Gefüge, sondern als die Resultante eines immer weiterlaufen-
ihm sogenannten „exklusiven" Täterbegriff. den Prozesses gegenseitiger Beeinflussung darstellt. Das im einzelnen aus-
Hier ist nicht die Folgerung, sondern der Ausgangspunkt fehlerhaft. zuführen und zu einer Analyse des „objektiven Geistes" im Bereiche der
Rechtsbegriffe, die in ihrem Kern nicht auf anschaulich-seinshaften Struktur- Rechtswissenschaft weiterzubilden, ist hier nicht der Ort.
elementen ruhen, ermöglichen keine klaren Abgrenzungen und verschwim-
men im Undeutlichen. Das macht sie aber für die hier gestellte Aufgabe von
vornherein unverwendbar: Denn wenn man die Beteiligungsformen vonein- § 6. D e r Täter als Zentralgestalt
ander abgrenzen will, so darf man dazu kein Kriterium wählen, das diese des handlungsmäßigen Geschehens
Aufgabe seinem Wesen nach nicht erfüllen kann. Die auch bei einer einseitig
durchgeführten gegenteiligen Betrachtungsweise aufgezeigte Gefahr der Un- I. Wenn wir nach den vorangegangenen Erörterungen ein Leitprinzip für die
bestimmtheit droht hier von der anderen Seite. Bestimmung des Täterbegriffs formulieren wollen, so können wir sagen: Der
' Daran wird deutlich, worin die selbständige Funktion einer sinnerfassen- Täter ist die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens.
den Methode besteht: Sie verleiht den rechtlichen Gebilden ein unverrück- Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um eine inhaltliche Umschrei-
bares Zentrum, bietet der begrifflichen Ausformung klare Anhaltspunkte bung der Täterschaft, sondern um ein formales Kriterium, einen methodi-
und verhindert ein unanschauliches Zerfließen der Begriffsinhalte, das sich schen Ansatzpunkt, der die oben entwickelte mehrschichtige Synthese aus
bei einer nicht an vorgegebene Strukturen gebundenen und daher mehr oder ontologischer und teleologischer Betrachtungsweise in eine konkretisierbare
weniger willkürlichen, nie einheitlich durchzuführenden Bewertung zwangs- Formel bannen soll.
läufig einstellt. Insofern haben die Vertreter der ontologisch-sozialen Täter- Die gewählte schlagwortartige Prägung muß also auf diesem Hintergrund
gesehen werden. Dann ergibt sich folgendes: Der Begriff der „Zentralgestalt"
soll einerseits den für die Abgrenzung maßgebenden gesetzlichen Wertungs-
19
ZStW, Bd. 69, 1957, S. 223 ff., 229 gesichtspunkt, andererseits aber auch einen deutlich erfaßbaren vorrecht-
20
a. a. O. S. 234 lichen Differenzierungsmaßstab bezeichnen.
26 27

Es scheint mir kaum bestreitbar zu sein, daß der Gesetzgeber so wertet: ein „subtrahierendes" Verfahren zu gewinnen: „Täter ist, wer nicht Teilneh-
Er umschreibt den Täter durch den Begriff des „Ausführens" (§47 StGB), mer ist"'.
den Anstifter durch das „Bestimmen zur Tat" (§48 StGB) und die Beihilfe Demgegenüber zwingt der hier eingeschlagene Denkweg zu einer
durch das „Hilfeleisten" (§49 StGB). Alle drei Verhaltensweisen beziehen „primären" Täterfeststellung. Die Zentralgestalt des handlungsmäßigen
sich nach dem Gesetzeswortlaut auf eine konkrete Tat. Wenn man sich ein Geschehens ist eine unmittelbarer Anschauung zugängliche Erscheinung,
solches Handlungsgeschehen vor Augen ruft, so kann man die §§47-49 deren inhaltliche Elemente positiv zu bestimmen sind. Der Umweg über die
StGB nur in dem Sinne verstehen, daß der Gesetzgeber sich den Ausführen- Verneinung der Teilnahme ist ein Irrweg: Denn es ist keineswegs gesagt, daß
den als Mittelpunkt und Schlüsselfigur des Deliktsvorganges, den Bestim- jemand, wenn die Voraussetzungen der Anstiftung und Beihilfe nicht vorlie-
menden und den Hilfeleistenden aber außerhalb des Zentrums um ihn her- gen, deshalb notwendig Täter sein müßte. Man denke nur an die Veranlas-
umgruppiert denkt. sung unvorsätzlich eigenhändiger Delikte! Eine konsequent durchgeführte
Von der anderen, auf die vorrechtlichen Sinnzusammenhänge abstellenden sekundäre Begriffsbestimmung würde den Täter zu einem Lückenbüßer 2
Betrachtungsweise her bedeutet der Begriff der „Zentralgestalt" den Rück- degradieren. Aus der Schlüsselfigur des Deliktsvorganges, die für uns den
griff auf eine auch im Gemeinbewußtsein lebende plastische Vorstellung: methodischen Ansatzpunkt bildet, würde ein durch eine bloße Negation
Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter ist die Hauptfigur des Geschehens, der zusammengehaltener, durch kein leitendes inhaltliches Kriterium kon-
Anstifter und Gehilfe stehen am Rande. Es handelt sich also bei verschiede- stituierter Auffangbegriff für anderweit nicht einzuordnende Mitwirkungs-
ner Blickrichtung um ein- und dieselbe Sache. Soweit man überhaupt von formen.
einem vorgegebenen „Wesen" der Teilnahme sprechen kann, besteht es in Die Notwendigkeit eines primären Täterbegriffs ist zuerst von Lange 3
dieser Anlehnung des Teilnehmers an die Zentralgestalt des Täters, wie sie hervorgehoben worden und entspricht heute der herrschenden Meinung 4 .
auch in der „sachlogisch" vorgezeichneten Akzessorietät ihren positivrecht- Die Gegenauffassung wird aber jetzt noch von Bockelmann vertreten 5 . Er
lichen Ausdruck findet. macht sein Bekenntnis zum sekundären Täterbegriff allerdings gleich wieder
Damit ist - um es noch einmal hervorzuheben - natürlich nicht gesagt, halb rückgängig, indem er betont, seine Meinung sei nicht so zu verstehen,
durch welche inhaltlichen Kriterien der Begriff der Zentralgestalt auszu- als ob „da, wo keine Teilnahme vorliegt, automatisch Täterschaft gegeben
füllen ist. Das kann nach den Wertvorstellungen des Gesetzgebers, nach sein müßte" 6. Er wolle nur auf die methodische Notwendigkeit hinweisen,
der Struktur des zugrundeliegenden Verhaltens und der besonderen Tat- die Tatherrschaft eines Handelnden - die er als Kriterium der Täterschaft
bestände verschieden sein und wird im einzelnen noch der späteren Ana- ansieht - „nicht eher zu bejahen, als bis sichergestellt ist, daß sie nicht etwa
lyse bedürfen. Erst dann wird es auch möglich sein, den Begriff zu ent- bei einem anderen (jedenfalls nicht allein bei einem anderen) liegt" 7 . Herr-
falten, ihn bis in seine Verästelungen hinein festzulegen, den vorrecht- schaft sei zunächst Freiheit von Fremdherrschaft.
lichen Bedeutungszusammenhängen in ihrer konkreten Ausgestaltung Doch selbst in dieser eingeschränkten Form ist dem nicht zuzustimmen,
nachzugehen und die Tragweite des Prinzips am praktischen Beispiel und zwar weder methodisch noch sachlich. Denn die Meinung Bockel-
zu erproben. Solange das nicht geschehen ist, muß der formale Leit- manns, es sei nicht möglich, die Täterschaft eines Beteiligten primär und
gedanke notwendig unanschaulich bleiben; denn er kann nur bei der positiv zu bestimmen, steht im Widerspruch zu seiner eigenen Annahme, die
Ausfüllung des Begriffes durch sachliche Kriterien Richtschnur sein, etwaige Alleintäterschaft eines anderen unmittelbar feststellen zu können!
diese Elemente aber nicht durch begriffliche Ableitungen aus sich her- Richtig ist zwar, daß jemand nur Täter sein kann, wenn nicht ein anderer
vorbringen. Alleintäter ist. Aber das hat nichts mit einer sekundären Täterbestimmung
Allerdings darf man die Bedeutung eines solchen Denkansatzes nicht zu tun, sondern es handelt sich dabei lediglich um eine Anwendung des
unterschätzen: Er wird schon gleich bei Erörterung der verschiedenen Tä- Satzes vom Widerspruch. Und im Ergebnis hat Bockelmann gleichfalls
terbegriffe und Teilnahmetheorien eine lebhaft aussondernde Wirksam- unrecht, wie sich hier allerdings nur vorgreifend behaupten läßt 8 : Auch
keit entfalten. Im Anschluß daran wird den breitesten Raum die Untersu-
chung einnehmen, inwieweit ein anhand der hier zugrundegelegten Kriterien
bis ins einzelne durchgeformter Tatherrschaftsbegriff die Täterfrage lösen 1
kann. So die Formulierung von Bockelmann, Untersuchungen, S. 76, Anm. 106
2
so schon Lange, Mod. Täterbegriff, S. 6
II. Vor der kritischen Sichtung der verschiedenen Teilnahmetheorien 3
Mod. Täterbegriff, S. 5/6; ZStW 63, S. 504; Kohlr/Lange, 42. Aufl., vor § 47,1, S. 158
4
können einige dogmengeschichtlich bedeutsame Täterlehren von vornherein Schönke/Schröder, 10. Aufl., III, 1, vor §47, S. 233; Sax, MDR 54, S. 69, Anm. 31; vgl.
ausgeschaltet werden, weil sie nach dem bisherigen Ergebnis unserer Unter- auch Entwurf 1962, S. 149
5
suchung schon im Ansatz verfehlt sind: Untersuchungen, S. 76, Anm. 106; S. 102, Anm. 57
6
a. a. O. S. 77, Anm. 106 von S. 76; S. 102, Anm. 57 am Ende.
1. Der „sekundäre" Täterbegriff ist abzulehnen. Es handelt sich bei ihm 7
a. a. O. S. 102, Anm. 57
8
um den Versuch, im Falle des Zusammenwirkens mehrerer den Täter durch Ausführlich darüber unten S. 131 ff.
28 29

wer unter der Herrschaft eines anderen eine Tat ausführt, handelt als - neben ihr stehen und selbständiger, vom Leitprinzip abweichender Begrün-
wenngleich möglicherweise entschuldigter - Täter. dung bedürfen. Vom Grundgedanken der extensiven Theorie her bleibt es
Es bleibt also dabei: Der Täterbegriff ist primär zu bestimmen! durchaus unklar, warum Anstiftung und Beihilfe als Strafeinschränkungs-
2. Der extensive Täterbegriff ist abzulehnen. gründe.nötig sind, wenn sich bei teleologischer Betrachtung jeder Akt der
Die historisch wichtigste Form des extensiven Täterbegriffes ist oben Erfolgsherbeiführung als gleichwertig herausstellt.
schon geschildert worden 9 Der Streit um ihn, der Anfang der Dreißigerjahre Schon die Besinnung auf die gesetzgeberischen Zweckvorstellungen
die Diskussion über die Teilnahmelehre weitgehend beherrschte, ist heute widerlegt also diesen Täterbegriff.
abgeklungen, ohne daß sich eine der beiden Meinungen eindeutig durchge- b) Aber auch die vorgegebenen Bedeutungsdifferenzierungen nivelliert die
setzt hätte. Die Vertreter der Tatherrschaftslehre stehen ihm ablehnend extensive Lehre zugunsten eines abstrakt-logischen Bedingungszusammen-
gegenüber; diejenigen, die im Prinzip an der subjektiven Theorie festhalten, hanges. Aus dem Täter als der plastisch umrissenen Zentralgestalt des hand-
sind bald für 10 , bald gegen 11 ihn. Der Bundesgerichtshof hat ihn gelegentlich lungsmäßigen Geschehens wird ein bloßer Verursacher tatbestandlicher
ausdrücklich verwendet, wenn er etwa feststellt: „Wer den Erfolg des gesetz- Rechtsgüterverletzungen. Das führt, wenn man dem extensiven Ansatz
lichen Straftatbestandes verursacht, ist Täter, soweit nicht besondere Vor- treu bleibt, zu einem die natürlichen Anschauungen gewaltsam verzerrenden
schriften ... entgegenstehen" 12. Täterbilde: Wer beim Selbstmord eines verantwortlich handelnden Men-
Es ist nicht erforderlich, alle Argumente zu wiederholen, die für und schen mitwirkt, erscheint ohne Ausnahme als Täter eines Totschlages 14 ;
gegen den extensiven Täterbegriff vorgebracht worden sind 13 . Unabhängig der Wärter (und wenn man ganz folgerichtig ist: sogar die Wärterin), der
von den sachlichen Bedenken, die sich aus der Vernachlässigung aller per- zwei Geisteskranken zur gleichgeschlechtlichen Unzucht behilflich ist, wird
sonalen Elemente des Täterverhaltens ergeben, genügt hier der kurze Nach- zum Täter des §175 StGB 15 ; die Eltern des Mörders sind ihrerseits tat-
weis, daß diese Lehre schon von den oben entwickelten methodischen bestandsmäßige Täter des Mordes 16 ; der Extraneus, der einen Beamten
Ansatzpunkten her der Ablehnung verfallen muß, und zwar aus mehreren zu einem unvorsätzlichen Amtsdelikt verleitet, ist selbst Täter des Amts-
Gründen: verbrechens 17 .
a) Die These, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers grundsätzlich Es zeigt sich hier, daß eine einseitig abstrakt-normative Betrachtungs-
jeder Täter sei, der einen tatbestandsmäßigen Erfolg verursache, verfehlt den weise, die von den vermeintlich „naturalistischen" (in Wirklichkeit: schon im
für die gesetzliche Wertung entscheidenden Gesichtspunkt eindeutig. Denn vorrechtlichen Raum sinnvoll strukturierten) äußeren Vorgängen bewußt
wenn das positive Recht zwischen Tätern, Anstiftern und Gehilfen unter- absieht, mit ihren nur gedachten Bezügen bei der Abgrenzung der Beteili-
scheidet, so kann man den Sinn dieser Differenzierung und damit das dem gungsformen keine verständliche Ordnung mehr erkennen läßt.
Täterbegriff Eigentümliche unmöglich in dem einzigen Merkmal suchen, das c) Schließlich ist der extensive Täterbegriff auch deshalb abzulehnen, weil
alle Beteiligten gleichermaßen auszeichnet: der Ursächlichkeit für den er sich bei der praktischen Anwendung nur in einer „sekundären" Form der
Erfolg. Es ist vielmehr evident, daß der Gesetzgeber bei seiner Abgrenzung Täterbestimmung auswirken kann, deren methodische Unzulänglichkeit
gerade auf die Verschiedenartigkeit der Mitwirkung bei einem solchen schon oben hervorgetreten ist.
Geschehen abstellen wollte. Zwar bescheinigt ihm Lange 18 gerade die Richtigkeit seines leitenden
Daher müssen die ungleichartigen Teilnahmeformen, die der Täterbegriff Gesichtspunktes, insofern als der Täterbegriff hier selbständig und nicht
klären soll, für die extensive Lehre im Grunde undeutbar bleiben; weshalb durch „Gegenschlüsse aus den Teilnahmevorschriften" gewonnen wird.
denn auch die subjektiven oder objektiven Theorien, mit denen sie, um Das trifft aber nur in der Theorie zu; denn da die extensive Theorie sich
dem Gesetz Genüge zu tun, verkoppelt werden muß, zusammenhanglos de lege lata mit einer aus anderen Gesichtspunkten hergeleiteten Abgren-
zung der Beteiligungsformen abfinden muß, bleiben für die Täterschaft nur
die Fälle übrig, in denen die „Strafeinschränkungsgründe" der Anstiftung
und Beihilfe nicht eingreifen. Sehr deutlich zeigt das der oben erwähnte
BGH-Fall, bei dem es um eine Freiheitsberaubung mit Hilfe einer bewußt
9
10
Vgl. S. 8-10 unwahren Anzeige ging 19 . Nachdem der Bundesgerichtshof dort den
So etwa Metzger, StuB., A.T., 9. Aufl., §86 II, S. 229 f.; LK, 8. Aufl., Bern. 3 vor §47
11
So Schröder, Schönke/Schröder, 10. Aufl., III, 2, vor §47, S. 233
12
BGHSt 3, 4-7 (5)
13 14
Vgl. dazu nur: Zimmerl, ZStW, Bd. 49, 1929, S. 39-54; Bruns, Kritik der Lehre vom Eb. Schmidt, Frank-Festgabe II, 124f.; vgl. schon oben S. 10
15
Tatbestand, 1932; Grünhut, JW 1932 S. 366f.; Bahr, Restriktiver und extensiver Vgl. Schmidt a. a. O. S. 124 in Verb, mit S. 119
16
Täterbegriff, 1934; Lony, Extensiver oder restriktiver Täterbegriff? 1934; Lange, Schmidt a. a. O. S. 119, Anm. 1; siehe aber oben S. 10, Anm. 22
17
Moderner Täterbegriff, 1935; Goetzeler, SJZ 1949, Sp. 837-846; Gallas, Gutachten, Vgl. darüber zutreffend Lange, Mod. Täterbegriff, S. 29f.
18
S. 122ff.; Roeder, ZStW, Bd. 69, 1957, S. 223-268; ferner die oben zitierte Abhandlung Mod. Täterbegriff, S. 15
19
von Eb. Schmidt und die großen Lehrbücher und Kommentare. BGHSt 3, 5
30 31

extensiven Täterbegriff zugrundegelegt hat, prüft er, ob Anstiftung oder Dem aus derselben Wurzel stammenden Gedanken einer Vorbeugung gegen
Beihilfe vorliegen und fährt dann fort: „Diese Möglichkeiten scheiden hier willensstrafrechtliche Tendenzen entspringt auch die Abstufung der Straf-
aus. Deshalb ist die Angeklagte mittelbare Täterin der Freiheitsberaubung". barkeit bei der versuchten Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe. Das aber
Es ist dies dasselbe Verfahren, das zur Strafbarkeit jeder Beteiligung am sind Erwägungen, die mit dem Strafmaß des Einzelfalles nicht das geringste
Selbstmord führt: Der Mitwirkende ist allein deshalb Täter eines Totschla- zu tun haben. Selbst wenn im künftigen Recht für die Beihilfe eine obligato-
ges, weil sich sein kausaler Beitrag nicht als Anstiftung oder Beihilfe fassen rische Strafminderung eingeführt werden sollte (vgl. §§31 Abs. 2, Satz 2, 64
läßt. Abs. 1 Ziff. 2 Entw. 1962), ist das nur so zu verstehen, daß aus dem periphe-
Es bedarf keiner Begründung mehr, daß dadurch der methodische Aus- ren Charakter der Mitwirkung der Schluß auf eine generell geminderte Straf-
gangspunkt, wonach der Täter die Zentralgestalt des handlungsmäßigen würdigkeit gezogen wird, nicht aber umgekehrt so, als ob der Gesetzgeber
Geschehens bildet, auf den Kopf gestellt wird. den, der im Einzelfall geringere Schuld auf sich geladen hat, deshalb als
3. Alle Theorien, die den Täterbegriff nach der „Strafwürdigkeit", der Gehilfen ansehen wollte 24 . Das ist schon deshalb unmöglich, weil auch bei
Intensität der verbrecherischen Energie und ähnlichen Kriterien bestimmen einer um ein Viertel herabgesetzten Strafandrohung (vgl. §64 Abs. 1 Ziff. 2
wollen, sind abzulehnen. Derartige Gesichtspunkte, die zuletzt bei Roeder Entw. 1962) ein Gehilfe in concreto schärfer bestraft werden kann als der
wieder hervorgetreten sind 20 , haben auch sonst in der Geschichte der Teil- Täter.
nahmelehren häufig zur Unterscheidung der Teilnahmeformen gedient. Außerdem würde man, wenn man konkrete Strafwürdigkeitserwägungen
Ihre Verfehltheit ergibt sich nicht allein aus dem oben 21 schon dargelegten für die Abgrenzung leitend sein ließe, selbst den Sinn einer obligatorischen
Umstand, daß ein solcher rein normativer Ausgangspunkt alle Abgrenzun- Strafrahmenreduktion, wie sie das künftige Recht für die Beihilfe vorsieht,
gen im Unbestimmten verschwimmen läßt und am Ende unmöglich macht. verfehlen. Denn die „entferntere Mitwirkung des Gehilfen", von der die
Er geht auch an den gesetzlichen Wertvorstellungen offenkundig vorbei; Entwurfsbegründung durchaus zutreffend spricht, ist ein objektiver, tat-
denn wenn das positive Recht den Anstifter und den Täter in der Bestrafung bezogener Strafmilderungsgrund, der von den sonstigen, wesentlich subjek-
gleichstellt und sogar für den Gehilfen dieselbe Höchststrafe bereit hält, tiven und täterbezogenen Strafzumessungsregeln völlig unabhängig ist.
kann der Sinn der Differenzierung nicht in der Annahme liegen, daß der Wollte man die Teilnahmelehre ungeachtet dessen so aufbauen, daß die
Teilnehmer generell weniger strafwürdig sei als der Täter. Täterschaft sich auf die durch die verschiedensten Umstände bestimmte
Aus diesem Grunde ist es auch unrichtig, wenn immer wieder versucht allgemeine Strafwürdigkeit gründete, so würde die ratio dieses Strafmilde-
wird, in die Teilnahmelehre Strafzumessungserwägungen hineinzuinter- rungsgrundes verdeckt und durch die nichtssagende Formel ersetzt werden,
pretieren 22 . Ein Beteiligter, der sich bei der Tat völlig im Hintergrund daß weniger strafwürdige Taten milder zu bestrafen seien - eine Erkenntnis,
gehalten hat und unter keinen Umständen als Zentralgestalt des konkreten die sich von selbst versteht und zu deren Durchsetzung es der Teilnahme-
Handlungsvorganges angesehen werden kann, mag dennoch die höchste lehre nicht bedürfte.
Strafe verdienen: Wenn man ihn aber deshalb als Täter ansehen wollte, käme So eindeutig das alles erscheint: Hier liegt eine schwer zu verstopfende
man zu einer „Kriminologisierung" der Teilnahmeformen, die dem Wesen Quelle grundsätzlicher Fehler in der Behandlung der Teilnahmeproblematik,
der Strafrechtsdogmatik und dem Sinn der hier zur Erörterung stehenden die wesentlich zur Verwirrung der Materie beigetragen hat. Im folgenden
Abgrenzung nicht gerecht wird. wird noch mehrfach darauf zurückzukommen sein.
Wie mit der Bildung der Tatbestände verfolgt der Gesetzgeber auch bei 4. Die „Gefährlichkeitstheorien" sind abzulehnen.
der Unterscheidung der Beteiligungsformen das Ziel einer rechtsstaatlichen Der Gedanke, daß der Täter sich vom Teilnehmer durch die größere
Begrenzung der Strafgewalt: Die Verursachung eines tatbestandsmäßigen Gefährlichkeit seines Verhaltens unterscheide, hat in der Täterlehre seit
Erfolges soll nicht schlechthin, sondern nur dann bestraft werden, wenn eh und je eine gewichtige Rolle gespielt. Das gilt nicht nur für die zahl-
sie in der Form der Täterschaft, der Anstiftung und der Beihilfe erfolgt 23 . reichen ausdrücklich so genannten „Gefährlichkeitstheorien" 25 und ihre um-
fassendste, ganz auf dieser Grundlage ruhende Ausführung in der Lehre von
Perten 26 ; auch etwa die Auffassung Kohlers 27 , der nach der Intensität der
20
Mitwirkung differenziert, oder die bekannte Theorie von Birkmeyer 28 ,
ZStW, Bd. 69, 1957, S. 226ff.; auch die neuerdings von Piotet, ZStW, Bd. 69, 1957, S. 2 3 ,
42 aufgestellte These, Täter sei, „wer für die Verwirklichung der sachlichen Ver-
brechensmerkmale die gesamte o d e r hauptsächliche V e r a n t w o r t u n g trägt", läßt sich in
diesen Z u s a m m e n h a n g einreihen.
21 24
Vgl. S. 24/25 Vgl. die A m t l . B e g r ü n d u n g des Entw. 1960, S. 142; Entw. 1962, S. 151
22 25
Selbst Gallas, Niederschriften, S. 69, bringt Teilnahme- u n d Strafzumessungslehre mit- Vgl. die Übersicht bei Perten, Die Beihilfe z u m Verbrechen, S. 3 4 - 4 0
26
einander in Z u s a m m e n h a n g . a. a. O . S. 62 ff.
23 27
In diesem Sinne auch sehr eindeutig die Amtliche B e g r ü n d u n g z u m E n t w u r f 1962, Studien, Bd. 1,S. 92 ff.
28
S. 147 Ursachenbegriff u n d Kausalzusammenhang; Die Lehre von der Teilnahme.
32

wonach Täter derjenige ist, der die „wirksamste" Bedingung setzt, finden
ihren normativen Gehalt in diesem Grundgedanken. Darüber hinaus hat
man aber auch nahezu alle anderen Theorien durch das Gefährlichkeits-
prinzip zu rechtfertigen versucht 29 . Es ist nicht möglich, den verschiedenen
Lehren hier im einzelnen nachzugehen.
Das ist aber auch unnötig; denn einerseits werden sie, soweit sie die
Gefährlichkeit durch fest umrissene Kriterien zu umschreiben versuchen, im
folgenden mitbehandelt; zum anderen aber offenbart sich in dieser unüber-
sehbaren Aufsplitterung die methodische Unbrauchbarkeit dieses Gesichts- Zweites Kapitel
punktes.
Sie zeigt sich in zwiefacher Hinsicht: Wenn man einer Auffassung, die den Die Täterlehren vor der Tatherrschaftstheorie
Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme von bestimmten objek-
tiven oder subjektiven Umständen abhängig macht, durch das Prinzip der Die literarischen Äußerungen zur Abgrenzung von Täterschaft und Teil-
Gefährlichkeit eine normative Grundlage zu geben versucht, so verfehlt man nahme sind unüberblickbar zahlreich. Sie vollständig aufzureihen, würde
gerade den wesentlichen Gehalt einer solchen Differenzierung. Denn es ist allein den Umfang eines dickleibigen Kompendiums erfordern. Abgesehen
leicht zu zeigen und oft nachgewiesen worden, daß es kein exakt erfaßbares von dieser technischen Schwierigkeit wäre ein solches Unternehmen aber
Merkmal gibt, dessen Erfüllung notwendig eine größere Gefährlichkeit auch wenig lohnend, weil viele dieser Beiträge nur noch rein historisches
gegenüber den Tatbeiträgen anderer verbürgte. Der Hintermann, die für den Interesse haben oder bekannte Gedanken lediglich terminologisch neu ein-
äußeren Handlungsvorgang unscheinbarste Randgestalt, kann dennoch unter kleiden. Wir werden uns daher auf die Meinungen beschränken, die größeren
allen Beteiligten der gefährlichste sein. Daher sind alle derartigen Versuche Einfluß gewonnen haben und heute noch brauchbare Ansatzpunkte zur
gescheitert und haben lediglich zu der resignierten Forderung nach dem Ein- Lösung unseres Problems bieten. Dabei werden hauptsächlich die für eine
heitstäterbegriff geführt. Meinung repräsentativen Autoren berücksichtigt. Die Literatur des vergan-
Wenn man andererseits auf eine Festlegung genereller Merkmale ganz ver- genen Jahrhunderts und Hinweise auf fremde Rechtsordnungen sind nur zu
zichtet und als Täter denjenigen ansieht, der im konkreten Fall durch die Beispielszwecken herangezogen worden.
Gefährlichkeit seines Beitrages sich von anderen Beteiligten abhebt, so Die um der Übersichtlichkeit willen erforderliche Theoriengruppierung
gelangt man zu einem rein normativen Begriff, der mit demjenigen der muß immer bis zu einem gewissen Grade willkürlich und an historische
„Strafwürdigkeit" auf einer Stufe steht und den nach den obigen Darlegun- Zufälligkeiten gebunden bleiben, da es einen alle relevanten Unterscheidun-
gen in diesem Bereich an die Begriffsbildung zu stellenden Anforderungen gen erfassenden Gliederungsmaßstab nicht gibt. Eine Einteilung nach
nicht genügt. Durch ein solches Verfahren werden nicht nur die vorgegebe- methodischen Gesichtspunkten empfiehlt sich nicht, weil, wie sich gezeigt
nen bedeutungshaltigen Gliederungen verwischt; auch die gesetzgeberische hat, derselbe methodische Ausgangspunkt oft zu entgegengesetzten Ergeb-
und richterliche Wertung wird ihrer objektiven Anhaltspunkte beraubt und nissen führt oder eine in der praktischen Auswirkung gleiche Lösung von
unüberprüfbarer Beliebigkeit überantwortet. Außerdem geht eine derartige ganz verschiedenen Grundlagen her gewonnen werden kann. Es erscheint
Unterscheidung auch an den gesetzlichen Wertvorstellungen vorbei; das daher für das Verständnis am förderlichsten, auf neuartige und ungewohnte
ergibt sich aus dem, was oben zum Strafmaß und zur Verfehltheit eines Gruppierungen zu verzichten und die im Laufe der Jahrzehnte nach sehr
kriminologisierenden Täterbegriffs ausgeführt wurde. unterschiedlichen Kriterien gebildeten Theorien unter ihren vertrauten
Die Gefährlichkeitstheorien bieten somit schon von ihren methodischen Bezeichnungen nebeneinanderzustellen.
Grundlagen her keine verwertbaren Ansätze zur Lösung der Täterschafts- Bei alledem liegt der leitende Gesichtspunkt nicht darin, eine dogmen-
problematik. geschichtliche Darstellung um ihrer selbst willen zu liefern oder die alt-
bekannten Argumente gegen die einzelnen Lehren noch einmal zusammen-
zutragen; es kommt vielmehr entscheidend darauf an, die verschiedenen
Auffassungen zum heutigen Stand der Täterlehre in Beziehung zu setzen,
ihre in der Gegenwart fortwirkenden Gehalte herauszuarbeiten und ihre
zutreffenden Einsichten für eine selbständige Lösung fruchtbar zu machen.

Vgl. etwa die zu entgegengesetzten Ergebnissen führende Kontroverse zwischen Hegler,


Festgabe für R. Schmidt, S. 74, u n d Eb. Schmidt, Frank-Festgabe II, S. 118
35
34
von Wegner 23 vertreten, der aber damit nur an seiner schon früher ent-
§ 7. Die formal-objektive Theorie
wickelten Lehre festhält.
Trotz dieses mit dem Aufkommen der Tatherrschaftslehre zusammenhän-
Diese Auffassung sieht - wenn man sie auf ihren Kern zurückführt und alle
genden Niederganges hat die formal-objektive Theorie auch für den heutigen
Varianten beiseiteläßt - denjenigen als Täter an, der die in den Tatbeständen
Betrachter sehr erhebliche Vorzüge. Sie vermeidet nicht nur die Mängel des
des Besonderen Teils beschriebenen Handlungen ganz oder teilweise selbst
kausalen Ansatzes, sondern hält auch glücklich die Mitte zwischen einer aus-
ausführt; alle anderen sind nur Anstifter oder Gehilfen.
schließlich wertenden oder einer nur sinnerfassenden Betrachtungsweise.
Sie hat ihren Namen von Birkmeyer 1 , ist der Sache nach aber wesentlich
Der Mörder, der dem Opfer das Messer in die Brust stößt; der Dieb, der die
älter. Schon im 19. Jahrhundert hatte sie zahlreiche Anhänger 2 ; sie gewann
Schmuckstücke aus der erbrochenen Kassette zusammenrafft und davoneilt;
dann immer mehr an Boden, bis sie etwa zwischen 1915 und 1933 zur herr-
der Zeuge, der mit erhobener Hand falsch schwört - das sind plastische, im
schenden Meinung wurde. Die großen Dogmatiker Beling 3 , Max Ernst
Mittelpunkt des Geschehensvorganges stehende Gestalten, deren Hand-
Mayer 4 und Liszt 5 brachten sie zu Ansehen; auch der „Amtliche Entwurf"
lungsweise sich von der anderer Beteiligter für den unbefangenen Betrachter
1925 ging entgegen der damals herrschenden Rechtsprechung von der for-
sinnfällig abhebt.
mal-objektiven Theorie aus 6 . Um das Jahr 1930 folgten ihr die damals
bedeutendsten Lehrbücher von Eb. Schmidt 7 , Mezger 8 , Robert v. Hippel 9 , Zugleich gibt es gute Gründe dafür, daß diese Lehre auch einen vom
Finger 10 und Allfeld11, die Grundrisse von Paul Merkel 12 und van Calker 13 , Gesetzgeber selbst für maßgeblich erachteten Bedeutungsunterschied her-
und auch sonst bekannten sich zahlreiche Strafrechtler wie Wegner 14 , aushebt; denn daß die Tatbestandsbeschreibungen in erster Linie den
Zimmerl 15 , Hegler 16 , Rosenfeld 17 , Grünhut 1 8 und Graf zu Dohna 1 9 aus- erfassen und mit dem Wertprädikat „Täter" versehen wollen, der die dort
drücklich zur formal-objektiven Theorie. Damit aber hatte sie ihren geschilderten Handlungen selbst ausführt, ist ein Gedanke von beinahe
Höhepunkt überschritten. Während sie in Österreich 20 , Frankreich 21 und zwingender Evidenz, dem alle heute noch vertretenen Theorien Rechnung
wohl auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis 22 noch heute im wesent- tragen. Während er aber etwa in der subjektiven Täterlehre einen Fremd-
lichen vorherrscht, hat sie in Deutschland seither keine bedeutenden körper bildet, steht er hier mit Recht im Zentrum der Abgrenzung.
Anhänger mehr gewonnen. Ausdrücklich wird sie nur noch im Lehrbuch Es kommt hinzu, daß diese Auffassung, was freilich eigenartigerweise
nie recht erkannt worden ist, ihren Namen als „objektive" Theorie in Wahr-
heit zu Unrecht trägt; gerade sie berücksichtigt nämlich das später so betonte
subjektiv-finale Element in weitgehendem Maße! Der Sittlichkeitsver-
1
Teilnahme, Vergleichende Darstellung, S. 2 1 , 1908 brecher des §176, der Brandstifter des §306, der Giftmischer nach §229
2
Vgl. die detaillierten Angaben bei Birkmeyer, Teilnahme, 1890, S. 97, N o t e 144 StGB - sie stehen als final handelnde, den Tatverlauf eigenhändig steuernde
3
Die Lehre v o m Verbrechen, 1906, S. 408 ff.; G r u n d z ü g e des Straf rechts, 10. Aufl., 1928, Personen vor unseren Augen. Auch zu einer Zeit, da noch niemand daran
4
S. 29-31 dachte, den Vorsatz als Bestandteil des Tatbestandes anzusehen, haben doch
Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 1923, S. 380ff. die Vertreter der formal-objektiven Theorie, wenn sie etwa den Mittäter
5
Lehrbuch, 22. Aufl., 1919, S. 211
6
Das ergibt sich aus S. 2 5 - 2 7 der B e g r ü n d u n g ; im E n t w u r f 1927 ist diese klare Stellung- vom Gehilfen trennen wollten, im Bereiche der Vorsatzdelikte nur einen die
n a h m e schon wieder abgemildert, vgl. die dortige B e g r ü n d u n g , S. 29 Tatbestandshandlung final verwirklichenden Täter vor sich gesehen. Darüber
7
v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch, Erster Band, 1932, S. 334/35 hinaus kann diese Lehre sogar die besonderen Gesinnungen, Absichten
8
Straf recht, 2. Aufl., 1933, S. 444 und Tendenzen des Täters berücksichtigen, soweit sie vom Gesetzgeber
9
Deutsches Straf recht, 2. Bd., 1930, S. 453 ff.; L e h r b u c h des Straf rechts, 1932, S. 163
10 durch die Aufnahme in die Deliktsschilderung für relevant erklärt worden
Straf recht, 1932, S. 543, 545 ff.; mit einigen Einschränkungen, S. 546/47
11
Meyer/Allfeld, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., 1934, S. 219/220 sind. Indem es ihr so gelingt, statt blasser Abstraktionen lebensvolle Hand-
12
Allgemeiner Teil, 1927, S. 172-174; auch hier kleine Einschränkungen, S. 174 a. a. 0.; vgl. lungen mit ihren sozialen Sinnbezügen zu erfassen, erweist sie sich als
. auch Merkels A b h a n d l u n g „Zur A b g r e n z u n g von Täterschaft u n d Beihilfe", 1925, u n d unmittelbarer Vorläufer der Tatherrschaftstheorie.
Frank-Festgabe II, 1930, S. 134ff.
13
Strafrecht, 4. Aufl., 1933, S. 76-80 Danach ist der Vorwurf, den Lange 24 vom Standpunkt der teleologischen
14
15
Teilnahme, in: A s c h r o t t / K o h l r a u s c h , Reform des Strafrechts, 1926, S. 102-119 Methode aus gegen Beling als den Hauptvertreter der formal-objektiven
ZStW, Bd. 49, 1929, S. 39-54
16 Theorie erhebt, daß er das Urteil über die Täterschaft abhängig mache
R G R - P r a x i s , 1929, S. 307; Festgabe für Richard Schmidt, 1932, S. 74
17
Frank-Festgabe II, 1930, S. 161-187
„von einer Besonderheit der Kausalreihe, von der äußeren Beschaffenheit
18
J W 1932, S. 366f. der Handlung, ..., also von Unterscheidungen, die, juristisch betrachtet,
19
D e r Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Aufl., 1950, S. 59/60
20
Vgl. Dietz S. 67/68 mit einzelnen Angaben.
21
Vgl. Dietz S. 19ff., 28ff. mit Nachweisen.
23
22
Straub, S. 66, u n d Dietz, S. 89/90, 94, vertreten übereinstimmend die Ansicht, daß n u r S. 249-255
24
der sog. „principal in the first degree", der selbst Ausführungshandlungen v o r g e n o m - D e r m o d e r n e Täterbegriff, S. 16
men hat, dem Täterbegriff des englischen Rechts unterfalle.
36 37

zufällig sind", nicht ganz gerechtfertigt. Und wenn Gallas 25 als Vertreter umbringen läßt, obwohl hier und in vielen anderen vergleichbaren Fällen die
der Tatherrschaftslehre meint, die formal-objektive Theorie vermöge, formal-objektive Theorie eine Täterschaft ablehnt.
„solange sie in den Handlungsbeschreibungen der Tatbestände Beschrei- Aber auch der Mittäterschaft kann die formal-objektive Theorie nicht
bungen kausaler Vorgänge sieht, nicht zu erklären, wieso in diesen Beschrei- ganz gerecht werden. Wegner 31 bildet den Fall, daß A und B beschlossen
bungen ein gegenüber der Ursächlichkeit der Tat selbständiger Wertmaßstab haben, den C zu vergiften, und daß A das Gift in die Suppe streut, während
enthalten ist", so trifft er damit zwar die kausale Handlungslehre, aber die B alle Reize ihrer Plauderkunst entfaltet, um C's Aufmerksamkeit
nicht eigentlich die formal-objektive Theorie, von der wir gerade gesehen von dem merkwürdigen Geschmack des Giftgebräus abzulenken. Nach sei-
haben, daß sie von vornherein zu einer Überwindung des kausalen Ansatz- ner Meinung ist A Täter und die B Gehilfin. Auch Beling 32 hat keine Beden-
punktes tendiert. In Wirklichkeit paßt sie viel besser zu einer finalen Tat- ken, in dem Beispiel, daß A dem B ein Messer reicht und B es dem von C
bestandslehre, und wenn die früher herrschende Meinung vom überkom- festgehaltenen X ins Herz stößt, A und C lediglich als Teilnehmer anzu-
menen Handlungsbegriff her zu ihr gelangt ist, so liegt darin eine gewisse sehen. Diese Lösungen überzeugen jedoch nicht. Wenn in dem Giftfall A
Widersprüchlichkeit; der Fehler steckte aber in der Handlungs- und nicht in und B gleichgeordnet zusammenwirken und ihre Tatbeiträge sich derart
der Täterlehre. ergänzen, daß sie nur zusammen den Erfolg herbeiführen können, so bildet
Freilich zeigt die formal-objektive Theorie auch Schwächen, die ihre un- ihr Verhalten im Hinblick auf das angestrebte Ziel eine Sinneinheit, die sich
veränderte Übernahme heute unmöglich machen. Der eindeutigste Mangel nicht ohne Willkür in verschiedene rechtliche Typen aufspalten läßt. Gerade
liegt in ihrer Unfähigkeit, die Erscheinung der mittelbaren Täterschaft zu der von den Anhängern der formal-objektiven Theorie so hervorgehobene
erklären. Viele ihrer Anhähger haben versucht, ohne diese Rechtsfigur aus- Sprachgebrauch würde nicht zögern zu sagen, daß A und B den C gemein-
zukommen und die dadurch entstehende „peinliche Lücke strafwürdiger ... sam ermordet haben. Das gilt ebenso für das Beispiel Belings.
Fälle" 26 de lege ferenda durch eine Limitierung der Akzessorietät zu lösen. Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber einen solchen bei
Aber dieser Weg ist für den Hauptanwendungsfall, das Handeln durch ein sinnerfassender Betrachtung einheitlichen Vorgang rechtlich verschieden
vorsatzloses Werkzeug, nicht nur dadurch verbaut, daß die Rechtsprechung werten wollte. Wenn § 47 StGB für die Mittäterschaft verlangt, daß „mehrere
heute für die Teilnahme eine vorsätzliche Haupttat verlangt; es würde eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen", so kann damit jeden-
dadurch vor allem eine Erscheinungsform echter Täterschaft in eine Teil- falls nicht gemeint sein, daß jeder den Tatbestand ganz erfüllen müsse, denn
nahme umgefälscht; daß der vielzitierte Arzt, der durch die ahnungslose in diesem Falle wäre er nach der formal-objektiven Theorie ohnehin Täter,
Krankenschwester eine tödliche Injektion vornehmen läßt, wirklicher Täter und eine besondere Vorschrift über die Mittäterschaft wäre überflüssig. Es
ist, entspricht heute einhelliger Meinung und bedarf daher an dieser Stelle gibt aber auch kein einleuchtendes Argument dafür, warum eine „gemein-
keiner weiteren Begründung 27 . same Ausführung" nur dann vorliegen soll, wenn jeder der Beteiligten ein
Auch Beling als führender Vertreter der formal-objektiven Theorie Tatbestandsmerkmal verwirklicht hat. Wenn zwei Diebe in eine unverschlos-
bekämpft die Gleichsetzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft 28 ; sene Wohnung eindringen und einer die Kassette wegnimmt, während
wenn er aber meint, daß die mittelbare Täterschaft „überhaupt kein Pro- der andere die Ausgänge deckt, so ist dieser zweite nur Gehilfe; wenn aber
blem" 29 sei, weil „der natürliche Sprachgebrauch" keinen Anstand nehme, beide bei sonst gleichem Sachverhalt durchs Fenster gestiegen sind, so sind
von demjenigen, der sich eines anderen als Werkzeug bedient habe, zu sie Mittäter, weil jetzt der zweite ein Tatbestandsmerkmal (Einsteigen)
sagen, er habe „getötet", „weggenommen" usw.30 - so opfert er das Grund- verwirklicht hat. Das sind ungereimte, zufällige, hier wirklich „formale" und
prinzip der formal-objektiven Theorie, die persönliche Vornahme der Aus- durch inhaltliche Kriterien nicht begründbare Ergebnisse. So kann der
führungshandlung, zugunsten einer Ausnahme auf, die zwar ein richtiges Gesetzgeber nicht gewertet haben. Es liegt vielmehr nahe, daß er gerade das
Ergebnis verbürgt, vom Boden dieser Lehre aus aber nicht recht zu be- Gegenteil dessen wollte, was die formal-objektive Theorie tut: daß er näm-
• gründen ist; denn der Sprachgebrauch erlaubt es, auch denjenigen als lich nicht die Tatbeiträge der einzelnen Beteiligten isoliert betrachtet, son-
Mörder zu bezeichnen, der seinen Feind durch einen gekauften Banditen dern sie als Einheit sieht und jeden der Mitwirkenden als (Mit-)Täter des
Ganzen erkennt. Das wird später noch näher auszuführen sein 33 .
Zusammenfassend ist zu sagen: Die Stärke der formal-objektiven Theorie
25 besteht darin, daß sie die Einzeltat in ihrer Ganzheit als sozial sinnhafte
Niederschriften der Strafrechtskommission, S. 125/26; ähnlich ZStW, 1957, Sonderheft
Athen, S. 9
Handlung erfaßt und denjenigen, der die Tatbestandshandlung selbst aus-
26
Grünhut, JW 32, 366
27
Kennzeichnend ist auch, daß etwa van Calker, S. 83, und andere hier nur von einer „fin-
gierten" Täterschaft sprechen. 31
28 Strafrecht, S. 252
Methodik, S. 99-102 32
29 Grundzüge, S. 29/30
Methodik, S. 102 33
30 Vgl. unten S. 274ff.
Grundzüge, S. 30, § 18 V
39
38

führt, als Täter ins Zentrum ihrer Betrachtung rückt. Ihre Mängel liegen nie ganz in Vergessenheit geraten. Ohne daß einer der folgenden Autoren
darin, daß sich die mittelbare Täterschaft von ihrem Ausgangspunkt her je wieder ausdrücklich an sie angeknüpft hätte, hat sie doch gleichsam unter-
nicht erfassen läßt und daß sie bei Behandlung der Mittäterschaft zu einer irdisch weitergewirkt und ist von Zeit zu Zeit in verschiedenartigen Varia-
sinnwidrigen, auch vom Ergebnis her unbefriedigenden Auffaserung eines tionen wieder aufgetaucht.
einheitlichen Vorganges in beziehungslose Einzelakte gelangt. So sah z.B. Liepmann 8 denjenigen als Täter an, der die „entscheidenden
Bedingungen" setzt. Über den Gehilfen meint er: „sein Verhalten ist nicht
für den Erfolg entscheidend, so daß mit der Eliminierung seiner Tätigkeit
§ 8. Die materiell-objektiven Theorien zugleich irgendein Merkmal des Deliktstatbestandes zum Wegfall kommt,
sondern lediglich förderlich in dem Sinne, daß dadurch die Möglichkeit zur
Unter dieser Bezeichnung sollen nicht nur, wie es im Anschluß an Begehung durch einen anderen gesteigert wird."
Birkmeyer 1 vielfach geschehen ist, die auf Kausalitätsunterschieden aufbau- Auch Baumgarten hat unabhängig von seinen Vorgängern diese Abgren-
enden Lehren, sondern auch alle anderen inhaltlich an überwiegend objekti- zung zum Dreh- und Angelpunkt seiner Lehre gemacht 9 . Täter ist nach
ven Kriterien orientierten Theorien zusammengefaßt werden. seiner Theorie „derjenige, dessen Handlung nicht hin weggedacht werden
kann, ohne daß die Begehung des Verbrechens auf den Nimmermehrs-
tag verschoben wird, Gehilfe derjenige, der durch Unterlassung seiner
I. Die Lehre von der Notwendigkeit des kausalen Beitrages Handlung nur erreicht hätte, daß das Verbrechen nicht nach Zeitpunkt
„Notwendigkeitstheorie" und näheren Umständen so begangen worden wäre, wie es begangen worden
ist " 10.
Es ist ein sehr alter, nie ganz vergessener und bis heute in mannigfachen Später tritt der Gedanke wieder bei Kohlrausch 11 hervor. Wenn er die
Variationen immer wieder auftauchender Gedanke, daß man dem die Tat mit Auffassung entwickelt, daß jemand Täter sei, sofern sein Tun innerlich auf
eigener Hand Ausführenden denjenigen als Täter gleichstellen müsse, der den Erfolg gerichtet „und mit dem Bewußtsein von der Unentbehrlichkeit
einen unentbehrlichen Tatbeitrag leiste, ohne den die Tat also nicht hätte aus- für ihn verbunden war", so dringt hier in subjektivem Gewände unverkenn-
geführt werden können. Schon Feuerbach 2 unterschied zwischen Urhebern 3 bar die Notwendigkeitstheorie durch.
und Gehilfen danach, ob sie eine Haupt- oder Nebenursache setzen. Dabei Selbst der Bundesgerichtshof hat ihr seinen Tribut gezollt; denn in der
unterstellte er dem Begriff des Urhebers auch den sogenannten „Haupt- bedeutendsten seiner Teilnahmeentscheidungen 12 stützte er die Täterschaft
gehülfen", der an der Tat mitwirkt durch Hinwegräumung von Hindernis- dessen, der eigenhändig mit „Gehilfenwillen" die Tat verwirklicht hatte,
sen, ohne die dem andern die Verübung des Verbrechens unmöglich gewesen unter anderem auf die Erwägung, daß der Handelnde auf sie „einen ent-
scheidenden Einfluß ... hatte: Ohne ihn konnte sie nicht in der vorgesehenen
wäre 4 . Art geschehen".
Diese Differenzierung war damals recht geläufig und drang in zahlreiche
Auch in ausländischen Kodifikationen spielt die Notwendigkeitstheorie
in- und ausländische Kodifikationen ein 5 . Sie behauptete auch lange Zeit
noch heute eine Rolle. So sind z.B. nach Art. 14 des spanischen Cödigo
ihren Platz namentlich in den aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts
penal vom 23.12.1944 13 Täter auch „diejenigen, die sich an der Ausfüh-
herstammenden Lehrbüchern. So heißt es noch im Jahre 1895 bei Berner 6 :
rung der Tat mit einer Handlung beteiligen, ohne welche diese nicht hätte
„Als Hauptgehülfen bezeichnet die Doktrin denjenigen Gehülfen, der eine verwirklicht werden können"; sehr ähnlich bezeichnet Art. 61 des urugu-
Hülfe leistet, ohne welche, ihm bewußt, die Mißtat nicht ausgeführt werden ayischen Strafgesetzbuches vom 4.12.1932 als Mittäter neben anderen
kann; er darf als Mittäter behandelt werden." „diejenigen, die bei der Verwirklichung mitwirken, sei es bei einer Vorberei-
Seither hat die Lehre vom Hauptgehilfen keine wesentliche Rolle ge- tungshandlung, sei es bei einer Ausführungshandlung, durch eine Tat, ohne
spielt; nur von Bar hat sie im Jahre 1907 noch einmal aufgenommen und die das Delikt nicht hätte begangen werden können" 14.
in den Mittelpunkt seiner Abgrenzung gestellt 7 . Ihr Grundgedanke ist aber

1
Vergleichende Darstellung, S. 21 8
Einleitung in das Straf recht, 1900, S. 70
2
Lehrbuch, 14. Aufl., § § 4 4 , 45, S. 80ff. 9
3 ZStW, Bd. 37, 1916, S. 526ff.
w o r u n t e r nach heutigem Sprachgebrauch Täter u n d Anstifter zu verstehen wären. 10
4 a. a. O . S. 529
a. a. O . S. 80; vgl. über die Bedeutung dieser U n t e r s c h e i d u n g im älteren Recht im ü b r i - 11
ZStW, Bd. 55, 1936, S. 394
gen Mittermaier bei Feuerbach, N o t e IV, a. a. O . S. 82, 83 12
B G H S t 8, 393-399 (398); ebenso später B G H S t 14, 128/29
5
Vgl. die zahlreichen A n g a b e n bei Perten, S. 14, N o t e 26 13
zitiert nach d e m Gesetzesanhang bei Dietz, S. 133
6
Lehrbuch, 17. Aufl., S. 165 14
zitiert nach Dietz a. a. O . S. 136
7
Gesetz u n d Schuld, Bd. II, 1907, S. 603
41
40
Und andererseits: Wenn etwa ein Apotheker sich darauf beschränkt hat,
Tatsächlich haben diese Gedanken auch für den modernen Betrachter
das zur Tat notwendige Abtreibungsmittel zu liefern, so ist es wenig ein-
eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Denn wenn jemand eine Bedin-
leuchtend, daß er allein deswegen Mittäter sein soll, auch wenn feststeht, daß
gung setzt, ohne die das Verbrechen ganz unterbleiben müßte, so liegt -
ohne ihn die Tat nicht hätte ausgeführt werden können; denn die Initiative
ex ante betrachtet - die Entscheidung über das „ O b " der Tat bei ihm; er
und die letzte und maßgebende Entscheidung über die Begehung des Delikts
hat es in der Hand, ob sie zur Ausführung kommt oder nicht. Gerade dieses
liegt beim Käufer. Außerdem wird man von der „gemeinsamen Aus-
Moment aber rückt nicht nur den Handelnden in der Regel für die natür-
führung", die das Gesetz verlangt, kaum reden können, wenn jemand nur im
liche Betrachtung in das Zentrum des Geschehens. Es entspricht auch weit-
Vorbereitungsstadium tätig wird.
gehend den von den Vertretern der heute herrschenden Tatherrschaftslehre
Vor allem aber wäre dieses Kriterium höchst unpraktikabel. Denn auch
in den Vordergrund gestellten Kriterien. Wenn hier etwa der Täter durch
wenn man von den Vorstellungen der Beteiligten ausgeht, können diese oft
das „In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufes" 15
nicht wissen, ob ein Beitrag „notwendig" ist oder nicht. In unserem Bei-
oder dadurch gekennzeichnet wird, daß ihm sein Programm den Erfolg „in
spielsfall etwa werden die Mitwirkenden wahrscheinlich nie erfahren, ob das
die Hand gibt" 16, wenn der B G H sagt, „daß Hergang und Erfolg der Tat
Abtreibungsmittel auch anderweit erhältlich gewesen wäre, und selbst das
maßgeblich auch von seinem Willen abhängen" 17, so könnte dem allen ein Gericht wird es vielleicht nie feststellen können, so daß solche Fälle für diese
Vertreter der Notwendigkeitstheorie ebenfalls zustimmen. Lehre unlösbar bleiben.
Der auf diese Weise gewonnene Ansatzpunkt wird auch für unsere Auf-
Es ist zudem keineswegs überzeugend, daß die Entscheidung über die
fassung wesentlich bleiben. Denn während, wie wir gesehen haben, die
Beteiligungsart des Apothekers davon abhängen soll, ob - was der Verkäufer
formal-objektive Theorie bei der Mittäterschaft versagt, weil sie die gemein-
nicht wissen kann - auch noch ein anderer Apotheker zur Lieferung des
sam ausgeführte Tat in beziehungslose Einzelakte zersplittert, geht diese Mittels bereit gewesen wäre. Es handelt sich hier nicht um eine aus der Sache
Lehre gerade von dem notwendigen Aufeinanderbezogensein der Mit- selbst gewonnene Lösung, sondern lediglich um eine Konsequenz aus dem
wirkungshandlungen aus. Sie wird damit dem, was sich auf Grund seines methodisch verfehlten Ansatz.
vorgegebenen Bedeutungsgehaltes als „gemeinsame Ausführung" darstellt,
Endlich ist auch der Anwendungsbereich dieser Lehre auf die Unter-
nämlich dem final gesteuerten, sinnvollen Ineinandergreifen der verschie-
scheidung von Mittäterschaft und Beihilfe beschränkt. Für die Abgrenzung
denen zum gemeinsamen Ziel führenden Tatbeiträge weit mehr gerecht als von Täterschaft, mittelbarer Täterschaft und Anstiftung leistet sie nichts.
die formal-objektive Theorie. Wenn z. B. jemand einem anderen eine Straftat anrät, auf die der Täter von
Als allgemeines Abgrenzungskriterium ist die Notwendigkeitstheorie sich aus nicht gekommen wäre, so muß er, obwohl er eine „notwendige"
gleichwohl unbrauchbar. Schuld daran ist der methodisch verfehlte kausale Bedingung gesetzt hat, doch Anstifter bleiben. Darüber besteht heute Einig-
Ausgangspunkt. Denn es müßte ein reiner Zufall sein, wenn das Vorhan- keit.
densein oder Fehlen der im Sinne dieser Lehre „notwendigen" Kausali-
So stellt sich die Tragweite dieser Theorie schließlich doch als beschränkt
tät in allen Fällen mit den keineswegs an die Kategorie der Kausalität ge-
heraus. Die Entwicklung ihrer fruchtbaren Ansätze muß der eigenen Lösung
bundenen maßgebenden rechtlichen Bedeutungsunterschieden zusammen-
vorbehalten bleiben.
fallen sollte. Tatsächlich ist das auch nicht der Fall. Weder muß der Mit-
täter unbedingt einen „notwendigen" kausalen Beitrag geleistet haben, noch
ist der, der ihn erbracht hat, in jedem Falle Mittäter. Das läßt sich leicht
zeigen. IL Die Lehre von der Mitwirkung vor und während der Tat
Wenn zwei Personen gemeinsam eine Sache wegnehmen, so kann man die („Gleichzeitigkeitstheorie")
Mittäterschaft unmöglich mit der Begründung ablehnen, daß beim Fehlen
• des einen der andere die Sache allein genommen hätte. Gilt das für beide, so Die Unterscheidung zwischen concursus antecedens, concomitans und sub-
wäre nie zu entscheiden, wer von ihnen Täter und wer Ghilfe wäre; ganz sequens, also zwischen vorhergehender, gleichzeitiger und nachfolgender
abgesehen davon, daß es keinen sinnvollen Grund dafür gibt, warum sie Teilnahme, ist schon von den italienischen Juristen des Mittelalters im einzel-
nicht beide Mittäter sein sollen. nen herausgearbeitet und im Gemeinen Recht neben anderen Differenzie-
rungen vielfach verwendet worden. Die nachfolgende Teilnahme, die wir
heute nicht mehr kennen, scheidet dabei für unsere Betrachtung aus. Wichtig
15 bleibt, daß man die Mitwirkung während der Tat als besondere, der heutigen
Maurach, A.T., 2. Aufl., S. 492, 517
16
Gallas, Gutachten, S. 128 Mittäterschaft vergleichbare Beteiligungsform ansah, während die Mit-
17
JR 1955, S. 305; von Welzel, Lehrbuch, 7. Aufl., S. 98, 99, beifällig zitiert; ähnlich wirkung vor der Ausführung etwa dem modernen Begriff der Beihilfe ent-
BGH, MDR 1954, S. 529 (Bericht von Herlan); BGHSt 8, 393-399 (396). Vgl. im ein- sprach.
zelnen die Übersicht unten S. 90-106
42 43

Derartige Unterscheidungen finden sich bis in die erste Hälfte des Auch in einigen anderen ausländischen Kodifikationen wird die Mit-
19. Jahrhunderts sehr häufig 18 ; sie haben auch auf mehrere landesrechtliche wirkung im Ausführungsstadium der Täterschaft gleichgestellt. So bezeich-
Kodifikationen eingewirkt 19 . Unter der Herrschaft des neuen Strafgesetz- net etwa Art. 61 Ziff. 3 des uruguayischen Strafgesetzbuches vom 4.12.1932
buches wurden sie zunächst nur vereinzelt zur Abgrenzung von Mittäter- als Mittäter u. a. „diejenigen, die zur Zeit der Vollendung unmittelbar mit-
schaft und Beihilfe herangezogen 20 ; am eindringlichsten von Fuchs 21 , der wirken" 28; und Art. 46 Abs. 1 b des griechischen Strafgesetzbuches vom
jeden als Mittäter ansieht, der „bei der Ausführung selbst sich in irgend 17.8.1950 belegt jeden mit der Täterstrafe, der „vorsätzlich dem Täter
einer, wenn auch noch so untergeordneter Weise verbrecherisch beteiligt" 22 ; während der Ausführung der Haupttat unmittelbar Hilfe geleistet hat" 29 .
die Gehilfenschaft ist nach seiner Lehre auf die Unterstützung vor der Tat Diese „Gleichzeitigkeitstheorie" hat auch für das heutige deutsche Recht
beschränkt. noch ihre Bedeutung. Zwar ist es nicht so, daß der vor der Tatausführung
Diese „Gleichzeitigkeitstheorie" fand in der Folgezeit kaum noch Anhän- Tätige notwendig weniger strafwürdig oder gefährlich sein müßte, aber auf
ger, bis sie im Jahre 1908 von Birkmeyer 23 auf Grund seiner rechtsverglei- die Unbrauchbarkeit solcher Kriterien ist oben schon hingewiesen worden.
chenden Studien zur Vorbereitung der geplanten Strafrechtsreform wieder Der große Wert dieser Lehre liegt vielmehr darin, daß sie die fruchtbaren
aufgegriffen und in seinen Gesetzgebungsvorschlag aufgenommen wurde 2 4 . Ansätze der formal-objektiven und der Notwendigkeitstheorie aufnehmen
Der Anregung Birkmeyers folgte dann der von Kahl, Lilienthal, Liszt und kann, ohne ihren Einseitigkeiten zu verfallen.
Goldschmidt ausgearbeitete sog. Gegenentwurf von 1911, dessen §31 Sie stimmt mit der formal-objektiven Theorie darin überein, daß sie den
bestimmte: „Als Täter wird auch derjenige bestraft, der bei Ausführung bei der Tatausführung selbst Beteiligten in den Mittelpunkt der Abgrenzung
der ihm zurechenbaren strafbaren Handlung mitwirkt oder ihre Ausfüh- rückt. Dabei haftet sie aber nicht an dem rein formalen Kriterium der Erfül-
rung durch einen anderen bewirkt ...". Auch in der frühen Rechtsprechung lung eines Tatbestandsmerkmals, sondern erfaßt den Begriff der „gemein-
des Reichsgerichts klang die hier formulierte Unterscheidung gelegent- samen Ausführung" in einer seinem Bedeutungsgehalt weit besser gerecht
lich an 25 . werdenden Weise als gleichzeitiges und einverständliches Zusammenwirken
Herrschend ist sie noch heute im anglo-amerikanischen Recht, wo die von bei der Tatbegehung. Es macht ihr - um auf unsere Beispielsfälle zurückzu-
der mittelalterlichen italienischen Jurisprudenz her überlieferte Einteilung in kommen - keine Schwierigkeit, die Frau, die das Opfer durch ihr Plaudern
Beihilfe vor, während und nach der Tat bis jetzt fortlebt. Man kennt dort vom Giftgeschmack des Kaffees ablenkt und den Mann, der den zu Ermor-
neben dem „principal in the first degree", der die Tatbestandshandlung selbst denden für den tödlichen Messerstich festhält, als Mittäter zu erkennen.
ausführt und etwa dem Täter der formal-objektiven Theorie entspricht, den Aber auch dem zutreffenden Kern der Notwendigkeitstheorie wird diese
sogenannten „principal in the second degree" und den „accessory before the Lehre gerecht. Das hat schon Fuchs gesehen, wenn er über die von
fact". Unter einem principal in the second degree versteht man „a person, ihm befürwortete zeitliche Abgrenzung schreibt 30 : „Die Ausführung ist ...
who does not commit a crime himself but is present at the time when a von dem Willen des Gehilfen völlig unabhängig; trotz seiner umfassendsten
crime is committed and assists the principal in the first degree", während Tätigkeit vor der Tat: durch Ausspüren der Gelegenheit, durch Herbei-
der accessory before the fact eine Person ist, „who is absent at the time schaffung der Werkzeuge, durch Bereitung des Giftes, durch Anfertigung
when a crime is committed, but procures, counsels, commands or abets der Zündmasse, durch Verlockung des Opfers an einen einsamen Ort, liegt
another to commit it" 26 . Der principal in the second degree entspricht also es schließlich doch allein in dem Willen des Täters, ob das Verbrechen
durchaus dem Mittäter der hier behandelten deutschen Lehre 27 , und der be gangen, ob eine Rechtsverletzung überhaupt eintreten soll oder nicht."
accessory before the fact umfaßt etwa den Anstifter und Gehilfen. Hier wird ganz richtig erkannt, daß in der Regel nur der bei der Ausfüh-
rung selbst Beteiligte das Geschehen „in der Hand hält". Dem entspricht es,
wenn heute Gallas 31 vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus schreibt:
„Es genügt ... nicht eine Beteiligung an der Planung oder Vorbereitung der
18
' Vgl. die genauen Nachweise bei Birkmeyer, vergl. Darstellung, S. 19, Anm. 1 Tat. Der Mittäter muß vielmehr auch an der Ausübung der Tatherrschaft teil-
19
Näher Birkmeyer a. a. O. S. 20, bei Anm. 2; S. 30, bei Anm. 1
20 haben" 32 . Der lediglich das Abtreibungsmittel liefernde Apotheker unseres
Darüber Birkmeyer a. a. O. S. 20, Anm. 4
21
GA, Bd. 29, 1881, S. 170-178 Beispielsfalles ist danach ohne weiteres Gehilfe.
22
a. a. O. S. 175
23
Vergl. Darstellung, S. 19/20, 59/60, 150-152
24
a.a.O. S. 150 28
25
Vgl die bei Birkmeyer, Teilnahme, S. 199-201, zusammengestellten Urteile. zitiert nach dem Gesetzesanhang bei Dietz S. 136
29
26
Cross-Jones, An Introduction to Criminal Law, 2nd ed., 1949, S. 63, 65, zitiert nach zitiert nach dem Gesetzesanhang bei Dietz S. 134
30
GA, Bd. 29, 1881, S. 177
Straub, Täterschaft und Teilnahme im englischen Straf recht, 1952, S. 15 31
27 Gutachten S. 137
Ob er auch unter den Täterbegriff des englischen Rechts fällt, ist strittig, in diesem 32
Die Frage ist allerdings unter den Vertretern der Tatherrschaftslehre sehr umstritten
Zusammenhang aber unerheblich, vgl. Birkmeyer, vergl. Darst., S. 91 ff., Dietz, S. 94/95;
und wird unten noch eingehend behandelt werden, vgl. S. 292 ff.
Straub, S. 63-67
45
44
anderen den Erfolg herbeigeführt hat. Im ersten Fall liegt Täterschaft, im
Damit werden die doktrinären Konsequenzen der Notwendigkeitstheorie
zweiten Teilnahme vor.
vermieden, ohne daß ihr für die heutige Betrachtung wesentlichstes Element,
Eine derartige Abgrenzung findet sich schon beim frühen Feuerbach 37 . Er
die Auffassung des Täters als der für die Tat entscheidenden oder mitent-
differenziert zwischen direkter und indirekter Wirksamkeit einer Hand-
scheidenden Zentralfigur, aufgegeben wird. Außerdem ergibt sich, daß auch
lung und meint: „Sie (seil, die Handlung) wirkt directe, wenn die Rechts-
diese Lehre schon bedeutsame Bestandteile der jetzt herrschenden und später
verletzung das unmittelbare Objekt ihrer Wirksamkeit ist, wenn es unmittel-
noch im einzelnen zu analysierenden Tatherrschaftstheorie enthält.
bar die Rechtsverletzung selbst ist, ... auf welche alle ihre Äußerungen
Andererseits ist aber auch die Gleichzeitigkeitstheorie zu schematisch. Sie
gerichtet sind. Sie wirkt indirecte, wenn nicht unmittelbar die Rechtsverlet-
zieht ihre Überzeugungskraft nur daraus, daß dem bei der Tatausführung
zung selbst, sondern wenn die Beförderung der direkten Wirksamkeit eines
aktiv Mitwirkenden in der Regel jene Mittelpunktstellung zufällt, die die Tat anderen zu der Rechtsverletzung, das unmittelbare Objekt ihrer Tätigkeit
als gemeinsames Werk erscheinen läßt. Wo das einmal nicht der Fall ist, wird ist. Das Subjekt von jener Handlung heißt Urheber des Verbrechens ...,
sie sinnlos. Wenn etwa - um ein Beispiel Baumgartens 33 aufzunehmen - das Subjekt von dieser heißt Gehülfe ...". Derartige Differenzierungen
jemand dem Urkundenfälscher während des Fälschungsaktes seinen Feder- zwischen direkter und indirekter Kausalität treten auch sonst in der Straf-
halter oder das Tintenfaß herrüberreicht, so läßt sich weder ein normatives rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts nicht selten auf.
Kriterium noch eine vorrechtliche Differenzierung entdecken, die es recht-
In etwas abgewandelter, für die Folgezeit einflußreicher Form findet sich
fertigen könnte, ihn nur deshalb als Mittäter anzusehen, weil er seinen gänz-
die Unterscheidung später wieder bei Loening 38 . Nach seiner Lehre kenn-
lich untergeordneten Tatbeitrag im Zeitpunkt der Ausführung geleistet hat. zeichnet es den Mittäter im Gegensatz zum Gehilfen, daß er „eine selbstän-
Hier führen die formal-objektive und die Notwendigkeitstheorie zu sinn- dige, nicht erst durch die Tätigkeit der anderen hindurchgehende, sondern
volleren Ergebnissen. dieser gleichgeordnete Kausalreihe nach dem Erfolge zu eröffnet" habe; dem
Es ist nicht einmal recht einzusehen, warum der vielberufene wache- folgen Wuttig 39 und Goetz 4 0 .
stehende Diebsgenosse notwendig in jedem Falle Mittäter sein soll, wie das
Eine sehr bemerkenswerte und selbständige Variante dieser Theorie ver-
Fuchs 34 und die Verfasser des Gegenentwurfs 35 ohne Bedenken annehmen, tritt Arnold Hörn in seiner heute ganz vergessenen Abhandlung über den
während derjenige, der das Opfer mit viel List und Tücke an den einsamen „Kausalitäts- und Wirkensbegriff" 41 . Auch er geht zunächst von einem so-
Mordplatz gelockt hat, nicht mehr Mittäter sein kann 36 , weil seine Aktivität genannten „naturalen" Ursachenbegriff aus. Verursacher und damit Täter ist,
unmittelbar vor dem von seinem Komplizen geführten tödlichen Hieb ihr wer eine unmittelbar den Erfolg herbeiführende, nicht durch einen anderen
Ende gefunden hat. Eine solche rein zeitliche Abgrenzung bleibt eben doch erst hindurchlaufende Bedingung setzt; die Tätigkeit des Gehilfen dagegen
zu sehr im Äußerlichen stecken und dringt nicht zu den materialen Kriterien ist eine derartige, „daß sie vor der Entschließung des Täters, ob er sich ihrer
der Täterschaft vor. Das zeigt sich auch daran, daß von diesem Ansatz her bedienen soll, causaliter Halt macht, nicht über dessen Willen hinweg-
die Figur der mittelbaren Täterschaft nicht zu bewältigen ist; denn gerade bei springt" 42.
Benutzung eines gutgläubigen Werkzeuges wird der mittelbare Täter in der Insoweit stimmt seine Lehre mit den vorhergenannten überein. Anders
Regel bei der Tatausführung selbst nicht mehr beteiligt sein. als diese spricht er dann aber von einer „Erweiterung" des naturalen Ur-
Auch der Wert der Gleichzeitigkeitstheorie beschränkt sich also darauf, sachenbegriffs durch das Wirken des Willens 43 . Er lehrt, daß sich das „kau-
daß sie in den typischen Fällen einen entwicklungsfähigen Ansatz bietet. Als sale Bild durch das disponierende Eingreifen der Psyche" verändere, indem
generelles Abgrenzungskriterium ist sie ungeeignet. hierdurch das Setzen einer bloßen Bedingung zum dominium causae, zur
Herrschaft über den Ursachenverlauf, werde 44 . Die Naturkausalität sei
dann die „Dienerin des Willens; sie muß diesem, dem dominus causae,
III. Physisch und psychisch vermittelte Kausalität

Eine in der Geschichte der Teilnahmetheorien in mannigfachen Variationen


immer wieder auftauchende Lehre unterscheidet zwischen Tätern und Teil- 37
Revision, Zweiter Teil, 1806, S. 244; er verkoppelt dieses Kriterium allerdings mit d e m
nehmern danach, ob die von jemandem in Gang gesetzte Kausalreihe un- des eigenen Interesses (vgl. S. 245), auf das bei E r ö r t e r u n g der subjektiven Theorie noch
mittelbar oder nur auf dem Wege über die selbständige Handlung eines z u r ü c k z u k o m m e n ist.
38
G r u n d r i ß , 1885, S. 94
39
Fahrlässige Teilnahme, S. 97ff., 1902
40
G r e n z z i e h u n g zwischen Mittäterschaft u n d Beihilfe, 1910, bes. S. 45 ff.
41
Gerichtssaal, Bd. 54, 1897, S. 321-385
33 42
ZSW, Bd. 37, 1916, S. 529 a. a. O . S. 373
34 43
a. a. O . S. 176 a. a. O . S. 347
35 44
a. a. O . S. 51 a. a. O . S. 351
36
Vgl. dazu Fuchs in dem oben angeführten Zitat a. a. O . S. 151
46 47

gehorchend an vorgeschriebener Stelle und in angeordneter Zeit ihre sieht auf dieses Kriterium „mehrere gleichzeitige vorsätzliche Mitwirksam-
Wirkung vollziehen". 45 keiten von unmittelbarer Gefährlichkeit" 52 dem Begriff der Mittäterschaft
Hörn sieht nun als Täter nicht nur den naturalen Verursacher, sondern unterstellen; auch die mittelbare Täterschaft durch einen unzurechnungs-
auch den dominus causae an und spricht eine solche Herrschaft über den fähigen Tatmittler erkennt er an, während er das „dolose Werkzeug" 53
Ursachenverlauf auch demjenigen zu, der sich eines anderen willensunfrei ablehnt.
handelnden oder irrenden Menschen zur Ausführung seiner Tat bedient 46 . Am bekanntesten geworden ist die ebenfalls in den Umkreis dieser Lehren
Dagegen lehnt er ein dominium causae und damit eine Täterschaft ausdrück- gehörende Theorie von Frank, der zwischen physisch und psychisch vermit-
lich ab, wenn der freie Wille eines Dritten dazwischen tritt. „Wir sind uns telter Kausalität unterscheidet. Für die sogenannten „Tätigkeitsdelikte",
bewußt, daß wir über die Spontaneität des Willens nicht disponieren, daß die eine ganz bestimmte Tathandlung beschreiben, folgt Frank allerdings
der formal-objektiven Theorie. N u r bei den Erfolgsdelikten wie etwa §212
wir seine künftigen Entschlüsse nicht wie das Wirken einer Naturkraft in
StGB, die den Strafausspruch allein an den Erfolg knüpfen, einerlei, wie
Rechnung ziehen können ..." 4 7 .
er herbeigeführt wird, meint Frank: „Der Täterschaft gehört das Gebiet
Der Gehilfe andererseits handelt mit dem Bewußtsein, „weder direct causa
der physisch vermittelten, der Teilnahme das der psychisch vermittel-
(naturale) zu setzen noch dominus causae zu sein, sondern die kausale
ten Kausalität an" 54 . Den Schwierigkeiten, die sich daraus für das Ver-
Verknüpfung und das dominium causae einem anderen anheimzustellen.
ständnis der mittelbaren Täterschaft ergeben, entzieht sich Frank, indem
Er stellt die Entscheidung, ob ein Erfolg eintreten soll, in das Ermessen
er sagt 55 : „Ist ein vermittelnder Wille vorhanden, aber nicht frei oder sich
eines anderen. Dieser sein Willensinhalt ist aber kein willkürlich gemachter,
der Kausalität des Tuns nicht bewußt, so ist nach der hier befolgten Ter-
sondern ergibt sich aus der objektiven Sachlage, und so kann ein Teilneh-
minologie die Kausalität keine psychisch vermittelte und daher auch Täter-
mer, der objektiv nach Sachlage nur Beihilfetätigkeit leistet, ebensowenig
schaft möglich." Dem Begriff des dolosen Werkzeugs versagt er dagegen
bloß durch subjektive Erwägungen, Interessen und Motive zum Mittäter
die Anerkennung.
werden, wie eine Person ... durch irgendwelche subjektive Färbung ihres
dolus allein aus der Rolle eines Mittäters zu der eines Gehülfen herabsinken Es bedarf keiner Ausführung, daß die früher weit verbreitete Lehre von
kann 48 ." der „Unterbrechung des Kausalzusammenhanges" in all diese Versuche hin-
Das alles ist so ausführlich zitiert worden, um zu zeigen, daß hier - in einspielt. Daraus erklärt es sich, daß mit der allgemeinen Durchsetzung der
kausalem Gewände und verbrämt durch allerlei verwirrendes, von mir Äquivalenztheorie zu Anfang der Dreißigerjahre auch in der Teilnahmelehre
fortgelassenes Beiwerk - die spätere Tatherrschaftstheorie in den wesent- die Unterscheidung zwischen direkter und indirekter, psychisch und phy-
lichen Grundzügen mitsamt ihrer Kritik an der subjektiven Teilnahmelehre sisch vermittelter Kausalität keine Anhänger mehr fand.
vorweggenommen worden ist. Auch das finale Moment kommt in der Ihre letzte und konzentrierteste Zusammenfassung bei Gerland 56 tritt
Betonung des „disponierenden Eingreifens der Psyche" deutlich zum Aus- denn auch schon unter dem anspruchsvollen Namen einer „phänomenologi-
druck, und selbst der Begriff der „Tatherrschaft" findet sich in dem terminus schen Theorie" 5 7 auf. Er knüpft an die Lehre Loenings 58 an und unterschei-
„dominium causae" wörtlich vorgebildet. Die Lehre ist damals - in der det zwischen „Kollateral- und Deszendenzmitwirksamkeiten, je nachdem
Blütezeit der kausalen Methode, der auch Hörn selbst noch verhaftet ist - zwei Bedingungsreihen selbständig voneinander in einem Erfolg zusammen-
unbeachtet und ohne Einfluß geblieben. Wie wenig ihr eigentlicher Gehalt treffen, oder aber eine Bedingung durch eine andere Bedingung hindurch auf
damals erfaßt wurde, zeigt die verständnislose Kritik bei Hergt 4 9 und den Erfolg einwirkt 59 ". Mittäterschaft sei „stets Kollateral-, Beihilfe stets
besonders beinhaltete Deszendenzmitwirksamkeit".
Perten 50 .
Perten seinerseits bringt eine selbständige Abwandlung der ursprüng- Auf die Unterschiede, die sich zwischen diesen Lehren im einzelnen
lichen Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Kausalität. Zur ergeben, soll hier nicht näher eingegangen werden. Gemeinsam ist ihnen
Täterschaft gehören für ihn grundsätzlich alle „Handlungen, welche generell jedenfalls, daß sie einen wesentlichen Gesichtspunkt für die Abgrenzung
geeignet sind, den Erfolg ohne Hinzutreten einer späteren fremden vorsätz- von Täterschaft und Teilnahme darin erblicken, ob zwischen der Handlung
lichen Handlung herbeizuführen" 51 ; darüber hinaus will er ohne" Rück-

52
a. a. O . S. 106
53
46 a. a. O . S. 141
a. a. O . S. 352 54
47 K o m m e n t a r , vor § 4 7 , II
a. a. O . S. 365 55
47 a. a. O .
a. a. O . S. 368 56
48 In seinem L e h r b u c h , 2. Aufl. 1932
a. a. O . S. 375 57
49
Die Lehre von der Teilnahme, 1909, S. 108-110 a. a. O . S. 192
58
50
S. 23-26 Vgl. S. 191 A n m . 1
59
51 a. a. O . S. 190/191
a a . O . S. 95
49
48
plaudernden Giftmischerin denkt. Liegt hier direkte oder indirekte, physisch
und dem Erfolge noch der Wille eines anderen steht oder nicht. In der Tat ist
oder psychisch vermittelte Kausalität vor? Die zweite Annahme und damit
hier ein auch für den heutigen Stand der Täterlehre außerordentlich bedeut-
die Ablehnung der Mittäterschaft liegt näher. Das Ergebnis ist unbefrie-
sames Kriterium erfaßt. Denn - wie Hörn ganz richtig sagt - über den Wil-
digend; und vor allem ist nicht einzusehen, warum die Lösung von einer
len eines frei handelnden Menschen kann man nicht hinwegspringen. Der
hier rein formal wirkenden Unterscheidung abhängig gemacht werden
andere entscheidet, ob die Tat zum Erfolge führt, er nimmt die zentrale Stel- soll. In Fällen einer bloßen Arbeitsteilung bei gemeinsamer Tatausfüh-
lung ein und drängt die anderen, die nur über ihn auf den Erfolg hinwirken rung wirkt eine derartige Abgrenzung willkürlich, weil ihr materieller
können, an die Peripherie. Gehalt - die Abhängigkeit von der freien Entschließung eines anderen, der
Es ist leicht zu sehen, daß dieser Gesichtspunkt auch für die Tatherr- die Entscheidung über das O b der Tat in der Hand behält - von vornherein
schaftslehre eine maßgebliche Rolle spielt. Das wird zum Teil ausdrücklich fehlt. Sie ist aber hier auch schon im Ansatz bedenklich. Denn anstatt das
hervorgehoben; so sagt etwa Gallas 60 , die Tatherrschaft sei „zu verneinen, Ineinandergreifen der Tatanteile plausibel zu machen, beschränkt sie die
wo der unmittelbar Handelnde vollverantwortlicher Täter ist ... So gesehen Mittäterschaft auf voneinander unabhängige Kausalverläufe - ein Verfahren,
... muß Tatherrschaft durch Benutzung eines anderen als Werkzeug dort ihre das zu ähnlicher Isolierung der Einzelakte führt wie die formal-objektive
Grenze finden, wo das Recht das Tun des unmittelbar Handelnden als ein Theorie 64 .
freies ... wertet." Ähnlich heißt es bei Welzel 61 : „Wer einen Täter zur Tat Dieser Einwand gilt auch für Fälle, die nach dieser Lehre eindeutig dem
bestimmt, ist stets nur Anstifter, und kein Täterwille kann ihn zum Täter Bereich der Beihilfe zuzuweisen sind. Wenn zwei Leute ein Gebäude in
machen." Die hier bestehende Verwandtschaft macht es verständlich, daß der Weise anzünden, daß der eine dem anderen brennende Scheite hinreicht,
Hörn gerade vom Ausgangspunkt einer in dieser Weise getroffenen kausalen die dieser in das Haus wirft, so ist es wenig sinnvoll, die Entscheidung über
Unterscheidung her zu einer Theorie kommen konnte, die den Tatherr- das Vorliegen von Mittäterschaft oder Beihilfe davon abhängig zu machen,
schaftsgedanken weitgehend vorwegnimmt. ob derjenige, der die Brandfackeln angezündet und hingereicht hat, auch
Andererseits hat diese Differenzierung auch unverkennbare Schwächen, selbst - und sei es nur ein einziges Mal - ein Holzstück direkt in das Haus
in denen sich die „Wertfremdheit" des kausalen Ansatzes auswirkt. So haben geschleudert hat.
denn auch die oben genannten Autoren meist selbst schon diese Unterschei- Auch diese Lehre teilt also die Mängel der vorher erörterten Theorien: Ein
dung durch andere Gesichtspunkte ergänzt. Es ist klar, daß man der Figur brauchbarer Ansatz wird in unkritischer Weise verabsolutiert, weil man es
der mittelbaren Täterschaft durch Unterscheidungen zwischen direkter und unterläßt, eine formale Unterscheidung auf ihren für die Täterlehre maß-
indirekter, physisch oder psychisch vermittelter Kausalität nicht gerecht gebenden Sinngehalt zurückzuführen und dadurch die Grenzen ihrer An-
werden kann. So beachtlich etwa Horns Erwägungen über „das disponie- wendungsmöglichkeit zu klären.
rende Eingreifen der Psyche" sind, mit dem Kausalitätsbegriff - wie er
meinte - haben sie schlechterdings nichts zu tun. Insofern hat Perten ganz
recht, wenn er einwendet: „Wie in aller Welt ... kann die kausale Be-
IV. Die Lehre von der Überordnung des Täters
deutung einer Bedingung für einen Erfolg durch die Verschuldung ihres
(Überordnungstheorie)
Urhebers 6 2 ... gesteigert werden?" Ähnlichen Bedenken ist auch Franks Ver-
such ausgesetzt, die mittelbare Täterschaft der physisch vermittelten Kau-
Unabhängig voneinander, aber inhaltlich im wesentlichen gleichartig haben
salität zuzuordnen. Hier wird überall sehr deutlich, daß der Wesens-
Dahm 6 5 und Richard Schmidt 66 die Auffassung entwickelt, daß Mittäter-
unterschied von mittelbarer Täterschaft und Teilnahme nicht auf kausalem
schaft und Beihilfe nicht nach bestimmten, generell festlegbaren Merkmalen,
Gebiet liegt. sondern danach zu unterscheiden seien, ob bei Berücksichtigung der
Aber auch bei Bestimmung der Mittäterschaft versagt die Unterscheidung Umstände des konkreten Falles eine Beziehung der Gleichwertigkeit oder
in vielen Fällen. So sind z.B. selbst die Anhänger einer Differenzierung ein Über- und Unterordnungsverhältnis vorliege.
zwischen direkter und indirekter Kausalität nie recht zur Klarheit darüber Dahm definiert 67 : „Wer sich mit einem anderen zusammen an einer
gekommen, ob in dem einfachen Fall, daß jemand das Mordopfer festhält, Rechtsverletzung beteiligt, ist Mittäter, wenn sich sein Verhalten nach der
Beihilfe oder Mittäterschaft anzunehmen sei 63 . Ebenso unklar bleibt die gesamten, unter Verwertung aller Umstände des einzelnen Falles festzu-
Lösung, wenn man noch einmal an den schon mehrfach erwähnten Fall der

64
Vgl. S. 37/38 oben.
60 65
Materialien S. 134 Täterschaft u n d Teilnahme, 1926
61 64
SJZ 1947, Spalte 650 G r u n d r i ß , 2. Aufl., 1931
62
Perten zählt alle subjektiven M o m e n t e z u r Schuld. 67
a. a. O . S. 43
63
Vgl. Wuttig, S. 101; G o e t z , S. 49; Perten, S. 30
50 51

stellenden objektiven Situation als dem übrigen Verhalten im Hinblick auf wenn sie praktikabel sein sollte, zumindest die leitenden Maßstäbe heraus-
die Rechtsverletzung gleichwertig (koordiniert) 673 , Gehilfe, wenn sein Ver- arbeiten, auf Grund deren die Abgrenzung im Einzelfall vollzogen werden
halten nach denselben Umständen als das untergeordnete (subordiniert) könnte.
erscheint"; und bei Richard Schmidt heißt es 68 : „Mittäterschaft liegt ... vor, Das. ist ihr jedoch nicht gelungen. „Es gibt kein abstraktes Merkmal, das
wenn nach den Umständen des Falles sowohl in der Art des Mitwirkens ein Verhalten in jedem Falle oder auch nur typischerweise als das dominie-
nach der Anschauung des draußenstehenden Beobachters (objektiv) wie rende in der Gesamtsituation kennzeichnet", stellt Dahm 7 0 fest, und auch
auch nach der Art der Entschlußbildung von der Auffassung der Teilnehmer Richard Schmidt 71 meint: „Ein bestimmtes sichtbares Kennzeichen läßt sich
selbst aus betrachtet (subjektiv) die Tatanteile einander gleichwertig sind. ... nicht erbringen." Es liegt auf der Hand, daß eine derartige Auffassung
Beihilfe liegt vor, wenn nach den Umständen für den objektiven Betrachter den Richter bei allen problematischen Fällen im Stiche läßt. Dahm selbst
wie für den Teilnehmer selbst der Tatanteil des einen als ein begrenzter und räumt ein, daß seine populär-objektive Betrachtungsweise „unpraktikabel"
untergeordneter sich darstellt." sei und „dem richterlichen Ermessen weiten Raum" lasse. Er fährt sogar fort:
Diese von Dahms 6 9 sogenannte „populär-objektive" Theorie bietet „Wer mangelnde Praktikabilität als einen hinreichenden Grund betrachtet,
gegenüber den bisher besprochenen Lehren unverkennbare Vorteile. Sie eine juristische Begriffsbildung zu verwerfen, wird diese Unterscheidung
vermeidet die Mängel einer formalen, generalisierenden und dadurch immer ablehnen 72 ."
in irgendeiner Richtung einseitig bleibenden Auffassung. Der Gesichts- In Wirklichkeit offenbart sich hier aber außerdem ein methodischer Man-
punkt der Über- und Unterordnung liefert einen sehr elastischen, der Indi- gel. Denn auch wenn man zugibt, daß für die Abgrenzung von Täterschaft;
vidualisierung weiten Raum gebenden Maßstab. Andererseits verfällt er und Teilnahme alle Umstände des konkreten Falles relevant werden können,
aber auch nicht der Gefahr völliger Konturlosigkeit, die einen rein norma- so muß doch der Maßstab, an dem diese Umstände auf ihre Bedeutsamkeit
tiven Begriff wie den der Gefährlichkeit zur Abgrenzung untauglich macht. hin gemessen werden, notwendig ein allgemeinerer sein. Darum kommt auch
O b ein Verhältnis der Gleichordnung oder der Subordination vorliegt, ist diese Lehre nicht herum. Im Gegenteil ist ja gerade der Gesichtspunkt der
keine Frage beliebiger subjektiver Beurteilung, sondern erscheint einer Über- und Unterordnung, von dem sie ausgeht, viel zu allgemein. Wenn man
Konkretisierung mit Hilfe objektiver Gesichtspunkte als zugänglich. auf eine weitere Konkretisierung dieses Maßstabes von vornherein verzich-
Die Lehre hat in der hier gegebenen Formulierung keine Nachfolger tet, so kapituliert man vor der eigentlichen Aufgabe, die der rechtswissen-
gefunden. Sachlich aber stellt sie sich als unmittelbare Vorläuferin der Tat- schaftlichen Begriffsbildung gestellt ist.
herrschaftstheorie dar. O b man - um mit Dahm 7 0 zu sprechen - das Verhal- So kommt auch diese Lehre über einen verwertbaren Ansatz nicht hinaus.
ten des Täters als „das dominierende in der Gesamtsituation" bezeichnet
oder ob man es durch den Begriff der „Tatherrschaft" umschreibt, bedeutet
keinen erkennbaren Unterschied. Auch mit der Formulierung, daß zwischen § 9. Die subjektiven Theorien
mehreren Mittätern ein „Koordinationsverhältnis" bestehe, wird sachlich
nichts anderes gesagt, als wenn man ihnen einen gleichen Anteil an der Tat- Den subjektiven Theorien ist gemeinsam, daß sie bei der Abgrenzung von
herrschaft zuspricht. Infolge dieser engen Verwandtschaft zwischen Über- Täterschaft und Teilnahme nicht nach objektiven, in der Außenwelt vorfind-
ordnungs- und Tatherrschaftstheorie kann eine ins einzelne gehende kriti- baren, sondern allein nach innerpsychischen Kriterien wie dem Willen, der
sche Erörterung der Lehren von Dahm und Richard Schmidt gemeinsam mit Absicht, den Motiven und Gesinnungen der Beteiligten unterscheiden. Es
der unten zu gebenden Analyse des Tatherrschaftsbegriffs vorgenommen lassen sich hier eine ganze Reihe von Differenzierungsgesichtspunkten auf-
werden. finden. Wir wollen der herkömmlichen Einteilung in die beiden großen
Eines aber läßt sich hier schon sagen: Die Begriffe der Koordination und Gruppen der Dolus- und Interessentheorien folgen. Die ersten finden das
Subordination ergeben zwar einen brauchbaren Richtpunkt für die Abgren- Unterscheidungskriterium in der besonderen Art des Willens; die zweiten
zung von Täterschaft und Teilnahme, aber mehr leisten sie auch nicht. differenzieren danach, ob die Tat im eigenen. oder im fremden Interesse
Denn begreiflicherweise gibt es zahlreiche kritische Fälle, bei denen "gerade begangen wurde.
fraglich ist, ob ein Verhältnis der Überordnung oder der Subordination
vorliegt. Eine auf dieser Differenzierung beruhende Lehre müßte also,

67j
Hier fehlt im Text offenbar das Wort „darstellt".
68 70
a. a. O. S. 161 a. a. O. S. 42
hH 71
a. a. O. S. 43 a. a. O. S. 161
70 72
a. a. O. S. 42 a. a. O. S. 43
52 53

I. Die Dolustheorien Gehilfe will den Erfolg nur für den Fall ihn der Urheber will, und für den
Fall ihn der Urheber nicht will, will auch er ihn nicht. Die Entscheidung, ob
Wie die objektiven Auffassungen gehen auch diese Lehren bis auf den der Erfolg eintreten solle oder nicht, muß er darum dem Urheber anheim-
Beginn des 19. Jahrhunderts zurück 1 . Sie alle unterscheiden zwischen einem stellen." .
Täterwillen und einem anders gearteten Willen des Gehilfen. Allerdings ver- In der durch v. Buri geprägten Form hat die Dolustheorie einen maßge-
zichten sie meist darauf, diese Verschiedenheit des Willens näher zu kenn- benden Einfluß auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts ausgeübt. Sie fin-
zeichnen, so daß man im unklaren darüber bleibt, zu welchen praktischen det sich in klassischer Formulierung in der grundlegenden Entscheidung
Ergebnissen die Abgrenzung führt. Als einigermaßen profiliert heben sich RGSt 3, 181 ff., wo es heißt 10 : „Will ... der Mittäter seine eigene Tat zur Voll-
nur die Lehren heraus, die - in mannigfachen Variationen - dem Teilnehmer endung bringen, der Gehilfe aber nur eine fremde Tat, diejenige des Täters,
im Gegensatz zum Täter einen unselbständigen, untergeordneten Willen unterstützen, so kann hierin nur die Bedeutung gefunden werden daß
zusprechen; sie gehen davon aus, daß der Teilnehmer sich vom Täter ab- der Gehilfe nur einen von demjenigen des Täters abhängigen Willen
hängig mache, daß er ihm die Ausführung der Tat anheimstelle. haben darf, er also seinen Willen demjenigen des Täters dergestalt unter-
In diesem Sinne differenzierte schon Wächter 2 nach der „Verschiedenheit wirft, daß er es ihm anheimstellt, ob die Tat zur Vollendung kommen
der Absicht des Handelnden: das Verbrechen selbst unmittelbar zu wollen, solle oder nicht. Im Gegensatz zu diesem abhängigen Willen des Gehilfen
im Gegensatz zu dem Falle, daß jemand bloß ein fremdes Verbrechen unter- erkennt hingegen der Mittäter einen den seinigen beherrschenden Willen
stützen will, wobei es ihm also wenigstens gleichgültig ist, ob es vom nicht an. Sein Wille ist vielmehr von der gleichen Beschaffenheit wie der-
Urheber ausgeführt wird, oder nicht." In ähnlicher Weise nimmt Halschner 3 jenige aller übrigen Mittäter, und es soll daher nach seiner Auffassung das
an, der Gehilfe beabsichtige „seine helfende Tätigkeit nur ... unter der Vor- Verbrechen zwar unter deren Mitwirksamkeit zur Existenz gebracht werden,
aussetzung, daß der Täter das Verbrechen aus eigener, freier Entschließung ohne daß er jedoch den Willen derselben als maßgebend für den seinigen
verüben werde." betrachtet."
Auch in späterer Zeit fanden diese Lehren immer wieder Vertreter. So sagt In dieser Gestalt ist die Dolustheorie bis heute lebendig geblieben. Bockel-
etwa Janka 4 : „Der Täter stellt den Eintritt des Verbrechenserfolges ... auf mann 11 , ihr bedeutendster Vertreter in der Gegenwart, erklärt, das maß-
die eigene Entschließung ...; der Gehilfe ... setzt sich die Vollbringungs- gebende Kriterium für die Abgrenzung bestehe „in einem ganz konkreten,
handlung nicht vor, er stellt dieselbe auf einen fremden Entschluß (auf denje- psychischen Sachverhalt, nämlich in der Unterordnung des Vorsatzes, den
nigen des Täters) ...". Bei Schwanz 5 findet sich die Formulierung, daß der der Gehilfe faßt, unter den des Haupttäters"; er bezieht sich zur Kennzeich-
Gehilfe dem Täter anheimstelle, ob die Tat zur Vollendung kommen soll nung dieser Unterordnung ausdrücklich auf die Formulierungen der oben
oder nicht. Auch Binding 6 vertrat eine im wesentlichen subjektive Theorie, genannten Entscheidung. Es ist auch unverkennbar, daß diese Theorie große
und sein Schüler Nagler 7 erklärt, der Gehilfe wolle „nur tätig werden, wenn Ähnlichkeit mit der Tatherrschaftslehre aufweist. Bockelmann 12 hält beide
und soweit der Täter sein rechtswidriges Vorhaben verwirklicht". Oft findet sogar für identisch, wenn er schreibt: „Was die Tatherrschaft des Täters von
man den Gedanken auch dahin formuliert, daß Täter sei, wer erforderlichen- der des Teilnehmers unterscheidet, ist eben jene den letzteren kennzeich-
falls selbst die Tatbestandshandlung vornehmen würde 8 . nende psychische Besonderheit, die in der Unterordnung seines Vorsatzes
Der einflußreichste Vertreter einer solchen Dolustheorie war v. Buri, unter einen fremden Tatentschluß besteht." Dagegen wendet sich zwar aus-
der in zahlreichen Abhandlungen lehrte 9 : „Die Verschiedenheit des Ur- drücklich Gallas 13 - zu Recht, wie wir noch sehen werden - ; aber der
hebers von dem Gehilfen kann nur in der Selbständigkeit des urheberischen Umstand, ob jemand dem anderen die Tatausführung „anheimgestellt"
und der Unselbständigkeit des beihelfenden Willens gefunden werden. Der hat oder ob er „einen den seinigen beherrschenden Willen nicht" anerkennt,
ist unbestritten ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Feststellung der Tat-
herrschaft 14 .
1
Vgl. Birkmeyer, Vergl. Darst., S. 24 mit Nachweisen; Perten, S. 4 1 - 5 0
Wirklich liefert die Dolustheorie einen außerordentlich wesentlichen
2
L e h r b u c h I, 1825, S. 147 Beitrag zur Lösung der Täterschaftsproblematik. Den schlechten wissen-
3
G e m . Deutsches Strafrecht I, S. 376 schaftlichen Ruf, den sie wie alle subjektiven Theorien immer genossen hat;
4
Österreich. Strafrecht, 2. Aufl., 1890, S. 148 trägt sie durchaus zu Unrecht. Es gelingt ihr nämlich, verschiedene be-
5
K o m m e n t a r , 1914, § 4 7 n. 5, § 4 9 n. 2a u n d n. 5
6
Vgl. n u r die ausführlichste Darstellung ü b e r „Die drei G r u n d f o r m e n des verbrecheri-
schen Subjekts" in den A b h a n d l u n g e n , Band I, S. 251-401 u n d die k u r z e Zusammenfas-
10
sung im G r u n d r i ß , 8. Aufl., 1913, S.149f., 159, 162f. a. a. O . S. 182/183
7 11
Die Teilnahme am Sonderverbrechen, 1903, S. 125 Strafrechtliche U n t e r s u c h u n g e n , S. 76
8 12
Vgl. etwa Tjaben, G A 42, S. 228; v. Bar, Gesetz u n d Schuld, Bd. II, S. 606/07 a. a. O . S. 77, A n m . 106
13
9
Vgl. n u r : Die Kausalität u n d ihre strafrechtlichen Beziehungen (1885), S. 4 1 ; sehr Materialien, S. 131 f.; Sonderheft A t h e n , S. 26/27
14
ähnlich: A b h a n d l u n g e n , 1862, S. 117 Im einzelnen vgl. unten S. 83 ff., S. 90ff. u n d passim.
54 55

deutsame und entwicklungsfähige Ansatzpunkte der objektiven Theorien zwei Personen gemeinsam eine Tat vollbringen und dabei jeder die Aus-
durch die ins Subjektive gewendete Formel des „Anheimstellens" zu umfas- führung innerlich dem anderen anheimstellt, beide nur Gehilfen sein, und ein
sen, ohne die Greifbarkeit und Praktikabilität der Lösungen zu gefährden. Täter würde überhaupt fehlen. Dieses groteske, aber bei rein subjektivem
Was denjenigen, der die Tatbestandshandlung selbst ausführt (formal-objek- Ansatz .kaum vermeidbare Ergebnis hat noch jüngst Bockelmann 18 zu einer
tive Theorie), der einen unentbehrlichen Tatbeitrag leistet (Notwendigkeits- Modifizierung der Dolustheorie genötigt. Er lehrt jetzt, die subjektive
theorie), der beim Ausführungsakt mitwirkt (Gleichzeitigkeitstheorie) oder Abgrenzung dürfe „jedenfalls nicht in Widerspruch treten zu der Beurtei-
eine unmittelbar auf den Erfolg hinzielende Bedingung setzt (Lehre von der lung, welche die objektiv gegebene Sachlage aufdrängt". Damit ist aber in
physischen Kausalität) - was sie alle auszeichnet und hinter formalen und Wahrheit die subjektive Theorie preisgegeben; denn wenn die Vorstellungen
kausalen Verkleidungen den materiellen Grundgehalt dieser Lehren bildet, der Beteiligten nur noch insoweit berücksichtigt werden, als sie der objekti-
das ist, aufs Ganze gesehen, nichts anderes, als was die Dolustheorie in einer ven Sachlage nicht widersprechen, liegt das entscheidende Abgrenzungskri-
knappen Formel zusammenfaßt, wenn sie lehrt, daß der Täter „einen den terium im objektiven Bereich.
seinigen beherrschenden Willen nicht anerkennt", während der Gehilfe dem Ahnliches gilt für eine weitere Konsequenz der Dolustheorie: Sie ist
Täter „anheimstellt, ob die Tat zur Vollendung kommen soll oder nicht". Die genötigt, denjenigen, der eine Tatbestandshandlung allein ausführt, sich
beherrschende Gestalt des Täters und die von ihm abhängige Erscheinung dabei aber innerlich einem anderen unterordnet, nur als Gehilfen anzusehen.
des Teilnehmers finden hier ihren prägnanten Ausdruck. Diese Lösung, die das Reichsgericht - z. B. in dem berühmten Badewannen-
Es ist bekannt, daß sich das Reichsgericht in seiner späteren Rechtspre- fall19 - nicht gescheut hat, ignoriert völlig das Gewicht des äußeren Tat-
chung kaum je an die Grundsätze der zitierten Entscheidung gehalten hat. anteils und wird mit Recht heute einhellig - auch vom BGH 1 9 a - abgelehnt.
Durch die meist schematisch und ohne Begründung verwendete Formel, der Schon im 19. Jahrhundert hat man diese „Achillesferse der subjektiven Teil-
Täter habe die Tat „als eigene gewollt" - eine Redensart, die selbst das RG nahmetheode" 2 0 erkannt, und auch in der Folgezeit haben die Gegner der
einmal 15 „ein bloßes Wort ohne faßbaren Sinn" nennt - ist die Rechtspre- Dolustheorie sich immer wieder auf dieses Argument gestützt. „Die subjek-
chung mit Recht in Mißkredit geraten. Max Ernst Mayer 16 nannte sie „eine tive Theorie scheitert rettungslos daran, daß sie den, der mit sich unter-
nicht zu überbietende sophistische Verdrehung des Gesetzes" und „die ordnendem Willen die Haupthandlung (etwa die Tötung) begeht, als
schlimmste Verirrung der herrschenden Judikatur", während Beling 17 sie als Gehilfen betrachten muß", lesen wir etwa bei v. Lisz 21 , Frank 22 führt
„ein das Gesetz ... ausschaltendes und im Ergebnis oft kraß vergewaltigen- denselben Beweisgrund ins Feld, und auch Bockelmann 23 räumt jetzt ein:
des reines Phantasieprodukt" bezeichnet. Diese harten Worte, die unsere „Wer mit eigenen Händen Blut vergießt, der kann sich die Hände nicht in
bedeutendsten Dogmatiker der subjektiven Theorie gewidmet haben, treffen Unschuld waschen." Damit wird aber der subjektive Ausgangspunkt wieder
gewiß weit mehr die orientierungslos willkürliche Anwendung der sinnent- verlassen.
leerten animus-Formel als eine im oben bezeichneten Sinne interpretierte Auch die Dolustheorie bietet also keine endgültige Lösung der Täter-
Dolustheorie. Diese bietet vielmehr, wenn man auf der Linie bleibt, die problematik.
über v. Buri und RGSt 3, 181 ff. bis zu Bockelmann führt, eine Lösung, die
einen wichtigen Schritt über die Einseitigkeiten der objektiven Theorien
hinausführt. IL Die Interessentheorie
Freilich ist auch die Dolustheorie noch manchen Bedenken ausgesetzt.
Ihre größte Schwäche liegt in der ausschließlich subjektiven Grenzziehung, Eine Unterscheidung zwischen Tätern und Teilnehmern nach dem Maßstab
die historisch - zumindest seit v. Buri - aus dem verfehlten kausalen Ansatz des Interesses am Erfolge hat neben den Dolustheorien und in mancherlei
zu erklären ist. Die subjektiven Unterscheidungen leuchten so lange ein, Verquickung mit ihnen schon früh eine Rolle gespielt. Der Gesichtspunkt
wie das in der Außenwelt sich abspielende Geschehen mit dem Wollen der
Beteiligten übereinstimmt; nur fragt man sich, warum diese Theorie in
solchen Fällen etwas subjektiv formuliert, was auch objektiv unterscheTdbar
18
ist. Sobald aber die äußeren Vorgänge und die innere Willensrichtung der Strafrechtliche Untersuchungen, S. 120
19
Beteiligten nicht auf einen Nenner zu bringen sind, führt eine rein subjek- RGSt 74, 85
l9a
Das gilt wenigstens für die Grundsatzentscheidung BGHSt 8, 393-399; vgl unten
tive Beurteilung zu höchst sonderbaren Lösungen. So müßten etwa, wenn S.96ff., Nr. X ; in dem bei Abschluß des Manuskripts noch unveröffentlichten Urteil
gegen den Sowjetagenten Staschynski scheint sich eine Rückkehr zur extremen Dolus-
Theorie anzubahnen; vgl. zum ganzen ausführlich unten Seite 127ff.
20
Vgl. darüber Birkmeyer, Lehre von der Teilnahme, 1890, S. 40-44
15 21
RGSt 15,295-303(303) 22. Aufl., Lehrbuch S. 211, Anm. 10
16 22
Lehrbuch S. 402 Kommentar, vor §47, II
17 23
GS, Bd. 101, 1932, S. 10 Untersuchungen, S. 120/21
56 57

taucht schon beim frühen Feuerbach 24 auf, er findet sich später wieder bei flußt werden; wenn jemand beispielsweise eine Abtreibung vorgenommen
Henke 2 5 , Köstlin 26 und Geib 27 , und auch v. Buri 28 hat gelegentlich - hat, so ist es für die Strafzumessung sicher sehr wichtig, ob er das im eigenen
zum Teil in Verbindung mit der Dolustheorie - darauf abgestellt, „daß der oder fremden Interesse, aus Profitgier oder aus Mitleid, getan hat; für die
Gehülfe kein selbständiges Interesse an der Verursachung des Verbrechens Tatbestandserfüllung und die Beurteilung der Täterschaft ist es unerheblich.
haben dürfe" 29 . Wollte man den gedungenen Mörder, der seine Bezahlung schon erhalten hat
Später fand sie keine Anhänger mehr, so daß Birkmeyer sie im Jahre und daher bei der Ausführung der Tat nur noch im Interesse des Auftrag-
1907 30 als „wissenschaftlich überwunden" bezeichnen konnte. Erst sehr viel gebers tätig wird, deshalb nur als Gehilfen ansehen, so würde sich die
später erlebte sie eine Auferstehung in der Rechtsprechung des Reichs- Interessentheorie wirklich - um mit einem sarkastischen Wort von Dahm 3 4
gerichts, das in dem schon erwähnten „Badewannenfall" 31 erklärte: „Ob zu reden - als „Heilslehre für den Bravo" auswirken.
jemand die Tat als eigene will, richtet sich vornehmlich, wenn auch nicht aus- N u r im Gefolge der Dolustheorie ist also die Interessenlehre verwendbar.
schließlich, nach dem Grade seines Interesses am Erfolg." Auch der Bundes- Berücksichtigt man diese Einschränkung des Anwendungsbereiches, so teilt
gerichtshof hat wiederholt die Interessenformel verwendet, am deutlichsten sie die Vorzüge der Dolustheorie und erleichtert ihre praktische An-
in einer Entscheidung des 2. Strafsenats vom 25.6.1954, wo es heißt 32 : „Es wendung. Den Einwendungen gegen sie bleibt sie aber auch in dieser Gestalt
ist möglich, das Interesse des Täters an der Tat als Anzeichen dafür zu wer- gleichermaßen ausgesetzt.
ten, ob er die Tat als eigene oder nur eine fremde Tat fördern wollte." Aller-
dings finden sich auch Entscheidungen, die bei Berücksichtigung des Interes-
ses sehr viel zurückhaltender sind 33 . §10. Gemischte Theorien
Tatsächlich reicht die Interessenformel in ihrer Bedeutung nicht über die
Dolustheorie hinaus. Ihr Wert liegt darin, daß sie ein greifbares Indiz für die Es ist klar, daß die zahlreichen Kriterien für die Ermittlung der Täterschaft,
von der Doluslehre geforderte „Unterordnung des Willens" liefert und die dieser Überblick erbracht hat, nicht immer rein auftreten, sondern seit
einem Abgleiten in rein formelhafte Wendungen vorbeugt. Wenn jemand an eh und je in Schrifttum und Rechtsprechung in mannigfachen Mischungen
der Ausführung einer Tat keinerlei eigenes Interesse hat, dann kann man bis vorfindbar sind. Die Kombinationsmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
auf weiteres annehmen, daß er ihre Vollziehung dem anderen als dem eigent- Man kann die formal-objektive Lehre mit der Dolustheorie oder mit
lich Interessierten anheimstellt. In dieser engen Beziehung liegt der Grund materiell-objektiven Kriterien verbinden, man kann die materiell-objektiven
dafür, warum die Interessentheorie in ihrer Entwicklung oft in beinahe Kriterien untereinander mischen oder mit der subjektiven Theorie ver-
unlöslicher Verquickung mit der Doluslehre aufgetreten ist. koppeln und dadurch zu neuen, kunstvoll komplizierten Konstruktionen
Darin liegt aber auch ihre Grenze. Wenn man den Interessenstandpunkt kommen. Es ist nicht möglich, im Rahmen eines Überblicks allen geschicht-
verselbständigt und trotz fehlender Unterordnung jemandem nur deshalb lich aufgetretenen Variationen nachzugehen. Schon bei der oben vorge-
die Täterqualität absprechen will, weil er zum Nutzen eines anderen handelt, nommenen Durchmusterung der einzelnen Abgrenzungsgesichtspunkte
so wird die Abgrenzung schlechtweg unrichtig; einmal deshalb, weil der ist gelegentlich auf die Verknüpfung unterschiedlicher Differenzierungen
Gesetzgeber unmöglich gewollt haben kann, daß ein Alleintäter nur des- hingewiesen worden. Wenn hier noch einige dieser Lehren kurz erwähnt
halb straffrei ausgeht, weil er im Interesse eines anderen tätig geworden werden, so dient das mehr der Illustrierung als der Vollständigkeit.
ist (das zeigen schon Vorschriften wie die §§216, 263, bei denen das Han- Eine vielfältig gemischte Theorie stellt z.B. schon die aus dem Anfang
deln für einen anderen in die Tatbeschreibung aufgenommen worden ist). des 19. Jahrhunderts stammende Lehre Stübels 1 dar. Er geht aus von der
Zum anderen, weil das Gewicht des Tatbeitrages und die Stellung des eigenhändigen Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals 2 - formal-objektive
Täters bei Ausführung der konkreten Tat durch seine Motive nicht beein- Theorie 3 - , nimmt dann aber auch alle anderen „bei und während" der
Ausführung geleisteten Tatbeiträge hinzu 4 - Gleichzeitigkeitstheorie -
und faßt diese beiden Fälle unter dem Begriff der „nahen Teilnahme" oder
24
N e u e Revision II, S. 245
25
H a n d b u c h I, S. 288
26
N e u e Revision, § 130, S. 448ff.; § 135, S. 465ff. 34
27
L e h r b u c h II, S. 318 Täterschaft u n d Teilnahme, S. 34
1
28
Vgl. etwa: Die Kausalität u n d ihre strafrechtlichen Beziehungen, 1885, S. 64 In seinem Buch „ Ü b e r den Tatbestand der Verbrechen ...", 1805; in seinem späteren
29
Vgl. z u m ganzen Birkmeyer, Teilnahme, 1890, S. 3 5 - 4 0 , w o die angezogenen Zitate Werk „ Ü b e r die Teilnahme mehrerer Personen an einem Verbrechen", 1828, neigt er der
Einheitstäterlehre zu.
abgedruckt sind. 2
30 a. a. O . S. 34
Vgl. Darstellung, S. 28 3
31
R G S t 74, 85 Die hier u n d im folgenden zwischen d e n Gedankenstrichen v o r g e n o m m e n e n K e n n -
32
B G H S t 6, 226-229 (229) zeichnungen sind von mir z u r Erläuterung eingefügt.
4
33
Vgl. etwa B G H S t 8, 393-399 (396) a. a. O . S. 36
58 59

der „physischen Urheberschaft" 5 - Lehre von der physisch und psychisch und haben schon oben ihre Würdigung erfahren. Alle Mischtheorien haben
vermittelten Kausalität - zusammen. Aber auch von den Fällen der ent- den großen Vorzug, daß sie durch die Kombination verschiedener Gesichts-
fernten Teilnahme, in denen nur eine Mitwirkung bei der Vorbereitung punkte manche Überspitzungen eines konsequent durchgeführten einheit-
gegeben ist, will Stübel diejenigen, bei denen sich die Handlung als not- lichen Ansatzes vermeiden. Allerdings bestehen auch manche praktischen
wendige Ursache des Erfolges darstellt - Notwendigkeitstheorie - dem und methodischen Bedenken gegen sie.
Bereich der Urheberschaft zuschlagen. Die praktische Schwierigkeit solcher Theorien liegt noch nicht einmal
Während hier mehrere objektive Theorien miteinander verbunden wer- darin, daß sie zu kompliziert und unhandlich wirken - das müßte man in
den, finden sich sonst außerordentlich zahlreiche subjektiv-objektive Misch- Kauf nehmen; aber sie verbürgen auch nicht notwendig richtige Ergebnisse.
theorien. So will etwa Tjaben 6 der Täterstrafe unterstellen denjenigen, der Denn wenn man den Anwendungsbereich eines Kriteriums auf bestimmte
eine Tatbestandshandlung ausführt (formal-objektive Theorie) und außer- Bereiche beschränkt, ist eine solche Lehre auf dem ihr verbleibenden Felde
dem alle anderen Mitwirkenden, die den animus auctoris haben, weil sie, in der Regel den gleichen Einwendungen ausgesetzt wie vorher; während
wenn es darauf ankäme, nicht zögern würden, an der Tatbestandshandlung der zusätzlich herangezogene Differenzierungsgesichtspunkt die Lösungen
selbst teilzunehmen (Dolustheorie) - eine Kombination, die auch heute außerdem noch mit den ihm anhaftenden Schwächen belastet.
noch in Schrifttum und Rechtsprechung vielfach verwendet wird, wenn man Diese Erwägung führt auf die methodische Problematik eines derart
an der subjektiven Theorie zwar grundsätzlich festhält, bei Ausführung einer kombinierenden Vorgehens. Sie liegt, wie man aus den oben gegebenen Bei-
Tatbestandshandlung aber ohne Rücksicht auf die Willensbeschaffenheit spielen deutlich ersehen kann, in einer gewissen eklektischen Beliebigkeit
Täterschaft annimmt. In etwas anderer Weise will Haupt 7 den, der die Tat- des jeweils erzielten Ergebnisses. Man kann die Bestandteile der zahlreichen
bestandshandlung vornimmt, stets als Täter, und den nur bei der Vorberei- vorher erörterten Theorien in ganz verschiedener Weise miteinander mischen.
tung Mitwirkenden stets als Gehilfen ansehen, im verbleibenden Zwi- Es wäre ohne Mühe möglich, in dieser Art noch eine ganze Reihe „neuer"
schenbereich aber die Dolustheorie anwenden 8 . Eine weitere Variante bringt denkbarer Theorien zu entwickeln. Wenn man das Kaleidoskop der Gesichts-
v. Bar 9 : Danach soll stets Täter sein, wer die Haupthandlung vornimmt punkte in etwas anderer Weise schüttelt, ergeben sich stets weitere ab-
(formal-objektive Theorie), ferner aber auch, „wer mit dem Vorsatze, ein- weichende Konstellationen. Die so erzielten Theorien behalten aber etwas
tretendenfalls diejenige Tätigkeit selbst vorzunehmen, welche die straf- Zufälliges und Willkürliches. Der Grund dafür - und damit der entschei-
bare Handlung zur Vollendung bringt, an der Ausführung der strafbaren dende methodische Mangel eines solchen Verfahrens - liegt darin, daß diesen
Handlung sich beteiligt" (Dolustheorie und Gleichzeitigkeitstheorie); Kombinationen die aus einer einheitlichen Konzeption sich ergebende Not-
schließlich noch derjenige, welcher in der Absicht, dem Täter Beistand zu wendigkeit fehlt. Es leuchtet nie recht ein, warum eine Lösung so sein muß
leisten, eine Tätigkeit vornimmt, ohne deren Mitwirkung die strafbare und nicht auch anders lauten könnte. Wenn man verschiedene Denkansätze
Handlung voraussichtlich nicht begangen sein würde (Notwendigkeits- so unverbunden nebeneinander stellt, behält dieses Vorgehen immer den
theorie 10 . Charakter eines unsicheren Herumprobierens. Das richtige Verfahren liegt
Endlich ist auch die von der Rechtsprechung vertretene subjektive Lehre demgegenüber darin, aus der Fülle des Rechtsstoffes und der Problemkon-
oft als „gemischte" Theorie bezeichnet worden, weil das Reichsgericht für stellationen die einheitlichen Leitgesichtspunkte herauszufinden, die in ihrer
die Täterschaft neben dem rein subjektiv zu bestimmenden Täterwillen Entfaltung sicherlich differenzierenden Lösungen Raum gewähren, deren
immerhin objektiv irgendeine Art der äußeren Mitwirkung, sei es auch nur Mannigfaltigkeit sich aber zu einer logisch und dogmatisch folgerichtigen
bei der Vorbereitung und in der geringsten Form, verlangte 11 . Einheit zusammenschließt.
Es ist nicht erforderlich, auf jede dieser Theorien im einzelnen einzu-
gehen; denn die Elemente, aus denen sie sich zusammensetzen, sind bekannt

5
a. a. O . S. 31/32, 34, 37
6
G A B d . 42, 1894, S. 218-229
7
Z S t W 15, S. 202-214, 569-597; sehr ähnlich heute wieder H e l l m u t h Mayer, Lehrb.,
S. 299ff., vgl. im einzelnen u n t e n S. 88/89
8
Vgl. a. a. O . S. 596
9
Gesetz u n d Schuld, Bd. II, S. 602ff; vgl. auch den zusammenfassenden Gesetzesvor-
schlag S. 610
10
a. a. O . S. 610
11
vgl. etwa R G S t 3, 181-183; 268-269; 4, 177-179; 9, 3 - 1 0 ; 7 5 - 7 8 ; 14, 2 8 - 3 2 ; 15, 2 9 5 - 3 0 3 ;
2 6 , 3 5 1 - 3 5 3 ; 28, 3 0 4 - 3 0 7 ; 3 5 , 1 3 - 1 7
61

schrieben. Welzel etwa spricht die „volle Tatherrschaft" 6 nur demjenigen zu,
der weder irrt noch unter dem Druck einer Nötigung steht 7 .
Vor allem aber paßt die Begriffsbildung Heglers auch für die moderne
Tatherrschaftslehre recht gut zur Begründung der mittelbaren Täterschaft.
Denn diese liegt gerade in den Fällen vor, da der Tatmittler als Unzurech-
nungsfähiger, Irrender oder Genötigter handelt, ihm also nach Heglers
Terminologie die „Tatherrschaft" fehlt, während der Hintermann diese Vor-
aussetzung erfüllt und somit als „Herr über die Tat" erscheint. Hegler hat
Drittes Kapitel diese Konsequenz nicht in der erwähnten Arbeit, wohl aber 15 Jahre später
in seiner Abhandlung „Zum Wesen der mittelbaren Täterschaft" 8 ausdrück-
E n t w i c k l u n g u n d S t a n d der Tatherrschaftslehre lich gezogen. Er entwickelt dort seine bekannte Lehre, nach der das Wesen
der mittelbaren Täterschaft in einem „Übergewicht" des Hintermannes liegt
und sagt in diesem Zusammenhang, daß, wenn der Ausführende schuldlos
§ 1 1 . Die Entstehung der Tatherrschaftslehre oder nur fahrlässig handele, der Veranlassende Täter sei, weil er entweder
„voller Herr der Tat" sei oder - bei Fahrlässigkeit des Ausführenden - die
I. Die Entwicklung des Begriffes „Tatherrschaft" „stärkere Tatherrschaft" habe 9 .
Mit dieser Erklärung der mittelbaren Täterschaft durch den Tatherr-
Der erste, der im Bereiche des Strafrechts den Ausdruck „Tatherrschaft" ver- schaftsgedanken wird nicht nur terminologisch, sondern auch sachlich eine
wendet hat, ist Hegler. In seiner 1915 erschienenen Abhandlung über „Die der wichtigsten Errungenschaften der späteren Tatherrschaftslehre Welzels
Merkmale des Verbrechens" ' wird der terminus der „Tatherrschaft" oder der vorweggenommen. Zum Teil wird sogar noch heute ihr Anwendungsbereich
„Herrschaft über die Tat" an zahlreichen Stellen 2 als dogmatischer Grund- auf die mittelbare Täterschaft beschränkt. So meint etwa Engisch 10 , es han-
begriff in die Strafrechtssystematik eingeführt. Hegler verbindet aber mit dele sich bei der Tatherrschaftslehre mehr um eine plastische Umschreibung
diesem Wort noch nicht den Inhalt, den es heute hat. Er sieht zwar die Tat- „der typischen Fälle vorsätzlicher mittelbarer Täterschaft", die aber nicht
herrschaft schon als Merkmal der Täterpersönlichkeit oder genauer: des Ver- wesentlich über ältere, verwandte Vorstellungen hinausführe; er verweist
brechenssubjektes, an, versteht darunter aber nur die sachlichen Voraus- dabei ausdrücklich auf Heglers Übergewichtstheorie.
setzungen der Strafrechtsschuld, also die Zurechnungsfähigkeit, Vorsatz Im Anschluß an Hegler taucht der Begriff der Tatherrschaft auch bei
und Fahrlässigkeit sowie das Fehlen von Entschuldigungsgründen. Schuld- Frankl 11 und Goldschmidt 12 auf. Beide nehmen aber die hier für die Täter-
haft handelt nach Hegler 3 nur, wer in diesem Sinne „die volle Tatherrschaft" lehre sich bietenden Ansätze nicht auf, sondern befassen sich mit der Tat-
hat, wer also als zurechnungsfähiger und ungenötigter Täter „Herr der Tat herrschaft nur im Rahmen des Schuldbegriffs 13 .
in ihrer Sobeschaffenheit" 4 gewesen ist. Auch dem fahrlässigen Täter spricht Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist der Tatherrschafts-
er eine solche Tatherrschaft zu. Sie soll liegen in dem „Fehlen des Willens, begriff bald darauf zum ersten Male von Hermann Bruns 14 fruchtbar
die Tat als sobeschaffene zu vermeiden, obwohl man solchen Gegenschluß gemacht worden. Auch er kommt freilich von einem anderen Ausgangs-
erwarten konnte" 5 - ein Gedanke, auf den unten noch näher einzugehen punkt her. Sein Grundgedanke ist der, daß die Täterschaft - sei es bei vor-
sein wird. sätzlicher, sei es bei fahrlässiger Tat - zumindest die Möglichkeit der Tat-
Zur Abgrenzung von Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe verwendet aber herrschaft 15 voraussetzt. Eine solche Tatherrschaft liegt nach seiner Meinung
Hegler das Kriterium der Tatherrschaft an keiner Stelle. Gleichwohl beste-
,hen zwischen seiner und der heutigen Verwendung des Begriffes gewisse
Beziehungen, und zwar in zwiefacher Hinsicht. 6
Vgl. L e h r b u c h , 7. Aufl., S. 90
7
Zunächst sind mit seinen „Schuldvoraussetzungen" nach einer auclfheute 8
Z u r Auseinandersetzung damit vgl. u n t e n S. 131 ff.
noch verbreiteten Auffassung wesentliche Elemente der Tatherrschaft um- R G R - P r a x i s , Bd. 5, S. 3 0 5 - 3 2 1 , 1929
9
a. a. O . S. 308
10
ZStW, Bd. 66, 1954, S. 383
11
K o m m e n t a r , 18. Aufl., 1931, vor § 5 1 , II, S. 136
12
„ N o r m a t i v e r Schuldbegriff", Frank-Festgabe 1, S. 429, 4 3 1 , 442
13
1
ZStW, Bd. 36, 1915, S. 19-44, 184-232 In diesem Sinne findet sich der Begriff auch später noch gelegentlich, etwa bei Bockel-
2
a. a. O . S. 184-223 insgesamt mehr als 30 mal. m a n n , Studien, I. Teil, 1939, S. 42
14
3
Vgl. a . a . O . S. 184, 186, 190 „Kritik der Lehre v o m Tatbestand", 1932. Die Arbeit ist offenbar von Hegler unbeein-
4
a. a. O . S. 207 flußt, e r w ä h n t ihn jedenfalls in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht.
15
5
a. a. O . S. 210 a. a. O . S. 72/73
62 63

nur dann vor, wenn eine Handlung generell geeignet ist, „Erfolge der ein- heute nicht voll ausgeschöpften Beitrag in der Geschichte des Tatherrschafts-
getretenen Art herbeizuführen" 16. So kann er zusammenfassend sagen: „Die gedankens.
Täterschaft beruht auf der Möglichkeit der Tatherrschaft, die dem Verhalten Drei Jahre nach Bruns verwendet als erster wieder Hellmuth v. Weber 21
von vorneherein innewohnen muß" 17. Mit Hilfe dieses Kriteriums kann er den Begriff der Tatherrschaft, um Licht in das „hoffnungsloseste Kapitel" 22
die bekannten Schulfälle, in denen jemand einen Wanderer ins Gewitter hin- der Strafrechtsdogmatik, die Teilnahmelehre, zu bringen. Bei ihm wird nun
ausweist, damit er vom Blitz erschlagen werde, von vornherein aus dem im Gegensatz zu allen anderen, die vor ihm diesen Ausdruck gebraucht
Bereich der Täterschaft ausschließen. Hier wird der Tatherrschaftsgedanke haben, der Tatherrschaftsgedanke zur Rechtfertigung der subjektiven Theo-
also zur Einführung der Adäquanztheorie in das Strafrecht benutzt, 18 . In- rie benutzt. Er transponiert die bisher stets objektiv - wenn auch in verschie-
wieweit dieser Ansatz richtig und entwicklungsfähig ist, wird später zu denem Sinne - verstandene Formel in den subjektiven Bereich und lehrt 23 :
prüfen sein; für die Unterscheidung der Beteiligungsformen gibt er jedenfalls „Täter ist, wer die Tat mit dem Willen eigener Tatherrschaft ausführt." Mit-
unmittelbar nichts her. telbarer Täter ist dementsprechend, wer sich „einer anderen Person, die
Bruns wendet denn auch seinen Gedanken zunächst nur für die Abgren- ihrerseits ohne den Willen der Tatherrschaft handelt, bedient." Mit dieser
zung von Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit an, wenn er ausführt 19 : „Das Wendung ins Subjektive ist ein Weg eingeschlagen, auf dem sich noch heute,
Maß der tatsächlich ausgeübten Tatherrschaft gib ... das Unterscheidungs- wie später näher darzulegen sein wird, die Rechtsprechung des Bundes-
kriterium für Vorsatz und bewußte Fahrlässigkeit ab" - auch diesem, nicht gerichtshofs bewegt. Eine Erklärung oder Erläuterung des von ihm ver-
näher erläuterten Gesichtspunkt wird noch nachzugehen sein. Nachdem er wendeten Tatherrschaftsbegriffs gibt allerdings auch v. Weber nicht.
dann die Bestrafung der Unterlassungstat von der Möglichkeit der Tatherr- Wenig später versucht Eb. Schmidt in einer kleinen Abhandlung über die
schaft abhängig gemacht hat, geht er unvermittelt auf die verschiedenen Täterschaft bei Militärstraftaten 24 seinen extensiven Täterbegriff durch den
Beteiligungsformen über und sagt 20 : „Die Möglichkeit der Tatherrschaft Tatherrschaftsgedanken weiterzubilden. Er unternimmt es, den extensiven
in der tatbestandlich vorgeschriebenen Form umschreibt den objektiven Ausgangspunkt mit der subjektiven Theorie und dem in diesem Bereich
Zurechnungsmaßstab für Täterhandlungen. Bei Veranlassung und Unterstüt- besonders wichtigen Pflichtprinzip zu verbinden. Daher heißt es bei ihm 25 :
zung fehlt in Ansehung des Enderfolges die Tatherrschaft. Deshalb sind „Nur da ist täterschaftliches Verhalten gegeben, wo die intentionale Einstel-
diese Formen menschlichen Verhaltens zu Teilnahmetatbeständen vertypt. lung des Handelnden ihn als Herren der Tat zeigt ...", und 26 : „... sicher
Sie enthalten im Vergleich zur unmittelbaren Täterschaft einen minderen ist, daß jene die Tatherrschaft bedeutende intentionale Einstellung ... das
Unrechtsgehalt und sind Strafausdehnungsgründe. Geteilte Tatherrschaft spezifisch militärische Verpflichtetsein voraussetzt" 27 .
begründet Mittäterschaft." Auch in etwas veränderter, latinisierter Formung ist der Begriff schon vor
Diesen Ausführungen würden auch die heutigen Vertreter der Tatherr- Entstehung der eigentlichen Tatherrschaftslehre mehrfach nachweisbar. Es
schaftslehre zustimmen. Sie geben den Grundgedanken der Abgrenzung genügt, an die schon oben 2 8 erörterten Begriffe des dominus bzw. dominium
von Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe nach dieser Theorie zutreffend causae bei Arnold Hörn und an das Kriterium des „dominierenden" Ver-
wieder und verwenden den Begriff der Tatherrschaft in einem heute noch haltens in der Gesamtsituation bei Dahm zu erinnern. Die bei weitem
gültigen Sinne. Trotzdem kann man Bruns nicht als Begründer der Tat- wesentlichste, auch in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung mit der heute herr-
herrschaftslehre ansprechen. Dazu sind seine Bemerkungen zu beiläufig und schenden Tatherrschaftslehre fast ganz übereinstimmende Formulierung des
zu wenig entfaltet. An keiner Stelle wird definiert oder in anderer Weise Gedankens findet sich bei Lobe 29 , der in seiner Kritik der reichsgerichtlichen
umschrieben, was man sich unter der „Tatherrschaft" vorzustellen habe. Rechtsprechung meint, anstelle des animus auctoris müsse „der animus
Denn der von Bruns entwickelte Begriff der „möglichen Tatherrschaft" domini erfordert werden in Verbindung mit dem entsprechenden wirklichen
(= Adäquanz) ist ein anderer und läßt sich für die Abgrenzung der Beteili- dominare bei der Tatausführung" 30 . Auf den sachlichen Gehalt dieser Lehre
gungsformen nicht verwenden, da Anstifter und Gehilfe im Hinblick auf wird unten zurückzukommen sein.
den Erfolg sicherlich ebenfalls adäquate Bedingungen setzen. Auch die
praktischen Auswirkungen seiner Auffassung erläutert Bruns nirgends.
Immerhin bedeuten seine Ausführungen einen bemerkenswerten und bis 21
in seiner Schrift: Z u m Aufbau des Strafrechtssystems, 1935
22
a. a. O . S. 24
23
a. a. O . S. 26
24
Die militärische Straftat u n d ihr Täter, 1936
25
a. a. O . S. 10
26
"• a. a. O . S. 73 a. a. O . S. 11
17 27
a. a. O . S. 72 Z u m sachlichen Gehalt der hier entwickelten G e d a n k e n eingehend unten S. 380ff.
ls 28
Vgl. Bruns selbst a. a. O . S. 73: „Hier setzt der A d ä q u a n z g e d a n k e ein." S. 45/46; 50/51
29
" a. a. O . S. 71 Einführung in den allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, 1933
20 30
a. a. O . S. 75 a. a. O . S. 123
64 65

Im Jahre 1939 endlich tritt der Begriff der Tatherrschaft bei Welzel 31 auf. darstellt. Das wird bei Behandlung der heutigen Vertreter dieser Theorie und
Er bringt als erster den Tatherrschaftsgedanken mit der Handlungslehre in bei der im folgenden zu gebenden Kritik der Tatherrschaftslehre noch deut-
Verbindung und leitet aus ihr eine „finale Täterschaft" ab, deren Kriterium licher werden 33 ; aber mir scheint, daß auch die vorangegangenen metho-
er in der Tatherrschaft findet. „Finale Täterschaft ist die umfassendste Form dischen und historischen Darlegungen ein solches Urteil schon verständlich
finaler Tatherrschaft", heißt es bei ihm 32 . werden lassen.
Von nun an zählt der Tatherrschaftsbegriff zum festen Bestand der straf- 2) Freilich enthalten die meisten der behandelten Theorien in ihrer Verein-
rechtlichen Dogmatik, und zwar im wesentlichen mit dem Inhalt und in der zelung jeweils nur Spuren der späteren Tatherrschaftslehre und können nicht
Ausgestaltung, die Welzel ihm verliehen hat. Sein seitheriges Schicksal gehört im ganzen als ihre Vorläufer angesehen werden. Ähnlichkeiten in der Ge-
nicht mehr der Geschichte an, sondern bildet den gegenwärtigen Entwick- samtkonzeption finden sich, wie oben gezeigt wurde, nur bei Arnold Hörn,
lungszustand. in der Überordnungstheorie von Dahm und Richard Schmidt und schließ-
Auffallend ist, daß von allen in dieser Übersicht genannten Autoren kein lich in der Dolustheorie, wie sie bei v. Buri, in RGSt 3, 181 ff und in der
einziger sich auf den anderen bezieht, daß also alle ganz selbständig zu dieser Gegenwart wieder von Bockelmann vertreten wird.
Begriffsbildung gekommen sind. Bemerkenswert ist auch, daß die dogma- Dabei ist allerdings eine Lehre noch nicht berücksichtigt worden; die
tischen Ausgangspunkte, die zur Entwicklung des Tatherrschaftsbegriffs Auffassung von Lobe, dessen Theorie sich nicht als Vorläufer, sondern
geführt haben, durchaus verschiedene sind: die Schuldlehre bei Hegler, die als erste vollgültig ausgeprägte Formulierung des Tatherrschaftsgedankens
Adäquanztheorie bei Bruns, die Rechtfertigung der subjektiven Teilnahme- darstellt.
theorie bei von Weber, die Kritik an ihr bei Lobe, der Pflichtgedanke bei Lobe 34 geht aus von einer Kritik an der reichsgerichtlichen Lehre vom ani-
Eb. Schmidt, der Kausalbegriff bei Hörn und endlich die Handlungslehre mus auctoris und knüpft daran die Erwägung 35 : „Das Wesentliche für die
bei Welzel. Der Umstand, daß alle diese voneinander völlig unabhängigen Täterschaft ist ... nicht nur das Vorliegen eines Willens des Inhaltes, die Tat
Lehren im Tatherrschaftsbegriff konvergieren und zu ähnlichen Folgerungen als eigene zu begehen, sondern die Verwirklichung dieses Willens muß weiter
für die Teilnahmeproblematik nötigen, läßt deutlich werden, daß dieser auch dadurch erfolgen, daß er ausgeführt wird unter seiner Herrschaft, daß
Gedanke nicht die Erfindung eines einzelnen ist, sondern gleichsam „in der Wille auch die seiner Verwirklichung dienende Ausführung beherrscht
und lenkt ... Wer Täter ist, bestimmt sich hiernach nach diesen beiden subjek-
der Luft" lag und nur der umfassenden systematischen Verarbeitung und
tiv-objektiven Merkmalen ... Damit wird auch eine hinreichende Abgren-
Entfaltung harrte.
zung der Teilnahme von der Täterschaft ermöglicht. Bei der Teilnahme fehlt
die Beherrschung der die Herbeiführung des Erfolges bezweckenden Aus-
II. Die dogmatischen und inhaltlichen Entstehungegrundlagen führungshandlung, diese wird vielmehr durch den Willen eines anderen aus-
der Tatherrschaftstheorie gelöst und beherrscht ..." 36 . In diesem Zusammenhang spricht Lobe von dem
„animus domini in Verbindung mit dem entsprechenden wirklichen dominare
1) Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß es schwierig bei der Ausführung" als dem Kriterium der Täterschaft 37 .
ist, eine eigentliche Dogmengeschichte der Tatherrschaftslehre zu geben. Hier sind die heute noch gültigen Grundgedanken der Tatherrschaftslehre
Ihr Vordringen zu einer jetzt beinahe schon herrschenden Auffassung geht knapp und präzise dargelegt. Sie werden dann auch im einzelnen, wenngleich
ohne Zweifel auf Welzel zurück; die Begriffsprägung stammt aber von Heg- oft noch in Anlehnung an die subjektive Theorie, für die Lösung der Teil-
ler, und der sachliche Gehalt dieser Lehre läßt sich bis in die Anfänge der nahmefragen fruchtbar gemacht. Dennoch wird als Begründer der Tat-
Teilnahmetheorien zurückverfolgen. Es ist schon oben immer wieder darauf herrschaftstheorie ganz allgemein nicht Lobe, sondern Welzel angesehen.
hingewiesen worden, daß und inwieweit alle im historischen Über- Das geschieht historisch gewiß zu recht: Denn erst Welzel hat dieser
blick behandelten Lehren - von der formal-objektiven Auffassung über die Lehre Wirksamkeit verliehen und ihr schließlich zur Durchsetzung ver-
verschiedenen materiell-objektiven Kriterien bis zur subjektiven Theorie - holfen, während Lobes Beitrag seinerzeit ganz ohne Einfluß geblieben ist.
bestimmte, jeweils andere Elemente des Tatherrschaftsgedankens in "sich Daß aber Lobe heute nirgends 38 auch nur erwähnt wird, ist sicherlich un-
bergen, wenn auch oft nur in verhüllter Form. Sie alle bilden den dogmati- berechtigt.
schen Unterbau der Tatherrschaftslehre, die sich, so gesehen, als eine glück-
liche Synthese der bisher unverbunden nebeneinander stehenden verschie-
denen Ansätze und als Krönung einer langen dogmatischen Entwicklung Vgl. auch die Zusammenfassung unten S. 322ff.
Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, 1933
D i e Sperrung s t a m m t v o n L o b e .
a. a. O . S. 123
31
in seinen „Studien z u m System des Straf rechts", Z S t W Bd. 58, 1939, S. 491-566 eine A u s n a h m e macht n u r der Leipziger Kommentar, 8. Aufl. Vorbem. 4a vor §47,
32
a. a. O . S. 539 S. 244 (Mezger)
66 67

3) Welzel selbst hat nicht an Lobe angeknüpft, der ihm vielleicht nicht ein- zweckhaft zur Durchführung bringt." Mittäterschaft ist nach Welzel 47 „die
mal bekannt war. Er bezieht sich auch nicht auf einen anderen der Autoren, auf mehrere Personen verteilte Durchführung zweckhaft ineinander grei-
die vor ihm den Tatherrschaftsbegriff in der Teilnahmelehre verwendet fender Teilakte eines von allen getragenen gemeinschaftlichen Handlungs-
haben. Auch die zu seiner Zeit bestehenden verschiedenartigen objektiven entschlusses. Die Tatherrschaft steht hierbei allen gemeinsam zu ...".
und subjektiven Teilnahmetheorien werden von ihm nicht als Bausteine Mittäter kann also nur sein, wer „Mitträger des Tatentschlusses 48 " ist. Ist
seiner Theorie verwendet. das der Fall, so genügt zur Begründung der Mittäterschaft auch eine bloße
Sein methodischer Ausgangspunkt ist schon gekennzeichnet worden 39 : Unterstützungshandlung bei der Deliktsverwirklichung, sofern „die Vor-
Er liegt in der Abkehr vom neukantianischen Normativismus mit seiner nahme der Ausführungshandlungen für die Ausführenden zugleich die
Trennung von Sein und Wert und der Hinwendung zum Ontologischen, der Mitverwirklichung des vom Unterstützenden mitgefaßten Tatentschlusses
Erfassung von Täterschaft und Teilnahme als der „wesensmäßigen Erschei- ist" 49 . Zur Verdeutlichung verweist Welzel auf das Bild der Rollenvertei-
nungsformen finalen Handelns innerhalb der sozialen Welt" 40 . Den sach- lung: „Wie der Entschluß und die Durchführung der Tat von allen getragen
lichen Inhalt seiner Differenzierung gewinnt er dabei einerseits aus dem von wird, so ist die Zuteilung der Tatbeiträge an die einzelnen Tatentschlossenen
ihm entwickelten finalen Handlungsbegriff, andererseits aus den Ansätzen eine reine Zweckmäßigkeitsfrage; die Tat als ganze ist die Tat aller zu-
der schon oben 41 erwähnten Abhandlung von Richard Lange über den sammen " 5 0 .
„Modernen Täterbegriff ". Die so gekennzeichnete „finale Tatherrschaft" hält nun Wetzel durchaus
Im einzelnen ergibt sich bei Welzel in der ersten Ausformung seiner Tat- nicht für das notwendig einzige Kriterium der Täterschaft. Vielmehr sei die
herrschaftslehre kurz zusammengefaßt folgendes Bild: Täterschaft „in ihrem ganzen sozialbedeutsamen Gehalt" oft noch von
So wie man in der Handlungslehre zwischen den finalen Verwirklichungs- weiteren „persönlichen Momenten des Täters", nämlich den objektiven
formen der vorsätzlichen Delikte und den im Hinblick auf den Erfolg blind- Tätervoraussetzungen (Beamter, Kaufmann, Soldat usw.) und den subjek-
kausalen Verursachungen der Fahrlässigkeitstatbestände unterscheiden muß, tiven täterschaftlichen Momenten wie der Zueignungsabsicht oder einer
muß man vorsätzliche und fahrlässige Täterschaft streng voneinander tren- unzüchtigen Tendenz abhängig 51 . Erst wenn auch diese Voraussetzungen
nen. Einen gemeinsamen Täterbegriff gibt es nicht. Der fahrlässige Täter vorlägen, habe der Täter „die umfassende (nicht bloß finale, sondern auch)
ist „lediglich Mitursache für den eingetretenen Erfolg 42 ". Da alle Ur- soziale Tatherrschaft". Wenn der Tatbestand derartige objektive oder sub-
sachen gleichwertig sind, ist auch eine Differenzierung zwischen Täter- jektive Tätervoraussetzungen enthalte, sei „erst beim Zusammentreffen aller
schaft und Teilnahme bei den fahrlässigen Delikten nicht möglich 43 . Für sie drei Tätervoraussetzungen Täterschaft gegeben. Wem eine von ihnen fehlt,
ist also der extensive Täterbegriff, das Prinzip der Einheitstäterschaft, maß- der scheidet notwendig als Täter dieser Tat aus ..." 5 2 .
gebend. Nachdem Welzel so von der finalen zur sozialen Tatherrschaft fort-
Dagegen gilt im Bereich des finalen Handelns, also der vorsätzlichen geschritten ist, verlangt er bei einer Reihe von Delikten zur Täterschaft
Delikte, ein finaler Täterbegriff. Täter ist nur, wer die finale Tatherrschaft „außer den oben genannten drei Voraussetzungen noch die ,eigenhändige'
hat 44 . Welzel umschreibt nun diesen grundlegenden Begriff seiner Täter- Begehung" 53 . Dieses vierte täterschaftliche Element steht aber unverbunden
lehre nur in recht allgemeinen Wendungen. Herr über die Tat und damit neben den drei anderen und wird nicht zum Begriff der Tatherrschaft in
Täter sei, wer sie in ihrem Dasein und Sosein zweckbewußt gestalte; An- Beziehung gesetzt.
stifter und Gehilfen hätten nur die Herrschaft über ihre Beteiligung, nicht Auf diese erste grundlegende Ausformung der Tatherrschaftslehre geht die
über die Tat selbst 45 . An anderer Stelle 46 heißt es, es handele sich bei der folgende Entwicklung zurück. Wir wenden uns nun der Darstellung ihres
Tatherrschaft um „die einfache Tatsache, ... daß der Mensch nach einem heutigen Standes zu.
sich gesetzten Ziel die Gestaltung der Zukunft (des Kausalwerdens) zweck-
vojl ins Werk setzen kann ... Nicht ein vager Täterwille, sondern die wirk-
liche finale Tatherrschaft ist das wesentliche Kriterium der Tatherrschaft.
Dabei steht Tatherrschaft demjenigen zu, der seinen Willensentscffluß

39
Vgl. oben S. 16/17
40 47
a. a. O. S. 549
ZStW, Bd. 58, 1939, S. 539
41 48
Vgl. S. 15 a. a. O. S. 551
42 49
a. a. O. S. 538 a. a. O . S. 551/52
43 50
a. a. O . S. 539/540 a. a. O . S. 552
44 51
a. a. O. S. 539 a. a. O . S. 543
45 52
a. a. O. S. 539 a. a..O. S. 543
46 53
a. a. O. S. 542/43 a. a. O . S. 548
68 69

§ 12. Die heutigen Vertreter der Tatherrschaftslehre terte subjektive Theorie" 6 bezeichnete und über sie sagte: „Wenn der Sinn
der subjektiven Theorie in solchem sachlichen Gehalt verstanden werden
I. Welzel sollte, mag der Widerspruch gegen sie verstummen" 7 . Daraus erklärt es sich
auch, daß.Bockelmann die von ihm vertretene Dolustheorie für mit der Tat-
Welzel 1 vertritt seine Tatherrschaftslehre in ihrer ursprünglichen Form herrschaftslehre identisch hält 8 . Nicht richtig erscheint es mir deshalb, wenn
noch jetzt ohne wesentliche Veränderungen. Er hat den Begriff der „sozia- Baumann 9 , der zutreffend auf die Beziehungen zwischen Tatherrschaftslehre
len" Tatherrschaft fallen lassen, nennt aber nach wie vor als die drei Voraus- und Dolustheorie hinweist, gerade Welzel als Vertreter einer rein objektiven
setzungen der Täterschaft die finale Tatherrschaft sowie die subjektiven und Abgrenzung anführt.
objektiven Tätervoraussetzungen nebeneinander 2 . Auch in der Umschrei- Deutlicher als im Falle der Abschichtung von Mittäterschaft und Beihilfe
bung des Begriffes der Tatherrschaft finden sich keine nennenswerten tritt die Selbständigkeit der Tatherrschaftslehre bei Welzel im Verhältnis von
Abweichungen. Anstiftung und Täterschaft hervor. Hier bezieht er insofern einen objek-
N u r bei Kennzeichnung der Mittäterschaft wird der Akzent jetzt noch tiveren Standpunkt, als er die Möglichkeit der Existenz eines „Täters hinter
etwas mehr als früher von der Ausführungshandlung auf die Gemeinsamkeit dem Täter" grundsätzlich ablehnt: „Mittelbare Täterschaft durch einen
des Tatentschlusses verlagert. Es wird nun ausdrücklich gesagt, daß „auch unmittelbar Handelnden, der selbst Täter ist, ist ein Unbegriff. Wer einen
der objektiv bloß Vorbereitende oder Helfende" Mittäter sei, wenn man ihn Täter zur Tat bestimmt, ist stets nur Anstifter, und kein Täterwille kann ihn
als „Mitträger des gemeinsamen Tatentschlusses" 3 ansehen könne, d. h. wenn zum Täter machen" 10. Dem entspricht es, daß er eine mittelbare Täterschaft
er mit den übrigen zusammen den unbedingten Verwirklichungswillen in dem unter den Anhängern der Tatherrschaftslehre sehr umstrittenen Fall,
habe 3 . daß jemand den Verbotsirrtum eines anderen ausnutzt, in der Regel nicht
Welzel stimmt also mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts insofern anerkennt 11 . Eine von seinem Ansatz her nicht zu begründende Ausnahme
überein, als er unter Umständen auch eine nur ganz geringfügige Beteiligung soll hier nur gelten, wenn der Hintermann den Verbotsirrtum absichtlich
bei der Deliktsausführung für die Annahme der Tatherrschaft und damit der herbeiführt, um das Delikt begehen zu lassen.
Täterschaft genügen lassen will. Der Unterschied liegt nur darin, daß er das
vage Kriterium des Täterwillens durch das Erfordernis ersetzt, der Täter
müsse „Mitträger des Tatentschlusses" sein. „Das Minus in der objektiven IL Maurach
Mitbeteiligung muß durch das Plus des besonderen Nachweises der Mit-
beteiligung am Verbrechensentschluß wettgemacht werden" 4. Auch Maurach errichtet seine Tatherrschaftstheorie auf der Grundlage der
Es ist unverkennbar, daß Welzel dadurch mit seiner Tatherrschaftslehre finalen Handlungslehre. Wie Welzel verwendet er den Tatherrschaftsgedan-
in die unmittelbare Nachbarschaft der Dolustheorie gerät. Denn seine ken nur bei vorsätzlichen Delikten als Kriterium der Täterschaft.
Forderung, daß der Täter den „unbedingten Verwirklichungswillen" haben Tatherrschaft ist für ihn „das vom Vorsatz umfaßte In-den-Händen-
müsse, ist sachlich etwa gleichbedeutend mit den Formulierungen, die Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufes. Tatherrschaft hat jeder
sich bei den Anhängern der Dolustheorie finden, daß der Täter „einen Mitwirkende, der die Verwirklichung des Gesamterfolges je nach seinem
den seinen beherrschenden Willen nicht anerkenne" oder daß er „erfor- Willen hemmen oder ablaufen lassen kann"; sie ist „willensgetragene Tat-
derlichenfalls die Tatbestandshandlung selbst vornehmen würde" 5 . Auch gestaltung" n
die von der Dolustheorie für den Teilnehmer gefundene Kennzeichnung, Anders als Welzel, der diese Fälle aus dem Bereich der Täterschaft aus-
daß er „die Ausführung der Tat dem Täter anheimstelle", besagt nichts scheiden will, hält Maurach eine „Tatherrschaft" und damit mittelbare
anderes, als daß dem Teilnehmer der „unbedingte Verwirklichungswille" Täterschaft des Hintermannes auch dann für möglich, wenn der Tatmittler
.fehlt. vorsätzlich schuldhaft handelt, z. B. in dem Fall, daß jemand eine ihm sexuell
Ihrem materiellen Gehalt nach stellt sich die Tatherrschaftslehre Welzels hörige Person zu Straftaten veranlaßt, ohne daß beim „Werkzeug" die Vor-
demnach als eine Weiterentwicklung der Dolustheorie dar. Das haf auch
Welzel selbst anerkannt, wenn er früher seine Auffassung als eine „erwei-
6
SJZ 1947 Spalte 648
7
a. a. O. Spalte 650
1 8
Lehrbuch, 7. Aufl., S. 89-99 Vgl. dazu oben S. 53
2 9
a. a. O. S. 90 JZ 1958, S. 231 bei Anm. 12; Lehrbuch, 2. Aufl., S. 444
3 10
a. a. O. S. 98 SJZ 1947 Spalte 650
4 11
a. a. O. S. 98 Um die finale Handlungslehre, S. 30, Anm. 34
5 12
Vgl. dazu oben S. 52/53 Lehrbuch, Allg. Teil (A.T.), 2. Aufl., S. 517; fast wörtlich gleichlautend a. a. O. S. 492.
70 71

aussetzungen der §§51, 52 StGB vorliegen 13 . Hier wird also der „Täter Auch bei Bestimmung der mittelbaren Täterschaft ist auffallend, daß
hinter dem Täter" anerkannt. Maurach sich von allen starr fixierten Kriterien - wie etwa dem Satz, daß
Wenn jemand eine Tat zwar vorsätzlich, aber ohne Unrechtsbewußtsein mittelbare Täterschaft durch ein volldeliktisch handelndes Werkzeug aus-
begeht, will Maurach - wieder im Gegensatz zu Welzel - den Veranlassen- geschlossen sei - zugunsten einer elastischeren Auffassung löst, die nicht auf
den, der die Rechtslage übersieht, gleichfalls als mittelbaren Täter ansehen, die rechtliche Beurteilung des Tatmittlers, sondern auf die faktischen Macht-
und zwar nicht nur bei unvermeidbarem Irrtum, sondern auch bei vermeid- verhältnisse abstellt. Allerdings bleibt Maurach eine Erklärung dafür schul-
barer Verbotsunkenntnis H . dig, wie es rechtlich denkbar sein soll, daß bei volldeliktisch handelndem
Bei Bestimmung der Mittäterschaft legt Maurach auf die von Welzel so Werkzeug Tatmittler und Hintermann gleichzeitig den Geschehensablauf „in
sehr in den Vordergrund geschobene Gemeinsamkeit des Tatentschlusses, auf den Händen halten".
den „unbedingten Verwirklichungswillen", kein Gewicht. Sein allgemeines Ungeachtet dieser Fragen, denen später nachzugehen sein wird, bleibt
Kriterium für die Tatherrschaft, das „In-den-Händen-Halten des tat- festzuhalten, daß die Teilnahmelehre Maurachs, obwohl auch sie auf der
bestandsmäßigen Geschehensablaufes", dient ihm auch hier als Kennzeichen Grundlage des finalen Handlungsbegriffes ruht, eine ganz eigenständige,
der Mittäterschaft 15 . Dabei ist nach seiner Lehre - wohl im Gegensatz zu auch in den Ergebnissen von Welzel vielfach abweichende Entfaltung des
Welzel - irgendeine Mitwirkung bei der Tatausführung selbst, sei es auch im Tatherrschaftsgedankens darstellt.
Vorbereitungsstadium oder in geringfügiger Weise, nicht notwendig erfor-
derlich. Maurach erkennt eine „intellektuelle" Mittäterschaft ausdrücklich
an und sagt 16 : „Mittäter ist hiernach, wer ohne selbst mit Hand anzulegen, III. Gallas
regelnd und beherrschend den Tatablauf überwacht; Anstifter, wessen Tat-
beitrag mit dem Geneigtmachen des noch nicht Entschlossenen, Gehilfe, Ihre dritte bedeutsame Ausprägung hat die Tatherrschaftslehre in den Arbei-
wessen Mitwirkung mit der Bestärkung des Tatentschlossenen ihr Ende ten von Gallas 19 gefunden. Anders als bei Welzel und Maurach bildet
findet und mit diesem Erfolg ,aus der Hand gegeben' wird." Daher ist für für Gallas die formal-objektive Theorie (1) den Ausgangspunkt seiner
ihn auch der Bandenchef, der den Einsatz seiner Leute aus der Ferne lenkt, Überlegungen. Er verbindet sie mit der finalen Handlungslehre (2), dem
Mittäter. Adäquanzgedanken (3) und einem - wie ich sagen möchte - „normativen"
Die von Welzel neben der Tatherrschaft genannten beiden zusätzlichen Herrschaftsbegriff (4) zu einer Synthese, die eine durchaus originale Tatherr-
Kriterien der Täterschaft - die objektiven und subjektiven Tätermerkmale - schaftslehre darstellt.
werden bei Maurach nicht als selbständige Elemente des Täterbegriffs auf- 1. Kern und Keimzelle seiner Lösung ist für Gallas der restriktive Täter-
geführt. N u r ganz beiläufig erwähnt er, daß bei den Sonderverbrechen und begriff. „Die formal-objektive Theorie hat ... im Ergebnis recht, wenn
den eigenhändigen Delikten der Kreis der tauglichen Täter in bestimmter sie die Täterschaft als Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung be-
Weise eingeschränkt sei 17 . stimmt und in der Tatbestandsmäßigkeit zugleich das die Täterhandlung von
Aufs ganze gesehen läßt sich feststellen, daß Maurach den Tatherrschafts- der Teilnahmehandlung unterscheidende Merkmal sieht" 20 , lesen wir bei
gedanken noch reiner und umfassender durchführt als Welzel. Insbesondere ihm.
erscheint seine Lehre als gegenüber der Dolustheorie durchaus selbständig. 2. Diese formal-objektive Lehre verbindet nun Gallas mit dem finalen
Zur Mittäterschaft genügt nicht der unbedingte Verwirklichungswille im Handlungsbegriff. Was etwa eine Wegnahmehandlung sei, meint er, lasse sich
Augenblick des gemeinsamen Tatentschlusses - ein rein subjektives Kri- nicht bestimmen, wenn man ihr Wesen auf die bloße Verursachung einer
terium - , Sondern es ist die regelnde Lenkung des Tatverlaufs, also ein objek- Gewahrsamsverschiebung reduziere. Unter diesem Blickwinkel sei auch die
tiv faßbarer tatgestaltender Faktor, erforderlich. Andererseits kann Maurach bloße Bestimmung zur Wegnahme oder die Hilfeleistung dabei eine Weg-
auf jede äußere Unterstützungshandlung als Voraussetzung der Mittäter- nahmehandlung. Betrachte man dagegen die Wegnahmehandlung als final
schaft verzichten, während dieses Erfordernis bei Welzel als Relikt der gesteuertes Verhalten, so habe diese Tätigkeit eine „unverwechselbare Indivi-
früheren reichsgerichtlichen Rechtsprechung 18 ohne klare Verbindung mit dualität, die es grundsätzlich möglich macht, sie von einer bloßen Förderung
dem Tatherrschaftsgedanken stehen geblieben ist. der Tatbegehung zu unterscheiden. Selbst wegnehmen hat einen anderen
Sinn als dem Wegnehmenden bei der Wegnahme behilflich sein ...". So
13
a. a. O . S. 495
4
a. a. O . S. 503
15
a. a. O . S. 517
16
a. a. O . S. 517 hauptsächlich: „Täterschaft u n d Teilnahme", Materialien z u r Strafrechtsreform, l . B a n d ,
17
a. a. O . S. 493, 516, 197-199 G u t a c h t e n der Strafrechtslehrer, 1954, S. 121 ff.; „Die m o d e r n e E n t w i c k l u n g der Be-
18 griffe Täterschaft u n d Teilnahme", Sonderheft der ZStW, 1957, S. 3ff.
die bekanntlich eine irgendwie geartete M i t w i r k u n g bei der Tatausführung verlangte,
Sonderheft, S. 10
vgl. oben S. 58 bei u n d in A n m . 11
72 73

kommt er zu dem Ergebnis: „Im Bereich der Tätigkeitsdelikte lassen sich schreitenden Fälle nicht eigenhändiger Tatbeherrschung seien vom Gesetz-
Täterschaft und Teilnahme zwar nicht als kausale Erfolgsbeiträge, wohl aber geber „stillschweigend mitgemeint" 29 .
als Handlungen verschiedenen Sinngehalts unterscheiden" 21 . Aus dieser Ver- Bemerkenswert ist, daß der Tatherrschaftsbegriff, den Gallas als „Maß-
wendung des Finalitätsbegriffes erklärt es sich auch, daß Gallas wie alle stab für ejne ,auflockernde' Interpretation des tatbestandsmäßigen Verhal-
anderen Vertreter der Tatherrschaftslehre nur bei vorsätzlichen Delikten tens" 3 0 verwendet, bei ihm einen ausgesprochen wertbezogenen Charakter
zwischen Täterschaft und Teilnahme unterscheidet 22 . erhält. Er betont ausdrücklich, es dürfe „das Wertmoment im Begriff der
3. Weiter verknüpft Gallas diese von ihm sogenannte „final-objektive Tatherrschaft nicht übersehen werden" 31 . Daraus zieht er mehrere praktisch
Theorie" 2 3 mit dem Adäquanzgedanken, wie es von ähnlichen Grundlagen wichtige Konsequenzen:
her schon Bruns 24 und Richard Lange 25 getan hatten. So scheidet er die Fälle Bei den eigenhändigen Delikten und den Tatbeständen mit objektiven und
der erheblichen Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf und des in der subjektiven Tätermerkmalen kann ein Außenstehender, auch wenn er ent-
Hoffnung auf einen Absturz zu einer Flugreise veranlaßten Erbonkels aus scheidenden Einfluß auf das Geschehen hat, schon deshalb nicht die Tatherr-
dem Bereich der Täterschaft aus, weil man hier von einer finalen Beherr- schaft besitzen, weil ihm der „spezifische Deliktsgehalt der Tat" nicht
schung des Geschehensablaufes durch den Handelnden nicht mehr sprechen zugänglich ist 32 . Wer die Tatherrschaft hat, entscheidet sich also nicht not-
könne 26 . wendig nach dem Maße der Beherrschung des Kausalgeschehens, sondern
4. Hat Gallas sich bisher im Umkreis einer modifizierten formal-objek- auch nach dem rechtlichen Sinngehalt der einzelnen Tatbestände. Damit
tiven Theorie bewegt, so benutzt er nun den Tatherrschaftsgedanken zu bezieht Gallas Elemente in den Tatherrschaftsbegriff ein, die Welzel gerade
einer Auflockerung und inhaltlichen Erweiterung des bisher gefundenen ausgeschlossen und neben ihn gestellt und die auch Maurach unberücksich-
Täterbegriffs. So will er bei den Erfolgsdelikten wie etwa §212 StGB - tigt gelassen hatte.
anders als bei den Tätigkeitsdelikten - die Tatbestandshandlung nicht schon Aus dieser Wertbezogenheit des Tatherrschaftsbegriffs folgert Gallas
durch die finale Erfolgsherbeiführung gekennzeichnet sehen - auch Anstifter weiter in unmittelbarem sachlichen Gegensatz zu Maurach, daß eine mittel-
und Gehilfen handeln final -; vielmehr begeht für ihn eine „Tötungshand- bare Täterschaft durch einen schuldhaft handelnden, als Täter strafbaren
lung" im Sinne des §212 StGB nur, „wer dabei nach einem Programm Tatmittler nicht möglich sei. Dabei leugnet Gallas nicht, daß in solchen
verfährt, dessen Verwirklichung ihm den Todeserfolg ,in die Hand gibt'" 27 , Fällen - man denke an starke soziale Abhängigkeitsverhältnisse oder an die
wer also die Tatherrschaft hat. Dieses bei den Erfolgsdelikten gewonnene von Maurach erwähnte sexuelle Hörigkeit - eine „tatsächliche" Beherr-
Kriterium überträgt Gallas nun nachträglich auch auf die Tätigkeitsdelikte schung durch den Hintermann vorliegen könne. So räumt er ein, es ließen
wie etwa §242 StGB. Obwohl hier schon die nur finale Wegnahmehandlung sich „Situationen denken, in denen der Hintermann kraft seiner persönlichen
sich von anderen Beteiligungsformen in ihrem sozialen Sinngehalt unterschei- oder sozialen Überlegenheit auf den unmittelbar Handelnden einen so
det, will Gallas in erweiternder Auslegung des Tatbestandes auch die Bewir- starken Druck ausübt, daß dieser rein faktisch-psychologisch betrachtet,
kung einer nicht eigenhändigen Gewahrsamsverschiebung als „Wegnahme- von ihm geherrscht' erscheint" 33 . Trotzdem liege darin keine „Tatherr-
handlung" ansehen, wenn der Bewirkende die Tatherrschaft hat. So sagt er schaft im Rechtssinn." Das ergebe sich daraus, daß unsere Rechtsordnung
über den Bandenchef, der sich darauf beschränkt, am Tatort den Einsatz zu „an den Begriffen Freiheit und Verantwortung und damit sozialethisch
leiten: „Er legt zwar selbst nicht mit Hand an; aber seine Anwesenheit und orientiert" 33 sei. Denn so gesehen, müsse „Tatherrschaft durch Benutzung
Führungsfunktion sind mit dem Tun der Tatgenossen so eng verbunden und eines anderen als Werkzeug dort ihre Grenzen finden, wo das Recht das Tun
dafür so ausschlaggebend, daß auch er die Tat mitbeherrscht und daher als des unmittelbar Handelnden als ein freies und damit persönliche Verantwor-
mit ausführend bei der Wegnahmehandlung erscheint" 28 . In gleicher Weise tung begründendes wertet. Denn am Maßstab derselben Wertordnung
erklärt Gallas die mittelbare Täterschaft. Der mittelbare Täter beherrscht den gemessen, kann ein Verhalten nicht zugleich als frei und als von einem
Tatmittler derart, daß er als der die Tatbestandshandlung Ausführende an- anderen beherrscht, d. h. aber als unfrei, erscheinen" 34 . Hier wird sehr deut-
gesehen werden muß. Diese den Bereich der formal-objektiven Theorie über- lich, wie Gallas den Tatherrschaftsbegriff von der ontischen in die normative
Sphäre hebt.

21
Gutachtens. 126
22
Vgl. Sonderheft S. 18 f., Gutachten S. 125-130
23 29
Sonderheft,S. 13 Gutachten, S. 133; Sonderheft, S. 15
24 30
Vgl. dazu oben S. 61/62 Sonderheftes. 14
25 31
Moderner Täterbegriff, S. 42 ff., 46 ff. Sonderheft,S. 13
26 32
Sonderheft,S. 16/17 Gutachten, S. 133; Sonderheft, S. 13/14
27 33
Gutachten S. 128; vgl. auch Sonderheft S. 11-13 Sonderheft, S. 16; fast gleichlautend Gutachten, S. 134
28 34
Sonderheft, S. 14 Gutachten.S. 134
74 75

Diese Normativierung seines Täterkriteriums dient aber bei Gallas nicht Tatherrschaftsbegriff wieder zu einer teleologisch orientierten Verbrechens-
nur zur Ablehnung „rechtlicher" Tatherrschaft trotz faktisch-psycholo- systematik in Beziehung zu setzen. In weiterem Rahmen betrachtet, bilden
gischer Beherrschung durch den Hintermann, sondern er kommt mit ihrer die Abhandlungen zur Teilnahmelehre für Gallas nur einen Bestandteil
Hilfe auch umgekehrt zu einer Bejahung der Tatherrschaft, wo eine tatsäch- seiner auf die gesamte Verbrechenslehre sich erstreckenden Bemühungen,
liche Beherrschung fehlt. Es ist dies namentlich der Fall des sog. qualifi- „eine Synthese zu finden zwischen den neuen Impulsen, die wir dem Fina-
kationslosen dolosen Werkzeugs. Während Welzel und Maurach dem Pro- lismus verdanken, und gewissen unverzichtbaren Ergebnissen der voraus-
blem keine Beachtung schenken und - um den praktisch wichtigsten Fall gehenden, vom Wert- und Zweckgedanken bestimmten Entwicklungsstufe
herauszugreifen - den Beamten, der einen Extraneus zum echten Amtsdelikt unserer Wissenschaft" - ein Unternehmen, das er ohne äußeren Zusam-
anstiftet, ohne weiteres wegen mittelbarer Täterschaft bestrafen, erkennt menhang mit der Täterlehre in sachlich auch für sie gültiger Weise als
Gallas, „daß der Hintermann den unmittelbar Handelnden hier nicht „eigentliches Anliegen der gegenwärtigen dogmatischen Situation" bezeich-
geherrscht', ihn nicht als ,Werkzeug' benutzt" 3 5 . Trotzdem nimmt auch net hat 38 .
Gallas mittelbare Täterschaft und Tatherrschaft des Hintermannes an, mit Auffallend ist auch, daß Gallas anders als Welzel, der sich eher der Dolus-
der Begründung, daß der rechtliche Charakter der Tat als Delikt hier allein theorie annähert, seine Tatherrschaftslehre als „Auflockerung" einer mit der
von der Qualifikation des Hintermannes abhänge. Dadurch werde der finalen Handlungslehre gekoppelten formal-objektiven Theorie darstellt 39 .
Anstiftungsakt zur Ausübung von Tatherrschaft. Gallas erkennt selbst, daß Aus dieser weitgehend objektiven Auffassung erklärt es sich auch, daß er
er damit die Grenzen des Tatherrschaftsbegriffs sehr weit spannt, wenn ausdrücklich gegen die von Bockelmann vertretene Dolustheorie Stellung
er sagt: „Es handelt sich dabei freilich um eine Begehungsform eigener nimmt 40 , obwohl dieser selbst keine wesentlichen Unterschiede zwischen
Art, die der Mittäterschaft näher steht als der mittelbaren Täterschaft, jeden- seiner Lehre und der Tatherrschaftstheorie entdecken kann 41 . Solche Diver-
falls in deren herkömmlicher, auf die Beherrschung des Tatmittlers ab- genzen ergeben sich aus der Variationsbreite des Tatherrschaftsbegriffs, der
stellenden Bedeutung" 36 . sich in seinen verschiedenen Ausprägungen bald mehr an objektiven, bald
Hat insoweit die Wertbezogenheit zu einer Modifizierung des Tatherr- mehr an subjektiven Kriterien orientiert.
schaftsbegriffs geführt, so tritt bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und
Beihilfe für Gallas daneben wieder mehr der formal-objektive Ausgangs-
punkt seiner Lehre hervor. So reicht für ihn im Gegensatz zu Welzel auch bei IV. Richard Lange
einer Gemeinsamkeit des Tatentschlusses nicht schon jede äußere Mitwir-
kung zur Begründung der Tatherrschaft aus. Es kommen vielmehr nur sol- In seiner schon mehrfach erwähnten Abhandlung über den „Modernen
che Handlungen in Frage, die der eigenhändigen Begehung gleichwertig sind Täterbegriff" hatte Lange eine modifizierte subjektive Theorie vertreten, der
und daher bei aufgelockerter Interpretation noch als Tatbestandshandlungen Welzel bei der späteren Entwicklung seiner Tatherrschaftslehre wesentliche
im Rechtssinne angesehen werden können. Eine Beteiligung im Vorberei- Anregungen entnommen hat 42 . Heute zählt Lange sich selbst zu den Anhän-
tungsstadium gehört dazu nach Gallas nicht, so daß es bei ihm heißt: „Wer gern dieser Theorie, wenn er sagt: „Bei der Frage nach der Täterschaft ist ...
sich darauf beschränkt, die Gelegenheit zur Tat auszukundschaften oder die stets ... zu prüfen, ob der Handelnde die Tatherrschaft gehabt und ausgeübt
dazu benötigten Werkzeuge zu besorgen, handelt nicht als Mitherr der Tat, hat". 43
sondern nur als Gehilfe, auch wenn er an der Tatverabredung beteiligt Lange bezeichnet seine Lehre im Anschluß an Maurach als „materiell
war" 37 . objektiv" und beruft sich auf weitgehende Übereinstimmung mit Gallas,
Diese Übersicht mußte etwas ausführlicher gehalten werden, um die dessen Kriterien der Finalität, der Adäquanz und der Tatherrschaft auch
Variabilität des Tatherrschaftsgedankens und die methodischen und sach- bei ihm auftreten. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Lange
lichen Unterschiede der von Gallas entwickelten Lehre gegenüber den trotz dieser terminologischen Umstellung auf die Tatherrschaftstheorie
Theorien Welzels und Maurachs deutlich hervortreten zu lassen. Metho- inhaltlich weitgehend an seiner ursprünglichen Lehre festgehalten hat, so daß
disch ist die Auffassung von Gallas besonders bemerkenswert, weil "er als
erster den Versuch unternimmt, den seinerzeit von Welzel in ausgespro-
chenem Gegensatz zur „normativen" Täterlehre entwickelten ontologischen 38
Zum gegenwärtigen Stand der Lehre vom Verbrechen, S. 47
39
Es ist daher sicher nicht zutreffend, wenn Baumann, Lehrb. 2. Aufl. S. 444, JZ 58,
S. 231, bei Anm. 11, meint, Gallas bleibe „im Bereich der animus-, zumindest im
Bereich der Doluslehre".
40
Gutachtens. 131
41
35
Gutachtens. 135 Vgl. Strafrechtliche Untersuchungen, S. 77, 101, 118-122
42
36
Gutachten, S. 136 Vgl. dazu schon oben S. 16, 66 und ZStW, Bd. 58, 1939, S. 494, 500
43
37
Gutachten^. 137 Kohlrausch/Lange, 42743. Aufl., vor §47 I, 4, S. 160
77
76

es bei ihm zu einer extrem subjektiven Ausprägung des Tatherrschaftsgedan- „irrig" und „unverständlich" findet 49 . Solche Mißverständnisse erklären
kens kommt. sich aus den verschiedenen Inhalten, die die einzelnen Autoren mit dem
Tatherrschaftsbegriff verbinden und die die ganze Lehre bei scheinbarer
Bei Bestimmung der Mittäterschaft geht Lange von der subjektiven
Einigkeit allmählich in eine schillernde Undeutlichkeit gerückt haben.
Theorie aus, meint aber, entscheidend sei nicht schon die Frage, ob der Täter
Neben dieser fundamentalen Differenz ist es für die Täterlehre Langes
die Tat als eigene gewollt habe, sondern erst die, ob sie ihm auf Grund des
weiterhin kennzeichnend, daß er in Übereinstimmung mit Gallas gegen
von seinem Willen getragenen Tatbeitrages zugerechnet werden könne. Eine
Welzel die Eigenhändigkeit bestimmter Delikte sowie die subjektiven und
solche Zurechnung sei nicht möglich, wenn dieser Wille nur eine „leere
objektiven Tätermerkmale in den Begriff der Tatherrschaft einbezieht. „Bei
Anmaßung oder eine Fiktion" sei, sondern er müsse durch die Tatherr-
Täterqualifikationen gehören auch diese zur Tatherrschaft", sagt er 50 , und
schaft zum Ausdruck kommen 44 . Dabei läßt er aber als Ausführungshand-
begründet das damit, daß nur der Innenseiter bei eigenhändigen Delikten tat-
lung - entsprechend der Judikatur des Reichsgerichts - schon die geringste
bestandsmäßig handeln und bei den Beamtendelikten den Amtsbetrieb
äußere Betätigung (z.B. Stärkung des Täterwillens durch Ratschläge) und ein beherrschen könne.
Verhalten, das, für sich genommen, nur eine straflose Vorbereitungshandlung
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Langes Tatherrschaftslehre
sein würde, genügen 45 . Diese Auffassung steht in ausgesprochenem Gegen-
gegenüber den Auffassungen von Welzel, Maurach und Gallas erhebliche
satz zur Lehre von Gallas. Inwieweit sie sich in den Ergebnissen von der
Unterschiede aufweist und - obwohl Lange sie materiell-objektiv nennt -
früheren Rechtsprechung des Reichsgerichts unterscheidet, wird nicht ganz einer abgemilderten subjektiven Theorie sehr nahe kommt.
deutlich.
Bei der Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung geht
Lange ohne Zweifel in der Subjektivierung weiter als alle anderen Vertreter
V. Weitere Vertreter der Tatherrschaftslehre
der Tatherrschaftstheorie. So erklärt er über das Wesen der mittelbaren
Täterschaft, es seien „für jeden Veranlasser, der in eigener Sache handelt,
1. Niese
die von ihm Benutzten seine Werkzeuge, ob sie ihrerseits als Täter verant-
wortlich sind oder nicht" 46 . Diese Konsequenz hatten Welzel und Gallas
Niese hat sich in einer kleinen Arbeit über die praktische Bedeutung der
ausdrücklich abgelehnt; Maurach hatte sie auf die Fälle starker sozialer und
finalen Handlungslehre 51 zur Tatherrschaftstheorie bekannt und ihr dabei
persönlicher Abhängigkeit beschränkt, während Lange schon jedem die
eine Wendung gegeben, die neuartig ist und sonst nirgends vertreten wird.
Tatherrschaft zusprechen will, der einen voll verantwortlichen Täter zu
einem Delikt bestimmt, wenn es sich nur um eine „eigene Sache" des Ver- Er geht davon aus, daß an die Stelle der subjektiven Interessenrichtung die
anlassenden handelt. Auf dieser Grundlage kommt Lange nicht nur in den „finale Tatherrschaft" treten müsse, die er als „objektives Kriterium"
Fällen des absichtslosen dolosen Werkzeugs ohne Bedenken zur Annahme bezeichnet 52 . Diese Tatherrschaft setzt nach seiner Lehre nicht nur voraus,
mittelbarer Täterschaft, er erkennt sogar die Figur des von der reichsgericht- daß der Wille subjektiv auf die Erfolgsherbeiführung gerichtet ist, „sondern
lichen Rechtsprechung herausgearbeiteten dolosen Gehilfenwerkzeugs an. auch, daß der Handelnde der Erfolgsverwirklichung durch den zweck-
So will er in dem berühmten „Badewannenfall" 47 zwar die Schwester, die bewußten Einsatz der ausgewählten Mittel, d.h. der finalen Steuerung der
das Kind eigenhändig ertränkt hatte, als Täterin strafen, gleichzeitig aber Kausalität in der Außenwelt, mächtig, ist". Die so umschriebene Tatmacht,
die Kindesmutter, deren Beitrag sich in der Aufforderung zur Tat erschöpft die nach Niese das Wesen der Tatherrschaft ausmacht, liegt immer vor,
hatte, als mittelbare Täterin ansehen. Wenn er diese Lösung mit den Worten wenn jemand mit eigener Hand einen Tatbestand verwirklicht, im übrigen
erklärt: „Die Tatherrschaft des Bestimmenden hängt hier von seiner aber nur dann, wenn der Mitwirkende, obwohl er es in concreto nicht tut,
Willensrichtung ab", so zeigt sich deutlich, daß die Tatherrschaft als rein doch physisch in der Lage wäre, den Tatbestand eigenhändig zu verwirk-
. subjektives, innerpsychisches Kriterium verwandt wird, das sich vom lichen, wenn er es nur wollte. So will Niese in dem schon mehrfach erwähn-
Täterwillen der früheren Rechtsprechung - obwohl Lange sich von ihr ten „Badewannenfall" die Mutter des ertränkten Kindes nur als Anstifterin
distanziert - kaum unterscheidet. Von daher wird es auch verständlich, daß strafen; sie habe das Kind nicht selbst in der Badewanne ertränken können,
Welzel heute Lange den Vertretern der von ihm abgelehnten subjektiven weil ihr „infolge der eben überstandenen Geburt" die Macht dazu gefehlt
Teilnahmetheorie zurechne 48 , während Lange diese Charakterisierung habe. Deshalb habe sie es dem Willen der Schwester anheimstellen müssen,

44
42743. Aufl., §47 1, S. 173 49
45 a. a. O. I, 1 vor §47, S. 159
42743. Aufl., §47,1, II 50
46 a. a. 0 . 1 , 4 vor §47, S. 160
42743. Aufl., vor §47 I 5, B 1, S. 161 51
47 DRiZ 1952, S. 21-24
RGSt 74, 84 52
hier und im folgenden a. a. O. S. 23
4S
Lehrbuch, 7. Aufl., S. 94
78 79
ob diese die Tat ausführe. Dieses Anheimstellen, die Unterwerfung des Wil- 2. Sax
lens unter den des Täters charakterisiere auf objektive Weise das Verhältnis
des Teilnehmers zum Täter. Für Sax54 bildet den Ausgangspunkt seiner Überlegungen die formal-
Noch an einem zweiten Beispiel verdeutlicht Niese seine Auffassung. Er objektive Theorie 55 . Täter ist für ihn in erster Linie, wer den Tatbestand
sagt: „Wer ... seinem Nachbarn die Fenster einwerfen will und einen ande- unmittelbar erscheinungsbildlich verwirklicht. O b er den „Täterwillen" oder
ren bittet, dies zu tun, weil er selbst vom Zaun aus nicht bis an das Haus die „bewußte Tatherrschaft" hat, ist dabei unerheblich. Erst für die Tatbetei-
trifft, kann immer nur Anstifter zur Sachbeschädigung des anderen sein, weil ligten, „die das straftatbestandliche Verhalten erscheinungsbildlich nicht
nur dieser die finale Tatherrschaft hat, auch wenn er die Fenster für den vollziehen" 56 , etwa nur Schmierestehen, ersetzt die Tatherrschaft die fehlende
Anstifter einwirft." Eigenhändigkeit. „Zur Begründung ihrer Täterhaftung ist der Rückgriff
Es ist auf den ersten Blick verwirrend, daß Niese mit Nachdruck von einer auf ihre subjektiv-objektive Beziehung zu der Aktivität des Ausführenden
„objektiven" Abgrenzung spricht, obwohl die von ihm verwendeten Begriffe erforderlich, um das Manko an erscheinungsbildlicher Straftatbestandserfül-
des „Anheimstellens" und der „Unterwerfung unter fremden Täterwillen" lung abzugleichen" 5 6 . Wenn Sax dazu noch ausführt, „daß diese inhaltlichen
der subjektiven Dolustheorie entlehnt sind. Auch seine Forderung, daß der Kriterien gar nicht zur Bildung des allgemeinen Täterbegriffs, sondern nur
Mitwirkende, um Täter sein zu können, in der Lage sein müsse, die Tat- dazu dienen können, erscheinungsbildlich mehrdeutige Tatbeteiligungs-
bestandshandlung in eigener Person auszuführen, erinnert zunächst an For- formen auf Täterschaft hin zu spezifizieren" 57 , so wird deutlich, daß sich
mulierungen, wie sie sich auch bei Vertretern einer subjektiven Abgrenzung für ihn die Tatherrschaftslehre nur als Ergänzung der formal-objektiven
finden; etwa bei v. Bar, wenn er den Mittäter durch den Vorsatz gekenn- Theorie darstellt.
zeichnet findet, „eintretendenfalls diejenige Tätigkeit selbst vorzunehmen, In den praktischen Ergebnissen ist Sax allerdings nicht ganz so objektiv
welche die strafbare Handlung zur Vollendung bringt 53 ". orientiert. Er nennt die Mittäterschaft eine wechselseitige mittelbare Täter-
Die entscheidende Abweichung Nieses von diesen subjektiven Lehren schaft und nimmt ihr Vorliegen an, wenn mehrere ihre Straftat in arbeits-
liegt darin, daß er anders als sie die Unterwerfung unter die fremde Entschei- teiligem Zusammenwirken ausüben und jeder das Handeln des anderen
dung und den Verzicht auf die eigene Tatausführung nicht von einem Wil- bewußt mitbeherrscht 58 . Eine solche Beherrschung kann für ihn aber auch
lensentschluß des Betroffenen, sondern von seinen physischen Möglichkei- schon bei rein geistiger Unterstützung gegeben sein 59 . Unter welchen Vor-
ten abhängig macht, einem allerdings rein objektiven Kriterium. Freilich aussetzungen das der Fall ist, geht aus den Äußerungen Sax' nicht hervor.
wird nicht völlig klar, ob Niese seine Unterscheidung allein auf diesen Bei Umgrenzung des Bereiches der mittelbaren Täterschaft erkennt Sax
Gesichtspunkt abstellen will, ob also für ihn die Kindesmutter und der das qualifikationslose und das absichtslos dolose Werkzeug 60 ohne weiteres
mißgünstige Nachbar seiner Beispielsfälle schon dann Täter sind, wenn sie an 61 . Darüber hinaus will er auch bei einem als Täter strafbaren Werkzeug
ceteris paribus genügend Körperkräfte hätten, um die Tat notfalls auch selbst anders als Welzel und Gallas und in Übereinstimmung mit Maurach Tatherr-
auszuführen. Sollte das der Fall sein, so könnte man seine Theorie im Ergeb- schaft des Veranlassenden annehmen, „falls es der Hintermann ist, der allein
nis kaum „objektiv" nennen, denn die Kindesmutter und der Werfer würden die Fäden des Geschehens in der Hand hat und sie zur mittelbaren Aus-
in diesen Fällen durch ihren bloßen Verwirklichungswillen zu Tätern, führung seiner eigenen Straftat bewußt ausspinnt" 61 .
obwohl sie bei der Ausführung der Tat gar nicht mitgewirkt haben. Wenn Insgesamt gesehen stellt sich die Lehre von Sax als eine etwa zwischen den
Niese aber das Vorliegen der Tatherrschaft noch von weiteren Voraussetzun- Auffassungen von Gallas und Maurach anzusiedelnde Variante der Tatherr-
gen abhängig machen will, so hat er diese jedenfalls nicht genannt. Es muß schaftstheorie dar.
daher offen bleiben, ob es sich bei ihm wirklich um eine „objektive" Abgren-
zung handelt, wie er meint.
Wie dem auch sei: Der Gedanke, den Gesichtspunkt der „Tatmacht" in
dem hier gekennzeichneten Sinne als Kriterium der Tatherrschaft zu verwer- 54
ZStW, Bd. 69, 1957, S. 430ff.
ten, ist durchaus neuartig und wird sorgfältiger Prüfung bedürfen. 55
o b w o h l er diesen A u s d r u c k nicht verwendet.
56
a. a. O . S. 433
57
a. a. O . S. 432/33
58
a. a. O . S. 436
59
a .a. O . S. 434
60
Sax führt neben dem „absichtslos dolosen" noch ein n u r „absichtsloses" Werkzeug an -
eine U n t e r s c h e i d u n g , die mir nicht verständlich ist; ein vorsatzloser Tatmittler kann
damit nicht gemeint sein; da Sax das gutgläubige W e r k z e u g selbständig e r w ä h n t ; auch
der Entwurf, auf den er sich bezieht, bietet keine A n h a l t s p u n k t e für diese Differenzie-
rung.
53 61
Gesetz und Schuld, Bd. II, S. 610; vgl. dazu schon oben S. 52 a. a. O . S. 434
80 81

3. Busch der einzige, der die Entscheidung des Reichsgerichts im „Badewannenfall"


billigt 68 , der also auch bei eigenhändiger, freier und vorsätzlicher Tat-
Busch 62 vertritt eine weitgehend subjektiv orientierte Tatherrschaftslehre, die ausführung eine Täterschaft ablehnen will, wenn dem Handelnden der
für ihn nur eine „Vergenauerung" 63 der aus der Rechtsprechung bekannten „Tatherrschaftswille" fehlt, weil er sich dem Veranlassenden innerlich völlig
animus-Formel darstellt. Die schlagwortartige Unbestimmtheit des Begriffes untergeordnet hat. Dem entspricht es, daß von Weber umgekehrt mittel-
„Täterwille" wird bei ihm durch den Tatherrschaftsgedanken ausgefüllt und bare Täterschaft für gegeben hält, wenn jemand zur Ausführung der
präzisiert. Er sagt deshalb: „Die Tat will als eigene nur der, der sie auf Grund Tat Hilfskräfte heranzieht, „die sich ohne Täterwillen beteiligen" 69 . Er fügt
eigenen Entschlusses, sei es selbst, sei es durch einen seinem Willen sich zwar hinzu, bei der Annahme bloßer Gehilfenschaft trotz eigenhändiger
Unterordnenden durchführt. Die Tatherrschaft scheidet die Täterschaft von Tatausführung sei Vorsicht geboten 70 - eine Bemerkung, die darauf hin-
der bloßen Teilnahme. Der Teilnehmer überläßt die Ausführung der Tat der deutet, daß das objektive Gewicht des Tatbeitrages für ihn doch nicht ganz
Entscheidung eines anderen." Diese Lehre sei, von einigen übersubjektiven belanglos ist; aber auch hier handelt es sich nur um eine beiläufige Nuan-
Entgleisungen abgesehen 64 , mit der vom Reichsgericht in ständiger Recht- cierung und nicht um eine prinzipielle Einschränkung des subjektiven
sprechung vertretenen Auffassung identisch. Sie finde in der finalen Hand- Ansatzes.
lungslehre ihre dogmatische Rechtfertigung. Damit stellt sich die Teilnahmelehre von Webers als eine extrem subjektive
Es ist deutlich, daß die Tatherrschaftslehre Buschs sachlich mit der Dolus- Abwandlung der Tatherrschaftstheorie dar.
theorie übereinstimmt, wie sie in der Entscheidung RGSt 3, 181 ff.
ihren prägnantesten Ausdruck gefunden hat und heute etwa von Bockelmann
vertreten wird. Es handelt sich also um eine eingeschränkt subjektive Theorie. 5. Less

Less 71 geht von einem Sonderfall aus, dem Problem der mittelbaren Täter-
4. von Weber schaft durch ein rechtmäßig handelndes Werkzeug. Er versucht, es durch
das Kriterium der Tatherrschaft zu lösen 72 und kommt dabei auch zu eini-
Noch weiter in der Subjektivierung geht von Weber. Er hatte schon vor gen allgemeinen Erkenntnissen über den Täterbegriff. Besonders bemerkens-
Welzel den Begriff des „Tatherrschaftswillens" zur Interpretation der von wert ist, daß er im Gegensatz zu den zahlreichen Subjektivisten unter den
ihm vertretenen subjektiven Theorie verwendet 65 . In seinem „Grundriß des Vertretern dieser Lehre die Tatherrschaft einen „äußeren Umstand" 7 3 nennt
Deutschen Strafrechts" 66 entwickelt er diese Lehre weiter. Er sagt 67 : „Täter- und meint, dieses Merkmal werde, wenn man es zum Aufbau des Täter-
schaft ist ... Tatherrschaft. Sie liegt im Vorsatz, im Entschluß des Täters. Der begriffs verwende, „eine Strukturveränderung des Verbrechensbegriffs zur
Täter denkt und betätigt sich als Ausführender, er bestimmt das ob und wie Folge haben" 74 . Er will die Tatherrschaft „als äußeres Tatbestandsmerkmal"
der Begehung." zu den Voraussetzungen der Tatbestandsmäßigkeit zählen und es neben die
Diese Sätze enthalten zwar noch gewisse objektive Elemente; denn wenn Kausalität treten lassen. „Nur diejenige, einen Erfolg bedingende Willens-
jemand sich als Ausführender betätigt und das O b der Begehung bestimmt, betätigung könnte dann Tatbestandsmäßigkeit ergeben, die ihn nicht nur ein
so ist das etwas, was sich unabhängig von seinen Vorstellungen ermitteln Kausalergebnis, sondern in Wahrheit einen Erfolg des Handelnden sein läßt,
läßt. Aber von Weber will das nicht recht gelten lassen. Wenn er erklärt, die die ihn seiner Herrschaft unterwirft, die ihn zur Frucht seiner Beeinflussung
Tatherrschaft liege im Vorsatz, der Täter „denke" sich als Ausführenden, und des Kausalverlaufes macht."
wenn er schließlich die Täterschaft unter der Überschrift „Der subjektive Mit einem so gebildeten Tatbestandsbegriff will Less dann in ähnlicher
Tatbestand" behandelt, so zeigt sich, daß ihm grundsätzlich eine rein subjek- Weise, wie es schon vor ihm Hermann Bruns, Lange und Gallas getan
tive Täterlehre vorschwebt, innerhalb deren einzelne objektive Tönungen hatten, das Problem des inadäquaten Kausalverlaufes lösen. Wer einen an-
einen nicht ganz verarbeiteten Fremdkörper darstellen. deren ins Gewitter hinausschickt, der dann wunschgemäß vom Blitz er-
Bei Darstellung der praktischen Konsequenzen seiner Lehre ergibt sich
dasselbe Bild. Von Weber ist unter allen Vertretern der Tatherrschaftstheorie

68
a .a. O. S. 67
62 69
Moderne Wandlungen der Verbrechenslehre, 1949 a. a. O. S. 65
63 70
hier und im folgenden a. a. O. S. 18 a. a. O. S. 67
64 71
er führt die Entscheidungen RGSt 71, 364 und 74, 85 (Badewannenfall) an. JZ 1951, S. 550-552
65 72
Vgl. dazu oben, S. 63 Dieser Spezialfrage wird später noch im einzelnen nachzugehen sein.
66 73
2. Aufl., 1948 a. a. O. S. 551
67 74
a. a. O. S. 65 hier und im folgenden a. a. O. S. 552
82 83

schlagen wird, erfüllt für ihn schon den objektiven Tatbestand des Tot- § 13. Verwandte Lehren u n d Gesichtspunkte
schlages nicht, weil die neben der Kausalität erforderliche Tatherrschaft
fehlt. I. Bockelmann
Wie sich ein solcher objektiver Tatherrschaftsbegriff im übrigen praktisch
auswirken würde, ist den mehr andeutenden Hinweisen von Less nicht zu Auf Bockelmanns Teilnahmelehre ist in anderem Zusammenhang schon
entnehmen. wiederholt hingewiesen worden 1 , so daß es hier bei einer kurzen Zusam-
menfassung bewenden kann.
Bockelmann ging unter Ablehnung der finalen Handlungslehre von einer
6. Jescheck in Anknüpfung an die Entscheidung RGSt 3, 181 ff. neubelebten Dolus-
theorie aus 2 . Sie sieht den Unterschied zwischen Täter und Teilnehmer darin,
Jescheck 75 vertritt eine Tatherrschaftslehre, die weder ausgesprochen objek- daß der Teilnehmer dem Haupttäter die Tat „anheimstellt", daß er seinen
tiv noch subjektiv orientiert ist, sondern eine Synthese aus Elementen der eigenen Vorsatz dem fremden Entschluß „unterwirft" 3 . Wer das nicht tut,
formal-objektiven, der materiell-objektiven und der subjektiven Theorie wessen Entschluß also nicht in dieser Form von dem eines anderen abhängt,
darstellt. Er sagt: „Die Lehre von der finalen Tatherrschaft scheint mir ist Täter; damit kommt Bockelmann zu einem „sekundären" Täterbegriff.
zwischen diesen verschiedenen Gesichtspunkten, von denen jeder an sich Während sonst heute einhellig gelehrt wird, daß der Täterbegriff selbständig
richtig, jeder aber auch in seiner Isolierung einseitig ist, eine glückliche Ver- und von Anstiftung und Beihilfe unabhängig sei, bestimmt Bockelmann ihn
knüpfung vorzunehmen" 76 . Leider führt Jescheck nicht näher aus, wie nur negativ: „Täter ist, wer nicht Teilnehmer ist" 4 .
man sich diese Verknüpfung im einzelnen zu denken habe, sondern be- Trotz ihrer andersartigen Grundlagen stimmte die Dolustheorie Bockel-
gnügt sich mit den von Welzel, Maurach und Gallas herausgearbeiteten manns schon in ihrer ursprünglichen Form mit der Tatherrschaftslehre
Kennzeichnungen. Welzels in den Ergebnissen weitgehend überein und war von ihr stark beein-
Jescheck unterscheidet sich aber von den anderen Vertretern der Tat- flußt 5 . Diese enge Verwandtschaft wurde dadurch ermöglicht, daß Welzel
herrschaftslehre dadurch, daß er diesem Merkmal einen neuartigen Fina- selbst eine der subjektiven Theorie verhältnismäßig weit entgegenkommende
litätsbegriff zugrundelegt. Er meint, die Finalität dürfe hier „nicht einfach Form der Tatherrschaftslehre vertritt.
dem Vorsatz gleichgesetzt werden ..., denn diesen hat ja auch der bloße Später 6 hat Bockelmann den Tatherrschaftsbegriff übernommen. Er meint
Gehilfe" 77 . Vielmehr fordert er im Anschluß an Nowakowski 7 8 , daß der jetzt 7 , eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme sei nur so mög-
Beteiligte, um die finale Tatherrschaft zu haben, sich als „Subjekt des Ver- lich, „daß man Täterschaft demjenigen zuspricht, der die ,Tatherrschaft' hat,
brechens" erleben müsse. Dabei handelt es sich um „ein besonderes Gefühls- der also das Tun ... beherrscht"; sachlich bleibt er bei einer subjektiven
moment" oder, wie Jescheck mit Engisch 79 sagt, um ein „Element der Men- Abgrenzung, die dem Gewicht des äußeren Tatbeitrages keine entscheidende
talität", das dem Schuldbereich angehört, so daß sich für ihn Täter und Bedeutung beimißt. So will er, in Übereinstimmung mit Welzel, aber gegen
Teilnehmer nicht nur im Unrechtsgehalt, sondern auch im Schuldgrad unter- Gallas, wenn ein gemeinsamer Tatentschluß vorliegt, auch die Mitwirkung
scheiden 80 . bei Vorbereitungshandlungen zur Begründung der Mittäterschaft ausreichen
Diesen von Jescheck nur angedeuteten Gedanken, die den Tatherrschafts- lassen. „Der Bankangestellte, der mit einem Berufsdieb die Beraubung des
begriff um ein neues subjektives Element bereichern und mit der Schuldlehre Tresors so verabredet, daß er auskundschaften soll, wann der Tresor reich-
in Verbindung bringen, wird später noch nachzugehen sein. haltig belegt und zwischen welchen Zeitpunkten mit dem Auftauchen des
Wächters nicht zu rechnen ist, während der andere einbrechen soll, begeht
doch nicht nur Anstiftung und Beihilfe zum Diebstahl, sondern ist Mittä-
ter", heißt es bei ihm 8 .

1
Vgl. oben S. 27/28
2
In seinem Buch „ Ü b e r das Verhältnis von Täterschaft u n d Teilnahme", 1949; jetzt in:
Strafrechtliche U n t e r s u c h u n g e n , S. 3 1 - 8 7
3
Strafrechtliche U n t e r s u c h u n g e n , S. 76
75 4
SchZStr., 71 Jahrg., 1956, S. 225-243 a. a. O . S. 76, A n m . 106. D a z u kritisch oben S. 26-28
7< 5
- a. a. O . S. 234 Vgl. a. a. O . S. 76 A n m . 106
77 6
a. a. O . S. 234 N o c h m a l s ü b e r das Verhältnis von Täterschaft u n d Teilnahme, G A 1954, S. 193ff.; jetzt:
78
vgl. über diesen unten S. 84-86 Strafrechtl. Untersuch., S. 88-108
79 7
ZStW, Bd. 66, 1954, S. 385 Strafrechtliche U n t e r s u c h u n g e n , S. 101
80 8
Vgl. dazu a. a. O . S. 235, 236, 234 a. a. O . S. 101 A n m . 54
84 85

In seiner letzten Abhandlung zur Täterlehre 9 hat Bockelmann sogar die die der Dolustheorie ähnelt, sie aber durch die Berücksichtigung „gefühls-
bisher von ihm festgehaltene streng subjektive Grenzziehung preisgegeben. mäßiger" Elemente in eigenartiger Weise umgestaltet. Täter ist, „wer sich an
Er erkennt nun an, „daß eine ausschließlich die geistig-seelischen Abläufe der Tat im Bewußtsein seiner eigenen Tatherrschaft ... beteiligt, Teilnehmer,
berücksichtigende Betrachtung auch nicht immer zu einer überzeugenden wer dies irn Bewußtsein fremder Tatherrschaft tut 19 , sagt er und erläutert das
Abgrenzung ... führt" 10 und lehrt, „daß die Besonderheiten, durch die sich so: „Wenn mehrere an einer Tat zusammenwirken, fühlen sie sich oft nicht in
Täterschaft und Teilnahme unterscheiden, weder ausschließlich auf der äuße- gleichem Maße verantwortlich. Sie betrachten einen von ihnen als den
ren noch allein auf der inneren Tatseite gesucht werden dürfen. Sie ergeben eigentlich Maßgebenden, den Herrn der Tat, sie als sein Werk. Ihm schieben
sich erst aus dem Ineinandergreifen objektiver und subjektiver Faktoren" ". sie die Hauptverantwortlichkeit zu und finden sich selbst nur in ab-
Praktisch wirkt sich diese Wendung so aus, daß Bockelmann nunmehr den, geschwächter, sekundärer Weise mitverantwortlich ... Das ist der animus
der den Tatbestand eigenhändig verwirklicht, in jedem Falle als Täter an- socii. Wer sich dagegen als den Maßgebenden, den Herrn der Tat, die Tat als
sehen will, „auch wenn er unter fremdem Einfluß steht, vielleicht in dem sein eigenes Werk erlebt, handelt mit animus auctoris. Der Unterschied liegt
Maße, daß er nur den Entschluß des andern auszuführen vermeint" 12, und im „Urhebergefühl". Über dieses „Urhebergefühl" meint Nowakowski 2 0 , es
daß er umgekehrt den bei Durchführung der Tat nicht Beteiligten auch dann sei „als psychische Realität unbestreitbar, auch wenn es in der Wertigkeit der
als Teilnehmer bestraft, wenn er die Ausführung der Tat dem anderen nicht objektiven Sachverhalte keine rational erhärtbare Grundlage haben sollte".
anheimgestellt hat 13 . Es handele sich dabei um einen „Erlebnisakzent, ein Gesinnungselement,
Bockelmann sagt selbst, daß diese Auffassung sich mit der Tatherrschafts- eine psychische Eindrücklichkeit".
lehre „weithin" decke 14 . Das ist richtig. Angesichts der vielfältig verschiede- Obwohl Nowakowski wiederholt betont, daß seine Abgrenzung
nen Ausprägungen dieser Theorie besteht kein Bedenken dagegen, die von „rein subjektiv" sei, kommt er unversehens auf einem Umwege doch wieder
ihm entwickelte Abgrenzung als selbständige Form der Tacherrschaftslehre zu einer objektiven Einschränkung. Er will nämlich bei Ermittlung des
anzuerkennen. von ihm für die Täterschaft verlangten „Urhebergefühls " nicht darauf
abstellen, „ob der Handelnde die Tat wirklich als seine eigene erlebe,
sondern darauf, ob das auf Grund seiner Vorstellungen von ihm nach
II. Nowakowski einem objektiven Maß erwartet und verlangt werde" 2 1 . Rechtserheblich sei
nicht, ob der Täter die Tat als eigene gewollt habe, sondern „ob er die Tat
Auch Nowakowski 1 5 vertritt eine der Tatherrschaftstheorie sehr nahe- unter Vorstellungen gewollt hat, wonach er sie als eine eigene zu empfinden
stehende Auffassung. Er unterscheidet sich von den meisten ihrer Vertreter hatte."
dadurch, daß er die finale Handlungslehre ablehnt und im objektiven Durch diese Wendung ins Normative, die von Nowakowski lediglich als
Geschehensablauf liegende Abgrenzungskriterien nicht für auffindbar hält. objektiver Bewertungsmaßstab für rein innerpsychische Differenzierungen
Er meint 16 : „Die Unentbehrlichkeit des Tatbeitrages, der gestaltende Einfluß gedacht ist, wird in Wahrheit auch das Bewertungssubstrat selbst ins Objek-
auf den Ablauf der Tat entscheiden nichts" und lehrt, daß sich auch sonst tive verschoben; denn wenn in Wirklichkeit das „Urhebergefühl" nicht vor-
„eine bestimmte äußere Wirksamkeit ... als der zentrale, wesentliche handen ist, kann das an seine Stelle tretende Urteil, daß es hätte vorhanden
Unwertträger 17 nicht nachweisen" lasse. sein müssen, nicht auf einen - hier ja fehlenden - psychischen Befund, son-
Daraus folgert er: „Verneint man diese Möglichkeit, so muß es bei einer dern nur auf das objektive Gewicht des Tatbeitrages gegründet werden.
rein subjektiven Theorie bleiben" 18 . In diese subjektive Theorie baut Zwar versucht Nowakowski dieser Konsequenz zu entgehen, indem er sagt,
Nowakowski nun den Tatherrschaftsgedanken ein, und zwar in einer Form, man müsse in solchen Fällen „auf allgemeine psychologische Erfahrungs-
sätze" zurückgreifen 22 . Doch hilft das nicht weiter; denn wenn es sich bei
Anwendung der Täterstrafe trotz fehlenden „Urhebergefühls" nicht nur
9 um eine bloße Schuldvermutung handeln soll, kann es nicht darauf ankom-
ZStW, Bd. 69, Sonderheft Athen, S. 167ff.; jetzt: Strafrechtl. U n t e r s u c h u n g e n ,
S.109-125
men, ob dieses Gefühl bei anderen meist vorhanden ist, sondern nur darauf,
10
Strafrechtl. U n t e r s u c h u n g e n , S. 120 daß es wegen der objektiv beherrschenden Stellung des Handelnden uner-
11
a. a. O . S. 122 heblich ist.
12
a. a. O . S. 120
13
a. a. O . S. 121
14
a. a. O . S. 122
15
Ausführlich: „Tatherrschaft u n d Täterwille", J Z 1956, S. 545-550; k n a p p u n d präzise in: 19
G r u n d z ü g e , S. 95
„Das österreichische Strafrecht in seinen G r u n d z ü g e n " S. 95 20
16 J Z 56, S. 546
J Z 1956, S. 548 21
17 J Z 56, S. 547
a. a. O . S. 546 22
18 G r u n d z ü g e , S. 95
a. a. O . S. 546
87
86
Die dogmatische Neuartigkeit der Lehre Nowakowskis liegt darin, daß er Formel und damit in einer Neugestaltung der dolus-Theorie" und will als
die Täterfrage aus der Tatbestands- und Unrechtsebene heraushebt und als materialen Maßstab den animus auctoris, „den Willen zur eigenen Tat-
reines Schuldproblem behandelt. Der durch das Urhebergefühl gekennzeich- herrschaft", verwenden. „Entscheidend wäre demnach, bei Irrelevanz der
nete Tatherrschaftswille ist für ihn „ein normatives Schuldmerkmal" 23 Da er Art des Tatbeitrages, ob der Handelnde die Tat in ihrer Ausführung beherr-
in diesem „Gefühlsakzent" auch ein „Gesinnungselement" erblickt, steht die schen wollte oder nicht. Der Wille zur Tatherrschaft (und nicht die objektive
hier angeschlagene Thematik - ohne daß Nowakowski diese Parallele aus- Tatherrschaft als solche) würde den Täterwillen, der Wille, bei fremd-
drücklich zöge - in unmittelbarer Beziehung zum Problem der sog. „Gesin- beherrschter Straftat mitzutun oder sie hervorzurufen, den Teilnehmerwillen
nungsmerkmale", die in den letzten Jahren im Mittelpunkt des dogmatischen indizieren."
Interesses gestanden haben und deren Bedeutung noch nicht als endgültig Es handelt sich hier um eine Form der Dolustheorie, deren enge Ver-
geklärt angesehen werden kann. Darauf wird unten noch zurückzukommen wandtschaft mit der Tatherrschaftslehre im Laufe unserer Darstellung wie-
sein. Auch in der Entwicklung einer betont normativen Täterlehre, wie sie derholt hervorgetreten ist; schon die Auffassungen Richard Langes, von
sich schon bei Gallas angedeutet findet, liegt ein wichtiges und weiterer Webers, Buschs, Bockelmanns und Nowakowskis liegen auf dieser Linie.
Erörterung bedürftiges sachliches und methodisches Problem. Baumann ist nur insofern in seiner Subjektivität radikaler als etwa Bockel-
mann und Nowakowski mit ihren objektiven oder normativen Einschrän-
In den praktischen Ergebnissen unterscheidet sich Nowakowskis subjek-
kungen, als er die Art des Tatbeitrages schlechthin für „irrelevant" erklärt.
tiv-normative Lehre vom Täterwillen nicht wesentlich von denen der Tat-
Dann aber müßte er sich auch der Frage stellen, die sich schon seit Jahrzehn-
herrschaftslehre. Nowakowski meint selbst, die Merkmale der Täterschaft
ten gegen eine uneingeschränkte Dolustheorie erhoben und die noch jüngst
und Teilnahme seien „hier und dort dieselben, nur kommen sie das eine Mal
Bockelmann zu einer gewissen Umkehr veranlaßt hat 28 , der Frage nämlich,
objektiv, das andere Mal bloß als Vorstellungsinhalt in Betracht" 24 ; so groß
wie zu entscheiden sei, wenn keiner der Beteiligten den Tatherrschaftswillen
der Gegensatz theoretisch sein möge, für die Praxis werde er kaum eine
hat. Wenn man einen solchen Fall nicht für möglich hält und etwa dem
Rolle spielen. Da freilich die Vertreter der Tatherrschaftslehre selbst zu recht
unmittelbar Ausführenden stets diesen Willen zuspricht 29 , erhält auf einem
unterschiedlichen Lösungen kommen, ist hervorzuheben, daß die Überein-
Umweg das Gewicht des objektiven Tatbeitrages doch wieder die ihm prin-
stimmung nur mit den mehr subjektiv orientierten Anhängern dieser Lehre zipiell abgesprochene Relevanz 30 .
besteht. So will er denjenigen, der einen Bravo dingt, als Mittäter ansehen,
auch wenn er bei der Ausführung der Tat nicht im geringsten mitwirkt 25 - 2. Sauer 31 vermeidet zwar bei Bestimmung des Täterbegriffs das Wort
ein Ergebnis, dem in diesem Fall weder Gallas noch Maurach, weder Welzel „Tatherrschaft" und setzt sich auch mit dieser Lehre nicht auseinander,
kommt aber doch zu einer ähnlichen Auffassung, wenn er definiert 32 : „Täter
noch Bockelmann zustimmen würden.
ist, wer bei objektiver Beurteilung (nicht nach seinem Tatbild und Willen) als
Eine Auseinandersetzung mit der Tatherrschaftstheorie wird jedenfalls an
Schöpfer gilt, als auctor und dominus". Die Begriffe „Schöpfer", „auctor",
der selbständigen und anregenden Lehre Nowakowskis nicht vorübergehen „dominus" dürften sich von dem des „Tatherren" nicht wesentlich unter-
können. scheiden. In den praktischen Auswirkungen seiner Lehre zeigen sich aller-
dings bei Sauer insofern Besonderheiten, als er je nach der Art des Delikts
unterschiedliche Anforderungen an die Tätereigenschaft stellt. So will er die
III. Weitere Autoren
Grenzziehung zwischen Täterschaft und Teilnahme bei den Nutzdelikten
mehr nach subjektiven, bei den Trieb- und Angriffsdelikten mehr nach
1. Zu einer im Ergebnis der Tatherrschaftslehre nahestehenden Lösung
objektiven Gesichtspunkten vornehmen 33 . Den Begriff der mittelbaren
kommt auch Baumann 26 . Er lehnt zwar diese Theorie ab, weil er meint,
Täterschaft lehnt er überhaupt ab. 34
daß mit dem Begriff der „Tatherrschaft" ein „selbständiges Kriterium, das
weder bei der formal-objektiven noch bei der subjektiven Theorie Anleh-
nungen sucht, nicht gefunden" 27 sei. Sachlich unterscheidet er sich aber
kaum von den subjektiv orientierten Anhängern der TatherrschaftsTehre. 28
Vgl. oben S. 84
Denn er sucht seine Lösung „in Richtung einer Neuerfüllung der animus- 29
wie es offenbar auch Baumann, Lehrb., 2. Aufl., S. 445, tut.
30
Übrigens ist der Auffassung B a u m a n n s zu widersprechen, daß die Lehre Gallas' sich
„noch im R a h m e n der subjektiven A b g r e n z u n g " halte, w ä h r e n d Welzel „rein objektive
23
G r u n d z ü g e , S. 95 Wege" gehe (a. a. O . S. 231). Die oben gegebene Übersicht zeigt, daß die Tatherrschafts-
24
J Z 56, S. 549 lehre Gallas' objektiver ist als diejenige Welzels.
25 31
J Z 56, S. 549 Allgemeine Straf rechtslehre, S. 205 ff.
26
J Z 58, S. 230ff.; Lehrb., 2. Aufl., S. 436ff., 444ff. 32
a. a. O . S. 209
27 33
J Z 58, S. 232, ebenso die folgenden Zitate. Ähnlich auch Lehrb., 2. Aufl., S. 445, w o die a. a. O . S. 210
34
subjektivierte Tatherrschaftslehre allerdings noch zusätzlich mit der Interessentheorie a. a. O . S. 213
verbunden wird.
88 89

3. Mezger 35 geht grundsätzlich von der Dolustheorie aus, schränkt sie aber während der Mittäter sich durch „einen annähernd gleichen Willensanteil"
durch die Bemerkung ein, nicht die Vorstellung des Ausführenden ent- auszeichne 41 . Mayer betont auch bei Erörterung der Tatherrschaftslehre,
scheide über den Täterwillen, sondern es komme auf den „objektiven Sinn" es sei zutreffend, „daß der Teilnehmer keine Herrschaft über den Willen
dessen an, was er willentlich vollführe 36 . Die Kriterien, nach denen sich der des Täters hat und insofern ... der eigenen Herrschaft über die Tat ent-
für die Täterschaft maßgebende „objektive Sinn" einer Handlung bestimmen behrt" 42 . ' '"
läßt, werden von Mezger aber nicht angegeben. Er begnügt sich mit dem 5. Schröder 43 schließlich steht der Tatherrschaftslehre nicht so fern, wie
Hinweis, daß der die Tat mit eigener Hand Ausführende immer Täter sei. man das bei seiner grundsätzlichen Ablehnung dieser Theorie annehmen
„Maßgebend ist ... nicht, wofür der Handelnde sein Tun hält, sondern was sollte. Er meint, mit dem Begriff der Tatherrschaft sei „eine befriedigende
sein Tun ist." In eigenartigem Widerspruch dazu erkennt Mezger aber die Grenzziehung nicht möglich"; er sei „einseitig an der mittelbaren Täterschaft
Konstruktion der mittelbaren Täterschaft durch ein doloses Gehilfenwerk- orientiert", könne aber auch hier der Erscheinung des dolosen Werkzeugs
zeug an 37 . Hier wird vorausgesetzt, was vorher gerade abgelehnt wurde, daß nicht gerecht werden und versage vollends bei der Mittäterschaft, weil hier
nämlich ein die Tat mit eigener Hand Vollziehender wegen fehlenden Täter- jeder nur über seinen Tatanteil die Herrschaft habe 44 .
willens nur Gehilfe sein könne. Die subjektive Theorie, zu der er sich bekennt, ist aber der so nachdrück-
Obwohl somit die Art, in der Mezger die Dolustheorie durch objektive lich abgelehnten Tatherrschaftslehre durchaus verwandt; nicht nur, weil
Gesichtspunkte modifizieren will, nicht recht deutlich wird, und obwohl er Schröder unter ausdrücklicher Berufung auf Bockelmann von der Dolus-
zur Tatherrschaftslehre nirgends ausdrücklich Stellung nimmt, wird man theorie ausgeht und die Beihilfe durch die „Unterordnung des eigenen Tat-
nicht fehlgehen in der Annahme, daß seine Auffassung im wesentlichen der beitrages unter den fremden Tatplan" kennzeichnet 45 , sondern auch, weil er
Ansicht derjenigen gleichkommt, die eine zur subjektiven Theorie hin- diese sich ohnehin schon mit dem Tatherrschaftsgedanken berührende Lehre
neigende Tatherrschaftslehre vertreten. Dafür spricht auch der Umstand, daß in vielfältiger Weise mit objektiven Elementen durchsetzt. So führt er aus,
er seine Meinung als „gemischt subjektiv-objektive Teilnahmelehre" kenn- es müsse trotz vorhandenen Teilnehmerwillens Täterschaft angenommen
zeichnet und sich auf seine Übereinstimmung mit Richard Lange beruft 38 . werden, „wo das Gewicht bestimmter Handlungen durch den bloßen Teil-
4. Hellmuth Mayer 39 ist unter den gegenwärtigen Autoren der einzige, der nehmerwillen nicht wesentlich gemindert wird, so z.B. bei der Erfüllung
eine ausgesprochene Mischtheorie vertritt. Die Abgrenzung von Täterschaft sämtlicher Tatbestandsmerkmale, oder bei Tatbeständen, die, wie Betrug und
und Teilnahme ergibt sich für ihn aus einer Kombination der formalobjek- Erpressung, auch bei altruistischem Handeln als voll tatbestandsmäßig
tiven Auffassung, der Gleichzeitigkeitstheorie und der subjektiven Lehre. bezeichnet werden." Umgekehrt könne trotz Täterwillens schwerlich von
Täter ist danach nur, wer bei der Ausführung selbst beteiligt ist; eine Mit- „Täterschaft" die Rede sein, wenn der Einfluß eines Beteiligten darauf, ob,
wirkung im Vorbereitungsstadium kann immer nur zur Teilnahmebestrafung wann und wie die Tat ausgeführt werde, derart gering sei, daß der Gesche-
führen. Unter den bei der Ausführung Mitwirkenden ist wieder zu differen- hensablauf von ihm nicht abhänge.
zieren: Täter ist, wer den animus auctoris hat; die anderen sind Teilnehmer, Wenn hier Schröder unabhängig vom Täterwillen auf das objektive
außer wenn sie die Tatbestandshandlung selbst vornehmen; in diesem Fall Gewicht der Handlung abstellt und den wirklichen Einfluß auf den Gesche-
sind sie ohne Rücksicht auf ihre Willensrichtung Täter 40 . hensablauf entscheiden läßt, ist ein praktischer Unterschied seiner Auffas-
Die Lehre Hellmuth Mayers zeigt in den Ergebnissen manche Überein- sung gegenüber der Tatherrschaftslehre nicht mehr ersichtlich. Die Beden-
stimmung mit einer mehr objektiv orientierten Tatherrschaftstheorie. ken, die Schröder gegen die theoretische Begründung der mittelbaren
Wenn er die Vorbereitungshandlungen aus dem Bereich der Täterschaft ganz Täterschaft beim dolosen Werkzeug und der Mittäterschaft vorbringt, sind
ausschaltet, so trifft er sich darin mit Gallas (anders freilich die meisten allerdings sehr beachtlich und werden noch eingehend zu erörtern sein 46 .
übrigen Vertreter des Tatherrschaftsgedankens); in der unbedingten
Bejahung der Täterschaft bei eigenhändiger Tatbegehung stimmt er mit der
Tatherrschaftslehre überein; vor allem aber kommt er ihr bei Bestimmung
des Täterwillens nahe, wenn er sagt, der Gehilfe stehe „unter der Willens-
führung des Täters" und sei „von einem anderen überwiegend abhängig",

35 41
KLB,9. Aufl., S. 222 ff. a. a. O. S. 314
36 42
a. a. O. S. 231; ebenso LK, § 47, 2 b a. a. O. S. 305
37 43
a. a. O. S. 233; LK, §47, 9 b, bb Schönke/Schröder, 10. Aufl., vor und bei §47
38 44
LK vor §47, 4 VIII, 5 b, vor §47
39 45
Lehrbuch, S. 299 ff. hier und im folgenden: VIII, 5c, vor §47
40 46
a. a. O. S. 314 Vgl. unten S. 252 ff. und S. 275 ff.
90 91

§ 14. D e r Tatherrschaftsgedanke in der Rechtsprechung II. Eine bald darauf ergangene Entscheidung des 4. Senats vom 13.2.1951 3
des Bundesgerichtshofs liegt inhaltlich auf derselben Linie, vermeidet aber den Ausdruck „Tatherr-
schaft" und hält sich der Formulierung nach im Rahmen der Dolustheorie.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von Täter- Der geistesschwache Angeklagte dieses Falles scheine, so meint hier der
schaft und Teilnahme bietet ein wenig einheitliches Bild. Während der B G H BGH, „nicht aus einem eigenen Willen zur Tat gehandelt, sondern seinen
namentlich in den ersten Jahren seines Bestehens noch vielfach von einer rein Willen dem seiner am Tatort anwesenden Vorgesetzten so vollständig unter-
subjektiven Theorie ausging und die Täterschaft im Anschluß an das Reichs- geordnet zu haben, daß selbst die gänzliche Verwirklichung 4 des äußeren
gericht durch Verwendung einer inhaltsleeren animus-Formel oder den Tatbestandes durch ihn - ein Umstand, der in der Regel für Mittäterschaft
Rückgriff auf die Interessentheorie 1 bestimmte, ist daneben seit dem Jahre spricht - die Beurteilung der Tat als Beihilfe nahelegt."
1950 in immer zunehmendem Maße der Tatherrschaftsbegriff in die Judika- III. In grundsätzlicher Weise wird der Gedanke der Tatherrschaft zur
tur eingedrungen. Er tritt in vielfältig verschiedenen Bedeutungszusammen- Korrektur subjektiver Überspitzungen erstmals in der bekannten Entschei-
hängen auf. Während er zum Teil in rein subjektiver Wendung als „Tatherr- dung des 1. Senats vom 12.2.1952 5 verwendet. Es ging hier um die Frage, ob
schaftswille" zur inhaltlichen Ausfüllung der animus-Formel dient, wird er eine Ehefrau, die den Selbstmord ihres Mannes nicht verhinderte, wegen
in anderen Entscheidungen zur Einschränkung und Ergänzung der subjek- eines Totschlages durch Unterlassen bestraft werden könne. „Regelmäßig hat
tiven Lehre durch objektive Abgrenzungskriterien benutzt. Im einzelnen der Hilfspflichtige die volle oder doch einen großen Teil der Herrschaft über
zeigt sich folgender Entwicklungsablauf: die Sachlage und kann ihr durch sein Eingreifen die entscheidende Wendung
I. Die erste Entscheidung, die sich auf die Tatherrschaftslehre beruft, ist geben" 6 , sagt der B G H und fährt fort: „Unterläßt er dies pflichtwidrig, so
ein Urteil des 3. Senats vom 21.11.1950 2 . Der B G H streift hier die Frage, ob ist gegenüber diesem Unterlassen ein innerer Vorbehalt unbeachtlich, den
es möglich sei, jemanden, der den vollen inneren und äußeren Tatbestand Tod nicht als die Folge eigener Verursachung zu wollen." Hier wird also
einer strafbaren Handlung durch sein Verhalten verwirklicht habe, nur als das Fehlen des animus auctoris gegenüber der objektiven Tatherrschaft für
Gehilfen anzusehen und meint dazu: „Auch wenn man diese Möglichkeit unerheblich erklärt.
nicht aus Rechtsgründen grundsätzlich verneint, würde sie doch voraus- Der folgende Satz unterstreicht das noch. Es heißt dort: „Dieser Vorbehalt
setzen, daß der Handelnde seinen Willen dem eines anderen vollständig kann keinen ,Gehilfenvorsatz' begründen, weil dessen rechtliche Voraus-
unterordnet und zu diesem in einem Verhältnis steht, das diesem anderen setzung, die Unterordnung unter fremden Täterwillen, nach der besonderen
trotz der vollständigen Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale durch das Pflichtenlage und angesichts der Sachherrschaft des Verpflichteten unbeacht-
eigene Verhalten die volle Tatherrschaft überläßt." lich ist." Damit wird nicht nur, wie in den ersten beiden Sätzen, das
Hier wird der Tatherrschaftsbegriff zwar insofern subjektiv verstanden, vage Merkmal des „Täterwillens" zugunsten des Kriteriums der Tatherr-
als er zur Wiederbelebung des alten Unterordnungskriteriums der Dolus- schaft beiseitegeschoben, sondern es wird sogar die Unterwerfung unter den
theorie dient. Gleichzeitig bringt das Urteil aber gegenüber der bisherigen fremden Willensentschluß, die für die Dolustheorie entscheidende Bedeu-
Lehre eine gewisse Objektivierung; denn das zögernde und eingeschränkte tung hat, „angesichts der Sachherrschaft des Verpflichteten" für „unbeacht-
Zugeständnis möglicher Gehilfenschaft trotz eigenhändiger Tatbegehung lich" erklärt - eine ausgesprochen objektiv orientierte Interpretation des Tat-
ist wohl nur so zu deuten, daß der B G H jedenfalls den vom unkontrollier- herrschaftsgedankens.
baren subjektiven Belieben abhängigen Willen, die Tat „nicht als eigene" Die beiden folgenden Sätze verwischen das freilich wieder. Wenn der
zu begehen, zur Verneinung der Täterschaft nicht genügen lassen will, son- BGH sagt: „Es kommt nicht darauf an, welchen beliebigen Sinn der Ver-
dern stattdessen einen exakt feststellbaren Akt psychischer Unterwerfung pflichtete seinem Untätigbleiben innerlich beilegt, sondern welchen Sinn es
verlangt. für den Ablauf der Dinge wirklich hat. Deshalb ist in einem solchen Falle
• Besonders auffallend ist dabei, daß hier der Tatherrschaftsbegriff zur Tätervorsatz gegeben", so entspricht das einer gemäßigt subjektiven Theorie,
Rechtfertigung einer Ansicht verwendet wird, die sonst von fas£ allen wie sie etwa Mezger vertritt, wenn er lehrt, .entscheidend sei das Ge-
Anhängern dieser Lehre und später auch vom B G H selbst unter Berufung wollte, aber in seiner objektiven Bedeutung. Der B G H verkennt hier, daß
auf sie gerade ausdrücklich abgelehnt wird: daß nämlich jemandem, der den die „Unterordnung unter fremden Täterwillen" ein psychisches Faktum
ganzen Tatbestand schuldhaft eigenhändig erfüllt, trotzdem die Täterqualität darstellt, das nichts damit zu tun hat, welchen „Sinn der Verpflichtete
fehlen könne.

1 3
Vgl. dazu schon oben S. 56; eine vollständige Z u s a m m e n s t e l l u n g der B G H - R e c h t s p r e - N J W 1951, S. 323
4
chung bis z u m 8. Bande gibt Kalthoener, N J W 1956, S. 1662-1665; darauf sei hier ver- Im Text steht „Verwirkung", was w o h l auf einem Druckfehler beruht.
5
wiesen. B G H S t 2, 150-157
6
2
N J W 1951, S. 120-121 (120) a. a. O . S. 156; ebenso im folgenden.
93
92
seien „formelhafte Wendungen, wie ,der Angeklagte habe die Tat als eigene
seinem Untätigbleiben ... beilegt". Trotz der vorsichtigen Rückwendung zur
gewollt und nicht nur einen Gehilfenwillen gehabt' ... unzureichend",
subjektiven Theorie mit ihrem „Tätervorsatz" scheint aber auch der B G H
bemerkt der B G H .
der Meinung zu sein, eine gegenüber der bisherigen Lehre neuartige Auf-
Damit soll aber nicht die subjektive Theorie, sondern nur die Verschwom-
fassung vertreten zu haben, denn er schließt mit der Bemerkung: „Ob hierin
menheit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung kritisiert werden, denn der
ein allgemeiner, für die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe auch sonst
B G H fährt im Stile eines strengen Subjektivismus fort: „Für die Unterschei-
beachtlicher Rechtsgedanke liegt, kann dahinstehen." dung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe kommt es nicht auf die Art des
Bei aller tastenden Unsicherheit bleibt dieses Urteil in zweierlei Hinsicht äußeren Tatbeitrags, sondern auf die innere Willensrichtung an".
höchst bemerkenswert. Erstens wird hier der Tatherrschaftsgedanke im
Bei Kennzeichnung dieser „inneren Willensrichtung" gerät freilich der
Bereich der Unterlassungsdelikte und in zurückhaltender Beschränkung auf
BGH unversehens auf die Bahnen einer eher objektiven Abgrenzung, wenn
ihn verwertet; das ist deshalb bedeutsam, weil Armin Kaufmann, ein ent-
er sagt: „Mittäter ist nur, wer eine so starke innere Beziehung zum Hergang
schiedener Vertreter der finalen Handlungslehre, jüngsthin 7 gerade für die
und Erfolg der Tat hat, daß beide maßgeblich mit von seinem Willen ab-
Unterlassungstaten eine Anwendung der Tatherrschaftstheorie und damit
hängen. Eine solche Mitherrschaft über die Tat ist Voraussetzung für
eine Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme überhaupt für
die Mittäterschaft." Dem rein subjektiven Ausgangspunkt getreu, spricht
unmöglich erklärt hat. Diese Frage wird daher noch eingehender Erörterung
hier der B G H zwar nur von der starken „inneren" Beziehung zum Her-
bedürfen. Zweitens ist festzuhalten, daß der B G H - zumindest in dem einen,
gang und Erfolg der Tat; aber es bleibt unklar, wie sich die Herrschaft über
besonders hervorgehobenen Satz - den Tatherrschaftsgedanken benutzt, um
den Geschehensablauf aus einer bloß „inneren" Beziehung ergeben soll,
die Unterordnung unter fremden Täterwillen für unbeachtlich zu erklären,
wenn ihr die „äußere" Beziehung zum Hergang und Erfolg der Tat nicht
während er in dem erstgenannten Urteil und auch in späteren Entscheidun-
entspricht.
gen gerade zur Rechtfertigung eben dieses, der Dolustheorie entstammenden
Der B G H kehrt dann allerdings zu dem alten Kriterium der Dolustheorie,
Kriteriums dient. dem Merkmal der Willensunterordnung, zurück, macht sein Vorliegen aber
IV. Eine Entscheidung desselben Senats, die ein Jahr später ergangen ist 8 , von dem objektiven Umstände abhängig, „ob die soziale Überlegenheit, das
kehrt zur subjektiven Theorie zurück, verzichtet ganz auf den Begriff der höhere Alter und die kriminelle Verfehlung des Arbeitgebers eine maß-
Tatherrschaft und hat zu dieser Lehre nur noch insofern eine Beziehung, als gebende Bedeutung hatten".
sie den „Täterwillen" unter ausdrücklicher Berufung auf RGSt 3, 181 ff. im Schließlich wird noch die Interessentheorie deutlich abgelehnt, wenn der
Sinne der Dolustheorie interpretiert, mit der auch die Vertreter einer sub- B G H die Gewinnbeteiligung des Arbeiters mit der Begründung für unerheb-
jektiven Tatherrschaftslehre weitgehend übereinstimmen. Es heißt dort: lich erklärt, daß auch Beihilfe gegen Entgelt geleistet werden könne. Umso
„Gehilfe ... ist der, dessen Wille von dem des anderen ... abhängt, der also eigenartiger ist es, daß der B G H kurz darauf zu dem eben verlassenen
seinen Willen dem Willen des anderen Beteiligten in der Weise unterwirft, Gesichtspunkt zurückkehrt und die Stellung des Arbeitgebers durch die
daß er ihm anheimstellt, ob es zu der Anstiftung 9 kommen soll oder nicht." Wendung umschreibt, daß er „das Hauptinteresse an der Tat gehabt" habe.
Wenn der B G H ausdrücklich bemerkt, die Beurteilung im einzelnen Falle Bei allem unklaren Schwanken zwischen den verschiedenen Gesichts-
hänge „von der Beschaffenheit des Willens der Beteiligten ab", so zeigt das punkten läßt sich doch als Leitgedanke des Urteils die Bemühung heraus-
deutlich, wie sehr sich der 1. Senat im Gegensatz zum vorhergehenden Urteil schälen, einerseits an der subjektiven Abgrenzung festzuhalten, andererseits
BGHSt 2, 150ff. hier wieder um den Anschluß an die überlieferte Tradition den Täterwillen aber anhand bestimmter objektiver Kriterien (wie der sozia-
der Rechtsprechung bemüht. len Überlegenheit, des Alters, der kriminellen Erfahrung, der Entscheidungs-
V. Eine bemerkenswerte Synthese zwischen der Dolustheorie und einer gewalt über den Tathergang usw.) zu bestimmen. O b ein derartiges Verfah-
objektiv orientierten Tatherrschaftslehre erstrebt eine Entscheidung des ren wirklich so subjektiv ist, wie es sich gibt, läßt sich freilich bezweifeln;
'5. Senats vom 15.6.1954 10 , die einen erheblichen Einfluß auf die folgende denn wenn man über den Täter- oder Gehilfenwillen nach objektiven Merk-
Entwicklung ausgeübt hat. In diesem Fall hatte ein Arbeiter gemeinsam mit malen unterscheidet, könnte man ebensogut diese objektiven Gesichtspunkte
seinem Arbeitgeber wegen einer von diesem versprochenen Gewinnbeteili- selbst ohne den Umweg über den Täterwillen als Differenzierungsmaßstäbe
gung Vieh gestohlen und in das Schlachthaus seines Arbeitgebers gebracht. benutzen.
Für die Entscheidung der Frage, ob der Arbeiter Mittäter oder Gehilfe sei, VI. Ein Jahr später - am 17.5.1955 - hat der fünfte Senat die hier an-
gebahnten Gedankengänge in einer weiteren Entscheidung vertieft und ab-
gewandelt 11 . Der B G H sagt hier: „Entscheidend ist ... die innere Willens-
7
in seinem Buch: Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1959
8
1. Senat vom 16.4.53, MDR 51, S. 400/401 (mitgeteilt von Dallinger).
v 11
Es handelte sich um die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe bei der Anstiftung. JR 1955, S. 304-305
10
mitgeteilt von Herlan in MDR 1954, S. 529/30
94 95

richtung der Beteiligten ... Die gebräuchliche Wendung, Mittäter sei, wer die tung" unterscheiden will, schließlich doch zu objektiven Anhaltspunkten
Tat ,als eigene' wolle, ist mißverständlich. Diese Willensrichtung ist keine zurückkehrt. Denn warum erwähnt der BGH, daß der Teilnehmer nur
innere Tatsache, die der Tatrichter bindend feststellen kann. Es handelt sich „nebensächliche Hilfe" leisten wolle, wenn es auf den „äußeren Tatbeitrag"
vielmehr um eine wertende Beurteilung. Für sie ist ein wesentlicher Anhalts- überhaupt nicht ankommen soll? Müßte nicht, wenn er den hauptsächlichen
punkt, wieweit der Beteiligte den Geschehensablauf mitbeherrscht, so daß Tatbeitrag leistet und sich dabei fremdem Entschluß unterwirft, die Ent-
Hergang und Erfolg der Tat maßgeblich auch von seinem Willen abhängen." scheidung vom Ausgangspunkt dieses Urteils her die gleiche sein?
Dieses Urteil unterscheidet sich von dem vorgenannten, an das es äußer- Auch hier zeigt sich wieder, daß man, wenn man eine subjektiv gedachte
lich anknüpft, in zweifacher Weise. Erstens wird der Zwiespalt zwischen Willensrichtung aus objektiven Faktoren ableiten will, die äußere Gestaltung
dem rein subjektiven Ausgangspunkt und der Orientierung an objektiven des Geschehensablaufes nicht für unerheblich erklären kann, ohne in Wider-
Unterscheidungsmerkmalen auf die Spitze getrieben. Es klingt fast paradox, sprüche zu geraten. Berücksichtigt man aber das äußere Gewicht des Tat-
wenn der B G H zu Anfang feststellt, es sei „die innere Willensrichtung" ent- beitrages, so kann man eine subjektive Abgrenzung nicht in solcher Reinheit
scheidend, dann aber bemerkt, es sei dies „keine innere Tatsache". Man fragt festhalten, wie es der B G H gern möchte. Unklar bleibt auch, wie es möglich
sich vergeblich, was man sich unter einer „inneren Willensrichtung" vorstel- ist, daß die eigenhändige Verwirklichung des vollen Tatbestandes, von der
len soll, die keine „innere Tatsache" ist. die Entscheidung ausgeht, sich gleichzeitig als „nebensächliche Hilfe" dar-
Zweitens findet sich in diesem Urteil zum ersten Male die Wendung ins stellen soll. Was kann man eigentlich mehr tun, als den vollen Tatbestand
Normative. Wenn der B G H ausführt, es handele sich bei der Abgrenzung selbst verwirklichen?
von Täterschaft und Teilnahme um eine „wertende Beurteilung", bei der die Auch diese Entscheidung verleugnet also nicht die Krise, in die die sub-
Beherrschung des Geschehensablaufes einen wesentlichen Anhaltspunkt dar- jektive Teilnahmelehre durch die Einführung des Tatherrschaftsbegriffs ge-
stelle, so ist damit die noch wenige Sätze vorher proklamierte subjektive raten ist.
Unterscheidung praktisch völlig preisgegeben zugunsten einer normativ- VIII. Eine eigenartige Theorienmischung findet sich in einem Urteil des
objektiven Tatherrschaftslehre, wie sie etwa Gallas vertritt. Daß damit der 1. Senats vom 24.6.1955 14 . Der Sachverhalt lag so, daß der Angeklagte einen
ursprünglich bei Welzel aus dem Widerspruch zum Normativismus erwach- Abtreibungsversuch unternommen hatte, auf Grund dessen ein lebendes
sene ontologische Tatherrschaftsbegriff in den Bereich der teleologischen Kind zur Welt gekommen war. Der Säugling wurde daraufhin von der Mut-
Methodik zurückgewendet wird, ist oben schon bemerkt worden. ter des Kindesvaters ertränkt, wobei der Angeklagte tatenlos zusah.
VII. Unberührt von diesen objektivierenden Tendenzen verwendet der Das Gericht nahm an, den Angeklagten habe eine Erfolgsabwendungs-
2. Senat in einer wenig später ergangenen Entscheidung 12 den Tatherrschafts- pflicht aus vorangegangenem Tun getroffen. Zweifelhaft war, ob er als Täter
gedanken wieder zur Rechtfertigung einer extrem subjektiven Dolustheorie. oder als Gehilfe der Tat heranzuziehen sei. Dazu meint der B G H : „Die
Es heißt dort zu einem Fall gemeinsamen Bandenschmuggels 13 : „Die Täter- Frage, ob Täterschaft oder nur Beihilfe vorliegt, beantwortet sich nach der
schaft unterscheidet sich von der Beihilfe nicht nach dem äußeren Tatbeitrag, inneren Haltung des Angeklagten zur Tat und zum Erfolg. Dabei sind
sondern nur nach der Willensrichtung der Beteiligten. Insbesondere kann Willensrichtung, Tatherrschaft und Interesse am Taterfolg unter Berücksich-
auch Gehilfe sein, wer den vollen Tatbestand selbst verwirklicht. Allerdings tigung des Umfangs der eigenen Tatbestandsverwirklichung ins Auge zu
ist die eigene Verwirklichung des vollen Tatbestandes ... regelmäßig ein fassen. An der Beseitigung des Kindes war ... in besonderem Maße der ... K.
erhebliches Beweisanzeichen für den eigenen Tatherrschaftswillen und somit (der Mutter des Kindesvaters) gelegen. Bei dem Beschwerdeführer (dem
für eine Täterschaft. Es sind aber Fälle denkbar, in denen ein Beteiligter trotz Angeklagten) könnte allerdings insoweit von Bedeutung sein, daß für ihn
Verbindung und Zusammenwirkens mit weiteren Schmugglern ... keinen immerhin zu befürchten war, die Leiche könne zur Entdeckung des abtrei-
eigenen Tatherrschaftswillen hat, sich vollständig dem Willen eines anderen berischen Eingriffs führen."
. unterordnet und nur widerstrebend fremden Schmuggel durch nebensäch- Hier werden also zwei subjektive und zwei objektive Abgrenzungskri-
liche Hilfe fördern will. Ein Schmuggler mit einer derartigen Willensrichtung terien nebeneinandergestellt; auf der einen Seite die „Willensrichtung" (die
ist nur Gehilfe des Haupttäters, auch wenn er seinen Tatbeitrag binden- wohl im Sinne der Dolustheorie zu verstehen ist) und das Interesse; auf
mäßig leistet." der anderen Seite die Tatherrschaft und der Umfang der Tatbestandsverwirk-
Bemerkenswert ist, daß auch dieses Urteil, obwohl es den „äußeren Tat- lichung. Dem Umstand, daß diese vier Merkmale nur für die „innere Hal-
beitrag" für unerheblich erklärt und ausdrücklich „nur nach der Willensrich- tung" des Angeklagten Bedeutung haben sollen, läßt sich entnehmen, daß
der B G H sich auch mit dieser Entscheidung im Rahmen der subjektiven
Theorie zu halten glaubt.

12
am 21.6.1955, in: BGHSt 8, 70-75 14
13 LMNr. 10 vor §47
a. a. O. S. 73
97
96
Der Fall lag so, daß der Angeklagte, der einen schwach entwickelten Willen
In Wirklichkeit kann hier, wie bei den vorangehenden Urteilen, von einer
und geringe Durchsetzungskraft besaß, sich im Leben meist „als Werkzeug
subjektiven Teilnahmelehre im herkömmlichen Sinn nicht mehr die Rede
gefühlt" hatte und außerdem einer Frau hörig war, im Auftrage dieser Frau
sein. Es handelt sich vielmehr um eine Kombination ganz verschiedenartiger
und in ihrer Gegenwart deren Mann allein in ihrem Interesse erschlagen
subjektiver und objektiver Gesichtspunkte. Dabei ist die vorliegende Ent-
hatte.
scheidung insofern besonders unklar, als sie keinerlei Hinweise dafür gibt,
Zur Begründung seiner Auffassung, daß der Angeklagte Täter des Mordes
welche Rangordnung diesen heterogenen Merkmalen bei Ermittlung der
und nicht nur Gehilfe sei, entwickelt der B G H zunächst keine wesentlich
Täterschaft zukommt. Wie ist es, wenn jemand zwar die Tatherrschaft, aber
neuen Gesichtspunkte, sondern greift weitgehend auf seine Entscheidung
kein Tatinteresse besitzt, wenn er die für die Täterschaft erforderliche
vom 17.5.1955 20 zurück, deren Gedanken er nahezu wörtlich wiederholt.
Willensrichtung hat, aber an der Tatbestandsausführung nicht beteiligt ist,
Auch hier heißt es, daß der Täterwille keine einfache innere Tatsache sei,
wenn er mit Tatinteresse, aber ohne Tatherrschaft handelt? Das Urteil läßt
sondern wertend ermittelt werden müsse, und daß dabei ein wesent-
einen vor diesen Fragen ratlos. Im konkreten Fall scheint der B G H vor- licher Anhaltspunkt sei, wieweit der Beteiligte den Geschehensablauf mit-
nehmlich auf das Interesse abstellen zu wollen; die Notwendigkeit dazu wird beherrsche. Dabei wird dem Umstand, in wessen Interesse die Tat erfolgt
aber aus der Entscheidung selbst nicht deutlich. sei, keine wesentliche Bedeutung beigelegt.
Was den Begriff der Tatherrschaft anlangt, so ist besonders bemerkens-
In zwei sehr wichtigen Punkten weicht aber der 5. Senat in der Begrün-
wert, daß er hier nicht - und sei es auch in subjektiver Form als Tatherr- dung von seinen früheren Urteilen ab, ohne freilich diesen Unterschied
schaftswille - als alleiniges Merkmal der Täterschaft, sondern als einzelnes kenntlich zu machen. Während die Entscheidung vom 15.6.1954 21 noch
Kriterium neben anderen, anscheinend als gleichgeordnet gedachten Täter- darauf abstellte, ob der an der Tatbestandsausführung beteiligte Angeklagte
schaftselementen erscheint. „sich dem Willen seines Arbeitgebers völlig untergeordnet und diesem ganz
IX. In einem Urteil vom 10.1.1956 hat der 5. Senat 15 seine früheren Ent- die Entscheidung überlassen hatte, ob, wann und wo die Taten ausgeführt
scheidungen 16 noch einmal bekräftigt. Er führt hier zusammenfassend aus 17 : werden sollten", erwähnt der B G H jetzt diesen Gesichtspunkt nicht mehr -
„Mittäterschaft und Beihilfe unterscheiden sich dadurch, daß der Mittäter begreiflicherweise, denn eine solche völlige Unterordnung unter fremden
die Tat als eigene, der Gehilfe als fremde will. Wie der Senat wiederholt Täterwillen lag hier vor und hätte zur Annahme bloßer Gehilfenschaft
ausgesprochen hat, kann die innere Einstellung jedes Beteiligten zur Tat nur führen müssen. Da aber mit den Begriffen der Willensunterordnung und des
auf Grund der gesamten Umstände ermittelt werden." „Anheimstellens" - dessen Vorliegen in unserem Fall auch zu bejahen wäre -
Die Entscheidung bleibt also bei dem schon vorher entwickelten Grund- die entscheidenden Kriterien der Dolustheorie umschrieben sind, bedeutet
gedanken, wonach der Täterwille aus den objektiven Umständen der Tat zu der Verzicht auf sie praktisch die Aufgabe der subjektiven Lehre. Jedenfalls
entnehmen ist. ist nicht recht ersichtlich, was an einer solchen Auffassung noch subjektiv ist,
X. Vom gleichen Tage 18 stammt noch ein zweites Urteil des 5. Senats, das wenn man von dem einzigen innerpsychischen Differenzierungsmerkmal,
für die Entwicklung der Täterlehre wesentliche Bedeutung hat, weil es sich das heute noch Bedeutung hat, absieht. Dadurch allein, daß man eine aus
ausdrücklich gegen die Entscheidung des Reichsgerichts in dem berühmten objektiven Umständen gewonnene Täterschaft durch den subjektiven Begriff
„Badewannenfall" wendet. Der Leitsatz des Urteils lautet 19 : „Wer mit des „Täterwillens" kennzeichnet, kann man nicht zu einer subjektiven Teil-
eigener Hand einen Menschen tötet, ist grundsätzlich auch dann Täter, wenn nahmelehre kommen.
er es unter dem Einfluß und in Gegenwart eines anderen nur in dessen Inter- Ebenso bemerkenswert und kennzeichnend ist die Entwicklung, die die
esse tut (gegen RGSt 74, 84)." Würdigung des äußeren Tatbeitrages in den Urteilen des 5. Senats erfahren
Der B G H versucht seine Ausführungen - wie schon früher, so auch hier - hat. In der ersten Entscheidung vom 15.6.1954 (oben Nr. V) heißt es noch
mit der von ihm grundsätzlich festgehaltenen subjektiven Theorie in Ein- kategorisch, es komme „nicht auf die Art des äußeren Tatbeitrags" an. In
klang zu bringen; er erwähnt die von ihm als „final objektiv" oder „mate- schon etwas abgeschwächter Form wiederholt der Senat am 17.5.1955
riell-objektiv" bezeichnete Tatherrschaftslehre unter Hinweis auf Welzel, (oben Nr. VI), es komme „allerdings nicht wesentlich auf die Art des äuße-
Gallas und Maurach, lehnt sie nicht ausdrücklich ab, umgeht aber die"Aus- ren Tatanteils als solchen" an. Jetzt aber sagt der Bundesgerichtshof, um
einandersetzung mit ihr durch die Erwägung, daß auch die subjektive die Täterschaft des Angeklagten zu begründen, in unverkennbarem Gegen-
Theorie, wenn man sie richtig verstehe, hier zum selben Ergebnis führe. satz dazu, sein „Täterwille" folge „aus den von seiner Vorstellung er-
faßten Umständen. Er übernahm es, das Opfer eigenhändig zu erschlagen
15
BGHSt 8, 390-392
16
MDR 54, 529; JR 55, 304; s. o. Nr. V und VI
17 20
a. a. O. S. 391 JR 55, S. 304-305 (oben Nr. VI)
18 21
10.1.1956; BGHSt 8, 393-399 MDR 54, 529 (s. o. Nr. V)
19
a. a. O. S. 393
99
98
terei, „obwohl sein Beitrag, da ihm die Tatherrschaft fehlt, minder schwer
und führte diesen besonders wichtigen Tatbeitrag durch" 2 2 . Hier wird also
ist" 28 .
die Täterschaft aus der besonderen Wichtigkeit des Tatbeitrages gefolgert,
Die Bemerkung versteht den Tatherrschaftsbegriff in objektivem Sinne.
der vorher gerade für unerheblich gegolten hatte. Damit läßt der fünfte Senat
Im übrigen ist die Erwähnung zu flüchtig, als daß sich aus ihr weitergehende
nach dem Kriterium der Willensunterordnung einen zweiten wesentlichen
Schlüsse ziehen ließen.
Leitgedanken der subjektiven Theorie fallen.
XII. Aufschlußreicher ist die Entscheidung desselben Senats vom
Auch ein weiterer Umstand, den der B G H für die Täterschaft des An- 6.7.1956 29 . Es handelt sich hier um das bekannte Urteil, in dem sich der
geklagten vorbringt, ist objektiver Natur. Sie soll nämlich daraus folgen, BGH entgegen seiner früheren Rechtsprechung zu der Auffassung bekannte,
daß ohne ihn die Tat „nicht in der vorgesehenen Art geschehen" konnte 23 . daß Anstiftung und Beihilfe eine vorsätzliche Haupttat voraussetzen. Zur
Damit wird eine deutliche Anleihe bei der Notwendigkeitstheorie voll- Begründung dieser Lehre greift der B G H auf die Notwendigkeit einer siche-
zogen 24 . ren Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme zurück. Er führt dazu aus 30 :
Die grundlegende Bedeutung dieses Urteils liegt in seiner Abkehr von der „Es ist zwar richtig, daß es grundsätzlich auf die Willensrichtung des Betei-
subjektiven Teilnahmelehre. Daß es sich hier um eine Wende in der Recht- ligten ankommt. Für ihre Beurteilung ist aber wesentlicher Gesichtspunkt,
sprechung handelt, scheint allerdings auch dem B G H nicht recht klar gewor- inwieweit er den Geschehensablauf mitbeherrscht, ob Hergang und Er-
den zu sein. Er bezeichnet seine Lehre weiterhin als subjektiv und vermeidet folg der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen. Ein Täterwille als
jeden Hinweis darauf, daß das Urteil etwas Neues in der Rechtsprechung des Wille zur Beherrschung des Geschehensablaufs ist aber ohne Vorsatz nicht
Bundesgerichtshofs darstellt. Er schließt sich vielmehr in der Formulierung denkbar. Der Veranlasser kann die Tat demnach nur ,als fremde wollen'
eng an frühere Entscheidungen an. Die beiden wesentlichen Abweichungen wenn der Veranlaßte diesen Täterwillen hat. Sich einem fremden Täterwillen
von der bisherigen Judikatur - Verzicht auf das Kriterium der Willensunter- unterzuordnen, ist nicht möglich, wenn ein solcher überhaupt nicht vor-
ordnung; stattdessen verstärkte Berücksichtigung des äußeren Tatbeitrages - handen ist. Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen mittelbarer Täterschaft
werden nirgends hervorgehoben. Darüber hinaus bestreitet der B G H sogar und Beihilfe."
für die praktische Lösung des Falles jeden Unterschied gegenüber früheren Hier wird der Tatherrschaftsgedanke wieder ganz im Sinne der Dolus-
Urteilen, obwohl es drei Entscheidungen gibt, die gerade auf Grund des theorie verstanden: Wer sich einem fremden Willen innerlich unterordnet,
Tatherrschaftsgedankens die Möglichkeit bloßer Gehilfenschaft trotz voller beherrscht den Geschehensablauf nicht und ist deshalb nur Teilnehmer.
Tatbestandserfüllung bejahen 25 . Zu den beiden ersten Urteilen meint der Bemerkenswert ist dabei, daß die auf die Akzessorietätsproblematik zu-
BGH, es habe sich um militärische Befehlsverhältnisse gehandelt, bei denen geschnittene Argumentationsweise zu einem sekundären Täterbegriff führt.
es anders liegen möge; die dritte Entscheidung übergeht er mit Stillschwei- Nicht weil das Wesen der Täterschaft es erfordert, muß jemand, um Täter zu
gen, ohne zu beachten, daß der 2. Senat hier ohne Einschränkung erklärt sein, den Geschehensablauf final beherrschen; sondern weil die Teilnahme
hatte: „Insbesondere kann auch Gehilfe sein, wer den vollen Tatbestand durch die Unterordnung unter fremden Willen gekennzeichnet wird, muß
selbst verwirklicht" 26 . für die Täterschaft sekundär der Vorsatz und das Fehlen der inneren Unter-
Der Zwiespalt, der sich so zwischen dem sachlichen Gehalt und der theo- werfung verlangt werden.
retischen Rechtfertigung der Entscheidung zeigt, macht es schwer, die Wir- Diese Lösung stimmt in vollem Umfang mit der Dolustheorie Bockel-
kung abzuschätzen, die das Urteil auf die Entwicklung der Rechtsprechung manns überein. Zu den objektivierenden Tendenzen der neueren Recht-
in Zukunft noch haben kann. sprechung nimmt das Urteil keine Stellung. Allerdings bestand dazu im Rah-
XL In sehr beiläufiger Weise hat bald darauf der 2. Senat den Begriff der men dieses Falles auch keine besondere Veranlassung, weil das erstrebte
Tatherrschaft verwendet 27 . Im Leitsatz dieser Entscheidung hatte der B G H Ergebnis - daß eine Teilnahme nur bei vorsätzlicher Haupttat möglich ist -
ausgesprochen, daß der Gehilfe bei einer Gefangenenmeuterei nur dann sich schon vom Boden der Dolustheorie aus einleuchtend begründen läßt.
•nach §122 Abs. 3 StGB mit Zuchthaus zu bestrafen sei, wenn er die Ge- XIII. Durchaus im Widerspruch zu den bisher erkennbaren Entwick-
walttätigkeiten, die den Qualifizierungsgrund bilden, eigenhändig verübe. lungstendenzen der Rechtsprechung steht ein Urteil des 5 . Senats vom 10.1.
Zur Begründung führt der Senat aus, daß sonst der Gehilfe schlechter ge- 195831 Denn während der B G H sonst - und mehrfach ausdrücklich - einer
stellt wäre als der (keine Gewalttätigkeit anwendende) Mittäter der Meu- inhaltlosen Animus Formel entgegentritt, gebraucht er hier sogar den

22
a. a. O. S. 398
23 28
a. a. O. S. 398 a. a. O. S. 121
24 29
Vgl. dazu oben S. 39 2. Senat, BGHSt 9, 370-385
25 30
NJW 51, 120/21; NJW 51, 323; BGHSt 8, 70-75 (oben Nr. I, II, VII) a. a. O. S. 380
26 31
BGHSt 8, 73 MDR 1958, S. 139; mitgeteilt von Dallinger.
27
Urteil v. 13.4.1956, BGHSt 9, 119-121
100 101

Terminus des „Tatherrschaftswillens" in diesem Sinne. Es ging in dieser Ent- der Straftat als eigenen mitverursachen ... wollen" 34 . Das sei „mit der Fest-
scheidung um einen Halbstarkenkrawall, bei dem mehrere Jugendliche an stellung des ein für allemal verabredeten Waffengebrauchs zur Verhinderung
einer am Boden liegenden Frau gewaltsam unzüchtige Handlungen vor- drohender Festnahme und der auf dieser Abrede beruhenden Gefahrenge-
genommen hatten. Der Angeklagte A hatte sich zu demselben Zweck nach meinschaft . aller drei Mittäter, die M gewissermaßen zum Schießen ,ver-
vorn gedrängelt und sich über die Frau gebeugt, als er durch einen Dritten pflichtete', hinreichend begründet".
von der Unzuchtstat abgehalten wurde. Obwohl seine eigene Handlung im Neben diese Erwägung setzt nun der B G H eine zweite, ganz selbständige
Versuch steckengebliegen war, bestrafte ihn der B G H als Mittäter eines voll- Begründung, die mit dem Tatherrschaftsgedanken arbeitet. Er sagt: „P war
endeten Delikts gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Er folgte in der Begründung auch im fraglichen Zeitraum an der Tatherrschaft beteiligt. Er hätte bei der
der unteren Instanz, die zu dem Ergebnis gekommen war „daß A die Tätig- räumlichen Nähe seiner beiden Tatgenossen deren Tun jederzeit steuern und
keit der Mitangeklagten als eigene gewollt" habe. Der Wille des A, selbst sie auffordern können, dieses Mal entgegen der Abrede nicht auf Verfolger
unzüchtige Handlungen an der Frau vorzunehmen, schließe nicht aus, daß A zu schießen. Daß er dies bis zur Abgabe des Schusses nicht getan hat,
die unzüchtigen Handlungen der Mitangeklagten wie eigene gewollt, d. h. begründet seine Mitverantwortung auch für den auf ihn abgegebenen
insoweit mit dem Willen zur Tatmitherrschaft gehandelt habe. Schuß."
Es ist leicht zu sehen, wie hier der „Tatherrschaftswille" zur bloßen For- Das Urteil bringt gegenüber der bisherigen Rechtsprechung zwei bemer-
mel erstarrt. Denn nach dem Sachverhalt konnte keine Rede davon sein, daß kenswerte neue Gesichtspunkte:
„Hergang und Erfolg" der vorher verübten Unzuchtstaten in irgendeiner Erstens wird hier der Tatherrschaftsgedanke nicht zur Rechtfertigung
Weise vom Willen oder vom äußeren Verhalten des A abhingen. Er war bis- der subjektiven Lehre und in enger Verbindung mit der Dolustheorie
lang daran in keiner Form beteiligt gewesen. Es ist nicht einmal ersichtlich, verwendet, sondern unverbunden neben die subjektive Auffassung gestellt.
worin sein eigenes Interesse an den Erfolgen der anderen bestanden haben Damit wird die Tatherrschaftslehre als objektive, eigenständige Theorie
sollte. Seine Mittäterschaft, bei der zudem schon das Vorliegen eines gemein- verstanden, und die Frage, ob sie oder die subjektive Ansicht vorzuziehen
samen Willensentschlusses überaus zweifelhaft ist 32 , läßt sich also höchstens sei, bleibt offen.
auf eine sehr vage „innere Billigung" des Geschehens stützen, die bei Anstif- Zweitens wird in dieser Entscheidung die Tatherrschaftstheorie zum
tern und Gehilfen ebenfalls zu finden ist und deshalb kein inhaltliches ersten und bisher einzigen Mal in der Ausprägung verwertet, die sie in der
Unterscheidungskriterium liefern kann. Das Urteil nimmt damit Tendenzen Teilnahmelehre Maurachs erfahren hat. Der für den B G H entscheidende
der reichsgerichtlichen Rechtsprechung wieder auf, um deren Überwindung Gedanke, daß der P das Tun seiner Genossen jederzeit „hätte steuern und sie
sich der Bundesgerichtshof in den meisten seiner Entscheidungen mit Nach- auffordern können ... nicht ... zu schießen", geht auf die These Maurachs
druck bemüht hat. zurück, daß die Tatherrschaft durch das In-den-Händen-Halten des Gesche-
XIV. Eine sehr eigenartige Sachverhaltsgestaltung behandelt das Urteil des hensablaufes gekennzeichnet sei und daß sie bei jedem Mitwirkenden liege,
4. Senats vom 23.1.1958 33 . Drei mit Pistolen bewaffnete Einbrecher hatten der „die Tatbestandsverwirklichung je nach seinem Verhalten ablaufen
versucht, bei Nacht in ein Lebensmittelgeschäft einzudringen. Sie wurden lassen, hemmen oder abbrechen" könne 35 .
aber entdeckt und mußten fliehen. Sie hatten verabredet, daß sie von der O b freilich die Begründung des Urteils sich wirklich auf ein brauchbares
Schußwaffe Gebrauch machen wollten, wenn die Gefahr der Festnahme Kriterium stützt und den Grundgedanken Maurachs zutreffend anwendet,
eines der Teilnehmer drohe. Als nun einer der Fliehenden - der M - hinter ist eine andere Frage, auf die später noch zurückzukommen sein wird 36 .
sich Schritte hörte, glaubte er, es handele sich um einen Verfolger und schoß Aber wie dem auch sei: Jedenfalls zeigt das Urteil den B G H auf dem Wege
mit Tötungsvorsatz auf die hinter ihm laufende Gestalt. In Wirklichkeit war zur Anerkennung einer objektiv orientierten Tatherrschaftslehre.
es sein gleichfalls in der Flucht begriffener Komplice P, in dessen aufgekrem- XV. Allerdings ist derselbe Senat in seiner nächsten Entscheidung zur
, peltem Hemdsärmel sich die Kugel verfing. Täterlehre 37 zu einem durchaus subjektiv verstandenen Tatherrschafts-
Für den B G H stand die Frage zur Entscheidung, ob der beinahe erschos- begriff zurückgekehrt. Es ging hier wie in BGHSt 2, 150 ff. (oben Nr. III)
sene P als Täter eines Mordversuches an seiner eigenen Person zur Verant- um den Fall der unterlassenen Hinderung eines Selbstmordes. Der An-
wortung gezogen werden könne. Der Senat bejahte das. Er stützt diese Auf- geklagte hatte ruhig zugesehen und nicht eingegriffen, als sich seine Schwie-
fassung zunächst auf eine rein subjektive Lehre im Sinne der überkom- germutter in einem Teich ertränkte.
menen Animus-Formel des Reichsgerichts. Der P habe „den ganzen Erfolg
34
Hier und im folgenden: a. a. O. S. 272
35
A.T., 1. Aufl., S. 504; auf diese Stelle bezieht sich der BGH ausdrücklich (jetzt A.T.,
32
Über die Frage, wie die Mittäterschaft hier von einem richtig verstandenen Tatherr- 2. Aufl., S. 492).
36
schaftsbegriff aus zu beurteilen ist, vgl. unten S. 277ff. Hierzu und zum ganzen Urteil vgl. unten S. 286ff., 311 ff.
33 37
BGHSt 11,268-272 4. Senat vom 15.5.1959, in: BGHSt 13, 162-169
U n i v e r s i d a d de Navarra
Servicio de Bibliotecas
102 103

Die Begründung, mit der das Gericht eine Täterschaft des Angeklagten XVI. Im Gegensatz dazu stützt sich der 4. Senat in der nächsten ein-
ablehnt, steht in auffallendem Gegensatz zur Argumentation des 1. Senats in schlägigen Entscheidung 41 weitgehend auf die Ansätze des Urteils BGHSt 8,
der früheren Entscheidung BGHSt 2, 150 ff. Dort hatte der B G H die Tat- 393 ff., die eine Entwicklung zu einer von der Dolustheorie gelösten, objek-
herrschaft des Unterlassenden ganz objektiv auf die Erwägung gestützt, daß tiven Tatherrschaftslehre ermöglichen. Es handelte sich um einen Fall, bei
er „die volle oder doch einen großen Teil der Herrschaft über die Sachlage" dem zwei Bündesbahnbeamte als Mittäter einer schweren Bestechung an-
habe und ihr „durch sein Eingreifen die entscheidende Wendung geben" geklagt waren, weil sie mehreren Kandidaten unzulässige Hilfe bei Lauf-
könne. Dabei wurde ausdrücklich hinzugefügt, daß die „Unterordnung bahnprüfungen gewährt hatten.
unter fremden Täterwillen ... angesichts der Sachherrschaft des Verpflichte- Der B G H zitiert wörtlich die leitenden Sätze des angeführten früheren
ten unbeachtlich" sei. Gerade auf diesen Gesichtspunkt gründet aber der Urteils und stellt fest, daß das Vorhandensein oder Fehlen des eigenen Inter-
B G H seine neue Entscheidung, wenn er ausführt: „Die Feststellungen ... esses keine unbedingt entscheidende Rolle spiele 42 . Bei Begründung der Mit-
sprechen ... dafür, daß er das zum Tode seiner Schwiegermutter führende, täterschaft im konkreten Fall löst er sich dann ganz von der Bindung an die
von ihr selbständig herbeigeführte Geschehen ... nicht beherrschen wollte, „innere Willensrichtung" und beruft sich auf den „Grundsatz der Arbeits-
daß ihm also der ,Täterwille' gefehlt hat. Dieser Wille ist auch bei Begehen teilung": „Nach den Feststellungen bestand zwischen G. und H. ein enger
einer verlangten Tötung durch Unterlassen erforderlich" 38 . Der 4. Senat Zusammenhalt; sie arbeiteten Hand in Hand. G. stellte in mehreren Fällen
distanziert sich auch deutlich von dem früheren Urteil, wenn er meint, es überhaupt erst die Verbindung der Prüflinge mit H. her. Das Maß seiner
könne „die Gefahr herbeiführen, daß der Mangel einer eigenen Strafdrohung Beteiligung ... war beträchtlich; ohne ihn hätten die Taten nicht in der vor-
des bisherigen deutschen Strafrechts gegen die Teilnahme an fremder gesehenen Art geschehen können."
Selbsttötung durch eine ausdehnende Anwendung des Täterbegriffs auch Der Gedanke der Rollenverteilung, die Betonung, die auf den äußeren
auf solche Beteiligte am Selbstmord ausgeglichen würde, denen der Wille Tatbeitrag gelegt wird, und der Rückgriff auf die Notwendigkeitstheorie ent-
zur Tatbeherrschung fehlt 39 . Aus den weiteren Darlegungen läßt sich ent- halten Elemente eines Mittäterschaftsbegriffes, der zu einer im wesentlichen
nehmen, daß der BGH den fehlenden Willen zur Tatbeherrschung im entsubjektivierten Lösung führen könnte. Doch hat der B G H bislang diese
Sinne der Dolustheorie als „Unterordnung unter fremden Täterwillen" ver- Möglichkeit nicht ergriffen43.
steht. XVII. Das folgende Urteil des 5. Senats 44 behandelt wieder einen Fall der
So eigenartig es erscheint, daß derselbe Senat innerhalb eines so kurzen unterlassenen Selbstmordhinderung. Die Angeklagte hatte ruhig zugesehen,
Zeitraums die Tatherrschaftslehre einmal als Bestandteil der subjektiven Auf- wie ihr Verlobter sich auf Grund einer Auseinandersetzung am Fensterflügel
fassung und zum anderen als ihr gegenüber selbständige objektive Theorie aufgehängt hatte. Auch als er schon bewußtlos in der Schlinge hing, hatte sie
versteht - es bleibt doch zu bedenken, ob dieser Unterschied nicht in der nicht eingegriffen, obwohl eine Rettung zu diesem Zeitpunkt noch möglich
Natur des im zweiten Fall zur Entscheidung stehenden Gegenstandes, der war.
Unterlassungsstraftat, eine Erklärung findet. Zwar hat der 1. Senat gerade in Der Fall gleicht im wesentlichen der Konstellation, die der Entschei-
einem parallel liegenden Unterlassungsfall (oben Nr. III) einen objektiven dung BGHSt 2, 150ff45 zugrundelag. Auch die Lösung des Bundesgerichts-
Tatherrschaftsbegriff entwickelt; aber es ist doch die Frage, ob die dort her- hofs, der eine Täterschaft durch Unterlassen annimmt, stützt sich auf
angezogene Möglichkeit, „dem Geschehen ... die entscheidende Wendung" dieselben Erwägungen, also auf eine aus der Rettungsmöglichkeit hergeleitete
zu geben, ein verwertbares objektives Herrschaftskriterium abgibt; denn die objektive Tatherrschaft. N u r äußerlich stellt das Urteil auf den „Täterwillen"
Möglichkeit der Erfolgsabwendung - und um mehr handelt es sich nicht - ab; denn dieses Kriterium wird im Anschluß an frühere Entscheidungen (vgl.
müssen auch Anstifter und Gehilfe haben; ein derartiger Tatherrschafts- oben Nr. VI, X) auf Grund der Tatsache, daß die Angeklagte „die volle und
begriff würde also keine Abgrenzung gegenüber der Teilnahme liefern. Wenn alleinige Tatherrschaft" innehatte, ohne weiteres „wertend ermittelt".
. man nicht - wie es im Ergebnis und mit anderer Begründung jetzt Armin Damit wird die vom 4. Senat im zweiten Selbstmordfall (oben Nr. XV)
Kaufmann vertritt - über eine derartige Auffassung von der Tatherrschaft bei zur Haftungseinschränkung verwendete Dolustheorie wieder fallengelas-
den Unterlassungsdelikten zu einem extensiven Täterbegriff kommen will, sen. Denn da der Angeklagten der Tod des Mannes „gleichgültig" gewesen
liegt es jedenfalls nahe, im Bereich der Unterlassungstaten um einer Restrik- war, hätte sie sonst, da sie sich seinem Willen untergeordnet hatte, frei-
tion des Täterkreises willen zur Dolustheorie zurückzukehren, wie es der gesprochen werden müssen. Wenn der B G H diesen Widerspruch durch die
4. Senat hier getan hat 40 .
41
B G H S t 14, 123-132 (128/29) v o m 3.2.1960
42
Fünf Zeilen später beruft sich das Urteil allerdings schon wieder darauf, daß das Inter-
esse des Angeklagten am Taterfolg „beträchtlich" gewesen sei.
43
38
a. a. O . S. 166 Vgl. zu diesem Urteil noch unten S. 294
44
39
a. a. O . S. 167 vom 5.7.1960, M D R i960, S. 939/40
40 45
Vgl. zu dieser Frage eingehend unten S. 489ff.; speziell zu diesem Urteil S. 491 ff. oben N r . III, S. 91
105
104
Erwägung verdecken will, daß eine Willensunterordnung nur vorliege, wenn der Straftat als eigenen mitverursachen will" 50 . Das kann nur heißen: Was die
man den Freitod aus Achtung vor dem Selbstmordwillen eines anderen Mittäterschaft von der psychischen Beihilfe unterscheidet - um mehr handelt
geschehen lasse, nicht aber, wenn man nur aus Gleichgültigkeit untätig es sich ja bei der „Bestärkung des Entwendungswillens" nicht - ist der
bleibe, so ist das nicht haltbar. Gerade die völlige Gleichgültigkeit gegen- „Wille zur eigenen Mitverursachung", ein Merkmal, das keinerlei inhaltliche
über dem Tun eines anderen ist das sicherste Indiz dafür, daß man es ihm Ausfüllung erfährt. Daher ist es nicht verwunderlich, daß der B G H als
im Sinne der Dolustheorie „anheimgestellt" hat, ob die Tat geschehen soll zweiten Gesichtspunkt anführt, der Tatbeitrag der Angeklagten genüge
„angesichts des festgestellten eigenen Interesses beider seiner Art nach für
oder nicht. die Annahme von Mittäterschaft" 51 . Das bestätigt die alte Erfahrung: Je
Überblickt man die Begründungen der drei angeführten Selbstmordent- inhaltloser der Täterwille bleibt, desto mehr schiebt sich das Kriterium
scheidungen noch einmal im Zusammenhang, so kann man sich des Ein- des Eigeninteresses in den Vordergrund.
drucks nicht erwehren, daß der B G H sich bei der Lösung des jeweiligen Das Urteil zeigt mit seinem noch hinter die Dolustheorie zurückgehenden
Falles ohne klare dogmatische Konzeption von Strafwürdigkeitserwägungen extremen Subjektivismus, daß von einer allgemeinen Anerkennung des Tat-
hat bestimmen lassen; die in wechselnder Bedeutung herangezogenen Täter- herrschaftsgedankens in der Rechtsprechung noch nicht die Rede sein kann.
kriterien scheinen hier mehr zur nachträglichen Rechtfertigung einer aus O b es vereinzelt bleiben wird oder ob es als Indiz dafür zu werten ist, daß
anderen Quellen stammenden Entscheidung zu dienen 46 . der Einfluß der Tatherrschaftslehre in der Praxis schon wieder zurückgeht,
XVIII. Das bisher letzte Urteil des Bundesgerichtshofs zur Täterlehre 47 bleibt abzuwarten 52 .
versucht zum erstenmal den sonst unverkennbaren Einfluß des Tatherr-
schaftsprinzips auf die Rechtsprechung zurückzudrängen. Der Sachverhalt Wollte man abschließend versuchen, die Rechtsprechung des Bundes-
lag so, daß drei Angeklagte, K., St. und S., eine größere Autofahrt gemeinsam gerichtshofs zur Tatherrschaftslehre auf eine eindeutig umrissene Position
machen und sich dazu eines gestohlenen Wagens bedienen wollten. Da K. festzulegen oder auch nur eine folgerichtige Entwicklungslinie aufzuzeigen,
und St. „zu wenig Erfahrung hatten und außerdem nicht fahren konnten", so stünde man vor einer unlösbaren Aufgabe. Denn zwei für die Recht-
beauftragten sie den S. mit dem Diebstahl des Fahrzeuges, den dieser dann spraxis entscheidende Fragen haben bisher keine Antwort gefunden: Erstens
auch allein durchführte. ist unklar geblieben, ob und in welchem Ausmaß der Tatherrschaftsgedanke
Der B G H vertritt die Ansicht, K. und St., die an der Ausführung selbst überhaupt bei der Täterbestimmung heranzuziehen ist; gerade die jüngsten
nicht im geringsten beteiligt waren, seien Mittäter des Diebstahls. Dabei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs halten eine Täterschaft auch ohne
sieht er, daß sie eine Mitherrschaft über das Geschehen nicht ausübten: Tatherrschaft wieder für möglich. Und zweitens läßt sich der Recht-
„Nachdem S. sie verlassen hatte, konnten sie sein Tun nicht mehr lenken" 48. sprechung, dort wo sie den Begriff der Tatherrschaft verwendet, nicht deut-
Doch sei das rechtlich bedeutungslos, weil die Tatherrschaft nur ein Anhalts- lich entnehmen, durch welche inhaltlichen Kriterien er auszufüllen ist. Sub-
punkt für die Mittäterschaft sei, die auch durch andere Umstände begründet jektive und objektive Elemente stehen wechselnd und unverbunden neben-
werden könne. einander.
Sieht man sich nach den sachlichen Kriterien um, auf die der B G H die
Mittäterschaft stützt, so ist unverkennbar, daß die sonst von ihm selbst ver-
50
urteilte reichsgerichtliche Rechtsprechung in der Mischung einer formelhaf- a. a. O. S. 14
51
ten Animus-Theorie mit Interessengesichtspunkten ihre Auferstehung feiert. a. a. O. S. 14
52
Das inzwischen (Oktober 1962) ergangene Urteil des 3. Senats gegen den Agenten
Zwar lehnt sich das Urteil insoweit an frühere BGH-Entscheidungen an, als Staschynski scheint in der Tat eine Rückkehr zum extremen Subjektivismus des „Bade-
es sich darauf beruft, daß der Täterwille „auf Grund aller Umstände wertend wannenfalles" (RGSt 74, 84) zu vollziehen. Die Entscheidung ist bei Abschluß des
zu ermitteln" sei 49 . Manuskripts (Anfang November 1962) noch nicht veröffentlicht. Doch läßt sich den
• Doch werden von allen Umständen hier nur zwei für maßgeblich erklärt. Pressemeldungen entnehmen, daß der Angeklagte nach den Feststellungen des Bundes-
gerichtshofs im Auftrage einer ausländischen Macht zwei Exilpolitiker ohne fremde
Zunächst genüge, meint der B G H , für die Mittäterschaft „eine geistige Mit- Hilfe eigenhändig mit einer Giftpistole heimtückisch ermordet hatte. Obwohl die
wirkung ... in der Weise, daß der Mittäter dem ausführenden Tatgefiossen Voraussetzungen des strafrechtlichen Notstandes ausdrücklich verneint wurden und
durch einen vor der Ausführung gegebenen Rat zur Seite steht oder ... der Angeklagte durchaus die Möglichkeit hatte, sich vor der Tat den deutschen Behör-
dessen Willen zur Entwendung stärkt, wenn er nur ... den ganzen Erfolg den zu stellen, verurteilte ihn der Bundesgerichtshof nur als Gehilfen der Morde, als
deren Täter die im einzelnen unbekannten ausländischen Auftraggeber angesehen
wurden.
Dieses Urteil, bei dem vorerst sogar noch zweifelhaft ist, ob auch nur die Teilnahmevor-
46 aussetzungen einer einseitig subjektiven Theorie - das Fehlen des „Täterwillens" und
Vgl. zur ganzen Problematik eingehend unten S. 489ff. des eigenen Interesses am Erfolg - vorlagen, scheint die frühere reichsgerichtliche
47
BGHSt 16, 12-15, Urt. des 4. Senats v. 10.3.1961 Rechtsprechung erneuern zu wollen. Es ist also denkbar, daß das Eindringen eines
48
a. a. O. S. 15 objektiveren Tatherrschaftsgedankens in die Judikatur nur eine Episode bleiben wird.
49
a. a. O. S. 13
106

Im ganzen gesehen ist die Judikatur zur Täterlehre, die schon seit Jahr-
zehnten Gegenstand heftiger Kritik gewesen ist, in den Nachkriegsjahren
eher noch unsicherer geworden als sie es vorher war. Das ist gewiß ein
Zustand, dessen Überwindung auch nach der Strafrechtsreform noch eine
der wichtigsten dogmatischen Aufgaben für Wissenschaft und Praxis sein
wird. Doch verdient die Rechtsprechung wegen ihres Schwankens keinen
Tadel; sie spiegelt nur die ungeklärte wissenschaftliche Situation wider und
beweist, daß die Entwicklung im Flusse ist. Wenn eines Tages eine Klärung
erreicht sein wird, so wird dem Bundesgerichtshof, der in ständig erneuer- Viertes Kapitel
tem Bemühen wertvolle Ansätze für einen sachgerechten Täterbegriff gefun-
den hat, ein wesentlicher Anteil daran zufallen. Die zahlreichen von ihm zur Die strukturellen Grundlagen des allgemeinen Täterbegriffs
Lösung der Problematik herangezogenen Gesichtspunkte werden später
noch im einzelnen kritischer Würdigung bedürfen. Vorbemerkung

Die Analyse des gegenwärtigen Standes der Tatherrschaftslehre, der das


dritte Kapitel gewidmet war, hat ein verwirrendes Bild ergeben. Es ist dieser
Lehre unbestreitbar gelungen, die zahlreichen anderen Teilnahmetheorien
ganz in den Hintergrund zu drängen; es gibt heute fast keinen Theoretiker
mehr, der nicht in der einen oder anderen Form mit dem Tatherrschafts-
gedanken arbeitet. Andererseits ist aber durchaus keine Klarheit darüber
erzielt worden, was man unter der „Tatherrschaft" im einzelnen zu verstehen
habe; vielmehr ist - von den rechtstheoretischen und dogmatischen Grund-
fragen bis zu den praktischen Ergebnissen - auch unter den Anhängern
dieser Lehre nahezu alles umstritten. Es ist deshalb nicht möglich, hier gleich
eine kritische Stellungnahme zur Tatherrschaftstheorie anzuschließen: Dafür
liegt der Gegenstand, mit dem sich eine solche Auseinandersetzung beschäf-
tigen müßte, zu wenig fest.
Aber noch ein zweiter Grund hindert uns an voreiliger Kritik. Eine wer-
tende Würdigung setzt, wenn sie sich nicht in unzusammenhängende Einzel-
heiten verlieren soll, eine hinreichend gesicherte eigene Konzeption voraus,
die es ermöglicht, die verschiedenen Auffassungen von Täterschaft und
Tatherrschaft auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Ein über methodische Leit-
linien hinausgehender fester Beurteilungsstandpunkt fehlt uns aber noch.
Diese beiden Schwierigkeiten stellen uns eine doppelte Aufgabe: Es muß
erstens aus den vielen verschiedenen Meinungen über Form und Inhalt der
Tatherrschaft eine Auffassung herausdestilliert werden, von der wir sagen
können, sie bestimme diesen Begriff so, wie er richtigerweise verstanden
werden muß. Denn nur wenn wir genau wissen, .welcher Inhalt dem Tat-
herrschaftsbegriff rechtens zukommt, können wir den Erkenntniswert und
die Grenzen dieser Lehre zutreffend beurteilen. Und zweitens müssen wir
einen allgemeinen Täterbegriff entwickeln, der es uns gestattet, zu den
divergierenden Ansichten, die auch unter den Anhängern der Tatherr-
schaftslehre über den Inhalt dieses Begriffs und über die meisten Einzelfra-
gen bestehen, auf der Grundlage einer selbständig erarbeiteten Lehre Stel-
lung zu nehmen.
Die folgende Darstellung beruht auf dem Gedanken, daß die beiden vor-
stehend geschilderten Aufgaben in Wahrheit identisch sind. Denn ein „rieh-
108 109

tiger" Tatherrschaftsbegriff ist nur dann gefunden, wenn er als allgemeiner Verhalten in jedem Falle oder auch nur typischerweise als das dominierende
Täterbegriff brauchbar ist. Einen anderen Prüfstein für seine Sachgerechtig- in der Gesamtsituation kennzeichnet" 1 , und: „Ein bestimmtes sichtbares
keit gibt es nicht. Bei der Suche nach dem Inhalt der Tatherrschaft ist deshalb Kennzeichen läßt sich ... nicht erbringen" 2 . In ähnlicher Weise will
der richtige Täterbegriff immer schon mitgefragt. Was also in diesem Kapitel Hardwig 3 seine Entscheidung „auf eine Ganzheitsbetrachtung der Tat"
über die strukturellen Grundlagen eines von uns erst herauszubildenden Tat- gründen undmeint: „,Interesse', ,wessen Sache (Aufgabe) etwas ist', ,animus
herrschaftsbegriffs gesagt wird, hat für die Täterlehre generelle Gültigkeit. auctoris und socii', ,Tatherrschaft' und ähnliche Formeln können nur aus der
Dabei wird unsere Lösung in ständiger Auseinandersetzung mit Schrifttum konkreten Situation mit Leben erfüllt werden."
und Rechtsprechung entwickelt werden müssen. Aber auch bei zahlreichen Vertretern der Tatherrschaftslehre fällt auf, daß
Dies alles bedeutet freilich nicht, daß ein sachgerechter Tatherrschaftsbe- sie, obwohl sie den Tatherrschaftsbegriff ständig verwenden, über seinen
griff schon sämtliche Probleme der Täterlehre klären müßte und seinerseits Inhalt nicht viel sagen. Dem liegt anscheinend die Vorstellung zugrunde, daß
keiner Kritik mehr bedürfte. Eine solche Annahme, von der die meisten sich genauere abstrakte und generell gültige Angaben nicht machen ließen
gegenwärtigen Vertreter dieser Lehre ausgehen, verkennt den Umstand, daß und daß die Bildkraft der Formel selbst einen hinreichenden Anhalt für die
die Vielgestaltigkeit des Rechtsstoffes möglicherweise auch die Heranzie- richterliche Würdigung biete.
hung anderer noch aufzufindender Gesichtspunkte erfordern kann. Das wird Selbst bei Welzel und Gallas, die zu den wissenschaftlichen Begründern
im Anschluß an die Behandlung der Tatherrschaftslehre noch eingehender der Tatherrschaftstheorie gehören, läßt sich eine seltsame Vagheit und
Erörterung bedürfen. Ungreifbarkeit ihrer Angaben über den Inhalt dieses Begriffs feststellen.
Bei Entwicklung der Grundlagen des allgemeinen Täterbegriffs, an die wir So führt etwa Welzel in seiner ersten Arbeit zur Täterlehre den Begriff ganz
zunächst herangehen müssen, können wir an das Ergebnis anknüpfen, das unvermittelt und ohne Erläuterung ein, wie wenn sich seine Bedeutung
die methodischen Erwägungen am Beginn unserer Arbeit erbracht haben: von selbst verstünde 4 . Später sagt er, die Tatherrschaft stehe demjenigen zu,
Danach ist der Täter die Zentralgestalt, die Schlüsselfigur des handlungs- „der seinen Willensentschluß zweckbewußt zur Durchführung" bringe 5 -
mäßigen Geschehens. Für die „Tatherrschaft" kommt also von vornherein eine Erklärung, mit der nicht viel anzufangen ist, weil sie meist ebensogut
nur eine Begriffsbestimmung in Frage, die diesen Voraussetzungen genügt: auf den Anstifter paßt und in den zweifelhaften Fällen überhaupt keine
Als „Tatherr" kann nur die Zentralgestalt des konkreten Handlungsvorgan- Lösung bringt.
ges angesehen werden. Auch Gallas äußert sich nur in recht dunkler Weise, wenn er sagt 6 :
Damit ist freilich nicht mehr als ein Richtpunkt gewonnen. Denn welche „Die vom Täter eingesetzten Mittel müssen ... geeignet sein, die Her-
Umstände es sind, die jemanden zum Herrn der Tat, zur Schlüsselfigur des beiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges als sein Werk und ihn insoweit
Geschehensablaufes machen, und wie diese Merkmale im Einzelfall zu als ,Herrn der Tat' erscheinen zu lassen ... Der dabei angewandte Maßstab
bestimmen sind, das ist die Frage, die über den dogmatischen Wert und die läßt sich schlagwortartig mit dem Begriff der ,Tatherrschaft' bezeichnen,
praktische Brauchbarkeit des Begriffes entscheidet. sofern man sich bewußt bleibt, daß sich in diesem Begriff objektive und
subjektive Momente miteinander verbinden, daß er das Ergebnis einer
zugleich finalen und wertenden Betrachtungsweise ist." Auch hier wird die
§ 1 5 . Die Tatherrschaft als u n b e s t i m m t e r Begriff Tatherrschaft mehr durch sich selbst erklärt als in ihren Begriffselementen
umschrieben.
Als erste Möglichkeit einer Verwendung des Tatherrschaftsbegriffs bietet Das einzige Beispiel, das Gallas zur Erläuterung gibt, macht seine Auf-
sich der Gedanke an, auf fixierbare Elemente überhaupt zu verzichten und fassung nicht klarer. Er sagt: „Eine Tötungshandlung begeht nicht schon,
die Frage, wer die Tatherrschaft habe, im Einzelfall jeweils durch eine wer vorsätzlich irgendwelche Bedingungen zum Todeserfolg setzt, vielmehr
.Gesamtschau aller Umstände des konkreten Sachverhaltes zu entscheiden. erst, wer dabei nach einem Programm verfährt, dessen Verwirklichung
Ein derartiges Verfahren ist keineswegs unüblich und läßt sich in Wissen- ihm den Todeserfolg ,in die Hand gibt'." Bei näherem Hinsehen stellt auch
schaft und Praxis als eine - offen oder versteckt praktizierte - sehr beliebte diese Wendung nur eine Wiederholung des Herrschaftsgedankens mit an-
Methode der Begriffshandhabung nachweisen.

1
I. Die Wissenschaft Dahm a. a. O. S. 42
2
R. Schmidt a. a. O. S. 161; vgl. zum ganzen oben S. 49-51
3
GA 1954, S. 358 und 355/56
Schon Dahm und Richard Schmidt gehen in dieser Weise vor, wenn sie zur 4
Vgl. ZStW Bd. 58, 1939, S. 491-566 (539)
5
Erläuterung ihres dem Tatherrschaftsgedanken sehr nahestehenden Über- ZStW a. a. O. S. 543; SJZ 1947, Sp. 650
6
ordnungskriteriums ausführen: „Es gibt kein abstraktes Merkmal, das ein Gutachten, S. 128
110 111

deren Worten dar. Die Frage ist doch gerade, wann man sagen kann, daß hin sind die Bemerkungen, die bei den Beratungen der Großen Strafrechts-
jemandem ein Erfolg „in die Hand gegeben" sei, daß er also die Tatherrschaft kommission von Praktikern zu der bei den Gerichten üblichen Methode der
habe. Dafür aber finden sich bei Gallas keine definitorisch umschriebenen Täterfeststellung gemacht worden sind, aufschlußreich genug. So hat z.B.
Merkmale. Schwalm 9 .ausgeführt, nach der Rechtsprechung werde ungeachtet aller
Freilich machen Welzel und Gallas bei Behandlung zahlreicher Einzel- Theorien als Täter betrachtet, „wer nach der Gesamtheit der äußeren und
probleme durchaus konkrete Angaben darüber, ob Täterschaft vorliegt inneren Umstände der Tat für diese als maßgeblich, als Teilnehmer, wer als
oder nicht; aber es bleibt offen, auf welche Weise diese Ergebnisse aus dem untergeordnet bewertet wird. Dem Täter wird, nachdem ihn eine Ganzheits-
Tatherrschaftsbegriff gewonnen sind. Auch hier läßt sich häufig der Ein- betrachtung als solchen erwiesen hat, der Täterwille, dem Teilnehmer der
druck nicht ganz abweisen, als seien die - zum Teil voneinander abweichen- Teilnehmerwille unterstellt. Die animus-Formel ist also eine Tarnung für die
den - Lösungen mit Hilfe des Leitbildes „Tatherrschaft" und eines all- richterliche Wertung auf Grund einer Ganzheitsbetrachtung ... Wenn der
gemeinen Billigkeitsgefühls in rational nicht nachprüfbarer Weise erzielt Bundesgerichtshof heute gelegentlich mit dem Begriff der Tatherrschaft
worden. Wenn neuerdings Class 7 über die Tatherrschaftstheorie das Pau- arbeitet, so erscheint uns das bisher auch nicht als ein Fortschritt, sondern
schalurteil abgibt, daß diese „Bemühungen zur Abgrenzung von Täter- nur als eine Vertauschung der Begriffe. Anstelle der animus-Formel wird die
schaft und Teilnahme schlagwortartige Generalklauseln sind, die inhaltlich Tatherrschaftsformel verwendet." Hier wird sehr deutlich, daß auf einen faß-
noch weniger aussagen dürften als die Formeln vom animus auctoris und baren Begriffsinhalt zugunsten eines rational nicht auflösbaren Wertungs-
animus socii", so wird das zwar den Möglichkeiten dieser Lehre nicht ge- aktes verzichtet wird.
recht. Die geschilderten Tendenzen, die dazu führen könnten, aus der Tat- Die Neigung der Rechtsprechung zu einer derartigen „Ganzheitsbetrach-
herrschaft einen unbestimmten Begriff zu entwickeln, werden hier aber tung" ist von anderen Praktikern bestätigt worden. Im Anschluß an
richtig erfaßt. Schwalm hat Krille 10 erklärt, „daß wir in der Praxis ... ungeachtet der in der
Rechtsprechung theoretisch herausgearbeiteten Formeln in Wahrheit von der
Ganzheitsbetrachtung ausgehen ...", und auch von Stackeiberg 11 hat sich der
IL Die Praxis Erkenntnis gebeugt, „daß heute in der Praxis häufig eine ganzheitliche
Betrachtung der Tat im Vordergrund steht, aus der erst nachträglich Diffe-
Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt deutliche Züge renzierungen gewonnen werden".
einer unfestgelegten Täterlehre. Das zeigt nicht nur die wechselnde und Es ist klar, daß der Tatherrschaftsbegriff einer derartigen Neigung der
vielfach wahllos anmutende Verwendung heterogener Kriterien. Es ergibt Praxis noch weiter entgegenkommt als eine subjektive Theorie; denn
sich besonders aus der immer wieder auftauchenden Formel, daß die Täter- während diese - sei es auch in noch so formalisierter Weise - immerhin an
schaft „auf Grund aller Umstände ... wertend zu ermitteln" 8 sei. Denn psychische Realitäten anknüpft, läßt sich die „Tatherrschaft" leicht als reiner,
welche von den unzähligen Umständen des individuellen Falles in Betracht jeder Nachprüfung unzugänglicher Würdigungsbegriff auffassen.
zu ziehen und nach welchen Maßstäben sie zu „bewerten" sind, wird hier
weitgehend dem Richter überlassen. Folgerichtig werden Kriterien wie die
der „Herrschaft", des „Interesses", der „inneren Unterordnung", des III. Die Ursachen dieser Entwicklung
„äußeren Tatbeitrages" immer nur als „Anhaltspunkte" bezeichnet, von
denen offen bleibt, welchem im konkreten Fall der Vorzug gebührt und Bevor man sich darüber schlüssig wird, ob ein so verstandener Tatherr-
ob nicht auch noch andere Gesichtspunkte maßgeblich sein können. Es liegt schaftsgedanke eine brauchbare Grundlage der Täterlehre bilden kann, emp-
nahe, daß der Richter bei einer solchen Rechtsprechung die Täterschaft fiehlt es sich, diese Entwicklung in einem etwas weiteren Rahmen zu
gefühlsmäßig bestimmen und nachträglich durch irgendeines der zahlreichen betrachten, in dem ihre Tragweite und Bedeutung klarer hervortritt.
ihm zur Auswahl stehenden Kriterien rechtfertigen wird. Selbst bei einigen Schon im Jahre 1938 hat Schwinge ein Buch über „Irrationalismus und
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist die Vermutung, daß si? auf Ganzheitsbetrachtung in der deutschen Rechtswissenschaft" geschrieben, in
diese Weise zustandegekommen sein könnten, nicht ganz von der Hand zu dem er die Versuche, an die Stelle der exakten logischen Subsumtion
weisen. eine gefühlsmäßig-irrationale „Ganzheitsbetrachtung" treten zu lassen, auf
Über die Art, in der die unteren Gerichte den Tatherrschaftsbegriff hand- die damaligen philosophischen Modeströmungen zurückführt und ihr Ein-
haben, liegt noch kein ausreichendes Erfahrungsmaterial vor. Immer- dringen in die Strafrechtswissenschaft bekämpft. Auf die Täterlehre nimmt

9
7
Niederschriften, S. 89
10
Generalklauseln im Strafrecht, in: Festschrift für Eb. Schmidt, 1961, S. 126, Anm. 20 Niederschriften, S. 99
8 11
Vgl. nur BGHSt 8, S. 396 (oben Nr. X, S. 96ff.) Niederschriften, S. 100
112 113

er nirgends Bezug. Aber die in der Rechtsprechung immer schon vorherr- Die Akzentverlagerung vom Gesetzesrecht zum Richterrecht, von der all-
schende, mittlerweile auch im Schrifttum weitgehend vollzogene Abwen- gemeingültigen Norm zur Einzelfallentscheidung charakterisiert also einen
dung von eindeutig fixierten Täterkriterien und besonders die von namhaf- für die gesamte Entwicklung der modernen Rechtsfindungslehre feststell-
ten Sachkennern geschilderte gegenwärtige Praxis einer freien richterlichen baren Umschichtungsprozeß 16 . Wenn man die Dinge so sieht, kann es nicht
„Ganzheitsbetrachtung", die sich der Theorie nur noch als des Deckmantels mehr wundernehmen, daß diese Tendenzen auch in die Täterlehre einge-
für einen in Wirklichkeit irrationalen Wertungsakt bedient, stimmen mit der drungen sind. Obwohl das nirgends ausdrücklich hervorgehoben wird, läßt
dort geschilderten Tendenz zum Teil bis in die Formulierung überein. Pro- sich sogar die Behauptung wagen, der Erfolg der Tatherrschaftslehre sei zum
blematisch bleibt allerdings ihre Verknüpfung mit bestimmten philosophi- Teil darauf zurückzuführen, daß dieser Begriff dem Zug zur Individualisie-
schen Richtungen. Sie hat sich schon für die von Schwinge seinerzeit rung (ganz anders als etwa die noch vor 30 Jahren herrschende formal-
behandelten Fälle nicht deutlich nachweisen lassen; und in der Täterlehre objektive Theorie) keinen Widerstand entgegensetzt und - wenn man ihn
gibt es jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine unmittelbare Beeinflussung nicht durch die Reduzierung auf feste Begriffselemente einengt der richter-
durch philosophische Auffassungen. lichen Entscheidung im Einzelfall weiten Spielraum läßt.
Richtiger dürfte es sein, die hier bei Bestimmung des Täterbegriffs auf-
tretende Erscheinung in dem größeren Zusammenhang zu sehen, den in
neuerer Zeit namentlich Henkel 1 2 als einen über alle Rechtsbereiche sich IV. Stellungnahme
erstreckenden Prozeß der „Individualisierung" des Rechts beschrieben und
nachgewiesen hat. Damit ist das überall sich zeigende Bestreben gemeint, der O b die hier nur angedeutete Gesamtentwicklung billigenswert sei oder
Gerechtigkeit des individuellen Falles den Vorzug zu verschaffen vor einer nicht, ist bekanntlich überaus umstritten 17 . Es handelt sich dabei letzten
Regelung durch genaue begriffliche Umschreibungen, die zwar der Rechts- Endes um den in der Rechtsidee selbst liegenden Widerspruch zwischen
sicherheit dienen, im atypischen Einzelfall aber zu starren und deshalb un- den Forderungen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit, der
billigen Ergebnissen führen können. nie vollkommen aufzulösen sein wird. Das Problem umfassend zu behan-
Henkel, der diese Entwicklung mit einer Fülle von Beispielen illustriert, deln, ist hier nicht der Ort; es ist dies auch umso weniger nötig, als sich eine
erwähnt die Täterproblematik nicht. Gleichwohl zeigt unser historischer für alle Fälle gleichermaßen gültige Lösung wahrscheinlich nicht geben
Überblick über die bis zur Tatherrschaftslehre vertretenen Teilnahmetheo- läßt 18 . Hier muß es genügen, der in diesem Bereich noch nie grundsätzlich
rien, daß gerade die Einseitigkeit aller logisch exakt erfaßbaren Kriterien und gestellten Frage allein für den Täterbegriff nachzugehen. Dann ergibt sich
ihre Unfähigkeit, den mannigfaltigen Erscheinungsformen des Lebens in dieses Bild:
ihren individuellen Ausprägungen gerecht zu werden, die allgemeine An- Ein Tatherrschaftsbegriff, der - orientiert an der Leitlinie des Täters als
erkennung dieser Lehren verhindert hat 13 . Es entspricht daher dem begreif- der Zentralgestalt - ohne Festlegung weiterer Begriffselemente nur aus der
lichen Bemühen, für jeden denkbaren Einzelfall eine billige Lösung zu Anschauung des jeweiligen konkreten Sachverhaltes mit Inhalt gefüllt
ermöglichen, wenn man sich auch in der Täterlehre mit einem abstrakten würde, hätte den Vorteil, eine der Individualität des Einzelfalls angepaßte,
Allgemeinbegriff wie dem der „Tatherrschaft" begnügt und von einer weiter- gerechte Entscheidung zu ermöglichen; er hätte den Nachteil, daß (wie es
gehenden Festlegung des Begriffsinhalts zugunsten der individuellen richter- nach den oben zitierten Angaben schon heute in der Praxis zum Teil
lichen Würdigung absieht. „Die Chance der Wirkkraft des Individuellen auf der Fall ist) die Teilnahmelehre weitgehend eine Domäne des Richterrechts
die konkrete Entscheidung des Lebensfalles ist ... um so größer je abstrakter würde und daß bei der Unklarheit über die anzuwendenden Maßstäbe die
der Gesetzesbegriff ist", sagt Henkel 14 , und er zieht daraus den Schluß: Rechtssicherheit eine empfindliche Einbuße erlitte.
„Indem der Gesetzgeber solche ,ausfüllungsbedürftigen' Begriffe verwendet, Die kritische Besinnung lehrt, daß in diesem Falle die Nachteile größer
gibt er dem Rechtsanwender die Anweisung oder die Ermächtigung, bei sein würden als der praktische Gewinn. Um das zu begründen, bedarf es
der Rechtsverwirklichung auf diejenigen dem Einzelfall eigentümlichen einer über die Interpretation des Tatherrschaftsbegriffs etwas hinausgrei-
Merkmale Bedacht zu nehmen, die sich der generalisierenden Vorwegbeur-
teilung des Gesetzgebers entziehen" 15. Diese allgemeine Aussage trifft auch 16
auf einen in dem hier gekennzeichneten Sinne verstandenen Tatherrschafts- Für den Bereich des Strafrechts vgl. auch Dahm, Die Zunahme der Richtermacht im
modernen Strafrecht, 1931
begriff in vollem Umfange zu. 17
Man vergleiche nur etwa die Bestrebungen der Freirechtsschule und Isay's Abhandlung
über „Rechtsnorm und Entscheidung", 1929, einserseits, mit Drost, Das Problem einer
Individualisierung im Strafrecht, 1930, Hedemann, „Die Flucht in die Generalklauseln",
n 1933, Schwinges oben genanntem Werk und neuerdings Class, „Generalklauseln im
Recht und Individualität, 1958
13 Strafrecht", Festschr. für Eb. Schmidt, 1961, S. 122 ff., andererseits; vermittelnd Henkel
Vgl. oben S. 34 ff., bes. S. 35/38, 40/41, 43/44, 48/49, 54/55
14 a. a. O.
a. a. O. S. 27 18
15
a. a. O. S. 28/29 Vgl. Henkel a. a. O. S. 23
114 115

fenden, wenn auch notwendig knapp gehaltenen und die allgemeine Pro- Mögen schon hier die unbestimmten Begriffe oft zu einer gewissen
blematik unvermeidlich vereinfachenden Überlegung. Sie zeigt folgendes: Rechtsunsicherheit führen: Ihre Verwendung erscheint dennoch als zulässig,
Es werden zwar in allen Bereichen des Rechts unbestimmte Begriffe in weil der Rückgriff auf verfestigte Allgemeinüberzeugungen und sittliche
großer Zahl verwendet; aber zu Recht geschieht das - soweit ich sehe - nur Prinzipien der Rechtsprechung Maßstäbe bietet, die objektiv überprüfbar
bei drei Gruppen: den Begriffen mit fließendem Inhalt (1), den vorrechtlich sind, einer oriehtierungslosen Willkür vorbeugen und außerdem bei der
geformten Begriffen (2) und den regulativen Prinzipien (3). sozialethischen Fundierung des Rechts nicht entbehrt werden können.
1. Ich spreche von „Begriffen mit fließendem Inhalt", wenn der Gesetz- 3. Die regulativen Begriffe, deren Besonderheit erstmals von Henkel 21
geber seine Regelung auf die ständig sich wandelnde Volksüberzeugung deutlich herausgearbeitet worden ist, zeichnen sich dadurch aus, daß sie -
bezieht und sie zur Richtschnur seines Eingreifens macht. Beispiele dafür anders als die beiden vorher behandelten Gruppen - weder rechtliche noch
sind etwa die polizeiliche Generalklausel (§14 PrPVG) und der Begriff der außerrechtliche Maßstäbe der inhaltlichen Ausfüllung bieten. Das beste Bei-
Beleidigung (§185 StGB). Hier muß der Gesetzgeber zu unbestimmten spiel bietet der in der gesamten Rechtsordnung an zahlreichen Stellen auf-
Begriffen greifen: die in der Bevölkerung herrschenden Vorstellungen über tretende Begriff der „Zumutbarkeit"; er ist „völlig wertfrei" 22 , formal und
das, was unerläßliche Voraussetzung gedeihlichen mitmenschlichen Zu- inhaltlos. „Verwertet der Gesetzgeber eine regulative Klausel, so bedeutet
sammenlebens ist - und damit die öffentliche Ordnung ausmacht - oder das nicht Normgebung, sondern im Gegenteil Normverzicht, Negierung der
die Auffassung darüber, welche Verhaltensweisen den sozialen Achtungs- Gesetzesnorm unter der Anweisung, aus dem Einzelfall die Richternorm zu
anspruch des einzelnen antasten - also beleidigend sind - verändern sich entwickeln."
fortlaufend und weisen auch vielfältige örtliche Verschiedenheiten auf. Man Es ist klar, daß man mit Hilfe derartiger Regulative keine Rechtsbegriffe
denke an die Wandlungen der Kleider- und Badesitten in den letzten 50 Jah- bilden kann. Ihr Anwendungsbereich ist daher auch ein wesentlich engerer;
ren oder die sozial und örtlich durchaus verschiedene Bewertung des Götz- er beschränkt sich darauf, in den unkodifizierbaren Randbezirken sonst fest
Zitats! Da der Gesetzgeber sich hier dem Flusse der Allgemeinauffassung umrissener Begriffe eine gerechte Entscheidung des Einzelfalles zu ermög-
anpassen will, wäre ein inhaltlich festgelegter, statischer Begriff unbrauchbar; lichen. So sind etwa die Voraussetzungen der Erfolgsabwendungspflicht
der unbestimmte Begriff bildet die einzige Möglichkeit, der Dynamik der bei den unechten Unterlassungsdelikten von der Wissenschaft verhältnis-
sozialen Wertungen gerecht zu werden. mäßig deutlich herausgearbeitet worden; und wo das noch nicht gelungen
2. Vorrechtlich geformt ist ein Begriff, wenn er seinen Inhalt außerrecht- ist, wird es in der Zukunft geschehen müssen. Aber es wird immer ein
lichen Lebens- und Seinsbereichen entnimmt und vom Gesetzgeber in seine begrifflich nicht einzufangender Grenzbereich bestehen bleiben, in dem die
Regelung übernommen wird 19 . Soweit dabei unbestimmte Rechtsbegriffe Entscheidung mit Hilfe des regulativen Prinzips der Zumutbarkeit den
verwendet werden, geschieht das namentlich in zwei Bereichen: bei den zu Gegebenheiten des konkreten Falles angepaßt werden kann und muß 2 3 .
„Kulturnormen" verfestigten Sozialauffassungen und im Gebiete der Ethik. Genau so verhält es sich mit der Sorgfaltspflicht bei den fahrlässigen
Die Fälle der ersten Art gehören zum Teil gleichzeitig zu den eben behandel- Delikten und der Gewissensanspannung beim Verbotsirrtum: Hier und in
ten „Begriffen mit fließendem Inhalt"; aber nur zum Teil: Es gibt Kultur- zahlreichen anderen Fällen wird durch die Einschaltung des Zumutbarkeits-
normen von beträchtlicher Beharrungskraft. Die ethischen Werte dagegen begriffes eine schmale Zone der richterlichen Beurteilung des Einzelfalles
wandeln sich nicht. Die Sittenordnung ist - wenigstens in ihren leitenden überlassen.
Prinzipien - unveränderlich 20 . Beispiele bilden etwa Begriffe wie die „Würde Dagegen wäre es sachlich und methodisch durchaus fehlerhaft, den Kern-
des Menschen" im öffentlichen Recht (Art. 1 GG), die „guten Sitten" im bereich eines Begriffes mit Hilfe eines regulativen Prinzips bestimmen zu
Zivilrecht (§§242, 826 BGB) oder die „Verwerflichkeit" und die „Gewissen- wollen und etwa - wie es bekanntlich vielfach geschehen ist - die Unzumut-
losigkeit" im Strafrecht (§§240, 170c StGB). barkeit als selbständigen Schuldausschließungsgrund anzusehen. Es würden
dadurch die einzelnen kodifizierten und von der Wissenschaft herausgearbei-
teten Gründe der Schuldbefreiung eingeebnet werden, und die gesamte
19
Die viel behandelte Frage, ob und inwieweit die Begriffe durch die Aufnahme in d3s Schuldlehre geriete in den gesetzesfreien Raum. Entsprechendes gilt für alle
Gesetz mit einem an den spezifischen Zwecken des Rechts ausgerichteten „normativen anderen dogmatischen Begriffe.
Gespinst" überzogen werden, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
20
Vgl, etwa BGHSt 6, 46-59 (51/52); ob sich freilich der dort behandelte Fall zur
Demonstration dieses Grundsatzes eignete, ist überaus fraglich. Natürlich kann hier
nicht zu der Frage Stellung genommen werden, ob die ethischen Werte absolute, „Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit als regulatives Rechtsprinzip", in: Mezger-Fest-
apriorische, aus sich selbst heraus geltende Wesenheiten sind, ob sich ihr Sein und schrift, 1954, S. 249-309
ihre Verbindlichkeit auf die göttliche Schöpfungsordnung gründet, oder ob es sich Hier und im folgenden Zitat: Henkel a. a. O. S. 303
nur um gegenüber der wechselnden Sitte relativ stabile Kulturüberzeugungen des Vgl. dazu Henkel, „Das Methodenproblem bei den unechten Unterlassungsdelikten",
abendländischen Rechtskreises (und damit in weiterem Sinne doch wieder um Kultur- in: Festschrift für Tesar, MSchr Krim 1961, S. 178 ff, der hier aber noch weitergehend
normen) handelt. mit Regulativen arbeitet.
116 117

Wenn wir versuchen, aus diesen Erkenntnissen die Folgerungen für die mens. So sagt er etwa: „Die soziale Zuordnung ist ... der Gesichtspunkt,
Bestimmung des Täterbegriffs zu ziehen, so ergibt sich, daß er sich in keine der die Prinzipien für die Beurteilung in sich trägt ... Ein Beispiel vermag
der drei oben behandelten Gruppen einordnen läßt. dies trefflich zu beleuchten. Ein Großgrundbesitzer entschließt sich, wegen
1. Die Tatherrschaft ist kein Begriff mit fließendem Inhalt; wer von Arbeitermangels ... selbst auf dem Felde mitzuarbeiten." Hardwig er-
mehreren an einer Straftat Beteiligten Täter, wer Anstifter und Gehilfe ist, scheint es nun „nicht sinnwidrig zu sagen, der Besitzer habe seinen Arbei-
das läßt sich für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nach gleichen tern auf dem Felde bei der Arbeit geholfen". Ganz gewiß kann man das
Prinzipien beurteilen. Es besteht daher insofern keine Veranlassung, einen sagen: Aber gesetzt, die Arbeit erfüllte einen Straftatbestand. Dann wäre es
unbestimmten, der Anpassung an laufende Veränderungen fähigen Tatherr- doch wohl nicht gut möglich, den Großgrundbesitzer, der den Tatbestand
schaftsbegriff zu bilden. eigenhändig verwirklicht und außerdem seinen Arbeitern in jeder Beziehung
2. Der Begriff des Täters ist auch nicht in hinreichendem Maße vorrecht- übergeordnet ist, nur als Gehilfen anzusehen. Das würde nicht nur allen
lich geformt. Er knüpft zwar an gewisse soziale Vorgegebenheiten an; doch sonst vertretenen Auffassungen und unserer Lehre von der „Zentralgestalt"
kommt man auf diesem Wege nur bis zu dem Punkt, bei dem wir anfangs widersprechen, sondern nicht einmal einen volkstümlichen Täterbegriff
mit unseren methodologischen Erwägungen stehenblieben: dem Begriff ergeben 29 .
des Täters als der Zentralfigur des handlungsmäßigen Geschehens, einer Es ist auch nicht schwer zu erkennen, warum eine hinreichende soziale
Auffassung, in der ontische und teleologische Betrachtungsweise zusam- Vorgeformtheit des Täterbegriffs notwendig fehlen muß. Sie besteht nur
mentreffen. Bis hierher haben alle diejenigen Recht, die meinen, man dort, wo die Rechtsordnung sich auf das Sittengesetz und auf institutionali-
könne aus der „natürlichen Auffassung des Volkes" Anhaltspunkte für die sierte soziale Verhaltensweisen bezieht. Was gegen die guten Sitten und
Bestimmung des Täterbegriffs gewinnen 24 . Durchaus zutreffend sagt daher gegen die Menschenwürde verstößt, sagen Rechtsgefühl und Gewissen;
etwa Wegner 25 , um den extensiven Täterbegriff schon im Hinblick auf die sozialen Spielregeln werden dem einzelnen durch ständige Einübung
die soziale Tätervorstellung abzulehnen: „Lachen würde ... die Einbrecher- geläufig. Auf die Frage aber, ob jemand Mittäter oder Gehilfe, mittelbarer
bande, wenn die blinde Großmutter des Kaschemmenwirtes prahlen wollte, Täter oder Anstifter sei, finden Rechtsgefühl und Gewissen keine Antwort,
sie hätte doch neulich den großen Einbruch mit der berühmt gewordenen da es sich hier nicht um ein Problem größerer oder geringerer Strafwürdig-
Fassadenkletterei ,mitgemacht', bloß weil sie vorher die Strickleitern keit oder Verwerflichkeit handelt 30 . Und der Kodex der Sozialbeurteilungen
geknüpft hatte!" Das alles ist oben schon näher ausgeführt worden und schweigt ebenso; denn es geht um eine Begriffsabgrenzung, für die sich in
bedarf keiner Wiederholung 26 . der Allgemeinauffassung nur dann Muster finden, wenn sie an konventio-
Weiter aber reicht die Möglichkeit, auf einen in der Allgemeinüberzeu- nelle Verhaltensnormen anknüpfen, die in diesem Bereich begreiflicherweise
gung vorgeformten Täterbegriff zurückzugreifen, nicht. Man braucht sich nicht bestehen.
nur einige bekannte, immer wieder auftauchende Fragen zu stellen, etwa: Es ergibt sich also, daß die mangelnde soziale Vorgeformtheit des Täter-
ob jemand, der einen Mordgesellen dingt, Anstifter, Mittäter oder mittel- begriffs nicht zufällig ist, sondern in der Natur der Sache liegt.
barer Täter sei; ob einer, der nur im Vorbereitungsstadium mitwirkt, trotz- Wenn man daher die „Tatherrschaft" als unbestimmten Begriff verstehen
dem Mittäter sein könne; ob die Veranlassung einer vorsätzlich und schuld- und nicht auf weitere festgelegte Merkmale zurückführen wollte, müßte es
haft handelnden, aber abhängigen Person der Täterschaft oder der Anstiftung zwangsläufig bei der oben herausgearbeiteten Leitlinie für die richterliche
zuzuordnen sei - Fragen, die alle auch unter den Anhängern der Tatherr- Würdigung bleiben. Das aber wäre zu wenig. Ein methodischer Ansatz-
schaftslehre strittig sind - um zu sehen, daß man durch eine Betrachtung der punkt bietet zwar die Möglichkeit zur Erarbeitung eines dogmatisch brauch-
„Volksanschauung" der Lösung um keinen Schritt näher kommt. baren Begriffes, aber er kann diesen Begriff nicht ersetzen.
Schon in der Vergangenheit sind zahlreiche Versuche dieser Art, die Daraus folgt: Ein unbestimmter Tatherrschaftsbegriff würde sich nicht
namentlich durch die Orientierung am Sprachgebrauch zu einem „sozialen" durch die soziale Vorgeformtheit des Begriffsinhalts rechtfertigen lassen.
Täterbegriff kommen wollten, immer wieder gescheitert. Als letzter hat 3. Auch als notwendig inhaltloses, regulatives Prinzip - wie es hier in der
es Hardwig 2 7 unternommen, eine solche Methode wiederzubelei)en 28 . Leerform der Zentralgestalt als Richtlinie auftreten könnte - ist der Begriff
Seine eigenen Beispiele zeigen jedoch die Problematik dieses Unterneh- der Tatherrschaft nicht sinnvoll. Das ergibt sich zwangsläufig aus der oben
geschilderten beschränkten Funktion der Regulative: Sie sollen an den
kodifikatorisch nicht mehr erfaßbaren Grenzen sonst fest umrissener Be-
24
Vgl. dazu etwa Schwinge, Militärstrafgesetzbuch, 1944, S. 89
25
Allgemeiner Teil, S. 249
26
Vgl. oben S. 28 ff.
27
G A 1954, S. 353 ff. 29
Inwieweit in der Ansicht H a r d w i g s ein richtiger G e s i c h t s p u n k t liegt, wird unten noch
28
Vgl. dazu in etwas anderem Z u s a m m e n h a n g mit weiteren Beispielen schon oben zu erörtern sein, vgl. S. 384
S. 17-19 30
Vgl. d a z u o b e n S. 30/31 ff.
118 119

griffe eine gerechte Einzelfallentscheidung ermöglichen. Der Tatherrschafts- § 16. Die Tatherrschaft als fixierter Begriff
begriff dagegen soll im Zentrum der Täterlehre stehen.
Auch von diesem Gesichtspunkt her ist es somit nicht angemessen, einen Das nächstliegende Verfahren, um einen klar faßbaren Tatherrschaftsbegriff
unbestimmten Tatherrschaftsbegriff zu bilden. Eine andere Frage ist es, ob zu gewinnen, besteht darin, ihn als „fixierten" Begriff zu verstehen. Von
es rätlich erscheint, neben einem exakt erfaßbaren Begriffskern schmale einem „fixierten" Begriff kann man sprechen, wenn er sich definitorisch
Randzonen zur Ausfüllung durch einen nicht weiter reduzierbaren, un- auf bestimmte einzelne Elemente zurückführen läßt, die im Wege eines
bestimmten Tatherrschaftsbegriff offen zu halten. Darauf wird noch zurück- objektiv überprüfbaren Subsumtionsaktes erfaßbar sind und mit Hilfe
zukommen sein. deren sich jeder Einzelfall durch ein deduktives Vorgehen ohne weiteres
lösen läßt.
Damit ist nachgewiesen, daß die Auffassung der „Tatherrschaft" als Eine mathematisch genaue Festlegung darf man freilich von vornherein
eines unbestimmten Begriffes keine vertretbare Lösung bringt. Es mag nicht erwarten: Begriffe, die einem ganz „wertfreien" richterlichen Erkennt-
zwar sein, daß unbestimmte Begriffe auch sonst außerhalb der genannten nisverfahren zugänglich sind, gibt es nur überaus selten. Wo aber die „nor-
Fälle in der Rechtsordnung vorkommen; dem kann hier nicht nachgegangen mative" Sphäre beginnt, wo es sich um Erscheinungen handelt, die über die
werden. Aber sie dürfen dann nicht als Vorbilder wissenschaftlicher Be- Feststellung naturwissenschaftlich-empirischer Fakten hinaus in den Bereich
griffsformung dienen. Vielmehr handelt es sich dabei meist um die wirklich des nur geistig Verstehbaren hineinragen, verlieren die Begriffe ihre absolute
bedenklichen Fälle der von Hedemann mit einem vielleicht etwas zu un- Eindeutigkeit. Nicht, als ob die Gegebenheiten hier subjektiv beliebiger rich-
differenzierten Pauschalurteil verworfenen „Flucht in die Generalklauseln", terlicher Wertung ausgesetzt würden; auch geistig verstehbare Phänomene
um eine Ermüdungserscheinung, die zur „Verweichlichung" des Rechts, werden objektiv erfaßt. Aber ihre mangelnde Quantifizierbarkeit läßt im
zu „Unsicherheit" und „Willkür" führen kann 31 . Es ist immerhin kenn- Einzelfall oft verschiedene Beurteilungen zu. Gleichwohl besteht der Sache
zeichnend, daß von den Praktikern, die über die Neigung der Recht- nach ein erheblicher Unterschied zwischen einem in dem oben gekennzeich-
sprechung zu einer von allen festen Begriffen gelösten, extrem individuali- neten Sinne „unbestimmten" Tatherrschaftsbegriff und einer Auffassung, die
sierenden Ganzheitsbetrachtung berichtet haben, keiner diese Methode die „Tatherrschaft" in bestimmte, fest umrissene Elemente zerlegt, auch
befürwortet hat. Im Gegenteil haben sie alle sich in etwas hilfloser Resigna- wenn diese Bestandteile gewisse normative Einschläge aufweisen mögen.
tion auf den Einheitstäterbegriff zurückgezogen. Schwalm 32 hat sich aus- Diese beträchtliche Bestimmtheitsdifferenz rechtfertigt es, wenn im folgen-
drücklich die Frage vorgelegt, „ob der Gesetzgeber die Praxis sich insoweit den von einem „fixierten" Begriff die Rede ist.
auch künftig selbst überlassen soll. Es scheint mir zweifelhaft" - sagt er - Den Tatherrschaftsbegriff durch starre, nach Möglichkeit deskriptive und
„ob auf diese Weise in den folgenden Jahren die Klärung, die in den vergan- rein kognitiver richterlicher Beurteilung zugängliche Kriterien festzulegen,
genen 80 Jahren nicht herbeigeführt werden konnte, alsbald erreicht werden erscheint jedoch ebenfalls nicht als gangbarer Weg zur Lösung der Proble-
könnte", und er meint abschließend 33 : „Ich will für mich persönlich nicht matik. Das ergibt sich aus einer Reihe von theoretischen und praktischen
leugnen, daß ich der Einheitstäter-Regelung zuneige, weil sie mir in meiner Gründen:
Betrübnis über die ganze Entwicklung als eine nicht unsympathische Lösung
erscheint." Krille hat aus den Erfahrungen der Praxis den Schluß gezogen,
man solle, da man niemals ein geeignetes Kriterium finden werde, „über- I. Methodologische Gegenargumente
haupt auf eine begriffliche Aufteilung" verzichten 34 , und auch von Stackel-
berg 35 stellt bündig fest: „Das Verfahren der Einheitstätertheorie erscheint Die zahlreichen objektiven Teilnahmetheorien, die in der Wissenschaft bis
mir ehrlicher." zum Aufkommen der Tatherrschaftslehre vorwiegend vertreten wurden,
Dies alles zeigt deutlich, daß ein unbestimmter Tatherrschaftsbegriff nicht erstrebten alle eine definitorisch exakte, möglichst scharfe und in jedem Ein-
nur methodisch und rechtsdogmatisch unbefriedigend, sondern auch für die zelfall unmittelbar anwendbare Form der Begriffsabgrenzung. Dem lagen -
praktische Handhabung unbrauchbar wäre und die Rechtsprechung der Rat- mehr oder weniger bewußt - verschiedene Erwägungen zugrunde: der
losigkeit überlassen würde. Es muß daher ein anderer Weg gesucht werden, namentlich im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts unter dem Ein-
um den Begriff der Tatherrschaft mit Inhalt zu erfüllen. fluß des naturalistischen Positivismus noch wirksame Gedanke, man könne
und müsse die Begriffsbildung im Bereich der Geisteswissenschaften derjeni-
gen der exakten Naturwissenschaften möglichst angleichen; aber auch die bis
31
Vgl. dazu H e d e m a n n a. a. O . S. 58 ff., 66 ff. in die Aufklärungszeit zurückreichende Vorstellung, daß es angemessen und
52
Niederschriften, S. 89 möglich sei, den Richter um der Rechtssicherheit willen als bloßen „Subsum-
33
a. a. O . S. 91 tionsautomaten" auf die Anwendung eines lückenlosen, für alle denkbaren
34
a. a. O . S. 99
35
a. a. O . S. 100
Fälle eine Lösung anbietenden Normensystems zu beschränken.
120 121

Es gehört heute zum Allgemeingut der juristischen Methodenlehre, daß 1. Unnötigkeit schematisierender Abstraktion
derartige Ziele weder erreichbar noch erstrebenswert sind. Wie und warum
man inzwischen für den gesamten Bereich der Rechtswissenschaft in dieser Eine begriffliche - wenn auch nach Möglichkeit deskriptive - Festlegung
Frage zu neuen und differenzierteren Einsichten gekommen ist, kann hier bedeutet notwendig eine Abstraktion. Ein Täterbegriff, der durch eine sub-
nicht dargestellt werden 1 . Wir müssen uns auf die Täterlehre als konkreten sumtionsgerechte Definition bestimmt wird, muß, da er anfalle Sachverhalte
Beispielsfall der angedeuteten Gesamtentwicklung beschränken. Gleichwohl angewandt werden soll, die konkreten Umstände des Einzelfalles zwangs-
erscheint schon unter diesen weitergreifenden Aspekten ein fixierter Tat- läufig beiseitelassen.
herrschaftsbegriff als eine von vornherein problematische Lösung. N u n muß eine solche abstrakte Grenzziehung nicht in allen Fällen ein
Nachteil sein. Es hängt das von der Funktion ab, die einem Begriff im Rah-
men der Rechtsordnung zukommen soll. Die Vorschriften des Bürgerlichen
IL Dogmenhistorische Gegenargumente Rechts etwa über den gutgläubigen Erwerb haben den Zweck, im Interesse
der Verkehrssicherheit eine leicht übersehbare, eindeutige Regelung zu tref-
In der Tat haben sich die formal-objektive Theorie und die materiell-objek- fen. Eine gewisse Schematik, die über die Besonderheiten des Einzelfalles
tiven Lehren, soweit sie die Teilnahmeformen durch begrifflich klar erfaß- hinweggeht, ist hier unvermeidlich und auch angebracht.
bare, starr fixierte Kriterien voneinander abgrenzen wollten, allesamt als Bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist es aber anders.
unzulänglich erwiesen. Das bedarf hier keiner Ausführung mehr; die oben Ordnungsgesichtspunkte und Vertrauensinteressen sind hier nicht im Spiel.
vorgenommene Durchmusterung der einzelnen Teilnahmetheorien hat Vielmehr soll die Differenzierung den vielgestaltigen Sachverhaltskonstella-
dafür einen gleichsam experimentellen Nachweis erbracht 2 . Selbst dort, wo tionen so weit wie irgend möglich gerecht werden. Sie soll eine Realitäts-
diese Theorien in ihren Grenzen durchaus zutreffende Ansatzpunkte boten, nähe haben, die durch eine abstrakte Formel nicht erreichbar ist. Das er-
führte die gleichförmige Anwendung desselben Begriffes auf ganz verschie- gibt sich, wenn man so sagen darf, aus der „Natur der Sache", und darin
denartige Sachverhalte zu einer Vergewaltigung des Rechtsstoffes, die die liegt, unabhängig von aller praktischen Erfahrung mit einzelnen Theorien,
Gegenbewegung, d.h. die Tendenz zur Individualisierung und damit zum ein Grund für die Unzulänglichkeit jedes wie auch immer fixierten Tat-
unbestimmten Täterbegriff, zwangsläufig fördern mußte 3 . herrschaftsbegriffs.
Es ist schon auf Grund dieser praktischen Erfahrungen nicht anzunehmen,
daß in Zukunft noch gelingen könnte, was seit dem Beginn des 19. Jahr-
hunderts immer wieder vergeblich versucht worden ist: nämlich einen 2. Mangelnde Fixierbarkeit von Sinnelementen
fixierten Täterbegriff zu finden, der bei der Anwendung auf jeden beliebi-
gen Lebensfall sachgerechte Lösungen im Sinne der anfangs 4 entwickelten Ein anderes kommt hinzu: Ein Rechtsbegriff ist um so präziser und für
Prinzipien gewährleistet. Durch Kombination bestimmter festumrissener die richterliche Subsumtion um so geeigneter, je deskriptiver er ist, d.h. je
Gesichtspunkte „neue" Theorien zu bilden, ist zwar nicht schwierig; aber mehr er sich auf sinnlich wahrnehmbare, zähl- und meßbare Gegenstände
auch hier ist schon gezeigt worden, warum ein solches Vorgehen nicht zum bezieht, die sich durch ein einfaches Feststellungsurteil ermitteln lassen und
Erfolge führen kann 5 . insoweit „wertfrei" sind. Dem Ideal eines fixierten Tatherrschaftsbegriffs
würde also eine Definition entsprechen, die die Täterschaft auf ausschließlich
deskriptive Elemente zurückführte. Dem kommt der Umstand entgegen, daß
III. Gegenargumente aus dem Wesen der Täterschaft sich der Täterbegriff - wie wir wissen - nicht ins rein Normative verflüchti-
gen, sondern durch das Leitbild der Zentralgestalt seine Anschaulichkeit
Abgesehen von den aus der Dogmengeschichte der Täterlehre ablesbaren behalten soll.
Erkenntnissen, läßt aber auch eine theoretische Besinnung einsehen, warum Andererseits ist die rechtliche Erscheinung des Täters - wie ebenfalls
ein fixierter Tatherrschaftsbegriff keine befriedigende Abgrenzung der Teil- schon am Anfang der Arbeit gezeigt wurde - Träger eines aus den Vor-
nahmeformen erbringen kann. Es gibt dafür mehrere Gründe; daß sie unter- gegebenheiten und den gesetzlichen Wertungen zu erschließenden Bedeu-
einander zusammenhängen, versteht sich am Rande. tungsgehaltes. Die Umstände, die jemanden zur Schlüsselfigur des hand-
lungsmäßigen Geschehens machen, sind mannigfaltig, und ihre Erkenntnis
1
Über den neuesten Stand der Diskussion vgl. eingehend und grundlegend Larenz, erfordert einen Akt geistigen Verstehens. Jedes Verstehen aber verlangt
Juristische Methodenlehre, 1960; ferner Henkel, Recht und Individualität. mehr als ein bloßes Feststellungsurteil. Sache der Naturwissenschaften ist
2
Vgl. dazu ausführlich oben S. 34 ff.; ferner S. 112 bei Anm. 13 mit weiteren Angaben.
3
Vgl. dazu oben S. 112 es, wertfrei festzustellen. Der Sinn einer Erscheinung jedoch, um den es
4
obenS. 19ff. sich für uns handelt, pflegt nicht in empirischen Faktizitäten aufzugehen.
5
oben S. 57-59 Daher können deskriptive Begriffselemente allein den Bedeutungsgehalt der
122 123

durch die Teilnahmeformen zu gliedernden Vorgänge nicht auffangen. Weil seits aber auch ein großes Maß an Bestimmtheit erreichen kann. Er muß es
andererseits nur sie eindeutig fixierbar sind, ist auch aus diesem Grunde ferner gestatten, die in der Mannigfaltigkeit der Konstellationen typisch
anzunehmen, daß ein strikt festgelegter Tatherrschaftsbegriff dem Wesen der wiederkehrenden Grundformen einer generalisierenden Regelung zu unter-
Sache nicht ganz gerecht wird. werfen, gleichzeitig aber die Möglichkeit einer gerechten Würdigung indi-
vidueller Einzelfälle bieten, die sich der abstrakten Normierung entziehen.
Diese vielgestaltigen Ziele zu erreichen, ist nur möglich, wenn man die
3. Gefahr begriffsjuristischer Verfehlung des Sachgehaltes Tatherrschaft als einen - wie ich sagen möchte - „offenen" Begriff auffaßt.
Ein derartiger Tatherrschaftsbegriff ist gegenüber den bisher erörterten
Endlich ist nicht zu verkennen, daß eine lückenlose Fixierung zu einer beiden möglichen Gestaltungsformen der Täterschaft im wesentlichen durch
Begriffsjurisprudenz im schlechten Sinne des Wortes führen müßte. Nicht, zwei Besonderheiten gekennzeichnet:
als ob das Strafrecht der präzisen Begriffe entraten könnte; eben deshalb
kann ein inhaltlich unbestimmter Täterbegriff die Problematik nicht fördern.
Aber wenn man die „Tatherrschaft" durch überall eindeutig umrissene 1. Das beschreibende Verfahren als erstes Merkmal
Merkmale festlegt, so muß man bei allen auftretenden Situationen die des offenen Begriffs
Lösung aus dem einmal fixierten Begriff deduzieren, anstatt sie dem Bedeu-
tungsgehalt der wechselnden Lebenserscheinungen zu entnehmen. Wenn An die Stelle einer exakten Definition oder eines unbestimmten Begriffes
man beispielsweise durchaus zutreffend erkannt hat, daß jemand, der eine tritt eine Beschreibung.
notwendige Bedingung zum Erfolge setzt, in der Regel eine besonders wich- Die Definition nämlich kann nur zu einem fixierten Tatherrschaftsbegriff
tige Rolle im Handlungsgeschehen einnehmen und deshalb Tatherr und mit allen oben dargelegten Mängeln führen. Das gilt zunächst für eine
Täter sein wird, ist es gleichwohl verfehlt, sich nun auf den Begriff der not- exakte Begriffsdefinition im technischen Sinne, die durch Angabe des genus
wendigen Bedingungen festzulegen und aus ihm in starrer Konsequenz die proximum (des höheren Gattungsbegriffes) und der differentia specifica (des
Lösung für alle auftauchenden Fragen ableiten zu wollen, unabhängig davon, artbildenden Unterschiedes) zu einer Festlegung des Begriffsinhalts führt 1 ;
ob das Ergebnis dem ursprünglichen Sinn der Differenzierung noch ent- so wie man etwa nach diesen Regeln den Täter der formal-objektiven Theorie
spricht 6 . Der Begriff würde bei einer solchen Anwendung sinnzerstörend definieren könnte als den Verursacher eines tatbestandsmäßigen Erfolges,
wirken. Man kann Sachprobleme nicht durch einfache Begriffsableitungen der diesen Erfolg mit eigener Hand herbeiführt. Es gilt aber darüber hinaus
lösen. Das ist heute nicht mehr bestritten. für jede andere Art der Definition, die - um mit Larenz 2 zu sprechen - einen
Da nun aber eine allumfassende und allseitig festgelegte Formel nur in Begriff „durch die erschöpfende Angabe seiner stets unabdingbaren Merk-
dem oben genannten Verfahren überhaupt anwendbar, eine begriffsjuristi- male fest begrenzt". Denn wenn aus den unterschiedlichen Erscheinungs-
sche Methode insoweit also unvermeidbar ist, bestehen auch unter diesem formen des Lebens die immer gleichen Merkmale abstrahiert werden, so
Gesichtspunkt gegen einen fixierten Tatherrschaftsbegriff erhebliche Be- muß das zwangsläufig bei Bestimmung der Täterschaft zu den Gefahren der
denken. Realitätsferne, der Sinnentleerung und der Begriffsjurisprudenz führen,
Aus alled em folgt: Auch ein fixierter Tatherrschaftsbegriff kann nicht zu die oben als Nachteile eines fixierten Tatherrschaftsbegriffs gekennzeichnet
einer sachgerechten Abgrenzung der Teilnahmeformen führen. worden sind.
Demgegenüber hat die Beschreibung den Vorteil, sich den wechselnden
Fallgestaltungen anpassen zu können. Wenn man etwa sagt: Die Tatherr-
§ 17. Die Tatherrschaft als offener Begriff schaft hat, wer a), b), c) usw. tut, so werden nicht die verschiedenen Sach-
verhalte ohne Rücksicht auf ihre Eigenart denselben Merkmalen zwangs-
I. Offene Begriffe weise untergeordnet, sondern es wird im Gegenteil die Beschreibung dem
Sinngehalt der abweichenden Fallsituationen angeglichen. Den Bedeutungs-
Nachdem die beiden bisher erörterten konträren Methoden der Täterfest- zusammenhängen wird nicht eine einheitliche - sie in der Regel teilweise
stellung versagt haben, kann ein dritter Weg nur zwischen den Extremen verdeckende - Formel übergestülpt, sondern die Beschreibung folgt mit
gesucht werden. Das will sagen: Man muß ein Verfahren finden, mit Hilfe ihren immer anderen Merkmalen den jeweils unterschiedlich strukturierten
dessen sich der Begriff der Tatherrschaft inhaltlich so ausfüllen läßt, daß er
einerseits den wechselnden Lebenserscheinungen gerecht werden, anderer- 1
Vgl. dazu nur etwa Metzke, Handlexikon der Philosophie, S. 64 unter 3.
2
Juristische Methodenlehre, S. 343. Der von Larenz an dieser Stelle verwendete Ter-
6
minus des „offenen Typus" ähnelt auch sonst unseren „offenen Begriffen". Auf die
Vgl. dazu näher oben S. 40/41 Unterschiede im einzelnen kann hier nicht eingegangen werden.
124 125

Vorgegebenheiten: Eine wahllose Aneinanderreihung kann daraus nicht 2. Der Einbau von Regulativen als zweites Merkmal
werden, weil jedes Glied der Beschreibung auf den in seinem Wesen noch des offenen Begriffs
näher zu kennzeichnenden Gedanken der Tatherrschaft als des gemeinsamen
Sinnzentrums bezogen bleibt. Der offene Begriff, so wie er hier verstanden wird, ist zweitens dadurch
Es ist klar, daß eine solche Beschreibung wesentlich lebensnäher sein kann gekennzeichnet, daß die Beschreibung zwar einerseits die bei der Delikts-
als eine abstrakte Definition; daß sie den Sinnzusammenhängen soweit beteiligung mehrerer Personen typischen Konstellationen scharf umreißt
gerecht werden kann wie es überhaupt nur möglich ist; daß sie der Methode und dadurch einer generalisierenden Beurteilung zugänglich macht, daß
der Begriffsjurisprudenz ganz fernsteht und somit alle Mängel eines fixierten sie aber andererseits dort, wo die Unberechenbarkeit möglicher Beziehungen
Täterbegriffs vermeidet. eine verallgemeinernde Lösung verbietet, durch die Verwendung regulativer
Andererseits steht sie aber in ebenso scharfem Gegensatz zur anfangs Prinzipien begrenzte Leerräume für die richterliche Würdigung des Einzel-
erörterten Verwendung eines unbestimmten Täterbegriffs. Während dieser falles offenläßt. „Regulativ" wird hier im Sinne von „richtunggebend"
eine orientierungslose Rechtsunsicherheit begünstigt, auf konkrete Fragen verstanden 3 . Die Funktion solcher Prinzipien ist schon oben 4 im Anschluß
wegen seiner Unbestimmtheit die Antwort verweigert und die Typizität und an Henkel gekennzeichnet worden: Wenn bei Bestimmung des Täterbegriffs
Anschaulichkeit abgegrenzter Lebenssituationen durch eine unklare „ganz- in irgendeinem durch die Beschreibung zu erfassenden Lebensbereich
heitliche" Betrachtungsweise nivelliert, kann eine Beschreibung sich hart in die Fülle der Sachverhaltsmomente, denen unter dem Gesichtspunkt der
der Nähe der Phänomene halten und dadurch eine beträchtliche Exaktheit Tatherrschaft Bedeutung zukommen kann, so groß ist, daß sie sich der
erreichen. Auf diese Weise entgeht sie allen Mängeln des unbestimmten generalisierenden Vorwegbeurteilung entzieht, dann muß der Gesetzgeber
Begriffs. bzw. Begriffsschöpfer sich an dieser Stelle mit einer Richtlinie begnügen
Da eine Beschreibung den Täterbegriff nicht formelhaft eingrenzt, ist sie und im übrigen dem Rechtsanwender die Beurteilung des individuellen
niemals endgültig abgeschlossen. Es ist z. B. denkbar, daß im Laufe der Ent- Falles anhand des gegebenen Regulativs überlassen. Wegen der auf diese
wicklung bisher nicht bekannte Formen des Zusammenwirkens entdeckt Weise entstehenden Lücken in der sonst umfassenden Beschreibung
oder durch die Einführung neuer Tatbestände geschaffen werden. Für diese kann man auch in diesem zweiten Sinne von einem „offenen" Begriff
Fälle liegt dann nicht schon die Lösung parat. Mit der bloßen Subsumtion sprechen.
unter einen Oberbegriff, wie sie eine fixierte Täterschaft ermöglichen und Daß ein derartiges Verfahren von der Methode des definitorisch fixierten
erfordern würde, ist es nicht getan. Vielmehr muß eine den Sachgegeben- Täterbegriffs noch weiter abrückt und eine noch abstraktionsfernere Be-
heiten der jeweiligen Konstellation entsprechende Beschreibungsergänzung urteilung ermöglicht, als sie das beschreibende Vorgehen ohnehin gewähr-
vorgenommen werden. Natürlich können dabei die strukturellen Muster, die leistet, liegt auf der Hand. Andererseits besteht keine Gefahr der Rückkehr
sich aus der Analyse anderer Fallgruppen ergeben haben, Hilfsdienste zum unbestimmten Begriff5; denn jeder rechtlich zu regelnde Lebensbereich
leisten. Oft wird es möglich sein, die dort angelegten Linien behutsam pflegt so viele typisierbare Elemente zu enthalten, daß schon ihre vollstän-
weiterzuziehen. Gleichwohl kann man hier von einem „offenen" Begriff in dige Erfassung dem Begriff feste Konturen verleiht. Außerdem ermöglicht
dem Sinne sprechen, daß eine „erschöpfende Angabe seiner stets unabding- eine Richtlinie, wenn man den Anwendungsbereich des Regulativs eng
baren Merkmale" nie möglich sein und er sich der Aufnahme neuer inhalt- begrenzt, in diesem beschränkten Bereich auch dann eine ziemlich sichere
licher Elemente nicht verschließen wird. Entscheidung, wenn die Lösung von der Anschauung des Einzelfalls ab-
Sieht man die Dinge so, dann erscheint die zunächst erstaunliche Tatsache, hängig gemacht wird.
daß es den zahlreichen Vertretern der Tatherrschaftslehre bisher nicht gelun- Wie die hier in ihren Leitlinien umrissene Methode zur inhaltlichen Aus-
gen ist, diesen Begriff in hinreichender Weise zu definieren, in einem anderen füllung des Täterbegriffs bei der Rechtsanwendung zu handhaben ist, zu
Licht. Das Scheitern dieser Bemühungen ist dann kein Mangel, der etwa die welchen konkreten Ergebnissen sie führt, wann also, kurz gesagt, Tatherr-
Unbrauchbarkeit dieses Täterbegriffs an den Tag brachte, sondern es ist der schaft vorliegt und wann nicht, das wird im folgenden darzulegen sein. Diese
Ausdruck einer tieferen Sachgesetzlichkeit. Das Schwergewicht der" Aus- praktische Erprobung unseres theoretischen Programms wird gleichzeitig
einandersetzung mit diesen Lehren muß deshalb auf ihren Aussagen zu den die Brauchbarkeit des gewählten Verfahrens zeigen, und Fragen, die bei der
konkreten Einzelproblemen liegen. notwendig kurz gehaltenen Darstellung der methodischen Grundlagen offen
geblieben sein mögen, im einzelnen beantworten.

3
Vgl. Metzke, Handlexikon der Philosophie, S. 255
4
Vgl. oben S. 115
5
Vgl. darüber schon oben S. 115, 117/118
126

II. Vorausschauender Überblick

Wir können nach alledem die Problematik nicht dadurch meistern, daß
wir aus dem Richtpunkt der Zentralgestalt einen Tatherrschaftsbegriff „vor-
weg" entwickeln, ihn gewissermaßen, ohne den Klammerinhalt zu kennen,
vor die Klammer ziehen und ihn dann nachträglich auf die Einzelfälle
anwenden. Vielmehr müssen wir von vornherein in die Fülle des Stoffes
hineingreifen, die empirisch vorfindbaren Formen der Beteiligung am Tat-
geschehen durchmustern und für jede Fallgruppe gesondert beschreiben, wie Fünftes Kapitel
sich der Tatherrschaftsgedanke auswirkt. Wenn diese Beschreibungen nach-
her einige Strukturmuster erkennen lassen, die sich überall hindurchziehen Die Handlungsherrschaft
und dem Begriff eine übersichtliche, aus den Erscheinungen ablesbare Glie-
derung verleihen, so muß sich das aus der Arbeit am Rechtsstoff ergeben und
am Ende der dem Tatherrschaftsbegriff gewidmeten Untersuchung deutlich § 18. Die vorsätzlich-freie eigenhändige
werden. Tatbestandsverwirklichung
Für das Eindringen in die Materie wählen wir ein Verfahren, das sich an
die übliche Unterscheidung von Einzeltäterschaft, mittelbarer Täterschaft Wir nehmen bei dieser verhältnismäßig einfach gelagerten Fallgruppe das
und Mittäterschaft anlehnt. Wir untersuchen zunächst, welchen Einfluß das Ergebnis voraus: Wer ungenötigt und ohne von einem anderen in mehr als
Maß der Tatbestandsverwirklichung durch eigenes Handeln auf die Täter- sozialüblicher Weise abhängig zu sein, alle Tatbestandsmerkmale eigen-
schaft hat (Handlungsherrschaft), fragen uns dann, ob und wann jemand händig verwirklicht, ist Täter. Er hat in jedem denkbaren Falle die Tatherr-
auch ohne eigene Beteiligung an der Tatausführung kraft seiner Willens- schaft.
macht Täter sein kann (Willensherrschaft), und prüfen zuletzt, inwieweit ein Es handelt sich hier um den Prototyp der Täterschaft, um die sinnfälligste
Beteiligter, wenn er weder die Tatbestandshandlung vornimmt noch eine Ausprägung der Zentralgestalt, um eine Konstellation, bei der die „natür-
Willensmacht über das Handeln anderer ausübt, allein durch die Zusammen- liche Auffassung des Lebens" und die Wertung des Gesetzgebers sich frag-
arbeit mit ihnen zur Zentralgestalt des Geschehens werden kann (funktio- los decken. Man kann eine Tat nicht deutlicher beherrschen, als indem man
nelle Tatherrschaft). Auf dieser Gruppierung, deren Zweckmäßigkeit sich sie selber tut; man kann nichts fester in der Hand haben als durch die Eigen-
durch die Darstellung erweisen wird, beruhen die folgenden drei Kapitel. händigkeit.
Das unmittelbar Einleuchtende dieser Erkenntnis beruht nicht allein auf
der unreflektierten Evidenz einer solchen Aussage. Es läßt sich auch rein
strafrechtsdogmatisch aus der Sicherheit begründen, mit der man die Natur
der Alleintäterschaft aus dem Gesetz ermitteln kann. Denn wenn man sich
den Einzeltäter vorstellt, so ist nicht zu bestreiten, daß der Gesetzgeber in
seinen paragraphenmäßigen Tatbeschreibungen stets auch den Täter schil-
dert. N u r wer alle dort festgelegten Unrechtsvoraussetzungen erfüllt, ist
Täter; und er ist es, wenn er sie verwirklicht, ausnahmslos. Hält man an
dieser unumstößlichen Grundlage fest, so gibt es kein stichhaltiges Argu-
ment dafür, daß sich an dem Ergebnis dann etwas ändern könnte, wenn auch
noch andere Personen an der Tat mitgewirkt haben. Mag ihr Beitrag so oder
anders zu würdigen sein: Der eigenhändig den Tatbestand Verwirklichende
entspricht deshalb der gesetzlichen Täterbeschreibung um keinen Deut
weniger.
Alle Lehren, die hier zu anderen Ergebnissen kommen, gehen von Voraus-
setzungen aus, die oben schon als irrig erkannt wurden. Denn zwar ist
es richtig, daß der „Eigenhändige" nicht notwendig im moralischen oder
kriminologischen Sinne der Hauptverantwortliche sein muß. Ein anderer,
der ihn verführt und zur Tat veranlaßt hat, der vielleicht der Erfinder des
ganzen Planes und der eigentliche Nutznießer ist, kann höhere Strafe ver-
128 129

dienen. Aber auf all das kommt es, wie wir wissen 1 , bei der Täterbestim- Auch die dogmatische und methodische Verfehltheit einer solchen Täter-
mung nicht an: Für die Tat, so wie sie handlungsmaßig in Erscheinung tritt, konzeption zeigt sich in diesem Falle besonders deutlich. Wenn Täter nur ist,
bleibt der sie frei und eigenhändig in vollem Umfang Durchführende wer unter politischen und persönlichen Gesichtspunkten als der „Haupt-
die beherrschende Zentralgestalt. Darin liegt der unverlierbare Wahrheits- verantwortliche" erscheint, so wird der Täterbegriff zu einer unbestimm-
gehalt der formal-objektiven Theorie 2 . Ein Tatherrschaftsbegriff kann daher ten, allein durch die richterliche „Gesamtschau" auszufüllenden General-
nur so formuliert werden, daß er diese Fälle in jeder denkbaren Gestaltung klausel. Er verfällt damit einer Konturlosigkeit, die zu der schon oben 3 b
umfaßt. geschilderten Krise der Täterlehre in der Praxis geführt hat. Wollte man
Vom Standpunkt der hier verfolgten Methode aus ist es dabei ein be- allgemein dazu übergehen, vom konkreten Handlungsgeschehen gelöste,
sonderer Vorteil, daß der Gesetzgeber uns die Arbeit weitgehend abnimmt. auf die persönlichen Umstände der Beteiligten abstellende Strafwürdig-
Seine Tatschilderungen, die für uns gleichzeitig Täterbeschreibungen dar- keitserwägungen über Täterschaft und Teilnahme entscheiden zu lassen, so
stellen, sind - zum Teil dank der verfeinernden wissenschaftlichen Aus- wäre jede dogmatische Arbeit an der Täterlehre vergebens 30 . Es wäre
legung - so plastisch und exakt wie möglich. Indem wir uns auf sie beziehen, dann angezeigt, sich für den Einheitstäterbegriff zu entscheiden und bei
können wir dem Täterbegriff größte Lebensnähe verleihen, ohne ihn zu mildernden Umständen generell von der für den Mord vorgesehenen
komplizieren. Die generalisierende Feststellung, der frei und vorsätzlich Höchststrafe abzusehen. Solange man das nicht will und an einer selbständi-
selbst Handelnde sei stets Täter, erfüllt demnach alle Voraussetzungen der gen Täterlehre festhält, verdient diese neue, einer solchen Lösung der Sache
oben geforderten beschreibenden Begriffsbildung, ohne daß die für die prak- nach gleichkommende BGH-Entscheidung genau so entschiedene Mißbilli-
tische Anwendung nötige Handlichkeit verlorengeht. gung, wie sie seinerzeit dem „Badewannenurteil" des Reichsgerichts zuteil
Über das Ergebnis besteht denn auch heute weithin Einigkeit. Selbst von geworden ist 3d .
Weber, der als einziger - freilich weitgehend subjektiv orientierter - Ver- Die Auffassung, daß der unmittelbar, frei und eigenhändig die Tat Aus-
treter der Tatherrschaftslehre immerhin die Möglichkeit bloßer Gehilfen- führende in jedem Falle Täter sei, hat sich bekanntlich auch über den Bereich
schaft wegen fehlenden „Tatherrschaftswillens" des unmittelbar Handelnden der Tatherrschaftslehre hinaus in den letzten Jahren bei den Vertretern fast
einräumt, beschränkt diese Annahme auf den Fall, daß der Ausführende aller anderen Theorien durchgesetzt. Auch der Bundesgerichtshof hatte sich
„die Tat bloß im Dienst des Täters in völliger Unterordnung unter dessen ihr ausdrücklich angeschlossen 4 , und er wird, wenn man von politischen
Willen ausführt" 3 . Entgegen von Weber können freilich auch solche Aus- und militärischen Befehlssituationen absieht, diese Ansicht vermutlich auch
nahmesituationen keine andere Beurteilung rechtfertigen; denn wenn jemand jetzt noch aufrechterhalten. Gleichwohl darf der Erkenntnis wert, den eine
eine Tat ungenötigt selbst vollführt, können die Gründe, die ihn dazu ver- an die gesetzliche Tatbeschreibung angelehnte, von subjektiven Tendenzen
anlaßt haben, seine Herrschaft über den Ablauf des Handlungsgeschehens absehende Tatherrschaftslehre für die Lösung dieses Falles bietet, nicht zu
nicht vermindern und seine zentrale Stellung bei der Ausführung nicht be- gering veranschlagt werden. Denn immerhin gibt es einige Entscheidungen
einträchtigen. des Bundesgerichtshofs, die von der gegenteiligen Ansicht ausgehen 5 .
Deshalb ist auch die neueste Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Außerdem zeigt dieser Schulfall, daß die in der neueren Rechtsprechung des
Staschynski-Fall 3a abzulehnen. Der Angeklagte hat hier, wenngleich im B G H wiederholt geäußerte Meinung, für die Bestimmung der Täterschaft
Dienste ferner Auftraggeber, zwei Morde völlig selbständig durchgeführt. komme es nur auf die „innere Willensrichtung" an 6 und der Umfang des
Eine umfassendere Beherrschung des Handlungsgeschehens ist schlechter- äußeren Tatbeitrages sei ganz unerheblich 6 , falsch ist; und zwar nicht nur
dings nicht denkbar. Wenn der Bundesgerichtshof das Verhalten des bei der vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus, sondern überhaupt; denn die
Ausführung allein und frei handelnden Täters um der politischen Verblen- Täterschaft richtet sich nach dem Tun und nicht nach den ohne Auswirkung
dung des Angeklagten willen in eine Gehilfenschaft umdeutet, so schafft er bleibenden Gedanken eines Mitwirkenden.
damit einen Strafmilderungsgrund, den das Gesetz nicht kennt. Abgesehen
davon ist das Urteil auch kriminalpolitisch äußerst bedenklich, weil es ge- 3b
S. 110/111, 118
eignet ist, alle diejenigen, die ungenötigt die verbrecherischen Ziele "einer 3c
Vgl. darüber allgemein oben S. 24/25, 3 0 - 3 2
3(1
Staatsmacht in die Tat umsetzen, von ihrer Verantwortung weitgehend zu U m Mißverständnissen vorzubeugen: Mit der A n n a h m e einer Täterschaft des Ausführen-
entlasten. den ist noch nichts darüber gesagt, ob nicht vielleicht der H i n t e r m a n n ebenfalls Täter ist.
Diese Frage wird später noch eingehend zu erörtern sein; vgl. unten S. 211 ff., 242 ff.
4
B G H S t 8, 393-399; oben S. 96-98 (Nr. X)
5
4. Senat v. 13. 2. 51, N J W 51, S. 323, oben S. 91 (Nr. II); u n d vor allem 2. Senat
v. 2 1 . 6. 55; B G H S t 8, 7 0 - 7 5 , oben S. 94/95 (Nr. VII), vgl. zum Staschynski-Urteil
' Vgl. dazu eingehend oben S. 24/25, 2 9 - 3 2 o b e n S . 105, A n m . 52
2 6
D a r ü b e r oben S. 3 4 - 3 8 (35) Vgl. die Entsch. d. 5. Senats v. 15. 6. 54, M D R 54, S. 529/30, oben S.92/93 (Nr. V), w o
3
G r u n d r i ß , 2. Aufl., S. 67; vgl. oben S. 80/81 diese Auffassung auch noch mit dem Tatherrschaftsgedanken in Verbindung gebracht
3a
Vgl. dazu oben S. 105, A n m . 52 wird; 2. Senat v. 2 1 . 6. 55, B G H S t 8, 7 0 - 7 5 , oben S. 94/95 (Nr. VII)
130 131

Daraus folgt ein weiteres: Obwohl man immer wieder versucht hat, das schied, auf den es ankommt, liegt, da vorsätzlich auch der Teilnehmer
durch die Tatherrschaftstheorie in diesem Falle ohne Schwierigkeit erzielte handelt, bei dieser Art der Abgrenzung allein im Objektiven.
Ergebnis ebenso von einer im Prinzip rein subjektiven Lehre her zu recht-
fertigen - auch der B G H in der genannten Entscheidung hält das für
möglich 7 - sind in Wahrheit alle diese Bemühungen zum Scheitern verurteilt. § 19. Die vorsätzlich-unfreie eigenhändige
Das liegt für die Interessentheorie auf der Hand, gilt aber auch für die Tatbestandsverwirklichung
Dolustheorie. Denn die stets wiederkehrende Behauptung, jemand, der die
Tat selbst vollführe, könne sich einem anderen nicht völlig unterordnen, er
I. Die Nötigungsfälle
müsse also den „Tatherrschaftswillen" haben und die Tat „als eigene wollen",
ist falsch. Gewiß muß er vorsätzlich handeln; aber dieser Vorsatz kann einer
1. Der Streitstand
subjektiven Theorie nicht genügen, weil ihn auch der Teilnehmer hat; er
hat zudem mit der von der Dolustheorie geforderten Willensunterordnung
Auf schwierigeres und umstritteneres Terrain geraten wir, wenn wir uns die
nichts zu tun. Im übrigen aber ist eine völlige innere Unterordnung mit der
Frage stellen, ob auch derjenige die Tatherrschaft habe, der zwar den ganzen
alleinigen äußeren Durchführung der Tat sehr wohl vereinbar; das zeigt
Tatbestand eigenhändig und vorsätzlich verwirklicht, der aber dabei unter
schon der vom B G H entschiedene Fall - der einer Frau hörige Täter
der Nötigung eines anderen oder einer von außen an ihn herantretenden
erschlug auf deren Geheiß ihren Ehemann 8 - sehr deutlich. Wenn also der
Gefahrenlage steht; sei es, daß die Voraussetzungen der §§ 52, 54 StGB vor-
Bundesgerichtshof mit Hilfe einer subjektiven Theorie das Problem lösen
liegen oder daß nur eine notstandsähnliche Situation gegeben ist.
zu können glaubt, so ist das durchaus unrichtig. Die schon oben 9 nach-
Wir beginnen mit dem extremeren Fall des schuldausschließenden Not-
gewiesene Tatsache, daß er entgegen seinem Bekenntnis zur subjektiven
standes. Denn wenn hier die Tatherrschaft vorliegt, wird sie in den Fällen
Teilnahmelehre in Wahrheit auf eine objektive Abgrenzung zurückgreifen
geringerer Nötigungsintensität, die den Handelnden nicht von Strafe be-
mußte, um den Fall richtig entscheiden zu können, erhält daher in diesem
freien, erst recht zu bejahen sein.
Lichte den Charakter einer unentrinnbaren Notwendigkeit. Will man bei
einer streng subjektiven Theorie bleiben, so ist die Auffassung von Webers Unter den Vertretern der Tatherrschaftslehre wird die Frage nicht einhellig
die einzig mögliche Konsequenz; auch Bockelmann hat in vollem Umfange beantwortet. Welzel und Gallas, die sich am ausführlichsten mit der Pro-
recht, wenn er jetzt die Entscheidung dieser Fälle als Durchbrechung der blematik befaßt haben, kommen zu entgegengesetzten Lösungen.
subjektiven Theorie anerkennt 10 . Welzel steht auf dem Standpunkt, daß der Nötigungsnotstand die Täter-
schaft des unmittelbar Handelnden ausschließe 1 . Dabei lassen sich in der
Gerade bei einer derart einfachen Sachverhaltsgestaltung zeigt sich also die Begründung dieser Auffassung Wandlungen feststellen. Ursprünglich vertrat
Fruchtbarkeit eines in dieser Weise aufgefaßten Tatherrschaftsbegriffs. Zwar Welzel die Meinung, der Genötigte handele ohne die finale Tatherrschaft,
kommen die formal-objektive Theorie und die materiell-objektiven Lehren weil in solchen Fällen „zwar die Tatbestandskenntnis (bzw. das Erfolgs-
hier zum selben Ergebnis; doch sind sie aus anderen Gründen abzulehnen 11 . bewußtsein) vorhanden" sei, „es aber am eigenen Verwirklichungswillen",
Eine subjektive Lehre aber - gleich welcher Art - kann diesem Urbild der d. h. am „Tatbestandsvorsatz", fehle 2 . Von der abweichenden Lehre, „daß
Täterschaft überhaupt nicht gerecht werden. der unmittelbar Handelnde stets Täter sei", meinte er, sie würde „in starrem
Freilich lehrt dieser unkomplizierte Fall, daß es sich um einen rein objek- Objektivismus" „die Lebensverhältnisse verkehren" 3 .
tiven Tatherrschaftsbegriff auch hier nicht handelt. Denn wenn wir von der Neuerdings spricht Welzel 4 dem Genötigten eine mindere Tatherrschaft
eigenhändigen Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale sprechen, so stellen wir zu, die er als „unterlegen" und „untergeordnet" bezeichne 5 . Sachlich aber
uns dabei immer ein final gesteuertes Verhalten vor. Bei unvorsätzlichen hat sich an seiner Auffassung nichts geändert. Denn nach wie vor heißt
Taten 12 liegt alles anders. Wenigstens insoweit ist Welzel, Maurach und es, daß der Genötigte „ohne eigenen Verwirklichungswillen" handele; vor
Gallas zuzustimmen, wenn sie von einem Begriff der „finalen" Tatherrschaft allem aber soll diese „untergeordnete" Tatherrschaft zur Begründung einer
sprechen. Trotzdem bleibt es gerechtfertigt, die eigenhändige Tatbestands- Täterschaft nicht ausreichen. Denn wie früher nennt Welzel die Handlung
verwirklichung ein objektives Täterkriterium zu nennen. Denn der Unter-

7 1
B G H S t 8, 393 ff.; dazu ausführlich oben S. 96 ff. (Nr. X) So anscheinend auch Bockelmann, Strafrechtl. Unters., S. 120/21 bei u n d in A n m . 20;
8
zu den näheren U m s t ä n d e n dieses Falles oben S. 96 ausdrücklich gegen eine Täterschaft des unmittelbar H a n d e l n d e n jetzt wieder v. U t h -
9
S. 97/98 mann, N J W 1961, S. 1908
10 2
Strafrechtl. Unters., S. 120/21; vgl. näher oben im Text S. 84 Lehrb., 5. Aufl., S. 82/83; M D R 1949, S. 373; SJZ 1949, Sp. 650
3
" D a r ü b e r ausführlich o b e n S. 34-51 M D R 1949, S. 373
12 4
Dabei bietet die b e w u ß t e Fahrlässigkeit gegenüber der u n b e w u ß t e n noch wieder Lehrb., 6. Aufl., S. 88/89; 7. Aufl., S. 90/91
5
Sonderprobleme, auf die später einzugehen ist. 6. Aufl., S. 88; 7. Aufl., S. 91
132 133
6
des Genötigten lediglich eine „schuldlose Beihilfe" . Diese eigenartige Form Gehalt seiner These. Er kann, wie mir scheint, nur in der Erwägung be-
„unterlegener" Tatherrschaft ist also sachlich nur eine Art der Teilnahme. stehen, daß die „volle" 11 Tatherrschaft mehr voraussetze als eine eigen-
Terminologisch ist das nicht sehr glücklich; denn wenn man die Tatherr- händige vorsätzliche Erfolgsherbeiführung, daß man vielmehr von einer
schaft als Kriterium der Täterschaft ansieht, muß es zu Verwirrungen führen, eigentlichen „Herrschaft" über die Tat und damit von einer Täterschaft nur
daß ihr - sei es auch abgeschwächtes - Vorliegen in diesem Fall nur eine dann sprechen könne, wenn der den Ablauf steuernde Wille des Handelnden
Teilnahme begründen soll. Das Ergebnis: Ausschluß der Täterschaft, ist aber „frei" sei und nicht unter dem Druck einer Nötigung stehe. Trotzdem kann
eindeutig. auch insoweit der Auffassung Welzels nicht zugestimmt werden. Das ergibt
Im Gegensatz dazu vertritt Gallas die Ansicht, daß bei einer solchen sich aus folgenden Gesichtspunkten:
Sachverhaltsgestaltung „der Tatmittler ... Täter ist. Denn er nimmt vorsätz-
lich die tatbestandsmäßige Handlung selbst vor und übt daher, schon per
definitionem, die für den Täter des betreffenden Deliktstypus vorausgesetzte a) Gleichbleibende Ablaufsgestaltung
Tatherrschaft aus" 7 . Die von Welzel für seine Gegenmeinung vorgebrachte
Begründung, daß der Genötigte „ohne eigenen Verwirklichungswillen" han- Die Gewalt oder die Bedrohung mit Leibes- oder Lebensgefahr motiviert
dele, bezeichnet Gallas als „nicht recht verständlich" 8 - 9 . zwar den Handelnden zu seinem Tun, aber auf die Gestaltung des Erfolgs-
Es ist unschwer zu erkennen, daß sich in der Beurteilung dieses Einzel- ablaufes wirkt sich diese Antriebskraft nicht aus. Abgesehen von den Fällen
falles der schon oben herausgearbeitete Gegensatz zwischen der mehr der vis absoluta, die schon das Vorliegen einer Handlung im strafrechtlichen
subjektiv orientierten Tatherrschaftslehre Welzels (und Bockelmanns) und Sinne hindern und mit den Schuldausschließungsgründen nichts zu tun
der an die formal-objektive Theorie angelehnten Auffassung Gallas' wider- haben, beherrscht der Handelnde das Geschehen - ob er genötigt ist oder
spiegelt. Zustimmung verdient die - vorerst noch in der Minderheit befind- nicht - in gleichem Maße.
liche - Ansicht von Gallas, und zwar aus mehreren Gründen. Man kann keineswegs sagen, daß etwa unter dem Druck der Gefahr die
Möglichkeit der planvoll gesteuerten Verwirklichung eines Handlungsent-
schlusses generell aufgehohen oder auch nur gemindert sei. Im Gegenteil
2. Die Argumente für die Täterschaft des Handelnden wird es oft so sein, daß die Gefahr die Kräfte verdoppelt und der Handelnde
die Situation sicherer beherrscht als es ihm ohne den antreibenden Impuls
Wenn Welzel sagt, der Genötigte handele ohne eigenen Verwirklichungs- möglich wäre.
willen, so ist das unzutreffend. Denn da der Verwirklichungswille nichts Oder man denke sich den Fall, daß jemand, um seinen von Gangstern
anderes als die Finalität des Handelns bedeutet und diese für Welzel mit geraubten Sohn vor dem Tode zu retten, auf Geheiß der Entführerbande
dem Vorsatz identisch ist, müßte er konsequenterweise annehmen, daß der einen Mord begeht oder in einen Juwelierladen einbricht. Hier ist der Han-
Genötigte ohne Vorsatz tätig werde. Tatsächlich sprach er auch in diesen delnde sicher durch § 52 StGB entschuldigt. Aber die volle Tatherrschaft ist
Fällen noch in der fünften Auflage seines Lehrbuches ausdrücklich vom ihm nicht abzusprechen; denn die Ausführung war allein sein Werk und
fehlenden „Tatbestandsvorsatz" 10 . Daraus würde folgen, daß jemand, der wäre - wenn er sich etwa aus eigenem Antrieb zu der Tat entschlossen
in entschuldigtem Notstand eine Tat begeht, unvorsätzlich handelt, eine An- hätte - nicht im geringsten anders verlaufen.
nahme, die im übrigen von niemandem und auch von Welzel nicht vertreten
wird. Wenn man den Gedanken zu Ende denkt, würde man sogar zu dem
Ergebnis kommen, daß das Vorliegen irgendeines Schuldausschließungs- b) Die Natur der mittelbaren Täterschaft
grundes gleichzeitig den Vorsatz entfallen ließe - eine Folgerung, die die
Schuldtheorie und mit ihr die gesamte finale Handlunglehre aus den Angeln Zweitens beruht die Gegenmeinung auf einem Mißverständnis der mittel-
heben würde und von Welzel unmöglich gewollt sein kann. baren Täterschaft. Wenn nämlich Welzel und die übrigen Vertreter dieser
Diese Einwände richten sich freilich zunächst nur gegen die von" Welzel Auffassung in solchen Fällen von einem Fehlen der Täterschaft beim un-
vorgebrachte Begründung. Wesentlich plausibler als sie ist der sachliche mittelbar Handelnden sprechen, so liegt der Grund dafür offenbar in der
Erkenntnis, daß der die Tat Ausführende - soweit ein Nötigungsnotstand
* 6. Aufl., S. 89; 7. Aufl., S. 91 gegeben ist - seinerseits von einem anderen beherrscht wird. Welzel glaubt
7
G u t a c h t e n , S. 133 nun, die Täterschaft des Hintermannes nur begründen zu können, wenn er
8
G u t a c h t e n , S. 133 A n m . 42 sie dem „Vordermann" abspricht. „Mittelbare Täterschaft durch einen un-
9
Wie Gallas im Ergebnis A r m i n Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 165 A n m . 187, der
aber anders als Gallas den H i n t e r m a n n nicht als mittelbaren Täter, sondern als „Anstif-
ter u n d regelmäßig auch Mittäter" ansieht. D a z u später. - 11
so 6. Aufl., S. 88, 7. Aufl., S. 90; früher: die Tatherrschaft schlechthin; sachlich ist in beiden
10
5. Aufl., S. 82 letzte Zeile. Fällen die „Täterschaft" gemeint.
134 135

mittelbar Handelnden, der selbst Täter ist, ist ein Unbegriff«, lautet seine d) Die Bedeutung der Entschuldigungsgründe
Prämisse 12 , aus der sich freilich die von ihm für den Tatmittler gezogene
Folgerung zwangsläufig ergibt. Schließlich führt die Annahme Welzels auch im Bereich der §§ 52, 54 StGB
Der Ausgangspunkt ist aber nicht richtig. Es ist hier noch nicht der Ort, zu recht eigenartigen, den dogmatischen Grundlagen des Gesetzes kaum
auf das Wesen der mittelbaren Täterschaft näher einzugehen. Aber soviel gerecht werdenden Konsequenzen. So müßte etwa § 54 StGB eigentlich
kann vorweggreifend gesagt werden, daß genau umgekehrt die Möglichkeit überflüssig sein. Denn die §§ 52, 54 StGB stimmen darin überein, daß der
mittelbarer Täterschaft in solchen Fällen gerade wesentlich darauf beruht, Täter unter dem Druck einer Gefahrenlage sich unfreiwillig zum Handeln
daß der Tatmittler den Handlungsablauf beherrscht. Wäre es anders, so ließe genötigt sieht. Wenn nun im Falle des § 52 StGB dem Handelnden die volle
es sich gar nicht denken, daß die Beherrschung des Handelnden dem Hinter- Tatherrschaft und die Täterschaft fehlen, muß es bei § 54 StGB notwendig
mann mittelbar die Herrschaft über die Tat selbst verschafft. In einem genau so sein. Mutet es schon seltsam an, daß hier eine vorsätzliche Straftat
Gleichnis gesprochen: Wenn ein König einen unbotmäßigen Provinzstatt- anzunehmen wäre, bei der es keinen Täter gäbe, so würde außerdem diese
halter unter seine Gewalt zwingt, so hat er dadurch die Herrschaft über die Annahme den § 54 StGB zur Bedeutungslosigkeit degradieren. Denn wenn
Provinz selbst nur erlangt, falls der Statthalter seinerseits die Provinz in in solchen Fällen eine Bestrafung schon deshalb entfiele, weil ein Täter und
seiner Gewalt hat. Andernfalls wäre die ganze Aktion zwecklos, und der damit „das personale Aktionszentrum des Unrechts" 15 fehlte, bedürfte es
König müßte das Land „eigenhändig" erobern. des § 54 StGB nicht mehr. Darüber hinaus würde sich auch die selbständige
Bedeutung des § 52 StGB auf den Bereich der Beihilfe beschränken. Der im
Nötigungsnotstand Handelnde wäre von vornherein nicht Täter, sondern
c) Systematische Erwägungen nur Gehilfe des Hintermannes, und allein seine Gehilfenschaft würde durch
§ 52 StGB entschuldigt werden. Tatsächlich spricht Welzel, wie wir sahen,
Die von Welzel vertretene Auffassung bringt ihn auch mit den systemati- hier auch ausdrücklich von „schuldloser Beihilfe" 16.
schen Grundlagen seiner Täterlehre in Konflikt. Er sieht nämlich die Täter- In Wirklichkeit wird der Gesetzgeber das kaum gewollt haben. Jedenfalls
schaft als einen Bestandteil des Unrechts an. In seinem Lehrbuch heißt erscheint die Annahme wesentlich lebensnäher, daß die §§ 52, 54 StGB die
es schon in der Vorbemerkung des die Täterlehre behandelnden Para- Funktion haben, einen rechtswidrig handelnden Täter zu entschuldigen.
graphen 13 : „Die Täterlehre gehört zur Unrechtslehre, weil schon das
Unrecht personaler Natur ist. Die Schuldlehre bestimmt dann, welcher Täter
für sein Unrecht verantwortlich ist." e) Akzessorietätserwägungen
Wenn nun Welzel dem Notstand die Wirkung beilegt, die Tatherrschaft
bzw. die „volle" Tatherrschaft und damit die Täterschaft auszuschließen, so Endlich sprechen auch dogmatisch-praktische Erwägungen dafür, dem
ist das nur unter der Voraussetzung denkbar, daß entweder die Tatherrschaft Genötigten die Täterschaft zuzusprechen. Denn andernfalls wäre, solange
ein Element der Schuld ist oder daß der Notstand mit der Tatherrschaft man beim Akzessorietätsgrundsatz beharrt, eine Teilnahme nicht denkbar.
zugleich das Unrecht ausschließt. Dagegen ist es ein unauflösbarer Wider- Es besteht aber ein sachliches Bedürfnis für ihre Anerkennung, und zwar
spruch, wenn Welzel einerseits die Täterlehre dem Bereich des Unrechts nicht nur bei § 54 StGB, sondern auch im Falle des Nötigungsnotstandes.
zuweist, andererseits aber einen Umstand, den er selbst als Schuldaus- Man denke sich den Demonstrationsfall, daß die Reisenden A, B, C
schließungsgrund betrachtet, zur Verneinung der Täterschaft führen läßt. von einer Räuberbande gefangen werden, deren Anführer dem B mit dem
Die von den Grundlagen des Welzelschen Systems her allein mögliche Tode droht, wenn er nicht den A umbringe. B weigert sich zunächst, läßt
Lösung liegt in der Annahme, daß bei einem derartigen Sachverhalt der sich dann aber von C durch Zureden zum Tatentschluß bewegen. Warum
unmittelbar Handelnde zwar die Tatherrschaft hat, das Delikt aber ohne sollte hier, auch wenn der Räuberhauptmann mittelbarer Täter ist, der C
Schuld begeht. Er ist Täter, aber ein schuldloser Täter. nicht Anstifter sein können? 1 7 Welzel jedenfalls müßte dieser Annahme
Natürlich hat dieses Argument nur systemimmanente Bedeutung und zustimmen, da er auch die Anstiftung eines nach § 54 StGB Genötigten
kann denjenigen nicht überzeugen, der die Täterlehre wirklich als Schuld- für möglich hält 18 - eine Auffassung, die schon ihrerseits nicht mit der
problem oder den Notstand als Rechtfertigungsgrund ansieht. Diese weiter- Meinung zusammenstimmt, daß dem genötigt Handelnden die Täterschaft
greifenden systematischen Fragen werden unten noch eingehender behandelt fehlen soll.
werden H .
15
Lehrb., 7. Aufl., S. 89
12 16
SJZ 1949, Sp. 650 Lehrb., 7. Aufl., S. 91
13 17
7. Aufl., S. 89 Zur näheren Begründung vgl. unten S. 148 f.
14 18
Vgl. S. 327ff. Lehrb., 7. Aufl., S. 164
136 137

Hält man alle diese Umstände zusammen, so wird man es als erwiesen Täter oder Teilnehmer ist. Derjenige, der ein Kind, einen Geisteskranken
ansehen müssen, daß auch der unter dem Druck einer Nötigung eigenhändig oder einen im Verbotsirrtum Befangenen zu einer Tat verleitet, kann also
den Tatbestand Verwirklichende in allen Fällen Täter ist und die volle Tat- nach der hier vertretenen Auffassung sehr wohl mittelbarer Täter sein. Dar-
herrschaft innehat. Eine gegenteilige Auffassung würde, wie wir gesehen auf wird später noch einzugehen sein 20 . Wir sind uns bewußt, daß wir uns
haben, nicht nur dem Sachgehalt des Herrschaftsbegriffes Gewalt antun; auch insoweit in vollem Gegensatz zu Welzel befinden, nach dessen schon
sie würde auch dem Wesen der mittelbaren Täterschaft, dem Erfordernis einmal zitierter Lehre eine mittelbare Täterschaft durch einen unmittelbar
systematischer Folgerichtigkeit, der selbständigen Bedeutung der Entschul- Handelnden, der selbst Täter ist, einen „Unbegriff" bedeute 21 .
digungsgründe und der Akzessorietätsproblematik nicht gerecht. Darüber
hinaus leistet sie - gewollt oder ungewollt - der Tendenz Vorschub, als Täter
den im kriminologischen Sinne „Hauptschuldigen" anzusehen oder Straf- § 20. Die eigenhändig-vorsätzliche Verwirklichung
zumessungserwägungen dogmatisch auszumünzen. einzelner Tatbestandsmerkmale
Daß dies aber nicht der Sinn der Täterlehre sein kann, ist oben schon dar-
gelegt worden 19 . I. Die Erfüllung von Tatmodalitäten und die Vornahme
Aus diesem Ergebnis läßt sich ein weiterer Schluß ziehen: Wenn schon die der Tatbestandshandlung
eigenhändige Verwirklichung eines Tatbestandes im entschuldigenden Not-
stand an der Täterschaft des Handelnden nichts ändert, so ist derjenige, 1. Zum Meinungsstand
der unter einem sozial inadäquaten, die Schuld aber nicht ausschließenden
Motivationsdruck ein Delikt in eigener Person ausführt, erst recht Tatherr Die Frage, ob jemand unter allen Umständen die Tatherrschaft hat, wenn
und Täter. Diese Fälle bedürfen also keiner gesonderten Erörterung. er zwar nicht den gesamten Tatbestand, aber doch eines seiner Merkmale
oder deren mehrere erfüllt, ist bisher nur wenig erörtert worden 1 . In ein-
deutig bejahendem Sinne äußert sich Maurach, wenn er sagt 2 : „Auf bloßen
IL Die vorsätzliche und ungenötigte, aber entschuldigte Gehilfenvorsatz kann sich nicht berufen, wer ein Tatbestandsmerkmal ver-
Tatbestandsverwirklichung wirklicht ... Wer ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, handelt kraft un-
widerlegbarer gesetzlicher Vermutung mit Tatherrschaft: die Tat tötet den
Damit ist auch der Boden bereitet für die Beantwortung der Frage, wie der Mann." In ähnlicher Weise will Welzel 3 als Täter stets denjenigen ansehen,
Unzurechnungsfähige, der Strafunmündige, der über das Verbotensein der der „auf Grund des gemeinsamen Tatplans eine Ausführungshandlung
Tat Irrende oder der sonst - außerhalb der Notstandsfälle - Entschuldigte im technischen Sinne 4 vornimmt". Dagegen beschränken Mezger 5 und
im Rahmen der Tatherrschaftslehre zu behandeln sind. Sie alle haben, wenn Schönke/Schröder 5 die Annahme notwendiger Täterschaft auf die Erfüllung
sie eigenhändig tätig werden und dabei zu einer im Sinne der Schuldtheorie sämtlicher Tatbestandsmerkmale.
vorsätzlichen Handlung fähig sind, in vollem Umfange die Tatherrschaft
und sind - wenn auch schuldlose - Täter. Die Begründung ergibt sich -
mutatis mutandis - aus den oben für die Notstandsfälle niedergelegten Er- 2. Genügt die Verwirklichung irgendeines
wägungen. Tatbestandsmerkmals ?
Für den Fall des fehlenden Unrechtsbewußtseins kommt, soweit man von
der Schuldtheorie ausgeht, noch ein weiteres Argument hinzu. Denn von Die Auffassung, daß schon die Erfüllung eines beliebigen Tatbestands-
ihren Grundlagen her ist es unbestritten und unbestreitbar, daß jemand merkmales den Handelnden notwendig zum Mitträger der Tatherrschaft
trotz eines Verbotsirrtums unter Umständen als vorsätzlicher Alleintäter mache, geht etwas zu weit. Sicherlich wird in solchen Fällen häufig eine
bestraft werden kann. An dieser Täterschaft des Irrenden kann aber
dadurch nichts geändert werden, daß bei sonst gleichem Sachablauf etwa em 20
Vgl. u n t e n S. 193 ff., 233 ff.; z u r B e g r ü n d u n g siehe einstweilen oben S. 133/134
die Rechtslage Überschauender den arglos Handelnden zu seiner Tat ver- 21
SJZ 1947, Sp. 650
anlaßt hat. 1
Die Entscheidung B G H S t 8, 393-399 (oben S. 96 ff., N r . X), die eine eigenhändige
Dabei sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die Bejahung der Täter- T ö t u n g generell der Täterschaft zuweist, geht auf die Frage nicht ein.
2
schaft des unmittelbar Handelnden auch in diesen Fällen nicht die Entschei- A . T . , 2 . Aufl., S. 516
3
Lehrb., 7. Aufl., S. 98; ebenso H . Mayer, Lehrb., S. 315
dung der Frage präjudiziert, ob ein etwaiger Hintermann im einzelnen Fall 4
D a m i t dürfte die Verwirklichung irgendeines Tatbestandsmerkmals, nicht n u r der
eigentlichen Tatbestandshandlung, gemeint sein, wie ein Vergleich mit LB (7. Aufl.),
S. 168/69, ergibt.
5
19
O b e n S. 3 0 - 3 2 LK, 8. Aufl., § 47, A n m . 2, b , S. 251
6
10. Aufl., vor § 47, V I I I , 5, c, S. 246
138 139

Täterschaft des Handelnden vorliegen, weil die Verwirklichung eines Tat- bestandsmerkmal erfüllt hat; vielmehr müssen hier andere Kriterien gelten,
umstandes den Ausführenden schon vom gesetzlichen Tatbild her gesehen so auf die später einzugehen sein wird 9 . Eine Differenzierung, die auf den er-
eng mit dem Geschehen verbindet, daß man ihm die Zentralstellung und wähnten Gesichtspunkt abstellt, würde also, gerade von der Lebensrealität
damit die Eigenschaft als Mittäter nicht wird absprechen können 7 . Aber es her gesehen, „sinnlos" sein.
muß doch nicht ausnahmslos so sein.
Man denke sich etwa den Fall, daß mehrere Leute aus einem weitläufigen
eingezäunten Fabrikgelände etwas stehlen wollen und einen Begleiter nach 3. Die Bedeutung der Tatbestandshandlung
Übersteigen des Gitters als Wache dort stehen lassen. Ein solcher Wächter
mag durchaus Mittäter sein. Die Vertreter der Tatherrschaftslehre stehen im Anderersdts dürfte es aber wieder zu eng sein, wenn man den Umfang des
allgemeinen auf dem Standpunkt, daß es bei der Beurteilung des Schmiere- äußeren Tatbeitrages nur in dem Falle als notwendig ausschlaggebend für
stehens auf die Umstände des Einzelfalles ankomme 8 . Wenn wir davon die Bestimmung der Tatherrschaft ansehen wollte, daß der Handelnde den
zunächst einmal ohne konkretisierende Feststellungen ausgehen, ist es nicht gesamten Tatbestand eigenhändig verwirklicht. Aus der Vielzahl der Tat-
recht überzeugend, daß man im gegebenen Beispiel den Aufpasser ohne Prü- bestandsmerkmale hebt sich nämlich eine Gruppe als in besonderem Maße
fung der näheren Umstände in Abweichung von der Regel eo ipso als Täter ablaufsprägend heraus: die von O r t und Zeit und den sonstigen Tatmodali-
sollte ansehen müssen, nur weil er in den umschlossenen Raum mit einge- täten zu trennende eigentliche Tatbestandshandlung, das Wegnehmen,
stiegen ist und dadurch ein Tatbestandsmerkmal erfüllt hat. Töten, Vergiften, Irrtumerregen, Drohen usw. Mir scheint: Wer diese Hand-
Ein solches Verfahren wäre zu formal und schematisch, und zwar sowohl lungen in eigener Person ausführt, ist immer Täter, auch wenn er sich etwa
unter dem Aspekt gesetzgeberischer Wertung (a) als auch bei einer unbe- einem anderen innerlich unterworfen hat, in fremdem Interesse mitwirkt
fangenen Sinnerfassung der hier auftretenden Sachverhalte (b). und andere tatbestandliche Momente nicht persönlich realisiert. U m bei
a) Was zunächst die Intentionen des Gesetzgebers betrifft, so ist es sicher, unserem Beispiel zu bleiben: Auch wenn nur einer der Diebe über den
daß er bei Schaffung seiner qualifizierten Tatbestände die Abgrenzung von Fabrikzaun klettert und dann das Tor von innen öffnet, so daß die anderen
Täterschaft und Teilnahme überhaupt nicht ins Auge gefaßt hat. Wohl schil- ohne Einsteigen in den Hof gelangen, sind doch alle, sofern sie nur Gegen-
dert die vollständige Tatbeschreibung den Täter, wie wir oben gesehen stände selbst wegnehmen, notwendig Täter des schweren Diebstahls 10 .
haben. Es gibt aber kein Argument dafür, daß der Gesetzgeber jedes einzelne Diese Auffassung findet ihre Rechtfertigung in der Erwägung, daß die
Tatbestandsmerkmal für signifikant genug hält, um schon allein die Täter- Ausführungshandlung den Deliktskern des jeweiligen Tatbestandes um-
schaft zu charakterisieren. Im Gegenteil: Manche Strafschärfungsgründe - schreibt, so daß ihre Verwirklichung den Handelnden unweigerlich in das
man denke nur an die unbenannten! - sind so offensichtlich an bloßen Zentrum des tatbestandlichen Geschehens rückt und ihm die Tatherrschaft
Strafwürdigkeitserwägungen orientiert, daß ihnen schon aus diesem Grunde verleiht.
keine Bedeutung für die Täterlehre zukommen kann. Wenn Maurach bei Es ist also zu unterscheiden: Wer die tatbestandliche Ausführungshand-
Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals ohne weiteres eine unwiderleg- lung selbst vornimmt, ist immer Täter. Wer ein anderes Tatbestandsmerkmal
liche gesetzliche Täterschaftsvermutung annimmt, so ist dem also nicht erfüllt, ist nicht schon deshalb Tatherr. Die Frage, ob er Mittäter ist, muß
zuzustimmen; ganz abgesehen davon, daß die Täterschaft doch auf der wirk- nach anderen Gesichtspunkten beantwortet werden, auf die in diesem
lichen Stellung eines Beteiligten im Handlungsgeschehen und nicht auf Zusammenhang noch nicht einzugehen ist.
bloßen Vermutungen beruhen soll.
b) Dasselbe Ergebnis erhalten wir, wenn wir uns vom Gesetz lösen und
allein auf den Sinngehalt der äußeren Erscheinungen abstellen wollten. II. Der Irrtum über unrechtsrelevante Situationsmomente
Derjenige, der in unserem Beispielsfall auf dem Fabrikgelände Wache steht,
mag Mittäter sein oder nicht: Es leuchtet unmittelbar ein, daß die Beurtei- Anders liegt es in den Fällen, bei denen der Handelnde, weil er den Sach-
lung dieser Frage nicht davon abhängen kann, ob der Posten zufällig dies- verhalt nicht richtig überschaut, unrechtsausschließeride Umstände irrig
seits oder jenseits des Zaunes aufgestellt worden ist. Denn das richtet sich annimmt. Wer etwa in Putativnotwehr handelt, ist niemals Täter des § 212
nach den örtlichen und sachlichen Gegebenheiten und ist für die Beteiligten StGB, auch wenn er einen anderen willentlich erschossen und damit ein
eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, die nicht den geringsten Einfluß auf die wesentliches Tatbestandsmerkmal vorsätzlich-eigenhändig erfüllt hat.
Stellung des Mitwirkenden im Gesamtgeschehen hat. Wenn der Schmiere-
9
stehende daher Täter sein sollte, so ist er es jedenfalls nicht, weil er ein Tat- Vgl. dazu ausführlich u n t e n S. 282 ff.
10
Dabei wird vorausgesetzt, daß der Einsteigediebstahl - entgegen R G S t 24, 8 6 - 8 9 -
kein eigenhändiges Delikt ist u n d daß der subjektive Tatbestand vorliegt. Die darin
7
Auf die hier maßgebenden Kriterien wird im einzelnen später einzugehen sein. liegenden Fragen w e r d e n unten noch im einzelnen behandelt w e r d e n ; vgl. S. 338 ff. u n d
8
Vgl. Gallas, G u t a c h t e n , S. 137; Maurach, A.T., 2. Aufl., S. 517 (§ 49 II C am Ende). S. 409 ff.
140

Das ergibt sich aus der Irrtumslehre: Wenn man einer solchen Fehlvor-
stellung vorsatzausschließende Wirkung beilegt, so folgt daraus für die
Täterfrage, daß einem in dieser Weise Handelnden nicht die Tatherrschaft
des vorsätzlichen Täters zugesprochen werden kann. Zu einer abweichenden
Lösung kann man nur kommen, wenn man mit der strengen Schuldtheorie -
wie sie unter den Anhängern der Tatherrschaftslehre namentlich Welzel,
Maurach, Niese und mit gewissen Modifikationen auch Gallas'' vertreten -
hier einen Verbotsirrtum annimmt.
Es ist an dieser Stelle nicht möglich, die damit zusammenhängenden, im Sechstes Kapitel
wesentlichen der Tatbestands- und Irrtumslehre zugehörigen Fragen näher
zu behandeln. Ich habe mich an anderem Orte 1 2 eingehend damit ausein- Die Willensherrschaft
andergesetzt und muß zur Begründung der eingeschränkten Schuldtheorie
auf diese Abhandlungen verweisen. Praktische Auswirkungen in der Täter- Es gehört zu den von alters her am meisten erörterten Fragen, ob und wie
lehre hat der Meinungsstreit hauptsächlich insofern, als eine Täterschaft des es möglich und begründbar sei, daß jemand Täter sein könne, der die Tat
unmittelbar Handelnden in diesen Fällen die Möglichkeit eröffnet, den ver- selbst nicht ausgeführt hat. Für die konsequenten Vertreter der formal-
anlassenden Hintermann als Anstifter anstatt als mittelbaren Täter zu be- objektiven Theorie blieb die Erscheinung einer solchen „mittelbaren"
strafen. Soweit sich in der Beurteilung dieser Frage aus der Struktur von Deliktsbegehung immer ein Fall „unechter" oder „fingierter" Täterschaft,
Täterschaft und Teilnahme besondere, über die Irrtumslehre hinausweisende von dem man hoffte, daß man ihn durch Einführung der limitierten
Gesichtspunkte ergeben, werden sie bei Erörterung der mittelbaren Täter- Akzessorietät in den Bereich der Anstiftung werde eingliedern können. U m -
schaft zur Sprache kommen. Auch darauf kann hier Bezug genommen gekehrt konnte die extensive Lehre diese Fälle zwar mühelos ihrem Täter-
werden 13 . begriff unterordnen - ein Umstand, der zu ihrer Entstehung und Verbrei-
tung wesentlich beigetragen hat; aber das gelang ihr nur um den Preis der
Einebnung aller Teilnahmeformen, die folgerichtig zum Einheitstäterbegriff
hätte führen müssen.
In dieser Situation mußte die Tatherrschaftslehre - vorbereitet durch die
Übergewichtstheorie Heglers - als entscheidender Fortschritt empfunden
werden. Sie gestattete es, die typischen Gestaltungen mittelbarer Täterschaft,
wie etwa die Herbeiführung eines Erfolges durch Schaffung eines Nöti-
gungsnotstandes oder Benutzung eines Irrtums, als echte Fälle der Täter-
schaft zu begreifen, ohne die Abgrenzung gegenüber der Teilnahme zu
gefährden und die Täterschaft auf eine bloße Verursachung zu reduzieren.
Daraus erklärt es sich, daß auch Autoren wie Engisch oder Schröder, die der
Tatherrschaftslehre im ganzen skeptisch gegenüberstehen, in diesem Punkte
ihre Brauchbarkeit anerkennen 1 .
Und in der Tat: Schon der Umstand, daß die Rechtsfigur der mittelbaren
Täterschaft, obwohl sie jahrzehntelang dogmatisch kaum begründet werden
konnte, sich gegen alle Theorien behauptet hat, deutet darauf hin, daß ihr
eine von allen Konstruktionen unabhängige Sacheinsicht zugrundeliegt, daß
es sich also nicht um einen verkappten Fall der Anstiftung und auch um
mehr als die allen Teilnahmeformen gemeinsame Verursachung handelt.
Auch unser methodisches Prinzip der Zentralgestalt deutet in dieselbe Rich-
tung; denn eine Nötigung oder die Verwendung eines Irrenden macht den
Hintermann in anderer Weise zur Schlüsselfigur des Geschehens, als wenn er
sich auf eine Veranlassung oder einen bloßen Rat beschränkt hätte.
zu Gallas vgl. ZStW, Bd. 67, S. 27f. und S. 45/46, Anm. 89
in meiner Abhandlung über „Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkmale", Hamburg,
1959; ferner in: Mschr Krim 1961 (Tesar-Festschrift), S. 211 ff. 1
Engisch, ZStW, Bd. 66, 1954, S. 383; Schröder, in: Schönke-Schröder, 10. Aufl., VIII, 5, b
Vgl. unten S. 205ff. vor §47, S. 245
142 143

Es liegt also nahe, daß der Tatherrschaftsgedanke hier wie im Falle der ferner der übergesetzliche entschuldigende Notstand (III), notstandsähnliche
Handlungsherrschaft eine gültige und richtige Lösung formelhaft zu- Situationen (IV) und einzelne militärische Befehlsverhältnisse (V).
sammenfaßt. Freilich kommt alles darauf an, wie man diesen Begriff mit
Leben erfüllt. Unsere Darstellung wird zeigen, daß gerade in diesem Bereich
die Vertreter der Tatherrschaftslehre in den meisten Fragen - soweit sie über- I. Der Nötigungsnotstand (§52 StGB)
haupt erörtert werden - zu durchaus abweichenden Ergebnissen gelangen.
Die Übereinstimmung reicht nicht weit über die unbestimmte Herrschafts- 1. Tatherrschaft des Nötigers und des Genötigten
formel hinaus, die nicht mehr besagt als das, was der Sache nach schon
immer gegolten hat. Solange die mittelbare Täterschaft überhaupt anerkannt wird, ist dieser Fall
Bevor wir uns den Einzelfragen zuwenden, müssen wir uns vergegen- ihr zugerechnet worden. Und - um das gleich noch näher zu begründende
wärtigen, daß die hier in Betracht kommenden Situationen sich von den Ergebnis vorwegzunehmen - mit Recht: Wenn wir bei einem Nötigungs-
Fällen der oben besprochenen „Handlungsherrschaft" in struktureller Hin- notstand nach der Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens und
sicht wesentlich unterscheiden. Während dort die eigenhändige Verwirk- nach der Person suchen, die den Tatablauf „in der Hand" hat, so trifft dieses
lichung der Tatbestandshandlung die Täterschaft begründet, handelt es sich Kriterium auf den Hintermann sehr wohl zu. Zwar hat, wie wir gesehen
hier um Fallgestaltungen, bei denen eine ausführende „Handlung" des haben, auch der unmittelbar Handelnde die Tatherrschaft 1 . Doch liegt darin
Hintermannes gerade fehlt und die Tatherrschaft allein auf der Macht des kein Widerspruch, wie Welzel meint. Vielmehr macht diese Erkenntnis über-
steuernden Willens beruhen kann. Wir sprechen deshalb, soweit die Tatherr- haupt erst deutlich, auf welche Weise die Willensmacht bei dieser Fallgruppe
schaft zu bejahen ist, von einer „Willensherrschaft" des Täters. ohne eigenhändige Beteiligung bei der Verwirklichung zur Tatherrschaft
Versucht man, in der Vielfalt ihrer herkömmlichen Erscheinungsformen führen kann. Denn unmittelbar beherrscht der Nötigende allein den
eine Ordnung zu erkennen, so ergeben sich verschiedene Fallgruppen: Eine Genötigten. N u r weil der Genötigte seinerseits kraft seines Handelns den
Tatherrschaft kraft ablaufsgestaltender Willensmacht ist denkbar bei Benut- Geschehensablauf in der Hand hat, beherrscht der Hintermann mittelbar
zung eines unfrei Handelnden, also beim Einsatz eines erheblichen psychi- auch die Tat selbst. Man kann sagen: Die Willensherrschaft über den Inhaber
schen Motivationsdruckes gegenüber dem Tatmittler (§21); ferner, wenn der der Handlungsherrschaft begründet die Tatherrschaft.
Hintermann sich eines Irrenden bedient, also dem unmittelbar Tätigen in Es ist dies keine geteilte Tatherrschaft, wie sie zur Mittäterschaft führen
concreto intellektuell überlegen ist (§22); weiter bei einer Kombination kann, sondern eine zwiefache volle Tatherrschaft 2 . Wenn man die Tat-
psychischer und intellektueller Überlegenheitsmomente, wie sie in der Be- bestandsverwirklichung betrachtet, so stehen beide Beteiligte auf Grund ent-
ziehung zu Kindern und Geisteskranken besteht (§23); sodann in den bisher gegengesetzter Zurechnungskriterien im Zentrum; der eine kraft seines Tuns;
nur wenig erörterten Fällen, daß ein Hintermann, ohne zu den Mitteln der der andere kraft seiner Willensmacht, also deshalb, weil in der Handlung des
Nötigung und Täuschung greifen zu müssen, mit Hilfe der überlegenen unmittelbar Ausführenden der Wille des Hintermannes als treibender und
Macht eines ihm zu Gebote stehenden organisatorischen Apparates den gestaltender Faktor wirksam wird. Die umstrittene Frage, ob es einen Täter
Geschehensablauf beherrscht (§24); schließlich ist zu prüfen, ob die in hinter dem Täter gebe, ist also zu bejahen.
Schrifttum und Rechtsprechung immer wieder auftretenden Erscheinungs-
formen des sogenannten „dolosen Werkzeugs" durch den Tatherrschafts-
gedanken zu rechtfertigen sind (§ 25). 2. Willenseinfluß ist keine Willensherrschaft
Diese etwas grobe Einteilung wird bei genauerer Beschreibung eine Viel-
zahl weiterer, variierender Konstellationen hervortreten lassen, die jeweils Allein: So klar die Struktur einer solchen durch die Handlungsherrschaft
gesonderter Behandlung bedürfen. Erst im Laufe der Erörterungen kann sich eines anderen vermittelten „Willensherrschaft" ist, so sehr bedarf der Inhalt
zeigen, ob es täterschaftliche Strukturelemente gibt, die den mannigfaltigen dieses Begriffes weiterer Präzisierung. Denn ebensowenig wie bei der
Erscheinungsformen möglicher Willensherrschaft einheitlich zugrundeliegeTn „Handlungsherrschaft", die durch die Tatbestandsbesenreibungen umfassend
und eine generalisierende Zusammenfassung gestatten. gekennzeichnet ist, dürfen wir uns hier allein auf die Bildkraft des Wortes
„Willensherrschaft" verlassen. Vielmehr ist im einzelnen anzugeben, unter
welchen Voraussetzungen man davon sprechen kann, daß jemand den Tat-
§ 2 1 . Die Willensherrschaft kraft N ö t i g u n g mittler „beherrscht" und dadurch ins Zentrum des Geschehens rückt.

Hier bedürfen die Sachverhalte noch weiterer Differenzierung: Im Vorder- 1


Vgl. dazu und zum folgenden oben S. 131-136
grund steht der Schulfall des Nötigungsnotstandes (I); daneben treten einige 2
Ähnlich, wenn auch in der Begründung nicht ganz gleichartig: Gallas, Gutachten,
Sonderfälle aus dem Bereich des einfachen Notstandes, §54 StGB (II), S. 133 f.
144 145

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, daß „Willensherrschaft" nicht instinktiven Reaktionen kommen kann 5 , die der Zurechnungsunfähigkeit
gleichbedeutend ist mit „Willenseinfluß". Nicht jeder, der mehr oder weni- nahestehen und denen der Charakter einer personalen „Entscheidung" abzu-
ger starken Einfluß auf die Entschließung des unmittelbar Handelnden sprechen ist, so kann doch andererseits nicht geleugnet werden, daß es sehr
nimmt, beherrscht deshalb schon die Tat. Denn einen solchen Einfluß haben viele Fälle gibt, in denen dem Genötigten eine freie Entscheidungsmöglich-
Anstifter und Gehilfen, die den Handelnden verleiten und ihm mit Rat- keit bleibt. Man'stelle sich vor, daß der Genötigte ohnehin mit dem Leben
schlägen zur Seite stehen, ebenfalls. Will man den Bereich der Teilnahme abgeschlossen hat, oder daß die Gefahr einen Angehörigen betrifft, der ihm
nicht zur Bedeutungslosigkeit degradieren und dadurch die gesetzgeberi- nicht sehr nahe steht; oder man denke daran, daß bestimmte Personen-
schen Zweckvorstellungen verfehlen, dann muß man den Begriff der „Herr- gruppen (Soldaten, Feuerwehrleute etc.) schon von Rechts wegen größere
schaft" so auslegen, wie er auch dem Wortsinn und dem sozialen Bedeu- Gefahren erdulden müssen - ein Verlangen, das sinnlos wäre, wenn sie
tungsgehalt nach nur verstanden werden kann: Er muß beschränkt werden nicht die Möglichkeit hätten, sich für ein normgemäßes Verhalten zu ent-
auf die Fälle, in denen die maßgebende und letzte Entscheidung über das, scheiden!
was geschehen soll, beim Hintermann liegt. Wo immer dem unmittelbar Aus ähnlichen Erwägungen hat zuletzt Armin Kaufmann 6 im Anschluß
Handelnden eine freie Entscheidung bleibt, kann der Einfluß des Hinter- an eine Reihe anderer Autoren 7 die Folgerung abgeleitet, daß unter den Vor-
mannes sich nicht bis zur „Herrschaft" steigern, deren Vorliegen nach der aussetzungen des Notstandes „die Fähigkeit zu normgemäßer Willens-
Tatherrschaftslehre eine Voraussetzung der Täterschaft sein muß. bildung ... nicht tangiert" werde 8 . Er geht in diesem Zusammenhang auf
Diese Ausschaltung des Willenseinflusses aus dem Bereich der „Herr- Teilnahmefragen nicht ein, vertritt aber später ohne nähere Begründung die
schaft", die von der Gesetzesteleologik und den vorgegebenen Sinnzu- Ansicht, daß der nötigende Hintermann nach der Tatherrschaftslehre „stets
sammenhängen gleichermaßen gefordert wird, verbietet es, den Nötigungs- Anstifter" 9 sei 10 . Man darf annehmen, daß diese sonst unter den Anhängern
notstand als bloße Erscheinungsform eines weitergreifenden, auch die der Tatherrschaftstheorie nirgends vertretene Auffassung eine Konsequenz
gewöhnliche Veranlassung umfassenden Tatherrschaftsbegriffes anzusehen. der nach seiner Meinung fortbestehenden Entscheidungsfreiheit des Ge-
Wenn daher Lange 3 bei der „Bestimmung eines anderen, der vorsätzlich den nötigten ist.
Tatbestand verwirklicht, indessen so, daß der Bestimmende auch eigenen Diese These scheint die Tatherrschaftslehre in ernstliche Schwierigkeiten
Täterwillen hat", von „Tatherrschaft" spricht, und wenn er als „Schulfall" zu bringen. Denn auch wenn man Kaufmanns Standpunkt für zu einseitig
die mehrfach erwähnte Entscheidung RGSt 74, 84 4 anführt, bei der er die hält und geltend macht, daß es Situationen gibt, in denen der Genötigte keine
veranlassende Kindesmutter als mittelbare Täterin ansieht, so liegt dem eine freie Entscheidung mehr treffen kann - so wird es etwa bei langdauernden
unrichtige Auffassung des Tatherrschaftsbegriffs zugrunde, die dem Wesen Marterungen sein - bleibt doch für die übrigen Fälle das Problem bestehen.
der Willensherrschaft nicht gerecht wird. Darauf wird in anderen Zu- Wenn es immerhin nicht selten so ist, daß im Nötigungsnotstand der
sammenhängen noch zurückzukommen sein. Handelnde die letzte Entscheidung über das, was geschehen soll, noch selbst
„in der Hand" hat, so läßt sich nur schwer der Gedanke abweisen, daß eine
Tatherrschaft des Hintermannes im oben gekennzeichneten Sinne nicht
3. Die Kriterien der Willensherrschaft besteht.
Zieht man diesen Schluß, so hat man die Wahl zwischen zwei weiteren
Bei der gebotenen Eingrenzung der Willensherrschaft stellt sich aber eine Konsequenzen: Man kann entweder zu dem Ergebnis kommen, daß ent-
weitere wichtige Frage; die Frage nämlich, wann man im Einzelfall anneh- gegen der fast einhelligen Ansicht in Schrifttum und Rechtsprechung im
men darf, daß die „letzte" und „maßgebende" Entscheidung beim Hinter- Falle des Nötigungsnotstandes nicht generell eine mittelbare Täterschaft des
mann lag. Die unkritische Annahme, daß in sämtlichen nach § 52 StGB ent- Hintermannes angenommen werden könne, sondern daß man von Fall zu
schuldigten Situationen der Genötigte vom Hintermann „beherrscht" werde, Fall prüfen müsse, inwieweit der Genötigte noch die Fähigkeit zu selb-
bedarf sorgfältiger Überprüfung und kann durchaus nicht als selbstverständ-
lich zugrundegelegt werden.
5
Ist es nicht vielmehr so, daß der Genötigte die Gewalt oder die Drohung, Vgl. dazu Brauneck, GA 1959, S. 269, die darin das „typische Bild" des Notstandes
unter der er zu leiden hat, auch ertragen könnte, so daß die letzte Entschei- erblickt.
6
Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 153 ff. (künftig zitiert: UD)
dung über das, was geschehen soll, bei ihm liegt? Selbst wenn man davon 7
Vgl. Kaufmann, UD, S. 154, Anm. 162
ausgeht, daß es unter dem Druck der Lebensgefahr zu panischen, blind- 8
UD,S. 155
9
UD, S. 165, Anm. 187
10
Wie Kaufmann, der eine mittelbare Täterschaft ausdrücklich ablehnt, zu dem Ergebnis
kommen kann, daß neben der Anstiftung „regelmäßig auch Mittäterschaft" vorliege, ist
3
Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor § 47, 5, B, 2, f, S. 162 aus seinen knappen Andeutungen nicht ersichtlich. Vermutlich sind die Fälle gemeint,
4
Vgl. dazu oben S. 55, 56, 81, 96 in denen der Nötiger bei der Ausführung auch eigenhändig mitwirkt.
146 147

ständiger Entscheidung besaß, so daß je nachdem mittelbare Täterschaft oder zentrale Position des handlungsmäßigen Ablaufs miteinrücken läßt. Der
Anstiftung vorläge; oder man müßte, wenn man an der ausnahmslosen Gesetzgeber wechselt also, wenn der Motivationsdruck erfahrungsgemäß
Annahme mittelbarer Täterschaft festhalten wollte, zu der Erkenntnis kom- eine bestimmte Stärke erreicht hat, den Blickpunkt und schiebt die Verant-
men, daß die Täterprobleme des Nötigungsnotstandes durch die Tatherr- wortung allein, dem Hintermann zu, der damit zu einer Hauptfigur des
schaftslehre entgegen allen bisherigen Auffassungen nicht befriedigend zu Handlungsvorganges wird. Es scheint mir unbestreitbar, daß dem Gesetz
lösen seien. Es würde also entweder die seit langem gefestigte Ansicht von diese Auffassung zugrundeliegt.
der mittelbaren Täterschaft oder die Tatherrschaftslehre unrichtig sein. Es ist auch sachlich durchaus angemessen, den Herrschaftsbegriff so zu
Die Alternative stellt sich freilich nur, wenn die Prämisse richtig ist, wenn verstehen, daß er sich dieser Konzeption eingliedert. Keine vorgegebene
also wirklich die Willensherrschaft des Hintermannes ausschließlich eine Sozialnorm nötigt uns, ihn psychologisierend so zu begreifen, daß er nur bei
Frage psychologischer Beurteilung ist. Diese Auffassung, die uns im fol- völliger Willenlosigkeit des Mittlers anwendbar ist. Vielmehr erscheint es
genden noch häufiger begegnen wird, müßte die Feststellung der Wil- durchaus als sinnvoll, in Übereinstimmung mit dem Grundgedanken des
lensherrschaft im Prozeß konsequenterweise zu einer Angelegenheit der Gesetzes von „Herrschaft" dort zu sprechen, wo der Einfluß des Hinter-
psychologischen Sachverständigen machen, so daß wir insoweit einen mannes derart ist, daß das Strafrecht dem unmittelbar Handelnden die Ver-
„naturwissenschaftlichen" Tatherrschaftsbegriff erhalten würden. antwortung abnimmt. Der Begriff der Willensherrschaft ist dann also nicht
Die Frage, ob ein solches psychisches „Können" überhaupt mit hin- an der psychischen Situation, sondern an der Verantwortung orientiert, einer
reichender Sicherheit zu ermitteln ist und die erwähnten dogmatischen Kategorie, die dem rechtlichen Sinngehalt des Vorganges aus den genannten
Schwierigkeiten, die dieses Verfahren mit sich bringen würde, seien nur am Gründen besser gerecht wird als es ein rein psychologisierendes Verfahren
Rande erwähnt. Entscheidend ist, daß eine derartige Begriffsbildung schon vermöchte. Die „maßgebende" Entscheidung und damit die Willensherr-
vom methodischen Ausgangspunkt her unrichtig ist: Die empirischen Daten, schaft, so wie sie nach dem Gesetz zu verstehen ist, liegt also beim Hinter-
hier also der nachweisbare Motivationsdruck bestimmter Situationen, sind mann nicht erst dann, wenn dem Handelnden eine selbständige Entschei-
zwar für die rechtliche Regelung wesentlich, weil sie dem Begriff der dung psychisch schlechterdings nicht mehr möglich ist, sondern schon dann,
Willensherrschaft Anschaulichkeit und Lebensnähe verleihen; aber sie dürfen wenn das Strafrecht sie von ihm nicht mehr verlangt.
den Inhalt der „Herrschaft" nicht allein bestimmen, weil der rechtliche Für unser beschreibendes Verfahren hat das wiederum die begrüßenswerte
Bedeutungsgehalt eines Vorganges dem bloßen psychischen Befund nicht zu Folge, daß wir auf die Ausformung zurückgreifen können, die das Verant-
entnehmen ist, sondern nur durch die Beziehung auf die gesetzlichen Sinn- wortungsprinzip im Rahmen des §52 StGB durch Gesetz, Rechtsprechung
zusammenhänge ermittelt werden kann. Auch hier kommt es also auf eine und Schrifttum erfahren hat. Daraus ergeben sich sorgfältig differenzierte
Synthese beider Betrachtungsweisen an, deren Voraussetzungen o b e n " für Lösungen: Wenn beispielsweise einige Personengruppen oder diejenigen, die
die Täterlehre im allgemeinen dargestellt worden sind und die es jetzt nur durch eigenes Verschulden in die Notstandslage gekommen sind, größere
auf den konkreten Fall anzuwenden gilt. Widerstandskraft aufbringen müssen, bevor sie entschuldigt werden, dann
Dann ergibt sich: Der Begriff der Willensherrschaft ist nicht in erster sind auch an die Willensherrschaft höhere Anforderungen zu stellen. Ein
Linie psychologisch zu verstehen, sondern er ist auf der Grundlage der Verhalten, das sonst zur mittelbaren Täterschaft führen würde, wird hier also
vorliegenden Erfahrungen über die menschliche Widerstandsfähigkeit möglicherweise nur eine Anstiftung begründen. Ganz zu Recht findet hier
gegen Gewalt und Drohungen so auszulegen, daß er dem gesetzlichen Leit- trotz gleicher psychischer Einwirkung eine unterschiedliche Beurteilung
bild gerecht wird. Wenn wir davon ausgehen, daß der Gesetzgeber als statt: O b der Veranlassende im Zentrum des Geschehens steht, richtet sich
Täter die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens ansehen will, eben nicht allein nach psychologischen Kriterien, sondern es ist davon
und wenn wir außerdem annehmen, daß der Tatherrschaftsgedanke diese abhängig, ob dem unmittelbar Handelnden die Verantwortung um des
Zentralstellung dem zugesteht, der das Geschehen „in der Hand" hat, so Hintermannes willen abgenommen wird. Unsere Lösung erlaubt es gleich-
müssen wir also weiter fragen, ob das Gesetz uns Anhaltspunkte dafür gibt, zeitig, mit Hilfe des Regulativs der Zumutbarkeit, das beim Strafausschluß
wann es diese Voraussetzungen als erfüllt ansieht. Solche Anhaltspunkte gibt nach § 52 StGB eine bedeutsame Rolle spielt, eine Randzone für die richter-
es in der Tat: Denn wenn der Gesetzgeber den unmittelbar Handelnden - liche Würdigung individueller Einzelfälle auch bei der Abgrenzung von
unabhängig von seiner seelischen Situation im Einzelfall - von der Verant- mittelbarer Täterschaft und Anstiftung offen zu halten.
wortung entlastet und ihn straflos den Weg des geringsten Widerstandes Schließlich läßt sich an diesem verhältnismäßig einfachsten Fall der
gehen läßt, dann kann das nur so verstanden werden, daß er in dieser Situa- mittelbaren Täterschaft auch ein Phänomen nachweisen, auf das oben 12
tion das Geschehen in der Hand des Hintermannes sieht und diesen in die schon im allgemeinen hingedeutet wurde: daß nämlich die rechtliche Durch-

11
S. 19-25 12
S. 25
148 149

formung der empirischen Vorgegebenheiten ihrerseits wieder Einfluß auf die einem streng psychologischen Begriff der Willensherrschaft abrückt. Denn
sachlichen Grundlagen der rechtlichen Bewertung ausübt, das heißt hier: wenn man allein auf das seelische „Können" abhebt, ist es schwer vorstellbar,
Rückwirkungen auf die psychische Situation der Beteiligten hat. Denn wenn daß B bei ein und derselben Tat zugleich „frei" und „unfrei" gehandelt haben
der Genötigte strafrechtliche Folgen nicht zu fürchten braucht, wird er dem sollte. Vor allem könnte man einwenden, daß B, wenn er sich erst durch das
Hintermann weit willenloser folgen als wenn ihn die Furcht vor der Zureden des C zur Tatbestandsverwirklichung bewegen ließ, gerade dem D
Strafbarkeit zum Einsatz aller seiner Willenskräfte zwingen würde. Im ersten gegenüber standgehalten und seine „Freiheit" bewiesen hatte, während er
Fall wird also die Beherrschung eines anderen rein faktisch oft viel schließlich den Worten des C nachgab. Aber auf das alles kommt es nicht an:
leichter sein als im zweiten. Auch von hier aus gesehen erweist sich die Denn die Zwangssituation war von D geschaffen worden, und das allein
Korrelation von Verantwortungsübergang und Willensherrschaft demnach reicht aus, um den B als von ihm beherrscht erscheinen zu lassen, wie immer
als sinnvoll. sich dieser dazu innerlich stellen mochte.
Wir erhalten daher folgendes Ergebnis: Wer auf den unmittelbar Han-
delnden nur mehr oder weniger starken Einfluß ausübt, hat nicht die Herr-
schaft im Rechtssinne, weil die Verantwortung beim Ausführenden bleibt. IL Der einfache Notstand, § 54 StGB
Wer aber auf einen anderen derart einwirkt, daß dieser von Gesetzes wegen
der Verantwortung ledig wird, ist als Träger der Willensherrschaft anzu- Hier wird im Normalfall das Problem einer mittelbaren Täterschaft nicht
sehen. Bei einem Nötigungsnotstand ist der Hintermann also, entgegen auftauchen, weil der Handelnde nicht durch einen Menschen, sondern
Armin Kaufmann, in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre in sämt- durch den Zwang der Ereignisse in die Nötigungssituation gebracht wird.
lichen bisher besprochenen Fällen als Tatherr und mittelbarer Täter zu Einige Sonderfälle sind aber doch unter dem Gesichtspunkt der Tatherr-
betrachten. schaft näher zu prüfen. Dabei kommen zwei verschiedene Konstellationen in
Diese Auslegung des Tatherrschaftsbegriffes, die allein den gesetzlichen Frage:
Grundlagen gerecht wird, wird auch im folgenden noch zu wichtigen
Erkenntnissen führen.
1. Die vorsätzliche Herbeiführung eines Notstandes
gemäß § 54 StGB
4. Teilnahmefälle beim Nötigungsnotstand
Jemand bringt einen anderen vorsätzlich in eine Lage, die die Voraus-
Die hier vertretene Auffassung schließt aber die Möglichkeit einer Teilnahme setzungen des § 54 erfüllt, um ihn auf diese Weise zu einer Straftat zu ver-
auch im Rahmen des § 52 StGB nicht schlechthin aus. Wir brauchen nur auf anlassen. Er bewirkt etwa den Untergang eines Bootes, damit der stärkere
ein schon oben 13 verwendetes Beispiel zurückzugreifen: A, B, C werden von der beiden Insassen den schwächeren von dem nur eine Person tragenden
einer Räuberbande gefangen, deren Anführer D dem B mit dem Tode droht, Brett des Karneades herunterstoße und ihn dadurch dem Tod überant-
wenn er nicht den A umbringe. B weigert sich zunächst, läßt sich dann aber worte.
von C durch Zureden zum Tatentschluß bewegen. Hier ist mittelbare Täterschaft anzunehmen. Der Fall steht dem Nöti-
In diesem Fall handelt B entschuldigt; aber nicht um des C willen, sondern gungsnotstand außerordentlich nahe; er ließe sich bei weitherziger Aus-
wegen der durch den D geschaffenen Notlage. Aus diesem Grunde besteht legung (Nötigung durch unwiderstehliche Gewalt?) vielleicht sogar dem §52
auch für den Gesetzgeber kein Anlaß, den C neben D als Schlüsselfigur des StGB subsumieren. Aber wie dem auch sei: Jedenfalls hat der Hintermann
Vorganges anzusehen. Der schmale Raum, der dem B trotz der Drohung des das Geschehen manipuliert und den unmittelbar Handelnden in eine die
D für eine selbständige Entscheidung noch blieb, wurde durch C nicht Freiheit der Willensentschließung derart beschränkende Lage gebracht, daß
weiter eingeengt, so daß der Tatentschluß des B auf der Grundlage der ein- der Gesetzgeber ihn der Verantwortung für seine Entscheidung enthebt. Die
mal bestehenden Situation im Verhältnis zu C als „frei" betrachtet werden Willensherrschaft liegt also beim Hintermann 16 .
muß. Deshalb kann C nur Anstifter sein.
Diese auch dem Rechtsgefühl einleuchtende Lösung 14 ist freilich von
vornherein nur möglich, wenn man dem hier entwickelten Tatherrschafts-
begriff darin folgt, daß B ebenfalls Täter ist15, und wenn man weiter von

IJ
S. 135
14 16
im Ergebnis wohl ebenso Maurach, A.T., 2. Aufl., §48 II C, S. 502 Im Ergebnis wohl ebenso Gallas, Gutachten, S. 134; Maurach, A.T., 2. Aufl., §48 II C,
15
dazu ausführlich oben S. 131-136 S. 502
150 151

2. Die Tatveranlassung oder Unterstützung a) Die Aufforderung an den Notstandstäter


bei bestehender Notlage
Wenn der Außenstehende den einen lediglich auffordert, sich auf Kosten des
Der zweite, praktisch bedeutsamere Fall ist der, daß jemand eine nicht von anderen zu retten, und wenn dieser dem Ratschlage folgt, so ist eine Tatherr-
ihm geschaffene Notstandslage benutzt, um durch den in N o t Geratenen schaft des Veranlassenden abzulehnen. Zwar handelt der Ausführende ohne
einen von ihm gewünschten Erfolg zu bewirken, sei es, daß er ihn veranlaßt eine im Sinne des Gesetzes „freie" Entscheidungsmöglichkeit; aber die straf-
oder daß er ihm dabei behilflich ist. Um den urbildlichen Karneades-Fall rechtliche Verantwortung wird ihm nicht um der Herrschaft des Hinter-
noch einmal zu variieren: Ein Schiffbrüchiger hat sich auf die Planke gerettet, mannes willen abgenommen, sondern wegen des Zwanges der äußeren
die nur ihn allein trägt. Ein Außenstehender veranlaßt einen zweiten Schiff- Umstände, die der Lenkung des Auffordernden nicht unterstehen. Die Situa-
brüchigen, den ersten von der Planke herunterzustoßen, oder er hilft ihm tion, in der der eine sein Leben nur auf Kosten des anderen retten kann, ist
dabei, indem er ihm etwa eine Waffe verschafft. vom Außenstehenden ganz unabhängig; sie allein begründet die seelische
Zu welcher Lösung die Tatherrschaftslehre in diesem Falle führt, ist Zwangslage, die zur Entschuldigung des Handelnden führt. Da aber die Tat-
umstritten. Gallas will mittelbare Täterschaft annehmen. Er sagt17: „Das herrschaft voraussetzt, daß die Willensherrschaft beim Hintermann liegt,
Übergewicht des Hintermannes bleibt bestehen, auch wenn dieser es nicht kann sie nicht gegeben sein, wenn der Motivationsdruck nicht von ihm, son-
selbst herbeiführt, sondern nur ausnutzt: Der Tatmittler vermag infolge der dern von anderen Umständen ausgeht.
Notlage ... der Versuchung durch den Hintermann nicht den von ihm sonst Allerdings hat Gallas recht, wenn er darauf hinweist, daß der Aufgefor-
geforderten Widerstand entgegenzusetzen und ist diesem daher ,in die derte der „Versuchung" durch den Hintermann in seiner Notlage weit eher
Hand' gegeben" 18 . Er fügt zwar hinzu, daß eine Entschuldigung auch des nachgeben werde als er es sonst etwa tun würde. Aber darauf kommt es
Hintermannes in Frage komme, wenn er im Interesse des in Notstand nicht an: Wäre der Handelnde nicht ohnehin entschuldigt, würden ihn die
Befindlichen tätig werde 19 ; doch kann das nichts daran ändern, daß für Einflüsterungen des Hintermannes, die auf die äußere Lage ohne Einfluß
Gallas auch dieser Fall seiner Struktur nach der mittelbaren Täterschaft sind, von der Verantwortung nicht befreien können. Verantwortungsaus-
zuzuweisen ist. schluß beim Handelnden und Verantwortung des Hintermannes für die
Im Gegensatz dazu gehen Welzel 20 , Maurach 21 und Bockelmann 22 ohne Zwangssituation korrespondieren hier also nicht. Das Beispiel entspricht
besondere Begründung davon aus, daß für die Tatherrschaftslehre hier ein insofern dem oben behandelten Teilnahmefall bei §52 StGB 23 . Rein faktisch-
Fall bloßer Teilnahme gegeben sei. psychologisch kann es natürlich so sein, daß eine Aufforderung dem in
Mir scheint, das richtige Ergebnis liegt in der Mitte: seinen Entschlüssen Schwankenden den letzten Stoß gibt. Aber wir wissen,
daß die Willensherrschaft, wenn wir sie richtig verstehen, davon nicht
abhängt.

b) Die Umgestaltung der Situation zugunsten des Notstandstäters

17
Gutachten, S. 134 Anders liegt es aber, wenn der Außenstehende dem ohne sein Zutun in
18
Gallas führt weiter aus, es ergebe sich aus der streng akzessorischen Regelung der Not Geratenen überhaupt erst die Möglichkeit verschafft, sich auf Kosten
Anstiftung, daß auch nach der gesetzlichen Wertung hier mittelbare Täterschaft vor- eines anderen in Sicherheit zu bringen; wenn er ihm also etwa eine Pistole
liege. Er geht dabei von dem vor der VO vom 29. 5. 43 bestehenden Rechtszustand aus. zur Verfügung stellt, damit er den anderen, der sonst nicht gefährdet wäre,
Angesichts der heutigen Rechtslage ist aber nicht ersichtlich, welche Bedeutung diesem
Argument noch zukommen soll. Denn nach der jetzt maßgeblichen gesetzgeberischen
von seinem Brett herabschießen könne. Der Fall verdient deshalb eine
Wertung, die dem Prinzip der limitierten Akzessorietät zugrundeliegt, wird doch gerade besondere Behandlung, weil der Eingriff hier für die äußere Situation nicht
auf die Notwendigkeit einer schuldhaften Haupttat verzichtet, so daß insoweit der bedeutungslos ist, sondern die Sachlage derart umgestaltet, daß sie dem
Annahme einer Anstiftung nichts entgegenstehen würde. Gefährdeten die bislang nicht vorhandene Gelegenheit zur Notstandstat
19
a. a. O. Anm. 44; die Frage ist ebenfalls sehr strittig, für die Täterproblematik aber nicht gibt. Damit rückt die Situation in die Nachbarschaft des §52 StGB. Während
von entscheidender Bedeutung; für generellen Verantwortungsausschluß des Hinter-
mannes Maurach, A.T., 2. Aufl., §33 III, 5, a, S. 310; für Bestrafung des Außenstehen- dort der Hintermann den Tatmittler selbst in die Gefahr versetzt und ihm
den dagegen die h. M., vgl. etwa Kohlr./Lange, 42743. Aufl., § 54 I 4; Welzel, 7. Aufl., dann die Wahl läßt, einen Deliktstatbestand zu verwirklichen oder selbst
S. 164; Bockelmann, Untersuchungen, S. 86; Schönke/Schröder, 10. Aufl., §54 III, 5, Schaden zu leiden, stellt er ihn hier durch Benutzung einer bestehenden
S. 331
20
Lehrb., 7. Aufl., S. 164
21
Lehrb., A.T., 2. Aufl., §48 II C, S. 502
22
Untersuchungen S. 86 23
Vgl. S. 148/149
152 153

Gefahrenlage vor genau dieselbe Alternative. Darin liegt zugleich die ent- der Handlungsherrschaft, sondern auch bei Beurteilung der Willensherr-
scheidende Abweichung von dem vorher behandelten Fall, bei dem wir dem schaft in den Ergebnissen nicht notwendig mit ihr übereinstimmt.
Außenstehenden die Tatherrschaft absprechen mußten. Zwar ist die dem Unser Ergebnis lautet also: Wer einem ohne sein Zutun in N o t Geratenen
Täter drohende Gefahr in beiden Fällen ohne den Hintermann entstanden. die Möglichkeit gibt, sich auf Kosten eines anderen durch eine nach §54
Aber wenn der Auffordernde die äußere Situation nicht verändert, ist die StGB entschuldigte Straftat zu retten, ist mittelbarer Täter; wer, ohne die
Gefahr für das Notstandsopfer und damit die innere Konfliktslage des äußere Lage umzugestalten, in einer schon vorgegebenen Notstandssituation
Handelnden, die zu einer durch §54 StGB entschuldigten Straftat führen bei einem Beteiligten den Tatentschluß zu einer nach §54 StGB straflosen
kann, schon vorgegeben. Hier dagegen wird sie durch den Hintermann erst Handlung erregt oder ihm dabei seelische Unterstützung gewährt, ist nur
geschaffen. Dieser Umstand macht ihn zum Träger der Willensherrschaft. Teilnehmer. Diese Lösung entspricht im ersten Halbsatz der von Gallas
Denn der Außenstehende bringt den unmittelbar Handelnden in eine Lage, gegen Welzel, Maurach und Bockelmann vertretenen Meinung; sie gibt im
in der dieser, ohne für seine Entscheidung selbst strafrechtlich verantwort- zweiten Halbsatz der unter den Anhängern der Tatherrschaftslehre über-
lich zu sein, zu einem rechtswidrigen Totschlag veranlaßt wird. Die nach der wiegenden Auffassung gegen Gallas recht.
hier vertretenen Auffassung maßgebende, d. h. die einzige vor dem Forum
des Rechts zu verantwortende, Entscheidung und damit die Willensherr-
schaft liegt beim Hintermann. Durch die Veränderung der äußeren Situation, III. Der übergesetzliche entschuldigende Notstand
mit Hilfe deren er dem einen ein Übergewicht gegenüber dem anderen ver-
schafft, spielt er Schicksal, genau wie wenn er ohne den Umweg über die Hier sind die Sachverhalte einzureihen, die nach dem letzten Kriege im
Person des Notstandstäters eingreifen und den schon gesicherten Schiff- Rahmen der sog. Euthanasieprozesse die Praxis viel beschäftigt haben:
brüchigen zugunsten des anderen von seinem Brett herunterschießen Anstaltsärzte wirkten an der rechtswidrigen Tötung einiger geisteskranker
würde. Patienten mit, um die übrigen zu retten. Ohne ihre Mitwirkung wären alle
Diese Beurteilung ist unabhängig von der Frage, aus welchen Motiven der getötet worden 2 5 . Oder, wenn man die Befehlssituation an dieser Stelle noch
Hintermann gehandelt hat. Er besitzt die Willensherrschaft, einerlei, ob er ausklammern will: Ein Bahnbeamter vermeidet einen drohenden Zusammen-
durch den im Notstand Entschuldigten seinen Feind verderben oder ob er stoß, der mit Sicherheit zahlreiche Menschen töten muß, indem er eine
nur seinen Freund retten wollte. So oder so hat er ohne eigene N o t einen Weiche umstellt und den Zug auf ein Nebengeleis leitet, wo er - wie der
Menschen durch seine Willensmacht zum Tode gebracht. Sicher ist der Beamte vorhersieht - eine geringere Zahl von Arbeitern überfährt 26 .
zweite Fall milder zu beurteilen; aber auch hier hat der Außenseiter um des
Freundes willen einen anderen getötet und sich damit die Stellung eines
Richters über Leben und Tod angemaßt, die ihm nicht zukommt 2 4 . Selbst 1. Die vorsätzliche Herbeiführung eines übergesetzlichen
wenn man hier mit Gallas eine Entschuldigung auch des Hintermannes entschuldigenden Notstandes
annehmen wollte - was aus dem Gesetz schwer zu begründen ist und mir
nicht einmal kriminalpolitisch wünschenswert erscheint - so würde er doch Gesetzt: Ein anderer hätte bewußt - in Kenntnis aller Umstände - die
(wenngleich schuldloser) mittelbarer Täter bleiben. Denn er hat die Möglich- Situation herbeigeführt, in der der Bahnbeamte den Zusammenstoß nur
keit einer Tatbestandsverwirklichung geschaffen, bei der der Handelnde durch die Weichenumstellung vermeiden konnte. Wie ist sein Verhalten zu
einer verantwortlichen Entscheidung nicht mehr fähig ist. würdigen? Und wie sind die Hintermänner zu beurteilen, die die Ärzte in
Ebenso ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Außen- die Lage brachten, entweder alle Patienten umkommen zu lassen oder an der
stehende einen Täter- oder Teilnehmerwillen im Sinne der Dolustheorie hat. Tötung einiger mitzuwirken?
Auch wenn er demjenigen, dem er die Pistole gibt, ihren Gebrauch „anheim- Es ist mittelbare Täterschaft anzunehmen. Einerlei, ob der Bahnbeamte
stellt" und sich insoweit seinem Willensentschluß „unterwirft", bleibt er oder die Ärzte, sofern sie sich jeder Einwirkung auf das Geschehen ent-
Träger der Willensherrschaft. Denn der Handelnde, den er vor die unaus r halten hätten, straflos geblieben oder eines Unterlass'ungsdelikts schuldig
weichliche Alternative stellt, kann keine freie Entscheidung mehr fällen, geworden wären: Wenn die Handlung, die sie nun einmal vorgenommen
der sich der Hintermann mit rechtlicher Wirkung unterwerfen könnte. haben, entschuldigt wird, wie es die herrschende Meinung befürwortet 27 ,
Hier zeigt sich deutlich, daß eine rein subjektiv verstandene Dolustheorie zu
sehr psychologisiert, und daß die Tatherrschafts lehre nicht nur im Bereich
25
O G H S t 1,321-343; 2, 117-135
26
D e r Fall s t a m m t von Welzel, Z S t W Bd. 63, S. 51
27
Vgl. n u r Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 163/64; Schönke/Schröder, 10. Aufl., V, 4, c vor
Vgl. zu dieser Problematik auch Welzel, 7. Aufl., S. 164, u n d Bockelmann, U n t e r - § 5 1 , S. 308/09; B a u m a n n , Lehrb., 2. Aufl., S. 272, 374; H e n k e l , Mezger-Festschr.,
suchungen, S. 86 S. 300
154 155

so sind sie der Verantwortung ledig, und die nach den hier zugrundegelegten der mittelbaren Täterschaft an. Geht man von einer Rechtfertigung aus, so
Kriterien maßgebende Entscheidung, also die Willensherrschaft über den läge der klassische Fall einer mittelbaren Täterschaft durch ein rechtmäßig
Geschehensablauf, liegt beim Hintermann. handelndes Werkzeug vor 28 ; nimmt man einen persönlichen Strafaus-
Diese Fälle bieten unter dem Gesichtspunkt der Tatherrschaftslehre einige schließungsgrund an, so stellt sich der unmittelbar Handelnde als schuld-
Besonderheiten, die bisher noch nicht gewürdigt worden sind. Denn wenn hafter Täter dar. Auch bei dieser Konstruktion würde aber die Befreiung des
wir annehmen, daß die unmittelbaren Täter sich durch ein Untätigbleiben Ausführenden von den strafrechtlichen Konsequenzen seines Tuns genügen,
straflos aus der Affäre ziehen konnten, und wenn wir auch den Gedanken an um den Hintermann in die Zentralstellung des handlungsmäßigen Ge-
zwangsartige Unterordnungsverhältnisse ausschalten, so kann von einer schehens zu rücken und ihm den Ablauf im Rechtssinne „in die Hand" zu
„Nötigung" der Handelnden nur insoweit die Rede sein, als sie durch den geben.
Hintermann in eine Situation sittlichen Konflikts gebracht werden. Ein sol-
cher Fall kann mit den bisher behandelten psychologisch nicht auf eine Stufe
gestellt werden. Denn die Macht des Selbsterhaltungstriebes, die dort wirk- 2. Die Veranlassung oder Unterstützung
sam war, engt die freie Entscheidungsmöglichkeit mehr oder weniger ein, eines in entschuldigtem übergesetzlichen Notstand Handelnden
durchschlägt die moralischen Hemmungen und drängt den Täter zur Rechts-
gutsverletzung. Hier dagegen liegt es umgekehrt: Der Täter hat, wenn er Anders sind die Fälle zu beurteilen, in denen der Außenstehende die Kon-
jedes Eingreifen unterläßt, für seine Person nicht das geringste zu fürchten. fliktslage nicht geschaffen hat, sondern den Notstandstäter nur zu seiner Tat
Die psychischen Antriebe werden daher, wie die praktische Erfahrung auffordert oder ihm dabei hilft. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teil-
immer wieder bestätigt, eher dahin tendieren, den Dingen ihren Lauf zu nahme ist hier ohne praktische Bedeutung, weil man anders als bei den §§ 52,
lassen und sich aus allem herauszuhalten. 54 StGB die Entschuldigung, die man dem Notstandstäter gewährt, dem
Wenn der Täter dennoch handelt, so muß er dabei eine dem sittlichen Außenstehenden keinesfalls versagen kann: Denn beide stehen ja in der
Kern seiner Persönlichkeit entspringende, insofern ihm ganz zugehörende gleichen, unentrinnbaren Entscheidungssituation. Sie handeln in gleichem
und „freie" Gewissensentscheidung gerade gegen die trägen Beharrungs- Maße „frei" und „unfrei", so daß man nicht wie im entsprechenden Falle des
kräfte der niederen Schichten seiner Person durchsetzen. Er ist also durchaus §54 StGB darauf abstellen kann, ob der Hintermann dem unmittelbar
nicht in dem Sinne „unfrei", wie es bei den vorher behandelten Fällen ange- Handelnden die Tat ermöglicht oder ihn nur in sonstiger Weise aufgefordert
nommen werden kann. Es würde das Wesen der Sache durchaus verfehlen, oder angefeuert hat. Vielmehr kann bei gleicher Nötigungslage von einer
wenn man den Anruf des Gewissens mit dem vom Selbsterhaltungstrieb aus- „Willensherrschaft" des einen oder anderen und damit von einer mittelbaren
gehenden Willenszwang gleichsetzen wollte. Täterschaft überhaupt nicht die Rede sein. Stattdessen ist, wenn im über-
Für die Tatherrschaftslehre folgt daraus, daß von einer Willensherrschaft gesetzlichen entschuldigenden Notstand mehrere Personen zur Erreichung
des Hintermannes im psychologischen Sinne nicht die Rede sein kann. Eine eines Erfolges zusammenwirken, die Unterscheidung der Teilnahmeformen
mittelbare Täterschaft des Hintermannes ist also für sie nur begründbar - wie bei einer ungenötigten, gemeinsamen Deliktsverwirklichung vorzu-
und hier zeigt sich die ganze Tragweite der oben herausgearbeiteten Kri- nehmen. Die hier maßgebenden, durch den Begriff der Willensherrschaft
terien! - wenn man die „Willensherrschaft" mit dem Begriff der rechtlichen nicht zu erfassenden Kriterien werden unten noch eingehend erörtert
Verantwortung korrespondieren läßt. Der Gesetzgeber befreit den unmittel- werden 29 . Darauf muß hier verwiesen werden.
baren Täter - denn Täter ist er schon kraft seiner Handlungsherrschaft -
nicht aus psychologischen Erwägungen, sondern weil er seine freie Entschei-
dung aus sozialethischen Gründen respektiert. Diese Entlastung von den IV. Notstandsähnliche Situationen
strafrechtlichen Folgen wird dem Handelnden wegen der durch den Hinter-
mann geschaffenen Situation zuteil. Bei diesem liegt daher die letzte straf- Man kann hier drei Fallgruppen unterscheiden: Die notstandsähnlichen, aber
rechtlich zu verantwortende Entscheidung über das, was geschehen ist, uiTd nicht schuldausschließenden Fälle seelischen Drucks (1), den Nötigungs-
eben darin besteht der rechtliche Gehalt dessen, was wir unter „Willensherr- notstand zur Selbstverletzung (2) und die Bewirkung einer Tat durch einen
schaft" verstanden haben. genötigten, rechtmäßig handelnden Dritten (3).
Wollte man den unmittelbar Handelnden nicht nur entschuldigen, son-
dern sogar rechtfertigen, oder wollte man ihm statt der Entschuldigung einen
persönlichen Strafausschließungsgrund gewähren - zu diesen Fragen kann
hier nicht Stellung genommen werden - so wäre das Ergebnis kein anderes.
Denn in jedem Fall wird er der strafrechtlichen Verantwortung um des 28
Über solche Fälle vgl. unten S. 230f.
Hintermannes willen ledig, und darauf allein kommt es zur Begründung 29
Vgl. S. 275 ff.
156 157

1. Die notstandsähnliche seelische Beeinflussung Auffassung gegen die wohl überwiegende Meinung der Vorzug zu geben ist.
Dabei scheint mir die von Gallas gegebene Begründung im Kern mit der von
Die unter den Tatherrschaftstheoretikern umstrittenste Frage aus dem uns oben entwickelten Ansicht durchaus übereinzustimmen. Die „Herr-
Bereich der mittelbaren Täterschaft ist die, ob eine Tatherrschaft des Hinter- schaft" hat der Hintermann nur dort, wo die letzte und maßgebende Ent-
mannes angenommen werden kann, wenn der unmittelbar Handelnde zwar scheidung bei ihm liegt. Das ist im Umkreis der Nötigungssituationen dann
nicht im Sinne des § 52 StGB, aber doch in psychologisch ähnlicher, obgleich - aber auch nur dann - der Fall, wenn der Gesetzgeber dem Handelnden die
die strafrechtliche Schuld nicht ausschließender Weise zu seiner Tat genötigt Verantwortung für sein Tun abnimmt. In allen anderen Situationen liegt nur
worden ist. ein stärkerer oder geringerer Einfluß des Hintermannes vor, der aber die
Als Ausgangspunkt diene ein etwas verkürzter Fall Maurachs 30 . A be- Möglichkeit einer im Rechtssinne „freien" Selbstbestimmung und damit die
stimmt die leicht beeinflußbare, ihm sexuell und psychologisch vollkommen Willensherrschaft des Ausführenden bestehen läßt. Das ist oben für den
hörige Frau B zur Tötung ihres Mannes, indem er ihr droht, sie sonst zu ver- umgekehrten Fall des entschuldigten Tatmittlers schon im einzelnen dar-
lassen. Die Voraussetzungen der §§51, 52, 54 StGB liegen nicht vor. getan worden.
Hier meint Maurach, das „Vorliegen der Tatherrschaft und damit das Abgesehen von diesen prinzipiellen Fragen gesetzgeberischer Wertung
materielle Kriterium der mittelbaren Täterschaft" sei „nicht zweifelhaft". bietet die Gegenmeinung aber auch eine durchaus unpraktikable Lösung.
Auch Nowakowski 3 1 , Lange 32 und v. Uthmann 3 3 nehmen bei Konstella- Denn sie muß, wenn sie mit dem Begriff der „Herrschaft" einen greifbaren
tionen dieser Art eine Tatherrschaft des Hintermannes an. Sinn verbinden und der Anstiftung eine selbständige Bedeutung bewahren
Dagegen lehnen Welzel 34 und Gallas 35 die Möglichkeit einer mittelbaren will, ebenfalls davon ausgehen, daß nicht jede Beeinflussung schon die Tat-
Täterschaft in solchen Fällen ab. Nach der Auffassung Welzels setzt die herrschaft des Veranlassenden begründet 38 . Wie soll man sich aber eine
mittelbare Täterschaft grundsätzlich voraus, daß der unmittelbar Han- „Herrschaft" als psychologisches Kriterium vorstellen, die einerseits ein
delnde ein bloßes „Werkzeug" ist. Diese Werkzeugeigenschaft fehlt ihm Anders-Handeln-Können des Beherrschten ausschließt, andererseits aber
aber nach seiner Lehre notwendig, wenn er selbst als schuldhafter Täter weder die Zurechnungsfähigkeit noch überhaupt die Verantwortlichkeit des
bestraft werden muß. Eine andere Begründung gibt Gallas, der dem Pro- Handelnden beeinträchtigt? Die Psychologie würde hier vor Aufgaben
blem besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Er räumt ein, es ließen sich gestellt, die der Quadratur des Kreises gleichstehen und die sie nicht erfüllen
„rein tatsächlich-psychologisch betrachtet ... durchaus Fälle denken, in könnte. So hat es sich, um das an einem strafrechtlichen Parallelfall zu ver-
denen der Hintermann kraft seiner persönlichen oder sozialen Überlegen- deutlichen, trotz allen Bemühens als unmöglich erwiesen, ein brauchbares
heit das Tun auch des schuldhaft vorsätzlich die Tat Ausführenden psychologisches Kriterium für die „Freiwilligkeit" des Rücktritts aufzu-
»beherrscht'" 36 . Trotzdem, meint er, müsse die Tatherrschaft im Rechts- finden 39 . Dabei hat man sich dort durch Abstellen auf den „Durchschnitts-
sinne „dort ihre Grenzen finden, wo das Recht das Tun des unmittelbar menschen" die Aufgabe noch erleichtert, während man bei Ermittlung der
Handelnden als ein freies und damit persönliche Verantwortung begrün- „Herrschaft", wenn man sie schon rein psychologisch bestimmen will, doch
dendes wertet. Denn am Maßstab derselben Wertordnung gemessen, kann jedenfalls die individuelle Beziehung zugrundelegen müßte.
ein Verhalten nicht zugleich als frei und als von einem anderen beherrscht, Etwas anderes kommt hinzu: Wenn man schon, wie es die Gegen-
d. h. aber als unfrei, erscheinen". auffassung will, die „Herrschaft" psychologisch-faktisch beurteilen will, so
Es ist leicht zu sehen, daß es sich auch hier um den uns schon bekannten müßte man es konsequenterweise im Bereich der echten Entschuldigungs-
Widerstreit zwischen einem rein psychologisch und einem an der recht- gründe auch tun. Dort hat aber, wie oben gezeigt wurde, noch niemand eine
lichen Verantwortung orientierten Begriff der mittelbaren Täterschaft solche differenzierende Meinung vertreten.
handelt 37 . Aus unseren vorhergehenden Darlegungen zur Natur der Willens- Nowakowski schließlich hat versucht, seine abweichende Ansicht auch
herrschaft folgt zwangsläufig, daß auch in diesem Falle der letztgenannten durch eine „wertende" Betrachtungsweise zu rechtfertigen. Er meint, der
„erhebliche Einfluß" des Hintermannes sei der unmittelbaren Ausführung
30
„gleichwertig" und damit als Tatherrschaft anzusehen 40 . Ebenso will er
A.T., 2. Aufl. § 48 I A 2, S. 495 dem Auftraggeber eines Bravos die Tatherrschaft zusprechen 41 . Doch auch
31
JZ 1956, S. 549; er spricht hier allerdings von Mittäterschaft; vgl. dazu unten S. 275 ff.
32
Kohlr./Lange, 42V43. Aufl., vor §47, 5, B, S. 161. Lange geht in der Annahme mittel-
barer Täterschaft sogar noch sehr viel weiter, vgl. dazu schon oben S. 143/144
33
NJW1961.S. 1908 38
Vgl. darüber oben S. 143/144
34
SJZ 1947, Sp. 650; dazu in anderem Zusammenhang oben S. 133/134 39
Vgl. dazu Bockelmann, Untersuchungen, S. 171 ff., der mit Recht darauf hinweist, daß
35
Gutachten S. 134; Sonderheft Athen, S. 16 sich die auf dieser Grundlage gefällten Urteile „mitunter bis zur Lächerlichkeit wider-
36
Gutachten a. a. O.; fast wörtlich gleichlautend Sonderheft Athen a. a. O. sprechen" (S. 176).
37
Kennzeichnend ist, daß v. Uthmann (a. a. O. Anm. 3) sich gegen Gallas darauf beruft, die 40
JZ1956, S. 549, Anm. 68
Tatherrschaft sei ein „ontologischer und damit vorjuristischer Begriff". 41
a. a. O. S. 549 bei Anm. 65, 66
158 159

dieser Weg führt nicht zum Ziele. Zwar ist, wenn wir an Maurachs Aus- vom Standpunkt der subjektiven Theorie her verlangt, außer der Verur-
gangsfall denken, die kriminelle Energie bei A vermutlich sogar größer als sachung noch den „Täterwillen" des Veranlassenden fordert, kann von einer
bei B. Sicher muß A auch mindestens ebenso hart bestraft werden. Aber „Willensherrschaft" des Anstifters nicht die Rede sein 48 . Ebensowenig ist es
wenn man diese auf die „Schwere" der kriminellen Verfehlung bezogene möglich, mit Meister 49 schon dann den Hintermann als Täter eines Tot-
Gleichwertigkeit - und um etwas anderes handelt es sich nicht - zum Kri- schlages anzuseilen, wenn er dem Selbstmörder „bei seiner Abwägung des
terium der Tatherrschaft machen wollte, so müßte man zu einem von der Für und Wider die Entscheidung, vom Selbstmord Abstand zu nehmen,
konkreten Anschauung ganz gelösten Normativismus und zu einer Krimi- erschwert hat", oder wenn er „unter Appell an das Pflichtgefühl den noch
nologisierung des Täterbegriffes übergehen, die, wie oben 42 gezeigt wurde, nicht ganz zum Selbstmord Entschlossenen zum Selbstmord veranlaßt".
dem Sinn der Teilnahmeformen nicht gerecht würde. Man muß vielmehr mindestens voraussetzen, daß der Tod des Selbst-
Es ist also festzuhalten: Notstandsähnliche Situationen, die dem Handeln- mörders nicht als „seine" Tat, sondern als das Werk des Hintermannes
den die Verantwortung für sein Tun belassen, verschaffen dem Hintermann erscheint 50 . Darüber besteht unter den Anhängern der Tatherrschaftslehre
nicht die Willensherrschaft. Er bleibt Anstifter. Insoweit gibt es also keinen weithin Einigkeit. Man findet aber nur wenig deutliche Auskünfte über die
„Täter hinter dem Täter". Darin liegt der richtige Kern dieser seit eh und je Frage, wann das der Fall ist.
von Welzel vertretenen, in ihrer verallgemeinerten Form unzutreffenden Unter den Vertretern der Tatherrschaftstheorie geht am weitesten Less 51 ,
Auffassung 43 . der anscheinend schon jede nach §240 StGB strafbare Nötigung zur Begrün-
dung mittelbarer Täterschaft genügen lassen will.
Eine Mittelgruppe bilden Welzel, Maurach und Lange. Welzel 52 scheint
2. Der Nötigungsnotstand zur Selbstverletzung darauf abstellen zu wollen, ob eine dem § 52 StGB entsprechende Situation
vorlag 53 . Dem widerspricht es aber, daß er als Beispiel die Entscheidung
a) Zum Streitstand RGSt 26, 242 anführt. Dieses Urteil bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß
der Lehrling, dem sein Arbeitsgeber befohlen hatte, ein ungereinigtes Stück
Ein Sonderproblem bildet der von Welzel 44 sogenannte Nötigungsnotstand Darm zu essen, durch die Nötigungsmittel des §52 StGB dazu veranlaßt
zur Selbstverletzung bzw. zum Selbstmord. In diesem Zusammenhang kann worden war 54 . Ähnlich wie Welzel will Maurach 55 zumindest dann eine
der schwierige Fragenkreis der Beteiligung am Selbstmord nur in einem mittelbare Täterschaft des Hintermannes annehmen, wenn er „den Selbst-
kleinen Ausschnitt behandelt werden. O b ein Unterlassender oder jemand, mord unter den Voraussetzungen des § 52 erzwingt" 56 . Darüber hinaus hält
der einen von ihm Getäuschten, einen Geisteskranken, einen Minderjährigen er eine Tatherrschaft des Veranlassenden dann für gegeben, wenn er das
oder eine ihm sonst nahestehende Person zum Selbstmord veranlaßt, als Opfer durch Schaffung einer Verzweiflungslage zur Flucht aus dem Leben
Tatherr eines Totschlages anzusehen ist, wird unten noch an verschiedenen bestimmt 57 . Lange 58 spricht nur davon, daß sich der „Anstifter", wenn er
Stellen zu erörtern sein 45 . Hier kommt es nur darauf an, ob jemand Täter im mittelbarer Täter sein solle, des anderen bedient haben müsse, „um seinen
Sinne des §212 StGB sein kann, der einen zurechnungsfähigen, die Sachlage eigenen Willen, diesen zu beseitigen, durch ihn auszuführen".
voll überschauenden, ihm nicht durch eine besondere Pflichtenstellung ver- Alle drei beziehen sich auf den berühmten Fall der 14V2-jährigen Hilde-
bundenen, erwachsenen Menschen zum Selbstmord nötigt. gard Hoefeld 59 , deren Eltern sie durch Schläge und Drohungen in den Tod
Die Behandlung dieses Falles ist überaus umstritten. Vom Boden der treiben wollten und auch tatsächlich zu einem Selbstmordversuch ver-
Tatherrschaftslehre aus ist es klar, daß nicht schon, wie es Eb. Schmidt 46
in konsequenter Anwendung des extensiven Täterbegriffs annahm, die bloße
48
Veranlassung fremden Selbstmordes den Hintermann zum mittelbaren Vgl. neben unseren früheren Darlegungen z u r Willensherrschaft n u r Maurach, B.T.,
Täter machen kann. Auch wenn man weitergeht und, wie es Mezger 47 49
3. Aufl., S. 17
G A 1953, S. 168
50
So schon im Jahre 1935 Lange, D e r m o d e r n e Täterbegriff,, S. 34. Ü b e r den Einfluß
dieser A b h a n d l u n g auf die Tatherrschaftslehre vgl. oben S. 15, 66, 75 ff.
S. 24/25, 30-32 51
J Z 1951, S. 582
Ü b e r Fälle, w o diese These zu Fehlern führt, vgl. oben S. 133/134, 143 u n d weiter unten 52
Lehrb., 7. Aufl., S. 91 f.
S. 212 ff. 53
Vgl. auch O G H S t 2, 5-11 (7/8)
Lehrb., 7. Aufl., S. 91 f. 54
weshalb z . B . v. Liszt, Lehrb., 21./22. Aufl., § 5 0 , A n m . 5, S. 210, das Urteil als viel zu
Vgl. S. 225 ff.,473 ff. weitgehend ablehnt.
Frank-Festgabe, Bd. II, S. 124/25; ihm z u s t i m m e n d - aber von anderen G r u n d l a g e n 55
A.T., 2. Aufl., S. 504; B.T., 3. Aufl., S. 17
her - Hegler, Festgabe für Rieh. Schmidt, S. 76-78. Zu Heglers „Übergewichtstheorie" 56
B.T. a . a . O .
in diesem Bereich vgl. die B e m e r k u n g e n u n t e n S. 163/164 in einem insoweit gleich- 57
wie A n m . 56
liegenden Fall. 58
Kohlr./Lange, 42./43. Aufl., §§ 211/12, V, 1, S. 474
K L B , B.T., 7. Aufl., 1960, § 5 IV, S. 12/13 59
Er ist von Lange, M o d . Täterbegriff, S. 32 f., mitgeteilt w o r d e n .
160 161

anlaßten. Dieses Beispiel ist indes nicht sehr geeignet, die in Rede stehende b) Stellungnahme
Frage zu klären, weil die Eltern hier aus drei Gründen Täter eines Tot-
schlagsversuches sein können: wegen des jugendlichen Alters des Mädchens, Wenn wir versuchen, in dieser weithin ungeklärten Frage anhand der bei
wegen ihrer Sonderstellung als fürsorgepflichtige Personen und wegen der den übrigen Nötigungsfällen erarbeiteten Kriterien die richtige Lösung zu
Schläge und Drohungen, die die Voraussetzungen des §52 erfüllen. Der finden, so werden wir davon ausgehen müssen, daß eine nach § 240 StGB zu
Bezug auf dieses Urteil macht also nicht deutlich, auf welche Umstände im beurteilende Nötigung jedenfalls noch nicht zur Annahme einer Tatherr-
einzelnen die Tatherrschaft des Veranlassenden gestützt werden soll. schaft des Hintermannes ausreicht. Denkt man sich den Fall, daß A dem B
Zusammenfassend läßt sich immerhin sagen, daß Welzel, Maurach und mit der Anzeige einer Straftat, der Aufdeckung einer ehelichen Untreue,
Lange jedenfalls mittelbare Täterschaft annehmen wollen, wenn eine dem einem gesellschaftlichen Skandal oder dem wirtschaftlichen Ruin droht,
§52 StGB entsprechende Situation vorliegt, daß aber darüber hinaus auch wenn er nicht Selbstmord begehe, so kann das den Betroffenen im Einzelfall
andere Nötigungen zur Bejahung einer Tatherrschaft des Hintermannes durchaus zum Selbstmord veranlassen. Aber die letzte Entscheidung darüber
führen können, ohne daß ihre Voraussetzungen bisher im einzelnen geklärt und damit die Willensherrschaft im Sinne des Gesetzes liegt doch bei ihm.
wären. Das ergibt sich zwingend aus der Tatsache, daß, wenn die Nötigung sich auf
Zu einer wesentlich engeren Begrenzung der Täterschaft kommt dagegen ein tatbestandsmäßiges Verhalten richtet, der Bedrohte strafrechtlich für sein
Kaun 60 , der dem Thema unter dem Gesichtspunkt der Tatherrschaftslehre Tun in vollem Umfange verantwortlich bleibt. Wenn wir oben alle „not-
eine umfassende Spezialuntersuchung gewidmet hat. Er will körperliche standsähnlichen", die Voraussetzungen der §§52, 54 StGB nicht erfüllenden
Mißhandlungen oder ihre Androhung, auch wenn sie im Falle des § 52 StGB Fälle aus dem Bereich der mittelbaren Täterschaft ausgeschlossen haben,
zum Schuldausschluß führen würden, nicht ausreichen lassen, um die Täter- können wir hier nicht anders verfahren. Daraus folgt, daß nicht nur §240
schaft des Hintermannes zu begründen. Vielmehr bejaht er eine Tatherr- StGB kein geeignetes Kriterium zur Ermittlung der Tatherrschaft abgibt,
schaft des Veranlassenden nur dann, wenn die zugefügten oder angedrohten sondern daß auch jeder Versuch abzulehnen ist, über die Grenzen des §52
Schmerzen einen solchen Grad erreichen, daß sie für das Opfer auch bei StGB hinaus bei „Schaffung einer seelischen Verzweiflungslage" oder in
Aufbietung aller von ihm zu erwartenden Standhaftigkeit nicht mehr erträg- ähnlichen Fällen eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes zu be-
lich sind 61 . Die Grenze will er dort ziehen, wo bei Berücksichtigung der gründen 63 .
individuellen psychischen und physischen Konstitution des Betroffenen und Es liegt danach nahe, eine Tatherrschaft des Veranlassenden immer dann
der besonderen Umstände des Einzelfalles von ihm ein Widerstand nach all- - aber auch nur dann - für gegeben zu halten, wenn die Voraussetzungen des
gemeinem Sittlichkeitsempfinden nicht mehr erwartet werden darf. Noch §52 StGB erfüllt sind, wenn also der Betroffene zum Selbstmord genötigt
weitergehend soll die Drohung des Hintermannes, er werde den Bedrohten worden ist durch unwiderstehliche Gewalt oder durch Drohung mit Leibes-
bzw. einen seiner Angehörigen erschießen, wenn dieser nicht Selbstmord und Lebensgefahr für ihn selbst oder einen seiner Angehörigen 64 . Dafür
begehe, nach Kaun unter keinen Umständen für eine mittelbare Täterschaft spricht die Erwägung, daß der Gesetzgeber - wie § 52 StGB zeigt - davon
ausreichen 62 . ausgeht, bei Vorliegen dieser Voraussetzungen liege eine freie, rechtlich zu
Zur Begründung führt er an: Wenn jemand durch eine Todesdrohung verantwortende und damit die Willensherrschaft bestehenlassende Entschei-
zum Selbstmord genötigt werde, so stehe er nicht vor einer die freie Ent- dung des Genötigten nicht mehr vor. Allerdings zeichnet sich die Nötigung
scheidung ausschließenden Alternative. Denn da beide ihm noch offen- zum Selbstmord gegenüber dem Fall des Nötigungsnotstandes durch zwei
stehenden Wege zu seinem Tode führen müßten und der eine nicht Besonderheiten aus, die möglicherweise zu einer abweichenden Beurteilung
abschreckender sei als der andere, könne er zwischen beiden frei wählen. führen können.
Und wenn der Bedrohte gar Selbstmord begehe, um einen Angehörigen vor Die erste liegt darin, daß der Selbstmord eine Handlung darstellt, die
dem Tode zu retten, so handele er „in so hohem Maße tugendhaft, daß es tatbestandslos ist und daher von vornherein eine strafrechtliche Verant-
gerade entwürdigend wäre, diese Tat der psychischen Herrschaft eines Ver- wortung nicht begründen kann. Es braucht dem Handelnden also auch nicht
brechers zuzuschreiben". erst wegen der Nötigungssituation eine Verantwortung genommen zu
werden, so daß eine unmittelbare Anwendung des bei §52 StGB für die
Begründung der mittelbaren Täterschaft tragenden Gedankens nicht in
Frage kommt. Da jedoch die Nötigungsmittel die gleichen sind und die
Erwägungen, auf denen die Straflosigkeit des Selbstmörders beruht, sich
Die Beteiligung am Selbstmord als strafrechtliches Problem, ungedr. Hamburger 63
Dissertation, 1960 Dabei wird natürlich immer vorausgesetzt, daß die volle Zurechnungsfähigkeit des
a.a.O. S. 45f., 60 Betroffenen bestehen geblieben ist. Sonst gilt etwas anderes. Vgl. dazu unten S. 233 ff.
64
hier und im folgenden a. a. O. S. 61/62 Von dieser Auffassung geht offenbar auch die Entscheidung OGHSt 2, 5-11 (7/8) aus.
162 163

allein auf seine Person beziehen und auf die Beurteilung des Veranlassenden gezogen haben: Die Willensherrschaft des Hintermannes besteht darin, daß
keinen Einfluß haben, läßt sich das dem §52 zugrundeliegende Prinzip ohne er das Opfer in eine unentrinnbare Situation stellt, in der, was immer der
Bedenken verallgemeinern, soweit nicht die besondere Art des erstrebten Bedrohte tun kann und wie auch im Einzelfall die Verhältnisse unter psycho-
Nötigungserfolges dem hier entgegensteht. logischen und ethischen Gesichtspunkten liegen mögen, das Recht ihm die
Das führt auf den zweiten, tiefgreifenden Unterschied zwischen dem Verantwortung Für sein Handeln zu Lasten des Nötigers abnimmt. Das ist
Nötigungsnotstand und der Nötigung zum Selbstmord. Während nämlich unstreitig der Fall, wenn der Bedrohte etwa zur Rettung seines Angehörigen
dort der Täter unter dem Zwang des Selbsterhaltungstriebes handelt und einen Dritten tötet. Wie sollte es anders sein, wenn er zum gleichen Zweck
seinetwegen entschuldigt wird, richtet sich die Nötigung hier gerade um- sich selbst den Tod gibt?
gekehrt auf eine bis zur Selbsttötung - also so weit wie überhaupt möglich - Und wenn jemand die Selbsttötung dem Ermordetwerden vorzieht, mag
gehende Überwindung dieses Triebes. Wenn man die Dinge so sieht, ist der es - was nur im Einzelfall festgestellt werden könnte - durchaus so sein, daß
Selbstmord die freieste, d. h. die gegen den stärksten Widerstand der Trieb- ihm eine gegenteilige Entscheidung psychisch möglich gewesen wäre und
schichten durchgesetzte Willensentscheidung, die sich denken läßt. Auf einer vielleicht auch nach ethischen Gesichtspunkten von ihm verlangt werden
derartigen Betrachtungsweise beruht es wohl letzten Endes auch, daß Kaun, konnte. Es hat dennoch einen guten Sinn, wenn die Rechtsordnung den
wie oben gezeigt wurde, in solchen Fällen zu einer weitgehenden Ablehnung Richter von der - wohl auch kaum lösbaren - Aufgabe entbindet, im Einzel-
der Tatherrschaft des Hintermannes kommt. fall auseinanderzurechnen, was an der Entschließung des Nötigungsopfers
Diese Bedenken dürfen nicht verkannt werden; dennoch glaube ich, daß unfreier Zwang und was persönlichkeitsadäquater freier Eigenentschluß ist.
die Annahme einer Täterschaft des Veranlassenden, wenn er sich der Nöti- Derartige Grenzsituationen aufzuhellen, ist nicht die Sache des Richters 65 .
gungsmittel des § 52 StGB bedient, auch vom Standpunkt der Tatherrschafts- Das Recht erwartet keinen Heroismus und rechnet die Entscheidung zum
lehre aus die richtige Lösung ergibt. Für diese Auffassung sind zwei Er- Selbstmord nicht dem Genötigten, sondern dem Hintermann als sein Werk
wägungen maßgebend: zu, auch wenn die Kriterien der psychologischen und ethischen Zurechnung
Erstens nämlich zeigt eine genauere Analyse, daß es mit der Freiheit des im Einzelfall zu anderen Ergebnissen führen mögen. Es zeigt sich hier
Selbstmörders auch unter psychologischen Gesichtspunkten in diesen Fällen wieder sehr deutlich, daß der Tatherrschaftsbegriff trotz seiner empirischen
nicht so weit her ist, wie es den Anschein hat, wenn man den Selbst- Grundlage nicht rein psychologisch verstanden und auch nicht, wie Kaun es
erhaltungstrieb ohne Bezug auf die konkrete Situation in seiner gleichsam in diesen Fällen will, nach ethischen Prinzipien bestimmt werden darf,
abstrakten Stärke mißt. Denn wenn der Bedrohte vor die Wahl gestellt wird, sondern daß rechtliche Wertentscheidungen dafür maßgeblich sind.
sich selbst zu erschießen oder erschossen zu werden, so wird ihn der Selbst- Unsere Lösung lautet also: Eine Nötigung zum Selbstmord begründet
erhaltungstrieb nicht vor der Tötung der eigenen Person zurückschrecken stets - aber auch nur dann - die Willensherrschaft des Hintermannes, wenn
lassen, weil sein Leben ohnehin verloren ist. Seine „Freiheit" beschränkt sich dieser sich der Mittel des § 52 StGB bedient.
auf die Wahl der Tötungsweise, und in diesem Punkt wird die Gewalt der
Todesdrohung das Opfer häufig nicht mehr zu einer vernünftigen, die Mög-
lichkeiten ruhig abwägenden Entscheidung kommen lassen. Eine auch 3. Die Erfolgsbewirkung durch einen genötigten,
psychische „Unfreiheit" ist hier durchaus denkbar. Und für den Fall, daß die rechtmäßig handelnden Dritten
Drohung einen Angehörigen betrifft, ist, wenn man etwa an das Verhältnis
einer Mutter zu ihrem Kinde denkt, immerhin zu berücksichtigen, daß der Der Schulfall ist folgender: A veranlaßt den X, den er aus der Welt schaffen
rein instinktmäßige Schutz- und Rettungstrieb stark genug sein kann, um die will, den C mit einem Messer anzugreifen. Er will erreichen, daß C den X in
Tendenz zur Selbsterhaltung zurückzudrängen und den Genötigten unab- rechtfertigender Notwehr tötet; das geschieht auch. Kann A wegen vorsätz-
hängig von der Entscheidung seines in solchen Situationen oft ausge- licher Tötung des X bestraft werden 66 ?
schalteten freien Willens zum Opfer zu „zwingen". Das Problem ist seit Jahrzehnten diskutiert worden 67 . Hegler hat ihm im
Es ist freilich nicht zu übersehen, daß dem Bedrohten je nach seineY Jahre 1932 die erste Spezialuntersuchung gewidmet. Er kommt zu dem
Persönlichkeit trotz der Ausweglosigkeit der durch den Hintermann ge-
schaffenen Zwangslage häufig eine im moralischen Sinne „freie" Entschei- 65
Vgl. dazu allgemein Evers, Existenzphilosophie u n d rechtliche Pflichtenkollision, J R
dung noch möglich sein wird. Man kann es für würdiger und tapferer halten, 1960, S. 369-372, in Auseinandersetzung mit der A b h a n d l u n g von End: Existenzielle
sich selbst den Tod zu geben als sich ermorden zu lassen. Und wer zur H a n d l u n g e n im Straf recht, 1959
66
Rettung eines Angehörigen den Tod auf sich nimmt, wird das oft nicht Vgl. zu diesem Fall Hegler, Festgabe für Richard Schmidt, 1932, S. 54; Mezger, ZStW,
Bd. 52, 1932, S. 534
psychisch gezwungen, sondern aus Opferbereitschaft und Edelmut tun. In 67
Vgl. z u r älteren Literatur Hegler a . a . O . , S. 51 ff.; z u r neueren E n t w i c k l u n g mit reich-
diesen Fällen greift nun aber ein zweiter Gesichtspunkt ein, den wir oben haltigen Literaturangaben J o h a n n e s , Mittelbare Täterschaft bei rechtmäßigem H a n d e l n
schon in ähnlicher Weise zur Begründung der mittelbaren Täterschaft heran- des Werkzeuges, 1963
164 165

Ergebnis, daß mittelbare Täterschaft vorliege. Zur Begründung dient ihm jektiven Rechtfertigungselemente verzichten 71d und das Unrecht rein objek-
seine mehrfach erwähnte 68 „Übergewichtstheorie": Da der unmittelbar tiv bestimmen. Stattdessen soll das Güterabwägungsprinzip, das er „für alle
Handelnde durch Notwehr gerechtfertigt sei, dem Veranlassenden aber ein Rechtfertigungsgründe gleichermaßen" 710 als gültig ansieht, dazu führen,
solcher Rechtfertigungsgrund nicht zur Seite stehe, habe der Hintermann daß die Handlungen von Hintermann und Tatmittler abweichend bewertet
ein „Übergewicht auf dem Gebiete der Rechtswidrigkeit", das ihn zum werden.
mittelbaren Täter mache 69 . Gegen ihn wandte sich Mezger 70 als letzter Wenn man die überaus zweifelhafte These, daß jede Rechtfertigung auf
und namhaftester Vertreter der abweichenden Meinung; aber auch er ging dem Güterabwägungsprinzip beruhe 71 ', einmal akzeptiert, so ergibt sich
bald darauf zu der vorher bekämpften Ansicht über, freilich mit anderer natürlich das Problem, kraft welcher Umstände die Güterabwägung im einen
Begründung 71 : Da die Notwehrhandlung den Täter nur rechtfertige, wenn Fall zur Rechtmäßigkeit, im anderen zur Rechtswidrigkeit der Handlung
sie vom Verteidigungswillen getragen sei, müsse der Veranlassende, da ihm führt, obwohl der Erfolg derselbe ist und die verschiedene innere Beziehung
dieser Wille fehle, rechtswidriger Täter sein, während dem unmittelbar der Beteiligten zum Tatgeschehen keine Rolle spielen soll. Auf diese ent-
Handelnden §53 StGB zugute komme. Seither ist die Möglichkeit mittel- scheidende Frage aber weiß Johannes selbst keine Antwort; er meint, das
barer Täterschaft durch ein rechtmäßig handelndes Werkzeug allgemein Problem sei „noch ungelöst", und deshalb sei es „verständlich, wenn die
anerkannt. herrschende Lehre auf das - wenn auch verfehlte - Abgrenzungskriterium
Davon wollen auch wir ausgehen. Wirklich befriedigend begründen läßt des Willens zum Rechthandeln" zurückgreife 718 . In Wirklichkeit zeigt sich
sich dieses Ergebnis allerdings nur, wenn man den Vorsatz im Sinne der an diesem „ungelösten Problem", daß seine ganze Argumentation in der Luft
finalen Handlungslehre systematisch dem Tatbestand zuzählt. Denn da der hängt. Es ist im übrigen auch gar nicht recht einzusehen, warum etwa in
Erfolg (in unserem Beispiel: der Tod des X) für beide Beteiligte derselbe ist, unserem Ausgangsbeispiel das Verhalten des Hintermannes überhaupt noch
läßt sich die unterschiedliche strafrechtliche Beurteilung nur dadurch rechtswidrig sein soll, wenn es auf seine Zielsetzung nicht ankommt; die
erklären, daß sich die Rechtfertigung nicht auf die kausale Erfolgsbewir- Bewirkung einer durch Notwehr gedeckten Handlung ist doch als solche
kung, sondern auf die finale Handlung bezieht. Auch die von Mezger nicht verboten. Die Bemühungen von Johannes, mit Hilfe einer rein objek-
gegebene Begründung schließt diese Annahme ein; denn nur ein auf den tiven Unrechtslehre die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft in allen
Erfolg gerichtetes finales Verhalten kann vom Verteidigungswillen getragen Fällen dieser Art verständlich zu machen, scheinen mir daher erfolglos
sein. Und ebenso geht Hegler stillschweigend (und wohl von ihm selbst geblieben zu sein 71h .
unbemerkt) von dieser Prämisse aus. Sonst würde seine Argumentation eine Mit dem Aufweis der konstruktiven Möglichkeit einer mittelbaren
petitio principii enthalten; denn sie würde voraussetzen, was er erst be- Täterschaft durch ein rechtmäßig handelndes Werkzeug ist aber für die
weisen will: daß nämlich das Tun des Hintermannes rechtswidrig sein kann, Tatherrschaftslehre das Problem nicht gelöst. Der Mezgersche Ansatz
auch wenn der herbeigeführte äußere Zustand der Rechtsordnung ent- erweist sich für sie als unbrauchbar; denn er beruht letzten Endes auf dem
spricht. 713 Gedanken, daß die Verursachung eines Erfolges durch eine rechtswidrige
Einen anderen Versuch, die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft bei Handlung zur Begründung der Täterschaft ausreiche - eine Annahme, die
rechtmäßigem Handeln des Werkzeuges zu erklären, unternimmt neuer- vom extensiven Täterbegriff her konsequent ist, die aber die Tatherrschafts-
dings Johannes 71b . Auch er geht zutreffend davon aus, daß man ein rechts- theorie nicht teilt. Und auch vom Standpunkt Heglers aus, der an sich nicht
widriges Verhalten des Hintermannes nur annehmen könne, wenn man den extensiven Täterbegriff vertritt 72 , genügt in diesen Fällen die Rechts-
nicht allein auf den Erfolg abstelle, sondern daneben den bei den Beteiligten widrigkeit allein, um die Täterschaft des Hintermannes zu begründen. Für
möglicherweise verschieden zu beurteilenden Handlungsunwert zur Be- die Tatherrschaftslehre dagegen muß die rechtswidrige Handlung, die den
gründung des Unrechts heranziehe 710 . Die Verschiedenheit des Hand-
lungsunwertes bei rechtmäßigem Verhalten des Werkzeugs soll aber nach
seiner Auffassung nicht aus der abweichenden Zielsetzung der Beteiligten 71d
a.a.O. S. 48, Anm. 137
folgen; er will sogar entgegen der weit überwiegenden Lehre auf alle süb- 71c
a.a.O, S. 44
71 f
Johannes widerspricht sich selbst, wenn er einerseits behauptet, die Güterabwägung
beherrsche „letztlich auch die Notwehr" (S. 50, Anm. 142), während es an anderer
Stelle heißt, man hebe „den §53 StGB aus seinen Angeln", „wenn man das Prinzip der
68
Vgl. nur oben S. 60-62 Güterabwägung auch dort anwenden wollte" (S. 23).
69 71
a.a.O. S. 71/72 e a.a.O. S. 56, Anm. 156
70 71 h
ZStW, Bd. 52, 1932, S. 529-545 Damit soll nicht bestritten werden, daß im Einzelfall die Rechtmäßigkeit der vom Tat-
71
Vgl. dazu jetzt KLB, A.T., 9. Aufl., § 87, S. 233 mittler vorgenommenen Handlung auch auf objektiv-personalen Elementen beruhen
7,a
Vgl. dazu auch Johannes, Mittelbare Täterschaft, S. 38, bei Anm. 101 kann; in der Regel aber kommt man ohne die Berücksichtigung subjektiver Elemente
71 b
Mittelbare Täterschaft bei rechtmäßigem Handeln des Werkzeuges, 1963 nicht aus.
71c 72
a. a. O. S. 51 bei und in Anm. 146 Vgl. dazu Festgabe für Richard Schmidt, S. 73, Anm. 35
166 167

Erfolg herbeiführt, so beschaffen sein, daß sie dem Hintermann die Beherr- vermutlich tun würde - zu verlangen, daß der Hintermann den Angreifer in
schung des Geschehensablaufes gestattet. eine ihn nach §§52, 54 StGB entschuldigende Situation gebracht und ihn
Dieser Umstand wird von den Anhängern der Tatherrschaftslehre meist dadurch zur Tat veranlaßt hat. Warum solche Sachverhaltsgestaltungen stets,
zu wenig beachtet. So hält etwa Maurach 73 eine Tatherrschaft des Hinter- notstandsähnliche Fälle aber niemals zu einer Willensherrschaft des Hinter-
mannes für gegeben, wenn er „zum Nachteil des Tatmittlers dessen Not- mannes führen, ist oben im einzelnen dargelegt worden.
wehrlage provoziert, um den Tatmittler alsdann zu einer tatbestandsmäßigen Allerdings bietet die hier zu erörternde Konstellation noch ein Sonder-
Abwehrhandlung zu veranlassen". Ebenso entscheidet Lange 74 . Dabei wird problem. Denn der A bedient sich, um den Enderfolg (Tod des X) zu
übersehen, daß der Veranlassende das Geschehen nur dann „in der Hand erreichen, zweier Werkzeuge: des X und des C 7 9 . Wenn nun, wie es hier
hält", wenn er auch über den Angreifer die Herrschaft ausübt. Denn nur gefordert wird, der A den X in einen entschuldigenden Notstand versetzt, so
durch Vermittlung seiner Person kann der Hintermann den Gerechtfertigten ist doch damit nicht gesagt, daß er zugleich die Herrschaft über den C aus-
zu der erwünschten Abwehrhandlung nötigen. übt. Da er auf ihn nicht unmittelbar einwirkt, ist er der Lenker seines Tuns
Wenn in unserem Beispiel der A dem X nur zuredet, den C anzugreifen, nur, soweit der von ihm beherrschte X den C in der Hand hat. O b das der
so steht es allein bei X, ob er dem folgen will; was geschieht, unterliegt bis Fall ist, kann aber zweifelhaft sein, und zwar aus zwei Gründen:
zur Durchführung des Angriffs seiner Willensherrschaft; der A kann nur Der nächstliegende Einwand besteht in der Erwägung, daß man von einer
hoffen, daß X seiner Aufforderung folgen werde, aber er kann das Ge- Beherrschung des C durch den angreifenden X nicht sprechen könne, wenn
schehen nicht steuern. Mezger hatte durchaus recht, wenn er vom Stand- der Angriff ganz gegen den Willen des X mit seinem Tode endet und C als
punkt seiner früheren Auffassung her sagte 75 : „Wenn X als voll verantwort- der eigentliche Beherrscher der Situation siegreich aus dem Kampf hervor-
licher Mensch in voller Kenntnis der Sachlage den C angreift, so hat er sich geht. Doch läßt sich dem entgegnen, daß der C, wenn er sein Leben retten
selbst die Folgen zuzuschreiben, die sich daraus ergeben, daß C von seinem will, notwendigerweise den X töten muß (sonst wäre die Abwehr nicht
gesetzlich begründeten Notwehrrecht Gebrauch macht". erforderlich), und daß dieser Erfolg zwar nicht dem Willen des X, wohl aber
Auch Welzel 76 verlangt nicht ausdrücklich, daß der Hintermann den dem Plane des ihn nötigenden A entspricht und insofern als Folge der
Angreifer beherrsche. Zwar ist der Getötete in dem von ihm gebildeten Bei- lenkenden Herrschaft des Hintermannes erscheint.
spiel geistesschwach, so daß eine Herrschaftssituation in Frage kommt; doch Der zweite Einwand geht dahin, daß § 53 StGB, der das Tun des C recht-
wird nicht deutlich, ob er dies als notwendige Voraussetzung mittelbarer fertigt, kein Fall der Nötigung ist 80 . Der Gesetzgeber billigt das Handeln des
Täterschaft in solchen Fällen ansieht; denn obwohl er den Angreifer als C nicht deshalb, weil er seine freie Selbstbestimmung für ausgeschlossen
„Werkzeug" des Hintermannes bezeichnet, schließt er aus dem Bereich der hielte, sondern weil er dem Unrecht widerstanden hat. Daraus erwachsen
mittelbaren Täterschaft nur die Fälle aus, in denen die Notwehrlage ganz freilich, wie mir scheint, keine Schwierigkeiten, wenn die Abwehr einer
ohne Zutun des Hintermannes entstanden ist. Situation entspringt, die den Handelnden gleichzeitig nach §§52 oder 54
Zustimmung verdient demgegenüber die Ansicht Schröders, der, ent- StGB entschuldigen würde, so wie es in unserem Ausgangsbeispiel der Fall
gegen seiner sonstigen Auffassung, hier den Tatherrschaftsgedanken zur ist. Denn wenn es auch einer Schuldbefreiung hier nicht mehr bedarf, so ist
Lösung heranzieht. Er sagt 77 : „Die Tat beherrscht der Täter in diesen doch die psychische Lage des Angegriffenen die gleiche, und man kann ohne
Fällen aber nur dann, wenn er bereits die Notwehrlage durch ein Werkzeug weiteres davon ausgehen, daß auch er eine nach den Wertvorstellungen des
herbeiführt ... Bestimmt der Täter jedoch zu seinem Angriff jemanden, der Gesetzgebers „freie" Entscheidung nicht mehr zu fällen vermag, so daß die
hierbei nicht als sein Werkzeug handelt, so ist er auch für die Notwehr- Willensherrschaft über die zum Tode des Angreifers X führende Handlung
handlung nicht mehr Herr der Tat, mittelbare Täterschaft liegt nicht vor". beim Hintermann A liegt. Dies gilt entsprechend auch dann, wenn objektiv
Dabei ist im Bereich der Nötigungsfälle - weitergehend als es Schröder 78 eine Tötung des Angreifers nicht erforderlich gewesen wäre, wenn aber C -
wie A gewollt hatte - in Bestürzung, Furcht oder Schrecken (§53 Abs. 3
73
A,T., 2. Aufl., § 4 8 II B, 2, a, S. 501/02; vgl. dazu auch J o h a n n e s , Mittelbare Täterschaft, StGB) die Grenzen des Erlaubten entschuldigt überschritten und dadurch
S. 41, A n m . 117
74
Kohlr./Lange, 4 2 7 4 3 . Aufl., vor §51 II, 2, S. 191/92
den Todeserfolg herbeigeführt hätte.
75
ZStW, Bd. 52, 1932, S. 535 Wie aber, wenn eine echte Nötigungssituation nicht bestand? Wenn etwa
76
Lehrb., 7. Aufl., S. 93 der A den X lediglich zwingt, das Vermögen des C anzugreifen, und dieser
77
Schönke/Schröder, 10. Aufl., Vorb. IV, 2, a, S. 235 vor § 4 7 ; zu U n r e c h t gegen ihn
Johannes, Mittelbare Täterschaft, S. 24, A n m . 56
nun, wie es A gewollt hatte, in Notwehr den X erschießt? Oder wie ist es,
78
Schröder a. a. O . äußert sich dazu nicht u n d führt als Beispiel n u r die B e n u t z u n g von
Kindern u n d Geisteskranken an. I m m e r h i n bleibt diese Auffassung von seiner A u s -
79
gangsposition her b e m e r k e n s w e r t genug, da er grundsätzlich für die mittelbare Täter- Insoweit ebenso Welzel, 7. Aufl., S. 93
80
schaft n u r den „Täterwillen" des H i n t e r m a n n e s verlangt, vgl. IV, 2, b vor § 4 7 , S. 236; Vgl. d a r ü b e r n u r Hegler, Festgabe für Richard Schmidt, S. 68; jetzt auch Johannes,
für mittelbare Täterschaft in allen Fällen deshalb von ähnlichen G r u n d l a g e n her auch Mittelbare Täterschaft, S. 39, der wegen dieses Einwandes eine Tatherrschaft des
etwa Baumann, Lehrb., 2. Aufl., S. 448. Veranlassenden zu U n r e c h t ablehnt.
168 169

wenn nicht der C, sondern der bisher unbeteiligte Nothelfer D den X tötet? entschuldigt ansieht. Doch auch wenn man das annimmt, hat der Hinter-
Kann man sagen, daß A die Tatherrschaft (d.h. in diesem Zusammenhang: mann die Tatherrschaft. Wenn der Soldat befürchten muß, sich durch eine
die Willensherrschaft) über die Handlungen von C und D innehat, obwohl Befehlsverweigerung disziplinarischen oder strafrechtlichen Folgen auszu-
keiner von beiden unter dem Druck einer nach §§52, 54 StGB schuld- setzen, ist seine Entscheidung im Rechtssinne nicht mehr frei. Allerdings
befreienden Nötigung steht? Hier kann wieder nur der Gedanke helfen, den könnte er diese Konsequenzen, die den im Falle der §§ 52, 54 StGB drohen-
wir oben herausgearbeitet haben und ohne den die Tatherrschaftslehre den Gefahren nicht ohne weiteres gleichzusetzen sind, in Kauf nehmen.
überall zu sinnwidrigen Ergebnissen führen müßte: daß nämlich der Begriff Insoweit ist zuzugeben, daß der Befehlsempfänger sich nicht in einer den
der Herrschaft nicht nach ausschließlich psychologischen Kriterien beurteilt freien Entschluß zum Ungehorsam schlechthin verhindernden Zwangs-
werden darf und daß auf der Grundlage des Gesetzes dem veranlassenden situation befindet. Und sicher würde man das Wesen des militärischen
Hintermann eine Entscheidung immer dann als sein Werk zuzurechnen ist, Gehorsams verkennen, wenn man sich die Handlungen der Soldaten im all-
wenn der Handelnde um der vom Hintermann geschaffenen Situation willen gemeinen als „unfreiwillig" und auf psychische Nötigungsakte gegründet
von den strafrechtlichen Konsequenzen seines Tuns befreit wird. Das ist hier vorstellte. Gleichwohl: Aus dem nun schon hinlänglich bekannten Verant-
der Fall, so daß wir trotz der vorgebrachten Bedenken eine Tatherrschaft des wortungsprinzip ergibt sich, daß der Gesetzgeber, wenn er dem unter-
Veranlassenden bejahen können. gebenen Soldaten die Ausführung des Befehls ansinnt und ihn von den straf-
rechtlichen Folgen freistellt, den Befehlenden als denjenigen ansieht, bei dem
die maßgebende Entscheidung und damit die Willensherrschaft über das
V. Der rechtswidrige bindende Befehl Geschehen liegt. Und darauf allein kommt es an. Dabei spielt es auch keine
Rolle, ob man die Handlung des Befehlsempfängers als gerechtfertigt oder
Der letzte Fall einer möglichen mittelbaren Täterschaft durch einen unfrei nur als entschuldigt betrachtet 84 . Das alles bedarf nach unseren früheren
Handelnden ist der des rechtswidrigen bindenden Befehls. Das Problem ist Darlegungen keiner näheren Begründung mehr.
de lege lata von geringer Bedeutung: Nach § 11 Abs. 2 des Soldatengesetzes
sind Befehle, durch deren Ausführung ein Verbrechen oder Vergehen be-
gangen würde, unverbindlich und dürfen nicht befolgt werden. Gehorcht VI. Zusammenfassung
der Untergebene ihnen dennoch, so kann zwar auch mittelbare Täterschaft
vorliegen, etwa weil der Soldat fälschlich an ihre Verbindlichkeit glaubt, aber Die Untersuchung aller in Frage kommenden Nötigungsfälle hat eine ein-
dann handelt es sich um einen Irrtumsfall und nicht um eine Nötigungs- heitliche Lösung ergeben. Eine Nötigung, die dem Hintermann die Willens-
situation 81 . Führt der Soldat jedoch einen Befehl in Kenntnis seiner Unver- herrschaft verleiht und ihn zum mittelbaren Täter macht, liegt stets - aber
bindlichkeit aus, so ist er selbst nach §5 Abs. 1 des Wehrstrafgesetzes als auch nur dann - vor, wenn die Rechtsordnung dem Handelnden auf Grund
schuldhafter Täter verantwortlich, und die Handlung des Befehlenden stellt der vom Hintermann geschaffenen Lage die strafrechtliche Verantwortung
sich nach den oben entwickelten Prinzipien als Anstiftung dar, unabhängig für sein Tun abnimmt. Die vorhergehenden Darlegungen haben an zahl-
von der nach §33 WehrStrG angedrohten Strafverschärfung 81a . Es bleiben reichen Beispielen gezeigt, daß nur ein so verstandener Tatherrschaftsbegriff
für die hier zu erörternde Problematik also nur Befehle, die sich auf die bei den Nötigungsfällen zu sinnvollen Lösungen führt. Das Ergebnis ent-
Begehung von Übertretungen richten. spricht den leitenden Prinzipien des geltenden Rechts ebenso wie einer
In diesem Falle nimmt Welzel eine mittelbare Täterschaft des Vorgesetzten natürlichen Auffassung vom vorgegebenen Gehalt des Herrschaftsbegriffes.
an 82 . Dagegen heißt es bei Lange 83 : „Befiehlt der Vorgesetzte eine Über- Die entwickelten Kriterien machen es außerdem möglich, die mannigfaltigen
tretung, so ist der Befehl verbindlich. Der ausführende Soldat ist Täter, der Erscheinungsformen der Willensherrschaft kraft Nötigung aus der zer-
Befehlende als Anstifter zu bestrafen." splitterten und die einzelnen Fallgruppen isolierenden Kasuistik der bis-
Zuzustimmen ist der Auffassung Welzels. Die von Lange vertretene Mei- herigen Erörterungen auf eine gemeinsame rechtliche Struktur zurück-
nung ist angesichts der limitierten Akzessorietät konstruktiv nur dann mög- zuführen. Dabei bleibt das beschreibende Verfahren gewahrt, indem die
lich, wenn man die Handlung des Untergebenen für rechtswidrig, aber zahlreichen Situationen möglichen Verantwortungsausschlusses die Aus-
gestaltung des Herrschaftsbegriffes in ständig wechselnder, den individuellen
Gegebenheiten angepaßter Weise variieren. Ebenso ist der Begriff „offen" für
81
Vgl. dazu u n t e n S. 13 ff. bisher übersehene oder durch die Rechtsentwicklung neu hinzutretende
8U
Darüber, daß außerhalb rechtsstaatlicher Verhältnisse eine mittelbare Täterschaft vor- Konstellationen: Sie sind - genau wie es bei den oben behandelten Fällen
liegen kann, vgl. unten S. 242 ff.
82
Lehrb., 7. Auflage, S. 92; w o h l auch Schönke/Schröder, 10. Aufl., III, 4, c vor § 5 1 , 84
D i e Frage ist nach wie vor strittig. Vgl. d a r ü b e r grundlegend Stratenwerth, Verant-
S. 295
83 w o r t u n g u n d G e h o r s a m , 1958; speziell zu dieser Frage de lege lata: S. 204 bei A n m . 30.
Kohlr./Lange v o r § 4 7 , 5, B, 2, h, S. 163, 42.743. Aufl.
170 171

geschehen ist - unter Berücksichtigung der ihnen eigenen Besonderheiten herrschaft auf der Beherrschung des unmittelbar Handelnden, der seinerseits
in ihren Erscheinungsformen zu analysieren und durch eine unmittelbare die Ausführung „in der Hand" hat und selbst - wenn auch schuldloser -
Beziehung auf die Struktur der Willensherrschaft einer selbständigen und Täter ist. Hier dagegen liegt es in beiden Punkten durchaus anders: Der
gleichwohl in den übergreifenden Zusammenhang sich einordnenden Irrende beherrscht die Lage nicht und handelt blind-kausal (a), und auch
Lösung zuzuführen. der Hintermann beherrscht den Ausführenden nicht in der Weise, wie wir
es bei der Nötigung kennengelernt haben (b). Das bedarf nur kurzer Er-
läuterung:
§ 22. Die Willensherrschaft kraft Irrtums

Die Situation, daß ein Hintermann sich eines irrenden Werkzeuges zur a) Keine Tatbeherrschung durch den Irrenden
Durchführung einer Straftat bedient, gilt als der zweite klassische und im
grundsätzlichen unbestrittene Fall der mittelbaren Täterschaft. Im einzelnen Es ist schon oben 1 darauf hingewiesen worden, daß die Handlungsherr-
freilich sind die hier in Frage kommenden Sachverhaltsgestaltungen vom schaft, die sich aus der eigenhändigen Verwirklichung aller Tatumstände
Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus nur sehr wenig untersucht worden, zwangsläufig ergibt, den Vorsatz l a des Ausführenden erfordert. N u r wenn er
und vieles muß als ungeklärt gelten. Es lassen sich folgende Gruppen unter- gegeben ist, entspricht der Handelnde dem Leitbild, das dem Gesetzgeber als
scheiden: die Zentralgestalt des tatbeständlichen Geschehens vorschwebt. Nicht der
Der Irrende handelt unvorsätzlich und schuldlos oder unbewußt fahr- bloße Verursacher einer rechtswidrigen Gewahrsamsverschiebung, sondern
lässig (I); er verwirklicht den Tatbestand bewußt fahrlässig (II); der Aus- der vorsätzlich handelnde Dieb, nicht derjenige, der einen Vermögens-
führende handelt vorsätzlich, aber ohne Unrechtsbewußtsein (III) oder in schaden kausal bewirkt, sondern der die subjektiven Voraussetzungen
der irrigen Annahme eines schuldausschließenden Sachverhaltes (IV); der erfüllende Betrüger sind die durch die gesetzlichen Beschreibungen ins Zen-
Irrende handelt trotz seiner falschen Vorstellung tatbestandsmäßig, rechts- trum des Vorganges gerückten Figuren. Ebensowenig ist zu bestreiten, daß
widrig und schuldhaft (V); der Ausführende verwirklicht ein in seiner Per- der B, der in unseren Beispielen eine Bedingung des Todeserfolges setzt, für
son tatbestandsloses oder rechtmäßiges Geschehen (VI). Auch innerhalb der ein sinnhaftes Verstehen nicht als die den Geschehensablauf beherrschende
einzelnen Situationskomplexe sind noch weitere Unterteilungen notwendig, Gestalt erscheint. Er ist nur ein in die Ursachenkette eingeschalteter blinder
auf die später im einzelnen eingegangen wird. Bedingungsfaktor, dessen Bedeutung für den Handlungsvorgang nicht
größer ist als die jeder anderen Erfolgsbedingung auch. Er kann daher nach
der Tatherrschaftslehre unter keinen Umständen Täter sein 2 .
I. Der vorsatzausschließende, schuldlose
oder unbewußt fahrlässige Irrtum
h) Keine Beherrschung der Person des Irrenden durch den Hintermann
1. Der Tatmittler handelt ohne Vorsatz und Schuld
Man kann aber auch nicht davon sprechen, daß der Hintermann den un-
A. Die Struktur der Willensherrschaft mittelbar Ausführenden nach Art der Nötigungsfälle beherrsche. Denn es
bei Benutzung eines vorsatzlosen Werkzeuges steht - wenn wir unsere Beispiele zugrundelegen - durchaus im Belieben des
B, ob er geneigt ist, das Licht einzuschalten oder ein bestimmtes Flugzeug zu
Man denke sich den Fall, daß A den B bittet, in irgendeinem Stockwerk des benutzen. Niemand kann ihn dazu nötigen. Vielmehr liegt, wenn wir von
Hauses das Licht einzuschalten. B tut das ahnungslos und bringt dadurch, dem weiterreichenden Wissen des A einmal absehen und den im übrigen
wie A geplant hatte, an entfernter Stelle eine Höllenmaschine zur Explosion, rechtsneutralen Vorgang in eine juristische Terminologie kleiden, sicher nur
die einen Menschen tötet. Oder: A rät dem B, der eine Amerika-Reise unter- eine „Anstiftung" zum Einschalten des Lichts und zur Benutzung eines
nehmen will, die Benutzung eines bestimmten Flugzeuges an, von dem er bestimmten Flugzeuges vor.
weiß, daß es unterwegs abstürzen wird.
Im ersten Fall führt der Irrtum zu einer Fremdschädigung, im zweiten
zur Tötung des Irrenden selbst. In beiden Fällen entspricht es der heute
einhelligen Meinung, daß ein Mord in mittelbarer Täterschaft vorliegt. 1
Wenn wir versuchen, das von der Tatherrschaftslehre her zu begründen, Vgl. S. 130/131
la
ob und inwieweit für die bewußte Fahrlässigkeit dasselbe gilt, wird später erörtert
zeigt sich sogleich, daß diese Fälle eine ganz andere Struktur aufweisen als werden.
2
die vorher besprochenen Nötigungssituationen. Dort beruht die Willens- zu anderen Ergebnissen könnte nur ein extensiver Täterbegriff führen.
172 173

c) Die finale Überdetermination des Kausalverlaufs als Kriterium für die Willensherrschaft des Hintermannes nicht erforderlich ist: Das irrende
der Willensherrschaft Werkzeug tritt nicht in seiner spezifisch menschlichen Qualität als final han-
delndes Wesen in den Geschehensablauf ein, sondern es wird lediglich als
Die Frage ist, ob und wie man unter solchen Umständen von Tatherrschaft blinder, den außermenschlichen Mitursachen gleichzusetzender Bedingungs-
reden kann und worin sie liegt. Um die wesentliche Antwort vorweg- faktor in den determinierenden Tatplan hineinverwoben. Da man einen Men-
zunehmen: Die Tatherrschaft ist, wie ja auch sonst nicht bestritten wird, zu schen nur beherrschen kann, soweit man seinen Willen zwingt, dieser Wille
bejahen. Das größere Wissen, das den Hintermann auszeichnet, kann zwar hier aber außerhalb des Erfolges liegt, bedarf es einer Herrschaft über den
allein keine Herrschaft begründen. Aber es ermöglicht eine Tatlenkung, Tatmittler nicht, um die Willensherrschaft des Hintermannes zu begründen.
deren Wesen - ganz anders als in den Nötigungsfällen - bei Benutzung Daher wird es auch verständlich, daß eine psychische Beziehung zwischen
eines irrenden Werkzeugs in der „Finalität" des menschlichen Handelns mittelbarem Täter und Werkzeug ganz fehlen kann. Wenn sich in unserem
liegt 3 . Beispiel der A darauf verläßt, daß auch unaufgefordert jemand das Licht in
Wenn das von Welzel formulierte Prinzip der „finalen" Tatherrschaft dem betreffenden Zimmer einschalten werde, so ändert das an der Beur-
mehr aussagen soll als daß der Tatherr vorsätzlich handeln muß, so ist es hier teilung des Falles nichts.
der Fall. In den Nötigungssituationen ist bei der Abgrenzung der Beteili- Zwar gerät in den Tatplan des Hintermannes eine gewisse Unsicherheit
gungsformen mit der Finalität nichts anzufangen, denn Anstifter, Täter und dadurch, daß das irrende Werkzeug im Hinblick auf den von ihm ange-
Gehilfe handeln im Hinblick auf den Erfolg gleicherweise vorsätzlich. In den strebten außertatbestandlichen Erfolg (Einschalten des Lichts, Flugzeug-
hier zu erörternden Irrtumsfällen jedoch ist der Hintermann der einzige, der benutzung) frei handelt. Aber diese Unsicherheit ist prinzipiell nicht größer
das Geschehen final dem Erfolge zusteuert. Alle anderen die Tatbestands- als diejenige, die überhaupt mit dem Einsatz kausaler Faktoren verbunden
verwirklichung herbeiführenden Faktoren: die Umstände der äußeren ist. Da der Tatmittler nicht weiß, was er tut, fehlt ihm jedes Hemmungs-
Situation, Naturgesetzlichkeiten und menschliche Verhaltensweisen, werden motiv, und der Ablauf ist oft nicht weniger berechenbar als er es beim Ein-
durch das zielstrebige Eingreifen des Hintermannes derart miteinander ver- satz „toter" Werkzeuge ist, deren Funktionieren auch von manchen un-
knüpft, daß sie durch ihr Zusammenwirken den beabsichtigten Erfolg vorhersehbaren Umständen abhängen kann.
herbeiführen müssen. Wegen dieser strukturellen Gleichartigkeit liegt hier im Grunde ein Fall
Auf dieser Möglichkeit finaler Überdeterminierung des Kausalverlaufs „direkter" Tatherrschaft des Hintermannes vor. Es schließt ja auch sonst die
beruht bekanntlich die spezifisch menschliche Fähigkeit gestaltender Welt- unmittelbare Täterschaft nicht aus, daß der Veranlassende eine sich selbstän-
veränderung. Auf ihr beruht aber auch - und nun folgt die zwingende Kon- dig weiterentwickelnde Kausalreihe in Bewegung setzt. Da nirgends verlangt
sequenz für die Täterlehre - die Möglichkeit, ein in der Außenwelt sich wird, daß ein unmittelbarer Täter die zeitlich „letzte" Bedingung selbst reali-
abspielendes Geschehen einem bestimmten Menschen als sein Werk zuzu- siert, könnte man hier geradezu eine „eigenhändige" Tatbestandsverwirk-
rechnen. Dort, wo mehrere final handeln, muß die Zentralgestalt des lichung und eine „Handlungsherrschaft" im oben gekennzeichneten Sinne
Geschehens nach anderen Kriterien ermittelt werden (wie wir es bei den annehmen. Jedenfalls ließe sich bezweifeln, ob man deshalb allein, weil
Nötigungsfällen schon getan haben); wo aber nur einer durch sein Eingreifen zwischen dem Anstoß des Hintermannes und dem Erfolg ein auf mensch-
in den Kausalverlauf das Geschehen in die Richtung des Erfolges lenkt, ist er lichem Verhalten beruhender Bedingungsfaktor steht, von „mittelbarer"
immer der spiritus rector, der Träger der Willensherrschaft. Das ist evident. Täterschaft sprechen sollte. Da das aber nur eine terminologische Frage ist,
Es ist nicht zu bezweifeln, daß auch der Gesetzgeber den, der sich eines in hätte es wenig Sinn, diesen nach der eingebürgerten Ansicht geradezu
dieser Weise Irrenden bedient, als den Gestalter des Tatablaufs und damit als paradigmatischen Fall „mittelbarer" Täterschaft umbenennen zu wollen.
Zentralfigur des Handlungsvorganges betrachtet. Ebenso sicher entspricht Wichtig ist nur, daß die Willensherrschaft hier auf einer ganz anderen - der
es dem Grundgedanken der Tatherrschaftslehre, den Hintermann, der Handlungsherrschaft sich annähernden - Grundlage ruht als in den
die' Kausalfaktoren zusammenknüpft, als denjenigen anzusehen, der das Nötigungssituationen. Auf der Verkennung dieser Strukturverhältnisse
Geschehen „in der Hand" hat. beruhen zahlreiche Fehler und Unklarheiten in der bisherigen Behandlung
Wenn wir von diesen gesicherten Ergebnissen ausgehen, erklärt es sich der Problematik, auf die im folgenden näher einzugehen sein wird.
auch, warum in solchen Fällen eine Beherrschung der Person des Tatmittlers

3
B. Mittelbare Täterschaft bei bloßer Unterstützung des irrenden Werkzeuges
Wir können bei Bestimmung der Finalität an dieser Stelle von den insoweit unbestrittenen
Grundgedanken der finalen Handlungslehre ausgehen. Der Fortgang der Arbeit wird
zeigen, daß der Finalitätsbegriff allerdings wesentlich andere Grundlagen und Dimen- Diese Erkenntnisse führen auch beim vorsatzlosen Werkzeug zu einigen
sionen hat als die finale Handlungslehre annimmt. Doch darauf kommt es hier noch praktischen Konsequenzen. Zunächst ergibt sich: Die früher außerordentlich
nicht an. umstrittene Frage, ob mittelbarer Täter auch derjenige sein könne, der einen
174 175

unvorsätzlich Handelnden nicht zur Rechtsgutsverletzung bestimmt, son- C. Mittelbare Täterschaft bei unwesentlicher Beeinflussung
dern ihn dabei nur mit „Gehilfenwillen" unterstütz 4 , ist unbedenklich zu des Kausalverlaufes
bejahen. Das muß freilich schon für die subjektive Lehre gelten, soweit sie
der Dolustheorie folgt: Denn einem unvorsätzlich Handelnden kann man die Damit ist freilich noch nicht gesagt, daß schlechthin jede Beeinflussung des
Ausführung der Tat nicht „anheimstellen", ihm kann man seinen Willen Kausalverlaufes in solchen Fällen dem Hintermann die Willensherrschaft
nicht unterwerfen. Die Gegenmeinung wäre also bestenfalls vom Standpunkt verleihen muß. So schreibt etwa Nowakowski 7 : „Wenn eine kurzsichtige
der immerhin auf die Praxis heute noch einwirkenden Interessentheorie her Untermieterin ihrem Kind ein Kopfwehpulver eingeben will und ihr der
haltbar. Vermieter auf ihren Wunsch hin ein Glas Wasser hierfür reicht, obwohl er
Für die Tatherrschaftslehre folgt die Annahme mittelbarer Täterschaft in bemerkt hat, daß die Frau die Mittel verwechselt hat und ein tödliches Gift
diesen Fällen zwangsläufig daraus, daß der Hintermann der einzige ist, der einzuflößen im Begriffe steht, so kann man diesem Hintermann weder Tat-
durch sein Eingreifen das Kausalgeschehen auf den von ihm vorher- herrschaft noch Täterwillen anlasten".
gesehenen Erfolg zusteuert. Wenn der A, um einen Scherz zu machen, sich Nowakowski erklärt nicht, warum er in diesem Falle eine Tatherrschaft
das vermeintlich ungeladene Gewehr des B ausbittet und B, obwohl er den des Vermieters ablehnen will. Aber der Grund kann nur darin liegen, daß das
Irrtum des A erkennt und weiß, daß die Flinte geladen ist, ihm die Waffe Hinreichen des Glases Wasser sich als durchaus unwesentliche Bedingung
zum Schusse reicht, dann liegt dieser Fall strukturell genau so, als wenn er sie des Erfolges darstellt. Es ließe sich fragen: Wie kann man jemanden als Zen-
dem A übergeben und ihn so zur Tat „bestimmt" hätte. Die einzige tralfigur des Handlungsablaufes ansehen und sagen, daß er das Geschehen
Abweichung, die zwischen beiden Fällen erkennbar ist, besteht in dem ver- „in der Hand" habe, wenn der Erfolg ohne seine Mitwirkung derselbe
schiedenartigen Einfluß auf die Willensbildung des A. Gerade diese Anders- gewesen wäre? Die Untermieterin hätte dann sicherlich das Glas Wasser
artigkeit ist jedoch nach der oben entwickelten Analyse der Tatherrschafts- selbst geholt.
struktur im Falle des vorsatzlosen Werkzeugs irrelevant; denn die mittelbare Es liegt sehr nahe, in diesem Fall eine Lösung in der Weise zu suchen, wie
Täterschaft beruht hier nicht auf dem Umstand, daß der Hintermann den wir sie oben bei der Unterstützung eines ohne Zutun des Hintermannes in
Willen des Tatmittlers beherrscht - das tut er, wie vorhin gezeigt wurde, so Gefahr geratenen Notstandsopfers (§54 StGB) gefunden haben 8 . Wir hatten
oder so nicht - sondern darauf, daß er sein Verhalten als blind-kausalen dort zwischen den beiden von den Anhängern der Tatherrschaftslehre ver-
Bedingungsfaktor in die Ursachenkette hineinverwebt. Auf welche Weise tretenen Auffassungen einen Mittelweg eingeschlagen und eine Willens-
ihm das gelingt, ist gleichgültig. herrschaft des Hintermannes immer dann angenommen, wenn er dem
Alle diese Einsichten verkennt Max Ernst Mayer, der als Hauptvertreter Notstandsopfer die tatbestandsmäßige Rechtsgutsverletzung in concreto
der Gegenmeinung schreibt 5 : „Wenn die Handlung bei Voraussetzung eines ermöglicht hatte. In entsprechender Weise könnte man hier sagen, eine Tat-
verantwortlichen 6 Vermittlers Beihilfe wäre, ist sie keine Tötungshandlung, herrschaft setze voraus, daß der Irrende ohne die Mitwirkung des Hinter-
kann also auch nicht infolge der Unverantwortlichkeit des Vermittlers dazu mannes den Erfolg nicht herbeigeführt hätte. Es würde dies praktisch
werden". Der Fehler dieser Argumentation ist nach dem oben Dargelegten bedeuten, daß man, was den Bereich der mittelbaren Täterschaft betrifft, die
leicht zu erkennen: Mayer stellt darauf ab, daß hinsichtlich dessen, was der schon im historischen Überblick 9 behandelte Notwendigkeitstheorie, also
Tatmittler willentlich tut oder tun würde, nur eine Beihilfe vorliegen könnte. die alte Lehre vom „Hauptgehilfen", in den Tatherrschaftsbegriff einbauen
Das ist eben so richtig wie unerheblich, weil es für die Begründung der müßte.
mittelbaren Täterschaft gerade nicht auf die final erstrebten, sondern ledig- Eine derartige Lösung schwebt - anders als bei den erwähnten Nöti-
lich auf die unwillentlichen, blind-kausalen Folgen eines Verhaltens an- gungssituationen - im Falle des vorsatzlos handelnden Werkzeuges an-
kommt. scheinend auch Gallas vor. Denn bei ihm heißt es 10 , es dürfe mittelbare
Täterschaft nicht „unbesehen überall dort angenommen werden, wo bei
vorsätzlich schuldhaft begangener Haupttat Beihilfe vorliegen würde. Ent-
scheidend ist vielmehr, ob der an dem Tun des ohne Vorsatz oder schuldlos
Handelnden Beteiligte Tatherrschaft besitzt. Das wird jedenfalls dann anzu-
nehmen sein, wenn es von seinem Verhalten abhängt, ob es überhaupt zur
Tat kommt, ... Tatherrschaft wird dagegen regelmäßig zu verneinen sein,

4 7
Vgl. dazu nur Mezger, Lehrbuch, 3. Aufl., 1949, S. 429—431; Eb. Schmidt, Frank-Festgabe JZ 1956, S. 549
8
II, S. 121 f. Vgl. S. 150-153
5 9
Lehrbuch, S. 377 S. 38-41
6 10
gemeint ist: vorsätzlich handelnden. Gutachtens. 138
176 177

wo es sich lediglich um einen die Modalitäten der Tatbegehung berührenden betätigt hätte. Noch unlängst hatte der B G H in einem gewöhnlichen
Tatbeitrag handelt". Betrugsfall 15 ausgesprochen: „Der tatsächliche Verlauf der Willensbildung
Gallas schränkt diese Auffassung allerdings für die reinen Erfolgsdelikte verliert sein Dasein und seine rechtliche Bedeutung nicht dadurch, daß an
(z.B. §§212, 223, 303 StGB) 11 , soweit dem unmittelbar Handelnden der seine Stelle ein anderer getreten wäre, aber nicht getreten ist". Es gibt danach
Vorsatz fehlt, sogleich wieder ein: Hier soll jeder kausale Beitrag Tatherr- im Straf recht keine „überholende Kausalität".
schaft begründen. Danach würde er in dem oben angeführten Beispiel Wie immer man dazu stehen mag: Jedenfalls handelt es sich hier um ein
Nowakowskis wohl mittelbare Täterschaft annehmen. (Wie aber, wenn allgemeines Zurechnungsproblem, das nur einheitlich gelöst werden kann
beim Hintermann die Voraussetzungen des Mordes, der doch kein reines und mit dem man den Tatherrschaftsbegriff nicht belasten sollte. Wenn man
Erfolgsdelikt ist, vorliegen?). Immerhin bleibt es dabei, daß nach seiner schon einmal hypothetische Kausalverläufe für die strafrechtliche Beur-
Auffassung nicht jede Beeinflussung des Kausalverlaufs bei fehlendem Vor- teilung ausschaltet, dann kann man auch bei Bestimmung der Tatherrschaft
satz des unmittelbar Handelnden die Tatherrschaft des Hintermannes be- nur auf das wirkliche Geschehen abstellen. Es kann nur darauf ankommen,
gründet. ob der Hintermann in concreto die Willensherrschaft innegehabt hat, nicht
Auch Maurach 12 will offenbar gewisse Unterscheidungen machen, denn er aber darauf, ob er sie auch ausgeübt hätte, wenn das Geschehen anders ver-
bejaht die mittelbare Täterschaft nur, „sofern das entscheidende Merkmal laufen wäre. Das erscheint auch im Hinblick auf die Täterlehre durchaus als
der Tatherrschaft auch in diesen Fällen gewahrt bleibt". Wann das im einzel- sinnvoll. Zwar wäre der Vermieter unseres Beispiels, wenn er nichts getan
nen der Fall sein soll, läßt sich seinen Ausführungen nicht entnehmen. hätte, trotz seiner Voraussicht des Erfolges nicht nach §212 StGB bestraft
Allein: So bestechend alle derartigen Differenzierungen gerade vom Tat- worden, weil ihn keine Erfolgsabwendungspflicht traf16. Wenn er sich aber
herrschaftsgedanken her auf den ersten Blick erscheinen, einer gründlichen auch noch aktiv in das Geschehen einschaltet, entspricht es durchaus dem
Überprüfung halten sie nicht stand. Wenn wir bei Nowakowskis Beispiel Rechtsgefühl, ihn, der damit als einziger bewußt auf die Vernichtung eines
bleiben, so ist doch nicht zu leugnen, daß der Vermieter den Kausalverlauf, Lebens hinwirkt, als die verantwortliche Zentralfigur des Geschehens
so wie er sich in concreto abspielte, bewußt auf das Ziel zugesteuert hat. anzusehen.
Damit aber ist, weil er allein die Sachlage übersah, nach den oben entwickel- Das gilt generell. Für die Unterscheidung, die Gallas zwischen Tätigkeits-
ten Kriterien die Grundstruktur der mittelbaren Täterschaft gegeben. Davon und reinen Erfolgsdelikten vornimmt, kann ich, soweit die Tätigkeitsdelikte
geht zu Recht wohl auch Welzel 13 aus, wenn er, ohne Einschränkungen zu überhaupt in mittelbarer Täterschaft begehbar sind 17 , keinen inneren Grund
machen, über den Unterstützenden sagt, er habe „die finale Tatherrschaft ersehen. Die Körperverletzung mit Waffen ist sicher ein Tätigkeitsdelikt in
über den Erfolg, weil er die Unvorsätzlichkeit des Mittelmannes vorsätzlich seinem Sinne, weil nicht die finale Erfolgsherbeiführung genügt, sondern
zur Erfolgsherbeiführung" ausnutze. eine bestimmte Begehungsweise verlangt wird 18 . Warum sollte aber das Hin-
Wenn man bei „unwesentlicher" Beeinflussung des Geschehens die Tat- reichen der Waffe an den vorsatzlos Handelnden, der sie sich sonst selbst
herrschaft des Hintermannes dennoch ablehnen will, so kann man das nur genommen hätte, zur Begründung mittelbarer Täterschaft nicht ausreichen,
tun, indem man über den konkreten Vorgang hinaus einen hypothetischen wenn im Falle des §212 StGB, wie auch Gallas annimmt, derselbe kausale
Kausalverlauf in die Betrachtung einbezieht: die Überlegung nämlich, wie Beitrag zur Tatherrschaft führen würde?
es gekommen wäre, wenn ... Das aber ist nach allgemeiner Auffassung Es bleibt noch zu klären, warum das hier abgelehnte differenzierende
unzulässig 14 . Und vor allem handelt es sich hier um ein Problem, das mit der Verfahren im Falle des § 54 StGB, den wir anfangs als Parallelbeispiel heran-
mittelbaren Täterschaft nicht das geringste zu tun hat, sondern auch bei gezogen haben, dennoch zum richtigen Ergebnis führt. Der Grund liegt
jeder anderen Tatbestandsverwirklichung auftritt. Wer - in dem bekannten darin, daß dort nicht wie hier die Willensherrschaft auf bloßer Überdeter-
Schulbeispiel - als Unbefugter auf den Knopf am elektrischen Stuhl des mination des Kausalverlaufes beruht. Vielmehr geht es dort um die Frage, ob
Scharfrichters drückt, bleibt wegen Totschlages strafbar, auch wenn die der unmittelbar Handelnde wegen der vom Hintermann geschaffenen
Vollzugsperson in Ausübung ihres Amtes gleich darauf selbst den Knopf Situation oder aus anderen Gründen von der Verantwortung befreit wird.
Und dafür ist es allerdings von entscheidender Bedeutung, ob der Außen-
stehende ihm die Möglichkeit zur Rechtsgüterverletzung verschafft hat, ob
" Vgl. Sonderheft A t h e n , S. 11
12
A.T., 2. Aufl., § 4 8 III, 3, S. 504
13 15
Lehrb., 7. Aufl., S. 101 B G H S t 13, 13-15; ebenso die v o n Dallinger mitgeteilte Entscheidung in M D R 58,
14
Vgl. zu diesem Fragenkreis aus neuerer Zeit n u r Heinitz, J R 1959, S. 386-388; ferner S. 139/40.
16
eingehend A r t h u r Kaufmann, Festgabe für Eb. Schmidt, S. 2 0 0 - 2 3 1 , der zu teilweise O b diese Auffassung der herrschenden Meinung in Fällen, bei denen der Außenstehende
abweichenden Ergebnissen k o m m t , bei vorsätzlichen Delikten aber auch allenfalls einen kraft seines Wissens z u m alleinigen Richter ü b e r Leben u n d Tod wird, billigenswert ist,
Strafmilderungsgrund a n n e h m e n will; die Beurteilung der Täterfrage w ü r d e sich steht auf einem anderen Blatt.
17
dadurch nicht verschieben. Zu Kaufmann vgl. meine A b h a n d l u n g in ZStW, Bd. 74, Vgl. zu diesen Fragen noch u n t e n S. 399ff., 405ff., 410ff.
18
1962, S. 411-444. Vgl. dazu Gallas, Sonderheft A t h e n , S. 11
178 179

es also ohne ihn dazu hätte kommen können! Man sieht, wie die unter- pflichtgemäßer Sorgfalt die zum Erfolg führende Kausalreihe hätte ab-
schiedliche Struktur der mittelbaren Täterschaft bei Nötigungs- und Irr- brechen oder umlenken können.
tumsfällen auch hier ganz andere Beurteilungskriterien erzwingt. Das Fahrlässigkeitsurteil schließt also die Tatherrschaft des Hintermannes
Im übrigen könnte man, wenn man anderer Meinung sein wollte, von der nicht aus; im Gegenteil: es erfordert sie geradezu. Denn ohne die Fahrlässig-
Tatherrschaftslehre her in Nowakowskis Beispiel zu einer Bestrafung des keit des Tatmittlers hätte der mittelbare Täter das Geschehen nicht beherr-
Vermieters überhaupt nicht kommen, sofern man, wie es die jetzt herr- schen können. Wir können unseren oben aufgestellten Satz also erweitern:
schende Meinung tut, für die Teilnahme eine vorsätzliche Haupttat Auch wer bei unbewußt fahrlässig handelndem Tatmittler eine Erfolgs-
verlangt 183 . Das wäre aber ein ganz unbefriedigendes Ergebnis, weil der Ver- bedingung setzt, ist unter allen Umständen mittelbarer Täter.
mieter, wenn er der Irrenden das Glas reicht, eine Handlung auf sich lädt, Aus dieser Erkenntnis ergibt sich eine zwingende Folgerung für die viel
deren deliktische Schwere die einer Beihilfe zur Vorsatztat auch vom Stand- umstrittene Akzessorietätsfrage: Da, sofern der unmittelbar Ausführende
punkt der Strafwürdigkeit aus eher übertrifft als unterschreitet. Kennzeich- schuldlos oder unbewußt fahrlässig handelt, nach der Tatherrschaftslehre
nend dafür ist, daß auch Nowakowski 1 9 den Gedanken erwägt, unter voll- jede wie auch immer geartete Bedingung den die Situation übersehenden
ständiger Durchbrechung seines Ausgangspunktes den Hintermann dennoch Hintermann zum mittelbaren Täter macht, ist schon aus diesem Grunde in
als Täter zu bestrafen, indem er die Täterschaft als dogmatisch unerklär- solchen Fällen eine Teilnahme ausgeschlossen. Diese Lösung beruht also
lichen „Lückenbüßer" heranzieht. weder auf der systematischen Stellung des Vorsatzes noch auf der Annahme,
Unser Ergebnis lautet also: Jeder, der bei schuldlos unvorsätzlich handeln- daß das Wesen der Teilnahme in der Unterordnung unter fremden Tat-
dem Tatmittler in Kenntnis der Situation bewußt eine Erfolgsbedingung entschluß bestehe oder daß sonst Anstiftung und Beihilfe nicht mehr
setzt, ist Träger der Willensherrschaft und daher mittelbarer Täter. abgrenzbar wären, sondern allein auf dem richtig verstandenen Begriff der
Damit ist freilich nicht gesagt, daß etwa in unserem Ausgangsfall jedes Tatherrschaft 21 .
Kopfnicken oder jedes Begleitwort den Vermieter zum Täter eines Tot- Damit ist die Frage, ob es eine Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat
schlages machen muß. Denn der bei den Vorsatzdelikten entwickelte geben könne, allerdings nicht endgültig beantwortet. Denn einerseits bleiben
Gedanke der psychischen Beihilfe, deren kausale Wirkung 2 0 oder deren auch für die Tatherrschaftslehre noch die bewußt fahrlässigen Taten zu er-
Förderungswert schon dort oft genug fragwürdig ist, läßt sich auf die unvor- örtern 22 ; und andererseits wird zu untersuchen sein, ob namentlich bei den
sätzlichen Handlungen nicht ohne weiteres übertragen. Da der Tatmittler Sonderdelikten und den eigenhändigen Verbrechen, die zu besonders
sich nicht bewußt ist, eine Rechtsgutsverletzung zu begehen, können bei- schwierigen Akzessorietätsproblemen führen, der Tatherrschaftsgedanke
läufige Zustimmungserklärungen auch nicht zu einer „Stärkung des Tat- überhaupt eine sinnvolle Abgrenzung der Beteiligungsformen ermöglicht 23 .
entschlusses" führen, so daß in solchen Fällen die Kausalität und mit ihr die Der einzige Unterschied zwischen der Einschaltung eines schuldlosen und
sie lenkende Finalität fehlen wird. eines unbewußt fahrlässigen Werkzeuges liegt für die Teilnahmelehre darin,
daß im zweiten Fall auch der Tatmittler Täter sein kann, wenn ein ent-
sprechender Fahrlässigkeitstatbestand besteht. Doch bleibt das auf die Herr-
2. Der Tatmittler handelt unbewußt fahrlässig schaft des Hintermannes und ihre Begründung ohne Einfluß. Denn das
„Werkzeug" ist jedenfalls nicht Täter des Tatbestandes, aus dem der Hinter-
Dieser Fall bietet gegenüber dem vorstehend behandelten in der Beurteilung mann bestraft wird; und auch bei der auf ihn anzuwendenden Straf-
der Tatherrschaftsfrage keine Abweichungen. Zwar macht der Gesetz- bestimmung beruht seine Täterschaft, wie später noch näher darzulegen sein
geber, soweit die Fahrlässigkeit strafbar ist, auch den Tatmittler für den wird, auf einem durchaus anderen Kriterium als dem der Tatherrschaft.
Erfolg verantwortlich. Aber die Zurechnung beruht auf Umständen, die
für die Willensherrschaft des Hintermannes unerheblich sind. Was dem
unbewußt fahrlässig Handelnden das rechtliche Unwerturteil zuzieht, ist
gerade die Tatsache, daß er sich infolge eines Sorgfaltsmangels als bloßffr
Bedingungsfaktor in den Plan des Hintermannes hat einspannen lassen;
mit anderen Worten: daß er diesem durch seine Nachlässigkeit die Herr-
schaft über das Geschehen überlassen hat, obwohl er bei Aufwendung

,8a 21
was bei Delikten der hier zu erörternden A r t im allgemeinen zutreffend ist; vgl. Auf die Akzessorietätsprobleme wird im einzelnen später noch z u r ü c k z u k o m m e n sein;
darüber im einzelnen unten S. 364 ff., 261 ff. vgl. S. 365 ff.
19 22
J Z 1956, S. 549 bei A n m . 78 D a r ü b e r gleich unten sub II
20 23
Vgl. dazu H . Mayer, Lehrbuch, S. 318, 323 Vgl. dazu ausführlich S. 352 ff. u n d S. 399 ff.
180 181

IL Der Irrende handelt bewußt fahrlässig 2. Finalität und bewußte Fahrlässigkeit in der Literatur

1. Problemstellung Es kommen hier hauptsächlich drei Lösungen in Frage, die, wenn auch
nicht im Hinblick auf die Tatherrschaftslehre, alle ihre Vertreter gefunden
Wenn man sich den Fall vorstellt, daß ein mit direktem Vorsatz oder auch haben.
mit dolus eventualis Handelnder einen anderen zu einer bewußt fahrlässigen
Tat bestimmt oder ihm dabei behilflich ist, so ergibt sich für die Tatherr-
schaftslehre eine wesentliche Veränderung der Problemlage. Das ist bisher A. Die Finalität umfaßt auch die bewußte Fahrlässigkeit
kaum beachtet worden, wird aber sogleich deutlich, wenn wir an die oben
behandelten Fälle des irrenden Werkzeugs denken. Die Tatherrschaft des Man kann erstens annehmen, daß der bewußt fahrlässig Handelnde ebenso
Hintermannes beruhte dort immer darauf, daß er sich des anderen als eines wie der vorsätzliche Täter den Tatbestand final verwirklicht. Diese Auf-
blind-kausal handelnden Mittlers bediente. Gerade diese Voraussetzung ist fassung hat zuerst Engisch in seiner grundlegenden Kritik der finalen Hand-
aber bei jemandem, der bewußt fahrlässig einen Tatbestand verwirklicht, lungslehre 24 vertreten. Er sagt: „Handelt jemand angesichts als notwendig
nicht gegeben. Er sieht die Möglichkeit des Erfolges ebenso wie der Hinter- oder auch nur als möglich erkannter Folgen, so sind diese jedenfalls nicht
mann, handelt insofern also durchaus nicht blind und unter dem Einfluß mehr blind verursacht, sondern in die sinnhafte Überdeterminierung einge-
eines Irrtums. Daher kann er auch unter Berücksichtigung der eventuell ein- schlossen". Er zieht daraus die Folgerung, daß „auf die Handlungsstruktur
tretenden Tatbestandsverwirklichung frei darüber entscheiden, ob er der gesehen ... dolus eventualis und bewußte Fahrlässigkeit" zusammengehören.
Handlungsaufforderung eines Dritten folgen will oder nicht. Kann man Mit ähnlicher Begründung kommt auch Gallas 25 zu dem Ergebnis, es lasse
angesichts dessen von einer „Tatherrschaft" des Hintermannes sprechen? sich „schwerlich vermeiden, den Begriff der Finalität auch auf die bewußte
Versuchen wir, dieser Frage mit den bisher erarbeiteten Kriterien beizu- Fahrlässigkeit zu erstrecken"; dem haben sich später Nowakowski 2 6 und
kommen, so ergibt sich folgendes: Die Willensherrschaft, die zur Begrün- Arthur Kaufmann 27 angeschlossen.
dung der mittelbaren Täterschaft erforderlich ist, kann in zweifacher Weise Geht man von dieser Lösung aus, so ergeben sich für die mittelbare Täter-
strukturiert sein; entweder so, daß der Hintermann die Person des Tatmitt- schaft bemerkenswerte Folgerungen. Denn wenn man die bewußt fahrlässige
lers beherrscht, der seinerseits den Erfolg final verwirklicht (Nötigungsfälle); Tatbestandsverwirklichung als finales Geschehen ansieht, so kann man nicht
oder so, daß er als einziger final Handelnder alle anderen nur kausalen Tat- mehr sagen, daß der Hintermann einen bloßen Kausalverlauf überdeter-
beiträge auf den Erfolg hinlenkt (die oben behandelten Irrtumsfälle). Es miniere; es steht dann zwischen ihm und dem Erfolg der finale Wille eines
stehen also eine Willensherrschaft kraft Nötigung und eine Willensherrschaft anderen, der das weitere Geschehen selbständig lenkt, und eine Tatherrschaft
kraft ablaufslenkender Finalität nebeneinander. kraft ablaufsgestaltender Finalität kann dem Hintermann - zumindest im
Die erste der beiden Möglichkeiten scheidet für den hier zu erörternden üblichen und bisher allein verwendeten Sinne dieses Begriffs - nicht mehr
Fall aus; denn es kann nicht die Rede davon sein, daß der Hintermann die zugesprochen werden 28 . Stattdessen müßte eine vorsätzliche Teilnahme an
Person dessen, der bewußt fahrlässig handelt, in der Hand hat. einer bewußt fahrlässigen Handlung, die beim Hintermann nach dem Straf-
Es bleibt also nur die Frage, ob eine Willensherrschaft kraft ablaufs- rahmen des Vorsatzdelikts beurteilt würde, als prinzipiell möglich anerkannt
gestaltender Finalität vorliegt. Das kann nur dann der Fall sein, wenn auch werden. Umgekehrt müßte jemand, der mit bewußter Fahrlässigkeit einen
bei bewußter Fahrlässigkeit des Ausführenden eine finale Steuerung des unvorsätzlich schuldlos oder unbewußt fahrlässig Handelnden zu einer
Geschehensablaufes durch den Hintermann im oben gekennzeichneten nichtfinalen Rechtsgutsverletzung bestimmt, nach dem Tatherrschaftsprinzip
Sinne möglich ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt in erster Linie mittelbarer Täter sein. Er hätte dann die finale Willensherrschaft im oben
davon ab, ob die Trennungslinie zwischen finalem und nichtfinalem Han- gekennzeichneten Sinne, ein Ergebnis, das im Widerspruch steht zu der
deln mit der herkömmlichen Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit, bisher fast einhelligen Lehre, wonach eine Tatherrschaft im Bereich der fahr-
insbesondere also von dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit, zu- lässigen Delikte nicht denkbar sein soll 29 .
sammenfällt. Wir geraten damit in einen der strittigsten Bereiche der gegen-
wärtigen Dogmatik, dessen Bedeutung für die Täterlehre allerdings bislang 24
Kohlrausch-Festschrift, S. 155
kaum erkannt worden ist. Gleichwohl setzt die hier zu entwickelnde Lösung 25
G u t a c h t e n , S. 128; ZStW, Bd. 67, S. 43
eine kurze Auseinandersetzung mit den verschiedenen Lehrmeinungen 26
J Z 1958, S. 338/39 u n t e r V
27
voraus. Das Schuldprinzip, 1961, S. 167-170; vgl. jetzt auch Jescheck, Festschrift für Erik Wolf,
1962, S. 473 ff.
28
Die Problematik bedarf hier allerdings noch einer ü b e r den gegenwärtigen Streitstand
hinausführenden Vertiefung, vgl. dazu u n t e n S. 189ff. u n d S. 220ff.
29
Vgl. dazu eingehender unten S. 551 ff.
182 183

Die hier angedeuteten Konsequenzen sind, soweit ich sehe, nirgends ge- eventualis vor. Hardwig bestreitet aber die Finalität des Verhaltens 35 : „Unser
zogen worden. Gallas kommt zwar auch in seinen Abhandlungen zur Tat- Versicherungsbetrüger hat das Geschehen nicht auf den Tod der Frau
herrschaftslehre wiederholt auf seine These zurück, daß die bewußt fahr- gelenkt. Im Gegenteil, er hat dieses Geschehen gleichsam dem Kausal-
lässige Handlung eine finale Beziehung zum Erfolg aufweise 30 . Aber er geschehen anheimgestellt ... Daß er mit dem Anzünden des Hauses das
beschäftigt sich damit immer nur im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Kausalgeschehen entfesselt hat, rechtfertigt noch nicht, von einer Lenkung
Teilnahme im Bereich des fahrlässigen Handelns möglich sei; dabei hält er es zu sprechen". Er kommt zu dem Schluß: „Von einer finalen Handlung kann
für denkbar, eine nach dem Strafrahmen des Fahrlässigkeitsdelikts zu er- hier also in Bezug auf den strafbaren Erfolg in einer irgendwie sinnvollen
fassende vorsätzliche Beihilfe zur Fahrlässigkeitstat anzunehmen 31 , ein Pro- Weise nicht mehr gesprochen werden".
blem, das mit der Frage der mittelbaren Täterschaft beim Vorsatzdelikt, um Auch diese Lehre erkennt also der bewußten Fahrlässigkeit die gleiche
die es uns hier geht, nichts zu tun hat. Gleichwohl bedürfen die oben ange- Handlungsstruktur wie dem dolus eventualis zu; nur mit dem Unterschied,
deuteten Folgerungen - keine mittelbare Täterschaft, wenn der unmittelbar daß beide den nichtfinalen Verhaltensweisen zugerechnet werden.
Ausführende bewußt fahrlässig handelt? - vom Standpunkt dieser Finalitäts- Wenn man das akzeptiert und von der ablaufsgestaltenden Finalität als
auffassung her einer grundsätzlichen Erörterung. dem Kriterium der Tatherrschaft ausgeht, so ergeben sich gleichfalls sehr
Zu der vorstehend erwogenen Lösung würde man freilich der Sache nach bemerkenswerte und neuartige Folgerungen. Ein mit direktem Vorsatz
(obgleich nicht in der Terminologie) kommen, wenn man einen solchen handelnder Hintermann, der einen anderen zu einer mit dolus eventualis
Finalitätsbegriff mit einer Auffassung verbände, die in neuerer Zeit durch begangenen Tat veranlaßt, müßte die Willensherrschaft haben und mittel-
Schröder 32 und Schmidhäuser 33 wieder in den Vordergrund gerückt worden barer Täter sein. Dagegen wäre, wenn man konsequent bleibt, eine mittel-
ist: der Annahme nämlich, daß jede Handlung, bei der sich der Täter bare Täterschaft abzulehnen, wenn jemand mit bedingtem Erfolgsvorsatz
die konkrete Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung vorgestellt habe, dem einen anderen, der bewußt fahrlässig oder sogar ohne jede Erfolgsvorstellung
Bereich des dolus eventualis zuzuordnen sei. Wenn man dem folgt, läßt handelt, zu einem Verhalten verleitet, das eine tatbestandsmäßige Rechts-
sich die Identität zwischen (natürlichem) Vorsatz und Finalität wieder gutsverletzung bewirkt. Denn da nach dieser Auffassung der bedingte Vor-
herstellen, so daß die Tatherrschaft im Sinne ablaufsgestaltender Finalität satz kein im Hinblick auf den Erfolg finales Verhalten darstellt, kann eine
allein dem vorsätzlich Handelnden verbleibt. Man muß sich nur darüber klar finale Überdetermination selbst dann nicht vorliegen, wenn der Veranlaßte
sein, daß damit im Ergebnis alle Verhaltensweisen, die man herkömmlicher- etwa unvorsätzlich schuldlos handelt.
weise bewußt fahrlässig nennt, dem Vorsatzbereich eingegliedert werden
würden.
C. Die Finalität umfaßt alle Formen des Vorsatzes unter Ausschluß der
bewußten Fahrlässigkeit
B. Die Finalität umfaßt nur die Absicht unter Ausschluß
des dolus eventualis Drittens schließlich kann man von der Meinung ausgehen, daß die Grenze
zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit einem Unter-
Man kann aber zweitens den Begriff der Finalität auch so verstehen, daß er schied in der Finalstruktur des Verhaltens entspricht, derart, daß der be-
nur den erstrebten Erfolg, nicht aber die möglicherweise höchst uner- dingte Vorsatz eine finale Beziehung zum Erfolge aufweist, die der bewußten
wünschten und nur in Kauf genommenen Nebenfolgen umfaßt. Diese Mei- Fahrlässigkeit fehlt. Einen derartigen Unterschied nachzuweisen, haben
nung vertritt etwa Hardwig 34 . Er bildet den Fall, daß ein Versicherungs- Armin Kaufmann 36 , Stratenwerth 37 und Welzel 38 versucht, freilich mit
betrüger ein Wohnhaus anzündet, um in den Besitz der Versicherungssumme abweichenden Begründungen und auch mit jeweils andersartigen Ergeb-
zu kommen; der Täter weiß dabei, daß sich in dem Haus eine gelähmte Frau nissen.
befindet, die bei dem Brand ums Leben kommen kann, was ihm sehr unan-
genehm ist. Wenn der Brandstifter trotzdem handelt, so liegt sicher dolus

30
Vgl. Gutachten, S. 128, Anm. 22, S. 130 bei Anm. 29; Sonderheft Athen, S. 19, S. 22,
Anm. 23a
31
Vgl. Sonderheft Athen S. 26-30
32 35
Festschrift für Sauer, S. 207-248 a.a.O. S. 87
33 36
GA 1957, S. 305-314; GA 1958, S. 161-181 ZStW, Bd. 70, 1958, S. 64-86
34 37
Die Zurechnung, S. 86ff.; insoweit sehr ähnlich Schmidhäuser, ZStW, Bd. 66, 1954, ZStW, Bd. 71, 1959, S. 51-71
38
S. 34-38 Lehrb., 7. Aufl., S. 60-65
184 185

a) Armin Kaufmann Kern der finalen Überdetermination. Erst durch sie wird zwischen der ...
Folge und dem Verhalten des Täters die Verbindung hergestellt, die diese
Armin Kaufmann vertritt die Meinung, der Vorsatz umfasse „alle Folgen Folge als sein Werk erscheinen läßt" 44 .
und Modalitäten, deren Eintritt oder Vorliegen als möglich in Rechnung
gestellt wird, es sei denn, der steuernde Wille ist auf ihre Vermeidung ge-
richtet" 39 . Er weicht also von der Ansicht Schröders und Schmidhäusers c) Welzel
insofern ab, als er nicht jede konkrete Erfolgsvorstellung für vorsatzbegrün-
dend hält, sondern bewußte Fahrlässigkeit annimmt, wenn der Täter zwar Auch für Welzel liegt die Grenze zwischenVorsatz und Fahrlässigkeit in der
mit der Möglichkeit des Erfolgseintrittes rechnet, aber gleichzeitig Gegen- Unterscheidung von finalem und nichtfinalem Verhalten. Er verwendet 45
faktoren einsetzt, mit deren Hilfe er den Ablauf so zu steuern versucht, daß nebeneinander Formulierungen von Kaufmann und Stratenwerth, ohne zu
eine als möglich vorgestellte Nebenfolge nicht eintritt 40 . In dieser Unter- den unterschiedlichen Positionen beider Stellung zu nehmen, geht aber im
scheidung von dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit liegt für ihn grundsätzlichen von einer selbständigen dritten Lösung aus. Danach
zugleich auch die Abgrenzung des finalen und des nichtfinalen Handelns. Er erstreckt sich die finale Steuerung auf die Nebenfolgen nur „insoweit, als der
spricht der bewußten Fahrlässigkeit, so wie er sie kennzeichnet, den finalen Täter mit ihrem Eintritt gerechnet und sie dadurch in seinen Verwirk-
Charakter ab: „Denn der Verwirklichungswille kann nicht einerseits darauf lichungswillen mit aufgenommen hatte" 46. Ein solches „Rechnen mit" nimmt
gerichtet sein, einen als möglich erkannten Erfolg eintreten zu lassen, er in Übereinstimmung mit Hellmuth Mayer 47 an, „wenn der Täter dem
andererseits aber auch darauf zielen, durch die Art des Tätigwerdens einen Erfolgseintritt mehr als bloße Möglichkeit und weniger als überwiegende
Erfolg gerade zu vermeiden" 41 . Wahrscheinlichkeit beimißt" 48 . Folgen, mit denen der Täter gerechnet hat,
„muß er, wenn er die Handlung vornimmt, eventualiter mitverwirklichen
wollen". Umgekehrt gilt: „... wer bei seiner Handlung auf das Ausbleiben
b) Stratenwerth von Folgen vertraut, will diese ebensowenig verwirklichen, wie Folgen, an
die er nicht denkt (hier kommt nur Fahrlässigkeit in Betracht)".
Zu einer wesentlich anderen Lösung kommt Stratenwerth. Nach seiner Folgt man den Thesen von Armin Kaufmann, Stratenwerth oder Welzel,
Lehre besitzt den bedingten Vorsatz, wer die Möglichkeit, daß eine uner- so kann der Hintermann, auch soweit er nur mit dolus eventualis handelt;
wünschte Nebenfolge eintreten könne, „ernst nimmt" und trotzdem handelt. kraft seiner finalen Überdetermination selbst dann die Herrschaft über das
Wer dagegen die von ihm vorgestellte Gefahr „in einem präzisen Sinne nicht Geschehen innehaben, wenn der unmittelbar Ausführende das Delikt
ernst nimmt" 4 2 und sich „leichtsinnig" verhält, handelt nur bewußt fahr- bewußt fahrlässig verwirklicht. Das Vorliegen einer Tatherrschaft im Bereich
lässig. der Irrtumsfälle würde dann wieder der Grenzlinie zwischen Vorsatz und
In diesen beiden Verhaltensformen kommt für Stratenwerth auch der Fahrlässigkeit entsprechen. Da jedoch alle drei den Trennungsstrich an ver-
Unterschied zwischen finalem und nichtfinalem Handeln zum Ausdruck. schiedener Stelle ziehen, würde immer noch unklar bleiben, bei Vorliegen
Final handelt für ihn nur, wer sich ein bestimmtes Handlungsziel „zu eigen" welcher sachlichen Voraussetzungen ein im Gegensatz zum Verhalten der
macht, und dieser Aneignungsakt des Willens liegt gerade darin, daß der Mittelsperson finales Handeln und damit eine Tatherrschaft des Hinter-
Täter sich zum Handeln entschließt, obwohl er die Möglichkeit des Er- mannes anzunehmen wäre.
folgseintrittes ernst nimmt 43 . Mit Stratenwerths eigenen Worten: „Nur
insoweit, als sich der Täter die in der konkreten Handlungssituation ange-
legten Möglichkeiten zu eigen macht ..., werden die (letztlich unabseh- 3. Stellungnahme zu den fünf Finalitätsbegriffen
baren) Wirkungen, die sich mit allem menschlichen Handeln verbinden, ... unter dem Aspekt der Tatherrschaftslehre
in dem Handlungsentschluß des Täters antizipiert: N u r bei den ernst-
genommenen Gefahren muß der Täter sich entscheiden, ob er ihretwegen cfie Aus alledem ergibt sich für unsere Untersuchung folgendes: Die Beant-
Handlung unterlassen ... will ... Und diese im Handlungsentschluß sich wortung der Frage, ob bei einem bewußt fahrlässig Handelnden eine Tat-
vollziehende Antizipation der Handlungsfolgen bildet den eigentlichen herrschaft des Hintermannes sich wie beim unvorsätzlich schuldlosen oder

44
39
a.a.O. S. 86 a. a. O.S. 60
45
40
Vgl. a.a.O. S. 78 Lehrb., 7. Aufl., S. 62-64
46
41
a.a.O. S. 73 Lehrb., 7. Aufl., S. 30
47
42
a.a.O. S. 55 Lehrbuch, S. 251
48
43
a.a.O. S. 59 hier und im folgenden: Welzel a. a. O. S. 62
186 187

unbewußt fahrlässigen Werkzeug aus der finalen Überdetermination eines Kausalverlaufs verlangt. Das würde der oben beschriebenen Herrschafts-
nur kausalen, allein vom Außenstehenden zielgerichtet gesteuerten Ver- struktur bei den Irrtumsfällen nicht entsprechen.
haltens ableiten läßt, setzt zunächst eine Verständigung darüber voraus, Wenn man aber in unserem Beispielsfall eine finale Steuerung annehmen
was man unter „Finalität" in solchen Fällen sachlich zu verstehen hat. Schon muß, weil es auf das Erstrebtsein nicht ankommt, so muß man das auch dann
unser kurzer Überblick hat uns auf fünf verschiedene Finalitätsbegriffe tun, wenn der Eintritt der unerwünschten Nebenfolge ex ante weniger sicher
geführt. Danach handelt final entweder, wer die Möglichkeit des Erfolgs- ist. Denn die Verwirklichung jedes Planes kann in der Außenwelt auf
eintrittes voraussieht (Engisch, Gallas, Nowakowski, Arthur Kaufmann); größere oder geringere Hindernisse stoßen und birgt immer einen Unsicher-
oder nur, wer den Erfolg erstrebt (Hardwig, Schmidhäuser); oder, wer heitsfaktor in sich. Tritt der Erfolg ein, so kann man seine Herbeiführung
die Möglichkeit des Erfolges sieht, ohne Gegenfaktoren zu seiner Verhinde- nicht schon deshalb als ungesteuert ansehen, weil es auch anders hätte
rung einzusetzen (Armin Kaufmann); oder, wer die Möglichkeit des Erfolges kommen können.
ernst nimmt (Stratenwerth); oder, wer mit dem Eintritt des Erfolges Selbst quantitative Abstufungen derart, daß man von einer finalen Steue-
rechnet (Welzel). Von welchem dieser Begriffe ist richtigerweise auszu- rung nur sprechen würde, wenn der Eintritt des unerwünschten Neben-
gehen? erfolges einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit erreicht - solche
Wenn wir uns dieser Frage zuwenden, so müssen wir uns darüber klar Gedanken klingen bei Welzel an - sind nicht möglich. Denn wenn die Tat-
sein, daß alle fünf Auffassungen insoweit unwiderlegbar sind, als sie einen bestandsverwirklichung erstrebt, d.h. beabsichtigt, ist, so spricht man dem
bestimmten, jeweils andersartigen Sachverhalt durch den Terminus der Täter unbestrittenermaßen die Finalität und die Tatherrschaft auch dann zu,
„Finalität" kennzeichnen. Benennungen als solche können nicht richtig oder wenn der Eintritt des Erfolges ex ante unwahrscheinlich war. Dann muß
falsch sein. Für unsere Betrachtung kommt es aber auch nicht auf den Begriff man die Finalität aber auch bejahen, wenn die durch eine willentliche Hand-
einer „Finalität an sich" und erst recht nicht auf die bei den bisherigen lung herbeigeführte und vorausgesehene Rechtsgutsverletzung unerwünscht
Umschreibungen vielfach im Vordergrund stehende Abgrenzung von Vor- und weniger wahrscheinlich war. Denn die Lenkungsmacht des Handelnden
satz und bewußter Fahrlässigkeit, sondern allein darauf an, welcher Art die ist in beiden Fällen gleich; sie wird, wie oben gezeigt wurde, durch das
Finalität ist, die einem Handelnden die Tatherrschaft verleiht. Unter diesem Erstrebtsein oder Unerwünschtsein des Erfolges nicht beeinflußt.
Blickwinkel ergibt sich folgender Ausgangspunkt: Wenn daher jemand im Bewußtsein handelt, daß eine unsichere und uner-
Die ablaufsgestaltende Finalität, auf die es uns ankommt, muß sich in der wünschte Nebenfolge eintreten könne, so muß man den Erfolg, wenn er
Lenkung des äußeren Geschehens auswirken - sonst könnte sie nicht wirklich eintritt, so lange als von ihm gesteuert ansehen, wie der Kausal-
ablaufsgestaltend sein. Wo diese lenkende Auswirkung besteht, liegt auch verlauf überhaupt beherrschbar war und dem Handelnden als bewußt fahr-
Finalität in dem hier in Frage kommenden Sinne vor (dazu unten A); lässige Tatbestandsverwirklichung zugerechnet werden kann.
Willenseinstellungen, die den Kausalverlauf nicht beeinflussen, haben auch B. Auch die von Stratenwerth und Welzel verwendeten Kriterien des
mit der Finalität nichts zu tun (B). Aus diesen einfachen und kaum zu „Ernstnehmens" und des „Leichtsinns", des „Rechnens mit" und des
bestreitenden Sätzen lassen sich immerhin zwei Folgerungen ableiten, denen „Vertrauens auf" haben mit der Finalität nichts zu tun, wenn man sie, wie es
drei der fünf oben genannten Auffassungen zum Opfer fallen. Die Ausein- oben geschehen ist und wie es doch auch die finale Handlungslehre
andersetzung mit der vierten Meinung wird sich anschließen (C), so daß die grundsätzlich annimmt, als die das Kausalgeschehen steuernde Kraft ver-
richtige Ansicht übrig bleibt, mit Hilfe deren dann eine Lösung der Täter- steht. Denn es handelt sich hier wie bei allen anderen Abgrenzungen, die die
problematik angebahnt werden kann. Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit von emotionalen
A. Die von Hardwig vertretene Lehre, wonach man von einer Finalität Gegebenheiten abhängig machen, um innere Einstellungen des Täters, die für
nur hinsichtlich der erstrebten Handlungsfolgen sprechen kann, ist zu eng. den in der Außenwelt sich abspielenden Geschehensverlauf, um dessen finale
Wenn A den B umbringen will und dies nur dadurch erreichen kann, daß er Steuerung es geht, unerheblich sind. O b der Handelnde den Eintritt des
eine'Bombe wirft, die zugleich den neben B sitzenden C töten muß, so Erfolges erhofft, ob er ihm gleichgültig ist oder ob er auf sein Ausbleiben
erstrebt A keineswegs den Tod des C. Aber man kann doch nicht leugnen, vertraut, ob er ihn ernst nimmt oder nicht, das alles mag für die Strafwürdig-
daß er den Kausalverlauf, der zum Tode des C führte, in vollem Umfange keit, die Schuld und die Grenze von Vorsatz und Fahrlässigkeit bedeutsam
gelenkt hat. Diese Lenkung allein begründet die ablaufsgestaltende Finalität. sein: Es hat nicht die geringste Auswirkung auf den Kausalverlauf, in dessen
Mehr ist nicht erforderlich. Zwar ist zuzugeben, daß der Erfolg dem A von der Erfolgsvorstellung geleiteter Lenkung das Wesen der Finalität
unangenehm war und insofern gegen seinen Willen eingetreten ist; aber die besteht.
Finalität kann nicht davon abhängen, was er in diesem engeren Sinne Welzel sagt selbst ganz richtig, es gehöre „der finale Wille, da und so-
„wollte", d.h. innerlich billigte, sondern allein davon, was er bewußt getan weit er das äußere Geschehen objektiv49 gestaltet, ... zur Handlung hin-
hat. Man würde sonst zu einem ganz subjektivistischen, emotional verfärb-
ten Finalitätsbegriff kommen, der mehr als die vollständige Steuerung des Sperrung von Welzel
188 189

zu" 50 . Dann kann man sein Vorliegen aber auch nicht von Umständen wie ja der Einsatz der Gegenfaktoren ohne Auswirkung bleibt. So, wie der
dem „Vertrauen" oder dem „Ernstnehmen" abhängig machen. Denn ob das Handlungsverlauf sich abgespielt hat, geht er allein auf die Lenkung durch A
eine oder das andere der Fall ist: Der voraussehende Wille des Täters mani- zurück. Dann aber muß man - will man die Konsequenz für die Täterlehre
festiert sich in der gleichen Weise, der Kausalverlauf wird um keinen Deut ziehen - ihm auch die Herrschaft über das Geschehen zusprechen.
anders gelenkt 51 . Es erscheint zwar zunächst bestechend, wenn Kaufmann 52 sagt, der Ver-
Auch unter diesem Blickwinkel kann man also nicht umhin, immer dann wirklichungswille könne nicht einerseits darauf gerichtet sein, einen als mög-
ein finales Handeln anzunehmen, wenn der Täter die konkrete Möglichkeit lich erkannten Erfolg eintreten zu lassen, andererseits aber auch darauf
eines Erfolges sieht und trotzdem den Kausalverlauf bewußt in seine Rich- zielen, durch die Art des Tätigwerdens den Erfolg gerade zu vermeiden.
tung lenkt. Aber dagegen hat schon Stratenwerths 53 mit Recht eingewandt, man könne
C. Allerdings bedarf es noch der Auseinandersetzung mit Armin Kauf- zwar nicht gleichzeitig die Herbeiführung und die Vermeidung eines Er-
mann, der für den Bereich der bewußten Fahrlässigkeit (und damit von sei- folges bezwecken, doch gehe es beim Eventualdolus um die Frage, ob die
nem Standpunkt aus: der fehlenden Finalität) immerhin die Fälle reservieren Herbeiführung eines Erfolges dem Täter zum Vorsatz zugerechnet werden
will, bei denen der Täter Gegenfaktoren zur Verhinderung des unerwünsch- müsse, obwohl er sie gerade nicht bezweckte. Mit anderen Worten: Kauf-
ten, dann aber doch eingetretenen Nebenerfolges eingesetzt hat. Das Ver- mann identifiziert in seinem Beweissatz den Begriff der Finalität unversehens
fahren Kaufmanns ist den oben vorgebrachten Einwendungen insofern mit dem des Erstrebtseins (vgl. dazu oben A), obwohl er sonst beim fehlen-
nicht ausgesetzt, als er gerade eine „ontologische", in der Steuerung des den Einsatz von Gegenfaktoren jedes Handeln im Bewußtsein eines mög-
Geschehens sich auswirkende Differenz zum Unterscheidungskriterium lichen, wenn auch nicht erstrebten Erfolgseintrittes für final hält.
zwischen finalem und nichtfinalem Handeln erheben will. Es ist außerdem
nicht zu bestreiten, daß die Finalität jedenfalls fehlt, wenn der Täter auf
Grund der von ihm eingesetzten Gegenfaktoren zu der Annahme kommt, 4. Ergebnis
der Nebenerfolg werde nicht eintreten; denn in diesem Falle handelt er eben
nicht mehr im Bewußtsein der Möglichkeit des Erfolges. Es bleibt also dabei, daß jeder Erfolg im Bereiche des Finalnexus liegt und
Problematisch wird Kaufmanns Auffassung aber, wenn der Täter von damit von der Tatherrschaft umfaßt wird, den der Täter sich als mögliche
vornherein Zweifel daran hat, ob die von ihm angewendeten Gegenmaß- Folge seines gesteuerten Handelns konkret vorgestellt hat. Das entspricht,
nahmen den Erfolg verhindern können. Man braucht den vorhin benutzten was den Begriff der Finalität anlangt, der ursprünglich von Engisch ver-
Beispielsfall nur ein wenig zu variieren: A will B, der mit C zusammen an tretenen Auffassung, die sich somit gegen alle späteren Versuche abweichen-
einem Tische sitzt, durch einen Bombenwurf töten. Da ihm der Tod des C der Lösungen als richtig erwiesen hat.
unerwünscht ist, beschließt er, ihn im letzten Augenblick durch einen Zuruf Was folgt daraus nun für die Tatherrschaftslehre und für die Abgrenzung
zu warnen. Das darf nicht zu früh und nicht zu auffällig geschehen, weil sich von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung? Zweierlei:
sonst B ebenfalls in Sicherheit bringen würde. Die Aussichten, daß das
Rettungsmanöver gelingen werde, sind also, wie A weiß, nicht groß. Tatsäch-
lich versteht der C den Zuruf nicht richtig und wird von der Bombe zer- A. Bei übereinstimmender Kenntnis der Erfolgs-Chance: Teilnahme
rissen. Warum sollte man hier die Finalität und die Tatherrschaft des A
ablehnen? Wenn Handelnder und Hintermann den Sachverhalt in gleicher Weise über-
Wenn man einmal davon ausgeht, daß trotz des Einsatzes der Gegen- sehen, wenn also in intellektueller Hinsicht keine Differenz zwischen beiden
faktoren eine etwa 8 0 % ige Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Neben- besteht, so kann der Umstand, daß das Verhalten des Ausführenden auf
erfolges bestehen blieb, dann ist nicht recht einzusehen, warum eine ab- Grund irgendwelcher „emotionaler" Gesichtspunkte oder wegen seiner
weichende Behandlung eintreten soll, wenn in einem anderen Fall der sittlich weniger verwerflichen Gesinnung nur als bewußt fahrlässig, das des
Einsatz von Gegenfaktoren überhaupt nicht möglich war, die Chance des Hintermannes dagegen als vorsätzlich bewertet wird, zur Begründung einer
Erfolgseintritts aber ebenso nur 80 % oder - was für Kaufmann keinen mittelbaren Täterschaft nicht ausreichen. Denn der Vordermann handelt
Unterschied bedeuten würde - vielleicht gar nur 1 0 % betrug. So oder so final und hat die Tatherrschaft. Er wird also aus eigenem Entschluß tätig; der
sieht doch der A den Tod des C als Folge seines Verhaltens mit gleicher Veranlassende oder Helfende, der den Kausalverlauf nicht besser übersieht
Wahrscheinlichkeit voraus. Und vor allem: Ein relevanter Unterschied in der als der unmittelbar Handelnde, kann nicht über seinen Kopf hinweg das
finalen Steuerung des Kausalgeschehens liegt in Wirklichkeit nicht vor, da Geschehen steuern.

50
Lehrb., 7. Aufl., S. 29 52
a. a. O. S. 73
51
Insoweit völlig übereinstimmend Nowakowski, JZ 1958, S. 339 53
a.a.O. S. 61
190 191

Deshalb hat nicht er, sondern der Ausführende den Tatablauf in der Hand. Folgt man der Auffassung von Schröder und Schmidhäuser, die alle Fälle
Der Umstand, daß den Außenstehenden - etwa wegen seiner größeren konkreter Erfolgsvorstellung dem Vorsatz zuschlagen, so könnte man aller-
Gleichgültigkeit gegenüber dem Erfolge oder gar, weil er ihn beabsichtigt dings sachlich zu denselben Ergebnissen kommen, wie sie hier für die Tat-
hat - ein schwererer Schuldvorwurf trifft, der sein Tun als vorsätzlich herrschaftslehre vertreten werden 57 . Denn der nach den herrschenden Vor-
erscheinen läßt, kann ihm die Herrschaft über das Geschehen nicht ver- stellungen bewußt fahrlässig Handelnde würde dann vorsätzlicher Täter
schaffen. Wenn die Tatbestandsverwirklichung der unmittelbar erstrebte sein, so daß Anstiftung und Beihilfe zu einem solchen Verhalten ohne
Zweck seines Verhaltens war, müßte man beim Hintermann sogar direkten weiteres möglich wären. Es ist nicht Aufgabe dieser Arbeit, zu der Richtig-
Vorsatz annehmen, ohne daß er dem Vordermann, der die Möglichkeit des keit dieser Lehre über die Reichweite des Vorsatzes Stellung zu nehmen.
Erfolgseintritts im selben Maße übersieht, aber leichtsinnigerweise auf sein Denn uns geht es nicht um die Trennung von Vorsatz und Fahrlässigkeit,
Ausbleiben vertraut, deshalb die Herrschaft über das Geschehen streitig sondern um den Begriff der tatgestaltenden Finalität. Eines ist aber sicher:
machen könnte. Daß dem einen der Erfolg höchst unerwünscht, dem Wenn man überhaupt die bewußte Fahrlässigkeit im herkömmlichen Sinne
anderen aber willkommen ist, wirkt sich eben, wie oben dargelegt wurde, auf anerkennt, so verlangt man vom Vorsatz mehr als die finale Erfolgs-
die Tatherrschaft nicht im geringsten aus. beziehung, so daß die oben bezeichneten Konsequenzen unvermeidlich sind.
Daraus ergibt sich eine bedeutsame Konsequenz: Die Möglichkeit der Wenn nach der hier vertretenen Ansicht die Unterscheidung von dolus
Teilnahme an einer bewußt fahrlässigen Handlung, die beim Außenstehen- eventualis und bewußter Fahrlässigkeit für die Abgrenzung von Anstiftung
den nach dem Strafrahmen des Vorsatzdelikts zu beurteilen ist, läßt sich vom und mittelbarer Täterschaft nicht mehr maßgebend ist, so bedeutet das für
Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus nicht länger leugnen. Der Umstand, die Täterlehre nicht, wie man zunächst meinen könnte, eine verwirrende
daß eine vorsätzliche Haupttat fehlt, ändert daran nichts. Denn entweder Komplizierung, sondern im Gegenteil eine wesentliche Vereinfachung. Denn
ordnet man die emotionalen Gegebenheiten, mit denen der Vorsatz über die die Täterfrage wird von der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Problematik, die wegen
Tatbestandsfinalität hinausreicht, systematisch allein dem Schuldbereich zu; der Uneindeutigkeit der hier verwendeten voluntativen Kriterien bisher
dann liegt eine tatbestandsmäßig-rechtswidrige Haupttat vor, die eine Teil- nie zur Ruhe gekommen ist, entlastet und auf einen Begriff der finalen
nahme unbedenklich gestattet. Oder man betrachtet, wie es neuerdings Überdetermination zurückgeführt, der erheblich klarer und leichter zu
Jescheck 54 tut, diese Schuldelemente gleichzeitig als „Unrechtsfaktoren". handhaben ist.
Dann kann das Ergebnis kein anderes sein; denn wenn die Voraussetzungen Gleichzeitig entspricht diese Auffassung aber auch sehr viel besser dem
der Teilnahme - hier: tatherrschaftslose Mitwirkung an der Herbeiführung Leitbild, wonach Tatherr nur derjenige sein kann, der das Geschehen „in der
des Erfolges - beim Außenstehenden vorliegen, kann das Fehlen personaler Hand" hat. Denn wenn jemand einen bewußt fahrlässig Handelnden zu
Unrechtselemente beim unmittelbar Handelnden die Strafbarkeit des einem Tun veranlaßt, so weiß der Ausführende, wenn er den Sachverhalt
Hintermannes nicht ausschließen. Das wird später noch des näheren auszu- genausogut übersieht wie der Hintermann, im selben Maße wie dieser, daß
führen sein. der Erfolg eintreten kann und welches Risiko er eingeht. In dieser gleich-
Zu einer scheinbar ähnlichen Lösung kommt Franzheim 55 , der bei gearteten Erfolgsvorstellung liegt ein hemmendes Motiv, und es ist nicht
Sonderdelikten den bewußt fahrlässig handelnden Intraneus als Täter und mehr möglich, den Handelnden als bloßen Bedingungsfaktor einzusetzen
den vorsätzlichen, nichtqualifizierten Extraneus als Teilnehmer ansehen will. und dadurch zur Zentralfigur des Handlungsgeschehens zu werden. Wenn
Zur Begründung macht er geltend, „daß bei den bewußten Fahrlässigkeits- der Ausführende leichtsinnig ist und unbegründeterweise auf das Ausbleiben
delikten die potentielle Tatherrschaft ... die Täterschaft dann begründet, des Erfolges vertraut, so mag der Gesetzgeber ihm eine geringere verbreche-
wenn der potentiellen Tatherrschaft nicht die faktische Tatherrschaft eines rische Energie zugute halten und ihn von der Vorsatzstrafe befreien - der
anderen Tatbeteiligten gegenübertritt". Die Übereinstimmung mit der hier Grund dafür liegt allein in seiner Person und hat nichts mit einer Herrschaft
entwickelten Ansicht reicht allerdings nicht weit. Denn erstens spricht des Hintermannes zu tun. Erkennt jemand die möglichen Folgen seines
Franzheim dem bewußt fahrlässigen Täter nur eine „potentielle" (also Handelns, so bleibt auch ein leichtsinniger Entschluß noch sein Entschluß,
aktuell nicht vorhandene) Tatherrschaft zu, während wir von einer realefi, und daran scheitert die Herrschaft des Außenstehenden. Es scheint mir nicht
vorsatzgleichen und damit in seinem Sinne „faktischen" Geschehens- richtig, wenn Stratenwerth 58 meint, man könne eine als möglich erkannte
steuerung ausgehen; und zweitens entwickelt er seine Lehre gerade bei den Folge seines Handelns dadurch von sich abschieben, daß man darauf ver-
Sonderdelikten, für die, wie später noch auszuführen sein wird, ganz andere zichtet, sie sich „zu eigen" zu machen.
Gesichtspunkte maßgebend sind 56 .

54
Festschrift für Erik Wolf, 1962, S. 487/88 57
55
Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, 1961, S. 39/40 Vgl. schon oben S. 181/182
56 58
Vgl. dazu eingehend S. 364 ff. a.a.O. S. 59/60
192 193

B. Bei weiterreichender Kenntnis des Hintermannes: damit beschäftigen wird, ob auch bei vorsätzlich-schuldhafter Ausführungs-
Verschiebung der Problemstellung handlung eine Willensherrschaft kraft Irrtums durch einen Hintermann, der
mehr sieht als der unmittelbare Täter, möglich ist. Darauf muß hier zunächst
Mit den bisher dargelegten Ergebnissen ist die Frage: mittelbare Täterschaft verwiesen werden.
oder Teilnahme bei bewußt fahrlässiger Ausführungshandlung, aber immer
noch nicht endgültig beantwortet. Denn bei unserer für eine Teilnahme
b) Irrelevanz der Kausalitäts-Finalitäts-Grenze
plädierenden Lösung haben wir immer die Voraussetzung gemacht, daß
Vorder- und Hintermann gleich viel „wissen" und nur die emotional andere
Ein Gedanke, von dem wir nachher ausgehen können, läßt sich aber schon
Einstellung zum Geschehen bei dem einen zur bewußten Fahrlässigkeit, bei
jetzt vorwegnehmen: Wenn überhaupt in den Irrtumsfällen der geschilderten
dem anderen zum Vorsatz führt.
Art bei weiterreichendem Wissen des Außenstehenden eine mittelbare Täter-
Es sind nun aber auch Fälle denkbar, bei denen die Einsicht in den zu
schaft vorliegen sollte, so läßt sie sich jedenfalls nicht mit Hilfe des
erwartenden Kausalverlauf beim Hintermann größer ist und von ihm ausge-
Begriffspaars Kausalität-Finalität begründen. Denn vorsätzlich und final
nutzt wird. So mag es z.B. vorkommen, daß der Hintermann einen dem
handelt bei diesen Konstellationen auch der getäuschte Ausführende, so daß
unmittelbar Handelnden unerwünschten Nebenerfolg erstrebt und ihm
von der Überdetermination eines bloßen Kausalverlaufs nicht die Rede sein
deshalb einredet, das Risiko sei gering, obwohl er genau weiß, daß der Erfolg
kann. Mit der bisher herausgearbeiteten Strukturform der mittelbaren Täter-
mit Sicherheit eintreten wird. Wenn der Ausführende sich nun der Möglich-
schaft sind diese Fälle daher nicht zu erfassen. Wie hier weiterzukommen ist,
keit des Erfolges bewußt bleibt, auf Grund der Täuschung durch den
soll im folgenden zunächst anhand einfacherer Sachverhaltsgruppen gezeigt
Hintermann aber leichtsinnigerweise darauf vertraut, daß er nicht eintreten
werden. Im Anschluß daran können wir uns dem an dieser Stelle offen
werde, so müßte man nach der wohl überwiegenden Ansicht sein Verhalten
bleibenden Problem, ob bei genauerer Kenntnis der Erfolgs-Chance eine
als bewußt fahrlässig charakterisieren.
mittelbare Täterschaft denkbar sei, wieder zuwenden.
Es ergibt sich die Frage, ob man auch bei einer derartigen Konstellation
nur eine Anstiftung annehmen soll. Oder liegt hier ein Fall mittelbarer Täter-
schaft vor? Wir können die Antwort durch zwei Feststellungen vorbereiten:
III. Der Irrende handelt ohne das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit
a) Irrelevanz der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Grenze
1. Der reine Verbotsirrtum
Auch die Lösung dieser Irrtumsfälle kann nicht davon abhängen, wo man
A. Zum Streitstand
die Grenze zwischen Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit zieht. Denn das
Problem stellt sich in genau derselben Weise, wenn man dem Handelnden in
Die Frage, ob und unter welchen Umständen jemand mittelbarer Täter
unserem Beispiel - etwa weil er keine Gegenfaktoren eingesetzt hat oder weil
sein kann, wenn er an der Tat eines anderen mitwirkt, der ohne Unrechts-
man die konkrete Erfolgsvorstellung ausreichen läßt - ein vorsätzliches Ver-
bewußtsein handelt, ist unter den Vertretern der Tatherrschaftslehre um-
halten zur Last legt.
stritten.
Das zeigen auch eindeutige Fälle beiderseits vorsätzlichen Verhaltens.
Wenn jemand beispielsweise mit der Vorstellung einer 50%igen Erfolgs-
Chance handelt, also durchaus ernsthaft mit der Tatbestandsverwirklichung a) Welzel
rechnet, wird man ihm wohl nach jeder Lehre den dolus eventualis zu-
sprechen; hätte er jedoch bei Kenntnis des Erfolgseintrittes auf sein Tun ver- Welzel 60 lehnt in den meisten Fällen eine Tatherrschaft des Hintermannes
zichtet, so erhebt sich auch in diesem Falle die Frage, ob man einen Hinter- ab. Er bildet das Beispiel, daß eine Frau aus Mitteldeutschland nach
mann, der ihn über diesen Umstand getäuscht hat, nicht als mittelbaren Täter Westdeutschland gekommen ist und hier ihre Frucht abtreibt in der aus der
ansehen muß. Praxis ihrer Heimat gewonnenen Überzeugung, daß Abtreibung nicht
Daraus ergibt sich, daß die Täuschungsfälle an dieser Stelle, wo die Be- mehr strafbar sei; dazu meint er: „... wer einer solchen Frau bei der Ab-
deutung der bewußten Fahrlässigkeit für die Täterlehre behandelt wird, treibung hilft oder sie dazu anstiftet, begeht Beihilfe oder Anstiftung zur
noch nicht abschließend geklärt werden können. Sie gehören vielmehr in (vorsätzlichen) Abtreibung, gleichgültig, ob die Täterin in vermeidbarer
einen später 59 zu erörternden, umfassenderen Problemkomplex, der sich

59 60
Vgl. S. 220ff. Um die finale Handlungslehre, 1949, Anm. 34, S. 30
194 195

oder unvermeidbarer Verbotsunkenntnis gehandelt hat". Eine einzige Aus- d) Andere Autoren
nahme erkennt er an: „Nur dann, wenn ein Hintermann den Verbotsirrtum
des unmittelbar Handelnden absichtlich herbeiführt, um das Delikt begehen Drei Stimmen - drei Meinungen! Dabei sind das durchaus nicht die einzigen
zu lassen, liegt mittelbare Täterschaft des Hintermannes vor (ähnlich wie bei vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus denkbaren und vertretenen
dem, der eine Notstandslage für einen Dritten absichtlich herbeiführt)" 61 . Lösungen. Allerdings kommen die im Schrifttum sonst vernehmbaren
Stimmen zu sehr viel weniger klaren Ergebnissen.
So will etwa Franzheim 66 die „Stärke der Tatherrschaft" entscheiden
h) Bockelmann lassen. „Hat der Hintermann die Tatherrschaft und handelt er ohne Verbots-
irrtum, so wird seine Tatherrschaft regelmäßig stärker und damit ausschlag-
Im Gegensatz dazu will Bockelmann 62 im Regelfall bei vermeidbarem und gebend sein als die des im Verbotsirrtum handelnden Vordermannes. Ist
unvermeidbarem Verbotsirrtum des unmittelbar Handelnden eine mittelbare trotz des Verbotsirrtums wegen der besonderen personalen und sozialen
Täterschaft des Hintermannes annehmen. Eine Ausnahme zugunsten der Stellung des Vordermannes seine Tatherrschaft stärker als die des Hinter-
Teilnahme läßt er nur dann zu, wenn der Mitwirkende glaubt oder doch mannes, so ist der Hintermann Teilnehmer an der Tat des Vordermannes".
wenigstens damit rechnet, daß der Ausführende die Rechtslage übersehe; Franzheim spricht in diesem Zusammenhang von der „Elastizität und Relati-
denn in einem solchen Falle stelle er „notgedrungen die maßgebende Ent- vität des Begriffs der Tatherrschaft".
scheidung über das O b der Tat jenem anheim" 63 . In ähnlicher Weise meint Tröndle 67 , „daß in der Regel - wenn auch
nicht immer - mittelbare Täterschaft vorliegen wird, wenn jemand einen
anderen, dessen fehlendes Unrechtsbewußtsein er kennt, zu einer vorsätz-
c) Maurach lichen ... strafbaren Handlung veranlaßt". Er schweigt aber darüber, wann
ein von seiner Regel abweichender Fall vorliegen könnte 68 . Noch vor-
Noch weiter geht Maurach 64 . Er kommt, ohne irgendwelche Ausnahmen sichtiger sagt Benakis 73 , es sei „eine Frage der Abwägung", wann der
anzuführen, zu dem Ergebnis, daß mittelbare Täterschaft vorliege. Bei unver- Hintermann als Herr des Geschehensablaufes erscheine. Den Stellung-
meidbarem Verbotsirrtum des Ausführenden spricht er sogar von einem nahmen von Gallas 69 , Oehler 7 0 und Heinitz 71 läßt sich nur entnehmen, daß
„wohl besonders eindeutigen Fall final-doloser Steuerung durch den Hinter- sie eine Teilnahme an einer mit Verbotsirrtum begangenen Tat immerhin für
mann". Irrte der unmittelbar Handelnde schuldhaft über die Rechtswidrigkeit möglich halten; ob das stets gelten soll oder ob unter gewissen Voraus-
seines Tuns, so meint Maurach, daß eine andere Beurteilung eingreifen könne, setzungen auch eine mittelbare Täterschaft in Frage kommt, wird nicht
wenn man entscheidend „auf das Normativum des Verbotsirrtums (der erkennbar.
Unmittelbare hätte das Unrecht erkennen müssen) und nicht auf das Psycho- Der Grund für diese allgemeine Unsicherheit liegt darin, daß der Herr-
logische (er hat das Unrecht nicht erkannt)" abstelle. Doch verdiene die schaftsgedanke, wenn man ihn nur als plastisches Schlagwort auffaßt, aus
letztere Auffassung den Vorzug. Die Tatherrschaft werde durch die bloße dem man unmittelbare rechtliche Konsequenzen herleiten will, in den
Tatsache des Verbotsirrtums begründet, ohne daß die fehlende Gewissens- Grenzbereichen zu vieldeutig ist, um dem Rechtsgefühl eine sichere Reak-
anspannung beim Werkzeug die Beurteilung des Hintermannes ändern könne 65 . tion abzugewinnen. Insoweit ist es deshalb ganz zutreffend, wenn Benakis
feststellt72: „Aus dem Kriterium der finalen Tatherrschaft ist eine zwingende
61
In einer Besprechung der Entscheidung BGHSt 4, 355-360 in JZ 1953, S. 763, will Folgerung nach der einen oder der anderen Richtung nicht herzuleiten".
Welzel allerdings auch bei einer solchen Sachlage Anstiftung annehmen und sagt: Will man zu einem klaren Standpunkt durchdringen, so erscheint es
„Gerade für diesen Fall ist die Limitierung der Akzessorietät eingeführt". Doch kommt gegenüber einem solchen, mehr vom individuellen Billigkeitsgefühl be-
hier, wo ein Arzt einen Kollegen zu unbefugter Geheimnisoffenbarung veranlaßt hatte, stimmten Vorgehen als zweckmäßig, auch hier auf die strukturelle Eigenart
die. anders gelagerte Teilnahmeproblematik der Sonderdelikte hinzu, auf die später ein-
zugehen ist; vgl. S. 364 ff. und speziell zu diesem Urteil S. 368ff. der zwischen den Beteiligten bestehenden Beziehung zurückzugehen.
62
Untersuchungen, S. 80/81 "
63
Gegen Bockelmann vgl. namentlich Oehler, Festschr. zum 41. Dtsch. Juristentag, 1955,
66
S. 270-272; Heinitz, Festschrift zum 41. Dtsch. Juristentag, S. 104/105; Tröndle, GA Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, S. 44
67
1956, S. 144/145; Benakis, Täterschaft und Teilnahme im deutschen und griechischen GA1956, S. 144
68
Straf recht, 1961, S. 120. seine Berufung auf Maurach führt nicht weiter, weil die Frage dort ebenfalls nicht
64
A.T., 2. Aufl., §48, II, D, 2, S. 503 beantwortet wird.
65 69
An anderer Stelle (A.T., 2. Aufl., §53 III, D, 2, b, S. 570) sagt Maurach nur, daß „im Gutachten S. 148
70
Zweifel" bei Verbotsirrtum des Haupttäters nicht Teilnahme, sondern mittelbare Täter- wieAnm. 63 (S. 194)
schaft des Hintermannes anzunehmen sei. Danach müßte es immerhin auch Fälle 71
wie Anm. 63 (S. 194)
zweifelloser Teilnahme geben; welche Konstellationen hier in Frage kommen, erfahren 72
Täterschaft und Teilnahme nach deutschem und griechischem Straf recht, S. 119
wir aber nicht. 73
Täterschaft und Teilnahme nach deutschem und griechischem Straf recht, S. 120
196 197

B. Keine Beherrschung der Person des unmittelbaren Täters lockungen, die zweifelsfrei dem Bereich der Anstiftung zuzurechnen sind,
ebenfalls.
Eine Herrschaft über die Person des Ausführenden, wie in den Nötigungs- Der Versuch, in den Fällen des Verbotsirrtums eine Willensherrschaft des
fällen, liegt nicht vor. Zwar kann dem Handelnden ein Schuldausschlie- Hintermannes auf Grund der Unfreiheit des Handelnden anzunehmen, führt
ßungs- oder -milderungsgrund zur Seite stehen. Aber diese volle oder teil- also nicht zum Ziel. Es kann daher im Hinblick auf die Tatherrschaftslehre
weise Verantwortungsbefreiung wird ihm nicht zuteil, weil er sich in der mißverständlich sein, wenn man mit Brauneck 75 den Irrtum über die Rechts-
Hand des Hintermannes befunden hat, sondern deshalb, weil der Irrtum die widrigkeit „als eine reine Könnensfrage" ansieht und mit der Unzu-
Vorwerfbarkeit verringert. Selbst wenn der Hintermann ihn in den irrigen rechnungsfähigkeit auf eine Stufe stellt. Denn der Täter konnte sich anders
Glauben versetzt hat, daß die geplante Tat unverboten sei, bleibt doch der entscheiden. Er konnte lediglich das Unrecht seines Tuns nicht oder nur in
Ausführende in seinem Entschluß frei. gemindertem Maße erkennen 76 .
Das gilt auch in dem Beispiel Welzels: O b die Frau die Abtreibung vor-
nimmt oder nicht, steht allein bei ihr. Wenn Welzel diesen Sachverhalt in
Parallele zu den Nötigungsfällen setzt, so scheint mir das nicht richtig zu C. Stufen sinnhafter Tatgestaltung
sein. Denn der Genötigte handelt unter Druck: Er muß, wenn er die
drohende Gefahr abwenden will, tun, was der Hintermann befiehlt. Dem im Es bleibt die Frage, inwieweit bei einem Verbotsirrtum des Ausführenden
Verbotsirrtum Befangenen aber bleiben alle Möglichkeiten offen. Er ent- davon gesprochen werden kann, daß der Hintermann die Tatherrschaft kraft
scheidet nicht im Hinblick auf die Person des Hintermannes, sondern nach ablaufsgestaltender Finalität im Sinne der Irrtumsfälle besitze.
seinen eigenen Wünschen. Selbst wenn der Handelnde infolge des Verbots- Wenn man von der finalen Handlungslehre ausgeht, so bietet sich zu-
irrtums die geplante Tat für einen rechtsneutralen Vorgang hält, wird er vom nächst eine einfache Lösung an: Da das Unrechtsbewußtsein nur die Schuld
Veranlassenden nicht beherrscht. betrifft, und da jemand, der lediglich über die Rechtswidrigkeit seines
Um einen banalen Vergleich zu gebrauchen: Schlägt jemand der Frau in Tuns irrt, trotzdem final handelt, vorsätzlicher Täter ist und demgemäß
unserem Beispielsfall einen Kinobesuch vor - was sicherlich eine rechts- ungenötigt die Willensherrschaft inne hat, so kann der Hintermann stets nur
neutrale Handlung ist - so hat er damit nicht die Herrschaft über ihren Ent- Teilnehmer sein. Das würde auch Welzels These entsprechen, wonach mittel-
schluß. Wie könnte es anders sein, wenn er ihr unter falscher Darstellung der bare Täterschaft durch einen Handelnden, der selbst Täter ist, einen
Rechtslage zu einer Abtreibung und damit zu einer in ihren Augen ebenfalls „Unbegriff" darstellt 77 . Freilich widerspricht es dem, wenn Welzel selbst bei
rechtsneutralen Handlung rät? Außerdem erscheint es mir von diesem absichtlicher Herbeiführung eines Verbotsirrtums doch zur Bejahung der
Denkansatz her inkonsequent, wenn Welzel bei Bestimmung zur Tat unter mittelbaren Täterschaft kommt.
Ausnutzung eines schon bestehenden Verbotsirrtums nur Anstiftung für In Wirklichkeit liegen auch die Dinge nicht so einfach. Es ist nämlich zu
gegeben hält. Denn die psychologische Situation für den Handelnden ist in fragen, ob die Finalität, die dem Handelnden die Herrschaft über das
beiden Fällen die gleiche. Geschehen verleiht, tatsächlich in allen Fällen vom Bewußtsein der Rechts-
Unter diesen Gesichtspunkten lassen sich auch gegen die Argumentation widrigkeit ganz unabhängig ist. Diese Frage muß gestellt werden: Denn was
Bockelmanns Bedenken vorbringen, obwohl er im wesentlichen zu ent- die intellektuellen Voraussetzungen der Tatherrschaft anlangt, so erschöpft
gegengesetzten Ergebnissen kommt wie Welzel. Wenn man einmal von den sich die finale Steuerung keineswegs in der bloßen Überdetermination eines
grundsätzlichen und jetzt auch von Bockelmann selbst 74 geteilten Ein- Kausalverlaufs. Wenn jemand auf einen Menschen schießt, den er für einen
wänden gegen die der Dolustheorie entnommene Formel des Anheimstellens Baumstumpf hält, so hat er den Kausalverlauf genau dahin gelenkt, wohin er
absieht, so bleibt doch zu fragen, ob nicht auch in den Fällen des Verbots- ihn haben wollte; aber er hat trotzdem nicht final gehandelt, weil er über
irrtums der Hintermann dem Handelnden die Tat „anheimstellen" muß. die - von der Steuerung des Ursachenablaufes an sich unabhängige - Qua-
Die'Antwort ergibt sich aus dem oben Dargelegten: Er muß es tun, weil lität des Tatobjektes irrte. Darum sagt Welzel 78 : „Es gibt ... keine finalen
der unmittelbare Täter - man denke an unseren Abtreibungsfall! - die Handlungen ,an sich'..., sondern nur in Bezug auf die vom Verwirklichungs-
Freiheit der Entscheidung behält. Sonst müßte jeder Ratschlag zu einer willen gesetzten Folgen".
unverbotenen Handlung dem Auffordernden die Tatherrschaft verleihen!
Es ist zwar richtig, daß die Annahme, eine Handlung werde vom Recht 75
G A 1959, S. 268
nicht mißbilligt, Hemmungen hinwegräumen und den Entschluß erleich- 76
D a die E r k e n n b a r k e i t des U n r e c h t s für die Schuld - w e n n auch nicht für die H e r r -
tern kann, aber diese Wirkung haben andersartige Überredungen und Ver- schaftsverhältnisse - von entscheidender Bedeutung ist, wird Braunecks Versuch, das
Merkmal des „ K ö n n e n s " z u m materiellen Schuldkriterium zu erheben, durch das oben
Dargelegte nicht betroffen.
77
SJZ 1947, Sp. 650
78
Vgl. dazu oben S. 55, 84 Lehrbuch, 7. Aufl., S. 31
198 199

Dabei müssen diese Folgen ihrem ganzen tatbestandlichen Gehalt nach umstände, also der Unrechtsvoraussetzungen, ohne daß der Täter den
erfaßt sein. Der Dieb muß nicht nur den Kausalverlauf auf die äußere Folge sozialen Sinn, die Wertwidrigkeit seines Verhaltens, erkannt haben müßte.
- Wegnahme der Sache - hinlenken, sondern er muß auch wissen, daß die Die zweite und höhere Stufe der Tatherrschaft setzt voraus, daß der
Sache „fremd" ist, wenn nicht seinem Tun die Tatherrschaft und die Hand- Handelnde darüber hinaus den Tatbestandssinn, d. h. die Sozialschädlichkeit
lungsqualität im hier interessierenden Sinne fehlen soll. oder die materielle Rechtswidrigkeit seines Tuns, erkannt hat. N u r auf
O b eine solche Ansicht, die die „Handlung" mit der wissentlichen und dieser zweiten Stufe ist eine sinnhafte Tatgestaltung in vollem Umfange
willentlichen Tatbestandsverwirklichung gleichsetzt, geeignet ist, einen möglich.
der Tatbestandsebene noch vorgelagerten strafrechtssystematischen Grund- Damit ist nicht gesagt, daß zur Erfassung des Tatbestandssinnes not-
begriff abzugeben, oder ob die Bedeutung der finalen Handlungslehre nicht wendig oder auch nur in der Regel das Bewußtsein der formellen Rechts-
eher in ihrer neuartigen Unrechtsauffassung liegt, soll hier nicht weiter widrigkeit gehörte: Wer Abhängige roh mißhandelt, wer andere wucherisch
untersucht werden: Jedenfalls kommt Welzel auf diese Weise zu einem von ausbeutet, wer verleumdet oder erpreßt, der weiß alles, was der Gesetzgeber
allem Naturalismus gelösten Handlungsbegriff, der den herkömmlicherweise verlangt, um ihm die unbeschränkte Herrschaft über das Geschehen zuzu-
auf Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld verteilten sozialen Sinn des sprechen, auch wenn er sich im Einzelfall des formellen Gesetzesverstoßes
Geschehens weitgehend in sich aufnimmt und der auch dem Wesen der nicht bewußt sein sollte. Zu einer anderen Auffassung würde man nur
„gestaltenden Finalität", die in den Irrtumsfällen die Tatherrschaft des kommen, wenn man das Wesen des Delikts nicht in der Sozialschädlichkeit
Hintermannes begründet, allein gerecht wird; denn nur, wer alle Elemente und Wertwidrigkeit eines Verhaltens, sondern im bewußten Verstoß gegen
des Tatbestandes wissend erfaßt hat, kann den Kausalverlauf sehend auf seine den Staatswillen erblicken wollte. Diese letztlich im Gesetzespositivismus
Verwirklichung lenken und das Geschehen dadurch beherrschen. Erst daraus wurzelnde Anschauungsweise ist aber unrichtig, und eben deshalb ist auch
ergibt sich, daß der Prozeß, der „vom Entschluß über die Willensimpulse die reine Vorsatztheorie im Bereich der Irrtumslehre abzulehnen 81 .
zum Erfolg führt, eine gesetzte Sinneinheit ist, die sich durch das Moment Die zweitstufige Tatherrschaft erfordert also nur das Bewußtsein der
der Sinngesetztheit aus dem übrigen kausalen Geschehen heraushebt" 79 . materiellen, nicht der formellen Rechtswidrigkeit.
Daran zeigt sich aber auch sehr deutlich, daß die derart aufgefaßten Begriffe Im Bereich des eigentlichen Kriminalstrafrechts wird es meist so sein, daß
der Finalität und der Tatherrschaft insofern durchaus teleologischer Natur schon die Kenntnis der Tatumstände dem Täter die Sozialwidrigkeit seines
sind, als ihre Reichweite ganz von den jeweiligen Wertvorstellungen des Tuns klar macht; nur, wo das nicht der Fall ist, ist für die zweitstufige Tat-
Gesetzgebers abhängig ist.80 herrschaft ein darüber hinausgehendes Bewußtsein der Wertwidrigkeit des
Wenn das aber richtig ist, so scheint mir die zunächst kühn anmutende eigenen Tuns nötig; und nur dort, wo - wie im Ordnungsstrafrecht - die
Folgerung unabweislich, daß es je nach dem Maße der sinnhaften Steuerung Wertwidrigkeit erst durch das gesetzliche Verbot konstituiert wird, ist das
Grade der Finalität und damit der Tatherrschaft gibt. Hält man nämlich an Bewußtsein der formellen Rechtswidrigkeit für das Verstehen des Tat-
der Schuldtheorie fest, so läßt sich doch nicht leugnen, daß die vorsatz- bestandssinnes und den höheren Grad der Tatherrschaft erforderlich.
begründende Kenntnis der äußeren Merkmale des Tatbestandes nicht not-
wendig den sozialen Sinngehalt des Vorganges erschöpft oder auch nur
erfaßt. Das gilt namentlich im Nebenstrafrecht: Wenn ein Ausländer in D. Die Lösung der Problematik
Deutschland auf der linken Straßenseite fährt, weil er irrigerweise meint, daß
sei hier so vorgeschrieben, so handelt er nach der Schuldtheorie gleichwohl Ich behaupte nun: Wenn der unmittelbar Handelnde nur die erststufige, der
vorsätzlich; er weiß, daß er links fährt, ihm fehlt lediglich die Kenntnis, daß Hintermann aber die zweitstufige Tatherrschaft innehat, so liegt ein Fall
das verboten ist. Ohne diese Kenntnis bleibt ihm aber auch der Sinn seines mittelbarer Täterschaft vor. Haben beide Beteiligte gleichermaßen die für die
Verhaltens völlig verborgen. Er hat zwar den Handlungsvollzug in seinem erststufige oder auch die für die zweitstufige Tatherrschaft erforderliche
äußeren Ablauf gesteuert, aber von einer sinnhaften Lenkung kann nur in Bedeutungskenntnis, so ist Teilnahme anzunehmen.
sehr beschränkter Weise die Rede sein. » Es ist leicht einzusehen, warum das so sein muß. Denn wenn der unmittel-
Will man trotzdem hier von einer finalen Handlung und damit von einer bare Täter nichts als die äußeren Tatumstände kennt, so verwirklicht er
„gesetzten Sinneinheit" reden, so gibt es offenbar Unterschiede, die zur diese Merkmale zwar final. Wird ihm aber daraus die soziale Wertwidrigkeit
Aufgliederung in zunächst zwei Stufen der Tatherrschaft führen: Die erst- seines Verhaltens nicht klar, so erfaßt er den Sinn des Verbotes nicht und
stufige Tatherrschaft begnügt sich mit der Kenntnis der objektiven Tat- handelt insofern „blind". Gerade in diesem für die Deliktsverwirklichung
entscheidenden Punkt ist also eine Überdetermination möglich, die den
Welzel, ZStW, Bd. 51, S. 718; zitiert nach Bockelmann, U n t e r s u c h u n g e n , S. 57
vgl. zu diesen Fragen näher Roxin, Z u r Kritik der finalen H a n d l u n g s l e h r e , in: ZStW, Z u r näheren B e g r ü n d u n g vgl. meine „Offenen Tatbestände u n d Rechtspflichtmerk-
Bd. 74, 1962, S. 515-561 m a l e a , S . 111 ff. (114-117)
200 201

Hintermann im Hinblick auf den Unwertgehalt des Geschehens zur Zentral- Teilnehmer, selbst in dem Falle, daß er etwa dem unmittelbar Handelnden
figur und zum Herren des Handlungsablaufes macht. eingeredet hat, sein Tun verstoße nicht gegen ein rechtliches Verbot. Denn
Ich würde keinen Anstand nehmen, hier von einem Mehr an Finalität und der Handelnde erkennt die soziale Wertwidrigkeit seines Tuns, so daß dem
folglich auch von finaler Überdetermination zu sprechen. Denn wenn man Hintermann eine sinnhafte Überdetermination nicht mehr möglich ist.
die Finalität als sinnhafte Steuerung des Kausalverlaufes versteht, so muß Bei dem von~Welzel angeführten Fall der Abtreibung schließlich ist zu
man auch Grade der Sinnerfassung und Sinnverwirklichung anerkennnen. unterscheiden: Wußte die aus Mitteldeutschland kommende Frau, daß die
Aber mit dieser Folgerung wären natürlich die Finalisten nicht einver- Abtreibung in Westdeutschland allgemein als moralisch verwerflich und
standen, weil dadurch der nach ihrer Meinung ontologische und unveränder- sozialschädlich angesehen wird, so hat sie, auch wenn sie das gesetzliche Ver-
lich vorgegebene Handlungsbegriff relativiert und sogar (man denke an das bot nicht kannte, die zweitstufige Tatherrschaft inne, und der Hintermann,
Linksfahren!) bisweilen mit dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit in Ver- der sie zu der Handlung aufgefordert hat, ist nur Anstifter. War sie dagegen -
bindung gebracht würde. Es ist auch hier nicht der Ort, einer solchen straf- etwa auf Grund der ihr zuteil gewordenen Erziehung - der Meinung, die
rechtssystematischen Grundfrage in kritischer Auseinandersetzung mit der Abtreibung sei der Volksgemeinschaft nützlich und werde als Mittel zur Ver-
finalen Handlungslehre nachzugehen 82 . Wir werden uns daher in den Fällen hinderung einer Überbevölkerung allgemein gebilligt, so ist der dies über-
höherstufiger Tatherrschaft damit begnügen, von „sinnhafter Tatgestaltung" sehende Hintermann mittelbarer Täter.
und „sinnhafter Überdetermination" zu sprechen. So einleuchtend es ist, daß eine sinnhafte Steuerung des Geschehens-
Damit ergibt sich folgende Lösung der Problematik: Wenn der unmittel- ablaufes möglich ist, wenn der unmittelbar Handelnde den Bedeutungsgehalt
bar Ausführende im Verbotsirrtum handelt, so kann die Frage, ob der die seines Tuns nicht versteht, so sehr bedarf unser Ergebnis noch der Ab-
Rechtslage übersehende Hintermann die Tatherrschaft hat und mittelbarer sicherung nach der anderen Seite. Zu untersuchen bleibt nämlich, ob eine
Täter ist, nicht einheitlich beantwortet werden. Es ist vielmehr zu unter- lenkende Überdetermination nicht auch dann in Frage kommt, wenn der
scheiden: Hat der unmittelbare Täter die Sozialschädlichkeit (materielle Ausführende zwar die sozialethische Wertwidrigkeit seines Tuns erfaßt hat,
Rechtswidrigkeit) seines Tuns erkannt, wie es im Bereich des eigentlichen jedoch über die formelle Rechtswidrigkeit oder auch nur die Strafbarkeit des
Kriminalstrafrechts meist der Fall sein wird, so liegt beim Hintermann nur Verhaltens irrt. Es kann hier so sein, daß ein rechtskundiger Hintermann
eine Teilnahme vor. Fehlt dagegen dem Handelnden die Kenntnis des sozia- einen solchen Irrtum hervorruft oder ausnutzt und dadurch den Unmittel-
len Unwertgehaltes, so liegt die sinnhafte Tatgestaltung beim Hintermann, baren zu einer Handlung veranlaßt, die dieser unterlassen hätte, wenn ihm
sofern dieser die entsprechende Kenntnis besitzt. Er hat die Tatherrschaft die Rechtslage bekannt gewesen wäre. Liegt nicht auch bei einer derartigen
und ist mittelbarer Täter, unabhängig davon, ob sich die Mitwirkung, wenn Situation eine Willensherrschaft des Außenstehenden vor, so daß die richtige
der Ausführende das Unrechtsbewußtsein besäße, als Anstiftung oder Bei- - noch über die viel kritisierte Auffassung Bockelmanns hinausgehende -
hilfe darstellen würde. Fehlt dagegen auch dem Veranlassenden das Bewußt- Lösung darin bestünde, nicht nur bei einer Verkennung des sozialen
sein der Sozialschädlichkeit des Verhaltens, zu dem er auffordert, so kommt Bedeutungsgehaltes, sondern auch bei jedem davon unabhängigen Verbots-,
wieder nur eine Anstiftung in Frage. Subsumtions- oder Strafbarkeitsirrtum eine Teilnahme von vornherein aus-
Unsere Beispielsfälle sind demgemäß so zu entscheiden: Wenn jemand zuschließen?
einem Ausländer einredet, in Deutschland herrsche auf der Straße Links- Die Beschäftigung mit dieser Frage ist keineswegs eine müßige Spielerei.
verkehr, so ist er unter allen Umständen mittelbarer Täter der von diesem Mögen solche Fälle auch nicht allzu häufig sein, so existieren sie doch nicht
begangenen strafbaren Handlung (§ 8 Abs. II, Satz I StVO); das gilt auch, nur in der konstruktiven Phantasie, sondern können täglich in der Praxis
wenn er die falsche Vorstellung nicht hervorgerufen hat, sondern nur in vorkommen. Als Beispiel diene uns eine jüngst veröffentlichte Entschei-
Kenntnis des Irrtums an der Tat mitwirkt, indem er ihm etwa sein Auto zur dung des Bundesgerichtshofs zum Rennwettbetrug 83 . Der Sachverhalt lag
Verfügung stellt. Handelt es sich dagegen um zwei Ausländer, die beide so, daß die Angeklagten sich von französischen Rennplätzen aus die Er-
glauben, in Deutschland herrsche Linksverkehr, so haben beide nur eine gebnisse bestimmter Pferderennen sogleich nach deren Ende durch einen
gleichstufige Kenntnis und es liegt (sofern man überhaupt eine Vorsatzfat Komplizen telefonisch hatten mitteilen lassen. Sie setzten dann sofort in
annimmt) ein Fall der Teilnahme vor, ebenso wie wenn beide wissen, daß es Berliner Wettbüros, denen das amtliche Ergebnis erst wenige Minuten
verboten ist, auf der linken Straßenseite zu fahren. später zuging, auf die erfolgreichen Pferde und gewannen dadurch viel
Wenn andererseits jemand die von ihm Abhängigen roh mißhandelt Geld.
(§223b), wenn er andere wucherisch ausbeutet (§§301-302 e), wenn er Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall entgegen dem Reichsgericht
verleumdet (§187) oder erpreßt (§253), so ist der Hintermann immer nur die Annahme eines Betruges abgelehnt, obwohl er ausdrücklich betonte,

Ich habe mich mit diesen Fragen in ZStW, Bd. 74, 1962, S. 515 ff., ausführlich ausein-
andergesetzt. Darauf kann hier verwiesen werden. 83
B G H S t 16, 120-122
202 203

daß die Tat „eine grobe Unredlichkeit" 85 darstelle. Bockelmann 86 hält die trotz der Täuschung nicht möglich. Davon geht auch der Gesetzgeber aus,
Entscheidung für unrichtig. Man nehme nun einmal an, der Bundesgerichts- wie schon die Tatsache beweist, daß §48 StGB unter den Mitteln der An-
hof werde unter dem Einfluß dieser Kritik und aus kriminalpolitischen stiftung ausdrücklich die „absichtliche Herbeiführung oder Beförderung
Gründen seine Meinung ändern und demnächst in entgegengesetztem Sinne eines Irrtums" nennt.
urteilen. Wenn nun jemand in Kenntnis der neueren Rechtsprechung einen Ganz entsprechend ist bei Kenntnis der materiellen Rechtswidrigkeit ein
anderen durch die Vorspiegelung, es bestehe hier eine Lücke im Gesetz und Irrtum über das formelle Verbot, über die rechtlich zutreffende Subsumtion
man könne durch solche Wetten straflos viel Geld erwerben, zu Manipula- oder über die Strafbarkeit zu beurteilen. Die in den Tatbeständen beschrie-
tionen dieser Art veranlaßt, so haben wir den klassischen Fall vor uns, daß benen Verhaltensweisen sind nicht wegen ihres Verbotenseins strafbar, son-
jemand, der sich des sittlichen und sozialen Unwertgehaltes seines Tuns dern deshalb, weil sie in unerträglichem Maße gegen die sozialethischen
bewußt ist, allein durch einen Irrtum über die formelle Rechtswidrigkeit zu Grundlagen der Gesellschaftsordnung verstoßen. Das gilt auch dort, wo, wie
seinem Verhalten bewegt wird. Ist der Hintermann hier Anstifter oder nicht im Ordnungsstrafrecht, erst regelnde Rechtsnormen den sozialen Ordnungs-
vielleicht doch mittelbarer Täter? wert geschaffen haben. Deshalb ist der materielle Gehalt einer Straftat durch
Bei der Lösung dieses Problems muß man sich darüber klar sein, daß auch die sozialwidrige Verwerflichkeit eines Tuns erschöpfend umschrieben.
in einer solchen Situation der Hintermann „mehr weiß", und zwar vielleicht Darauf beruht es, daß nach einhelliger Meinung für die Beurteilung einer Tat
sogar in dem für den Ausführenden entscheidenden Punkt. Denn dieser sieht reine Strafbarkeitsirrtümer unbeachtlich sind, daß an Stelle exakter Sub-
zwar selbst genau, daß er das Vertrauen des Wettbüros mißbraucht und ihm sumtion eine Parallelwertung in der Laiensphäre genügt und daß das
Schaden zufügt; aber wenn er sich über die Strafbarkeit seines Tuns klar- fehlende Unrechtsbewußtsein bei Kenntnis der materiellen Rechtswidrigkeit
gewesen wäre, hätte er, wie wir annehmen wollen, die Tat unterlassen. Er den Täter nicht entlastet.
war also in dieser für ihn maßgebenden Beziehung „blind", so daß insoweit Für die Teilnahmelehre folgt daraus: Wer die materielle Rechtswidrigkeit
gewiß eine Überdetermination und Steuerung durch den Hintermann mög- seines Verhaltens erkannt hat, hat den Sinn seines Handelns, soweit er auf die
lich ist. Es läßt sich nicht leugnen, daß dieser Fall psychologisch nicht anders rechtliche Bewertung Einfluß hat, erfaßt. Er weiß alles, was den Gesetzgeber
zu beurteilen ist als die Hervorrufung oder Ausnutzung eines Irrtums über zur Pönalisierung solchen Tuns veranlaßt hat und den Unwertgehalt des
die materielle Rechtswidrigkeit: Hier wie dort gelingt dem Außenstehenden Geschehens ausmacht. Eine sinnsetzende Überdetermination ist deshalb aus-
die Herbeiführung der Tat durch eine sich psychisch in gleicher Weise aus- geschlossen. Das gilt auch in unserem Rennwettfall: Wenn der Vordermann
wirkende Täuschung. sich durch die fälschliche Annahme einer Gesetzeslücke zu seinen spitz-
Wenn wir unser Ergebnis begründen wollen, daß trotzdem bei Kenntnis bübischen Machenschaften bewegen läßt, so ist das ein Motivirrtum, der
der materiellen Rechtswidrigkeit durch den Ausführenden immer nur eine nichts daran ändert, daß er der sinngestaltenden Lenkung des Geschehens in
Anstiftung oder Beihilfe vorliege, so müssen wir uns daran erinnern, daß die vollem Umfange mächtig ist und den Hintermann in die Randzone der
Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Teilnahme in den Irrtumsfällen Anstiftung drängt.
genauso wie im Bereich der Nötigungssituationen nicht unmittelbar aus den Betrachtet man diese Auffassung im Lichte der Irrtumslehre, so stimmt
faktischen Gegebenheiten ablesbar ist, sondern der Orientierung an den sie mit einer besonderen Ausprägung der Vorsatztheorie überein, die nicht
Wertmaßstäben der Rechtsordnung bedarf. Es können also Irrtümer von notwendig die Kenntnis des formellen Verbotenseins, wohl aber das
psychologisch gleichem Effekt verschiedener rechtlicher Sinnbewertung Bewußtsein der materiellen Rechtswidrigkeit zur Voraussetzung vorsätz-
unterliegen. lichen Handelns macht 87 . Trotzdem ist die hier entwickelte Meinung über
Hat sich etwa jemand durch die betrügerische Vorspiegelung einer Beloh- die Reichweite der mittelbaren Täterschaft nicht an diese oder an irgendeine
nung zu einer Tat bewegen lassen, so ist der Außenstehende sicher nur andere Irrtumslehre gebunden. Denn es handelt sich um verschiedene Sach-
Anstifter, obwohl auch hier der Handelnde, wenn er nicht getäuscht worden probleme: Für die Täterlehre kommt es auf die zweckhafte Gestaltung des
wär*e, seine Tat unterlassen hätte. Der Grund liegt darin, daß eine solche Handlungsablaufes an, während es einen guten Sinn hat, die Vorsatzstrafe
Vorspiegelung, mag sie auch psychisch motivierend wirken, den Handlungs- nach dem davon bisweilen unabhängigen Maße der Vorwerfbarkeit zu
sinn nicht verändert. Der für die Aufgliederung der Teilnahmeformen bestimmen.
bestimmende und vom Ausführenden erfaßte Bedeutungsgehalt der Tat ist, So kann beispielsweise die Annahme, die wucherische Ausbeutung
ob sie nun mit oder ohne Belohnung ausgeführt wird, derselbe. Deshalb anderer entspreche den Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung, eine so
ist im Hinblick auf die rechtliche Wertwidrigkeit des Vorganges, auf die es rücksichtslose Nachlässigkeit bedeuten, daß die Anwendung der Vorsatz-
allein ankommt, eine sinngestaltende Überformung des Handlungsverlaufes strafe, zu der die Schuldtheorie kommt, angemessen erscheint. Auf ähnlichen

N J W 1961, S. 1936; in der amtlichen Sammlung nicht mit abgedruckt.


N J W 1961, S. 1934/35 (Urteilsanmerkung). 87
Vgl. d a r ü b e r meine „Offenen Tatbestände", S. 118/119
204 205

Erwägungen beruht es ja auch, wenn Anhänger anderer Lehren, wie Mezger setzt nicht immer voraus, daß dem Handelnden der soziale Sinn seines Ver-
und Nowakowski, trotz fehlenden Bewußtseins der formellen und materiel- haltens klar geworden ist; die Unentschuldbarkeit kann auch in der vorwerf-
len Rechtswidrigkeit im Einzelfall doch wieder die Vorsatzstrafe anwenden, baren Unrichtigkeit seines Wertgefühls liegen. Immerhin wird die größere
sofern der Täter eine „rechtsfeindliche" Einstellung 88 oder ein „unrichtiges Vorwerfbarkeit eines Verbotsirrtums meist darauf beruhen, daß der Täter
Wertgefühl" 89 zeigt. sich selbst darüber klar war, etwas materiell Unrechtes zu tun; denn je deut-
Wie dem auch immer sei: Diese Frage ist ganz unabhängig davon, ob dem licher ihm das zum Bewußtsein kommt, desto leichter pflegt der Irrtum ver-
Hintermann eine sinnhafte Lenkung des Geschehens möglich war. Mag meidbar zu sein.
jemandem auf Grund eines durchaus pervertierten Wertgefühls die Sozial-
schädlichkeit seines Verhaltens verborgen geblieben sein: Der Hintermann
kann das Tun des Handelnden eben wegen dieses Mangels gestaltend über- 2. Zum Irrtum über sachliche Voraussetzungen
formen. Insofern hat Maurach völlig recht: Es ist nicht auf das Normativum eines Rechtfertigungsgrundes
(der Unmittelbare hätte das Unrecht erkennen müssen), sondern auf das
Psychologische (er hat das Unrecht nicht erkannt) abzustellen; nur die Frage, A. Unabhängig von der Irrtumslehre: mittelbare Täterschaft des sehenden
welche sachlichen Merkmale das Unrecht und seine Kenntnis begründen, ist Hintermannes
jenseits der Psychologie nach rechtlichen Wertvorstellungen zu entscheiden.
Darin zeigt sich auch hier jene vielschichtige Durchdringung von teleologi- Noch auf eine weitere Konsequenz der hier vertretenen Auffassung sei
scher und seinserfassender Betrachtungsweise, die für die Ausformung der hingewiesen: Mittelbarer Täter ist unter allen Umständen ein Hintermann,
Rechtsbegriffe allgemein charakteristisch ist. der den Irrtum eines anderen über sachliche Voraussetzungen eines Recht-
Ebenso bedarf es nur am Rande der Erwähnung, daß unsere Abgrenzung fertigungsgrundes hervorruft oder ausnutzt. Wer einem anderen einredet, die
sich durch den Rückgriff auf die materielle Rechtswidrigkeit von aller hinter einem Strauch sitzende Gestalt habe schon die Waffe auf ihn angelegt,
starren Schematik löst und die bei der Vielgestaltigkeit der Lebensver- und ihn dadurch veranlaßt, den Dritten in vermeintlicher Notwehr zu
hältnisse unerläßliche „Offenheit" in doppeltem Sinne des Wortes bewahrt: erschießen, oder wer auch nur einem in dieser Weise Irrenden in Kenntnis
Sie ist zunächst in dem Sinne offen, daß der Wandel der sozialen Wert- der Situation die Waffe zur Verfügung stellt, ist stets mittelbarer Täter.
haltungen, soweit er sich auf die materielle Rechtswidrigkeit auswirkt (man Nimmt man hier einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum an 90 , so
denke an die neuere Entwicklung des Notwehrrechts oder an den über- folgt dieses Ergebnis schon aus früheren Erörterungen. Denn der Aus-
gesetzlichen Notstand!), die Abschichtung von mittelbarer Täterschaft und führende ist von vornherein nicht Täter eines Begehungsdelikts 91 und besitzt
Anstiftung unmittelbar beeinflußt, so daß die Beschreibung dessen, was der nicht einmal die Tatherrschaft erster Stufe.
Ausführende kennen muß, damit eine Willensherrschaft des täuschenden Wenn man aber, wie es unter den Vertretern der Tatherrschaftslehre
Hintermannes ausgeschlossen sei, niemals endgültig abgeschlossen ist. Der namentlich Welzel, Maurach und Niese tun, hier einen Verbotsirrtum für
Begriff der Willensherrschaft kraft Irrtums ist aber auch darin offen, daß gegeben hält, so könnte das nach der von uns entwickelten Lösung an der
die inhaltlichen Elemente der materiellen Wertwidrigkeit, so sehr ihr Kern mittelbaren Täterschaft nichts ändern: Denn selbst wenn dieser „Verbots-
auf festgefügten ethischen und sozialen Grundlagen ruht, niemals voll- irrtum" noch so unentschuldbar wäre, würden die Umstände, die der
kommen fixierbar sind, so daß in den Grenzfällen stets noch Raum für die Handelnde sich vorgestellt hat, ihm niemals das Bewußtsein der Sozial-
richterliche Würdigung der individuellen Besonderheiten einer Konstellation schädlichkeit vermitteln können, weil sie die Wertwidrigkeit seines Ver-
verbleibt. haltens ausschließen würden. Einem sehenden Hintermann wäre es also
Aus unseren Darlegungen folgt gleichzeitig, daß die Frage, ob und in immer möglich, kraft sinngestaltender Überdetermination die Willensherr-
welchem Maße ein Verbotsirrtum entschuldbar ist, kein notwendig ent- schaft zu erlangen und sich zur Schlüsselfigur des Geschehens zu machen.
scheidendes Kriterium für die mittelbare Täterschaft des Hintermannes Auch die Anhänger der strengen Schuldtheorie müßten hier deshalb bei rich-
bildet. Man kann zwar sagen, daß ein Verbotsirrtum nur unvermeidbar sein tiger Einsicht in die Täterproblematik zur Annahme einer mittelbaren Täter-
wird, wenn dem Täter zumindest die Wertwidrigkeit seines Verhaltens ver- schaft kommen.
borgen geblieben ist; infolgedessen läßt sich die Regel aufstellen, daß ein
schuldausschließender Irrtum den sehenden Hintermann zum Träger einer
höherstufigen Tatherrschaft macht. Aber dieser Satz gilt nicht umgekehrt:
Ein nur schuldmindernder oder überhaupt unentschuldbarer Verbotsirrtum 90
Dafür eingehend meine „Offenen Tatbestände", S. 119-132, mit weiteren Angaben;
ferner mein Aufsatz in der Monatsschrift für Kriminologie u n d Strafrechtsreform, 1961,
Mezger, StuB I, 9. Aufl., S. 184; LK, 8. Aufl., § 5 9 , Nr. 17, I, b, S. 499 S. 211 ff.
91
N o w a k o w s k i , ZStW, Bd. 65, 1953, S. 379ff. (385, 387) Vgl. dafür schon oben S. 139/140
206 207

B. Gegenstimmen C. Stellungnahme

Eigenartigerweise ist in neuerer Zeit gerade die Teilnahmelehre wiederholt a) Bei der Argumentation Drehers ist schon der Ausgangspunkt unrichtig.
herangezogen worden, um die dogmatische Richtigkeit der strengen Schuld- Jemand, der den wahren Sachverhalt kennt, kann einem in Putativnotwehr
theorie darzutun. Im Gegensatz zu unserer allein aus dem Tatherr- Handelnden nicht mehr in der Weise „helfen", daß sein Tun als Beihilfe zu
schaftsprinzip hergeleiteten Folgerung, daß der Irrtum über Rechtferti- würdigen wäre. Da der Hintermann der einzige ist, der einen Kausalverlauf
gungsvoraussetzungen den sehenden Hintermann stets zum mittelbaren vorantreibt, dessen unrechtmäßige Auswirkungen er übersieht, kommt es
Täter mache, soll hier also gerade die Sachrichtigkeit einer Teilnahme- auf die Art seines ursächlichen Eingreifens nicht an. Insbesondere ist es
Lösung Rückwirkungen auf die Reichweite des Vorsatzes haben. gleichgültig, ob sein Tun als Beihilfe zu beurteilen wäre, wenn der Aus-
So hat Dreher bei Verlesung des vom Bundesjustizministeriums der führende die Bedeutung seines Handelns gekannt hätte. Diese Fragen sind
Großen Strafrechtskommission erstatteten Berichtes 92 seine Auffassung, daß oben schon ausführlich behandelt worden 95 ; darauf kann hier verwiesen
der Irrtum über sachliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes werden.
den Vorsatz bestehen lasse, auf folgende Erwägung gestützt: „Geht man wie b) In dem ersten Beispiel Hirschs besitzt der in den Sachverhalt einge-
wir davon aus, daß Teilnahme an unvorsätzlicher Tat nicht möglich ist, so weihte Apotheker die Tatherrschaft allerdings nicht. Der Grund liegt aber
würde das (seil, ein Vorsatzausschluß) bedeuten, daß der Helfer eines in nicht, wie Hirsch meint, darin, daß der Arzt Täter einer Abtreibung wäre.
Putativnotwehr Handelnden, wenn er selbst den wahren Sachverhalt Täterin ist vielmehr die schwangere S, die sich zur Durchführung der Tat des
erkennt, nicht wegen Beihilfe bestraft werden könnte. Das wäre ein sehr F als eines gutgläubigen Werkzeuges bedient. Dazu leistet der Apotheker
mißliches Ergebnis." durch Lieferung des Medikamentes Beihilfe. Es kann also nicht die Rede
Diesen Gedanken hat Hirsch 9 3 aufgegriffen und durch komplizierte Bei- davon sein, daß nach der eingeschränkten Schuldtheorie der A nicht bestraft
spiele näher zu begründen versucht. Wir können diese zum Beleg der Gegen- werden könnte. Er ist nach jeder nur denkbaren Irrtumslehre als Gehilfe der
meinung eigens konstruierten Sachverhalte nicht übergehen. Hirsch bildet Schwangeren und nicht - wie Hirsch offenbar annimmt - des ahnungslosen
zunächst folgenden Fall 94 : „Die schwangere S spiegelt dem Arzt F erfolg- Arztes zu bestrafen.
reich ein zu einer Schwangerschaftsunterbrechung berechtigendes Leiden c) Der zweite Beispielsfall liegt insofern schwieriger, als der Hintermann
vor. F füllt ein Rezeptformular aus, mit dem die S vorher einige zum Eingriff einen tatherrschaftsbegründenden Umstand verkennt und infolgedessen
notwendige Medikamente besorgen soll. Apotheker A verkauft ihr diese, selbst die Situation nicht übersieht. Hier ruht die Argumentation Hirschs auf
obwohl er von seiner Frau weiß, daß die S den F getäuscht hat. Arzt F einer von ihm unüberprüften Prämisse: der Annahme, daß eine Anstiftung
nimmt unter Verwendung der Medikamente den Eingriff vor." zu unvorsätzlicher Tat auch dann nicht in Frage komme, wenn der Außen-
Dazu meint Hirsch: „Nach der Lehre von den negativen Tatbestands- stehende irrigerweise davon ausgeht, der Unmittelbare handele vorsätzlich.
merkmalen könnte A überhaupt nicht bestraft werden, da F, wie A weiß, Gerade diese Ausgangsthese ist aber nicht richtig. Damit entfallen natürlich
irrig den Sachverhalt eines Rechtfertigungsgrundes annimmt, hierdurch der alle Schlußfolgerungen, und eine Bestrafung wegen vollendeter Anstiftung
Vorsatz des F ausgeschlossen würde und mittelbare Täterschaft mangels Tat- ist unabhängig davon möglich, ob man eine bestimmte Art der Schuldtheorie
herrschaft ausscheidet!" oder sogar die Vorsatztheorie vertritt. Warum das so ist, warum also die
Noch ein zweiter, andersartiger Fall wird als Beleg herangezogen: „A Konstruktion einer Teilnahme bei nur vermeintlich vorsätzlicher Haupttat
kommt hinzu, wie sich sein Feind B mit dem C in einer Wohnungs- mit der Tatherrschaftslehre zu vereinbaren ist, wird unten des näheren
angelegenheit heftig streitet. Er denkt, daß der Augenblick günstig sei, um B begründet werden 96 . Darauf muß hier verwiesen werden.
eine ,Abreibung' zukommen zu lassen. Er ruft deshalb C zu: ,schlag zu!', Selbst wenn man aber Hirsch in der Beurteilung der Akzessorietätsfragen
was dieser ohne zu zögern tut. C war irrtümlich der Auffassung, A habe ihn folgen wollte, würden die unbilligen Ergebnisse, die er der eingeschränkten
mit seinem Zuruf auffordern wollen, einem unmittelbar drohenden Angriff Schuldtheorie entgegenhält, bei seiner Lehre ebenso auftreten. Denn wenn
des B zuvorzukommen (vermeidbare Putativnotwehr). A hatte an einen Irr- der Irrtum des Unmittelbaren sogar gravierender wäre, wenn er etwa ent-
tum des C nicht gedacht." Hier will Hirsch eine vollendete Anstiftung gegen der Annahme des Außenstehenden nicht einmal erkennen würde, daß
annehmen und meint, nach der Gegenauffassung müsse A straflos bleiben, er einen Menschen treffen könne, so daß dem Tatbeitrag des sehenden
weil §49a bei einem Vergehen nicht anwendbar sei. Hintermannes ein objektiv noch größeres Gewicht zukäme - dann müßte
der Auffordernde auch nach der strengen Schuldtheorie straflos bleiben.
Wenn man also die eingeschränkte Schuldtheorie von ihren Ergebnissen her
Niederschriften, 2. Bd., S. 27; vgl. auch M D R 1962, S. 592
Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, 1960, S. 326-329 95
Vgl. S. 173-178
a . a . O . S. 326 96
Vgl. S. 261-270
208 209

widerlegen wollte, so würde das für die von Hirsch vertretene und auch für Notstandslage wirklich bestünde. Aber da die Tatherrschaft in den Nöti-
andere Irrtumslehren ebenso gelten. Daran zeigt sich, daß es sich nicht um gungsfällen kein rein psychisches Phänomen ist 98 , ist das Problem in einem
ein Vorsatz-, sondern um ein Akzessorietätsproblem handelt. entscheidenden Punkte doch anders gelagert. Das zeigt folgende Über-
Es kann demnach nicht zugegeben werden, daß die strafrechtliche legung:
Behandlung der Irrtumsfragen Einfluß auf die Abgrenzung von Täterschaft Wir hatten "bei bestehender Notstandslage eine Willensherrschaft des
und Teilnahme habe. Die Gegenmeinung ist nicht nur inhaltlich unbegrün- Hintermannes kraft Verantwortungsüberganges immer dann angenommen,
det, sondern auch methodisch falsch. Denn es geht in der Irrtums- und Teil- wenn der Gesetzgeber wegen der vom Außenstehenden geschaffenen
nahmelehre, wie schon bei Erörterung der bewußten Fahrlässigkeit und der Situation die Tat dem Handelnden nicht mehr als Werk seines Willens
fehlenden Unrechtskenntnis gezeigt wurde, um durchaus verschiedene Sach- zurechnete. Praktisch führte das zu einer Differenzierung danach, ob der
probleme, deren unbesehene Verquickung in die Irre führt. Hintermann dem Ausführenden die Tat ermöglichte oder ihn nur dazu auf-
forderte. Solche Unterscheidungen könnte man auch hier treffen. Aber das
hätte wenig Sinn; denn die Fälle liegen insofern anders, als es, wenn ein wirk-
IV. Der Handelnde nimmt irrig die Voraussetzungen licher Notstand fehlt, sehr umstritten und zweifelhaft ist, ob und inwieweit
eines Schuldausschließungsgrundes an schon seine irrige Annahme den Handelnden von der Verantwortung befreit.
Zwar wollen einige bei solchen Sachlagen den Vorsatz 99 oder wenigstens die
Fälle, in denen bei der irrigen Vorstellung schuldausschließender Umstände Schuld 100 ausschließen; eine andere weitverbreitete Ansicht 101 jedoch, der
ein Hintermann im Spiele ist, kommen praktisch wohl nicht allzu häufig vor. auch der Entwurf 1960 folgt 102 , stellt diese Fälle in der Behandlung denen
Für die Erhellung des Tatherrschaftsbegriffs haben sie gleichwohl ihre des Verbotsirrtums gleich.
Bedeutung. Geht man davon aus, so bleibt der Handelnde, soweit der Irrtum nicht
Wir gehen wieder von unserer Modellsituation aus: A hat sich bei einem unverschuldet war, prinzipiell für sein Tun verantwortlich und wird (bei
Schiffbruch auf das Brett des Karneades gerettet. B schießt ihn herunter, um möglicher Strafmilderung) als vorsätzlicher Täter bestraft, so daß die Er-
sich selbst mit Hilfe des Brettes über Wasser zu halten. In Wirklichkeit lag wägungen, mit denen wir in den echten Notstandssituationen eine mittel-
ein Notstand gemäß §54 StGB nicht vor, weil schon ein Rettungsdampfer bare Täterschaft begründet haben, hinfällig werden. Das gilt sogar bei
auf dem Wege war, um die beiden aufzunehmen. Bei einem derartigen Vor- unvermeidbarem Irrtum: Denn die Strafbefreiung des unmittelbaren
gang kann ein die Lage übersehender Hintermann C - etwa von einer dem Täters erfolgt hier nicht wegen des Nötigungsdruckes - der ist in allen
anderen unerreichbaren höher gelegenen Felsklippe aus, von der er das Schiff Fällen gleich - , sondern wegen der unverschuldeten Falschvorstellung.
schon kommen sieht - in verschiedener Weise mitwirken: Eine Willensherrschaft kraft Nötigung ließe sich danach schwerlich an-
Er kann entweder bei B den Irrtum über die Notstandslage hervorrufen, nehmen.
indem er wider besseres Wissen behauptet, der von B erwartete Rettungs-
dampfer sei nicht in Sicht; oder er beteiligt sich nicht an der Entstehung des
Irrtums, wird aber dadurch tätig, daß er den B auffordert, zu seiner Rettung 2. Willensherrschaft kraft Irrtums: Die dritte Stufe
den A zu erschießen; oder er ruft weder den Irrtum noch den Tatentschluß der Tatherrschaft
hervor, ermöglicht dem B aber die Tötung des A, indem er ihm seine Pistole
gibt. Doch braucht dieser Frage nicht näher nachgegangen zu werden, weil die
hier zu erörternden Fälle unabhängig von aller Nötigung schon wegen des
Irrtums, in dem sich der Handelnde befindet, eine einheitliche Lösung
1. Willensherrschaft kraft Nötigung? erlauben. Wie bei den Situationen, in denen der Ausführende einem Verbots-
irrtum unterliegt, muß man auch hier beim Hintermann wegen seines
Die Behandlung solcher Fälle bei einer wirklich vorliegenden Notstands*-
situation ist oben schon erörtert worden 9 7 . Abgesehen davon, daß von den
eben geschilderten drei Mitwirkungsmöglichkeiten dort nur die beiden 98
Vgl. dazu oben S. 146 ff. und im folgenden passim.
letzten in Frage kamen, kann aber die früher gefundene Lösung auch 99
So der BGH, BGHSt 5, 371-377 (374); Mezger, StuB I, 9. Aufl., §68 III, S. 179
100
im übrigen nicht auf die hier in Rede stehenden Irrtumsfälle übertragen 101
Schönke/Schröder, 10. Aufl., §59, VII, 6, S. 365
werden. Zwar ist die psychische Situation für den B die gleiche als wenn die Vgl. Welzel, 7. Aufl., S. 165 mit weiteren Angaben; Maurach, A.T., 2. Aufl., S. 382; vgl.
auch Kohlr./Lange, 42. Aufl., § 52 V, 54 I.
102
§40 II a.a.O.; allerdings mit obligatorischer Strafmilderung; §20 E 1962 bringt inso-
fern wieder eine Änderung, als jetzt die Vorsatzstrafe entfallen soll, sofern es sich nicht
Vgl. S. 149-153 um einen Putativnotstand handelt.
210 211

weiterreichenden Wissens eine mittelbare Täterschaft kraft sinnhafter gehaltes in dieser Reihenfolge den jeweils höheren Grad sinnhafter Tatgestal-
Tatgestaltung annehmen, wenngleich die Überdetermination von anderer tung ermöglicht.
Art ist. Daraus folgt ohne weitere Schwierigkeit die Lösung unserer Problematik:
Sehr einfach liegt das Problem freilich für diejenigen, die bei der irrigen Wenn der unmittelbar Handelnde nur die zweitstufige Tatherrschaft innehat,
Annahme schuldausschließender Umstände den Vorsatz entfallen lassen: weil bei seiner Vorstellung der äußeren Umstände seinem Tun die Vorwerf-
Der vorsätzlich handelnde Hintermann ist dann mittelbarer Täter genau barkeit fehlen würde, so kann der Hintermann kraft seiner weiterreichenden
wie jeder andere, der sich eines vorsatzlosen Werkzeugs bedient. Doch ist Kenntnis den Ausführenden als Werkzeug seiner verbrecherischen Pläne
eine solche Auffassung zumindest mit der Schuldtheorie schwer zu verein- benutzen und durch seine Mitwirkung das Geschehen in seiner deliktischen
baren. Bedeutung bewußt gestalten. Er ist darum Tatherr der dritten Stufe und
Es kommt aber auf diese Frage auch nicht entscheidend an; denn die mittelbarer Täter. Das gilt auch dann, wenn bei wirklich gegebener Not-
Lösung des Täterschaftsproblems darf hier so wenig wie im Falle der bewuß- standslage nur eine Anstiftung vorliegen würde. Wenn dagegen beide
ten Fahrlässigkeit und des Verbotsirrtums von den Kontroversen um das Beteiligte an das Vorliegen schuldausschließender Umstände glauben, - z.B.
Wesen und die Reichweite des Vorsatzes abhängig gemacht werden. Gehen weiß auch der Hintermann C unserer Modellfälle nichts vom Nahen des
wir von den beiden oben entwickelten Stufen der Tatherrschaft aus, so ergibt Rettungsdampfers - , so steht die Sinnerfassung beider auf gleicher Stufe, eine
sich folgendes Bild: Der unmittelbare Täter, der irrig die Voraussetzungen Überdetermination ist nicht möglich, und der Außenstehende kann nur als
eines Schuldausschließungsgrundes annimmt, handelt vorsätzlich im Sinne Teilnehmer belangt werden.
der Schuldtheorie; er hat damit die Handlungsherrschaft und - zumindest Diese Lösung erscheint, falls man von der hier entwickelten konstruktiven
soweit er als vorsätzlicher Täter verantwortlich bleibt - auch die Willens- Fassung der Problematik absieht, auch dann als einleuchtend, wenn man nur
herrschaft inne; er ist also Tatherr erster Stufe. Darüber hinaus besitzt er aber auf den Leitgedanken des Tatherrschaftsprinzips, das In-den-Händen-
auch die zweitstufige Tatherrschaft: Denn er weiß, daß er etwas Wert- Halten des Geschehensablaufes, abstellt. Denn alle drei Fallvarianten
widriges tut, wenn er einen unschuldigen Menschen - sei es auch, um sich gleichen sich darin, daß der Hintermann C bewußt ein Geschehen fördert,
selbst zu retten - tötet. Sollte er seine Handlung für rechtlich erlaubt ge- dessen für die Deliktsqualität entscheidender sozialer Sinn allem seiner vor-
halten haben (also gleichzeitig im Verbotsirrtum handeln), so würde die Ver- ausschauenden Planung unterliegt. In diesem Punkt sind die hier gebildeten
wechselung von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgrund an dieser Fallkonstellationen nicht anders zu beurteilen als bei der Einschaltung eines
Beurteilung nichts ändern. unvorsätzlich oder ohne das Bewußtsein der materiellen Rechtswidrigkeit
Gleichwohl erfaßt der unmittelbare Täter unserer Beispielsfälle den sozia- handelnden Werkzeugs. Diese strukturelle Gleichartigkeit rechtfertigt aber
len Sinn seines Verhaltens nicht: Es ist etwas durchaus anderes, ob man sich auch dieselbe Behandlung: Das Plus an sinnhafter Lenkung rückt den
eines Mordes oder Totschlages schuldig macht, oder ob man um der Erhal- Hintermann für eine den Bedeutungsgehalt des Vorganges erfassende Beur-
tung des eigenen Lebens willen notgedrungen einen anderen zu Tode bringt. teilung in das Zentrum des deliktischen Geschehens. Mit einfachen Worten:
Dieser für die soziale Bewertung wesentliche Unterschied ist auch für die Als Mord oder Totschlag erscheint die Tat allein im Bewußtsein des C. Er
rechtliche Beurteilung entscheidend; denn im ersten Fall verhängt der muß daher auch für die Tatherrschaftslehre mittelbarer Täter sein.
Gesetzgeber eine lebenslängliche Zuchthausstrafe, während er im zweiten Was hier am Beispiel des § 54 StGB ausgeführt wurde, gilt in entsprechen-
auf jeden Schuldvorwurf verzichtet. der Weise in den Fällen des § 52 und des übergesetzlichen entschuldigenden
Daraus ergibt sich, daß die soziale Sinnerfassung mehr als die Kenntnis Notstandes. Näherer Ausführungen dazu bedarf es nicht.
der äußeren Tatumstände (erste Stufe) und des materiellen Unrechts (zweite
Stufe) verlangt: N u r wer außerdem die Elemente rechtlicher Vorwerf- V. Der Irrende handelt tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft
barkeit kennt, versteht den wahren Bedeutungsgehalt seines Handelns und
kann- das Geschehen in vollem Umfange sinnhaft lenken. Zwar wird dieses Es gibt schließlich noch Fälle, bei denen der unmittelbar Ausführende im
weitergehende Bewußtsein normalerweise mit der Kenntnis der materiellen Hinblick auf die auch vom Hintermann geplante Tatbestandsverwirklichung
Rechtswidrigkeit unmittelbar gegeben sein, so wie die Tatherrschaft der volldeliktisch, gleichwohl aber auf Grund eines Irrtums handelt, ohne den
zweiten Stufe meist aus der Vorstellung der Tatumstände ohne weiteres die Tat nicht so, wie sie geschehen ist, stattgefunden hätte. Hier sind zwei
hervorgeht; aber bei der irrigen Annahme schuldausschließender Merk- große Sachverhaltsgruppen zu unterscheiden: die - gleich näher zu erläutern-
male ist es ausnahmsweise anders. Man kann diesen Fällen nur gerecht den - Fälle des Irrtums über den „konkreten Handlungssinn" (I) und die
werden, wenn man eine dritte Stufe der Tatherrschaft anerkennt, die das Fälle des „Risikoirrtums", mit dem wir uns schon bei Untersuchung der
Erfassen des Schuldgehaltes der in der Außenwelt sich verwirklichenden bewußten Fahrlässigkeit vorbereitend 103 beschäftigt haben (2).
Handlung voraussetzt. Dann ergibt sich eine dreifache Abstufung, bei der
die Kenntnis der Tatumstände, des Tatbestandssinnes und des Schuld- 103
Vgl. dazu oben S. 192/193
212 213

1. Der Irrtum über den konkreten Handlungssinn Die Problematik wird am deutlichsten bei einem Vorfall, den der BGH 1 0 6
so schildert: „Am 12. April 1945, als amerikanische Truppen den Ort A
A. Seine Erscheinungsformen gerade besetzt hatten, forderte der Angeklagte eine Heeresstreife auf, den
Gendarmeriemeister L zu verhaften und zu erschießen. Als Grund gab er
a) Der error in persona und verwandte Erscheinungen wahrheitswidrig an, L habe mehrere Fremdarbeiter erschossen. Der Ange-
klagte wollte unter Ausnutzung der damaligen Verhältnisse erreichen, daß L
Der wichtigste hier zu erörternde Fall betrifft die wissentliche Herbei- ohne Durchführung eines Verfahrens und ohne Nachprüfung der Richtigkeit
führung eines error in persona: A lauert an einem Wege, um dem B, wenn er seiner Behauptungen getötet werde. Dies gelang ihm auch. Amerikanische
um die Ecke kommt, zu erschießen. C gesellt sich zu A. Als er sieht, wie sich Soldaten erschossen L, ohne seine Unschuldsbeteuerungen auch nur anzu-
sein Todfeind D nähert, versteht er es, den A in den Irrtum zu versetzen, es hören, allein wegen der Angaben des Angeklagten."
handele sich um B. Daraufhin erschießt A den D. In einem anderen Fall 107 hatte der Angeklagte nach Kriegsende ehe-
Man kann den Sachverhalt auch so umgestalten, daß es an jeder psychi- maligen Konzentrationslagerinsassen vorgelogen, ein gewisser L sei schuld
schen Beziehung zwischen C und A fehlt: A lauert dem B in Tötungsabsicht am Tode vieler KZ-Häftlinge. Die früheren Lagerangehörigen hatten darauf-
auf, C erfährt davon und manövriert seinen eigenen Feind D in diese Situa- hin den L schwer mißhandelt und schließlich getötet.
tion, so daß A, der den D an der einsamen, nachtdunklen Stelle für B hält,
Solche Sachverhaltsgestaltungen unterscheiden sich von den unter b) auf-
ihn umbringt 104 .
geführten nur in einem Punkt: Der Irrtum des unmittelbar Handelnden
Natürlich sind solche Fälle ebenso beim error in obiecto und - leicht beseitigt die Mordqualifikation und läßt ein Delikt nach §212 StGB übrig,
abgewandelt - beim sogenannten „dolus generalis" möglich 105 . während beim Hintermann niedrige Beweggründe und damit die Voraus-
setzungen des §211 StGB vorliegen.
Alle drei Fallgruppen sind unter dem Gesichtspunkt der Tatherrschafts-
b) Der Irrtum über taterhebliche Handlungsvoraussetzungen
lehre bisher kaum untersucht worden.
Bei dieser zweiten Gruppe ruft der Irrtum überhaupt erst den Tatplan des
unmittelbar Handelnden hervor: A weiß, daß B sehr eifersüchtig ist. Um
seinem Feinde C zu schaden, lügt er dem B vor, der C habe mit der Frau des B. Der error in persona und verwandte Erscheinungen
B Ehebruch getrieben. Er rät dem B, den C nach Strich und Faden zu ver-
prügeln. B tut das. a) Die vierte Stufe der Tatherrschaft
Derartige Fälle lassen sich, genau wie bei den Nötigungssituationen,
wieder durch Einführung eines zweiten, rechtmäßig handelnden Tatmittlers Wenn wir uns dem Fall des absichtlich herbeigeführten error in persona
erweitern: A will dem eifersüchtigen B schaden. Er lügt ihm vor, der C, von zuwenden, so ist zunächst festzuhalten, daß eine Tatlenkung, die sich auf die
dem er im Gegensatz zu B weiß, daß er Boxmeister ist, habe mit Frau B Ehe- Beherrschung der Person des Mittelmannes und seiner Entschlüsse gründet,
bruch begangen. Wieder rät er ihm, den C zu verprügeln. B greift C an, nicht in Frage kommt. A handelt hinsichtlich dessen, was er willentlich tut,
dieser aber schlägt, wie A gewollt und erwartet hatte, den B knockout. frei. Es ist seiner Entscheidung überantwortet, ob er die sich nähernde
Gestalt erschießen will. Insoweit stellt die Handlungsweise des C einen typi-
Auch bei den Konstellationen der zweiten Gruppe kann A auf jede un-
schen Fall fehlender Tatherrschaft dar; soweit das Geschehen vom Vorsatz
mittelbare psychische Einwirkung verzichten, indem er etwa dem B ge-
des A umfaßt ist, muß C ihm die Ausführung „anheimstellen".
fälschte Indizien in die Hände spielt, die ihn in den Glauben versetzen, seine
Frau sei ihm untreu. Damit ist aber das Problem noch nicht geklärt, wie man leicht annehmen
könnte. Denn wenn auch eine Herrschaft über die Willenshandlung des A
nicht besteht, so kann doch im Hinblick auf den von A nicht gewollten
c) Der Irrtum überQualifikationsvoraussetzungen Erfolg, die Tötung des D, eine herrschaftsbegründende Überdetermination
vorliegen.
Die dritte Gruppe endlich betrifft Fälle, bei denen der Ausführende zwar Freilich kann eine Willensherrschaft der bisher besprochenen Art nicht
auch volldeliktisch handelt, sein Irrtum aber für den Straftatbestand in gegeben sein, denn der unmittelbar handelnde A ist Tatherr dritter Stufe:
anderer Weise relevant wird. Derartige Sachverhalte haben dem Bundes- Er verwirklicht sehend kraft seiner Steuerung die Tatumstände, den Tat-
gerichtshof wiederholt zur Entscheidung vorgelegen.
106
BGHSt 1,368-372(369)
Vgl. dazu Sax, ZStW, Bd. 69, 1957, S. 434 107
B G H S t 2, 223-226; der Sachverhalt liegt insofern etwas atypisch, als der Todeserfolg
z u m dolus generalis vgl. das Beispiel unten S. 216 v o m Willen des H i n t e r m a n n e s nicht umfaßt war.
214 215

bestandssinn und die Elemente der Vorwerfbarkeit. Sein Irrtum über die verwirklichen konnte. Und das ist der Fall. Wenn wir den toten D vor uns
Identität des von ihm erschossenen D ist insoweit irrelevant: §212 StGB ver- sehen und fragen, wessen Willenswerk das sei, so kommt nur der C als
langt seinem Wortlaut und seinem Sinne nach, wie heute unbestritten ist108, Gestalter dieses Erfolges in Betracht. Im Hinblick auf den Tod des D ist die
nur die Tötung irgendeines Menschen, ohne daß seine Individualität von der Lage nicht anders, als wenn A nur auf einen Baumstumpf hätte schießen
Vorstellung des Handelnden erfaßt worden sein muß. wollen und C ihm die Vorstellung suggeriert hätte, bei der in der Dämme-
Wenn man aber nicht auf den Tatbestand, sondern auf die konkrete Hand- rung erscheinenden Gestalt handele es sich um ein derartiges Zielobjekt. Der
lung sieht, so liegen die Dinge anders. Denn A hatte zwar den Tatbestands- Umstand, daß in unserem Fall A eine gleichartige andere Schurkentat plante,
sinn seines Verhaltens erkannt, aber den von ihm ins Auge gefaßten Zweck liegt außerhalb des konkreten Handlungsvollzuges und ändert nichts daran,
seines Tuns hat er verfehlt. Er wollte den B erschießen und hat den D ge- daß über ihn allein der C die Herrschaft inne hatte. Dieser Umstand genügt,
tötet. Das wollte er nicht, insofern hat er blind gehandelt. Andererseits hat um ihn neben A als Zentralfigur des handlungsmäßigen Geschehens anzu-
der Hintermann C seinen Zweck, die Tötung des D, erreicht, und zwar sehen.
durch Benutzung einer Person, die im Hinblick auf dieses konkrete Ziel als Wir haben hier also zwei Tatherren: Der A ist Täter, soweit es sich um den
blindes Werkzeug eingeschaltet wurde. Man kann also, wenn man diesen Fall Tod eines Menschen, d. h. um die steuernde Verwirklichung des Tatbestands-
zu den bisher behandelten in Beziehung setzen will, noch eine vierte, um- sinnes, handelt; der C ist Täter, soweit es um den Tod des D, also die Gestal-
fassendste Stufe der Tatherrschaft bilden, die in der sehenden und willent- tung des konkreten Handlungssinnes, geht. Er hat die viertstufige, A nur die
lichen Realisierung des - wie ich sagen möchte - „konkreten Handlungs- drittstufige Tatherrschaft inne. C ist daher mittelbarer Täter.
sinnes" besteht. bb) Ein weiteres Argument dafür, daß bei Beurteilung der mittelbaren
Daß diese weitere Unterscheidung nicht willkürlich ist, sondern den Täterschaft über den abstrakten Tatbestand hinaus auf den Bedeutungsgehalt
Phänomenen gerecht wird, ist nicht zu bestreiten. Auch A selbst wird sagen, des konkreten Vorganges abzustellen ist, ergibt sich aus dem Umstand, daß
er habe den D „aus Versehen" erschossen. Eine andere Frage ist es, ob das, auch die anderen Beteiligungsformen - Anstiftung und Beihilfe - eine kon-
was der Hintermann dem Handelnden an Sinnverständnis voraus hat, aus- krete Betrachtungsweise erfordern. Wenn etwa (man denke an den Fall
reicht, um ihm die mittelbare Täterschaft zuzusprechen. Ich meine: ja. Dafür Rose/Rosahl!) ein Hintermann E den A beauftragt hat, B zu erschießen, und
lassen sich mehrere Erwägungen geltend machen. dieser nun infolge eines error in persona den D umbringt, so ist E nicht
Anstifter dieser Tat. Das widerspricht zwar der herrschenden Meinung, ist
aber schon von Binding 109 richtig erkannt und neuerdings von Bemmann" 0
b) Die Relevanz des konkreten Handlungssinnes für die Tatherrschaft wieder hervorgehoben worden. Diese Annahme folgt schon aus der ein-
fachen Tatsache, daß, wenn A seinen Irrtum erkennt, auf B wartet und dann
aa) Der Tatbestand ist ein abstrakt-begriffliches Gebilde, die Tatherrschaft auch diesen erschießt, der E unmöglich wegen zweifacher Anstiftung zum
aber ist nach den konkreten Umständen zu beurteilen. Der Grund dafür, daß Morde bestraft werden kann.
bei Bestimmung der mittelbaren Täterschaft eine größere Individualisierung Was aber hier richtig ist, muß auch für die mittelbare Täterschaft gelten:
bzw. Konkretisierung erfolgen muß als bei Festlegung des Tatbestandes, liegt Jede Mitwirkungsform kann nur nach den konkreten Vorstellungen der
in der unterschiedlichen Funktion beider Rechtsfiguren. Beteiligten ermittelt werden 111 .
Wenn der Irrtum des A über die Identität des Erschossenen im Tat- cc) Für die Annahme mittelbarer Täterschaft im Falle einer nur den
bestand unberücksichtigt bleibt, so beruht das auf einer Strafwürdigkeits- konkreten Handlungssinn betreffenden Überdetermination spricht auch die
erwägung des Gesetzgebers: Da ihm jedes Leben gleich viel wert ist, genügt Tatsache, daß der deliktische Gehalt der von C verübten Handlung sonst
es ihm, wenn der Täter sein Opfer als Menschen erkannt hat. Dem A wird strafrechtlich überhaupt nicht erfaßt werden könnte. Denn eine Anstiftung
der Tod des D zugerechnet, weil er in ihm immerhin den B töten wollte, liegt nicht vor, weil der A schon vorher zur Tat entschlossen war. Man
und weil das eine wie das andere auch qualitativ gleichermaßen verwerflich kann nicht etwa sagen, daß C den A zu der anfangs nicht beabsichtigten
ist. Tötung des D angestiftet habe; wenn man nämlich insoweit auf den kon-
Die Frage nach der mittelbaren Täterschaft des C dagegen hat nichts mit kreten Handlungsplan abstellt, ist, wie oben gezeigt wurde, auf jeden Fall
der Strafwürdigkeit dessen zu tun, was A willentlich tat. Was den Unrechts- mittelbare Täterschaft anzunehmen. Und von einer Beihilfe - sei es auch
und Schuldgehalt betrifft, hat der C dem A nichts voraus. Doch kommt es nur einer psychischen - kann man auch kaum sprechen; denn erstens ist
für die Herrschaft über die konkrete Situation nur darauf an, ob er seinen
eigenen, von A nicht durchschauten Zweck durch ihn als blindes Werkzeug 109
Normen, Band III, S. 213
1,0
MDR1958, S. 817-822
111
Dasselbe Problem tritt auch bei der Mittäterschaft auf und wird dort noch weiter
anders zuletzt noch v. Liszt, Lehrb., 21./22. Aufl., 1919, S. 171 behandelt werden, vgl. S. 286ff.
216 217

nicht ersichtlich, worin die „Stärkung des Tatentschlusses" hier liegen sollte, C. Der Irrtum über taterhebliche Handlungsvoraussetzungen
und zweitens kann man eine „Förderung" der von A geplanten Tat doch
wohl nicht gut darin erblicken, daß der C ihn zur Tötung der „falschen" Etwas anders liegen die Fälle der zweiten Gruppe, bei denen der Hinter-
Person verleitet und damit seinen Zweck vereitelt hat. C könnte also über- mann nicht die schon vorher geplante Tat auf eine andere Person oder - wie
haupt nicht bestraft werden. beim dolus generalis - auf einen anderen Handlungsakt verschiebt, sondern
Es ist nun zwar sicher nicht der Sinn des Täterbegriffs - wie es etwa die bei denen er überhaupt erst den Tatentschluß erregt.
extensive Auffassung tut - jede Strafbarkeitslücke zu schließen. Aber hier Auch diese Sachverhalte sind bisher kaum behandelt worden, obwohl sie,
geht es darum, daß der C seinen Feind D aus der Welt schaffen dürfte, ohne wie die Nachkriegsjahre gezeigt haben, in der Praxis vorkommen. Gehen wir
dafür strafrechtlich belangt werden zu können! Ein so haarsträubendes von den bei der ersten Fallgruppe gewonnenen Lösungen aus, so kann man
Ergebnis, das der Gesetzgeber unmöglich gewollt haben kann, würde den leicht folgern, daß hier eine mittelbare Täterschaft erst recht vorliegen müsse,
Täterbegriff, dessen Konsequenz er ist, ad absurdum führen. weil der Hintermann nicht einen schon feststehenden Entschluß in seinem
Noch deutlicher zeigt sich das in dem schon angeführten Fall, daß jede Handlungssinn verändere, sondern diesen Sinn einer Tatbestandsverwirk-
psychische Beziehung zwischen C und A fehlt und C nur insoweit tätig wird lichung aufpräge, zu der es ohne ihn gar nicht gekommen wäre.
als er den D in die todbringende Situation hineinmanövriert. Vom Plan des C Aber es melden sich auch Bedenken. Eine eigentliche Täuschung über die
und vom Tode des D her gesehen liegt der Fall genauso, wie wenn C den D Identität oder über die konkrete Wirkung eines Handlungsaktes liegt nicht
etwa dadurch getötet hätte, daß er ihm zum Berühren einer vorgeblich vor; in unserem Ausgangsbeispiel etwa wollte B den C verprügeln, wenn
gefahrlosen Starkstromleitung geraten hätte. Es ist also auch hier mittelbare auch auf Grund irriger Voraussetzungen. Ist die Falschvorstellung des B
Täterschaft anzunehmen 112 . nicht doch nur ein für die Teilnahmeverhältnisse unbeachtlicher Motiv-
Natürlich braucht die Verwechslung, die dem unmittelbar Handelnden irrtum? Spricht für die Annahme einer bloßen Anstiftung nicht auch der
unterläuft, auch nicht auf einer Augentäuschung zu beruhen. Wenn A den B, Umstand, daß unter den in § 48 StGB aufgezählten Mitteln ausdrücklich der
den er erschießen will, nicht von Angesicht kennt und C ihm vorschwatzt, Irrtum genannt wird?
bei dem nahenden D handele es sich um B, so ist der Fall genauso zu beur- Geht man dem näher nach, so ergibt sich folgendes:
teilen. a) Aus dem Fehlen einer Identitätstäuschung läßt sich kein Schluß ziehen,
Nach denselben Kriterien ist auch die Teilnahmeproblematik beim dolus der zur Ablehnung der mittelbaren Täterschaft führen müßte. Wenn man
generalis zu lösen. Wenn der A sein Opfer vermeintlich getötet hat und der - wie es im allgemeinen angebracht ist - die Identität einer Person an ihren
Hintermann, der erkennt, daß es sich nur um eine Bewußtlosigkeit handelt, Namen oder ihre äußere Erscheinung knüpft, so würde ein solches Kri-
ihm rät, die „Leiche" zur Verbergung der Tat ins Wasser zu werfen, wo nun- terium hier dem Sachverhalt nicht gerecht. Denn dem eifersüchtigen B
mehr der Tod eintritt - dann ist der Hintermann, da er allein den konkreten unseres Beispielsfalles geht es ja nicht um den Namen und das Aussehen des
Handlungssinn des letzten Teilaktes erfaßt, als mittelbarer Täter des Tot- Verprügelten, sondern um seine Eigenschaft als Ehebrecher. Da C unschul-
schlages zu bestrafen, auch wenn man mit der überwiegenden Meinung den dig ist, irrt B insofern über das für den konkreten Handlungsvorgang ent-
A gleichfalls als vorsätzlichen Täter eines vollendeten Delikts ansieht. scheidende Identitätsmerkmal. Der Sachverhalt hebt sich also in diesem
Aus alledem ergibt sich: Wenn man aus dem Schweigen der führenden Punkt nicht in relevanter Weise von den in der ersten Fallgruppe genannten
Vertreter der Tatherrschaftslehre schließen darf, daß sie in solchen Fällen Beispielen ab.
eine mittelbare Täterschaft ablehnen, so wäre dem nicht zuzustimmen; b) Eine Anstiftung liegt allerdings vor. Denn was den von §223 StGB
genauso wie es zu eng ist, wenn Gallas 113 - vielleicht ohne an diese Konstel- allein erfaßten Tatbestandssinn - die Begehung einer Körperverletzung
lation zu denken - sagt, eine mittelbare Täterschaft sei auf jeden Fall „dort anlangt, so hat B durchaus die Tatherrschaft, und insofern ist der Hinter-
zu verneinen, wo der Handelnde voll verantwortlicher Täter ist". mann A nur Anstifter.
Däß selbstverständlich auch nach der hier vertretenen Auffassung nur eine Man kann daraus aber nicht ohne weiteres schließen, daß A in diesem
Anstiftung vorliegen kann, wenn Vorder- und Hintermann demselben Irr- Fall überhaupt nur Anstifter sein könne, wie es Wieners 114 und Kaun 115
tum verfallen, bedarf kaum der Erwähnung. unter ausdrücklicher Berufung auf die Tatherrschaftslehre tun. Denn wie
schon oben geht es hier für den Hintermann A nicht um die Herrschaft
über die von B begangene und vom abstrahierenden Tatbestand allein
erfaßte Körperverletzung, die den B zum vorsätzlichen Täter und Tat-
herren dritter Stufe macht, sondern um den Sinn der konkreten Handlung.
" 2 so auch mit Recht Sax a. a. O .
113
G u t a c h t e n S. 134; vgl. auch die schon mehrfach e r w ä h n t e Ä u ß e r u n g Welzels, SJZ 1947, Veranlassung u n d U n t e r s t ü t z u n g z u m Selbstmord, 1958, S. 67
Sp. 650, der Täter hinter d e m Täter sei ein „Unbegriff". D i e Beteiligung am Selbstmord als strafrechtliches Problem, 1960, S. 53
218 219

Dieser für die Tat maßgebende Sinn aber war nur dem Hintermann A Täuschung über den Sinn der konkreten Handlung einen anderen zu einem
zugänglich, während der handelnde B ihn verfehlte: Er wollte einen Ehe- Angriff auf einen Dritten, damit dieser in berechtigter Notwehr den An-
brecher züchtigen, in Wirklichkeit aber handelte es sich um die von einem greifer verletze oder töte, so liegt mittelbare Täterschaft mit Hilfe zweier
übelwollenden Feind inszenierte Verprügelung eines unschuldigen Men- Werkzeuge - eines irrenden und eines genötigten - vor.
schen. Dieselbe Lösung ergibt sich, wenn die Wirksamkeit des Hintermannes
Daß die auf der dritten Tatherrschaftsstufe vorliegende Anstiftung diesen dem Handelnden überhaupt verborgen bleibt. Man nehme an, daß in
Sachverhalt nur verdunkelt, zeigt sich sehr klar, wenn man sich den Rat- Schillers für die Tatherrschaftslehre zurechtgestutzter „Kabale und Liebe"
schlag des A wegdenkt und annimmt, daß dieser, der das Wesen des eifer- der tugendhafte Ferdinand gegenüber Wurm geäußert habe, er werde seine
süchtigen B kennt, sich darauf verlassen habe, er werde auch ohne Auf- Luise töten, wenn sie ihm untreu sei. Wenn nun Wurm, um Luise aus dem
forderung den vermeintlichen Ehebrecher verprügeln. Dann würde eine Wege zu räumen, Ferdinand einen gefälschten Brief in die Hand spielt, der
Anstiftung fehlen, die Frage nach der mittelbaren Täterschaft aber genauso die Untreue Luises beweist, und wenn Ferdinand daraufhin erwartungs-
zu beurteilen sein. gemäß Gift in Luises Limonade schüttet, so ist zwar Ferdinand strafrechtlich
c) Am schwersten wiegt der Einwand, daß es sich um einen bloßen voll verantwortlicher Täter, Wurm aber wird nach der hier vertretenen Auf-
Motivirrtum handele. Denn so selbstverständlich es anerkannt ist, daß die in fassung als mittelbarer Täter bestraft.
§ 48 StGB als Anstiftungsmittel genannte „Herbeiführung eines Irrtums" die Konsequenterweise muß das alles auch für Mitwirkungsformen gelten, die
Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft nicht ausschließt, so sehr ist man sich äußerlich nur als Unterstützungshandlungen darstellen. N u r wird in
darüber einig, daß der für die Teilnahme übrigbleibende Fall eben der des diesen Fällen meist deshalb eine Teilnahme vorliegen, weil der Außen-
Motivirrtums ist. stehende entweder den konkreten Handlungssinn oder die Falschvorstellung
Die Frage ist nur, was man unter einem Motivirrtum verstehen soll. Wenn des unmittelbaren Täters selbst nicht durchschaut.
der Handelnde den von ihm verfolgten Zweck verfehlt, braucht noch
kein Motivirrtum vorzuliegen; denn dann müßten selbst vorsatzausschlie-
ßende Irrtümer hierher gerechnet werden. Man könnte ferner alle für die D. Der Irrtum über Qualifikationsvoraussetzungen
Erfüllung des subjektiven Tatbestandes irrelevanten Irrtümer dazuzählen.
Aber diese Lösung würde die vierte Tatherrschaftsstufe und damit die oben Die Sachverhalte der dritten Gruppe, bei denen der Irrtum sogar die gesetz-
dargelegte Bedeutung der konkreten Situation für die Teilnahmeverhältnisse liche Wertung der Tat des unmittelbar Handelnden beeinflußt, können nach
verkennen. den Ergebnissen der vorangegangenen Untersuchung keine andere Würdi-
Dann aber bleibt nur die Möglichkeit, als Motivirrtum jede Fehlvor- gung erfahren. Es ist also in den beiden vom B G H entschiedenen Fällen,
stellung anzusehen, die sich nicht auf den konkreten Handlungssinn bezieht. soweit der Hintermann den Erfolg wissentlich und willentlich herbeiführen
Solche Irrtümer gibt es durchaus; sie sind auch von den falschen Vorstel- wollte, mittelbare Täterschaft anzunehmen.
lungen über den Handlungsinn (kurz: den Handlungsirrtümern) nicht allzu Wenn man, wie der Bundesgerichtshof, den Mordtatbestand nicht für eine
schwer abzugrenzen. Man denke an den schon oben erwähnten Fall, daß unselbständige Qualifikation des §212 StGB, sondern für ein selbständiges
jemand sich durch die betrügerische Vorspiegelung einer Belohnung zur Tat Delikt hält 116 , liegt diese Lösung besonders nahe; denn die amerikanischen
bestimmen läßt. Ein solcher Irrtum verändert den Sinngehalt des von ihm Soldaten bzw. die ehemaligen KZ-Häftlinge unserer Beispielsfälle haben
begangenen Delikts nicht: Es handelt sich so oder so um eine Tötung aus dann eine ganz andere Straftat verwirklicht als sie in der Person des Hinter-
Habgier. Deshalb ist der Hintermann nicht mittelbarer Täter, sondern mannes vorliegt. Wollte man die „niedrigen Beweggründe" des §211 StGB
Anstifter. Das gilt in allen Fällen, bei denen sich jemand zu einer Tat durch dem Bereich tatbestandlichen Unrechts zuzählen, so läge der Fall sogar dem
einen Irrtum über Umstände bewegen läßt, die außerhalb der Delikts- eines vorsatzlos handelnden Tatmittlers parallel: Hier wie dort würde der
verwirklichung liegen. Es gilt ferner, wenn der Irrtum einen schon vorher Handelnde die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes nicht erfüllen.
bestehenden Tatentschluß nur verstärkt, ohne den konkreten Handlungssirih Doch darf die Lösung der Teilnahmeprobleme nicht von diesen schwierigen
umzuprägen, oder wenn die Falschvorstellung sich nur auf das formelle Ver- systematischen Fragen abhängen: In jedem Falle haben die Ausführen-
bot, die Subsumtion oder die Strafbarkeit bei Kenntnis des materiellen den den konkreten Handlungssinn völlig verfehlt. Sie wollten vielfache
Unrechts bezieht. Mörder der „gerechten" Strafe zuführen und haben stattdessen bei objek-
Ist demnach eine Abgrenzung zwischen Motiv- und Handlungsirrtum tiver Betrachtung unschuldige Menschen ohne Grund getötet. Das allein
prinzipiell möglich, so bestehen gegenüber der ersten Fallgruppe keine rele-
vanten Unterschiede mehr: Es ist also mittelbare Täterschaft anzunehmen.
Auch bei den oben aufgeführten komplizierteren Variationen dieser 116
Vgl. nur die schon erwähnte Entscheidung BGHSt 1, 368-372 (370/71); ferner
Sachverhaltsgruppe ist so zu entscheiden. Veranlaßt jemand durch eine BGHSt 6, 329-333 (330)
220 221

genügt, um den Hintermann kraft sinnhafter Überdetermination zum mittel- tet aber, sie könne beim Aufprall explodieren und dem dort arbeitenden
baren Täter zu machen. Mieter C Schaden tun. B, der im Kriege als Sprengstoff-Fachmann tätig
Trotzdem hat der B G H in beiden Fällen - wahrscheinlich ohne das Pro- gewesen ist, zerstreut aber seine Bedenken, indem er ihm unter Hinweis auf
blem zu sehen - die Annahme einer mittelbaren Täterschaft nicht einmal seine Sachkunde erklärt, eine Explosion sei nicht sehr wahrscheinlich. In
erwogen und nur wegen der gleichfalls vorliegenden Anstiftung bestraft. Wirklichkeit w"eiß er, daß die Bombe mit höchster Wahrscheinlichkeit deto-
Doch sind v. Weber 117 und Hardwig 118 bei Erörterung des Soldatenfalles mit nieren und den C verletzen oder töten wird. Das will er, da er mit C seit
Recht zur Bejahung der mittelbaren Täterschaft gekommen. V. Weber meint, langem verfeindet ist, auch erreichen. Dabei hofft er, den A, indem er ihm die
bei den amerikanischen Soldaten handele es sich um absichtslose dolose Gefahr als geringer hinstellt, zur unmittelbaren Handlung bewegen und auf
Werkzeuge, weil der Hintermann den Tatherrschaftswillen habe. Das diese Weise die Verantwortung von sich abwälzen zu können. Der Plan
erscheint mir nicht ganz richtig; denn den Tatherrschaftswillen hat der gelingt. A, der sich der konkreten Möglichkeit des Erfolgseintrittes bewußt
Handelnde auch - er ist ja selbst vorsätzlicher Täter und insofern nicht bleibt, schätzt das Risiko falsch ein und nimmt infolgedessen die Handlung
„absichtslos". Wenn v. Weber aber weiter über den Veranlassenden sagt, „daß vor, die den Tod des C herbeiführt.
die ganze Tat als ein Racheakt von ihm erscheint und deshalb sein Motiv die Die Frage, ob A wegen bedingt vorsätzlicher oder wegen fahrlässiger Tat
Bewertung der Tat bestimmt", so klingt in diesen Worten die oben ent- zur Rechenschaft zu ziehen ist, läßt sich nach dem jeweiligen Standpunkt
wickelte Lösung durch. Noch deutlicher wird das bei Hardwig, der, ohne sehr verschieden beantworten. Doch ist oben 119 schon gezeigt worden, daß
auf den Tatherrschaftsgedanken zurückzugreifen, ausführt: „Der Sinn der und warum die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung
Tat vom ,Anstifter' aus ist gemeine Tötung, also Mord ... Im Sinne dieser davon nicht abhängig gemacht werden darf. Wir sehen also von diesen
gemeinen Tötung waren die Soldaten Werkzeug". Das entspricht durchaus schwierigen Streitfragen ab und versuchen, das Problem mit den bisher
der hier vertretenen Meinung. erarbeiteten Kriterien der Tatherrschaft zu lösen.
Aus diesem Ergebnis folgt ein weiteres: Auf die Entscheidung der viel Dann ergibt sich zunächst, daß der Hintermann B die Gestaltung des
umstrittenen Frage, ob die subjektiven Mordmerkmale zu den „persönlichen Kausalablaufs besser übersehen hat als der A. Doch ändert dessen Irrtum
Eigenschaften oder Verhältnissen" im Sinne des § 50 Abs. 2 StGB zu zählen nichts daran, daß er den Tatbestand final, rechtswidrig und schuldhaft ver-
sind, kommt es für Fälle der hier vorliegenden Art nicht an. Obwohl gerade wirklicht hat. Eine mittelbare Täterschaft kann deshalb nur dann vorliegen,
die erwähnten BGH-Entscheidungen die Debatte über diesen Streitpunkt wenn man wie bei den oben behandelten Fallgruppen beim Hintermann eine
wesentlich belebt haben, und obwohl auch v. Weber und Hardwig zur Tatherrschaft vierter Stufe annehmen darf. Voraussetzung dafür wäre, daß
Annahme mittelbarer Täterschaft erst gelangen, nachdem sie die Anwend- dem Geschehen, so wie es der B vor Augen hat und seinem Plane gemäß auf
barkeit des §50 Abs. 2 verneint haben, bedurfte es dieses Umweges nicht: den Erfolg hinlenkt, ein anderer Handlungssinn zukäme als dem Verhalten
Auch wenn der „niedrige Beweggrund" eine „persönliche Eigenschaft" sein des A.
sollte, würde doch mittelbare Täterschaft vorliegen. Natürlich behält das Bei Erörterung dieser Problematik wollen wir vorerst von unserem kon-
Problem für die Fälle, in denen der nach §212 StGB Handelnde die kreten Beispiel absehen und die Frage allgemein dahin stellen, ob eine
niedrigen Beweggründe des Hintermannes kennt - es also an einem Irrtum unrichtige Einschätzung der Erfolgs-Chance durch den Täter sich auf den
fehlt -* seine Bedeutung. Handlungssinn auswirkt. Dabei wird man die in Betracht kommenden
Konstellationen unter dem doppelten Aspekt ihrer psychologischen Struktur
und ihres rechtlichen Bedeutungsgehaltes würdigen müssen.
2. Der Risikoirrtum

Schließlich ist noch auf die Fälle zurückzukommen, bei denen der Aus- A. Der psychologische Aspekt
führende tatbestandsmäßig, rechtswidrig und final handelt, gleichwohl aber
über die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes irrt und von einem all?s Zunächst einmal kann von einer Geschehenssteuerung durch den Hinter-
übersehenden Hintermann zur Tat veranlaßt wird. U m es an einem Bei- mann nur dort die Rede sein, wo sein größeres Kausalwissen auf die Ge-
spiel zu verdeutlichen: A und B finden beim Herumstöbern auf dem Dach- staltung des äußeren Geschehens von Einfluß ist. Das ist keineswegs immer
boden eines Hauses einen Blindgänger, der seit den Kriegszeiten hier der Fall. Wenn beispielsweise der ausführende A und der veranlassende B
steckengeblieben ist. A möchte, um die obere Wohnung nicht zu gefähr- den Erfolg gleichermaßen erstreben, bleibt die bessere Orientierung des B
den, die Bombe sogleich aus der Bodenluke in den Garten werfen, befürch- über die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes auf das Handlungs-

117
MDR 1952, S. 266 119
118
GA 1954, S. 260 S. 192/193
222 223

geschehen ohne jede Auswirkung. Hätte A gewußt, was B weiß, so hätte sich dann sprechen, wenn die kausale Wirkung eines Umstandes auf den fakti-
der Vorgang nicht anders gestaltet. Dasselbe gilt, wenn der Vordermann den schen Geschehensablauf außer Zweifel steht, wenn man aber diesen
deliktischen Erfolg zwar nicht erstrebt, sein Eintritt ihm aber in dem Grade Umstand außer Betracht läßt, weil der Erfolg auch sonst eingetreten wäre. So
gleichgültig ist, daß die Größe des Risikos für seinen Entschluß keine lag es in den an anderer Stelle erörterten Fällen „unwesentlicher" Beein-
Bedeutung hat. Kurz: Aus dem Bereich der mittelbaren Täterschaft scheiden flussung des Kausalverlaufs 120 - hier aber ist es nicht so. Denn wenn A ohne
von vornherein alle die Fälle aus, in denen der Vordermann auch dann nicht den Risikoirrtum genauso gehandelt hätte, fehlt schon jede reale Ursächlich-
anders gehandelt hätte, wenn ihm das größere Wissen des Außenstehenden keit der Täuschung, weil nicht sie, sondern der Tötungswille Motiv der Tat
inhaltlich bekannt gewesen wäre. gewesen ist. Allerdings ist auch für die Ermittlung des realen Bedingungs-
In vielen Fällen dieser Art wird es so sein, daß dem Verhalten des Hinter- zusammenhanges der Vergleich mit einem hypothetischen Ursachenverlauf
mannes jede kausale Beziehung zum Erfolge fehlt. Wenn etwa in unserem erforderlich, bei dem der auf seine Kausalität zu prüfende Faktor eliminiert
Bomben-Beispiel auch der A den Tod des C herbeiführen wollte, hätte sich oder hinzugedacht wird; aber darin liegt ein allgemeines Merkmal der Äqui-
die Täuschung des B auf den Gesamtvorgang in keiner Weise ausgewirkt: valenztheorie, das nicht dazu dienen kann, den Vorwurf der Heranziehung
Den Tatentschluß hat A selbst gefaßt; und nicht einmal eine psychische Bei- hypothetischer Geschehensabläufe zu begründen 121 .
hilfe liegt vor, denn die Vorspiegelung einer geringeren Erfolgs-Chance kann Dadurch klärt sich auch die zweite Frage. Wenn jemand den rechtlichen
auf das Verhalten des A eher hemmenden als fördernden Einfluß gehabt Unwertgehalt oder auch nur den konkreten Handlungssinn seines Tuns - so
haben. Es ist klar, daß hier eine mittelbare Täterschaft nicht in Betracht wie er oben beschrieben worden ist - nicht erfaßt, kann das Problem, was er
kommt, weil schon die Mindestvoraussetzung für eine Geschehenssteuerung bei Kenntnis der Situation getan hätte, für die rechtliche Beurteilung nicht
durch den Hintermann, nämlich die Kausalität, fehlt. aktuell werden. Denn jedenfalls hat er auf Grund einer Motivation ge-
In anderen Situationen hat der Außenstehende freilich eine Erfolgs- handelt, die der objektiven Bedeutung seines Verhaltens nicht gerecht wurde
bedingung gesetzt; so, wenn der B den A erst auf den Gedanken bringt, den und deshalb eine sinngestaltende Überdetermination durch den Hintermann
C durch einen Bombenwurf zu töten, oder wenn er ihm den Sprengkörper zuließ. Wollte man hier fragen, wie der Ausführende sich ohne den Irrtum
hinreicht. Aber in solchen Fällen handelt es sich um eine typische An- verhalten hätte, so läge darin in der Tat die Unterschiebung eines nur
stiftungs- und Beihilfekausalität, die keine Geschehenssteuerung begründet gedachten Ereignisses. Wenn die Fälle des Risikoirrtums anders zu beurteilen
und, wie leicht zu sehen ist, mit dem größeren Kausalwissen des Außen- sind, so hat das seinen Grund darin, daß dort, wo die falsche Einschätzung
stehenden nichts zu tun hat. Eine Kausalität der Täuschung besteht also auch der Erfolgs-Chance auf den Entschluß des Handelnden keinen Einfluß hat,
bei derartiger Sachlage nicht. der Unrechts- und Schuldgehalt ebenso wie der konkrete Handlungssinn
Gegen die hier vertretene Auffassung, wonach eine mittelbare Täterschaft durch das unzutreffende Wahrscheinlichkeitsurteil nicht verändert werden:
jedenfalls dann nicht anzunehmen ist, wenn der Täter auch bei einer Beabsichtigt jemand, durch einen Schuß aus großer Entfernung einen
richtigen, der Kenntnis des Hintermannes entsprechenden Einschätzung der anderen zu töten, so ist es unter keinem Gesichtspunkt von Belang, ob er die
Erfolgswahrscheinlichkeit nicht anders gehandelt hätte, ließe sich zweierlei Erfolgsaussicht mehr oder weniger richtig beurteilt.
einwenden: Erstens könnte man geltend machen, mit dem Abstellen auf das, Die psychische Situation hat hier also auch eine rechtliche Sinnbedeutung
was geschehen wäre, wenn..., greife man in Wahrheit auf den Gedanken der zumindest in negativer Hinsicht: Fehlt es an der Kausalität einer Täuschung
„überholenden Kausalität" zurück, von dem oben 120 ausdrücklich betont oder an der psychischen Relevanz eines auf andere Weise entstandenen Irr-
worden ist, daß er für die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und tums, so kann eine tatgestaltende Überdetermination und demnach auch eine
Anstiftung keine Bedeutung habe. Und zweitens mag die Frage auftauchen, mittelbare Täterschaft nicht gegeben sein.
warum wir denn in den früher behandelten Fällen stets eine Willens-
herrschaft des mehr wissenden Hintermannes angenommen haben, ohne
darauf einzugehen, ob der Ausführende nicht vielleicht bei Kenntnis der B. Die rechtliche Bedeutung des psychisch relevanten Risikoirrtums
Sachlage ebenso gehandelt hätte.
Beide Einwände sind nicht stichhaltig. Sie bedürfen aber doch einer Mit alledem sind aber die Fälle, bei denen eine Täuschung über die Wahr-
Stellungnahme, weil es sich um naheliegende Mißverständnisse handelt, scheinlichkeit des Erfolgseintritts sich auf den Handlungsentschluß des
deren Ausräumung die bei aller Differenziertheit widerspruchslose Ent- unmittelbaren Täters auswirkt, noch nicht zugunsten einer mittelbaren
faltung des Grundgedankens der Willensherrschaft hervortreten läßt.
Was zunächst die Berücksichtigung der überholenden Kausalität, also
121
eines hypothetischen Ursachenverlaufes, anlangt, so kann man davon nur Das kommt auch im Urteil BGHSt 13, 13-15, nicht deutlich heraus; denn es hätte
dort erst einmal geklärt werden müssen, ob überhaupt die Lügengeschichte des Ange-
120
klagten - oder nicht vielleicht seine bloße Geldbitte - die Vermögensverfügung ver-
Vgl.S. 175-178 anlaßt hat.
224 225

Täterschaft entschieden. U m einen Sachverhalt dieser Art handelt es sich in Verwirklichung nach den Vorstellungen des Handelnden geringer wird. Man
unserem Ausgangsbeispiel: Hätte A gewußt, daß die Bombe mit hoher kann sich das durch das Bild einer gleitenden Skala verdeutlichen, die nach
Wahrscheinlichkeit explodieren werde, so wäre die Tat unterblieben. B hat oben an den dolus directus, nach unten an die unbewußte Fahrlässigkeit
sich also kraft seiner Täuschung des A in dem für dessen Entschließung grenzt. Wo man hier die Trennungslinie zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit
maßgebenden Punkt als eines blinden Werkzeuges bedient. Die psycholo- zieht, die immer einen gewaltsamen Einschnitt in fließende Übergänge
gischen Voraussetzungen einer höherstufigen Tatherrschaft liegen damit bedeutet, ist für unsere Betrachtung unerheblich; denn auch innerhalb des -
vor. so oder anders bestimmten - Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbereiches stuft sich
Wir haben aber schon bei früherer Gelegenheit gesehen, daß dieser die Schuld ihrem Umfange nach proportional der vorgestellten Wahrschein-
Umstand allein zur Begründung einer mittelbaren Täterschaft nicht aus- lichkeit ab.
reicht. Eine Täuschung über die Strafbarkeit bei voller Kenntnis des Ist dem aber so, dann erfaßt der Hintermann, der einen Risikoirrtum her-
Unrechts- und Schuldgehaltes durch den Ausführenden kann motivierend vorruft oder ausnutzt, den rechtlichen Bedeutungsgehalt der Tat besser als
wirken, ohne dem Hintermann die Willensherrschaft zu verleihen 122 . der Ausführende; er kennt schulderhebliche Umstände, die dem Handelnden
Berücksichtigen wir die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkennt- verborgen bleiben. Der Sinn, den er dem Geschehen durch seinen kausalen
nisse, so hängt die Lösung des hier in Rede stehenden Problems von der Beitrag aufprägt, ist auch nach rechtlichen Maßstäben ein anderer als der, den
Antwort auf die beiden folgenden Alternativ-Fragen ab: die Tat in den Augen des Vordermannes hat. Einerlei, ob man diesen wegen
Hat ein Ausführender, der sich der konkreten Möglichkeit einer Tat- vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens bestraft: Es liegt eine sinn-
bestandsverwirklichung bewußt ist, sich aber wegen einer unrichtigen Ein- gestaltende Überdetermination vor, die dem Hintermann die Tatherrschaft
schätzung ihrer Wahrscheinlichkeit trotzdem zum Handeln entschließt, das verleiht.
Unrecht, die Schuld und den konkreten Handlungssinn seines Tuns in dem- Unser Ergebnis läßt sich also wie folgt zusammenfassen: Wo eine Täu-
selben Maße erfaßt wie ein Hintermann, der das Risiko bzw. die Chance des schung über die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes für den Entschluß
Erfolges zutreffend erkennt? Oder verwirklicht nur der Außenstehende vor- des Handelnden kausal ist, oder wo die Kenntnis des wahren Risikos ihn
sätzlich den vollen rechtlichen Bedeutungsgehalt der Tat? Im ersten Falle von seinem Tun abgehalten hätte, begründet die Herbeiführung oder Aus-
liegt eine Anstiftung vor. Läßt sich dagegen die zweite Frage bejahen, so nutzung eines solchen Irrtums die mittelbare Täterschaft des Außenstehen-
gestattet das größere Kausalwissen dem B auch nach rechtlichen Maßstäben den. Entschließungsunerhebliche Risikoirrtümer des Handelnden lassen die
eine sinngestaltende Überformung des Handlungsgeschehens, die zur Mitwirkung des Hintermannes als Teilnahme erscheinen. Dasselbe gilt, wenn
Annahme einer mittelbaren Täterschaft führt. beide dem gleichen - sei es auch für ihr Verhalten maßgeblichen - Irrtum
Zutreffend ist die letztgenannte Auffassung. Denn der entschließungs- unterliegen.
erhebliche Risikoirrtum läßt zwar die Finalität und die Rechtswidrigkeit
unberührt und verschleiert dem Täter auch nicht die Individualität und Qua-
lität des konkreten Handlungsobjektes. Aber er mindert den Schuldgehalt VI. Der Irrende handelt tatbestandslos oder rechtmäßig
seines Tuns. Hat jemand ein Delikt durch ein Verhalten verwirklicht, das er
bei irrtumsfreier Beurteilung des Risikos unterlassen hätte, so handelt er Hier sind zwei vieldiskutierte Fallgruppen zu erörtern: Das Problem der
weniger schuldhaft, als wenn er die Tat bei richtiger Kenntnis der Sachlage mittelbaren Täterschaft durch einen tatbestandslos handelnden Mittler, das
vorgenommen hätte. sich hauptsächlich bei dem durch einen Irrtum herbeigeführten Selbstmord
Dem Rechtsgefühl leuchtet das unmittelbar ein. Wenn jemand die Aus- ergibt (1) und die Benutzung eines rechtmäßig handelnden Werkzeugs, wie
sicht, daß bei einer waghalsigen Aktion ein anderer zu Schaden kommen sie in den klassischen Beispielen des Prozeßbetrugs und der Herbeiführung
könnte, auf 1 0 % einschätzt und daraufhin das Unternehmen riskiert, so ist einer materiell ungerechtfertigten strafrechtlichen Verurteilung vorliegt (2).
das zwar immer noch als final, rechtswidrig und schuldhaft anzusehen, aber
die Vorwerfbarkeit ist entschieden geringer, als wenn die von ihm erkannte
Gefahr der Rechtsgüterverletzung sich auf 90 % belaufen hätte. 1. Der Ausführende handelt tatbestandslos 123
Auf dieser Einsicht beruht es, daß jene Lehren, die Vorsatz und Fahr-
lässigkeit nach dem Maße der Schuld unterscheiden, auf das Kriterium der Die Frage, ob jemand Täter eines Mordes oder Totschlages ist, wenn er einen
Wahrscheinlichkeit nicht ganz verzichten können. Dort, wo die Risikofrage anderen durch eine Täuschung vorsätzlich zum Selbstmord bestimmt, ist
für den Entschluß des Täters überhaupt relevant ist, nimmt die Schuld im lebhaft umstritten.
selben Verhältnis ab, in dem die Wahrscheinlichkeit einer Tatbestands-
Die Fälle, bei denen das Opfer sich unvorsätzlich selbst tötet, sind des Zusammen-
Vgl. dazu im einzelnen oben S. 201-203 hanges wegen schon an anderer Stelle (oben S. 170ff.) besprochen worden.
226 227

Unter den Anhängern der Tatherrschaftslehre will Maurach 124 in allen liebten, deren er überdrüssig ist, den Vorschlag macht, mit ihm gemeinsam in
Fällen der „Hervorrufung eines Motivirrtums beim Selbstmörder" mittel- den Tod zu gehen, und später, nachdem sie sich getötet hat, froh ist, sie auf
bare Täterschaft annehmen; als Beispiele nennt er die Vorspiegelung einer diese Weise losgeworden zu sein, so stand es der Frau sicherlich frei, ob sie
schweren Krankheit oder die Behauptung, dem anderen in den Tod folgen zu auf den trügerischen Vorschlag des Mannes eingehen wollte oder nicht. Und
wollen. Auch Welzel 125 spricht davon, daß jemand mittelbarer Täter sei, auch die Vorspiegelung einer unheilbaren Krankheit etwa „zwingt" den
wenn er „die finale Tatherrschaft über die Selbsttötung ..., z.B. infolge ... Getäuschten nicht zum Selbstmord. Es gibt viele, die wissen, daß sie bald
Täuschung" habe. Über die Art der Täuschung macht er keine näheren sterben müssen, und dennoch aus freiem Entschluß weiterleben.
Angaben. Aber diese ganze Betrachtungsweise trifft den Kern der Sache nicht. Sie
Dagegen kommen Wieners und Kaun, die beide eine Spezialuntersuchung reduziert den Bereich der Tatherrschaft auf die Nötigungsfälle und übersieht,
über die Beteiligung am Selbstmord vom Standpunkt der Tatherrschafts- daß auch der Irrtum eines frei Handelnden dem Hintermann die Willens-
lehre aus vorgelegt haben, unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, daß herrschaft in Form einer sinngestaltenden Überdetermination ermöglichen
eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes in keinem Falle vorliege, kann. Es ist nicht nur hier, sondern in allen Fällen der mittelbaren Täter-
weil beim Veranlaßten „die Fähigkeit zur Bildung eines persönlichkeits- schaft durch Benutzung eines irrenden Werkzeuges so, daß der Ausführende
bestimmten Willensentschlusses" 126 nicht ausgeschaltet sei und der Ge- hinsichtlich dessen, was er will, frei handelt 129 . Seine Unfreiheit liegt darin,
täuschte „die Entscheidung für oder wider das Leben ... frei zu treffen" 127 daß er nicht weiß, was er tut. Die Frage kann hier also nur sein, ob eine
vermochte. solche Unkenntnis bei einem „Betrug ums Leben" 130 vorliegt. Sicher ist der
Auch sonst sind ganz verschiedene Lösungen vertreten worden 128 . Vom Getäuschte sich darüber klar, daß er Selbstmord begeht. Jedoch wissen wir
Standpunkt der früher herrschenden Animus-Theorie aus wird man schon bereits, daß es für die mittelbare Täterschaft nicht lediglich auf die Kenntnis
deshalb leicht zur Bejahung der mittelbaren Täterschaft neigen, weil der des äußeren Erfolges, sondern auf das Verständnis des konkreten Hand-
täuschende Hintermann den „Täterwillen" hat. Doch ergeben sich daraus für lungssinnes ankommt.
die Tatherrschaftslehre keine verwertbaren Ansätze. Diesen Sinn aber verfehlt der getäuschte Selbstmörder, und zwar gilt das
Wir können bei der Lösung von den oben behandelten Fällen der vierten besonders dann, wenn man den Entschluß zur Selbsttötung als eine höchst-
Tatherrschaftsstufe ausgehen. Prinzipielle Abweichungen, die eine ent- persönliche, unvertretbare, den innersten Kern der Persönlichkeit berüh-
sprechende, die Besonderheiten der Selbsttötung berücksichtigende Ver- rende „existenzielle" Entscheidung ansieht - wenn man also den Argumen-
wendung der dort entwickelten Gedanken ausschließen würden, ergeben ten folgt, mit denen meistens gerade die fehlende Tatherrschaft des
sich nicht. Daraus folgt: Hintermannes begründet werden soll. Denn wenn man das zugibt, so läßt
Die von Wieners und Kaun angestellte Erwägung, daß der Selbstmörder sich nicht ein Selbstmord mit dem anderen gleichsetzen, sondern es handelt
trotz der Täuschung die freie Entscheidung über sein Leben in der Hand sich um einen je einmaligen, unwiederholbaren und rationaler Generali-
behalte, spricht nicht gegen die Annahme einer mittelbaren Täterschaft. sierung unzugänglichen Akt der Freiheit, der seinen Sinn allein aus der indi-
Sachlich ist sie im wesentlichen - wenn auch nicht immer - richtig. Es gibt viduellen Situation und Motivation des Handelnden erhält. Dann aber muß
freilich Irrtümer, die den Getäuschten in eine psychische Zwangssituation eine Handlung als schlechthin sinnlos erscheinen, wenn sie auf Voraus-
versetzen, die derjenigen der §§52, 54 StGB gleichkommt: So etwa, wenn setzungen ruht, die täuschendes Blendwerk sind. Man denke an unsere Bei-
jemand im Kriege einem Widerstandskämpfer, den er aus dem Wege räumen spielsfälle: Die betrogene Geliebte und der vermeintlich unheilbar Kranke
will, vorlügt, die Gestapo sei schon im Begriff, ihn abzuholen, und es sei, um müßten sich selbst um den Sinn ihres Todes betrogen fühlen, und sich daher
den zu erwartenden Folterungen zu entgehen, besser, sich vorher selbst den als blinde Opfer eines abgefeimten Mordplanes erscheinen, während der
Tod zu geben. In solchen Fällen kann man nach den gesetzgeberischen Hintermann den Zweck seines Manövers, die Beseitigung einer ihm lästigen
Wertvorstellungen, wie sie in den §§52, 54 StGB zum Ausdruck kommen, Person, in vollem Umfang erreicht hat. Läßt man also, wie es nach dem oben
den' Selbstmordentschluß des Irrenden nicht mehr „frei" nennen, und Dargelegten erforderlich ist, eine auf die Gestaltung des konkreten Hand-
zumindest hier müßten auch Wieners und Kaun eine mittelbare Täterschaft lungssinnes gerichtete Überdetermination für die Willensherrschaft aus-
annehmen. reichen, so liegt hier ein Fall mittelbarer Täterschaft vor. Die Beispiele sind
Im Normalfall ist es allerdings in der Tat so, daß der Getäuschte noch daher im Sinne Maurachs zu entscheiden.
durchaus frei über sein Leben entscheiden kann. Wenn jemand seiner Ge- Zu einer anderen Lösung könnte man nur dann kommen, wenn man die
Meinung vertreten wollte, die Rechtsordnung kümmere sich nicht um die
124
B.T., 3. Aufl., S. 17; sehr ähnlich A.T., 2. Aufl., S. 504
125
Lehrb., 7. Aufl., S. 245
126
Wieners a. a. O. S. 66/67 (66) Vgl. darüber schon oben S. 171
127
Kauna.a.O.S. 51-55(52) Feld, Die Anstiftung und Beihilfe zum Selbstmord, Diss., 1909, S.35; zitiert nach Kaun,
128
Vgl. die Angaben bei Kaun, S. 55, Anm. 1 S. 55, Anm. 1
228 229

Sinnbedeutung, die der Selbstmord für den einzelnen habe. Nach rechtlichen Darauf braucht man aber noch nicht einmal entscheidendes Gewicht zu
Beurteilungsmaßstäben sei ein Freitod wie der andere. Wer sich selbst den legen. Denn schon allein die gesetzliche Behandlung des Freitodes läßt deut-
Tod gebe, habe alles gewußt, was an dem Vorgang rechtlich relevant sei; lich werden, daß zwischen dem Tun des irrenden Selbstmörders und dem des
einerlei, unter welchen Voraussetzungen er die Tat vollbracht habe. sehenden Hintermannes eine rechtliche Sinndifferenz besteht.
Würde man dem folgen, so wäre eine mittelbare Täterschaft allerdings Wenn nämlich der Gesetzgeber die Selbsttötung - mag sie nun recht-
abzulehnen. Es kann auch kein Zweifel sein, daß eine solche Meinung in mäßig, rechtswidrig oder unverboten 131 sein - für nicht tatbestandsmäßig
ihrer Argumentation den springenden Punkt erfaßt und die einzige echte erklärt und auch die Teilnahme daran straflos gelassen hat, so kann der
Antithese zur oben entwickelten Auffassung bildet. Die wirkliche Alter- Grund nur darin liegen, daß er den höchstpersönlichen Entschluß des ein-
native bei der Entscheidung unseres Problems bezeichnen nicht - wie zelnen respektiert. Betrügt nun ein anderer den Selbstmörder um den indivi-
man meist annimmt - die Begriffe der psychischen „Freiheit" und „Un- duellen Sinn seines Todes, so muß sich auch die rechtliche Beurteilungsbasis
freiheit", sondern die Kriterien der rechtlichen „Sinngleichheit" und „Sinn- verschieben. Was objektiv geschieht, erfüllt nicht die Voraussetzungen, von
differenz". denen der Handelnde ausging und über die der Gesetzgeber nicht rechten
Aber auch sachlich liegt die von uns entwickelte Gegenansicht recht nahe. will. Es ist ein vom verantwortlichen Bewußtsein des Getöteten nicht mehr
Man muß sogar zwangsläufig auf sie kommen, wenn man die für die Straftat- gedeckter Akt, der deshalb gerade in dem für die rechtliche Wertung des
bestände geltende Lösung unbesehen auf das Selbstmordproblem überträgt. Selbstmordes entscheidenden Punkt einen anderen Sinngehalt aufweist als
Das zeigt ein einfaches Parallelbeispiel: Wenn jemand, der einem anderen ein bei voller Kenntnis der Sachlage frei gewählter Tod. Darum liegt hier
eine unheilbare Krankheit vorgetäuscht hat, ihn dadurch nicht in den Freitod auch nach den Maßstäben des Strafrechts eine sinngestaltende Uberdetermi-
treiben will, sondern ihm stattdessen rät, in der kurzen ihm verbleibenden nation vor, die unausweichlich zur mittelbaren Täterschaft des Hinter-
Frist sein Leben noch einmal ausgiebig zu genießen, einen Großbetrug zu mannes führt.
verüben und mit dem erbeuteten Gelde eine Weltreise zu unternehmen, so Die bei Abgrenzung der mittelbaren Täterschaft notwendige Unterschei-
wäre das nach der hier vertretenen Lehre eine Anstiftung zum Betrüge und dung von Straftat und Selbstmord zeigt deutlich, wie fehlerhaft es wäre, den
nicht etwa ein Fall der mittelbaren Täterschaft. Warum soll es dann - so wird Tatherrschaftsbegriff einer abstrakten Schematik zu unterwerfen und ihn als
mancher fragen - beim Selbstmord anders sein? bloße Schablone zu benutzen. Er muß vielmehr bei richtiger Handhabung
Die Antwort ergibt sich daraus, daß es im einen Fall um ein Delikt, im alle konkreten Besonderheiten der Materie in sich aufnehmen, ohne von
anderen um ein tatbestandsloses Tun geht. Der rechtserhebliche Sinngehalt seiner allgemeinen Gültigkeit das geringste einzubüßen.
einer kriminellen Tat - hier also des Betruges - wird durch die Strafbestim- Das vorstehend begründete Ergebnis ändert sich auch dann nicht, wenn
mung mit ihren Unrechts- und Schuldvoraussetzungen, schließlich auch man bedenkt, daß viele Selbstmorde auf einem persönlichkeitsinadäquaten,
durch die Identität und Qualität des konkreten Handlungsobjektes, er- einer augenblicklichen Konfliktslage entspringenden, eher panikartigen Ent-
schöpfend bezeichnet. Umstände, die allein die Person des Handelnden schluß beruhen. Denn in einem solchen Falle tritt die objektive Sinnlosigkeit
selbst betreffen, wirken sich auf die Bedeutung der Tat nicht aus. Wenn der der vom Hintermann gesteuerten Selbsttötung eher noch deutlicher hervor,
Delinquent unheilbar krank ist und eine Weltreise unternehmen will, so ist weil der Handelnde schon subjektiv nur noch in eingeschränktem Sinne frei
seia Verhalten deshalb um keinen Deut weniger betrügerisch. Es liegt also entscheidet.
der klassische Fall eines Motivirrtums beim Ausführenden vor; der Hinter- Es ist auch nicht zu befürchten, daß unsere Auffassung zu einer über-
mann begeht eine handlungsauslösende Täuschung, die eine sinngestaltende mäßig weitgehenden Pönalisierung der Beteiligung am Selbstmord führen
Uberformung gleichwohl nicht zuläßt und deshalb als Anstiftung zu beur- könnte. Denn da der Entschluß zur Beendigung des eigenen Lebens zu den
teilen ist. schwersten gehört, die man überhaupt treffen kann, muß es sich um eine
Das ist bei der Selbsttötung grundlegend anders. Da sie tatbestandlich Täuschung handeln, die die Persönlichkeit des Opfers an der Wurzel trifft.
nicht erfaßt wird, legt keine abstrakte Norm ihren Sinngehalt fest. Schon Außerdem muß der Hintermann natürlich schon im Augenblick der Täu-
deshalb kann man geneigt sein, ihn durch die Motivation des Handelnden schung den Selbstmord des Getäuschten als Folge seines Tuns ins Auge
bestimmen zu lassen und zu sagen: Was für den um sein Leben betrogenen fassen; wenn er erst hinterher bemerkt, daß der andere unter dem Eindruck
Selbstmörder sinnlos ist, muß für den Gesetzgeber erst recht seine objek- der Lüge sich das Leben nehmen will, so kommt höchstens eine Unter-
tive Bedeutung durch den Tötungsplan des Hintermannes erhalten. Doch lassungstat in Frage, die an dieser Stelle noch nicht zu behandeln ist und in
läßt sich dieses Ergebnis auch positiv aus der Sozialethik und aus dem ihren Voraussetzungen anderer Beurteilung unterliegt 132 .
Gesetz begründen: Für ein auf die Gemeinschaftswidrigkeit abstellendes,
objektiv verstehendes Urteil ist der Freitod eines unheilbar Kranken durch- 131
aus anders zu bewerten als das Verhalten eines Hintermannes, der einen Richtig dürfte die letztgenannte Auffassung sein, die neuerdings Gallas, J Z 1960,
S. 652-655, eingehend begründet hat.
Gesunden arglistig zu einer auf Irrtum beruhenden Selbsttötung bewegt. 132
Vgl. dazu unten S. 473 ff.
230 231

Ebensowenig nötigt die hier vertretene Lösung dazu, eine Versuchs- Wenn wir von den Hauptbeispielen des Prozeßbetruges 136a und der
bestrafung eintreten zu lassen, wenn der andere die Lüge durchschaut oder Herbeiführung einer materiell ungerechtfertigten strafgerichtlichen Verur-
sich trotz der Täuschung nicht zum Selbstmord entschließt. Es ist dies allein teilung ausgehen, so handelt zwar der Getäuschte rechtmäßig und bei der
eine Frage der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch; ver- Urteilsfindung „frei"; es kann ja nicht die Rede davon sein, daß der Richter -
langt man hier - wie sonst - eine unmittelbare Gefährdung des Opfers 133 , so zumal der Sträfrichter - in seinen Entschlüssen von den Prozeßbeteiligten
wird man solche Fälle straflos lassen müssen. „beherrscht" würde. Er kennt auch die sachlichen und rechtlichen Konse-
Endlich zwingt die oben entwickelte Ansicht auch nicht dazu, eine fahr- quenzen seines Tuns; er weiß, gegen wen sich der Urteilsspruch richtet und
lässige Tötung anzunehmen, wenn jemand durch eine Täuschung in unge- wie er sich auswirken wird. Aber er verfehlt den konkreten Handlungssinn
wollter, obgleich vorhersehbarer Weise den Tod eines anderen herbeigeführt seines Verhaltens: Er glaubt, ein gerechtes Urteil zu fällen, während er in
hat. Denn nach welchen Gesichtspunkten die Täterschaft bei fahrlässigen Wirklichkeit materiell falsch entscheidet und insofern ein blindes Werkzeug
Delikten zu bestimmen ist, wird durch die Behandlung der vorsätzlichen in der Hand des Hintermannes ist, der durch die gestaltend-sinnsetzende
Taten in keiner Hinsicht festgelegt134. Überdetermination des Geschehens zum mittelbaren Täter wird 136b .
Allerdings muß auch bei der Mitwirkung am Selbstmord die bloße Unter- Daraus erklärt sich auch zwanglos, warum die viel behandelten Fälle eines
stützung in Kenntnis des Irrtums zur Bestrafung des Hintermannes genügen. nur überschießenden „Gesinnungsunwertes" anders zu lösen sind: Die Ehe-
Wer in unserem Beispielsfall dem Mädchen den Revolver zur Verfügung frau und ihr Freund räumen den Ehemann dadurch aus dem Wege, daß sie
stellt, obwohl er weiß, daß der Geliebte sie durch die Vorspiegelung, mit ihr ihn wahrheitsgemäß wegen eines schweren Deliktes anzeigen, oder: Der
in den Tod zu gehen, nur loswerden wollte, der ist gleichfalls eines Ver- sadistisch veranlagte Nachbar verleitet den Vater eines unartigen Jungen zu
brechens schuldig, wenn auch vielleicht nur der Beihilfe zum Morde 135 . einer erzieherisch gebotenen Tracht Prügel 137 . In derartigen Situationen fehlt
Noch einen letzten Einwand wollen wir uns selbst machen: Man könnte bei dem unmittelbar Handelnden jeder Irrtum über den konkreten Hand-
vorbringen, nach der hier vertretenen Lehre werde ein Täuschender härter lungssinn. Es bleibt immer dabei, daß es sich um eine formell und materiell
angefaßt als ein anderer, der ein übriges tue und den selbstmordbegründen- in vollem Umfang rechtmäßige Verurteilung bzw. Züchtigung handelt. Wenn
den Umstand nicht nur vorspiegele, sondern tatsächlich verwirkliche; in der Ausführende sich im Irrtum über die Beweggründe des Veranlassenden
diesem zweiten Fall werde nämlich eine mittelbare Täterschaft nur bei ent- befindet, so liegt eine solche Falschvorstellung außerhalb des Handlungs-
sprechender Anwendbarkeit der §§ 52, 54 StGB angenommen. vollzuges und ist ohne Einfluß auf seinen Bedeutungsgehalt 138 .
Doch darin liegt kein Gegenargument; denn die unterschiedliche Be-
hanlung ist gerechtfertigt. Wenn die Umstände, die den Selbstmord aus-
lösen, wirklich vorliegen, stimmt die objektive Bedeutung der Tat mit der VII. Zusammenfassung
Vorstellung und dem Willen des Handelnden überein. Sofern die Zu-
rechnungsfähigkeit und die Freiheit der Willensbildung bestehen bleiben, Auch die vielgestaltigen Irrtumsfälle lassen sich vom Standpunkt der Tat-
verwirklicht also der Selbstmörder seinen höchstpersönlichen und von ihm herrschaftslehre aus nach einem einheitlichen Prinzip lösen. In Leitsätzen
zu verantwortenden Entschluß. Nicht für ihn, sondern für die Schaffung zusammengefaßt ergibt sich folgendes:
seiner Voraussetzungen ist der Hintermann rechtlich verantwortlich zu
machen. 136a p u r d i e s c n Fall bestreitet jetzt Johannes, Mittelbare Täterschaft, S. 14 f., daß eine
mittelbare Täterschaft vorliege; der Richter sei nicht Werkzeug, sondern - weil er
selbst getäuscht werde - Opfer des Betruges. Aber das ist ein Streit um Worte. Denn
2. Der Ausführende handelt rechtmäßig der Betrug setzt zwei Erfolge voraus: eine Irrtumserregung und einen Schaden. Dabei
ist der Richter gewiß Opfer der Täuschung; aber er ist gleichzeitig blindes Werkzeug
bei der Vermögensbeschädigung. Deshalb besteht keine Veranlassung, diesen Fall
Auch die früher sehr umstrittenen, heute im Ergebnis geklärten Fälle der terminologisch anders zu behandeln als die durch Täuschung bewirkte strafgericht-
Benutzung eines rechtmäßig handelnden irrenden Werkzeuges 136 sind'mit 136b
liche Verurteilung.
Hilfe der oben entwickelten Kriterien ohne Schwierigkeit zu lösen. Das verkennt Johannes, Mittelbare Täterschaft, S. 40 f., wenn er meint, daß eine
Tatherrschaft hier nicht zu begründen sei und von den Anhängern dieser Lehre
„genau so willkürlich dekretiert" werde „wie früher der animus auctoris vom Reichs-
gericht".
137
so der BGH, BGHSt 4, 270-275 (273) Zu den Beispielen vgl. Welzel, LB, 7. Aufl., S. 94; SJZ 1947, Sp. 648
138
Vgl. dazu im einzelnen unten S. 527ff. Ebenso im Ergebnis vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus: Welzel, SJZ 1947,
Über das hier hinzutretende Problem der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe Sp. 648; LB, 7. Aufl., S. 94; Less, JZ 1951, S. 551; Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor
bei zwei Hintermännern vgl. unten S. 275 ff. §47, 5, B, 2, h, S. 163; wenn Lange hier meint, daß Welzel entgegengesetzt entscheidet,
ihre allgemeine Problematik vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus ist oben so beruht das anscheinend auf einem Irrtum. Wie hier auch BGHSt 3, 110-129 (114).
schon berührt worden, vgl. S. 164/165 Anders OLG Bamberg, DRZ 1950, S. 302-303 mit abl. Anm. Welzel (S. 303/04)
232 233

1. Die Irrtumssituationen sind von den mannigfach abschattierten § 23. Die Willensherrschaft bei B e n u t z u n g
Nötigungslagen scharf zu trennen. Während in den Fällen der Nötigung die von Unzurechnungsfähigen u n d Jugendlichen
mittelbare Täterschaft des Hintermannes auf der - am Verantwortungs-
prinzip orientierten - Beherrschung der Willensentschlüsse des unmittelbar Zu den Hauptfällen der mittelbaren Täterschaft gehört neben den Erschei-
Handelnden beruht, geht es hier um die sinnsetzende Überdetermination nungsformen der Nötigung und der Irrtumsausnutzung von alters her die
eines vom Ausführenden frei gewählten Verhaltens. Einschaltung eines unzurechnungsfähigen oder jugendlichen Tatmittlers.
2. Die Möglichkeit einer gestaltenden Überdetermination beruht auf dem Dabei ist im einzelnen zwischen voller Zurechnungsfähigkeit (1,1) und ver-
Schichtencharakter der Tatherrschaft, die in vierfacher Weise abgestuft ist. minderter Zurechnungsfähigkeit (1,2), zwischen Kindern (II) und Jugend-
Sie gliedert sich nach der Kenntnis der Tatumstände, der materiellen Rechts- lichen (II), zwischen Fremd- und Selbstschädigung (jeweils a und b) zu
widrigkeit, der Vorwerfbarkeitselemente und des konkreten Handlungs- unterscheiden. Die Behandlung der meisten dieser Fälle ist unter den Ver-
sinnes in vier Grade, deren jeweils höherer dem Hintermann gegenüber dem tretern der Tatherrschaftslehre umstritten.
unmittelbar Handelnden die Tatherrschaft verleiht.
3. Die Herrschaft des Hintermannes erklärt sich dabei aus dem Um-
stände, daß er kraft seines weiterreichenden Wissens den sozialen Be- I. Die Zurechnungsfähigkeit des unmittelbar Handelnden
deutungsgehalt des Vorganges tiefer erfaßt und infolgedessen fähig ist, das ist ausgeschlossen oder gemindert
Handlungsgeschehen je nach dem Maße seiner überschießenden Kenntnis
1. Der Ausführende ist unzurechnungsfähig
sinnverwirklichend allein zu gestalten; denn der unmittelbar Ausführende
kann dem, was seinem Verständnis nicht zugänglich ist, seinen freien Willen Wir gehen davon aus, daß ein verantwortlicher Hintermann an der Delikts-
nicht hemmend und selbstentscheidend entgegensetzen.
verwirklichung durch einen Unzurechnungsfähigen mitwirkt (a); im
4. Die damit gefundene Lösung ist unabhängig von den verschiedenen Anschluß daran wird die Veranlassung Unzurechnungsfähiger zur Selbst-
Irrtumslehren und von den Kontroversen um den systematischen Standort schädigung, namentlich zum Selbstmord, zu erörtern sein (b).
und die inhaltliche Reichweite des Vorsatzbegriffes.
a) Die Deliktsbegehung Unzurechnungsfähiger
Diese Lehre hat äußerlich eine gewisse Verwandtschaft mit der schon mehr-
fach erwähnten „Übergewichtstheorie" Heglers 139 , die ja überhaupt im aa) Zum Meinungsstand
Bereich der mittelbaren Täterschaft als Vorläufer des Tatherrschafts-
gedankens anzusehen ist 140 . Bei näherer Betrachtung zeigt die Heglersche In den Fällen der Unzurechnungsfähigkeit nimmt Gallas 1 generell eine
Auffassung aber doch im Grundgedanken, in der theoretischen Durch- mittelbare Täterschaft des Hintermannes an, soweit diese nicht an der Eigen-
führung und in den praktischen Ergebnissen erhebliche Abweichungen. händigkeit oder dem Charakter der Tat als Sonderdelikt scheitert. Zur
Denn erstens sind bei uns alle Einzellösungen auf das alle Täterformen Begründung führt er aus, daß der Tatmittler „mangels Einsichts- oder
umfassende Tatherrschaftsprinzip bezogen, während Heglers Übergewichts- Willensfähigkeit der Versuchung durch den Hintermann nicht den von ihm
gedanke ohne selbständige Begründung neben der von ihm sonst vertretenen sonst geforderten Widerstand entgegenzusetzen" vermöge und diesem daher
formal objektiven Theorie in der Luft hängt; zweitens unterscheidet Hegler „in die Hand" gegeben sei 2 .
nur zwischen einem Übergewicht auf dem Gebiete der Rechtswidrigkeit und Die meisten anderen Autoren nehmen unterschiedliche Differenzierungen
der Schuld, während die hier vertretene Meinung unabhängig von solchen vor. Welzel 3 beschränkt die Tatherrschaft des Hintermannes auf die Be-
systematischen Fragen auf dem weiterreichenden, ein größeres Maß an sinn- nutzung „gewisser willenloser Geisteskranker, die zwar zweckhaft han-
hafter Lenkung ermöglichenden Wissen des Hintermannes beruht; drittens deln, die aber fremden Willen willenlos ausführen"; dagegen könne ein
kann ein höheres Maß an Schuld, wenn es keine Geschehenssteuerung Geisteskranker „durchaus einen eigenen Willen entfalten"; dann liege
ermöglicht, nach unserer Ansicht die mittelbare Täterschaft gerade nicht Teilnahme vor. Maurach 4 meint nur, auch bei Unzurechnungsfähigkeit des
begründen, wie die Behandlung der bewußten Fahrlässigkeit gezeigt hat; und unmittelbar Handelnden könne mittelbare Täterschaft gegeben sein, wenn
viertens endlich finden sich, abgesehen von den ohnehin unumstrittenen der Hintermann die Tatherrschaft habe; er äußert sich nicht darüber, wann
Fällen, auch sonst in den sachlichen Ergebnissen kaum Übereinstimmungen das der Fall ist. Lange 5 bejaht eine Täterschaft des Hintermannes, wenn er
zwischen den beiden Lehren.
1
Gutachten S. 134; Sonderheft Athen, S. 15
2
Gutachten a. a. O.
3
Lehrb., 7. Aufl., S. 92
RGR-Praxis, Bd. V, 1929, S. 305-321 4
A.T., 2. Aufl., §48 II D 1, S. 503
Vgl. darüber schon oben S. 61 5
Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor §47, 5, B, 2, a, S. 162
234 235

„die Tat als eigene wollte". Wieners 6 stellt darauf ab, ob der Unzurechnungs- Auch wenn er weiß, daß der unmittelbar Handelnde unzurechnungsfähig ist,
fähige noch einen persönlichkeitsgeprägten Willensentschluß fassen konnte. liegt hier nur eine - bei Vermeidbarkeit des Irrtums strafbare - Teilnahme
Weitergehend will Hardwig 7 anscheinend in geradem Gegensatz zu Gallas vor; denn es fehlt an jeder Überdetermination des Geschehens, weil auch der
in sämtlichen Fällen nur Teilnahme annehmen, weil es „bei der Vorsatztat Hintermann das für die zweite Tatherrschaftsstufe erforderliche Sinn-
ausschließlich auf den Tatwillen des Täters" ankomme. - Diesen hat sicher verständnis nicht aufgebracht hat. Zwar mag ihm im Gegensatz zum Vorder-
auch der Unzurechnungsfähige. Daß allerdings der „natürliche" Vorsatz des mann der Irrtum vorwerfbar sein; doch ändert das nichts daran, daß er die
Handelnden allein eine mittelbare Täterschaft nicht notwendig ausschließen Tatherrschaft in concreto nicht innehat.
kann, ist schon bei der Nötigung und auch bei vielen Fällen des Irrtums Eigenartigerweise wird die den Irrtumsfällen entsprechende Form der Tat-
deutlich geworden. herrschaft in der Literatur meist übergangen, obwohl sie die wenigsten Pro-
Das Gesamtbild der verwirrend vielfältigen Meinungen zeigt, daß die bleme bietet. So ist es sicher richtig, wenn Welzel sagt, daß auch Geistes-
Frage von einer Klärung weit entfernt ist. Unsere gleich zu entwickelnde kranke einen eigenen Willen entfalten können; aber wenn der Defekt auf
Lösung deckt sich mit keiner der vorgetragenen Ansichten. Man wird intellektuellem Gebiet liegt, so hindert die Freiheit des Willensentschlusses
zunächst einmal danach unterscheiden müssen, ob der Mangel beim intellek- die Tatherrschaft des Hintermannes durchaus nicht. Es wird hier - wie so
tuellen oder beim voluntativen Element der Zurechnungsfähigkeit liegt. oft - verkannt, daß die Struktur der Willensherrschaft bei Verständnisfehlern
des unmittelbar Handelnden eine ganz andere ist als dort, wo sie in der Len-
kung der Willensbildung des Ausführenden liegt.
bb) Der Defekt liegt im intellektuellen Bereich
cc) Der Defekt liegt im voluntativen Bereich
Wenn der Täter zur Zeit der Tat unfähig war, „das Unerlaubte der Tat ein-
zusehen", so hat der sehende Dritte die Tatherrschaft inne, einerlei, welcher Schwieriger ist die Frage nach der Tatherrschaft zu beantworten, wenn dem
Art seine Mitwirkung ist. Diese Fälle überschneiden sich mit denen des Unzurechnungsfähigen das Unerlaubte seines Tuns klar ist, er jedoch nicht
Verbotsirrtums 8 . Die dort für die Tatherrschaft des Hintermannes gefun- die Fähigkeit besitzt, „nach dieser Einsicht zu handeln". Hier ist zunächst
denen Regeln müssen auch hier gelten. Dabei ist davon auszugehen, daß der immer dann mittelbare Täterschaft anzunehmen, wenn der Hintermann dem
Verständnismangel des Täters sich im Falle des §51 Abs. 1 StGB stets auf das unmittelbaren Täter den Deliktsplan suggeriert hat, wenn also im Falle seiner
materielle Unrecht, also auf die soziale Wertwidrigkeit seines Tuns, beziehen Zurechnungsfähigkeit Anstiftung vorläge. Denn der nach §51 StGB Ent-
muß 9 . Daß jemand zwar genau weiß, daß er Unrecht tut, trotzdem aber schuldigte handelt hier zwar vorsätzlich und mit vollem Sinnverständnis; er
infolge eines geistigen Mangels nicht in der Lage ist, die formelle Rechts- kann auch bei der Deliktsausführung selbständig und mit Umsicht vorgehen.
widrigkeit zu erkennen, dürfte kaum vorkommen. Wenn ein solcher Fall ein- Aber da ihm jedes Hemmungsvermögen fehlt, kann ihm der Tatentschluß
träte, würde der Handelnde jedenfalls nicht nach §51 Abs. 1 StGB straffrei nicht als sein Werk zugerechnet werden. Er ist vielmehr insofern unfrei und
sein, weil der Gesetzgeber jedem zumutet, eine Handlung schon bei - da er dem Antrieb nicht widerstehen kann - bei der Willensbildung vom
Erkenntnis ihrer Sozialschädlichkeit zu unterlassen. Außenstehenden beherrscht.
Ist also in diesen Fällen die Voraussetzung erfüllt, daß der unmittelbare Er hat die Handlungsherrschaft im Sinne vorsätzlich-eigenhändiger
Täter sich nicht darüber klar ist, etwas materiell Unrechtes zu tun, so besitzt Tatbestandsverwirklichung und ist daher (schuldloser) Täter; aber ihm
er zwar den Vorsatz im Sinne der Schuldtheorie und damit die Tatherrschaft fehlt die Willensherrschaft, die einen personalen und rechtlich zu verant-
erster Stufe, so daß er als - wenngleich schuldloser - Täter angesehen werden wortenden Tatentschluß voraussetzt. Der Fall liegt also auf derselben
muß; der Hintermann aber, ob er die Tat nun veranlaßt oder unterstützt, ist Ebene wie die oben behandelten Nötigungssituationen. Der enthemmenden
als Tatherr zweiter Stufe einer sinnhaften Ablaufslenkung fähig und daher Wirkung der Notstandslage entspricht die von vornherein bestehende
mittelbarer Täter. Natürlich kann der geistige Defekt beim Ausführenden Hemmungsunfähigkeit des Unzurechnungsfähigen. Hier wie dort 1 0 gestaltet
auch so erheblich sein, daß er nicht einmal in der Lage ist, einen natürlicrTen der Hintermann das Geschehen, weil der Handelnde einen rechtlich beacht-
Vorsatz zu fassen; dann hat der Hintermann erst recht die Tatherrschaft. lichen Willensentschluß nicht fassen kann. Demgegenüber verschlägt es
Anders ist es nur, wenn der Außenstehende zwar zurechnungsfähig, aber
ebenfalls in einem Irrtum über das materielle Unrecht der Tat befangen ist. 10
Eine Ausnahme galt nur für den Fall der Anstiftung zu einer Notstandstat nach §54
StGB, die in ihren Voraussetzungen vom Hintermann nicht geschaffen und in der
Durchführung von ihm nicht abhängig war, vgl. oben S. 151-153. Dort lag der Grund
6
a. a. O. S. 64/65 darin, daß die schon vorher bestehende Nötigungssituation durch eine Aufforderung
7
Festgabe für Eb. Schmidt, S. 480 nicht verändert wird, der zwingende Motivationsdruck also nicht vom Hintermann aus-
8
Vgl. darüber Dreher, GA 1957, S. 97ff. geht, während hier gerade die Aufforderung für den der Hemmung nicht fähigen
9
so auch Welzel, 7. Aufl., S. 133 unmittelbaren Täter zwingend wirkt.
236 237

nichts, daß ein Unzurechnungsfähiger bei der Verwirklichung des einmal sondern sich stets auf die konkrete Tat beziehen muß. Es kann durchaus so
gefaßten Entschlusses sehr zielbewußt und tatkräftig auftreten kann; auch sein, daß jemand, wenn er eine gegen die Rechtsgüter anderer gerichtete
bei Nötigungssituationen kann es so sein, ohne daß an der Tatherrschaft des Straftat vorgenommen hätte, straflos geblieben wäre, im Hinblick auf die
Hintermannes zu zweifeln wäre. Es ist daher nicht möglich, hier Differen- Selbsttötung .aber als verantwortlich angesehen werden muß (und umge-
zierungen vorzunehmen, wie es die wohl herrschende Meinung will. Viel- kehrt). Aber das gilt auch sonst: So kann die Zurechnungsfähigkeit bei
mehr ist der Veranlassende immer mittelbarer Täter. einem einfachen Diebstahl zu bejahen sein, während sie bei der damit ver-
Nach anderen Gesichtspunkten ist zu entscheiden, wenn der Unzurech- bundenen Urkundenfälschung fehlt 13 . Wenn man das berücksichtigt, kann
nungsfähige den Tatentschluß schon gefaßt hat und der Außenstehende ihm man auch hier generell 14 sagen: Als mittelbarer Täter ist jeder strafbar, der
nur bei der Verwirklichung hilft. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: einem anderen eine Selbstschädigung ermöglicht oder ihn dazu veranlaßt,
Zunächst kann die Mitwirkung derart sein, daß ohne sie die Tat nicht sofern diesem die Einsicht in die sittliche und soziale Bedeutung der Tat
möglich wäre. Der Irre will etwa ein Haus in die Luft sprengen, und ein fehlt.
anderer verschafft ihm die Bombe. Dann ist der Hintermann mittelbarer Der Fall, daß ein zurechnungsfähiger Hintermann ebenso ohne diese Ein-
Täter. Denn da die Verwirklichung des Delikts von ihm abhängt und zwi- sicht handelt und deshalb nur (strafloser) Anstifter ist, dürfte kaum vor-
schen seinem Tatbeitrag und dem Erfolg kein verantwortlicher Wille eines kommen; er bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.
anderen steht, hat er allein die Willensherrschaft inne und rückt neben dem Eine den Fremdschädigungssituationen entsprechende Differenzierung ist
Handelnden in das Zentrum des deliktischen Geschehens. Das entspricht bei den Fällen mangelnden Hemmungsvermögens vorzunehmen. Wer einem
insoweit der im Falle des §54 StGB gefundenen Lösung 11 . solchen Menschen die Selbstmordidee suggeriert, ist mittelbarer Täter, auch
Wenn dagegen die Unterstützung die Tat nicht ermöglicht, sondern nur wenn das Opfer sich über die Bedeutung und Tragweite seines Verhaltens im
fördert oder in ihrer konkreten Ausgestaltung modifiziert, gehört die Mit- klaren ist. Dagegen liegt in der Regel nur eine (straflose) Teilnahme vor,
wirkung in den Bereich der Teilnahme. Diese Ausnahme erscheint mir zwin- wenn der Handelnde in vollem Bewußtsein der Konsequenzen unter einem
gend; denn wenn der Hintermann die Tat nicht dadurch in der Hand hat, krankhaften Zwang zum Selbstmord leidet, den Tatentschluß allein faßt und
daß ihre Ausführung von seinem Beitrag abhängt, so könnte die Tatherr- ein Außenstehender ihm dabei in irgendeiner Weise hilft. Eine mittelbare
schaft in solchen Fällen nur darauf beruhen, daß die Willensbildung beim Täterschaft kommt bei Konstellationen dieser Art allein dann in Frage, wenn
Handelnden infolge des vom Hintermann ausgehenden Anstoßes sich als der Selbstmörder ohne die Mithilfe des Hintermannes keine Gelegenheit
dessen Werk darstellte. Das ist aber gerade nicht der Fall, wenn der Unzu- hätte, sich das Leben zu nehmen; ein Fall, wie er in Irrenanstalten durchaus
rechnungsfähige sich unabhängig davon zur Tat entschlossen hatte. Es ist vorkommen kann.
also nur Beihilfe anzunehmen, wenn jemand dem Geisteskranken auf dessen
Bitte eine naheliegende Waffe zum Angriff reicht.
2. Der Ausführende handelt in verminderter
Zurechnungsfähigkeit
b) Die Selbstscbädigung Unzurechnungsfähiger
Soweit ich sehe, hat sich bisher niemand zu der Frage geäußert, ob der
Nach ähnlichen Kriterien ist die Veranlassung eines Unzurechnungsfähigen Hintermann die Tatherrschaft deswegen besitzen kann, weil beim unmittel-
zur Selbstschädigung (im praktisch wichtigsten Fall: zum Selbstmord) zu bar Handelnden die Zurechnungsfähigkeit im Sinne des §51 Abs. 2 StGB
beurteilen. Auch hier muß man die Fälle mangelnder Einsicht und fehlender „erheblich vermindert" war. Richtigerweise muß man unterscheiden:
Hemmungsfähigkeit unterscheiden. Wenn es so ist, daß der Ausführende deshalb nicht voll zurechnungs-
Auf die „Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen", kann man freilich fähig ist, weil seine Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen, eine
nicht abstellen; denn der Selbstmord - ob er nun rechtswidrig ist oder Minderung erfahren hat, so besitzt der Hintermann, sofern ihm das mate-
nicht - enthält jedenfalls kein tatbestandliches Unrecht. Es muß aber in ent- rielle Unrecht der Tat klar ist, die Willensherrschaft. Denn auf die Fähigkeit
sprechender Weise darauf ankommen, ob der Unzurechnungsfähige den des unmittelbaren Täters, das Unerlaubte seiner Handlung einzusehen,
sittlichen und sozialen Wert der Erhaltung des eigenen Lebens erkennen kann es nur ankommen, wenn er es in concreto nicht eingesehen hat. Da nun
konnte 12 . Dabei ist zu beachten, daß der Mangel der Unzurechnungsfähig- das „Unerlaubte" in diesem Zusammenhang im Sinne der materiellen
keit nicht ohne weiteres in abstracto für alle Handlungen festgestellt werden Rechtswidrigkeit zu verstehen ist, ist der vermindert Zurechnungsfähige
darf - das ist wohl nur bei den eigentlichen Geisteskrankheiten möglich -, in einer solchen Situation zwar Tatherr der ersten, nicht aber der zweiten

13
" Vgl. oben S. 151-153 vgl. Mezger, StuB, A.T., 9. Aufl., S. 157
12 14
insoweit übereinstimmend Kaun, S. 69 insoweit differenzierend Kaun, S. 66-72
238 239

Stufe, so daß der Hintermann im Wege „finaler" Überdetermination den Nach unserer Meinung gibt es hier nur eine Lösung: Bei den Taten
Geschehensablauf sinnhaft gestalten kann. Es liegt insofern nicht anders als strafunmündiger Kinder ist der veranlassende Hintermann in jedem Falle
in den oben eingehend behandelten Fällen, bei denen dem Unmittelbaren aus mittelbarer Täter; bei denen Jugendlicher stets, aber auch nur dann, wenn
sonstigen Gründen das Bewußtsein der sozialen Wertwidrigkeit seines Tuns der Ausführende nach §3 J G G strafrechtlich nicht verantwortlich ist. Die
fehlte 15 . Es kann also darauf verwiesen werden. bloße Unterstützung begründet mittelbare Täterschaft, wenn die Strafunreife
Im Gegensatz dazu liegt eine bloße Teilnahme vor, wenn der unmittelbare des Handelnden auf mangelnder Einsichtsfähigkeit beruht. Fehlt dem
Täter zwar die volle Einsicht in die Bedeutung seines Tuns besaß, seine Unmittelbaren nicht das Unrechtsverständnis, sondern die Fähigkeit, nach
Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, aber erheblich vermindert war. dieser Einsicht zu handeln, so liegt mittelbare Täterschaft des Unterstützen-
Hier könnte der Außenstehende nur die Tatherrschaft haben, wenn der Han- den nur dann vor, wenn er dem Ausführenden die Tat ermöglicht.
delnde keinen rechtlich verantwortlichen Willensentschluß mehr zu bilden Diese Annahme gründet sich auf die Voraussetzung, daß der Gesetzgeber
vermöchte, so daß die Tat allein als Willenswerk des Hintermannes er- hier deshalb von einer strafrechtlichen Sanktion absieht, weil Kinder stets
schiene. Diese Voraussetzung ist aber bei der verminderten Zurechnungs- und Jugendliche von Fall zu Fall nach ihrer sittlichen und geistigen Entwick-
fähigkeit nicht erfüllt. Das Gesetz geht nämlich im Gegenteil davon aus, daß lung nicht reif genug sind, „das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser
der Täter in solchen Fällen den Willen seiner Einsicht gemäß bestimmen Einsicht zu handeln" (§3 JGG). Geht man von dieser kaum bestreitbaren
konnte - sonst würde §51 Abs. 1 StGB eingreifen - , und dies allein genügt, Grundlage aus, so kann es nicht, wie Welzel meint, darauf ankommen, ob
um dem Hintermann die Willensherrschaft abzusprechen. Der Umstand, daß das Kind in der Lage ist, „einen eigenen Willen zu entfalten". Denn was hilft
dem Unmittelbaren die verantwortliche Selbstbestimmung erschwert war, das, wenn es das Unrecht seines Tuns nicht verstehen kann? Wie es so oft
mag zwar für das Maß seiner Schuld von Bedeutung sein 16 ; aber er ändert geschieht, stützt auch Welzel seine Argumentation stillschweigend auf die
nichts an der Herrschaftsstruktur des Vorganges. Hier ist also stets nur Teil- Annahme, daß Tatherrschaft nur möglich sei, wenn der Hintermann den
nahme anzunehmen. Willen des Handelnden in nötigungsähnlicher Weise beherrsche. In Wirk-
lichkeit geht es hier gar nicht darum, sondern um einen Fall der Willensherr-
schaft kraft sinnhafter Überdetermination; um eine Situation, bei der der
IL Der unmittelbar Handelnde ist ein Kind oder ein Jugendlicher Hintermann auf höherer Tatherrschaftsstufe steht als der Ausführende und
den Vorgang in seinem sozial wertwidrigen Sinngehalt allein gestalten kann,
Auch hier ist danach zu unterscheiden, ob der Außenstehende bei einer weil der unmittelbar Handelnde dazu keinen Zugang hat und deshalb auch
Deliktsbegehung (a) oder bei einer Selbstschädigung (b) mitwirkt. nicht seinen Willen dagegen setzen kann. Der Fall entspricht also den oben
behandelten Konstellationen, bei denen der Hintermann sich eines Tat-
mittlers bediente, dem das Bewußtsein der materiellen Rechtswidrigkeit
a) Die Tatherrschaft bei Delikten von Kindern und Jugendlichen fehlt; auf die dort im einzelnen gegebene Begründung kann hier verwiesen
werden 19 .
Das Problem der Tatherrschaft bei der Beteiligung an Delikten Jugendlicher
Es kann freilich auch so sein, daß das Kind oder der strafunreife Jugend-
wird im Schrifttum nur selten behandelt. Maurach und Gallas schweigen.
liche zwar das Verständnis des Unrechts schon besitzen, aber nach dieser
Welzel 17 zählt derartige Fälle weitgehend dem Bereich der Teilnahme zu,
Einsicht nicht handeln können. Bei der Veranlassung oder Ermöglichung
und zwar sogar dann, wenn es sich beim unmittelbaren Täter um ein straf-
einer solchen Tat muß der Hintermann auch hier mittelbarer Täter sein.
unmündiges Kind handelt. Nach seiner Meinung genügt es, wenn das Kind
Dabei besitzt zwar der Außenstehende kein größeres Sinnverständnis; aber
„einen eigenen Willen entfalten" kann; nur bei der „Benutzung kleiner Kin-
da der Handelnde dem vom Hintermann ausgehenden Anstoß nicht wider-
der ..., die ... fremden Willen willenlos ausführen", soll mittelbare Täter-
stehen kann, muß er in der Willensbildung notwendig unfrei sein; es liegt
schaft gegeben sein. Ist der unmittelbar Handelnde ein Jugendlicher, so ist
dann also wirklich ein mit den Notstandssituationen vergleichbarer Fall
danach wohl schlechthin nur Beihilfe oder Anstiftung möglich. Lange 18 sieht
lenkender Willensbeherrschung vor. Anders ist es nur, wenn ein Straf-
dagegen die „Bestimmung ... eines Kindes und eines Strafunreifen zwischen
unmündiger oder -unreifer den konkreten Tatentschluß selbständig gefaßt
14 und 18 Jahren" als einen Fall mittelbarer Täterschaft an, aber nur, wenn
hat und ein anderer ihn unterstützt, ohne ihm die Ausführung der Tat erst zu
„der Bestimmende die Tat als eigene wollte".
ermöglichen. Hier ist eine bloße Beihilfe anzunehmen. Das beruht auf
denselben Gründen, die bei der Mitwirkung an den Taten Unzurechnungs-
15
16
Vgl. S. 193-205 fähiger gelten; sie bedürfen an dieser Stelle keiner Wiederholung 20 .
Mezger, StuB, A.T., 9. Aufl., § 6 4 a . E., S. 160, spricht sogar von einem bloßen Straf-
zumessungsgrund.
17 19
Lehrb., 7. Aufl., S. 92; ähnlich Wieners S. 64 Vgl. oben S. 193 ff., auch S. 238
18 20
Kohlr./Lange, 4 2 7 4 3 . Aufl., v o r § 4 7 , 5, B, 2, a, S. 162 Vgl. o b e n S. 235/236
240 241

Wenn danach ein Fall vorliegt, bei dem der Hintermann wissend kraft 18. Lebensjahres schlechthin und für die Zeit zwischen dem 18. und dem
sinnhafter Überdetermination oder lenkender Willensbeherrschung das 21. Jahre „im Zweifel" zu verneinen 25 .
Geschehen „in der Hand" hat, so kann seine Täterschaft auch nicht dadurch Mir scheint, daß beide nach entgegengesetzten Richtungen über das Ziel
ausgeräumt werden, daß er die Tat „nicht als eigene" will, wie Lange im hinausschießen, und daß die Lösung gerade bei dem Kriterium einsetzen
Anschluß an die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts jetzt noch muß, über dessen Ablehnung sie sich einig sind: bei der Orientierung am
annimmt. Denn die Täterschaft hängt von den wirklichen Herrschafts- Begriff der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Sicher braucht jemand, der
verhältnissen ab und nicht von der Stellungnahme des einzelnen dazu. das Unrecht eines Diebstahls verstehen und nach dieser Einsicht handeln
Andererseits ist unter allen Umständen nur Teilnahme anzunehmen, kann, deshalb noch nicht einen verantwortlichen Entschluß über den eigenen
wenn ein Jugendlicher das Unrecht seiner Tat erkannt hat und für sie Freitod fassen zu können. Dafür sind die beiden Entscheidungen zu unter-
strafrechtlich voll verantwortlich ist. Er ist in diesem Falle weder bei der schiedlicher Art. Aber das gilt ja auch sonst: Ein jugendlicher Mörder kann
Willensbildung unfrei noch im Verständnis des Geschehens beeinträchtigt. straffrei sein, während er für einen Diebstahl verantwortlich gewesen wäre.
Daß er den besonderen Sanktionen des Jugendstrafrechts unterliegt, hat Es ist also bei der Mitwirkung am Selbstmord eines Jugendlichen in ent-
mit den Herrschaftsverhältnissen beim konkreten Geschehensvorgang nichts sprechender Weise wie bei einer Deliktsbegehung zu klären, ob der
zu tun. Handelnde im Einzelfall nach seiner geistigen und sittlichen Entwicklung
reif genug war, die Bedeutung eines Selbstmordes zu verstehen und nach
dieser Erkenntnis zu handeln.
b) Die Tatherrschaft hei der Selbstschädigung von Kindern und Jugendlichen Dagegen wird man bei der Mitwirkung am Freitod strafunmündiger
Kinder stets eine Tatherrschaft des Hintermannes annehmen müssen. Es ent-
Die Mitwirkung bei der Selbstschädigung, insbesondere beim Selbstmord spricht dem Grundgedanken des §3 J G G und auch der Lebenserfahrung,
Minderjähriger, hat, soweit sie überhaupt unter dem Gesichtspunkt der daß Kinder von höchstens 13 Jahren angesichts der Unentwickeltheit
Tatherrschaft behandelt wird, recht verschiedenartige Lösungen erfahren. ihrer geistigen und sittlichen Fähigkeiten über ihren Tod nicht in einer
Lange 21 , der bei Delikten von Kindern und Strafunreifen auf den „Täter- Weise entscheiden können, die dem verantwortlichen Entschluß eines
willen" abstellt, meint, es komme nur mittelbare Täterschaft in Frage, wenn Erwachsenen entspricht. Wenn Wieners 26 - wohl im Anschluß an die
der Unmittelbare wie im Falle des Selbstmordes nicht tatbestandsmäßig und Stellungnahme seines Lehrers Welzel im Falle der Deliktsbegehung durch
rechtswidrig handele. Das ist in der Begründung problematisch; denn es Strafunmündige - darauf hinweist, daß auch Kinder „durchaus zu eigner
führt auf den sonst von Lange mit Recht bekämpften „sekundären" Täter- Willensbildung fähig sein" könnten, so beruht dieses Argument auf der
begriff zurück: Jemand wird als Täter angesehen, weil eine strafbare Teil- schon mehrfach 27 erwähnten Verkennung der Tatherrschaftsstruktur in
nahme nicht möglich ist. solchen Fällen.
Wieners 22 spricht dem Außenstehenden nur dann die Tatherrschaft zu, Andererseits kommt bei Selbstmördern, die das 18. Lebensjahr vollendet
wenn es sich um einen Selbstmord von „kleinen Kindern bis zum Eintritt haben, die Tatherrschaft eines Außenstehenden, soweit sie auf die Minder-
der Verstandesreife" handelt. Er meint, diese Frage sei streng zu scheiden jährigkeit des Handelnden gestützt wird, entgegen Kaun und Meister nicht
von der anderen nach der strafrechtlichen Verantwortung von Kindern und mehr in Frage. Wenn jemand für die Tötung eines anderen unabhängig von
Jugendlichen. Auch Strafunmündige und -unreife seien regelmäßig Herr seinem geistigen und sittlichen Entwicklungsstand voll verantwortlich ist,
ihrer Entschlüsse derart, daß die Entscheidung von ihrer „ - wenngleich noch kann es nach den Leitgedanken des Gesetzes bei einem Freitod nicht anders
nicht voll entwickelten - Persönlichkeit geprägt und getragen" 23 sei. sein. Die Parallele zum Bürgerlichen Recht 28 beweist nichts dagegen, denn
Auch Kaun meint, die Frage, ob Kindern und Jugendlichen die Möglich- dort geht es um die Haftung für Rechtsgeschäfte, die nach völlig anderen
keit der verantwortlichen Entscheidung über das eigene Leben abge- Gesichtspunkten als denen der Tatherrschaft zu beurteilen ist 29 .
sprochen werden müsse, sei eine ganz andere als die nach der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit 24 . Aber er zieht daraus den genau entgegengesetzfen
Schluß; die Strafreife sei „schon sehr viel früher vorhanden" als die Fähig- 25
keit, die Bedeutung und den sittlichen Wert des eigenen Lebens einzusehen a.a.O. S. 73/74; noch weiter geht Meister, GA 1953, S. 167, der generell die Vollendung
des 21. Lebensjahres voraussetzt.
und nach dieser Einsicht zu handeln. Sie sei bis zur Vollendung des 26
a.a.O. S. 64
27
Vgl. zuletzt S. 239
28
Meister, GA 1953, S. 167
21 29
Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor §47, 5, B, 2, a, S. 162 z. B. spielt dort eine wesentliche Rolle der Gedanke der geschäftlichen Unerfahrenheit
22
a. a. O. S. 64 und der finanziellen Abhängigkeit junger Leute (daher die abweichenden Normen der
23
a.a.O. S. 66 §§110, 112 BGB); wenn überhaupt, müßte man im Bürgerlichen Recht an die Delikts-
24
a. a. O. S. 73 fähigkeit anknüpfen.
242 243

Auf der Grundlage dieser Leitlinien sind die sich ergebenden Einzelfälle Verfügung hat, mit dessen Hilfe er seine Verbrechen durchführen kann, ohne
mutatis mutandis so zu lösen, wie es oben 30 für den Fall der Mitwirkung an ihre Realisierung einer selbständigen Entscheidung der Ausführenden über-
Delikten Jugendlicher geschildert worden ist. lassen zu müssen. Zur Veranschaulichung der Problematik denke man etwa
an die Prozesse gegen Eichmann und Staschynski 2 , an denen sich die
Besonderheiten, die hier für die Täterlehre auftreten, sehr gut zeigen lassen.
III. Zusammenfassung Dabei soll eines vorausgeschickt werden: Wir sind uns bewußt, daß
Kriegs-, Staats- und Organisationsverbrechen, wie sie hier zur Erörterung
Die Frage nach der Tatherrschaft bei Benutzung von Unzurechnungsfähigen stehen, mit den Maßstäben der Einzeltat allein nicht adäquat erfaßbar sind 3 .
und Jugendlichen ist demnach mit Hilfe der gleichen Kriterien zu Daraus folgt, daß die Rechtsfiguren von Täterschaft, Anstiftung und Bei-
beantworten, wie sie schon in den Nötigungs- und Irrtumsfällen heran hilfe, die ebenfalls auf Einzeltaten zugeschnitten sind, einem solchen
zuziehen waren. Es handelt sich hier um ein eigenartiges Mischgebiet: Die Kollektivgeschehen, wenn man es als Gesamterscheinung betrachtet, nicht
Willensherrschaft des Hintermannes kann entweder darauf beruhen, daß gerecht werden können 4 . Aber das entbindet uns nicht von der Verpflich-
er (wie bei den Nötigungssituationen) die Willensbildung des unmittelbar tung, die Verhaltensweisen der individuell an solchen Vorgängen Beteiligten
Handelnden beherrscht, oder darauf, daß er (den Irrtumsfällen ent- auch unter dem dogmatischen Aspekt der Einzeltat zu betrachten, nach
sprechend) das Geschehen kraft sinngestaltender Überdetermination zu deren Voraussetzungen sie von unseren Gerichten überwiegend abgeurteilt
lenken vermag. Die meisten unrichtigen Lösungen in diesem Bereich folgen werden. N u r diese Seite der Problematik soll im folgenden in ihrer Bedeu-
aus der Verkennung des zwiefachen Charakters möglicher Tatherrschaft in tung für die Täterlehre behandelt werden.
solchen Fällen. Legt man diese Erkenntnis zu Grunde, so müßte unter den
Vertretern der Tatherrschaftslehre eine weit größere Einigkeit zu erreichen
sein, als es bei der bisherigen fragmentarischen Behandlung der Problem- IL Das Ausscheiden einer Nötigungs- und Irrtumsherrschaft
gruppe der Fall ist.
Wenn man sich fragt, ob die für die Judenvernichtung „zuständigen"
Behördenstellen und der ausländische Geheimdienst, auf dessen Direktiven
§ 24. Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate sich der Agent Staschynski berufen hat 5 , mittelbare Täter der in ihrem
Auftrag durchgeführten Morde sind, so zeigt sich, daß eine Willens-
I. Die Fallkonstellation herrschaft kraft Nötigung oder kraft Irrtums in diesen Fällen und auch sonst
bei den typischen Konstellationen solcher Art nicht vorliegt. Man hat
Das bisherige Ergebnis unserer Untersuchungen hat gezeigt, daß die zwar immer wieder versucht, derartiger Fälle mit Hilfe der gewohnten Kate-
Willensherrschaft des Hintermannes entweder auf einer Nötigung oder auf gorien Herr zu werden, aber dadurch wird die Problemlage meist nur ver-
einem Irrtum des Tatmittlers beruhen kann. Trotz der vielfältig ver- schleiert.
schiedenen Ausformung im einzelnen sind diese beiden Grundstrukturen Was nämlich die Nötigung betrifft, so hat sich bei Untersuchungen des
mittelbarer Täterschaft überall dieselben. Doch stellt sich die Frage, ob Nürnberger Aktenmaterials herausgestellt, daß „nicht ein einziger Fall"
die Möglichkeiten mittelbarer Täterschaft damit erschöpft sind. Die Fälle aufzufinden war, bei dem jemand „wegen Verweigerung eines Erschie-
der sogenannten qualifikations- und absichtslosen dolosen Werkzeuge, ßungsbefehls selbst erschossen worden wäre. Das Äußerste war ein Ver-
die von der herrschenden Meinung hier eingeordnet werden, erfordern eine merk in der Personalakte, eine Beförderungssperre oder eine Versetzung.
sehr differenzierende Betrachtung, die später noch durchgeführt werden Schlimmere Folgen - auch Drohungen mit Todesurteil oder KZ - sind
wird'.
An dieser Stelle soll zunächst eine andere Erscheinungsform mittelbarer 2
Vgl. zum Staschynski-Fall schon oben S. 105, Anm. 52, S. 129f.
Tatbeherrschung behandelt werden, die bisher in Wissenschaft und Recht- 3
Vgl. dazu die treffenden Hinweise bei Jäger in seinen „Betrachtungen zum Eichmann-
sprechung überhaupt noch nicht erwähnt worden ist: die Willensherrschaft Prozeß", MSchrKrim 1962, S. 73-83
4
kraft organisatorischer Machtapparate. Damit sind die Fälle gemeint, die in Darum versucht z. B. der Gesetzgeber, die Beteiligung an solchen Kollektivdelikten mit
sonst unbekannten Begriffen wie „Mitglied", „Hintermann", „Rädelsführer" zu um-
den Nachkriegsjahren die Rechtsprechung in zunehmendem Maße beschäf- schreiben; vgl. etwa §§128, 129, 129a StGB. Diesen interessanten, noch sehr in den
tigen und die sich übereinstimmend dadurch auszeichnen, daß der Hinter- Anfängen steckenden Versuchen kann hier nicht nachgegangen werden, weil unsere
mann einen - meist staatlich organisierten - personellen „Apparat" zur Arbeit thematisch auf konkrete Einzeltaten eingegrenzt bleiben soll.
5
Ob diese Einlassung sachlich zutrifft, mag hier dahinstehen. Denn es geht uns weniger
0
um den konkreten Fall, dessen Hintergründe nicht ganz klar durchschaubar sein mögen,
S. 238/239 als um die Problemstruktur, für deren Behandlung wir annehmen wollen, daß die Taten
' Vgl. unten S. 252-260, 338-352, 360-364 wirklich allein im Auftrag eines Geheimdienstes begangen worden sind.
244 245

nicht nachweisbar" 6 . Ebenso hatte der Agent Staschynski sehr wohl die gebern hier eine Schlüsselstellung innerhalb des Gesamtgeschehens zuzu-
Möglichkeit, sich dem Mordbefehl zu entziehen, indem er sich rechtzeitig weisen, die dem bloß Auffordernden in den Fällen „gewöhnlicher" Krimi-
den deutschen Behörden stellte. nalität nicht zukommt.
Ähnlich steht es mit einer etwaigen Irrtumsherrschaft des Hintermannes. Woran liegt das? Ein schärferes Hinsehen zeigt, daß diese andere Beur-
Es ist zwar nicht schlechthin undenkbar, daß jemand, der eigenhändig teilung auf der spezifischen Wirkweise des den Hintermännern in unseren
unschuldige Menschen umbringt, in ideologischer Verblendung das materielle Beispielsfällen zu Gebote stehenden Apparates beruht. Eine solche Organi-
Unrecht solchen Tuns nicht einsieht. Aber im Regelfall wird es doch so sein, sation nämlich entfaltet ein Leben, das vom wechselnden Bestände ihrer Mit-
daß der unmittelbare Täter die Stimme seines Gewissens allenfalls durch den glieder unabhängig ist. Sie funktioniert, ohne daß es auf die individuelle
Gedanken an die höhere Verantwortung seiner Auftraggeber unterdrücken Person des Ausführenden ankommt, gleichsam „automatisch". Man braucht
kann. Ein bloßer Irrtum über die formelle Rechtswidrigkeit, wie er dann sich nur den keineswegs konstruierten Fall vor Augen zu halten, daß in
vorliegen mag, verschafft dem Hintermann aber nicht die Willensherrschaft einem diktatorischen Regime die Staatsführung einen Apparat zur Beseiti-
über das Geschehen. Das ist oben ausführlich dargelegt worden 7 . gung mißliebiger Personen oder Menschengruppen aufbaut. Wenn bei der-
artigen Gegebenheiten - bildlich gesprochen - der an einer Schaltstelle des
Organisationsgefüges sitzende Hintermann auf den Knopf drückt und eine
III. Die strukturellen Grundlagen der Organisationsherrschaft Tötungsaufforderung ausspricht, so kann er sich darauf verlassen, daß dem
Folge geleistet wird, ohne daß er den Ausführenden auch nur zu kennen
Wie ist aber, wenn Nötigung und Irrtum nicht vorliegen, eine mittelbare braucht. Es ist auch nicht erforderlich, daß er zu den Mitteln der Nötigung
Täterschaft der Auftraggeber überhaupt noch begründbar? Diese Frage ist oder Täuschung greift. Denn er weiß, daß, wenn eines der zahlreichen bei
bisher deshalb kaum gestellt worden, weil man mit Hilfe der Theorie vom der Deliktsrealisierung mitwirkenden Organe sich seiner Aufgabe entzieht,
animus auctoris dem Hintermann leicht den Täterwillen zusprechen konnte sogleich ein anderer an seine Stelle tritt, ohne daß die Durchführung des
und so aller Schwierigkeiten überhoben war. Aber das ist eine Scheinlösung. Gesamtplans beeinträchtigt wird.
Denn sicherlich haben die Drahtzieher solcher Unternehmungen im Sinne Der für die Begründung der Willensherrschaft in solchen Fällen ent-
der subjektiven Theorie ein erhebliches Interesse am Gelingen der Tat. Aber scheidende Faktor, der sie als eine gegenüber der Nötigungs- und Irrtums-
das ist normalerweise bei allen Anstiftern der Fall und kann deshalb kein herrschaft deutlich abgegrenzte dritte Form mittelbarer Täterschaft er-
brauchbares Kriterium zur Unterscheidung von Anstiftung und mittelbarer scheinen läßt, liegt also in der Fungibilität des Ausführenden. Die Struktur
Täterschaft abgeben; ganz abgesehen davon, daß eine solche Konstruktion dieser Herrschaftsweise und ihr Verhältnis zu den beiden anderen Grund-
mit der Tatherrschaftslehre jedenfalls nicht zu vereinbaren wäre. Und wenn formen der Willensherrschaft läßt sich sogar in geradezu idealtypischer
man sagt, daß im Rahmen solcher Organisationen der Hintermann sich dem Abstraktion aus der Vielfalt der Lebensvorgänge herauspräparieren. Wenn
Ausführenden nicht innerlich unterordnen werde, daß er ihm das Geschehen man sich nämlich überlegt, wie man, ohne selbst mit Hand anzulegen, ein
nicht „anheimzustellen" brauche, so ist das zwar richtig. Der Grund dafür durch andere bewirktes Geschehen in maßgeblicher Weise lenken kann, so
kann aber nicht in besonderen Gemütsstimmungen der Auffordernden, son- lassen sich, wenn ich recht sehe, überhaupt nur drei Mittel denken: Man
dern nur im Funktionsmechanismus des Apparates liegen, im Rahmen kann den Handelnden zwingen; man kann ihn hinsichtlich des für die Täter-
dessen sie tätig werden. schaft entscheidenden Umstandes als blinden Kausalfaktor einsetzen; oder
Daran zeigt sich: Man kann, wenn man diese Konstellationen als von der Ausführende muß, wenn er weder genötigt noch getäuscht wird, beliebig
denen der Anstiftung strukturell unterscheidbar nachweisen will, auch hier auswechselbar sein.
nur auf Differenzierungen objektiver Art zurückgreifen. Und solche Ab- Bei dieser dritten, uns hier interessierenden Fallkonstellation mangelt es
weichungen lassen sich in der Tat auffinden. Wenn wir uns zunächst einmal also nicht an der Freiheit und Verantwortlichkeit des unmittelbar Aus-
ohne genauere Analyse von einem unbefangenen Vorverständnis des führenden, der als schuldhaft-eigenhändiger Täter zu bestrafen ist. Aber
Begriffes „Tatherrschaft" leiten lassen, so wird es unmittelbar einleuchten, diese Umstände sind für die Herrschaft des Hintermannes irrelevant, weil
daß ein für die Organisation von Judenermordungen zuständiger hoher von seiner Warte aus der Handelnde sich nicht als freie und verantwortliche
Beamter oder die Leitung eines mit politischen Attentaten beschäftigten Einzelperson, sondern als anonyme, austauschbare Figur darstellt. Der Aus-
Geheimdienstes die Herbeiführung des Erfolges in anderer Weise beherr- führende ist, so wenig an seiner Handlungsherrschaft gerüttelt werden kann,
schen als ein gewöhnlicher Anstifter. Niemand wird zögern, den Auftrag- doch gleichzeitig nur ein in jedem Augenblick ersetzbares Rädchen im
Getriebe des Machtapparates, und diese doppelte Perspektive rückt den
6
so Jäger, M S c h r K r i m 1962, S. 79, unter Berufung auf den hessischen Generalstaatsanwalt Hintermann neben ihn ins Zentrum des Geschehens.
Bauer.
7
Vgl. S. 192-205
246 247

IV. Die dogmatische Beurteilung der Täterverhälmisse gericht Jerusalem ins Auge gefaßt, wenn es sagt 11 , „daß die Nähe oder Ent-
im Eichmannprozeß fernung des Einen oder des Andern dieser vielen Verbrecher zu dem Manne
der das Opfer tatsächlich tötete, überhaupt keinen Einfluß auf den Umfang
Der Eichmann-Prozeß, in dem die sonst schwer durchschaubare Verflech- der Verantwortlichkeit haben kann. Das Verantwortlichkeitsausmaß wächst
tung der einzelnen Tatanteile mit besonderer Sorgfalt bloßgelegt worden ist, vielmehr ..., je mehr man sich von demjenigen entfernt, der die Mordwaffe
eignet sich sehr gut, um den vorstehend entwickelten Typus der Organi- mit seinen Händen in Betrieb setzt und zu den höheren Befehlsstufen
sationsherrschaft am konkreten Beispiel zu demonstrieren. Gericht und gelangt, den ,Anstiftern' in der Nomenklatur unseres Gesetzgebers". Das
Verteidigung haben hier auch in der Beurteilung der Täter- und Teilnehmer- Gericht, das ausdrücklich hervorhebt, man müsse den Angeklagten „in
fragen verschiedene Auffassungen vertreten. Bei einer genaueren Unter- jedem Fall als Täter der strafbaren Handlung selbst ansehen", erkennt durch-
suchung der von ihnen herangezogenen Gründe zeigt sich jedoch, daß sie aus richtig, „daß in diesem gigantischen und weitverzweigten Verbrechen ...,
beide bestimmte charakteristische Züge der Organisationsherrschaft in an dem viele Personen in verschiedenen Befehlsstufen ... teilgenommen
ihren Abweichungen von den gewöhnlichen Fällen des Zusammenwirkens haben - Planentwerfer, die Organisatoren und die verschiedenen Rang-
zutreffend erfassen und beschreiben, daß ihnen aber gleichermaßen die ordnungen angehörenden Ausführungsorgane - es nicht zweckmäßig ist, die
dogmatische Bewältigung dieser Erscheinungen nicht in vollem Umfang üblichen Begriffe des Anstifters und Gehilfen in Anwendung zu bringen".
gelingt. Die Richter weisen auf die besondere Schwierigkeit hin, „in Fachausdrücken
So hat der Verteidiger Eichmanns zugunsten seines Mandanten ausge- zu definieren, wer wem Hilfe geleistet hat", und berufen sich für die An-
führt,8 „daß eine Gehorsamsverweigerung durch ihn ohne Wirkung auf die nahme der Täterschaft schließlich auf den Charakter dieser Delikte als
Durchführung der Judenvernichtung geblieben und daher sein Opfer „Massenverbrechen", der die Anwendung der üblichen Teilnahmekategorien
bedeutungslos gewesen wäre. Der Befehlsapparat würde weitergearbeitet ausschließe.
haben, so wie er dies tat, nachdem Heydrich getötet worden war. Hier liegt Man sieht, daß die sachlichen Elemente der Organisationsherrschaft hier
der Unterschied zum Individualverbrechen. Dort kann der Täter zurück- sehr klar gekennzeichnet werden: Während es normalerweise so ist, daß ein
treten, er kann die Fortsetzung der Tat verhindern. Gegenüber dem Befehl Beteiligter, je weiter er sich vom Opfer und der unmittelbaren Tathandlung
des übermächtigen Kollektivs wird das Opfer sinnlos. Hier ist das Ver- entfernt, desto mehr in die Randzone des Geschehens gedrängt und von der
brechen nicht die Tat der Einzelperson; es ist der Staat selbst der Täter...". Tatherrschaft ausgeschlossen wird, liegt es in diesen Fällen gerade umgekehrt
In diesen Worten kommen die Umstände, die eine Willensherrschaft der so, daß der Verlust an Tatnähe durch das nach den leitenden Stellen des
Eichmann vorgesetzten Instanzen begründen, richtig zum Ausdruck. Es ist Apparates hin immer zunehmende Maß an organisatorischer Herrschaft
in der Tat die Struktur des unbekümmert um den Ausfall des einzelnen kompensiert wird 12 . Daß diese Beziehung der Hintermänner zu den Aus-
weiterarbeitenden Apparates, die das Verhalten der Hintermänner von der führenden strukturell nicht mehr als Anstiftung erfaßbar ist, wie es außer-
Anstiftung abhebt und zur Täterschaft macht. Aber die Täterschaft Eich- halb der spezifischen Bedingungen solcher Apparate der Fall wäre - hat das
manns wird dadurch, auch soweit er im Verhältnis zu den ihm übergeord- Gericht völlig zutreffend hervorgehoben.
neten Stellen nur als ausführendes Organ erscheint, nicht berührt. Der Wenn es jedoch zur Begründung der Täterschaft geltend macht, es handele
Gedanke des „sinnlosen Opfers" läuft, so wichtig er für die Täterlehre bei sich um „Massenverbrechen, nicht nur, was die Anzahl der Opfer anlangt,
Beurteilung der Auftraggeber ist, im Hinblick auf das persönliche Verhalten sondern auch in Bezug auf die Anzahl der Mittäter", so ist das kein ganz
des Ausführenden auf den alten und schon früher erörterten Einwand der überzeugender Gesichtspunkt. Denn allein die Anzahl der Mitwirkenden
„überholenden Kausalität" hinaus 9 , der weder in der Täterlehre noch sonst kann Teilnehmer nicht in Täter verwandeln. Sie könnte die Verantwortung
im Strafrecht dogmatische Bedeutung hat 10 : Wer ein Delikt begeht, ist seiner des einzelnen höchstens verringern. In einer konkreten Situation - etwa bei
Verantwortung nicht deshalb ledig, weil sonst ein anderer die Tat begangen einem telefonischen „Führerbefehl" an ein Einsatzkommando oder im Fall
hätte. Staschynski - brauchen nur ganz wenige Personen beteiligt zu sein, ohne daß
Andererseits war Eichmann ja nicht nur Ausführender, sondern ~im sich an der durch die Funktionsweise des Apparates bedingten Täterschaft
Hinblick auf die ihm untergebenen Personen gleichzeitig Anordnender, so des Hintermannes etwas änderte.
daß insoweit die Kriterien, die seine Hintermänner zu mittelbaren Tätern Und die Vielzahl der Opfer ist für die Täterschaft ebensowenig entschei-
machen, auch auf ihn zutreffen. Diese Seite des Falles hat das Bezirks- dend. Wenn nämlich anstatt einer ganzen Bevölkerungsgruppe nur jeweils
eine Einzelperson verfolgt worden wäre, müßten die Hintermänner doch
als Täter beurteilt werden. Auch das zeigt sich am Fall Staschynski: Hier
8
Servatius, Verteidigung Adolf Eichmann, Plädoyer, 1961, S. 77/78
9 11
Vgl. oben S. 175-178 (176/177) Urteil gegen Adolf Eichmann, Strafakt 4 0 / 6 1 , inoffizielle Ü b e r s e t z u n g , N r . 197
10 12
Vgl. dazu auch meine A b h a n d l u n g in ZStW, Bd. 74, 1962, S. 411 ff. (425^130) Vgl. dazu auch Jäger, M S c h r K r i m 1962, S. 79
248 249

muß, obwohl es um die Ermordung von nur zwei Personen ging, dem aus- nach oben sich verlängernden, beim ersten Befehlsgeber endenden Gesamt-
ländischen Geheimdienst trotzdem die Willensherrschaft zugesprochen kette erscheint.
werden, weil der mit der Durchführung des Auftrages betraute Agent ohne Freilich ist damit nicht gesagt, daß es bei strafbaren Handlungen im
Rücksicht auf sein individuelles Verhalten von vornherein als bloße Ziffer in Rahmen organisatorischer Machtapparate keine Beihilfe gebe. Jede Tätigkeit,
den ohne ihn gefaßten Tatplan eingesetzt worden war. Mit Verlusten und die den Apparat nicht selbständig weiterbewegt, kann vielmehr nur teil-
Ausfällen muß man bei solchen Organisationen immer rechnen, ohne daß nahmebegründend wirken. Wer lediglich in beratender Funktion beteiligt ist,
der Mechanismus des Apparates dadurch ernstlich beeinträchtigt würde. wer ohne Befehlsgewalt Vernichtungspläne entwirft, wer Mordmittel liefert,
Wenn einer versagt, tritt der nächste an seine Stelle, und eben dieser der ist allemal nur Gehilfe; ebenso wie der außerhalb des Apparates stehende
Umstand macht den jeweils Ausführenden unbeschadet seiner eigenen Denunziant nur Anstifter ist, weil er höchstens den Entschluß zu Delikten
Handlungsherrschaft gleichzeitig zum Werkzeug des Hintermannes. hervorrufen kann und auf den weiteren Gang der Dinge keinen Einfluß hat.
Natürlich braucht die Handlungsweise dieser Teilnehmer in concreto nicht
weniger verwerflich zu sein als die eines Täters. Aber daß darin kein für die
V. Einzelprobleme Abgrenzung der Beteiligungsformen maßgebender Gesichtspunkt liegt, ist
oft genug betont worden 1 6 .
1. Täterschaft und Teilnahme innerhalb der Organisation

Generell läßt sich also sagen: Wer in einen Organisationsapparat an irgend- 2. Beschränkung der Organisationsherrschaft auf
einer Stelle in der Weise eingeschaltet ist, daß er ihm untergebenen Personen rechtsgelöste Apparate
Befehle erteilen kann, ist kraft der ihm zukommenden Willensherrschaft
mittelbarer Täter, wenn er seine Befugnisse zur Durchführung strafbarer Aus der Struktur der Organisationsherrschaft folgt, daß sie nur dort vor-
Handlungen einsetzt. O b er dabei auf eigene Initiative oder im Interesse und liegen kann, wo der Apparat als ganzer außerhalb der Rechtsordnung wirkt.
Auftrag höherer Instanzen handelt, ist unerheblich 13 . Denn für seine Täter- Denn solange Leitung und Ausführungsorgane sich prinzipiell an eine von
schaft entscheidend ist allein der Umstand, daß er den ihm unterstellten Teil ihnen unabhängige Rechtsordnung gebunden halten, kann die Anordnung
der Organisation lenken kann, ohne die Deliktsverwirklichung anderen strafbarer Handlungen nicht herrschaftsbegründend wirken, weil die Ge-
anheimstellen zu müssen. Völlig zutreffend meint Jäger 14 , gerade an diesen setze den höheren Rangwert haben und im Normalfall die Durchführung
Konstellationen werde deutlich, „daß auch eine Handlung, die nur in der rechtswidriger Befehle und damit die Willensmacht des Hintermannes aus-
Unterzeichnung eines Dokuments oder einem telefonischen Anruf besteht, schließen.
Mord sein kann - und zwar auch nach geltendem deutschen Recht in vollem Wenn etwa in einem rechtsstaatlichen Gemeinwesen ein Behördenchef
Umfang und ohne jede Einschränkung". seine Untergebenen zu strafbaren Handlungen veranlaßt, oder wenn beim
Die Tatherrschaft kann also unbedenklich bejaht werden, auch wenn, wie Militär ein Vorgesetzter rechtswidrige Befehle erteilt, dann ist das, solange
etwa Servatius 15 im Eichmann-Fall richtig hervorhebt, der Angeklagte nicht eine mittelbare Täterschaft aus anderen Gründen zu bejahen ist,
„weder am Beginn noch am Ende der Tat" mitwirkt und seine Beteiligung rechtlich stets nur als Anstiftung zu würdigen. Denn wenn der Gesamt-
sich „auf das dazwischenliegende Stück" beschränkt. Daß dadurch ge- apparat sich in den Bahnen des Rechts bewegt, „funktioniert" er in den
gebenenfalls eine längere Kette von „Tätern hinter dem Täter" auftritt, steht Formen der geschilderten Herrschaftsstruktur nur bei Benutzung der durch
dem nicht entgegen. Denn wir haben wiederholt gesehen, daß diese Rechts- die Rechtsordnung vorgezeichneten Wege. Ein rechtswidriges Ansinnen
figur auch sonst in der Täterlehre vorkommt. Und in den besonderen, hier kann hier die Organisation nicht in Bewegung setzen; wird es befolgt, so
zur Erörterung stehenden Fallsituationen wird eine Herrschaft der Organi- handelt es sich nicht um eine Aktion des Machtapparates, sondern um eine
sationsspitze eben gerade dadurch ermöglicht, daß auf dem Wege vom Plan unter Umgehung seiner Funktionsweise zustandekommende „Privatunter-
zur Realisierung des Verbrechens jede Instanz von Stufe zu Stufe den von*ihr nehmung", deren Kennzeichen denn auch die sorgfältige Verheimlichung vor
ausgehenden Teil der Kette weiterlenkt, auch wenn von höherer Warte aus den übrigen Aufgabenträgern der Organisation zu sein pflegt. In solchen
gesehen der jeweils Lenkende selbst nur als Glied einer über ihn hinaus Fällen wird also nicht mit dem Apparat, sondern gegen ihn gehandelt, so
daß sie aus dem Bereiche möglicher Organisationsherrschaft von vornherein
13
Deshalb kann auch beispielsweise im Falle E i c h m a n n s der H i n w e i s des Verteidigers, ausscheiden. Es fehlt hier auch dem äußeren Vorgang nach an allen Voraus-
sein M a n d a t sei „nur in der Routinearbeit selbständig" gewesen u n d habe als Referent setzungen mittelbarer Täterschaft; denn der einzelne muß als jeweils
lediglich „im Auftrage" unterschrieben, seine Täterschaft nicht ausschließen; vgl. Serva-
tius, Plädoyer, S. 70
14
M S c h r K r i m 1962, S. 80
15 16
Plädoyer, S. 69 Vgl. n u r o b e n S. 30ff.
250 251

individuell Beteiligter für einen Deliktsplan immer erst gewonnen werden, vierten Male gelingt, ist das Delikt dem Chef der Untergrundbewegung als
und von einer beliebigen Austauschbarkeit kann nicht die Rede sein. seine Tat zuzurechnen. Denn er konnte eine beliebig häufige Wiederholung
Daraus ergibt sich, daß für eine „Willensherrschaft mittels organisatori- der Versuche von vornherein einplanen, ohne daß zwischen seinem Willen
scher Machtapparate" im wesentlichen nur zwei typische Erscheinungs- und dem Gelingen des Verbrechens die maßgebliche Entscheidung eines
formen in Betracht kommen: einzelnen stand. Dieser konnte der Tat höchstens seinen Anteil entziehen
a) Der praktisch bedeutsamste Fall dürfte der sein, daß die Inhaber der den Gang des Geschehens aber nicht aufhalten.
Staatsmacht selbst mit Hilfe ihnen unterstehender Organisationen Delikte Allerdings muß man bei solchen innerstaatlichen Gruppierungen mit der
begehen; eine Konstellation, wie sie sowohl im Eichmann-Prozeß als auch Annahme einer Organisationsherrschaft vorsichtig sein. Wenn sich ein
beim Staschynski-Urteil vorlag. Denn normalerweise kann allein die Staats- halbes Dutzend asozialer Elemente zu gemeinsamen Straftaten zusammen-
gewalt rechtsgelöst operieren, und auch sie kann es nur, wenn rechtsstaat- schließen und einen unter sich zum Anführer wählen, ist das ganze noch
liche Garantien nicht mehr wirksam sind. kein „Machtapparat". Denn die Gemeinschaft beruht auf den individuellen
Damit ist nicht gesagt, daß die Machtträger in totalitären Staaten nicht Beziehungen der Beteiligten untereinander und hat nicht jenen vom Wech-
ebenfalls unter dem Rechte stünden. N u r weil wir auch sie an gewisse, allen sel der Mitglieder unabhängigen Bestand, den die spezifische Form der
Kulturvölkern gemeinsame Grundwerte für gebunden halten, haben wir Willensherrschaft in solchen Fällen voraussetzt. Die hier erforderliche
überhaupt die Möglichkeit, Handlungen oberster Staatsorgane, die den Abgrenzung im Detail durchzuführen und an konkreten Beispielen zu er-
Menschenrechten eindeutig zuwiderlaufen, für verbrecherisch und strafbar läutern, verbietet der Raum. Der prinzipielle Unterschied dürfte aber klar
zu erklären. Aber die rechtliche Verpflichtung wirkt sich, solange niemand geworden sein.
denen entgegentreten kann, die den Staatsapparat in Händen halten, in der
Realität nicht machthemmend aus. Deshalb bleibt in solchen Fällen auch bei
deliktischen Anordnungen die Funktionsfähigkeit des Apparates gesichert. VI. Methodologische Aspekte der Organisationsherrschaft
b) Die zweite Hauptform mittelbarer Täterschaft innerhalb dieser
Gruppe betrifft Taten, die im Rahmen von Untergrundbewegungen, Ge- Die vorstehend erörterte dritte Erscheinungsform mittelbarer Täterschaft
heimorganisationen, Verbrecherbanden und ähnlicher Zusammenschlüsse läßt die früher 17 behandelte Struktur der Tatherrschaft als eines „offenen"
begangen werden. Was solche Gemeinschaftsbildungen, damit man von einer Begriffes besonders deutlich hervortreten. Denn ein „durch die erschöpfende
Willensherrschaft der Hintermänner bei der Durchführung von Straftaten Angabe seiner stets unabdingbaren Merkmale" 18 fest begrenzter Täter-
sprechen kann, auszeichnen muß, ist nicht nur eine straffe, vom Wechsel der begriff, aus dem sich die Lösung dieser Fälle logisch-deduktiv ableiten ließe,
Einzelmitglieder unabhängige Organisation, sondern auch eine der inner- ist nicht formulierbar. Nicht begriffliche Konsequenzen aus dem System
staatlichen Rechtsordnung zuwiderlaufende, gegen positive Strafrechts- oder aus sonstigen obersten Prämissen können hier zu brauchbaren Er-
normen verstoßende Zielsetzung des Gesamtapparates. Es muß sich, schlag- gebnissen führen. Vielmehr kann, wie dieses Beispiel zeigen soll, das
wortartig ausgedrückt, um eine Art „Staat im Staate" handeln, der sich richtige Verfahren nur darin bestehen, aus der unmittelbaren Anschauung
allgemein oder in bestimmten Beziehungen von der Gemeinschaftsordnung der Lebenserscheinungen und ihrer Analyse die typischen, im Rechtsstoff
emanzipiert hat. Die hier in Betracht kommenden Delikte mögen sich als selbst angelegten Strukturformen der Herrschaft beschreibend herauszu-
politische Attentate, Fememorde oder auch - bei reinen Verbrecherbanden - destillieren. Der Begriff der Tatherrschaft ist also nicht etwas von vornherein
als Vermögensstraftaten, Erpressungen usw. darstellen. Fertiges, in sich Abgeschlossenes, dem beliebige Sachverhalte im Wege
Derartige Gruppen sind zwar - anders als ein deliktisch handelnder bloßer Subsumtion untergeordnet werden, sondern er gewinnt seine kon-
Staatsapparat - der Behinderung durch Strafverfolgungsorgane ausgesetzt. krete Gestalt erst im Durchgang durch die verschiedenen Bereiche der
Trotzdem ist die Täterschaftsstruktur hier keine andere als im ersten Fall. Regelungsmaterie, deren jeder dem unabgeschlossenen Täterbegriff neue
Dehn entscheidend ist nicht, daß der Verbrechensverwirklichung außerhalb Einzelzüge hinzufügt.
des Organisationsgefüges liegende Widerstände entgegentreten können, so Diese allgemeinen Gesichtspunkte müssen kurz in die Erinnerung
sehr ein Deliktsplan in concreto daran scheitern mag. Wesentlich ist viel- zurückgerufen werden, um dem Mißverständnis zu begegnen, als handele
mehr, daß die Mitglieder bei ihren Straftaten nicht auf eigene Faust und im es sich bei der „Willensherrschaft mittels organisatorischer Machtapparate"
Widerspruch zur Zielsetzung ihrer Gruppe, sondern als Organe der um eine mit den herkömmlichen Formen der Täterschaft nur schwer in
Führungsspitze handeln, deren Autorität sie anerkennen. Einklang zu bringende ad-hoc-Konstruktion. Es ist zwar ganz richtig,
Wenn ein Apparat so aufgebaut ist, läßt sich das die Organisations- wenn im Eichmann-Prozeß darauf hingewiesen wurde, daß die „üblichen
herrschaft kennzeichnende Kriterium auch hier aufweisen: Das vom Hinter-
mann in Gang gesetzte Unternehmen wird unabhängig von der Person des 17
obenS. 122
18
Ausführenden verwirklicht. Wenn das dreimal gescheiterte Attentat beim Larenz, Juristische Methodenlehre, S. 343
252 253

Begriffe" von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung hier nicht paßten. I. Das qualifikationslose dolose Werkzeug
Aber die Annahme der Täterschaft bedeutet nicht, daß in diesen Fällen für
besonders verwerfliche Verbrechen eine Art „Ausnahmerecht" geschaffen 1. Zum Meinungsstand
würde. Es ist vielmehr so, daß die Strukturform der Organisationsherrschaft
im Rahmen eines rechtsstaatlich geregelten, innerlich stabilen Gemeinwesens Wir gehen von dem Schulbeispiel aus, daß ein Grundbuchbeamter (also ein
kaum praktisch auftreten kann. Diese Art von Willensherrschaft hat dann Qualifizierter) einen Extraneus zu einer unrichtigen Eintragung im Grund-
eine mehr ideale als reale Existenz und kann in der Täterlehre unberücksich- buch verleitet. Es entspricht der durchaus herrschenden Meinung, daß der
tigt bleiben. Sobald aber die äußeren Gegebenheiten einer solchen Herr- Außenstehende in diesem Fall mittelbarer Täter einer Falschbeurkundung
schaftsform die Möglichkeit zur Verwirklichung bieten, wird es zur Aufgabe nach § 348 Abs. 1 StGB ist, während der unmittelbar Handelnde als Gehilfe
der Dogmatik, sie in ihren Elementen zu beschreiben und ihr den gebühren- bestraft wird. Wie läßt sich das mit der Tatherrschaftslehre vereinbaren?
den Platz in der Täterlehre zuzuweisen. Die Frage wird von den Hauptvertretern dieser Theorie nur wenig be-
Die dogmatische Bewältigung solcher extremen Formen deliktischen handelt. Welzel 2 und Maurach 3 nehmen Tatherrschaft und damit Täter-
Handelns muß der Praxis naturgemäß immer wieder Schwierigkeiten schaft des Qualifizierten an, ohne sich auch nur auf den Gedanken einzu-
machen, weil sie vielfach geneigt ist, sich der überlieferten Kategorien als lassen, daß hier für die Tatherrschaftslehre Schwierigkeiten entstehen
eines abgeschlossenen Begriffsarsenals zu bedienen, das dann mit einem könnten.
Male seine Untauglichkeit erweist. Eben daran zeigt sich, daß nur ein Die gründlichste Erörterung der Problematik findet sich bei Gallas 4 ,
„offener" Tatherrschaftsbegriff im Sinne unserer anfangs niedergelegten dessen Auffassung schon oben 5 im Rahmen seiner Gesamtkonzeption
Erwägungen den vorgegebenen Sachgehalten der Materie gerecht werden andeutend skizziert wurde. Er stellt zunächst fest, „daß der Hintermann den
kann. unmittelbar Handelnden hier nicht geherrscht', ihn nicht als ,Werkzeug'
benutzt ... Es liegt vielmehr, wenn man das Veranlassen für sich betrachtet,
so, daß der Hintermann den unmittelbar Handelnden ... anstiftet ..." 6 .
§ 2 5 . Willensherrschaft bei dolosen Werkzeugen? Trotzdem gelangt er zur Annahme mittelbarer Täterschaft durch die Er-
wägung, daß der Hintermann es darüber hinaus anders als bei den gewöhn-
Die Fälle der mittelbaren Täterschaft durch Einschaltung eines sogenannten lichen Anstiftungsfällen in der Hand habe, ob es überhaupt zu einem delik-
„dolosen" Werkzeuges haben schon immer zu den umstrittensten Kom- tischen Geschehen komme. „Der Anstiftungsakt wird so zur Ausübung von
plexen fast aller Teilnahmetheorien gehört. Die grundlegende Frage, ob es Tatherrschaft und damit der eigenhändigen Vornahme ... gleichwertig" 7 .
überhaupt möglich sei, hier eine mittelbare Täterschaft anzunehmen, ist Wieners 8 , der die von Gallas gegebene Begründung ablehnt, kommt sachlich
heute zwar für die Praxis in bejahendem Sinne entschieden; theoretisch aber dennoch zum selben Ergebnis; auch er arbeitet mit dem Gedanken, daß das
ist sie, wie unsere spätere Darstellung zeigen wird, noch niemals befriedi- Verhalten des Hintermannes „der persönlichen Vornahme der finalen Täter-
gend beantwortet worden. Auch in der Begründung der meist unbesehen handlung gleichwertig" sei.
vorausgesetzten Strafbarkeit besteht größte Uneinigkeit. Demgegenüber betont Schröder 9 ausdrücklich, die Tatherrschaftslehre
Mit allen Zweifeln, denen dieser Problembereich seit eh und je ausgesetzt könne der Erscheinung des dolosen Werkzeugs nicht gerecht werden. Damit
ist, hat auch die Tatherrschaftslehre zu kämpfen. N u r mit ihr haben wir uns stimmt Kaun 10 als - soweit ich sehe - einziger Vertreter der Tatherrschafts-
an dieser Stelle auseinanderzusetzen. Es geht uns also nicht um die allge- lehre insofern überein, als er in solchen Fällen jede Bestrafung des Hinter-
meine Frage, ob der Hintermann bei dolos handelndem Intraneus mittel- mannes als eines mittelbaren Täters grundsätzlich ablehnt.
barer Täter sein kann - damit werden wir uns später noch eingehend
beschäftigen 1 ; vielmehr handelt es sich in diesem Zusammenhang nur darum,
ob sich ein solches Ergebnis mit dem Tatherrschaftsprinzip begründen läßt.
2
Wir unterscheiden dabei nach den drei in Frage kommenden Fallgruppen: Lehrb., 7. Aufl., S. 92; ZStW, Bd. 58, 1939, S. 543/44. Die Ausdeutung, die Wieners,
dem qualifikationslosen dolosen Werkzeug (I), dem absichtslosen dolosen a. a. O., S. 69, letzter Absatz, der Lehre Welzels gibt, findet in dessen Ausführungen
Werkzeug (II) und dem dolosen Gehilfenwerkzeug (III). keine Grundlage.
3
Lehrb., A.T., 2. Aufl., §48 II A 1, S. 499
4
Gutachtens. 135/136
5
Siehe S. 74
6
a.a.O. S. 135
7
a.a.O. S. 136
8
a. a. O. S. 72
9
Schönke/Schröder, 10. Aufl., VIII, 5, b vor §47, S. 245
Vgl. S. 360ff. 10
a. a. O. S. 33-35
254 255

2. Der Hintermann handelt ohne Tatherrschaft Gegen diesen Gedankengang hat schon Nowakowski 1 2 eingewandt, es
würden dabei „verschiedene Bewertungsaspekte miteinander vermengt".
Richtig ist, daß von den Grundlagen der Tatherrschaftstheorie aus sich eine Daß der Hintermann besondere Pflichten verletze, belaste ihn mit einem
Täterschaft des qualifizierten Urhebers nicht begründen läßt. spezifischen Unwert. Aber es mache ihn nicht zum Aktionszentrum, nicht
Von den bisher herausgearbeiteten Formen möglicher Willensherrschaft zum Herrn der Tat. - Das ist der Sache nach richtig. Wenn man die von
ist keine gegeben. Der unmittelbar Handelnde ist in der Willensbildung frei. Gallas herangezogene Erwägung von verschiedenen Seiten her beleuchtet, so
Er steht unter keinem irgendwie gearteten psychischen Druck. Die Ent- läßt sich viererlei dagegen einwenden:
scheidung darüber, ob er - um bei unserem Beispiel zu bleiben - die falsche a) Erstens setzt Gallas das voraus, was er erst beweisen soll. Die Frage ist
Grundbucheintragung vornehmen soll, trifft er allein nach seinem eigenen, doch, ob sich vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus eine Strafbarkeit
unbehinderten Ermessen. Auch von der final-sinnhaften Überdetermination des Hintermannes überhaupt begründen läßt. Wenn Gallas das mit der
eines im Hinblick auf den Erfolg blind-kausalen Verhaltens kann nicht die Bemerkung bejaht, es hänge von ihm ab, ob ein strafbares Verhalten vorliege,
Rede sein: Der handelnde Extraneus übersieht die Sach- und Rechtslage so ist das eine petitio principii 13 .
genauso gut wie der Beamte selbst. Eine Organisationsherrschaft im oben b) Wenn man zweitens einmal unterstellt, daß das Zustandekommen und
erläuterten Sinne liegt erst recht nicht vor. die Strafbarkeit der Tat die Beteiligung des Hintermannes voraussetzen, so
Eine vierte Art der Willensherrschaft aber läßt sich nicht aufweisen. Sie ist wäre dessen Täterschaft damit noch nicht bewiesen. Denn man würde sonst
auch nach meiner Meinung nicht denkbar. Denn der Weg zur Beherrschung auf die alte Lehre vom „Hauptgehilfen", d.h. auf die von uns oben 14
der Tat führt bei der mittelbaren Täterschaft nur über die Person des sogenannte „Notwendigkeitstheorie" zurückgreifen, von der früher 15 schon
Handelnden. Dessen autonomer Wille nimmt dem Hintermann, wenn wir dargelegt worden ist, daß sie jedenfalls dann versagt, wenn der Hintermann
von der Organisationsherrschaft absehen, die Möglichkeit gestaltender sich wie hier auf die Hervorrufung des Tatentschlusses beschränkt, ohne an
Entscheidung und drängt ihn an den Rand des Geschehens. Herr des Hand- der Ausführung mitzuwirken.
lungsvorganges kann der Außenstehende also nur werden, wenn der freie c) Drittens hängt es, wenn der Plan einmal gefaßt ist, wegen der auch von
Wille des Unmittelbaren ausgeschaltet ist; dies aber setzt mit zwingender Gallas zugestandenen mangelnden Beherrschung des Tatmittlers durch den
Notwendigkeit voraus, daß der Wille des Handelnden geknebelt ist oder den Qualifizierten gerade nicht von diesem, sondern allein vom freien Entschluß
konkreten Sinngehalt des Erfolges nicht erfaßt. Eine weitere Möglichkeit ist des unmittelbar Handelnden ab, ob der Plan ausgeführt wird. Unter dem
schlechterdings nicht vorstellbar. Es liegt daher beim qualifikationslosen Blickwinkel der Tatherrschaft bleibt es also dabei, daß die Entscheidung über
dolosen Werkzeug ein Sachverhalt vor, der auf der Grundlage der Tat- das O b und Wie der Tat beim Ausführenden liegt.
herrschaftslehre - wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt wären - d) Viertens endlich ist - wenn man von der bei Gallas ohne Begründung
lediglich zur Annahme einer Anstiftung führen könnte. Denn es handelt sich gebliebenen Strafbarkeit des Hintermannes ausgeht - zwar zuzugeben, daß
nur um die Erregung eines Tatentschlusses. Das von Welzel selbst für nur wegen seiner Person ein tatbestandsmäßiges Verhalten und damit eine
die mittelbare Täterschaft in anderem Zusammenhang geltend gemachte Straftat überhaupt konstruierbar ist. Das liegt aber lediglich daran, daß der
Erfordernis, wonach das Werkzeug „sich gegenüber dem mittelbaren Täter Hintermann allein die für ein tatbestandsmäßiges Verhalten erforderliche
in einer unterlegenen Stellung befinden muß" 1 1 , ist hier ersichtlich nicht besondere Qualifikation besitzt - ein Gesichtspunkt, der mit der Tatherr-
erfüllt. schaft nichts zu tun hat. Es sind zwei durchaus verschiedene Dinge, ob
jemand Beamter ist oder ob er bei einem bestimmten Vorgang das Hand-
lungsgeschehen beherrscht. Die Qualifikation bedeutet doch nur, daß der
3. Die Qualifikation als psychologisches Betreffende Täter eines Sonderdelikts sein kann. O b er in einem konkreten
Herrschaftskriterium ? Fall die Tatherrschaft hat, ist eine andere Frage.

Die oben abgelehnte Möglichkeit einer weiteren Art von Willensherrschäft


versucht jedoch Gallas darzutun. Denn sein Argument, daß der Hintermann Gallas hat anscheinend selbst das Problematische seiner Begründung emp-
kraft seiner Qualifikation die Deliktsverwirklichung „in der Hand" habe, funden und ihr die Bemerkung hinzugefügt, es handele sich hier „um eine
zielt auf den Begriff einer psychischen Herrschaft sui generis: Wenn der Begehungsform eigener Art, die der Mittäterschaft näher steht als der
Hintermann seine Beteiligung verweigert, kann aus dem Delikt nichts
werden, das somit seiner Existenz nach von ihm abhängt. 12
JZ 1956, S. 549
13
insoweit ebenso Wieners, S. 72
14
Vgl. S. 38-41
15
Lehrb., 7. Aufl., S. 94 oben S. 40/41
256 257

mittelbaren Täterschaft, jedenfalls in deren herkömmlicher, auf die Beherr- schaft, so ist dieser Begriff nicht mehr Maßstab der Täterbestimmung, son-
schung des Tatmittlers abstellender Bedeutung" 16. dern ein bloßes Etikett, hinter dem sich sachlich ganz verschiedene Kriterien
Aber auch diese Erwägung kann die Annahme einer Täterschaft vom verbergen. Er verliert damit seinen konstitutiven Charakter und wird über-
Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus nicht rechtfertigen. Denn eine Mit- flüssig.
täterschaft setzt - von der fehlenden Qualifikation des Handelnden abge- b) Vielleicht wird man einwenden, es handele sich nur um eine aus dem
sehen - zumindest voraus, daß der Hintermann an der Tatherrschaft teilhat. Normsinn der Sonderdelikte folgende inhaltliche Modifizierung des Herr-
Das ist aber nicht der Fall, wenn er sich auf eine Tätigkeit beschränkt, schaftsbegriffes. Es könne doch nicht verboten sein, die besondere Be-
die - wie auch Gallas annimmt - „an sich" nur einen Anstiftungsakt dar- ziehung eines Beteiligten zum geschützten Rechtsgut mit dem Terminus
stellt. „Tatherrschaft" zu bezeichnen, auch wenn diesem Begriff damit ein anderer
Inhalt als bei gewöhnlichen Delikten verliehen werde.
Die sich aus diesem Einwand ergebende allgemeine Frage, ob und wie-
4. Die Qualifikation als normatives Herrschaftskriterium? weit Begriffsbildungen und Benennungen „beliebig" sind, kann an dieser
Stelle nicht erörtert werden. Hier läßt sich nur darlegen, welche Vorstellung
Der tiefere Grund einer Auffassung, wie sie uns bei Gallas entgegentritt, liegt von „Tatherrschaft" auf dem Boden unserer grundsätzlichen Erwägungen
in der von ihm vertretenen spezifischen „Normativität" des Tatherrschafts- über den Täterbegriff als sinnvoll erscheint. Dann läßt sich folgendes fest-
begriffes, auf die sich neben ihm besonders auch Lange beruft. Beide gehen stellen:
davon aus, daß bei Sonderdelikten nur der Qualifizierte Tatherr sein könne, Zwar weist ein richtig verstandener Tatherrschaftsbegriff normativen
weil ihm allein der besondere Deliktsgehalt des Tatbestandes zugänglich Charakter auf, aber diese Normativität beschränkt sich auf zwei Aspekte:
sei 17 . Dagegen finden wir etwa bei Welzel 18 eine scharfe Trennung zwischen Zunächst hängt es von den Zweckvorstellungen des Gesetzgebers ab, ob und
der Tatherrschaft und den besonderen täterschaftlichen Merkmalen, die für wo er den Begriff der Tatherrschaft zum Kriterium der Täterschaft erheben
ihn nichts miteinander zu tun haben. will 19 ; bejaht man seine Anwendbarkeit, ist es ferner eine Frage teleolo-
Diese Differenz, auf die in anderen Zusammenhängen noch wiederholt gischer Auslegung, wie der Begriff anhand des einmal gefaßten Leit-
zurückzukommen sein wird, führt in grundsätzliche Fragen strafrechtlicher gedankens in den Grenzbereichen festzulegen sei 20 : So haben wir vorhin -
Begriffsbildung. Im Ergebnis ist Welzel zuzustimmen. Wenn man bei den um nur ein Beispiel herauszugreifen - das Problem, wann ein Nötigungs-
Sonderdelikten auf Grund einer „tatbestandsbezogenen" Betrachtungsweise druck stark genug ist, um dem Hintermann die Willensherrschaft zuzu-
die Qualifikation als tatherrschaftsbegründendes Element ansieht, so ist sprechen, nicht nach faktisch-psychologischen Gesichtspunkten, sondern
dadurch die mittelbare Täterschaft des veranlassenden Beamten zwar in ver- nach den gesetzlichen Wertvorstellungen gelöst 21 .
blüffend einfacher Weise erklärt. Aber ein solches Verfahren ist aus mehreren Es ist aber nicht darüber hinaus möglich, den Kern eines Begriffes durch
Gründen unzulässig. ein wertendes Verfahren mit beliebigem Bedeutungsgehalt zu erfüllen 22 .
a) Zunächst einmal gerät man durch diese Methode mit der Tatherr- Vielmehr weist der Begriff der Willensherrschaft eine unverrückbare Grund-
schaftslehre in einen Zirkel, der ihre selbständige Bedeutung aufhebt und der struktur auf, die man respektieren muß, wenn man sich einmal für ihn ent-
in vergleichbarer Weise schon die frühere Animus-Theorie entwertet hat. schieden hat. Insoweit bestimmt nicht der Gesetzgeber, was Herrschaft ist,
Man macht nämlich dann nicht mehr die Täterschaft von der Tatherrschaft sondern er bezieht sich durch die Wahl dieses Gesichtspunktes gerade auf
abhängig, sondern man versieht umgekehrt das, was man als Täterschaft einen in seinem Kernbestand vorgegebenen Sinngehalt; sonst wären begriff-
ansehen zu müssen glaubt, nachträglich mit der Benennung „Tatherrschaft". liche Bezeichnungen ganz willkürlich und damit „sinn"los.
Bei den Beamtendelikten ist es in erster Linie das Strafbedürfnis, die Diesem anschaulich-seinshaften Grundelement des Herrschaftsbegriffes
Unmöglichkeit, den außenstehenden Qualifizierten als Teilnehmer zu er- läßt sich entnehmen, daß man von der „Herrschaft" über eine konkrete
fassen, was zur Annahme einer Täterschaft drängt. „Tat" sinnvollerweise nur sprechen kann, wenn die Kriterien, die sie be-
N u n mag eine solche Bestrafung durchaus gerechtfertigt sein; wir werden gründen, dem „Herrschenden" einen mehr oder weniger großen Einfluß
darauf noch einzugehen haben. Aber die Täterschaft wird dann eben nicht auf die Straftat und damit auf die Gestaltung des äußeren Handlungs-
aus der Tatherrschaft, sondern aus anderen Gesichtspunkten hergeleitet. geschehens vermitteln. Wo das nicht der Fall ist, kann ein Umstand keine
Spricht man trotzdem in einem derartigen Zusammenhang von Tatherr-
16
a . a . O . S. 136; ähnlich Welzel, 7. Aufl., S. 93, für den insoweit gleichliegenden Fall der
19
Absichtsdelikte; vgl. auch H e l l m u t h Mayer, Lehrb., S. 308 Vgl. d a r ü b e r grundsätzlich oben S. 19-23; ferner u n t e n S. 335ff.
17 20
Vgl. Gallas, G u t a c h t e n , S. 133; Lange, Kohlr./Lange, 4 2 7 4 3 . Aufl., vor § 4 7 , I, 4, S. 160; Vgl. darüber oben S. 23 u n d passim
vgl. auch Franzheim, Die Teilnahme an unvorsätzl. H a u p t t a t , S. 36f. 21
S. 144ff. u n d passim
18 22
Lehrb. 7. Aufl., S. 90; vgl. auch oben S. 67 Vgl. d a r ü b e r schon oben S. 24/25
258 259

Herrschaft begründen. Stimmt man dem zu; ist es aber unzulässig zu sagen, keit mittelbarer Täterschaft des Hintermannes nicht schlechthin ausge-
jemand beherrsche ein konkretes Geschehen allein deshalb, weil er die Täter- schlossen, aber auf die Fälle einer konkret feststellbaren Tatherrschaft redu-
qualifikation besitze, oder: jemand beherrsche einen Vorgang deshalb nicht, ziert, die hier nicht aus einem Mangel der volldeliktischen Natur der Haupt-
weil er durch sein Tun keine spezifische Pflicht verletze. Denn die Herr- tat gefolgert we.rden" könne.
schaft bezieht sich auf das reale Geschehen, die Pflicht dagegen auf die Allerdings hängt die Frage, ob das Tatherrschaftsprinzip bei den Absichts-
Norm, so daß es nicht möglich ist, eins vom andern abhängig zu machen. delikten eine befriedigende strafrechtliche Erfassung des Hintermannes
Auch mit Hilfe einer wertenden Betrachtungsweise darf man sich darüber zuläßt, wesentlich von der Auslegung der einzelnen Tatbestände ab. Wenn
nicht hinwegsetzen. Sonst verfällt man wieder der verfehlten Methode man beispielsweise dem Knecht unseres Ausgangsfalles die Zueignungs-
einer „sekundären" Täterbestimmung 23 , d.h. dem Versuch, eine Täter- absicht zugesteht, kann der Bauer nach der Tatherrschaftslehre unbedenklich
schaft nur deshalb „wertend" zu begründen, weil sich ein als strafwürdig als Anstifter bestraft werden. Entsprechendes gilt für die anderen in Betracht
empfundenes Verhalten im Bereiche der Teilnahme nicht unterbringen zu ziehenden Delikte. Insoweit kommt es bei der Lösung also nicht auf den
läßt 24 . Begriff der Tatherrschaft, sondern auf Sinn und Bedeutung der einzelnen
Mit alledem ist nicht gesagt, daß eine Täterschaft und damit eine straf- subjektiven Unrechtselemente an. Darauf wird später noch zurückzu-
rechtliche Erfassung des qualifizierten Hintermannes ausgeschlossen sei. kommen sein 28 .
Aber sie darf dann nicht aus dem Kriterium der Tatherrschaft hergeleitet Hier läßt sich als Ergebnis jedenfalls festhalten: Eine mittelbare Täter-
werden. Den damit zusammenhängenden Problemen wird später noch nach- schaft, die auf der Einschaltung eines vorsätzlich und ungenötigt handelnden
zugehen sein. Dabei werden wir an die eben entwickelten Gedanken wieder „absichtslosen dolosen Werkzeugs" beruht, ist mit der Tatherrschaftslehre
anzuknüpfen haben. nicht zu vereinbaren.
Das ganze ist auch kein müßiger Streit um Worte, sondern hat erhebliche
praktische Bedeutung. Denn wenn man diese Fälle unbesehen dem Tatherr-
schaftsprinzip unterordnet, wird man aus ihm bei der Abgrenzung von III. Das dolose Gehilfenwerkzeug
Täterschaft und Teilnahme Ergebnisse herleiten, die der besonderen Natur
dieser Delikte nicht gerecht werden. Das führt bei Bestimmung der Teil- Bei dieser Fallgruppe geht es um die Benutzung von Personen, die man nach
nahmeformen und bei den Akzessorietätsfragen zu mancherlei sachlichen der früher maßgebenden subjektiven Theorie „dolose Gehilfenwerkzeuge"
Fehlern, auf die unten noch im einzelnen einzugehen sein wird 25 . nannte. Dabei soll in diesem Zusammenhang die Frage unerörtert bleiben,
ob derjenige, der die Tat mit „Gehilfenwillen" eigenhändig ausführt, Täter
oder Teilnehmer ist. Dieses Problem ist schon oben untersucht worden 2 9 .
II. Das absichtslose dolose Werkzeug Hier handelt es sich nur darum, ob der Hintermann Täter ist, eine Möglich-
keit, die sich entgegen einer weitverbreiteten Meinung nicht schon dadurch
Ähnlich wie bei den Sonderdelikten liegt es in den Fällen, in denen der Hin- ausschließen läßt, daß man dem unmittelbar Handelnden die Tätereigen-
termann zur Tat einen Menschen veranlaßt, den die herrschende Lehre als schaft zuerkennt; denn ein „Täter hinter dem Täter" ist - wie mehrfach
„absichtsloses doloses Werkzeug" bezeichnet. Das Schulbeispiel bildet der gezeigt wurde - nach dem Tatherrschaftsprinzip nicht grundsätzlich undenk-
Diebstahlstatbestand: „Ein Bauer läßt in Zueignungsabsicht von einem bar.
Knecht, der die Sachlage erkennt, fremde Hühner in seinen Stall treiben" 26 . Unter den der Tatherrschaftslehre nahestehenden Autoren sind es
Wenn man hier mit Welzel und der ganz überwiegenden Meinung dem namentlich Lange und Nowakowski, die den Außenstehenden auch dann
Knecht die Zueignungsabsicht abspricht, so liegt aus zahlreichen, schon bei als Täter ansehen wollen, wenn ein anderer frei und ungenötigt die Tat
Erörterung der Sonderdelikte geltend gemachten Gründen eine Tatherrschaft für ihn ausführt 30 . So will Lange 31 bei der Entscheidung des Badewannen-
des Bauern nicht vor. Die bloße Zueignungsabsicht, also eine überschießende, falles (RGSt 74, 84) zwar der ausführenden Schwester die Tatherrschaft
objektiv sich nicht auswirkende Innentendenz, kann dem Auffordernden zubilligen, aber gleichzeitig die auffordernde Mutter als mittelbare Täterin
nicht zur Herrschaft über den Handlungsablauf verhelfen. ansehen; und Nowakowski 3 2 läßt denjenigen, der einen anderen zur Be-
Diese Ansicht vertritt hier - anders als oben - gegen Welzel und Gallas
auch Maurach 27 ; er meint durchaus zutreffend, es sei „zwar die Möglich-
28
Vgl. S. 338ff.
23 29
darüber oben S. 26-28 Vgl. S. 127-131
24 30
Vgl. dazu auch Piotet, ZStW, Bd. 69, 1957, S. 24 Anm. 21 Neben ihnen sind noch von Weber, Grundriß, 2. Aufl., S. 65, 67 und Busch, Moderne
25
Vgl. S. 352 ff. Wandlungen, S. 18, anzuführen. Vgl. dazu oben S. 80/81 und S. 80
26
Welzel, LB, 7. Aufl., S. 93 31
Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor §47 I, 5, B, 2, f, S. 162
27
A.T., 2. Aufl., §48 I I B , S. 500 32
JZ 1956, S. 549
260 261

gehung einer Straftat anwirbt, neben diesem ebenfalls als Täter haften, wenn § 26. D e r I r r t u m über Tätervoraussetzungen
auch als Mittäter.
Schon unseren früheren Darlegungen zum Begriff der Willensherrschaft Ein Lieblingsthema der Teilnahmeliteratur bildet der Irrtum über Täter-
liegt die Ablehnung einer solchen Auffassung zugrunde; denn der Ab- voraussetzungen. Was soll geschehen, wenn jemand Umstände annimmt, bei
grenzung von Willensherrschaft und Willenseinfluß 33 , d.h. der genaueren deren Vorliegen seine Handlung als Teilnahme zu beurteilen wäre, wenn aber
Festlegung des für die Begründung der Tatherrschaft erforderlichen Willens- der Sachverhalt objektiv so geartet ist, daß der Tatbeitrag ihm die Tatherr-
druckes bei den Nötigungsfällen, hätte es nicht bedurft, wenn schon eine schaft verschafft oder doch wenigstens bei Kenntnis der Lage verschaffen
freiwillige Handlung im Interesse des Hintermannes diesen zum Täter würde? Und wie ist es umgekehrt, wenn jemand alle Voraussetzungen der
machte. Es bedarf denn auch hier nur einer knappen Ergänzung der ander- Tatherrschaft für gegeben hält, in Wirklichkeit aber das vermeintliche Werk-
wärts niedergelegten Grundgedanken 34 . zeug das Geschehen in der Hand hat?
Der Gesichtspunkt des „Handelns für einen anderen" leitet auf die Inter- Diese Fragen sind bis heute, und zwar auch unter den Anhängern der
essentheorie zurück und ist allen gegen sie vorgebrachten Einwendungen Tatherrschaftslehre, heillos umstritten. Die halbwegs erschöpfende Dar-
ausgesetzt. Er hat mit der Tatherrschaft nichts zu tun: Denn diese beruht bei stellung der möglichen Lösungen und aller für und gegen sie sprechenden
der mittelbaren Täterschaft darauf, daß der Ausführende durch sein Ver- Argumente würde eine gesonderte Abhandlung erfordern. Wir müssen uns
halten einen fremden Willensentschluß unfrei oder unwissend verwirklicht. hier darauf beschränken, die eigene Meinung zu entwickeln; dabei werden
So liegt es hier aber nicht. Denn wenn der Handelnde sich bei voller Sinn- wir abweichende Meinungen insoweit berücksichtigen, als sie für das Ver-
erfassung ungenötigt - sei es auch gegen eine Belohnung - zur Tat ent- ständnis des Tatherrschaftsbegriffs wesentlich sind.
schließt, so ist es seine Entscheidung, die sich im äußeren Geschehen be-
kundet. Auch wenn er den Willen eines anderen zu dem seinen macht, bleibt
er Herr seiner Entschlüsse und der zu ihrer Verwirklichung vorgenommenen I. Die Verkennung tatherrschaftsbegründender Umstände
Handlungen. Er kann sie nach eigenem Belieben durchführen oder aufgeben.
Solange das aber möglich ist, steht der Handelnde nicht unter fremder Herr- Am wenigsten geklärt sind die Fälle, bei denen der Außenstehende irriger-
schaft. weise annimmt, der Unmittelbare handele vorsätzlich. Hier gibt es zahl-
Eine andere Auffassung ist mit dem vorgegebenen Sinn des Herrschafts- reiche Schulbeispiele: A fordert den B auf, bei der Polizei eine Anzeige zu
begriffes nicht zu vereinbaren und setzt sich dem schon oben erhobenen erstatten; dabei glaubt er fälschlich, der B kenne ihre Unrichtigkeit 1 . Oder:
Vorwurf einseitig normativistischer Verzerrung aus 35 : als ob der Inhalt Der nach seiner Vorstellung zum Morde anstiftende Jagdpächter A weiß
dessen, was man unter Herrschaft zu verstehen habe, zu beliebiger Ver- nicht, daß der Aufgeforderte B den gemeinsamen Feind für ein Stück Wild
fügung stünde! Wenn Lange 36 sagt, die Tatherrschaft des Bestimmenden hält 2 .
hänge hier von seiner Willensrichtung ab, dann ist die Bemerkung Welzels 37 , Es muß aber nicht unbedingt auf dem fehlenden Vorsatz des Mittlers
Lange vertrete die subjektive Theorie, wenigstens in diesem Punkte nicht so beruhen, daß der Hintermann die objektiv gegebenen Voraussetzungen
„irrig", wie Lange 38 meint. Die Willensrichtung als innere, in die Steuerung eigener Tatherrschaft nicht erfaßt. Ebenso kann es vorkommen, daß A den
des Handlungsvorganges sich nicht umsetzende „Einstellung" zum Erfolg, irrigerweise für zurechnungsfähig gehaltenen B zur Begehung einer Straftat
ist für die Ermittlung der Herrschaft als eines objektiven Phänomens ebenso veranlaßt 3 , oder daß dieser die materielle Rechtswidrigkeit bzw. den kon-
wenig von Bedeutung wie bestimmte „Pflichten" oder „Absichten". kreten Handlungssinn seines Verhaltens entgegen der Annahme des Außen-
Diese Fälle sind also nach der Tatherrschaftslehre aus dem Bereich der stehenden nicht erkennt. Kurzum: Es gibt keine Erscheinungsform der
mittelbaren Täterschaft grundsätzlich auszuschließen. mittelbaren Täterschaft, die nicht die Möglichkeit eines Irrtums über herr-
schaftsbegründende Faktoren böte. Natürlich sind solche Irrtümer auch
nicht nur dort denkbar, wo der Hintermann anstiften will; sie können in ent-
sprechender Weise auftreten, wenn er sich Umstände vorstellt, die eine
Beihilfe begründen würden.
Für die rechtliche Würdigung dieser Sachverhaltsgestaltungen bieten sich
drei Lösungen an: Man kann erstens dem A trotz seines Irrtums die Tat-
dazu oben S. 143/144
Vgl. besonders S. 156-158
1
Vgl. S. 256-258 und die dort angegebenen Rückverweisungen. Maurach, A.T., 2. Aufl., §50, III, B, 3, a, S. 529; Baumann, JZ 1958, S. 233
wie Anm. 31 2
Baumann, JZ 1958, S.233; Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 109; Bockelmann, Untersuchungen,
Lehrb., 7. Aufl., S. 94 S. 49, Anm. 37, S. 96, Anm. 40
Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor §47 I, 1, S. 159 3
dazu Gallas, Gutachten, S. 139
262 263

herrschaft und damit die mittelbare Täterschaft zusprechen; man kann b) Die Kenntnis der herrschaftsbegründenden Umstände als notwendiger
zweitens eine vollendete und drittens eine versuchte Anstiftung annehmen. Steuerungsfaktor
Alle drei Auffassungen haben unter den Vertretern der Tatherrschaftslehre
Anhänger gefunden. Die angeführten^ Begründungen beruhen bei aller Unterschiedlichkeit im
einzelnen auf einer gemeinsamen Voraussetzung: auf der Annahme nämlich,
daß die Tatherrschaft subjektiv nicht mehr als den Vorsatz erfordere, daß
1. Mittelbare Täterschaft? mithin im Vorstellungsinhalt zwischen Tätern und Teilnehmern kein Unter-
schied bestehe.
a) Die Begründung der Tatherrschaft im Schrifttum Diese These aber ist falsch. Das Bewußtsein der eigenen Kausalität, das
auch den Anstifter und Gehilfen auszeichnet, ermöglicht noch keine
Maurach 4 beruft sich für seine Ansicht, daß der A in den oben geschilderten Steuerung des Handlungsablaufs. Diese liegt vielmehr, wie oben eingehend
Fällen ungeachtet seiner Fehlvorstellung mittelbarer Täter sei, auf das begründet wurde, in der Überdetermination des Geschehens, deren Wesen
„Vorliegen der objektiven Tatherrschaft", die der Hintermann in beiden die sehende und sinnsetzende Verknüpfung menschlicher und außermensch-
Fällen ausgeübt habe. Zur Begründung heißt es: „daß er seine Stellung als licher Bedingungsfaktoren ist. Wenn der Vordermann vorsätzlich, aber ohne
solche nicht erkannt hat, sich selbst vielmehr nur als tatherrschaftslosen Unrechtsbewußtsein handelt, so wird der Hintermann nicht durch seinen
Teilnehmer betrachtete, vermag ihn deshalb nicht zu entlasten, weil die auf die Kenntnis der Tatumtände beschränkten Vorsatz, sondern allein durch
Finalität seines Handelns in dem einen wie in dem anderen Falle gleich seine überschießende Verbotskenntnis zum mittelbaren Täter. Sein objek-
gewesen wäre." tiver Tatbeitrag, die Handlungsaufforderung, ist völlig der gleiche, auch
Auch Hellmuth Mayer 5 sieht den A als mittelbaren Täter an. „Denn der wenn er wegen Fehlens einer sinnhaften Überdetermination nur als Anstifter
Anstiftervorsatz enthält den Tätervorsatz jedenfalls in sich. Er enthält nur haftet. Oder man denke an die Fälle der vierten Tatherrschaftsstufe, etwa an
außerdem noch den Willen, einen anderen in Schuld zu verstricken". Das- die Ausnutzung eines error in persona: Nicht der Vorsatz und nicht einmal
selbe soll auch bei einer nur vorgestellten Beihilfe gelten 6 : „Nur im Ver- die Kenntnis des Unrechts und aller Schuldelemente und erst recht nicht der
hältnis zu einem wirklichen Täter degradiert die abhängige Willensbildung Umfang des äußeren, „objektiven" Tatbeitrages begründen hier die mittel-
den Mitbeteiligten zum bloßen Gehilfen. O b ... der Scheingehilfe meint, bare Täterschaft, sondern nur das Verständnis des konkreten Handlungs-
einem Verantwortlichen beizustehen, ist ... gänzlich gleichgültiger Irrtum sinnes.
über den Kausalverlauf, denn inhaltlich ist der Gehilfenvorsatz dem Täter- Damit ist zumindest bewiesen, daß bei der mittelbaren Täterschaft nicht
vorsatz gleich". der Vorsatz, sondern die Kenntnis und bewußte Ausnutzung aller objektiv
Schließlich ist noch v. Uthmann 7 zu nennen, der für eine mittelbare Täter- herrschaftsbegründenden Faktoren den Beteiligten ins Zentrum des Ge-
schaft in den Fällen vermeintlicher Anstiftung geltend macht, daß A das schehens rücken. Ein solcher herrschaftsbegründender Umstand ist nun aber
Geschehen objektiv in der Hand halte und mit Tätervorsatz handele. Im auch die Werkzeugqualität des Mittelsmannes. Deshalb ist nicht einzusehen,
Gegensatz zu Maurach und Mayer will er aber bei einer nur vorgestellten weshalb man bei Bestimmung der mittelbaren Täterschaft gerade auf die
Beihilfe dem Hintermann nicht die Tatherrschaft zugestehen und ihn allen- Kenntnis dieses für den objektiven Sinn der Beteiligung entscheidenden
falls wegen fahrlässiger Tat bestrafen 8 . Kriteriums sollte verzichten können. Die Herrschaft ist ja nichts Statisches,
kein fester Zustand, sondern etwas durch die Ausübung in der konkreten
Handlung sich Verwirklichendes. Wie sollte man aber eine Herrschaft
ausüben können, von der man nichts weiß?
Die Richtigkeit dieses theoretischen Ansatzes erweist sich auch an den
praktischen Ergebnissen. Wollte man mit der Gegenmeinung jemanden,
der auf Grund seines Vorstellungsinhaltes bei objektiver Beurteilung An-
4 stifter oder Gehilfe wäre, nur deshalb als Täter betrachten, weil der Partner
A.T., 2. Aufl., §50, III, B, 3, a, S. 529, für den Fall der Unzurechnungsfähigkeit wohl
ebenso Kohlr./Lange, 42743. Aufl., I, B, 2, a vor §47, S. 163; auch Welzel hat früher bei entgegen seiner Annahme vorsatzlos, ohne Unrechtsbewußtsein oder als
der vermeintlichen Anstiftung eine im Ergebnis gleiche Lösung erwogen, vgl. Lehrb., Unzurechnungsfähiger handelt, so würde die Schwere seiner Strafe und
3. Aufl., S. 90 in vielen Fällen die Bestrafung überhaupt von einem Umstand abhängen,
5
Lehrb., S. 329 den er nicht kannte und für den er nichts konnte. Wer nach seinen Vor-
6
a.a.O. S.33o
7
NJW1961,S. 1909 stellungen (straflose) Beihilfe zu einer Übertretung geleistet hätte, stünde als
8
zur abweichenden Behandlung der vermeintlichen Beihilfe vgl. auch Welzel, Lehrb., strafbarer Täter da! Unterbleibt die Tat, so würde aus der versuchten Bei-
3. Aufl., S. 90 hilfe oder der versuchten Anstiftung zu einem Vergehen, die beide straflos
264 265

sind; ein strafbarer Fall versuchter Täterschaft. Die angenommene versuchte Gallas 11 , Dahm 1 2 , Sax13, Baumann 14 , Mezger 15 , Schröder 16 und wohl
Verbrechensanstiftung oder vollendete Beihilfe würde nach dem schweren auch der Bundesgerichtshof 17 nehmen mit sehr verschiedenen Begründungen
Strafrahmen der vollendeten Täterschaft geahndet. In allen diesen Fällen eine vollendete Anstiftung oder Beihilfe an. Welzel 18 , Bockelmann 19 ,
bestünde demnach eine Art Erfolgshaftung, die in unerträglicher Weise Heinitz 2 0 und Tröndle 21 dagegen halten einen Teilnahmeversuch für
gegen den Schuldgrundsatz verstieße. Es ist ein Unding, jemandem einen gegeben, der nur unter den Voraussetzungen des §49a StGB strafbar
Umstand strafbegründend oder straferschwerend zuzurechnen, den er, wie ist.
es bei dem Defekt des Vordermannes der Fall ist, weder gekannt noch auch Bei der Beurteilung dieser Sachverhalte empfiehlt es sich zunächst, eine
nur objektiv herbeigeführt hat. Unterscheidung zu treffen zwischen den Fällen, da der Unmittelbare ohne
Man kann dieser Aporie nicht dadurch entgehen, daß man für die irrige Vorsatz handelt, und allen übrigen Konstellationen, bei denen die dem
Vorstellung der Beihilfekriterien eine Ausnahme gelten läßt. Denn erstens Außenstehenden unbekannte Herrschaftsmöglichkeit auf anderen Um-
werden dadurch die unbilligen Ergebnisse nur zum Teil vermieden, weil ständen beruht.
auch in der Bestrafung von Anstiftung und Täterschaft - beim Versuch -
Unterschiede bestehen; und zweitens gibt es, wenn man den Anstiftervorsatz
zur Begründung der Tatherrschaft ausreichen läßt, kein sinnvolles Argument b) Der Ausführende handelt vorsätzlich
dafür, warum es bei der vermeintlichen Beihilfe auf die objektive Situation
nicht ankommen soll. Die Situationen der zweiten Art, in denen der Handelnde zwar den Vorsatz
Auch darf man nicht glauben, daß die oben aufgezeigten Ergebnisse die im Sinne der Schuldtheorie, nicht aber die Kenntnis der materiellen Rechts-
logische Konsequenz eines objektiven Täterbegriffes seien 9 . Eine so aufgefaßte widrigkeit, der schuldbegründenden Umstände oder des konkreten Hand-
Tatherrschaftslehre wäre unrichtig. Denn die „Objektivität" des Herrschafts- lungssinnes besitzt, gestatten unbedenklich die Bestrafung wegen vollendeter
merkmals besteht nicht darin, daß man von der vollen Kenntnis des Sach- Teilnahme. Denn der Ausführende ist - sei es auch vielleicht schuldloser -
verhaltes absehen könnte. Sie bedeutet lediglich, daß eine auf die sinnhafte Täter, und der Ausschluß einer höherstufigen Tatherrschaft läßt die auf der
Geschehenssteuerung sich nicht auswirkende innere Einstellung für die nächstniederen Stufe ohnehin vorliegende Anstiftung oder Unterstützung
Abgrenzung belanglos ist, daß ein überschießender „Täterwille", dem in der unberührt.
äußeren Situation nichts entspricht, die Aufgliederung der Teilnahmeformen Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn der Vordername A
nicht bestimmen darf10. In Wirklichkeit handelt es sich bei der hier bekämpf- einem error in persona unterliegt und der Hintermann B in Kenntnis des
ten Ansicht nicht um einen objektiven Tatherrschafts begriff, sondern um die Irrtums den A zum Schuß veranlaßt, um auf diese Weise (während A es auf
verkappte Wiederkehr der extensiven Lehre, wonach man zum Täter schon den D abgesehen hat) seinen Feind C umzubringen, so ist B mittelbarer
dadurch wird, daß man den tatbestandlichen Erfolg bewußt verursacht. Täter eines Mordes 22 . Er hat die Tatherrschaft vierter Stufe inne. Gleich-
Wir können also festhalten: Derjenige, dem die Werkzeugqualität eines zeitig ist aber auch A Täter, und zwar Träger einer drittstufigen Tatherr-
von ihm Aufgeforderten oder Unterstützten verborgen bleibt, hat nicht die schaft, hinsichtlich deren der B lediglich Anstifter ist. Soweit es nämlich
Tatherrschaft und ist nicht mittelbarer Täter. nicht um die Tötung einer konkreten Person, sondern um die bloße Mensch-
qualität des Opfers geht, nimmt A die zentrale Stellung im Geschehen ein,
und der Beitrag des B beschränkt sich auf die Erregung des Tatentschlusses.
2. Vollendete Teilnahme Diese Anstiftung tritt normalerweise hinter der Täterschaft zurück. Scheidet
jedoch eine Täterschaft deshalb aus, weil der Hintermann sich der Herr-
a) Die Meinungen schaftsmöglichkeit nicht bewußt ist - so, wenn der B die Personenver-

Die weitere Frage, ob der Außenstehende in diesen Fällen Anstifter bzw. " G u t a c h t e n ^ . 139/40
Gehilfe ist oder ob er bestenfalls wegen versuchter Anstiftung bestraft 12
N J W 1 9 4 9 , S. 810
13
werden kann, liegt außerhalb der uns in erster Linie beschäftigenden Täter- M D R 1954, S. 65-71
14
problematik; sie bedarf dennoch der Erörterung, weil Art und Möglichkeit JZ 1958, S. 230-235; Lehrb., 2. Aufl., S. 450/451
15
Lehrb., 2 7 3 . Aufl., S. 449
der Bestrafung wichtige Rückschlüsse auf die Abgrenzung von Täterschaft 16
Schönke/Schröder, 10. Aufl., vor §47, IX, 6, b, S. 251 f.
und Teilnahme zulassen. 17
B G H S t 8, 137-139
18
Lehrb., 7. Aufl., S. 109f.
19
Untersuchungen, S. 49, Anm. 37, 95 ff., 125
9 20
so aber w o h l B a u m a n n , Lehrb., 2. Aufl., S. 445, der dieses A r g u m e n t z u r Widerlegung Festschr. zum 41. Dtsch. Juristentag, 1955, S. 106
der Tatherrschaftslehre benutzt. 21
G A 1 9 5 6 . S . 143/144
10 22
Vgl. zu diesen Fragen noch näher u n t e n S. 315—318 Vgl. dazu eingehend oben S. 213-216
266 267

wechselung des A nicht durchschaut - dann bleibt die vollendete Anstiftung wäre nur Teilnehmer 23 . Dann kann es natürlich nicht anders sein, wenn er
bestehen, und es liegt nicht der geringste Grund vor, von einem bloßen Teil- dem Unmittelbaren irrigerweise sogar den Vorsatz zuschreibt.
nahmeversuch zu sprechen. Die zweite hier mögliche Konstellation ist die, daß dem Außenstehenden
Entsprechendes gilt in den übrigen Fällen dieser Art. Wenn der Hinter- B ein Risikoirrtum 24 des Handelnden A verborgen bleibt: Er glaubt bei-
mann nicht merkt, daß dem unmittelbar Handelnden die Rechtslage unbe- spielsweise, daß dieser die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes richtig
kannt ist, so kann er nicht mittelbarer Täter sein, aber er hat wenigstens eine auf 80 % einschätze, während A in Wirklichkeit nur ein 20 %iges Risiko ein-
vorsätzliche, mit Tatherrschaft begangene Handlung veranlaßt oder unter- kalkuliert hat. Das ist ein Sachverhalt, der den oben (b) erörterten parallel
stützt und kann dafür als Teilnehmer herangezogen werden. Ebenso ist es in liegt; B wäre, wenn er den Irrtum des A übersähe und ausnutzte, mittelbarer
den viel behandelten Situationen, da jemand an den Taten unerkennbar Täter 24 , einerlei, ob der A wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tat bestraft
Geisteskranker mitwirkt. wird. Bleibt nun dem B die falsche Vorstellung des A unbekannt, so fehlt
Die vielfachen Umwege, die man im Schrifttum eingeschlagen hat, um ihm die Tatherrschaft. Eine vollendete Teilnahme liegt aber auch hier vor.
eine Teilnahmebestrafung zu ermöglichen, sind also sämtlich überflüssig. Es Denn auf jeden Fall hat B an einer finalen Tatbestandsverwirklichung durch
ist nicht erforderlich, um solcher Fälle willen auf einen objektiven Tat- A mitgewirkt, und mehr ist nicht erforderlich. A ist trotz seines Irrtums
herrschaftsbegriff zu verzichten und bei der Abgrenzung subjektiv den Tatherr, weil er sich der konkreten Möglichkeit des Erfolges bewußt bleibt;
Täter- oder Teilnehmerwillen zugrundezulegen; ebenso ist es unnötig, zur die insoweit vorliegende Teilnahme des B, die bei einer sinnlenkenden Über-
Begründung der Teilnahme den Urheberbegriff heranzuziehen oder den determination auf höherer Herrschaftsstufe hinter der Täterschaft zurück-
Außenstehenden nur „wie " einen Teilnehmer zu behandeln. Vielmehr getreten wäre, entfaltet jetzt ihre selbständige Bedeutung. Nimmt man an,
liegt eine echte vollendete Teilnahme vor, deren Erfassung auch durch daß A trotz seines Risikoirrtums vorsätzlich gehandelt habe, so steht die
Akzessorietätsgrundsätze nach keiner der heute vertretenen Lehren ge- Vereinbarkeit dieser Lösung mit Akzessorietätsgrundsätzen außer Zweifel.
hindert wird. Es ist aber auch nicht anders, wenn man sein Tun als bewußt fahrlässig
beurteilt. Denn sofern man, wie es geboten und von der wohl überwiegen-
den Meinung auch anerkannt ist, beiden Verhaltensweisen dieselbe Final-
c) Der Ausführende handelt unvorsätzlich struktur zuspricht, liegt ihr Unterschied nur in der Schuldhöhe und ist für
die Möglichkeit einer Teilnahme angesichts der Akzessorietätslimitierung
Der Fall, in dem der unmittelbar Handelnde entgegen der Vorstellung ohne Bedeutung.
des Hintermannes die Tat ohne Vorsatz verwirklicht, läßt sich mit den
oben entwickelten Kriterien nicht ohne weiteres lösen. Allerdings gilt
das nur für die unbewußte Fahrlässigkeit und die unbewußt schuldlose bh) Der Ausführende handelt ohne das Bewußtsein möglicher Tatbestands-
Handlung. Hat nämlich der Ausführende die Tat wenigstens mit bewußter verwirklichung
Fahrlässigkeit begangen, so liegt eine finale Tatbestandsverwirklichung vor,
die eine Teilnahmebestrafung auch nach den bisher dargestellten Grund- Dieser Fall ist der schwierigste und am meisten behandelte. Wenn ein
sätzen ermöglicht. Daher soll diese Sachverhaltsvariante zuerst erörtert Hintermann A an einem vorsätzlichen Delikt mitzuwirken glaubt, der
werden. unmittelbar handelnde B sich jedoch die Tatumstände nicht einmal vorstellt -
so verhielt es sich mit der falschen Anzeige und dem Mord in unseren
Eingangsbeispielen dann ist B nicht Täter im Sinne der §§164, 211 StGB;
aa) Der Ausführende handelt bewußt fahrlässig ihm fehlt die Tatherrschaft jeder Stufe, und A kann Anstifter oder Gehilfe
nur sein, wenn man eine Teilnahme auch ohne Täterschaft für möglich hält.
Hier sind zwei verschiedene Irrtumssituationen denkbar: Das Problem einer Teilnahme an nichtfinaler Haupttat kann an dieser
Zunächst kann es so sein, daß das Kausalwissen von Vorder und Hinter- Stelle nicht umfassend behandelt werden. Insbesondere wollen wir auf die
mann gleich ist, daß aber der vorsätzlich handelnde Außenstehende die Akzessorietätsfragen, die unten noch in größerem Zusammenhang erörtert
Tateinstellung des Unmittelbaren verkennt; er glaubt etwa, dieser erstrebe werden 25 , jetzt nicht näher eingehen. Hier muß eine Bemerkung genügen:
den Erfolg (und handele damit vorsätzlich), während der andere in Wirk- Wenn der Gesetzgeber die Akzessorietät limitiert hat, so ist dadurch mit
lichkeit leichtsinnig auf sein Ausbleiben vertraut (so daß ihm nur Fahrlässig- bindender Wirkung lediglich festgelegt, daß die Haupttat nicht schuldhaft
keit vorzuwerfen ist). Hier haben wir einen eindeutigen Fall vollendeter
Teilnahme vor uns. Denn auch wenn der Hintermann die innere Einstellung 23
Vgl. dazu eingehend oben S. 180-191
des Ausführenden kennen würde und wüßte, daß dieser nur bewußt fahr- 24
Vgl. dazu eingehend oben S. 220-225
lässig handelt, hätte er trotz seines Vorsatzes die Tatherrschaft nicht und 25
Vgl. dazu S. 364 ff.
268 269

begangen zu sein braucht. Welche Voraussetzungen eine mit Strafe bedrohte Die vorstehend entwickelte Lösung, die im Ergebnis - wenn auch nicht in
Handlung im übrigen erfüllen muß, ob beispielsweise eine finale Tat- der Begründung - mit der Ansicht von Sax29 übereinstimmt 30 , läßt hin-
bestandsverwirklichung unerläßlich ist, darüber läßt sich dem Gesetz nichts reichend deutlich werden, daß die Tatherrschaftslehre in diesen Fällen ohne
entnehmen. jede konstruktive Verbiegung zur Annahme einer echten vollendeten Teil-
Wenn man das zugibt - und wie sollte man es bestreiten? - , dann kann die nahme kommen kann; es bedarf weder der Subjektivierung des Täterbegriffs
Frage, ob eine Teilnahme an unfinaler Haupttat möglich ist, nur aus dem durch die Heranziehung des Tatherrschaftswillens 31 noch einer Ausdehnung
Wesen der Teilnahme beantwortet werden. Und hier behaupte ich, was unten der Teilnahme auf die im Gesetz nicht vorgesehene Urheberschaft 32 . Auch
noch des näheren zu beweisen sein wird 26 , daß die Teilnahme ein „sekun- §32 des Entwurfs 1962, der für diese Fälle ausdrücklich eine Teilnahme-
därer" Begriff27 ist. In welch unterschiedlicher Weise man die Täterschaft bestrafung anordnet, ohne zu den „wissenschaftlichen Folgerungen" 33 dieser
auch immer bestimmen mag, der Teilnahmebegriff ändert sich mit ihr und Vorschrift Stellung nehmen zu wollen, wäre demnach an sich unnötig ge-
wird zu ihrem negativen Spiegelbild. Verlangt man also etwa für die Täter- wesen. Da freilich der Entwurf im übrigen gemäß §§3o, 31 nur eine Teil-
schaft den animus auctoris, so kann man die Teilnahme nur als Mitwirkung nahme an vorsätzlicher Haupttat zulassen will 34 , ist die in getroffene Ein-
ohne Täterwillen umschreiben; sieht man die Täterschaft durch die eigen- schränkung richtig und begrüßenswert.
händige Tatbestandsverwirklichung gekennzeichnet, so werden Anstiftung
und Beihilfe zur uneigenhändigen Beteiligung. Kurz: Teilnahme ist ein zur
Tat beitragendes Verhalten, das nicht die Voraussetzungen des jeweiligen 3. Versuchte Teilnahme und fahrlässige Täterschaft?
Täterbegriffs erfüllt.
Daraus folgt für unser Problem: Teilnahme ist eine Mitwirkung ohne Tat- Damit muß gleichzeitig die namentlich von Bockelmann und Welzel ver-
herrschaft. Wenn also jemand sich an einer vorsätzlichen Tat zu beteiligen tretene Auffassung, es liege nur eine versuchte Teilnahme vor, der Ab-
glaubt, der andere aber in Wahrheit ohne Tatbestandsfinalität handelt, so lehnung verfallen. Sie verkennt nicht allein das Wesen der Teilnahme. Auch
ändert das nichts daran, daß der Hintermann an der Tatbestandserfüllung ihre praktischen Ergebnisse sind höchst unbillig und mit den gesetzlichen
ohne Tatherrschaft mitwirkt. Er ist demnach Teilnehmer; und zwar An- Wertvorstellungen nicht zu vereinbaren. Denn da die versuchte Anstiftung
stifter, wenn er den Entschluß zu dem irrtumsbefangenen Verhalten her- nur bei Verbrechen strafbar ist und die versuchte Beihilfe ganz straflos
vorgerufen, Gehilfe, wenn er die Handlung in anderer Weise unterstützt bleibt, müßte der Außenstehende in den meisten Fällen straffrei davon-
hat. kommen, obwohl er den deliktischen Erfolg erreicht hat und sein Einfluß
Damit ergibt sich, daß die vollendete Teilnahme eine finale Haupttat nicht dabei objektiv noch größer war, als er gedacht hatte.
notwendig voraussetzt. Die hier nur knapp skizzierte Begründung gilt Wenn Bockelmann 35 meint, hier bleibe „das, was der seinwollende Teil-
gleichzeitig für die vorher behandelten Irrtumsfälle bei vorsätzlicher oder nehmer vollführt, zurück hinter dem, was er zu vollführen sich bestrebt", so
bewußt fahrlässiger Haupttat. Wer also die dort vom Boden der wohl herr- ist das wenig einleuchtend. Und auch die Berufung darauf, daß §49a
schenden Lehre aus entwickelten Lösungen ablehnen wollte, müßte trotz- StGB aus gutem Grund die Strafbarkeit der versuchten Teilnahme einge-
dem noch zur Bejahung einer vollendeten Teilnahme kommen. schränkt habe und nicht durch Konstruktion einer vollendeten Teilnahme
Bei einer anderen, nicht zu den Irrtumsfällen gehörenden Problemgruppe umgangen werden dürfe 36 , überzeugt nicht. Denn erstens setzt sie voraus,
allerdings helfen die dargelegten Gesichtspunkte nicht weiter, wie zur Ver- was gerade nicht richtig ist, daß es sich nämlich der Sache nach nur um
meidung von Mißverständnissen vorweggreifend bemerkt sei: in den prak- einen Teilnahmeversuch handelt. Und zweitens wird man doch schwerlich
tisch recht bedeutsamen Situationen, wo ein qualifikationsloser Hintermann leugnen können, daß die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Be-
einen nicht final handelnden Intraneus bewußt einschaltet, um den Tat- strafung des Teilnahmeversuchs nur dann Sinn hat, wenn man annimmt,
bestand eines Sonderdelikts zu verwirklichen. Hier ist vom Standpunkt der daß der Anwendungsbereich des §49a auf die Fälle begrenzt sein soll, in
Tatherrschaftslehre aus eine Teilnahme deshalb unbegründbar, weil der denen die Tatbestandsverwirklichung nicht eintritt und nur der folgenlos
Extraneus gerade nicht ohne Tatherrschaft mitwirkt. Er lenkt ja bewußt das
Geschehen und kann nur wegen seiner fehlenden Qualifikation nicht Täter
29
sein. Die hier auftretenden Fragen, auf die später im einzelnen einzugehen M D R 1954, S. 65-71
30
D i e Lückenfälle bei den Sonderdelikten u n d den eigenhändigen Straftaten behandele ich
sein wird, sind deshalb nur mit Hilfe ganz anderer Erwägungen zu klären 28 .
freilich anders als er, vgl. dazu S. 367ff., 420ff.
31
so B a u m a n n , J Z 1958, S. 230-235; Lehrb., 2. Aufl., S. 444ff., auch Sax a. a. O . S. 69
32
Vgl. z. B. Schröder, 10. Aufl., v o r § 4 7 , IX, 6, b S. 251
26
Vgl. S. 364 ff. 33
Vgl. B e g r ü n d u n g S. 151
27
Z u Bockelmanns primärem Teilnehmer- und sekundärem Täterbegriff vgl. oben 34
D a r ü b e r n o c h u n t e n S. 375 f.
S. 26-28 35
U n t e r s u c h u n g e n , S. 96
28
D a z u unten S. 367ff. 36
U n t e r s u c h u n g e n , S. 96/97
270 271

gebliebene manifestierte deliktische Wille Gegenstand der strafrechtlichen müßte A der Ansicht sein, der zum Schießen aufgeforderte B halte das
Beurteilung ist. Die ratio des §49a StGB spricht also nicht für, sondern Objekt für ein Stück Wild, während dieser sehr wohl merkt, daß es der
gegen die Subsumtion unserer Irrtumsfälle unter diese Bestimmung. Feind C ist und ihn bewußt tötet.
Es ist auch kein Ausweg, wenn man darauf hinweist, daß der strafrechtlich In der Beurteilung dieser Fälle werden im wesentlichen zwei Ansichten
sonst nicht zu fassende Hintermann unter Umständen als fahrlässiger Täter vertreten. Die eine stellt bei Abgrenzung der Beteiligungsformen ungeachtet
bestraft werden könne 37 . Schon die Konstruktion ist schwer haltbar. Denn der objektiven Gegebenheiten auf den „Täter-" oder „Tatherrschaftswillen"
der Außenstehende kennt alle Merkmale des besonderen Tatbestandes und ab und kommt hier folgerichtig zur Annahme einer mittelbaren Täter-
erstrebt bewußt ihre Verwirklichung. Wenn Welzel 38 nur demjenigen einen schaft42. Die andere, die wegen der Tatherrschaft des B eine Täterschaft des
Totschlagsvorsatz zubilligt, der ein Delikt als Tatherr begehen will, dann A für ausgeschlossen hält, nimmt Anstiftung oder Beihilfe an. Akzessorietäts-
müßten alle Teilnehmer ohne Vorsatz handeln, während man richtigerweise probleme entstehen hier nicht, weil der Täter vorsätzlich handelt. Über die
die Kenntnis der Täter- oder Teilnehmervoraussetzungen als ein zum Vor- Schwierigkeit, daß der Außenstehende diesen Umstand nicht kennt, also gar
satz hinzutretendes subjektives Unrechtselement ansieht 39 . keinen „Teilnahmevorsatz" hat, setzt man sich mit meist ziemlich gleich-
Ähnlich problematisch ist es, wenn Bockelmann 40 dem Hintermann zwar artigen Begründungen hinweg. Maurach sagt 43 : „... das fehlende Bewußtsein
den Tötungsvorsatz zugesteht, aber wegen eines Irrtums über den Kausal- tatherrschaftsloser Mitwirkung an fremder Tat wird durch die weitergehende
verlauf die Fahrlässigkeitsbestrafung eintreten lassen will. Denn erstens irrige Annahme der Tatherrschaft (Täterschaft ist mehr als Teilnahme) kom-
pflegt sich der Tatbestandsirrtum des unmittelbar Handelnden auf den pensiert". Gallas 44 geht nur auf die Tatveranlassung ein und meint, wenn
Kausalablauf nicht auszuwirken: Die Finalität und nicht die Kausalität man den Korruptionsgedanken mit der herrschenden Ansicht ausschalte,
ändert sich infolge der Fehlvorstellung. Und zweitens würde es sich doch „beständen keine Bedenken dagegen, den Anstiftervorsatz als ein minus im
wohl um eine unbeachtliche Kausalabweichung handeln 41 . Überhaupt wäre Tätervorsatz mit enthalten zu sehen und Anstiftung anzunehmen". Sehr
es ein sonderbares Ergebnis, daß die Strafmöglichkeit vom Ausmaß der ähnlich heißt es bei Welzel 45 : „Der Veranlasserwille bleibt hier nicht ...
Kausalabweichung abhängen sollte; der geringe Irrtum würde exculpieren, hinter der Wirklichkeit zurück, sondern geht über sie hinaus, umfaßt also
während der gröbere zur Bestrafung führt. auch das Weniger der Anstiftung". Dagegen hält v. Uthmann 4 6 nur die
Abgesehen von allen konstruktiven Bedenken würden diese Lösungen objektive Situation für maßgebend und kommt, weil die Vorstellungen des
aber auch nur bei den wenigen Tatbeständen weiterhelfen, wo die Fahrlässig- Hintermannes für ihn von vornherein irrelevant sind, ohne weiteres zur
keit unter Strafe steht; und auch hier wurde der niedrige, noch hinter §49a Bejahung einer Teilnahme.
zurückbleibende Strafrahmen der deliktischen Qualität des Verhaltens nicht
gerecht.
2. Vollendete Teilnahme

IL Die irrige Annahme tatherrschaftsbegründender Umstände Sachlich ist der zweiten Auffassung recht zu geben. Es liegt wie bei den
umgedrehten Irrtumsfällen eine vollendete Teilnahme vor; denn genau wie
1. Die Meinungen dort handelt es sich um eine „Mitwirkung ohne Tatherrschaft". Während
dort die Täterschaft durch die mangelnde Kenntnis der herrschaftsbegrün-
Weniger schwierig und umstritten ist die Behandlung der umgekehrten denden Umstände ausgeschlossen wird, fehlen ihre Voraussetzungen hier
Situation, des Falles also, in dem der Hintermann A sich irrtümlicherweise schon objektiv. An der damit gegebenen Teilnahme ändert die irrige An-
Umstände vorstellt, die ihn zum Tatherren machen würden, während der nahme einer Herrschaftssituation nichts. Das ergibt sich aus folgender Über-
Ausführende B in Wirklichkeit die Sachlage vollständig übersieht. Unsere legung:
Ausgangsbeispiele würden dann so umzuformen sein, daß A glaubt, der Zunächst kann es so sein, daß der Außenstehende den Vorsatz des un-
von ihm mit der falschen Anzeige beauftragte B kenne ihre Unrichtigkeit mittelbar Handelnden kennt, aber dennoch Tatherr zu sein glaubt, weil er
nicht, daß dieser aber alles weiß und trotzdem handelt; im Jagdpächterfall irrigerweise annimmt, dem anderen fehle das Unrechtsbewußtsein, er sei

37 42
Bockelmann, Untersuchungen, S. 125; Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 110; Heinitz, Festgabe Vgl. nur Baumann, JZ 1958, S. 233; Schönke/Schröder, 10. Aufl., IX, 6, a vor §47,
zum 41. Dtsch. Juristentag, S. 106; v. Uthmann, NJW 1961, S. 1909 S. 251
38 43
wie Anm. 37 Lehrb., A.T., 2. Aufl., § 50, III, B, 3, b, S. 529/30
39 44
Vgl. dazu näher unten S. 329ff. Gutachtens. 139
40
wie Anm. 37 45
Lehrb., 3. Aufl., 1954, S. 91; die folgenden Auflagen schweigen.
41
insoweit übereinstimmend Hellmuth Mayer, Lehrb., S. 329 46
NJW 1961, S. 1909
272 273

unzurechnungsfähig oder es liege ein sonstiger die Täterschaft eines Hinter- von Täterschaft und Teilnahme so sieht, wie wir es oben dargestellt haben,
mannes ermöglichender Umstand vor. Dann steht einer Teilnahmebestrafung kann es bei der Anstiftung auf die Korruption von vornherein nicht an-
schon deshalb nichts im Wege, weil, soweit es sich um das äußere Geschehen kommen. Dieser Gesichtspunkt, der im übrigen, wie unsere früheren Aus-
in seiner Qualität als Vorsatztat handelt, der Hintermann einen Teilnahme- führungen gezeigt haben, ebenso bei der mittelbaren Täterschaft eine Rolle
erfolg nicht nur objektiv erzielt, sondern dies auch subjektiv weiß. Er will ja spielen kann, hat vielmehr im Rahmen aller Beteiligungsformen nur die
einen auf die vorsätzliche Verwirklichung aller Tatumstände gerichteten Ent- Bedeutung eines Strafzumessungsgrundes.
schluß hervorrufen. Und wenn er einer Frau ein Abtreibungsmittel gibt in Man könnte außerdem erwägen, ob neben der vollendeten Teilnahme
der irrigen Annahme, daß sie die materielle Rechtswidrigkeit einer solchen wegen der Fehlvorstellung des Hintermannes jeweils noch eine versuchte
Tat nicht erkenne, so will er ihr auf der ersten Tatherrschaftsstufe bewußt Täterschaft vorliege. Das ist eine hier nicht unmittelbar interessierende Frage,
Beihilfe leisten. Der Umstand, daß er auf höherer Herrschaftsstufe ihr Han- die man aber wird verneinen müssen: Denn erstens fehlt es, wenn der un-
deln sinngestaltend überdeterminieren will und mit diesem Plan scheitert, mittelbar Handelnde von vornherein alles durchschaut, an einem Anfang
hat auf die Beihilfe keinen Einfluß. In Fällen dieser Art ist es demnach zwar täterschaftlicher Ausführung; und zweitens wirkt nur die irrige Annahme von
nicht so, wie meist pauschal und ungenau gesagt wird, daß das „Minus" des Tatumständen und nicht die sonstiger Täter- oder Teilnehmerkriterien straf-
Teilnehmervorsatzes im Tätervorsatz enthalten sei, aber wir haben immerhin begründend - andernfalls müßte die versuchte Anstiftung zu einem Ver-
eine ähnliche Beziehungsstruktur vor uns: Unter der (hier nur erstrebten) brechen schon ohne § 49a StGB ein strafbarer Verbrechensversuch sein.
Tatherrschaft höherer Stufe liegt objektiv und subjektiv eine vollendete Teil-
nahme auf niedrigerer Herrschaftsebene, die eine Bestrafung bedenkenlos
gestattet. 3. Mittelbare Täterschaft?
In solcher Weise kann man freilich nicht argumentieren, wenn, wie in
unseren Ausgangsbeispielen, der Hintermann nicht einmal an eine finale Tat- Die Gegenmeinung, die bei allen Irrtumsfällen, dieser Art dem Hintermann
bestandsverwirklichung durch den Ausführenden glaubt. Hier ist es wirklich die mittelbare Täterschaft zuspricht, läßt sich mit der Tatherrschaftslehre
so, daß zwar objektiv eine „Mitwirkung ohne Tatherrschaft", also eine Teil- nicht vereinbaren. Wo weder eine sinnsetzende Überformung des Ge-
nahme, vorliegt, der Außenstehende dies aber nicht weiß. Eine vollendete schehensablaufes noch ein die Verantwortung des unmittelbar Handelnden
Teilnahme ist trotzdem gegeben. Denn ein „Anstiftungs"- oder „Unter- ausschließender psychischer Druck vorliegt, scheidet die Möglichkeit einer
stützungswille" ist kein Erfordernis der Teilnahme. Es ist hier anders als bei Willensherrschaft aus. Freilich beruhen die abweichenden Auffassungen
der Herrschaft, die man nur ausüben kann, wenn man von ihren Voraus- auch nicht unmittelbar auf der Tatherrschaftslehre, sondern auf einer ihr
setzungen weiß. Der Grund für diese Abweichung liegt darin, daß die Teil- lediglich angenäherten Form der Dolustheorie. Gegen sie ist schon oben
nahme kein „primärer", sondern ein „sekundärer" Begriff ist 47 . Sie hat folg- Stellung genommen worden 4 9 , so daß eine Auseinandersetzung hier unter-
lich, soweit es sich nicht um die Kenntnis der Tatumstände handelt, auch bleiben kann.
keine „positiven" Voraussetzungen, sondern wird in ihrem Inhalt negativ Es ist aber noch kurz auf die Frage einzugehen, ob die von uns vertretene
durch das Fehlen der Täterkriterien, also der herrschaftsbegründenden Lösung zu unbilligen Ergebnissen führt, wie Baumann 50 vom Standpunkt
Merkmale, bestimmt. Wer bewußt auf die Verwirklichung eines Erfolges der subjektiven Theorie aus darzulegen versucht. Wenn die Tat des Vorder-
hinarbeitet, wird, wenn ein anderer frei und alles übersehend die Tat allein mannes B im Versuch stecken bleibt oder wenn er schon vorher zur Tat ent-
ausführt, nach objektivem Urteil in die Randzone des Geschehens verwiesen, schlossen war, so ist der auffordernde A nach unserer Lehre wegen An-
ob er will oder nicht. Seine Vorstellung, daß er die Zentralfigur darstelle, hat stiftung zum Versuch und im zweiten Fall u. U. wegen versuchter Anstiftung
darauf keinen Einfluß. Das ist die notwendige Konsequenz einer objektiven nach §49a StGB zu verurteilen. Baumann meint dazu: „Während bei subjek-
Abgrenzung, wie sie zum Wesen der hier entwickelten Tatherrschaftslehre tiver Abgrenzung ... in beiden Fällen, sowohl bei Ausbleiben des Taterfolges
gehört. als auch bei Antreffen eines omnimodo facturus, der mit Täterwillen Veran-
Eine solche Lösung wäre, wie Gallas richtig hervorhebt, bei der An- lassende wegen Versuchs der Haupttat strafbar ist, gerät der Hintermann bei
stiftung allerdings ausgeschlossen, wenn man die Schuldverstrickung des objektiver Abgrenzung in immer größere Ferne zur Straftat, obwohl er in
Aufgeforderten zu ihrem Wesensmerkmal machen wollte. Die Gründe, allen Fällen objektiv das gleiche tut und subjektiv den gleichen verbrecheri-
die - zumal nach der Akzessorietätslimitierung - gegen die Schuldteil- schen Willen hat".
nahmetheorie sprechen, hat zuletzt Bockelmann 48 eindrucksvoll geltend So darf man aber nicht argumentieren. Denn danach würde auch zwischen
gemacht. Sie bedürfen hier keiner Wiederholung. Wenn man das Verhältnis einer gelungenen Anstiftung und der Situation des §49a Abs. 1 StGB kein

Vgl. dazu oben S. 268 49


Vgl. S. 52-55 und passim; dazu auch noch unten S. 314ff.
Untersuchungen, S. 91-95 50
JZ 1958, S. 233
274

Unterschied bestehen. In beiden Fällen tut der Außenstehende das gleiche


(nämlich Auffordern) und hat auch den gleichen verbrecherischen Willen.
Der Fehler dieses Gedankenganges liegt darin, daß der Unrechtsgehalt der
Teilnahme isoliert nach dem (für sich allein meist gar nicht strafbaren) Mit-
wirkungsakt bestimmt wird, während es in Wirklichkeit entscheidend auf die
durch die Beteiligungshandlung herbeigeführten Folgen ankommt. Es ist
deshalb nach den Wertvorstellungen des Gesetzes durchaus richtig, daß bei
völliger Wirkungslosigkeit einer Aufforderung (omnimodo-facturus-Fall)
eine Bestrafung nur nach Maßgabe des § 49a StGB eintritt; und daß bei Siebentes Kapitel
einem Fehlschlagen der Haupttat nur eine Anstiftung zum Versuch gegeben
ist, versteht sich von selbst und spricht nicht im geringsten für die Annahme Die funktionelle Tatherrschaft
einer Täterschaft.
Im Gegenteil: Die subjektive Theorie führt zu schwer erträglichen Die bisher behandelten Fälle der Handlungs- und Willensherrschaft haben
Losungen. Denn genau genommen muß danach im Augenblick der Auf- den Bereich möglicher Täterschaft nicht erschöpft. Wir wissen jetzt, Täter ist
forderung des A gegenüber B schon die Strafe wegen versuchter mittelbarer einerseits wer die Tatbestandshandlung vornimmt; andererseits, wer sich
Täterschaft verwirkt sein; davon geht auch Baumann aus, wie seine Losung eines Tatmittlers in der Weise bedient, daß er seinen Willen zwingt (1), daß er
des omnimodo-facturus-Falles beweist. Wenn nun der Aufgeforderte die Handlung kraft weiterreichenden Wissens über den Kopf des anderen
sogleich alles durchschaut, nicht einen Augenblick daran denkt, sich als hinweg ablaufsgestaltend lenkt (2) oder daß der Ausführende kraft seiner
Werkzeug des A herzugeben und ihm das auf der Stelle sagt, so würde A Fungibilität im Rahmen herrschaftlicher Machtapparate als Werkzeug des
dennoch (ohne Rücktrittsmöglichkeit!) wegen eines fehlgeschlagenen Hintermannes erscheint (3).
Versuches bestraft werden müssen, obwohl von einer unmittelbaren (!) Wenn wir das empirische Feld der Mitwirkungsformen abschreiten, so
Gefährdung des verletzten Rechtsgutes gewiß nicht die Rede sein kann. zeigt sich, daß zwischen den beiden Grenzbezirken der Handlungs- und der
Die Heranziehung des schon seinerseits das Gesinnungsmoment bedenk- Willensherrschaft, die einseitig nur auf das äußere Tun oder die psychische
lich überbetonenden §49a StGBb 51 dürfte das Äußerste an Subjektivierung Einwirkung abstellen, ein breiter Raum deliktischer Betätigung liegt, inner-
sein, was sich mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht noch vereinbaren halb dessen der Handelnde weder die eine noch die andere Art der Herr-
läßt. schaft innehat und doch seine Täterschaft in Frage kommt die Fälle der
Auch die Übertretungstatbestände beweisen nicht die Notwendigkeit aktiven Beteiligung an der Deliktsverwirklichung, bei denen die Tatbestands-
einer subjektiven Abgrenzung. Wenn A den B, den er irrig für gutgläubig handlung ein anderer vornimmt.
hält, bei einem Mundraub unterstützt 52 , so ist er nach unserer Lehre straflos. Hier lassen sich zwei Fallgruppen unterscheiden: Die Mitwirkung im
Das ist aber nicht ungerecht; denn der Gesetzgeber hat aus gutem Grund die Ausführungsstadium und die Mitwirkung im Vorbereitungsstadium. Beide
Unterstützung solch geringfügiger Rechtsgüterverletzungen nicht mit Strafe bedürfen gesonderter Beurteilung.
bedroht. Baumann, der eine vollendete mittelbare Täterschaft annimmt,
macht damit die Frage ob dem A die strafbare Herbeiführung eines Erfolgs-
§ 27. Die M i t w i r k u n g im Ausführungsstadium
unwertes anzulasten ist, allein von seinem Irrtum abhängig. Das geht wieder-
um in der Subjektivierung zu weit: Denn wenn jemand auf Grund eines I. Möglichkeit und Struktur gemeinsamer Tatherrschaft
Sachverhaltsirrtums Umstände für gegeben hält, bei deren Vorliegen ein
objektiv strafloses Verhalten strafbar wäre, so ist das keine vollendete Tat, Es gibt hier mannigfach verschiedene Beteiligungsformen: Die Mitwirkung
sondern bestenfalls ein Versuch, der aber hier aus anderen Gründen 5 3 nicht kann einen entscheidenden Bestandteil der Deliktsyerwirklichung bilden:
vorliegt und auch nicht strafbar wäre. Jemand hält das Opfer fest, während ein anderer ihm den tödlichen Stich
Zusammenfassend läßt sich also feststellen. Der Irrtum über herrschafts- versetzt; oder er bedroht die Hausbewohner mit der Pistole, solange sein
begründende Umstände führt - ob der Außenstehende ihr Vorliegen nun Genösse die Schränke ausräumt. Der Tatbeitrag kann aber auch geringfügig
irrigerweise verkennt oder annimmt - stets zur Beurteilung des Verhaltens sein und in bloßen die Ausführung begleitenden Handreichungen oder Rat-
als einer vollendeten Teilnahme. schlägen bestehen. Dazwischen liegen zahlreiche andere Verhaltensweisen,
deren Bedeutung im Rahmen des Gesamtplans vielfältige Abstufungen
51
Vgl. dazu Kohlr./Lange, 4 2 7 4 3 . Aufl., § 49a, I—III, S. 181/182 zuläßt. Kann in solchen Fällen überhaupt von einer Tatherrschaft des Mit-
52
B a u m a n n a. a. O . S. 233, A n m . 27 wirkenden die Rede sein? Wenn ja: Unter welchen Voraussetzungen besteht
53
Siehe o b e n S. 272/273 sie, und wie ist sie zu begründen?
276 277

Anknüpfungspunkt für die Täterbestimmung kann hier nur die im Ge- Ferner könnte man der Auffassung Schröders, jeder Mittäter habe nur
setz ausdrücklich vorgesehene Figur der Mittäterschaft (§ 47 StGB) sein. über seinen Tatbeitrag die Herrschaft, zustimmen, ohne seine Folgerung
Dabei ist die erste Frage, ob man dieser Beteiligungsform mit dem Kri- anzuerkennen, daß sich daran das Versagen der Tatherrschaftslehre zeige.
terium der Tatherrschaft überhaupt gerecht werden kann. Schröder 1 ver- Vielmehr ließe sich § 47 StGB als eine gesetzliche Ausnahmevorschrift
neint das. verstehen, kraft deren eine auf einen bestimmten Anteil beschränkte
Er ist der Meinung, die Tatherrschaftslehre versage hier, weil jeder nur Herrschaft die strafrechtliche Haftung für die Gesamttat auslöst 8 . Aber mit
über seinen Anteil, nicht aber über die Gesamttat die Herrschaft habe. diesem Ausweichen auf den allmächtigen Willen des Gesetzgebers läßt sich
Daran ist zunächst einmal mindestens richtig, daß eine Tatherrschaft der das Problem nicht meistern. Denn erstens wäre es eine sehr sonderbare, mit
bisher behandelten Art nicht vorliegt. Selbst wenn wir uns die Beteiligung dem Schuldprinzip schwerlich in Einklang zu bringende Annahme, daß
so intensiv wie möglich denken und etwa vom Falle des Bankräubers aus- jemand als Täter für etwas bestraft werden sollte, was ein anderer aus
gehen, der die Angestellten mit der Pistole in Schach hält, müssen wir doch eigener Verantwortung getan hat. Und zweitens wäre eine solche Möglich-
sagen: Die Handlungsherrschaft hat er nicht, weil er das Geld nicht weg- keit jedenfalls aus dem Tatherrschaftsprinzip nicht erklärbar; denn danach
nimmt; und die Willensherrschaft hat er auch nicht, weil der die gesetz- muß der Täter die Herrschaft über das Gesamtgeschehen haben; seinen
lichen Tatumstände verwirklichende Genösse weder „unfrei" noch „blind" Anteil hat ja unbestreitbar auch der Gehilfe „in der Hand", ohne deshalb
handelt. Mittäter zu sein.
Deshalb kann man die Problematik vom Standpunkt der Tatherrschafts- Damit aber scheint der Einwand Schröders, mit dem sich bisher kein Ver-
lehre aus auch nicht dadurch lösen, daß man, wie es Lange 2 und Sax 3 tun, die treter der Tatherrschaftslehre auseinandergesetzt hat, durchzugreifen. Denn
Mittäterschaft als eine teilweise mittelbare Täterschaft betrachtet. Lange sieht wenn man die Mittäterschaft nicht auf den Bereich der formal-objektiven
im Anschluß an das Reichsgericht 4 und Binding 5 eine „ganz entscheidende Theorie einschränkt und für die Täterschaft einerseits die Beherrschung der
Klärung" in dem Gedanken, daß der Mittäter den Genossen „für sich arbei- Gesamttat verlangt, andererseits aber zugibt, daß der Mittäter den Willen
ten läßt" und daher hinsichtlich des nicht eigenhändig verwirklichten Tat- seiner Komplizen nicht beherrscht, dann sieht es so aus, als sei es unmöglich,
anteils als mittelbarer Täter erscheint. diese drei Gesichtspunkte miteinander zu vereinbaren.
Wenn man das akzeptiert, bereitet die Mittäterschaft der Tatherrschafts- Dennoch steckt kein Widerspruch in dieser Forderung. Vielmehr besteht
lehre allerdings keine Schwierigkeiten. Es handelt sich dann um einen das der Mittäterschaft Eigentümliche gerade darin, daß jeder einzelne im
gewöhnlichen Fall mittelbarer Täterschaft, bei dem sich der eigene Tatbeitrag Zusammenwirken mit den anderen das Gesamtgeschehen beherrscht. Das
nur als eine an sich überflüssige „Zugabe" darstellt. Aber der Ausgangspunkt will sagen: Der Mittäter hat nicht schon für sich allein die gesamte Tatherr-
ist unrichtig, weil eine ablaufsgestaltende Willensmacht des neben der Tat- schaft, wie es sich nach der Auffassung von Lange und Sax darstellt; aber er
bestandshandlung Stehenden nicht vorliegt, wenn der sie Ausführende auf übt auch nicht nur eine Teilherrschaft aus, wie Schröder meint, sondern es
der höchsten Tatherrschaftsstufe frei handelt. Das ist oben 6 dargelegt wor- liegt die vollständige Herrschaft in der Hand mehrerer, derart, daß sie nur
den und bedarf hier keiner Wiederholung. gemeinsam handeln können, dadurch aber jeder das Schicksal der Gesamttat
Auch zwei weitere Wege, die sich zur Widerlegung der Schröderschen in der Hand hat. In diesem Sinne sagt auch Welzel sehr zutreffend: „Ein
These einschlagen ließen, führen nicht zum Ziele: jeder ist ... nicht bloß Täter eines Teiles" 9 und „Mittäterschaft ist nicht eine
Man könnte zunächst die Tatherrschaft eines Mittäters auf die Vornahme Sonderform der Alleintäterschaft" 10 ; vielmehr ist jeder „Mit-Täter am
der tatbestandlichen Ausführungshandlung beschränken, also etwa im Falle Ganzen" 9 .
des Diebstahls nur bei denen von Mittäterschaft sprechen, die selbst Sachen
weggenommen haben. Dann stünde die Tatherrschaft jedes Beteiligten außer
Frage. Aber ein solches Verfahren würde - wenn auch nicht im Bereich IL Die Mittäterschaft als funktionelle Tatherrschaft
der'mittelbaren Täterschaft, so doch hier - zur formal-objektiven Theorie
zurückführen, von der wir schon oben 7 gezeigt haben, daß sie gerade befm Die eben formulierte Lösung klingt theoretisch sehr einleuchtend. Aber wie
Zusammenwirken mehrerer die richtige Lösung verfehlt. soll man sich eine derartige Mitherrschaft am ganzen, die weder Allein-
herrschaft noch Teilherrschaft ist, praktisch vorstellen? Bei Beantwortung
1
dieser Frage werden auch diejenigen, die ausdrücklich oder stillschweigend
Schönke/Schröder, 10. Aufl., VIII, 5, b vor § 47, S. 245
2 vom richtigen Ansatz ausgehen, vielfach unsicher.
Mod. Täterbegriff, S. 55; Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor § 47,1, 5, C, S. 163
3
ZStW, Bd. 69, 1957, S. 434ff.
4 8
RGSt 66, 236-244 (240) Vgl. dazu auch Welzel, ZStW, Bd. 58, 1939, S. 549 bei Anm. 79; Lange, Mod. Täter-
5
Abhandlungen I, S. 300 begriff, S. 50
6 9
S. 143/144, 156-158,259/260 ZStW a. a. O. S. 549
7 10
S. 37/38 ZStW a. a. O. S. 550
278 279

So meint Welzel 11 , das „Mitbeteiligtsein an der finalen Tatherrschaft" be- Diese Art der „Schlüsselstellung" jedes Beteiligten umschreibt genau
stehe darin, „daß jeder bei Vornahme seines Teilaktes nicht nur seinen Wil- die Struktur der Mitherrschaft, wie sie sich ihrem vorgegebenen Sinne
len zur Tat, sondern gleichzeitig auch den der übrigen mit durchführt" n. nach darstellt. Wenn zwei Leute gemeinsam ein Land regieren, also Mit-
N u n ist es sicher richtig, daß der Mittäter meist (nicht immer!) auch um herrscher .im buchstäblichen Sinne des Wortes sind, so pflegt sich das
der anderen willen tätig wird. Aber warum soll ihnen das die Herrschaft darin auszuwirken, daß der eine bei seinen Maßnahmen an die Mit-
verschaffen, da doch der Handelnde in seinem Tun frei ist? Mit dieser wirkung des anderen gebunden ist. Die Kehrseite dieses Verfahrens
Begründung könnte man auch den Anstifter als Mittäter ansehen, wenn besteht zwangsläufig darin, daß jeder einzelne, wenn er die Beteiligung
der Ausführende seinen Willen mitverwirklicht. Es liegt darin eine Wen- verweigert, die Aktion zum Scheitern bringt. Sogar der Zivilgesetzgeber
dung ins Subjektive, die konsequenterweise auf die von Welzel abgelehnte bedient sich dieses Strukturmodells in Form der gesamthänderischen Bin-
Lehre Langes, daß der Mittäter teilweise mittelbarer Täter sei, zurückführen dung, wenn er die Gemeinsamkeit bei der Beherrschung einer Vermögens-
müßte. masse besonders deutlich zum Ausdruck bringen will (vgl. etwa § 709
Ähnliche Bedenken sind geltend zu machen, wenn Gallas 13 die Herrschaft Abs. 1 BGB).
des Mittäters über das ganze darauf gründet, daß „der Handelnde ... über Hierin also liegt der Grundgedanke der Mittäterschaft, soweit man sie
seinen physischen Anteil an der Tat hinaus die Tatbereitschaft und Tatenergie als gemeinsame Tatherrschaft versteht. Behält man diesen Ansatz im Auge,
der übrigen an der Ausführung Beteiligten verstärkt". Denn wenn der „phy- so ist ohne weiteres einzusehen, wieso jeder Mittäter mehr als die Herrschaft
sische Anteil" allein nur eine Teilherrschaft anstatt einer Mitherrschaft über seinen Tatanteil innehat und doch das Geschehen nur zusammen mit
begründet - wie soll dann durch die Verstärkung der Tatbereitschaft, die, den anderen lenkt. Außerdem wird deutlich, daß die Anhänger der Tat-
isoliert gesehen, sicher nur eine psychische Beihilfe darstellt, plötzlich eine herrschaftslehre bei der theoretischen Begründung der Mittäterschaft im
Herrschaft über das ganze entstehen? Das würde auf die Gleichung „Teil- allgemeinen noch zu sehr von den Gedankengängen der subjektiven Theorie
herrschaft + psychische Beihilfe = Herrschaft über die Gesamttat" hinaus- beeinflußt sind.
laufen, eine Rechnung, die deshalb nicht aufgeht, weil schwer einzusehen ist, So ist es durchaus unerheblich, ob der das Opfer festhaltende Mord-
wodurch eine typische Teilnahmehandlung wie die psychische Beihilfe herr- komplize oder der Pistolenheld des Bankraubes sich im Sinne der Dolus-
schaftsbegründend wirken kann. theorie dem anderen innerlich untergeordnet und ihm die Ausführung der
Mir scheint, man kann dem Problem nur beikommen, wenn man unab- Tat „anheimgestellt" haben. Auch wenn das der Fall sein sollte, beherrschen
hängig von allgemeinen „Wertungen", die allzu leicht auf Strafwürdigkeits- sie doch, solange sie frei und ungenötigt handeln, das Geschehen in dem-
erwägungen hinauslaufen, zunächst einmal die Struktur des Zusammen- selben Maße wie der andere und sind daher Mittäter. Der Auffassung
wirkens in den für die Mittäterschaft charakteristischen Fällen ins Auge faßt. Bockelmanns 14 , der noch heute vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre
Wenn wir von Beispielen ausgehen, bei denen ein Mitwirkender, ohne die aus diese Kriterien verwendet, ist also nicht zuzustimmen. Allerdings will
Handlungs- oder Willensherrschaft innezuhaben, dem für uns maßgebenden er jetzt, wie schon oben 1 5 erwähnt, eine einzige Ausnahme machen: Wer
Leitgesichtspunkt der „Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens" den Tatbestand in eigener Person verwirklicht, soll sich nicht auf die
soweit wie möglich gerecht wird, wenn wir also etwa an den Bankräuber mit Willensunterordnung berufen dürfen. Aber gerade daran zeigt sich, daß
der. Pistole oder den das Opfer festhaltenden Mordbeteiligten denken, dann der Grundsatz fehlerhaft ist. Denn wenn es für denjenigen, der das
liegen die Dinge so. Messer führt, nicht darauf ankommt, ob er sich dem Willensentschluß des
Der Beteiligte kann allein nichts ausrichten; die Einschüchterung der anderen unterworfen hat, läßt sich nicht plausibel machen, warum der Ge-
Bankangestellten und das Festhalten des Opfers führen den Erfolg nicht nösse nach anderen Gesichtspunkten beurteilt werden soll, obwohl dessen
herbei: N u r wenn der Komplice mitmacht, „funktioniert" der Plan. Aber Tatbeitrag ihm genau das gleiche Maß an Herrschaft über den Tatablauf ver-
der andere ist allein ebenso hilflos; wenn die Bankangestellten nicht un- mittelt.
schädlich gemacht werden, wird er festgenommen; und wenn niemand das Auch wenn Welzel und Gallas sich darauf berufen, daß ein Mittäter nicht
Opfer packt, wird es sich wehren oder entfliehen. Für beide ist also* die nur seinen Willen, sondern gleichzeitig den des anderen ausführe oder daß
Lage dieselbe: Sie können nur, indem sie gemeinsam handeln, ihren Plan seine Tatenergie durch den Einfluß des anderen verstärkt werden wird in
verwirklichen, aber jeder einzelne kann, indem er seinen Tatbeitrag zu- Wahrheit die Abgrenzung der Beteiligungsformen von innerpsychischen
rückzieht, den Gesamtplan zunichtemachen. Insofern hat er die Tat in der Motivationsverhältnissen abhängig gemacht, deren Verwandtschaft mit dem
Hand. Animus-Gedanken nicht zu verkennen ist.
11
a. a. O . S. 552 14
12 U n t e r s u c h u n g e n , S. 118, 122; sehr ähnlich insoweit der sonst recht objektiv orientierte
a. a. O . S. 551
13
G u t a c h t e n , S. 137; D R Z 1950, 67 H e l l m u t h Mayer, L e h r b u c h , S. 314-315
14
S. 55, 84
280 281

Dagegen trifft es den Kern der Sache, wenn überall auf die Gesichtspunkte nimmt die Urkundenfälschung ihren vorgesehenen Gang. Es fehlt also an
der Rollenverteilung und des notwendigen Ineinandergreifens der Teilakte dem entscheidenden Kriterium der Mittäterschaft, daß beide nur gemeinsam
verwiesen wird 16 . Auch der Gedanke Maurachs 17 , daß der Mittäter „die Ver- handeln können. Dasselbe gilt für alle ausgesprochenen Handlangerdienste,
wirklichung des Gesamterfolges je nach seinem Willen hemmen oder ablau- die im Gesamtgefüge des Tatplans ohne Bedeutung sind.
fen lassen" könne, bringt das Prinzip richtig zum Ausdruck, wenn man die Von der Motivation der Beteiligten hängt auch in diesen Fällen nichts ab.
Formel so versteht, daß es zum Ablaufenlassen der Mitwirkung aller bedarf, Selbst wenn der Fälscher unseres Beispiels nicht nur für sich, sondern gleich-
daß aber zur Hemmung der Ausfall eines einzelnen genügt 18 . zeitig für den anderen handeln will und sich durch dessen Assistenz in der
Wenn man versucht, das Wesen der Mittäterschaft, wie es sich nach diesen Tatentschlossenheit bestärkt fühlt, bleibt der Außenstehende doch nur Ge-
Erörterungen darstellt, in einem Schlagwort auszudrücken, so könnte man hilfe. Auch ist keinesfalls Mittäter, wer sich bei der Tat - etwa einer Prügelei -
von „funktioneller", d. h. tätigkeitsbedingter, Tatherrschaft sprechen, inso- auf Anfeuerungen und Ratschläge beschränkt. Mag sein Interesse an dem
fern als sich die Mitherrschaft des einzelnen hier aus seiner Funktion im Vorgang noch so groß und sein psychischer Einfluß noch so erheblich sein;
Rahmen des Gesamtplans notwendig ergibt. Es ist dies neben der Hand- solange die unmittelbar Handelnden in ihren Entschlüssen frei sind, hängt es
lungsherrschaft, die auf dem zentralen Charakter der isoliert gedachten Tat- allein von ihnen ab, was sie tun, so daß von einer Mitherrschaft des Außen-
bestandsverwirklichung beruht, und neben der Willensherrschaft, die aus der stehenden nicht die Rede sein kann.
Unfreiheit, Blindheit oder Fungibilität eines Werkzeuges folgt, eine dritte, Das verdient besondere Betonung, weil der Bundesgerichtshof ausdrück-
durchaus selbständige Form der Tatherrschaft. lich die entgegengesetzte Meinung vertritt. Danach soll im Falle des §176
Mit diesem Grundgedanken ist allerdings für die unendlich mannigfaltigen Abs. 1 Ziff. 1 („wer mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frau vor-
Ausgestaltungsformen möglichen Zusammenwirkens noch keine in jedem nimmt") ein am Tatort Anwesender schon dann Mittäter sein, wenn er ohne
Einzelfall ohne weiteres anwendbare Lösung gefunden. Doch lassen sich aus jede selbständige Funktion bei der Ausführung das Verhalten der anderen
ihm für eine Vielzahl typischer Situationen sehr bestimmte, generalisierbare lediglich mit ermunternden Reden begleitet. Der B G H sagt 20a : „St hat aller-
Folgerungen ableiten. dings selbst weder Gewalt verübt noch das Mädchen unzüchtig berührt.
Danach ist zunächst jeder Beteiligte Mittäter, dessen Beitrag im Aus- Doch ist dies zur Annahme einer Mittäterschaft nicht erforderlich. Auch
führungsstadium eine unerläßliche Voraussetzung für die Verwirklichung des geistige Mitwirkung genügt. Der Angeklagte hat ... das unsittliche Verhalten
angestrebten Erfolges bildet, derjenige also, mit dessen funktionsgerechtem der anderen durch seine Anwesenheit und seine Reden unterstützt und in
Verhalten das ganze Unternehmen steht oder fällt. Auf seine subjektive Ein- bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit ihnen als seine eigene Tat
stellung zu dem Vorgang kommt dabei nichts an. gewollt. Dies hat die Strafkammer vor allem aus seinem anfeuernden Zuruf
Ebensowenig ist es erforderlich, daß er in einem äußeren Sinne mit „Hand geschlossen".
anlegt" oder auch nur am Tatort anwesend ist. Der von Maurach 19 erwähnte Es ist leicht zu erkennen, daß eine solche Auffassung mit formelhaften
„Chef einer Schmuggelbande, der seine Aufträge an die einzelnen Opera- Fiktionen arbeitet und in Wahrheit nicht einmal den Voraussetzungen der
tionsgruppen telefonisch erteilt", ist auch nach der hier vertretenen Auf- Dolustheorie gerecht wird. Denn über einen „gemeinsamen Tatentschluß",
fassung Mittäter; freilich nicht darum, weil er ebenso „strafwürdig" ist wie wie ihn prinzipiell doch auch die Rechtsprechung verlangt, läßt sich dem
der eigenhändige Täter - diese problematische Begründung 20 verwendet Urteil nichts entnehmen; wir erfahren nicht einmal, ob sich die drei eigen-
Maurach - sondern deshalb, weil das ganze Unternehmen in Verwirrung händig Beteiligten bei ihren unzüchtigen Handlungen überhaupt um den
geraten und scheitern würde, wenn die „Befehlszentrale" plötzlich ausfiele. Zuruf des Angeklagten gekümmert haben. Und was konnte der Angeklagte
Umgekehrt kann in keinem Falle von Mittäterschaft die Rede sein, wenn bei der gegebenen Sachlage eigentlich anderes tun als den Gewalt Aus-
dem geleisteten Beitrag im Rahmen des Tatplans keine selbständige Funktion übenden die Begehung der Tat „anheimzustellen" ? Wollte man der vom
zukommt: Hierher gehört das Beispiel dessen, der dem Urkundenfälscher B G H verwendeten Begründung folgen, so könnte man jede psychische
das Tintenfaß oder Löschblatt reicht. Denn dabei handelt es sich um eine Beihilfe ohne Schwierigkeit zur Mittäterschaft erheben. Dadurch würde die
zufällige, nicht eingeplante, für den Ablauf des Geschehens gleichgültige Abgrenzung der Beteiligungsformen einem richterlichen Gefühlsurteil über-
Mitwirkung. Auch wenn der Angesprochene dem Täter seine Hilfe versagt, antwortet, das jede dogmatisch kontrollierbare Entscheidung ausschließen
müßte 2 0 b .
Demgegenüber führt der hier entwickelte Gedanke der „funktionellen"
16
Vgl. Welzel a. a. O . S. 552, Gallas, G u t a c h t e n , S. 137f.
17
A . T . , 2 . Aufl., § 4 9 , II, C , 2 , S . 517
18
Vgl. zu Maurachs Kriterium näher unten S. 31 Off. Entsch. des 4. Senats v. 28. 10. 1954, in M D R 1955, S. 244; vgl. dazu im Zusammenhang mit
19
A.T., 2. Aufl., § 49 II, C, 2, S. 517 der Eigenhändigkeitsproblematik noch unten S. 416ff. (417/418).
20
Ü b e r die U n b r a u c h b a r k e i t von Strafwürdigkeitserwägungen in der Täterlehre vgl. oben Dieselben Einwendungen sind gegen die Entscheidung des 5. Senats v. 10.1.1958, M D R
S. 30ff. 1958, S. 139, zu erheben; vgl. dazu schon oben S. 99/100 Nr. XIII
282 283

Tatherrschaft zu durchaus präzisen, typisierbaren, wenn auch von den Schmierestehen eine Mittäterschaft begründet oder nicht, hängt ganz von
Lösungen der übrigen Tatherrschaftstheoretiker zum Teil abweichenden den Umständen des Einzelfalles ab und erfordert eine selbständige richter-
Ergebnissen. liche Entscheidung.
Damit stoßen wir auf ein Problem, das uns nötigt, an unsere früheren,
grundsätzlichen Erörterungen über die inhaltliche Ausfüllung des Tatherr-
III. Die funktionelle Tatherrschaft als offener Begriff schaftsbegriffs23 wieder anzuknüpfen. Denn es zeigt sich, daß es Fälle gibt,
in denen das theoretisch so klare Prinzip der funktionsbedingten gegen-
Mit diesen Erwägungen ist die Problematik aber noch nicht endgültig gelöst. seitigen Abhängigkeit eine generalisierende Festlegung nicht mehr zuläßt.
Denn es gibt einen Grenzbereich, der sich der Generalisierung entzieht. Zur Der Grund dafür liegt gleichermaßen im Wesen des funktionellen Herr-
Einführung diene das seit eh und je umstrittene Beispiel des Schmiere- schaftsbegriffes (1) wie in der durch den Bereich der Mittäterschaft erfaßten
stehens. Regelungsmaterie (2).
Unter den Anhängern der Tatherrschaftslehre haben ihm Gallas und 1. Der Grundgedanke der gemeinsamen Tatherrschaft, daß alle nur zu-
Maurach besondere Beachtung geschenkt. Beide kommen zu dem Ergebnis, sammen handeln können, weil einer auf den anderen angewiesen ist, läßt
daß man hier unterscheiden müsse. Der nur Wachestehende sei Mittäter, sagt sich durch kognitive logische und psychologische Kriterien allein nicht
Gallas 21 , „wenn er Mitträger des Tatentschlusses war und sein Tatbeitrag fixieren.
einerseits als das Ergebnis einer zweckentsprechenden Rollenverteilung im
So wäre es verfehlt, auf den kausalen Ansatz der oben behandelten Not-
Rahmen des gemeinsamen Tatprogramms, andererseits allen Beteiligten als
wendigkeitstheorie zurückzugreifen: Denn logisch sind alle Bedingungen
Ausdruck verantwortlichen ,Mitmachens' bei der Tat erscheint". Maurach 22
für einen Erfolg von gleicher Notwendigkeit. Und wenn man ex post
meint, es komme stets auf die konkreten Umstände an; „der Bandenchef der
durch ein Feststellungsurteil ermitteln wollte, ob es bei natürlichlebens-
sich nach umfassender Organisation des Einbruches auf eine bloße Über-
mäßiger Betrachtung in concreto auf einen einzelnen Beitrag „angekommen"
wachung und Abschirmung beschränkt, wird ... nicht der Mittäterstrafe ent-
ist, so hilft das auch nicht in allen Fällen: Denn man kann z. B. die Täter-
gehen".
schaft eines Wachestehenden nicht davon abhängig machen, ob er bei der
Richtig sind hier die Differenzierung und der Hinweis auf die „zweck- Ausführung wegen einer drohenden Entdeckungsgefahr in Aktion treten
entsprechende Rollenverteilung". Das „verantwortliche Mitmachen" hat von mußte. Vielmehr erfüllt er schon dann eine notwendige Funktion im Sinne
unserer Lösung her neben der Mitherrschaft, die durch den Aufgabenbereich unserer Lehre, wenn es auf ihn beim Eintritt entsprechender Umstände hätte
im Rahmen des Gesamtplans verbürgt wird, keine selbständige Bedeutung.
ankommen können; das aber ist keine Tatsachenfeststellung mehr, sondern
N u r an seiner Notwendigkeit für die Verwirklichung des Tatprogramms und
eine aus der Anschauung der Fallindividualität gewonnene richterliche Be-
nicht an einer davon unabhängigen gefühlsmäßigen Einstellung der Beteilig-
urteilung.
ten zeigt sich, ob jemand „verantwortlich mitmacht". Ähnliches gilt gegen-
Sicher darf man das Prinzip der funktionellen Tatherrschaft auch nicht
über Maurach: Wer die Tatausführung organisiert und abschirmt, erfüllt eine
generell so verstehen, daß nur derjenige Mittäter sein könnte, bei dessen
unentbehrliche Funktion im Rahmen des Tatplans. O b er außerdem als
Ausfall die Verwirklichung des Erfolges schlechterdings unmöglich wird:
Bandenchef besonders verwerflich oder schuldhaft handelt, spielt daneben
Man kann ja - etwa in unserem Anfangsbeispiel - nachträglich nie genau
für die Täterfrage keine Rolle.
wissen, ob der eine nicht auch ohne Mithilfe des andern das Opfer hätte
Danach ist, - wie wir vorbehaltlich der folgenden Erörterungen etwa
erstechen können. Aber es hätte dann eben eine ganz andere Tat vorgelegen.
sagen könnten, ein Wachestehender Mittäter, wenn die Durchführung der
Was jedoch eine „andere Tat" in diesem Sinne ist, das läßt sich wiederum
Tat einen solchen Posten erforderte, wenn sich also diese Betätigung als
nicht generalisierend festlegen. Es bedarf dazu in den Grenzfällen einer
selbständige Funktion im Rahmen arbeitsteiligen Zusammenwirkens dar-
anhand der konkreten Umstände gebildeten richterlichen Wertung.
stellte. Dagegen liegt nur Teilnahme vor, wenn etwa eine Einbrecherbande
Auch eine rückschauend-psychologische Betrachtung daraufhin, wie sich
ihren „Lehrling" zum erstenmal mitnimmt, um ihn allmählich in die Aus-
der Ausfall eines Beteiligten auf das Verhalten der anderen ausgewirkt hätte,
übung des „Berufs" einzuführen und ihn an einer unwichtigen Stelle Wache
ob sie etwa ohne einen Wachposten die Tat nicht ausgeführt hatten, hat nur
stehen läßt. Denn hier hängt die Verwirklichung des Plans nicht von seinem
Tatbeitrag ab. Die anderen könnten und würden auch ohne ihn handeln, bedingten Wert. Denn derartige Erwägungen bleiben immer hypothetisch.
während sie sich nicht an die Durchführung wagen würden, wenn an einem Es handelt sich daher - ähnlich wie bei der ergänzenden Vertragsauslegung
Ort, wo ihnen ernsthafte Gefahr droht, kein Posten stünde. O b also das nach § 157 BGB - in Wahrheit nicht um psychologische Feststellungen,
sondern darum, die objektive Bedeutung einer Funktion durch einen Akt
21
sinnhaften Verstehens zu erfassen.
DRZ 1950, S. 67, ebenso Gutachten, S. 137
22 23
A.T., 2. Aufl., § 49 II, C, 2, S. 517 ObenS. 108 ff., 122 ff.
284 285

Wie man das Problem also auch dreht: Alle angeführten Kriterien haben weiteres unterzuordnen sind, sondern Leerräume für die unmittelbare
nur den Wert von Richtlinien, von „Faustregeln", die für den typischen richterliche Würdigung des Einzelfalles bleiben. Wir haben vielmehr eine
Fall ein zutreffendes Ergebnis liefern. Es bleibt immer ein Grenzbereich, Synthese beider Begriffsformen vor uns, ein Gebilde, bei dem Regel- und
in dem sich die Lösung nicht abstrakt vorzeichnen läßt. Hier muß der Richtliniengesetzgebung einander durchdringen und ergänzen, derart, daß
Richter gewissermaßen den Gedanken der funktionellen Tatherrschaft auf die starre Fixierung durch ein Unbestimmtheitselement aufgelockert, die
Grund der individuellen Verhältnisse zu Ende denken und dann eine selb- Vagheit des ausfüllungsbedürftigen Regulativs aber durch feste Richtlinien
ständige Entscheidung treffen. Wollte man den Gesichtspunkt der wechsel- judiziabel gemacht wird.
seitigen Abhängigkeit, des Ineinandergreifens der Tatanteile in einer jeder Diese Grundsätze auf beschränktem Räume durch eine weiter ausgebrei-
denkbaren Situation angemessenen Weise formelhaft bestimmen, so könnte tete Kasuistik zu exemplifizieren, ist nicht möglich. Doch werden bei
man nur sagen, daß jemand Mittäter ist, wenn er eine Funktion ausgeübt späterer Überprüfung der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
hat, die bei der konkreten Deliktsverwirklichung von wesentlicher Be- verwendeten Kriterien die dort entschiedenen Fälle noch näher zu behandeln
deutung war. Es handelt sich dabei um ein „regulatives Prinzip" 2 4 : Der sein und eine praktische Anwendung der hier entwickelten Gedanken ge-
Begriff der „wesentlichen Bedeutung" hat für sich allein genommen keinen statten.
greifbaren Inhalt. Er hat nur den Sinn, dem Richter mit Hilfe des materiellen
Leitgedankens der funktionsbedingten Abhängigkeit eine den Besonder-
heiten des Einzelfalles gerecht werdende Lösung zu ermöglichen. Eine IV. Einzelfragen
weitergehende Fixierung läßt der Begriff der funktionellen Tatherrschaft
nicht zu. 1. Die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses
2. Ein derartiges Verfahren bedeutet keinen Mangel an begrifflicher
Durchformung. Es trägt vielmehr nur dem durch die Regelungsmaterie Die Willensübereinstimmung der Beteiligten im Hinblick auf die Durch-
vorgegebenen Umstand Rechnung, daß im Bereich der Mittäterschaft zwar führung der Tat und die Verwirklichung ihrer Folgen ist auch nach der hier
generalisierende Feststellungen möglich sind, daß aber daneben untypisier- vertretenen Ansicht eine unerläßliche Voraussetzung der Mittäterschaft.
bare Konstellationen übrig bleiben, die nur aus der Anschauung der kon- Es ist das allerdings nicht im Sinne Welzels zu verstehen, nach dessen
kreten Lebenssituation beurteilt werden können. Im Falle der mittelbaren Lehre „das Minus in der objektiven Mitbeteiligung ... durch das Plus ...
Täterschaft war deshalb eine größere Typisierung möglich, weil dort die der Mitbeteiligung am Verbrechensentschluß wettgemacht werden" 2 6 muß;
Werkzeugeigenschaft von vornherein auf bestimmte, wenn auch weit aus- denn wenn jemandem objektiv die Mitherrschaft über den Tatablauf fehlt,
einandergefächerte Gruppen psychischer oder intellektueller Überlegenheit kann er sie auch durch seine Beteiligung an der Planung nicht erlangen.
beschränkt erscheint und überdies nur jeweils zwei Personen mitspielen. Aber die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses ist aus einem anderen
Wo aber eine unbeschränkte Anzahl frei handelnder Beteiligter mitwirken Grunde notwendig. Da nämlich nach den oben entwickelten Prinzipien die
kann, ist die Zahl denkbarer Konstellationen so unübersehbar groß, daß Mittäter wechselweise voneinander abhängig sind, müssen sie notwendig
eine allzu starre Fixierung die Lebensvielfalt vergewaltigen müßte. Der einig sein, um zusammen handeln zu können. Und umgekehrt: Wenn zu
gesetzliche Regelungsbereich erzwingt hier also geradezu den Einbau eines einem Erfolge der Tatbeitrag eines Beteiligten mitgewirkt hat, der mit den
Regulativs. Längerer Ausführungen zu diesem Punkte bedarf es nicht, da es übrigen nicht einig war, so kann er auch nicht Mittäter sein; es muß ihm
sich bei diesem Vorgehen nur um die praktische Durchführung einer schon dann die Kenntnis der gegenseitigen Bezogenheit gefehlt haben, die für die
oben 25 näher begründeten Methode der inhaltlichen Ausfüllung des Tat- Ausübung der aktuellen Mittäterschaft eine Voraussetzung ist.
herrschaftsbegriffes handelt. Diese Grundsätze bieten den Ansatz zur Lösung mehrerer umstrittener
Wenn wir auf die dort entwickelten Gedanken zurückgreifen, so stellt Fragen:
sich' der zur Bestimmung der Mittäterschaft dienende Gedanke der funk-
tionellen Tatherrschaft als ein „offener Begriff" im früher gekennzeichneten
Sinne heraus. Um einen „unbestimmten" Begriff handelt es sich nicht, weil a) Die einseitige Unkenntnis des Zusammenwirkens
seine Elemente, soweit die Typik wiederkehrender Konstellationen eine
Generalisierung zuläßt, subsumtionsgerecht festgelegt worden sind; von Wenn von zwei Beteiligten nur einer die Beziehung der Tatanteile aufein-
einem „fixierten" Begriff kann man auch nicht sprechen, weil nicht alle ander kennt, so handelt der andere, auch wenn er selbst Täter ist, insoweit
denkbaren Fallgestaltungen der abstrakt-begrifflichen Umschreibung ohne blind und der Wissende ist mittelbarer Täter.

24
Vgl. dazu oben S. 125/126
25 26
S. 122 ff. Lehrbuch, 7. Aufl., S. 98
286 287

Ein derartiges - etwas konstruiertes - Beispiel bildet Maurach 27 . A will Trotzdem ist es richtiger, in solchen Fällen eine Mittäterschaft abzu-
den B vergiften; er erfährt, daß auch C das gleiche Ziel, aber mit einer für lehnen. Das ergibt sich aus folgendem: Die Beteiligten waren sich darüber
sich allein unzureichenden Dosis, erstrebt; daraufhin bemißt er seine eigene einig, daß erforderlichenfalls der Tod eines Menschen in Kauf genommen
Giftmenge so, daß der Tod des B erst durch das Zusammenwirken beider werden mußte. Dieser Mensch sollte aber ein Verfolger sein und nicht ein
Mengen ermöglicht wird. Außenstehender oder ein Komplize. Die Frage kann also nur sein, ob die
Hier lehnt Maurach eine Mittäterschaft mit Recht ab. Er verneint aller- Willensübereinstimmung sich auf die abstrakte Menschqualität des Opfers
dings auch die mittelbare Täterschaft, weil „dem A hinsichtlich der Hand- oder auf das konkret ins Auge gefaßte Handlungsobjekt „Verfolger" be-
lungen des C keine Tatherrschaft" zustehe. Dabei wird - wie so oft - über- ziehen muß.
sehen, daß eine Willensherrschaft kraft sinngestaltender Überdetermination Zutreffend ist die zweite Annahme, wie sich schon daraus ergibt, daß
vorliegt; C ist wegen versuchten, A wegen vollendeten Mordes in mittelbarer niemand eine Mittäterschaft annehmen würde, wenn einer der Einbrecher
Täterschaft zu bestrafen. absichtlich auf einen Unbeteiligten oder einen Genossen schießen würde.
Das Beispiel gehört in den Zusammenhang der oben behandelten Fälle Der Umstand, daß abredegemäß ein Mensch erschossen werden sollte und
vierter Tatherrschaftsstufe 28 , die aus den gleichen Gründen sämtlich aus dem auch tatsächlich erschossen wurde, ändert daran nichts. Dann kann es aber
Bereich gemeinsamer Tatherrschaft auszuscheiden sind: Wer den error in bei einer unabsichtlichen Verwechselung - einem fahrlässigen Exzeß - nicht
persona eines anderen ausnutzt, ist mittelbarer Täter, nicht Mittäter. anders sein. So oder so lag der herbeigeführte Erfolg außerhalb der dem
Schützen im Gesamtplan zufallenden Funktion. Folglich konnten auch die
b) Die Exzeß des Mittäters anderen daran keinen Anteil haben. Der irrige Glaube des Schützen kann
die objektiv fehlende Beziehung nicht ersetzen. Der Mittäter wird ja nicht
Aus ähnlichen Erwägungen ist beim bewußten Exzeß eines Komplizen keine für das bestraft, was der andere getan hat, sondern um seiner eigenen Mit-
Mittäterschaft denkbar. Denn wer über die Verabredung hinausgeht, ohne herrschaft willen. Diese aber erstreckt sich nicht auf eine derartige aufgaben-
daß der andere „mitmacht", löst sich von der funktionsbedingten Abhängig- fremde Fehlleistung.
keit. Er handelt als unmittelbarer Alleintäter 29 oder, wenn er sich eines Abgesehen von diesen konstruktiven Erwägungen spricht auch das
unwissenden Genossen bedient, als mittelbarer Täter. Rechtsgefühl nicht für die Lösung des B G H . Wenn mehrere Verschwörer
an verschiedenen Stellen lauern, um einen bestimmten politischen Gegner
zu erschießen und ein - von ihnen infolge ständiger Verwechselungen
c) Der error in persona eines Mittäters nacheinander fünf Unbeteiligte erschießt, bevor er den richtigen erwischt -
warum sollen dann die anderen wegen eines sechsfachen vorsätzlichen
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs 30 bietet ein gutes Beispiel: Von Mordes bestraft werden, obwohl sie nur den Tod eines Menschen in ihre
drei fliehenden Verbrechern hatte einer, wie es abgesprochen war, einen Ver- Vorstellung aufgenommen hatten? Es liegt insoweit nicht anders als bei
folger erschießen wollen, stattdessen aber infolge einer Verwechselung die der mittelbaren Täterschaft, der Anstiftung und Beihilfe, die auch entgegen
Kugel auf seinen Genossen abgefeuert. der herrschenden Meinung eine konkrete Betrachtungsweise erfordern 33 .
Wir wollen annehmen, daß die drei Einbrecher, wenn es sich wirklich um Und wenn wir noch einmal zu dem Urteil des B G H zurückkehren, so ist
einen Verfolger gehandelt hatte, Mittäter gewesen wären 31 . Wird daran durch es doch auch ein seltsamer Gedanke, daß jemand, ohne Selbstmörder zu
den error in persona etwas geändert? Ist also dieser Irrtum für die beiden sein, einen vorsätzlichen Mordversuch an sich selbst begangen und außer-
anderen ebenso unerheblich wie für den Schützen? Der B G H hat darin kein dem dieses ihm äußerst unliebsame, ganz und gar ungewollte Geschehen
Problem gesehen und den beinahe erschossenen Komplizen als Mittäter auch noch mitbeherrscht haben soll, wie der B G H annimmt. Mir scheint,
verurteilt. Auch sonst hat die Entscheidung in diesem Punkt keinen Wider-
daß die hier vertretene Meinung einer natürlichen Auffassung weit besser
spruch gefunden 32 .
entspricht.
27
Anders ist es natürlich, wenn mehrere Mittäter demselben error in per-
A. T., 2. Aufl., § 49 I, B, 3, a, S. 508
28
Vgl. S. 211 ff.
sona unterliegen und infolge einer gemeinsamen Fehlvorstellung gegen den
29
Im Ergebnis u n d teilweise auch in der B e g r ü n d u n g übereinstimmend B G H S t 6, „Falschen" vorgehen. Dann wird aber auch jeder für sein eigenes Verhalten
248-251 (249). und nicht für den Irrtum des anderen bestraft.
30
B G H S t 11, 268-272; vgl. oben S. 100/101 ff. Nr. X I V
31
D a r ü b e r näher unten S. 311 ff.
32
Schröder, J R 58, S. 427/28, sagt in seiner scharfsinnigen A n m e r k u n g lakonisch, daß „der
I r r t u m des Mittäters ... als error in obiecto auch für den anderen Mittäter b e d e u t u n g s -
los" sei (S. 427); nur D r e h e r bezeichnet die Entscheidung als „zweifelhaft", D r e h e r /
33
Maaßen, § 47, 4, Schwarz/Dreher, § 47, 3. Vgl. d a r ü b e r oben S. 2 1 3 - 2 1 6
288 289

d) Mittäterschaft kraft „kausalen Weiterwirkens'1? wird 37 , birgt keine neuen Gesichtspunkte: Soweit nach den oben entwickel-
ten Kriterien ein Fall der mittelbaren Täterschaft anzunehmen ist, kann
Mit dem Grundprinzip der gemeinsamen Tatherrschaft unvereinbar ist eine sie nicht zur Begründung einer Mittäterschaft dienen. Es kann aber gleich-
Entscheidung des Bundesgerichtshofs 34 , die jemanden als Mittäter ansieht, zeitig eine Mittäterschaft vorliegen, wenn der mittelbare Täter sich an der
der die „mittäterschaftsbegründenden" Umstände überhaupt nicht gekannt Ausführung in der Weise beteiligt, daß er neben dem anderen eine wesent-
hat. Der Fall lag so: Ein Mann wollte einen Säugling durch Würgen und liche Funktion bei der Deliktsverwirklichung ausübt. Die fehlende Schuld
Schläge gegen den Kopf töten. Als er glaubte, das Ziel erreicht zu haben, des Partners hindert angesichts des § 50 Abs. 1 StGB eine Mittäterschaft
brachte er das vermeintlich tote Kind zu seiner Frau und ging „voll Ent- nicht.
setzen und Abscheu" weg. „Bald darauf" erkannte die Frau, daß das Kind
lebte und tötete es nunmehr durch eine selbständige Handlung. f) Mittäterschaft bei Verwirklichung ungleichartiger Tatbestände
Der Bundesgerichtshof will den Mann als Mittäter an der Tat seiner
Ehefrau bestrafen und begründet das mit der Erwägung, das Tun der Frau Die Frage, ob eine Mittäterschaft denkbar ist, bei der die Beteiligten nach
habe sich seiner Handlung angeschlossen; insofern habe sein Verhalten abweichenden Bestimmungen bestraft werden 38 , läßt sich nicht einheitlich
noch bei der Tötung durch die Ehefrau mitgewirkt und sei für sie ursäch- beantworten. Gegen diese Möglichkeit bestehen keine Bedenken, wenn die
lich geworden. Deshalb bliebe er auch Mittäter, wenn er zu dieser Zeit tatbestandlichen Differenzierungen auf Umständen beruhen, die außerhalb
seinen Tötungsvorsatz aufgegeben hätte; denn Mittäterschaft sei schon des konkreten Handlungsvollzuges liegen: So kann der eine Mittäter einen
immer dann zu bejahen, „wenn der Beteiligte, der die Tat als eigene will, in Einbruchsdiebstahl, der andere einen Mundraub begehen, wenn er anders
irgendeiner Weise an der Ausführung, wenn auch nur geistig, mitgewirkt als sein Genösse die gestohlenen Nahrungsmittel zum alsbaldigen Ver-
hat" 35 . brauch bestimmt hat; es kann einer Mörder, der andere Totschläger sein,
Das ist im Ergebnis und in der Begründung unhaltbar. Abgesehen davon, wenn nur bei einem Mitwirkenden niedrige Beweggründe anzunehmen
daß die nichtssagende Animus-Theorie, auf die das Urteil am Ende zurück- sind. In derartigen Fällen wird die funktionsbedingte Abhängigkeit bei der
greift, ohnehin dem Tatherrschaftsgedanken widerspricht, fehlt es hier auch Deliktsrealisierung durch die verschiedenartige Motivation der Beteiligten
an jedem noch so vagen Täterwillen. Denn man kann unmöglich an einer nicht berührt.
Ausführung „geistig mitwirken" und die Tat „als eigene wollen", wenn man Anders liegt es, wenn die Tatbestandsbandlungen voneinander abweichen,
nichts davon weiß! Von einer Willensübereinstimmung beim letzten Teilakt etwa im Verhältnis des Diebstahls zum Raube. Hier kann, soweit es um die
oder gar von einem Gesamtplan, der das spätere Vorgehen der Frau als Wegnahme fremder Sachen geht, eine Mittäterschaft bestehen; was aber die
Endstück eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens erscheinen lassen könnte, Gewaltanwendung betrifft, so gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder lag
ist nicht die Rede. Der Mann hätte deshalb nur wegen versuchten Mordes auch insoweit ein einverständliches Zusammenwirken vor; dann müssen
verurteilt werden dürfen. beide nach §249 StGB bestraft werden, auch wenn nur einer die Gewalt
Dreher 36 bringt gegen das Urteil ebenfalls Zweifel vor. Er will darauf eigenhändig verwirklicht hat; oder einer der Beteiligten hat auf eigene Faust
abstellen, ob der Mann, „wenn er erkannt hätte, daß die Tat noch nicht Gewalt angewendet; dann ist er in diesem Punkt Alleintäter, so daß nur eine
beendigt war, deren Beendigung gewollt hätte". Aber dem ist auch nicht auf die Wegnahme beschränkte Mittäterschaft anzunehmen ist.
zuzustimmen. Denn eine solche hypothetische Erwägung kann die aktuell
fehlende Gemeinsamkeit des Tatentschlusses nicht ersetzen. Ebenso kann
der Umstand, daß dem Mann die spätere Entwicklung nachträglich vielleicht 2. Sukzessive Mittäterschaft
erwünscht schien, ihn nicht zum Mitherren des Geschehens machen.
Eine sukzessive Mittäterschaft, bei der jemand zu einer schon begonnenen
Tat erst nachträglich hinzutritt, um von nun an gemeinsam mit den anderen
e) Mittäterschaft bei ausgeschlossener oder geminderter Schuld eines Beteiligte~n das Delikt weiter auszuführen, ist selbstverständlich möglich. Entgegen
der jetzt nahezu einhelligen Lehre 39 können aber dem Hinzutretenden Er-
Das sehr umstrittene Problem, ob Mittäterschaft vorliegen kann, wenn
jemand mit einem Jugendlichen, einem Unzurechnungsfähigen, einem im 37
Maurach, 2. Aufl., § 49 I, B, 4, S. 509; Kohlr./Lange, 42743. Aufl., § 47 III, S. 174;
Verbotsirrtum Handelnden oder sonstwie Entschuldigten gemeinsam tätig Gallas, Gutachten, S. 138/39
38
Vgl. Maurach, A.T., 2. Aufl., § 49 I, B, 3, b, S. 509; Mezger, LK, § 47, 3, S. 252/53 mit
BGHSt 9, 180-184 weiteren Angaben.
39
a. a. O. S. 182 Eine Ausnahme macht Hellmuth Mayer, Lehrbuch, 1953, S. 313, der aber die Entschei-
MDR 1956, S. 499 dung BGHSt 2, 344-348 noch nicht berücksichtigt; wie hier jetzt aber auch Sax, Fest-
schrift für Nottarp, 1961, S. 136/137.
290 291

schwerungsgründe, die schon vor seinem Eingreifen verwirklicht waren, geholfen hat. In welchem Stadium der Ausführung er diese Hilfe leistet, ist
nicht zugerechnet werden. gleichgültig, weil er ohnehin die Tat nicht selbst - auch nicht mit anderen
Das folgt aus dem Grundgedanken der Tatherrschaftslehre zwingend. gemeinsam - begeht 44a . Der Mittäter dagegen ist Täter und muß sich für das
Danach ist jemand Mittäter, wenn und soweit er gemeinsam mit anderen verantworten, was er selbst im Zusammenwirken mit anderen begangen hat;
den Ablauf des Geschehens beherrscht. Voraussetzung dafür ist eine und dazu gehört im Beispielsfall der Einbruch nicht. Soweit er durch sein
wechselseitige Abhängigkeit, bei der jeder nur mit den anderen zusammen Hinzutreten ein Verhalten unterstützt, das seiner Mitherrschaft nicht unter-
handeln kann, aber kraft seiner Funktion im Rahmen des Gesamtplans liegt, kann auch er nur Gehilfe sein.
seine Verwirklichung in der Hand hat. Nichts von alledem liegt vor, wenn Deshalb kommt, was eigenartigerweise nirgends hervorgehoben wird, bei
jemand erst nach der Erfüllung qualifizierender Tatumstände einen Ge- der vorliegenden Konstellation neben der Mittäterschaft des N am einfachen
nossen findet, der auf den bisherigen Gang der Dinge keinerlei Einfluß Diebstahl eine Beihilfe zu § 243 Abs. 1 Ziff. 2 StGB in Betracht, insofern als
ausgeübt hat. N dem P bei der Ausnutzung des von diesem allein begangenen, materiell
In der bekannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs 40 , die gegen die aber noch nicht vollendeten Einbruchs geholfen hat. Wäre er nicht mitgegan-
Rechtsprechung des Reichsgerichts 41 und die bis dahin herrschende An- gen, sondern hätte er dem P etwa nur eine Schiebkarre zum weiteren
sicht den Umschwung der Meinungen herbeiführte, lag der Sachverhalt so: Abtransport geliehen, so wäre er ja auch wegen Beihilfe zum Einbruchsdieb-
Der P hatte eine Verkaufsbude erbrochen, einen Teil der Lebensmittel weg- stahl bestraft worden.
genommen und in die Wohnung eines Bekannten N gebracht. Er weckte Wenn man das berücksichtigt, verschwinden alle Unbilligkeiten der Straf-
ihn, erzählte ihm den Diebstahl und veranlaßte ihn, den Rest der Waren aus bemessung, auf die sich die Gegenmeinung so gern beruft 45 . Im Gegenteil:
dem nun offenen Kiosk gemeinsam mit ihm zu holen. Später teilten sie die Die Auffassung des Bundesgerichtshofs führt zu sehr sonderbaren Ergeb-
Gesamtbeute. Hier will der B G H , wenn P von vornherein die Tat in zwei nissen. Danach kann nämlich, wie das Urteil ausdrücklich betont 46 , der N
Teilhandlungen vollführen wollte, den N als Mittäter eines Einbruchsdieb- nicht wegen schweren Diebstahls zur Verantwortung gezogen werden, wenn
stahls bestrafen. Der Vorgang zeigt deutlich, daß von einer Mitherrschaft des P erst auf Grund eines neuen Vorsatzes beschlossen hat, auch die restlichen
N beim Einbruch, von dem er erst nachträglich erfahren hat, nicht die Rede Waren wegzunehmen. Dann soll nur eine Mittäterschaft gemäß §242 vor-
sein kann. liegen. Hier stellt sich die Frage: Woher soll der N das wissen? Und wieso
Der B G H stützt seine Auffassung denn auch auf einen anderen Grund; kann seine Mittäterschaft von den ihm ganz gleichgültigen und für den
er meint, das Gesetz lasse den einzelnen „auch für das haften, was der andere Handlungsverlauf unerheblichen inneren Vorgängen in der Person des P
Mittäter getan hat"; wenn jemand als Mittäter eintrete, so habe das Einver- abhängen? Mit dem Gedanken der Tatherrschaft haben solche Konstruk-
ständnis mit dem bisher Geschehenen „die Kraft, daß ihm auch das einheit- tionen jedenfalls nichts mehr zu tun.
liche Verbrechen als solches strafrechtlich zugerechnet" werde 42 . In dieser Trotzdem hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofs fast überall
Argumentation dringt die schon vorhin 43 abgelehnte Vorstellung durch, daß Billigung gefunden 47 . Auch die meisten Anhänger der Tatherrschaftslehre
der Mittäter für das Verhalten anderer anstatt für sein eigenes Tun bestraft haben sich zustimmend geäußert 48 ; unter ihnen haben Maurach und Niese
werde. Außerdem wird die Mittäterschaft am Einbruch unrichtigerweise dem Problem eine gründlichere Erörterung gewidmet.
aus dem „Einverständnis" des Hinzutretenden hergeleitet; dieser Gesichts- Maurach meint, nur die Auffassung des B G H werde „dem Vorsatzbegriff
punkt ist deshalb untauglich, weil Anstifter und Gehilfen ebenso mit dem gerecht ... Vorsatz heißt: nicht nur ,Wollen', sondern auch ,Wissen'. Auch
Geschehen einverstanden sind, ohne deshalb Täter zu werden. dem Alleintäter werden ja die Tatumstände, die er seinem Arbeitsplan zu-
Auf den ersten Blick bestechend wirkt allerdings die Parallele zur Beihilfe, grundelegt, dann zugerechnet, wenn er sie vorfindet und seinen Plan ent-
auf die sich der Bundesgerichtshof beruft: Beim Gehilfen sei es gleichgültig, sprechend aufbaut".
in welchem Zeitpunkt der Ausführung er fördernd tätig werde. Angesichts Aber diese Begründung schlägt nicht durch: Sicher gehört zum Vorsatz
dessen entbehre eine unterschiedliche Behandlung der Mittäterschaft einer ein Wissen, aber das beweist nichts für eine Mittäterschaft, weil auch der
einleuchtenden Rechtfertigung 44 . Aber gerade hier zeigt sich der FerTl- Teilnehmer dieses Wissen hat. Für die Tatherrschaft ist die Kenntnis der
ansatz: Täter und Gehilfe werden als qualitativ gleichartige Erscheinungen
betrachtet. Dabei ist es doch so: Die Beihilfe ist ihrem Wesen nach akzesso- ^ insoweit abweichend Sax, a. a. O., S. 137, Anm. 11, der auch den später hinzutretenden
risch. Die Strafe des Gehilfen hängt deshalb notwendig davon ab, wozu er Gehilfen nur wegen Beihilfe zum einfachen Diebstahl bestrafen will.
45
Vgl. etwa Niese, NJW 1952, S. 1147; Furtner, JR 1960, S. 367
40 46
BGHSt 2, 344-348 a. a. O. S. 347
41 47
zu § 243: RGRspr 8, 80-82 (82); RG, JW 1923, 756; 1924, 1436 Vgl. außer den Lehrbüchern und Kommentaren noch Martin, NJW 1953, 288-290;
42
a. a. O. S. 346 Furtner, JR 1960, S. 367-369
43
Oben S. 276/277 48
Maurach, A.T., 2. Aufl., §49 III, 1, S.518; Welzel, 7. Aufl., S. 96; Kohlr./Lange,
44
a. a. O. S. 345/46 42743. Aufl., § 47 I, S. 174; Niese, NJW 1952, S. 1146-1147
292 293

Tatumstände nur Voraussetzung der zielbewußten Geschehensgestaltung, dadurch den Strukturunterschied zwischen funktioneller Tatherrschaft und
ohne die reale Ablaufslenkung ersetzen zu können; das gilt erst recht für Willensherrschaft verwischen.
ein nachträgliches Wissen. Und der Hinweis auf den Alleintäter wird nicht Die Frage, ob eine vorbereitende Tätigkeit mittäterschaftsbegründend
recht verständlich. Wieso kann er „Tatumstände vorfinden"? Entweder wirken kann, ist innerhalb der Tatherrschaftslehre bislang völlig ungeklärt
bricht er ein; dann hat er diesen Tatumstand selbst verwirklicht und nicht geblieben. Gegen die Möglichkeit einer Täterschaft wendet sich Gallas 1 . Bei
vorgefunden. Oder er findet das Haus offen; dann bricht er nicht ein, und ihm heißt es: „Es genügt ... nicht eine Beteiligung an der Planung oder Vor-
ihm wird auch nichts derartiges zugerechnet. In welchem Sinne sollen sich bereitung der Tat. Der Mittäter muß vielmehr auch an der Ausübung der
daraus Schlüsse auf die Behandlung der sukzessiven Mittäterschaft ziehen Tatherrschaft teilhaben. Wer sich darauf beschränkt, die Gelegenheit zur
lassen? Tat auszukundschaften oder die dazu benötigten Werkzeuge zu besorgen,
Niese geht zur Begründung der Mittäterschaft zutreffend vom Gedanken handelt nicht als Mitherr der Tat, sondern nur als Gehilfe, auch wenn er an
der Arbeitsteilung aus, argumentiert dann aber mit der Erwägung, daß der der Tatverabredung beteiligt war."
eine sich die Arbeit des anderen „zurechnen lassen" (müsse 49 ). Damit löst er Sehr ähnlich ist die Lösung von Maurach 2 , der freilich nicht ausdrücklich
sich jedoch, wie schon oben gezeigt wurde, vom Tatherrschaftsprinzip, dem- auf die Fragestellung eingeht. Er meint mit Gallas, der bloße „Baldowerer"
zufolge gerade nur das zur Mittäterschaft zugerechnet werden darf, was der sei ohne Rücksicht auf die Höhe des ihm in Aussicht gestellten Beuteanteils
einzelne mitbeherrscht hat. nur Gehilfe oder Anstifter. Allerdings sei die streitige Frage, ob Mittäter-
Es bleibt also dabei: Jemand kann nicht als Mittäter für Erschwerungs- schaft stets persönliche Anwesenheit am Tatort voraussetze oder ob Ab-
gründe bestraft werden, die zur Zeit seines Eintritts in den Tatplan schon wesenheit des in Frage stehenden Mitwirkenden die Annahme von Mit-
verwirklicht waren. täterschaft ausschließe, in dieser Form falsch gestellt: der Chef einer
Schmuggelbande, der seine Aufträge an die einzelnen Operationsgruppen
telefonisch erteile, sei genauso als Täter strafwürdig wie der persönlich die
§ 28. Die M i t w i r k u n g im Vorbereitungsstadium Zollgrenzen passierende LKW-Fahrer.
Im Gegensatz dazu lesen wir bei Welzel 3 : „... auch der objektiv bloß Vor-
I. Der Streitstand bereitende oder Helfende ist Mittäter, wenn er Mitträger des gemeinsamen
Tatentschlusses ist". Sogar ein Verhalten, das sich äußerlich auf eine bloße
Wenn wir uns der Mitwirkung im Vorbereitungsstadium zuwenden, so Tataufforderung beschränkt, soll zur Mittäterschaft führen, wenn der
können wir nicht ohne weiteres mit der Erörterung darüber beginnen, unter objektiv nur Anstiftende „mit eigener Tatentschlossenheit" handelt 4 .
welchen Voraussetzungen hier eine Tatherrschaft vorliege. Die Problematik Ebenso sagt Bockelmann 5 in der Polemik gegen Gallas, es müsse „auch
verlangt vielmehr eine wesentlich radikalere Fragestellung: Es ist zu unter- die Vornahme solcher Handlungen, die normalerweise bloßen Unter-
suchen, ob in diesem Bereich eine Mittäterschaft überhaupt möglich ist oder stützungs- oder Vorbereitungscharakter haben, die Täterstrafe begründen,
ob sich nicht vielleicht generell sagen läßt, daß jemand, der nur vorbereitend falls sie auf Grund gemeinschaftlichen Tatentschlusses begangen werden
tätig ist, von der Innehabung der Tatherrschaft unter allen Umständen aus- und die Ausführung der Rolle darstellen, die dem Ausführenden bei der
geschlossen sein muß. Beschlußfassung zugefallen ist ... Der Bankangestellte, der mit einem
Dabei ist nach unseren früheren Darlegungen selbstverständlich davon Berufsdieb die Beraubung des Tresors so verabredet, daß er auskundschaften
auszugehen, daß Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft entgegen der soll, wann der Tresor reichhaltig belegt und zwischen welchen Zeitpunkten
weitverbreiteten Vermengung beider Begriffe streng auseinanderzuhalten mit dem Auftauchen des Wächters nicht zu rechnen ist, während der andere
sind. Funktionelle Tatherrschaft und Willensherrschaft beruhen auf ganz einbrechen soll, begeht doch nicht nur Anstiftung oder Beihilfe zum Dieb-
verschiedenen Prinzipien. Deshalb kann die Willensherrschaft, deren Vor- stahl, sondern ist Mittäter ...".
aussetzungen oben im einzelnen geschildert worden sind und die keinerlei Es ist unschwer zu erkennen, daß sich auch in dieser Streitfrage die
aktive Mitwirkung bei der Ausführung verlangt, zur Begründung einer Mtt- unterschiedlichen Ansatzpunkte der einzelnen Tatherrschaftstheoretiker
täterschaft nicht herangezogen werden. Das bedarf gleich anfangs besonderer auswirken. Während Maurach und besonders Gallas von einer objektiven
Betonung, weil die Vertreter der Tatherrschaftslehre - auch soweit sie Teilnahmelehre herkommen und daher für die Täterschaft eine größere
die Mittäterschaft nicht als eine „teilweise mittelbare Täterschaft" ansehen -
sich schon bei einer Mitwirkung im Ausführungsstadium zur Erklärung der 1
Gutachten, S. 137; ebenso Hellmuth Mayer, Lehrb., S. 314
2
Mittäterschaft meist auf den Willenseinfluß des Beteiligten berufen und A.T., 2. Aufl., § 49 II, C, 2, S. 517
3
Lehrb., 7. Aufl., S. 98; ebenso dem Sinne nach ZStW, Bd. 58, 1939, S. 551/52; SJZ 1947,
Sp.650
4
a. a. O., S. 1147 Lehrb., 7. Aufl., S. 109
5
Untersuchungen, S. 101 und Anm. 54 auf dieser Seite.
294 295

Tatbestandsnähe verlangen, stellen die Auffassungen Welzels und Bockel- tung mithilft, muß zu irgendeinem Zeitpunkt die Tat „aus der Hand geben"
manns Weiterentwicklungen einer streng subjektiven Dolustheorie dar und und sich von nun an ganz auf den anderen verlassen.
stimmen insoweit mit der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts Das zeigt gerade der von Bockelmann für die Gegenauffassung gebildete
überein, wonach schon die geringste Mitwirkung bei der Vorbereitung zur Beispielsfall: Der Bankangestellte kann dem Berufseinbrecher wohl den Tip
Bejahung der Täterschaft ausreichen kann, wenn nur die subjektiven Voraus- geben, wann der Tresor belegt ist und wann der Wächter seine Runde
setzungen vorliegen 6 . macht; aber von nun an ist er aus dem Spiel ausgeschieden; was jetzt noch
Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bei allen Konzessio- geschieht, und wie es durchgeführt wird, muß er - selbst in der Terminolo-
nen an die Tatherrschaftslehre an diesem Kernsatz der subjektiven Theorie gie der Dolustheorie gesprochen - dem Einbrecher „anheimstellen". Davon,
stets festgehalten. So heißt es in einer Entscheidung vom 3. Februar i960 7 : daß er bei der Verwirklichung des tatbildlichen Geschehens, also beim Ein-
„Mittäterschaft setzt ein zur Verwirklichung des Tatbestandes beitragendes bruch selbst, die Situation beherrsche, kann schlechterdings nicht die Rede
Handeln voraus. Dabei genügt es nach dem allgemein anerkannten ,Grund- sein.
satz der Arbeitsteilung' ..., wenn der Mittäter seine persönliche Tätigkeit auf Eine Reihe weiterer Argumente zur Unterstützung der hier vertretenen
Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlungen beschränkt". Noch dezi- Meinung werden sich im folgenden durch die Auseinandersetzung mit den
dierter sagt derselbe (vierte) Senat am 10. März 1961 8 - allerdings unter abweichenden Ansichten ergeben.
gleichzeitiger Verneinung der Tatherrschaft - daß eine vorbereitende
„geistige Mitwirkung" genüge; Mittäter könne schon sein, wer „in irgend-
einem Zeitpunkt" den Willen des die Tat allein Ausführenden gestärkt habe. III. Auseinandersetzung mit Welzel

Die von uns verneinte Frage nach der Möglichkeit einer Tatherrschaft des
IL Keine Mittäterschaft des Vorbereitenden nur Vorbereitenden hat im Schrifttum bisher nicht die Beachtung gefunden,
die ihrer außerordentlichen Bedeutung zukommt. Eine eingehende Stellung-
Dem Begriff der Tatherrschaft wird nur die Ablehnung einer Mittäterschaft nahme zur gesamten Problematik findet sich nur bei Welzel. Seine Thesen
des Vorbereitenden gerecht. Das ergibt sich, wenn wir die oben für die sind für uns besonders wichtig, weil er gerade die Gegenmeinung durch das
Bestimmung des Täterbegriffs erarbeiteten Leitlinien zugrundelegen, aus Tatherrschaftsprinzip zu rechtfertigen versucht. Wir müssen uns deshalb mit
mehreren Erwägungen: seiner Lehre auch im Detail beschäftigen.
1. Im Mittelpunkt des für die strafrechtliche Betrachtung erheblichen Es genüge nicht für das Vorliegen der Mittäterschaft, meint er 9 , daß
Geschehens steht die Tat, so wie sie vom Gesetzgeber in den einzelnen Tat- der objektiv nur Unterstützende mit der Ausführung der Tat sympathisiere,
beständen beschrieben wird. Die Zentralfigur des handlungsmäßigen Ge- mit ihr einverstanden sei. Vielmehr müsse der „Täterwille" innerhalb der
schehens in dem oben erläuterten Sinne kann daher nicht jemand sein, der Gesamttat objektive Bedeutung haben. „Das hat er dann", sagt Welzel,
bei Verwirklichung dieser Tat selbst überhaupt nicht beteiligt ist, sondern „wenn die Gesamttat auch in den Beiträgen der übrigen Beteiligten von
nur geholfen hat, die Vorbedingungen des Delikts zu schaffen. Er wird dem gemeinsam gefaßten Tatentschluß getragen ist, so daß nicht nur die
vielmehr zwangsläufig an die Peripherie des Geschehens gedrängt. Das Vornahme der Unterstützungshandlung für den daran Beteiligten eine
bedarf nach den vorangegangenen Darlegungen keiner näheren Ausführung Teilausführung des gemeinsamen Tatentschlusses ist, sondern auch die
mehr. Vornahme der Ausführungshandlungen für die Ausführenden zugleich die
2. Man kann auch nicht sagen, daß jemand, der nur vorbereitend ge- Mitverwirklichung des vom Unterstützenden mitgefaßten Tatentschlusses
wirkt hat, den Geschehensablauf wirklich „beherrschen" könne. Er bleibt, ist .
wenn der andere frei und selbständig handelt, bei der Durchführung immer Welzel hält also die Willenseinstellung des Vorbereitenden allein zur
von' der Initiative, den Entschlüssen und der Tatgestaltung des unmittelbar Begründung der Mittäterschaft nicht für ausreichend. Er verlangt darüber
Tätigen abhängig. Bei einem arbeitsteiligen Zusammenwirken im Aüs- hinaus, daß auch der Ausführende selbst sich bei Durchführung der Tat von
führungsstadium ist das ganz anders: Hier greifen die Teilleistungen derart dem gemeinsamen Entschluß „getragen" fühle, daß er in dem Bewußtsein
ineinander, daß jeder auf seinen Partner angewiesen ist und der Ausfall des handele, auch den Entschluß des anderen mitzuverwirklichen. Gegen diese
einen den Gesamtplan zum Scheitern bringt. Wer aber nur bei der Vorberei- Beweisführung ist jedoch mehrerlei einzuwenden:
Zunächst einmal ändert auch ein noch so aufrichtiges Solidaritätsgefühl
des unmittelbar Handelnden nichts daran, daß es allein in seiner Macht steht,
6
Vgl. darüber oben S. 58 mit Nachweisen.
7
BGHSt 14, 123-132 (128/29), vgl. oben S. 102/103 Nr. XVI
8
BGHSt 16, 12-15 (14), vgl. oben S. 104/105 Nr. XVIII 9
ZStW, Bd. 58, 1939, S. 551
296 297

wie er den Tatablauf in concreto gestaltet und ob er dabei dem gemeinsamen führung der Tat keinerlei Einfluß. U m bei Bockelmanns Beispiel zu bleiben:
Tatentschluß die Herrschaft einräumt über seine Gedanken und Taten. Der Wenn der Einbrecher sich über die Informationen des Bankangestellten freut
Einfluß dessen, der bei der Durchführung des Planes nicht beteiligt ist, kann und nun den Diebstahl ins Werk setzt - wie soll man sich eine Deliktsreali-
immer nur über die Psyche des anderen wirksam werden. Wenn aber der sierung denken, bei der das Getragensein vom gemeinsamen Tatentschluß
Vorbereitende diesen anderen nicht beherrscht, der Ausführende vielmehr irgendeine objektive Bedeutung gewinnt?
frei und voll verantwortlich tätig wird, so kann derjenige der nicht dabei ist, Abgesehen von dieser objektiven Belanglosigkeit ist aber eine derartige
auch den Tatablauf nicht lenken, sondern ist vom Belieben des Handelnden seelische Haltung in der Praxis auch schwerlich vorhanden. Denn das
abhängig. Es ist insoweit beim Vorbereitenden nicht anders als beim An- Bewußtsein des Einbrechers, gleichzeitig zum Nutzen des Bankangestellten
stifter, dem Welzel doch auch die Tatherrschaft abspricht. zu handeln, kann offenbar nicht ausreichen, da auch der Anstifter, dem ein
Im übrigen führt diese Erwägung auf eine recht eigenartige Konsequenz Teil der Beute versprochen worden ist, deshalb noch nicht zum Mittäter
der Welzelschen Argumentation. Da er durchaus zutreffend (und im Gegen- wird. Eine sich davon unterscheidende Vorstellung des Getragenseins von
satz zur Animus-Theorie) erkennt, daß der bloße Wille und Wunsch des einem gemeinsamen Tatentschluß ist eine Fiktion und psychisch mindestens
Vorbereitenden, sein Sympathisieren und Einverstandensein mit dem ebenso irreal wie der berüchtigte „Täterwille" der früheren reichsgericht-
Geschehen ihn nicht zum Herrn der Tat machen kann, wird er zwangsläufig lichen Rechtsprechung.
genötigt, die Täterschaft des objektiv nur Vorbereitenden oder Unter- Was übrigbleibt, ist der gemeinsame Tatentschluß, von dem Welzel denn
stützenden von der Seelenverfassung eines anderen, nämlich des unmittelbar auch in seinem Lehrbuch das Vorliegen der Mittäterschaft im wesentlichen
Handelnden, abhängig zu machen. Es soll darauf ankommen, ob dessen Tun abhängig macht, wenn er die „Teilnahme am Verbrechensentschluß" als das
„von dem gemeinsam gefaßten Tatentschluß getragen ist". Eine derartige Kriterium nennt, das den objektiv bloß Vorbereitenden zum Mittäter
Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist aber nicht angängig. Denn mache 12 . Man mag nun über die Bestimmung der Mittäterschaft so oder
da, wie wir gesehen haben, der Handelnde bei der Ausführung frei ist, würde anders denken: Vom Boden der Tatherrschaftslehre aus läßt sich schwerlich
sein Wollen und Tun dafür entscheidend sein, ob der andere Täter oder Teil- bestreiten, daß die Herrschaft über die Tatverwirklichung sich allein aus der
nehmer ist. Das kann nicht richtig sein, weil jeder nur für sein eigenes Tun Beteiligung an der Deliktsverabredung noch nicht ergeben kann. Vor allem
und nicht für die seiner Einwirkung unzugänglichen Seelenregungen eines wird damit das Erfordernis der „objektiven Bedeutung" des Täterwillens bei
anderen bestraft werden darf. der Tatausführung auch theoretisch weitgehend preisgegeben - eine bei der
Es kommt noch hinzu, daß die von Welzel vorgeschlagene Unterschei- fiktiven Natur dieser objektiven Voraussetzung nahezu zwangsläufige Ent-
dung praktisch undurchführbar ist. Er meint selbst 10 : „Die Feststellung im wicklung.
konkreten Prozeß mag ... im Einzelfall ... schwierig genug sein." Man Ein weiterer Umstand erscheint mir noch bedenklicher: Die Annahme
nehme nur Bockelmanns Beispiel vom Bankangestellten: Seine Vorbereitung, einer Mittäterschaft in solchen Fällen würde die gesamte bei der Abgren-
seine Beteiligung an der Beute, sein sehnlicher Wunsch, der Plan möchte zung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung geleistete Arbeit ent-
gelingen - das alles kann ihn auch nach Welzels Meinung nicht zum Mit- werten und zu einem terminologischen Wortstreit degradieren. Das wird
träger der Tatherrschaft machen. Es muß vielmehr geprüft werden, ob der gerade an Welzels Lehre besonders deutlich. Er bildet den Fall, daß die
Einbruch für den Berufsdieb „von dem gemeinsam gefaßten Tatentschluß beiden Freunde A und B auf der Jagd sind und auf ihren gemeinsamen
getragen ist", ob er für ihn „zugleich die Mitverwirklichung des vom Unter- Feind X treffen. Wenn nun A nichts weiter tut, als daß er den B zum
stützenden mitgefaßten Tatentschlusses ist". Schießen auffordert, und wenn B daraufhin völlig allein aus eigenem Ent-
Wie aber soll man das feststellen? Nicht nur, daß derartige, rein inner- schluß den X tötet, so ist A nach der Ansicht Welzels dennoch Mittäter,
psychische, äußerlich gar nicht in Erscheinung tretende Vorgänge der sofern er nur dem B die Worte „Schieß doch" mit „eigener Tatentschlossen-
richterlichen Ermittlung und dem Beweise ohnehin kaum zugänglich sind; heit" zugerufen hat 13 .
es ist nicht einmal anzunehmen, daß ein Verbrecher überhaupt je Erwägun- Abgesehen davon, daß diese Lösung auf jedes objektive Herrschafts-
gen darüber angestellt hat, ob er mit der von ihm allein durchgeführten kriterium verzichtet und den täterschaftsbegründenden Umstand allein in
Tat gleichzeitig den Entschluß eines anderen ausführe. Auch wenn man die Psyche des Außenstehenden verlegt, widerspricht sie diametral dem
einwendet, es handele sich hier nicht um Bewußtseinsvorgänge reflektiver Standpunkt, den Welzel beim Verhältnis der mittelbaren Täterschaft zur
Art, sondern um eine seelische Haltung des Ausführenden, der sich von dem Anstiftung einnimmt. Dort bezeichnet er den Täter hinter dem Täter als
gemeinsamen Entschluß „getragen" fühle, bleibt ihre von Welzel betonte einen „Unbegriff" und erklärt mit Nachdruck: „Wer einen Täter zur Tat
„objektive Funktion" " im Ungreifbaren; denn sie hat auf die äußere Durch- bestimmt, ist stets nur Anstifter, und kein Täterwille kann ihn zum Täter

10 12
ZStW, Bd. 58, 1939, S. 552 Lehrb., 7. Aufl., S. 98
13
" ZStW, a. a. O. S. 551 Lehrb., 7. Aufl., S. 109
298 299

machen" H . Da sich nicht leugnen läßt, daß in unserem Beispielsfall der A gruppe oder ein Gangsterchef vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre
einen Täter (den B) zur Tat bestimmt hat, könnte er demnach nur Anstifter aus nicht Mittäter sein kann, wenn er seine Aktivität auf die Planung von
sein, und die „eigene Tatentschlossenheit", die sich sachlich vom Täterwillen Delikten beschränkt und die Durchführung anderen überläßt. Dieser Fall
nicht in erkennbarer Weise unterscheidet, dürfte ihn unter keinen Umstän- lohnt eine kurze Beschäftigung, weil er oft als Paradebeispiel einer Mittäter-
den zum Täter machen. schaft trotz fehlender äußerer Mitwirkung herangezogen wird. Er ist jedoch
Welzel versucht, diesen Zwiespalt in seiner Konzeption dadurch zu über- nicht geeignet, die hier vertretene Ansicht zu widerlegen.
brücken, daß er zwar eine mittelbare Täterschaft strikt ablehnt, stattdessen Ein Bandenchef mag mittelbarer Täter sein. Ein solcher Fall liegt vor,
aber eine Mittäterschaft annimmt. Es liegt auf der Hand, daß das eine unhalt- wenn die oben 15a im einzelnen geschilderten Voraussetzungen der Organi-
bare Scheinlösung ist. Denn welchen Sinn soll es haben, eine mittelbare sationsherrschaft zu bejahen sind. Es kann weiter eine Nötigungsherrschaft
Täterschaft als indiskutabel zurückzuweisen, wenn man auf dem Umweg bestehen, wenn der Chef einzelne seiner Leute so fest in der Hand hat, daß
über die Mittäterschaft schließlich zum selben Ergebnis kommt? Es geht sie Kopf und Kragen riskieren, sofern sie ihm nicht folgen. Der Anführer ist
doch nicht um die Bezeichnung, sondern um die Sachgegebenheiten; und schließlich Mittäter, wenn er die Durchführung der Taten - sei es auch aus
diese sind unbestreitbar so geartet, daß der A als Auffordernder hinter dem der Ferne - leitet oder absichert15*5. Über diese an anderem Orte behandelten
B steht und, wenn man ihm die Mitherrschaft zuspricht, dadurch zum Täter Konstellationen hinaus, die einen erheblichen Teil der hier einschlägigen
hinter dem Täter wird. Fälle decken, darf aber eine Täterschaft kraft der bloßen Stellung als Banden-
Damit zeigt sich die ganze Tragweite der hier bekämpften Auffassung: chef nicht angenommen werden.
Wer eine vorbereitende Beteiligung für die Tatherrschaft genügen läßt, ver- Wer etwas anderes behauptet, müßte darlegen, worin die Herrschaft des
fehlt nicht nur die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, sondern er Hintermannes besteht, wenn er die Ausführung der Tat seinen Leuten über-
unterhöhlt das Tatherrschaftsprinzip im ganzen und muß kraft der Konse- läßt. Das ist aber noch niemandem gelungen. Wenn die meisten Autoren, da
quenz seines Ansatzes auch auf die objektive Unterscheidung von mittel- eine mittelbare Täterschaft nicht nachweisbar ist, auf die Annahme einer
barer Täterschaft und Anstiftung verzichten. Eine Lehre, die im einen Fall Mittäterschaft ausweichen, so tun sie dasselbe, was schon oben in der Aus-
rein subjektiv, im anderen streng objektiv differenzieren und diese Kreuzung einandersetzung mit Welzel bemängelt worden ist: Sie benutzen die Rechts-
einheitlich durch den Tatherrschaftsgedanken rechtfertigen will, ist deshalb figur der Mittäterschaft, um die Fälle, in denen die Voraussetzungen der
nicht durchführbar. mittelbaren Täterschaft nicht vorliegen, auffangen und für die Täterschaft
Historisch gesehen handelt es sich bei der Annahme, daß eine Mitwirkung retten zu können. Das ist unzulässig; denn ein solches Verfahren verkennt
im Vorbereitungsstadium zur Tatherrschaft führen könne, um eine Nach- und verwischt den prinzipiellen Unterschied beider Täterkategorien, degra-
wirkung der subjektiven Theorie. Welzels Bemühen, sie durch das Tatherr- diert die Mittäterschaft zu einer Art Kümmerform der mittelbaren Täter-
schaftsprinzip zu überwinden, war beim Verhältnis von Anstiftung und schaft und müßte konsequenterweise zu einer Aufhebung aller objektiven
mittelbarer Täterschaft grundsätzlich erfolgreich 15 ; bei der Abgrenzung von Differenzierungen in der Täterlehre führen.
Mittäterschaft und Beihilfe mußte es im Versuch steckenbleiben, weil er den Bei der Gegenmeinung spielen einige Erwägungen mit, die richtigerweise
entscheidenden Schritt über die Rechtsprechung des Reichsgerichts hinaus, ausgeschaltet werden müssen. Zunächst ist wieder der Gedanke wirksam,
den die Beschränkung der Mittäterschaft auf den Ausführungsabschnitt daß der Bandenführer der Hauptverantwortliche und damit der kriminell
bedeutet hätte, noch nicht zu tun wagte. Da es nicht gelungen ist, die postu- Gefährlichere sei. Dem ist - wie schon mehrfach in anderem Zusammenhang
lierte „objektive Bedeutung" des Täterwillens nachzuweisen, war es kaum zu ausgeführt wurde - entgegenzuhalten, daß es nicht darauf, sondern auf die
vermeiden, daß hier ein Rückfall in die subjektive Theorie eintrat, der die Zentralstellung bei der Verwirklichung des Tatbestandsgeschehens ankommt.
ganze Lehre auf ihre Ausgangsposition zurückzuziehen droht. Dabei aber ist der Chef nicht beteiligt, und es gilt alles, was oben über die
Stellung des nur Vorbereitenden gesagt wurde.
Ferner rührt die Neigung, den Bandenchef als Täter zu bestrafen, vor-
IV. Das Problem des Bandenchefs zugsweise daher, daß man die gesamte kriminelle Aktivität der Gruppe als
geschlossenen Komplex wertet und den Anführer als Leiter dieses einheit-
Unsere Auffassung, nach der die Mittäterschaft eine Beteiligung bei der Aus- lichen Unternehmens sieht. Eine solche Betrachtungsweise ist aber nicht
führung erfordert, führt zu der Folgerung, daß der Leiter einer Einbrecher- sachgerecht. Die Tätigkeit als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung
wird schon durch § 129 Abs. 2 StGB erfaßt und mit Zuchthaus bedroht. Was
14
hier die Funktion eines besonderen Tatbestandes ist, darf nicht außerdem
SJZ 1947, Sp. 650; vgl. im übrigen oben S. 68/69
15
Auf die Verfeinerungen, die sich durch die U n t e r s c h e i d u n g mehrerer Tatherrschafts-
15
stufen ergeben u n d die zu einer teilweisen Wiedereinsetzung des „Täters hinter dem » S. 242 ff. (250/251)
15b
T ä t e r " führen, k o m m t es in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht an. Vgl. dazu schon o b e n S. 280
300 301

noch mit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme verquickt werden. Das ist oben schon dargelegt worden: Auch wer die intensivsten Vorberei-
Vielmehr darf im Rahmen eines Tatstrafrechtes die Stellung des einzelnen tungen trifft, muß, wenn er nichts als dies tut, das Geschehen aus der Hand
unter mehreren Beteiligten nur nach seiner Rolle bei der jeweiligen besonde- geben. Die Planung und Vorbereitung ist nicht die Tat, die bestraft wird und
ren Tatbestandsverwirklichung beurteilt werden; bei dieser aber kann die nach der sich die Stellung der Beteiligten bestimmt. Deshalb kann die Herr-
Beteiligung des Leiters verschwindend gering - etwa auf die bloße Zustim- schaft über die Vorbereitung keine Herrschaft über die Tat begründen.
mung beschränkt - sein; jedenfalls erreicht sie nicht das Maß an Tatbestands- Es ist zwar richtig, daß die Rollen vielfach vertauschbar sind und ihre
nähe, das nach dem Ergebnis unserer bisherigen Untersuchung für die Verteilung vom Zufall abhängen kann. Aber das ist kein treffender Ein-
Innehabung der Tatherrschaft verlangt werden muß. wand: Denn Grundlage der strafrechtlichen Beurteilung kann immer nur die
Schließlich ist zu bedenken, daß, wenn eine Bande durch wechselnde Tat sein, so wie sie in concreto abgelaufen ist. Hypothetische Betrach-
Mitglieder beispielsweise 500 Delikte begeht, der Anführer sich fünfhundert- tungen derart, daß die Beteiligten auch anders hätten vorgehen können,
mal strafbar gemacht hat und deswegen selbstverständlich schärfer zur Ver- sind irrelevant; es kommt nicht darauf an, ob jemand die Tatbestandsver-
antwortung gezogen werden wird als ein Mitglied, das nur einige dieser wirklichung unter anderen Umständen hätte beherrschen können, sondern
Straftaten mit ausgeführt hat. Auch dieser Umstand hat aber mit der ob er sie realiter beherrscht hat. Ein Anstifter wird nicht dadurch zum Täter,
Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Einzeldelikt nichts zu tun; daß er die Tat vielleicht selbst ausgeführt hätte, wenn seine Aufforderung
ganz abgesehen davon, daß die Anstiftung, die dem Chef meist zur Last erfolglos geblieben wäre. Im übrigen ist unverkennbar, daß solche Er-
fallen wird, mit derselben Strafe wie die Täterschaft bedroht ist. wägungen letzten Endes auf die oben aus zahlreichen Gründen abgelehnten
Daraus ergibt sich: Wenn schon bei diesem Extremfall keine Veranlassung subjektiven Kriterien zurückführen: die „eigene Tatentschlossenheit" Wel-
besteht, im Rahmen der Tatherrschaftslehre von der bloßen Teilnehmer- zels und die uralte, schon von Tjaben und v. Bar vertretene Formel der
eigenschaft des Vorbereitenden abzugehen, so kann bei andersartigen, weni- Dolustheorie, wonach Täter ist, „wer erforderlichenfalls selbst die Tat-
ger zugespitzten Sachverhaltsgestaltungen, die an dieser Stelle nicht alle bestandshandlung vornehmen würde" 1 8 . Ein neuer Gesichtspunkt steckt
einzeln behandelt werden können, das Ergebnis erst recht kein anderes sein. darin also nicht.
N u r der bei der Ausführung Beteiligte kann als Mittäter die Tatherrschaft Man könnte freilich versuchen, bestimmte einzelne Formen arbeitsteiliger
innehaben. Vorbereitung mit dem Tatherrschaftsgedanken in Verbindung zu bringen:
Wenn etwa ein geschickter Techniker die Höllenmaschine bastelt, mit der
ein anderer später das Attentat durchführt, dann kann es so sein, daß ohne
V. Arbeitsteilung und Mittäterschaft die vorbereitende Mitwirkung des Technikers die Tat von vornherein un-
ausführbar gewesen wäre, daß sie also insofern von ihm abhing und in seiner
Auf einen Einwand, der schon bei der oben 16 wiedergegebenen Argumenta- Hand lag. Es ist leicht zu sehen, daß ein in dieser Weise eingeschränktes
tion Bockelmanns durchklingt und der auch vom Bundesgerichtshof ver- Arbeitsteilungsprinzip mit der gemeinrechtlichen Lehre vom „Hauptgehil-
wendet wird 17 , müssen wir allerdings noch eingehen: Man könnte die Mög- fen", d.h. mit der oben eingehend behandelten Notwendigkeitstheorie 19 ,
lichkeit einer Mittäterschaft des Vorbereitenden durch den Gedanken der identisch wäre. Sie wird schon durch die dort vorgebrachten Einwände
Arbeitsteilung, des Zusammenspiels verschiedener Rollen im Rahmen des widerlegt und bedarf insoweit keiner erneuten Behandlung.
einheitlichen Planes, begründen. Dabei ließe sich darauf hinweisen, daß es Was speziell den Begriff der Tatherrschaft anlangt, so liegen seine Voraus-
oft vom Zufall abhängen werde, ob der Tatanteil des einzelnen bei der kon- setzungen beim Hauptgehilfen nur scheinbar vor: Jemand, der eine Tat
kreten Deliktsverwirklichung größer oder geringer sei, ob er die Ausführung ermöglicht, ihre Durchführung also in diesem Sinne in der Hand hat, be-
oder die Vorbereitung betreffe; deshalb dürfe die Abgrenzung der Teil- herrscht deshalb den Geschehensablauf noch nicht. Wer einem Bilder-
nahmeformen nicht auf solche Äußerlichkeiten gegründet werden. Gleich- dieb auf seine Bitte hin 50 Pfennig gibt, so daß dieser nun den Eintritt
zeitig könnte man sich durch eine solche Auffassung der Mittäterschaft dem in das Museum bezahlen und den wertvollen Rembrandt auf raffinierte
Vorwurf einer Rückkehr zur Animus-Theorie entziehen. Denn das Prinzip Weise entwenden kann, müßte sonst Mittäter sein. Das wäre eine ganz ver-
der Arbeitsteilung ist objektiver Natur; das gilt wenigstens dann, wenn kehrte Auffassung von Tatherrschaft: Denn den Diebstahl, der im straf-
man den, der die Rolle des Vorbereitenden ausfüllt, unabhängig von seiner rechtlichen Sinne die Tat ausmacht, verwirklicht der Handelnde frei und
inneren Einstellung zum Geschehen als Täter ansieht.
ganz allein.
Einer derartigen Lehre läßt sich aber mehreres entgegenhalten: Daß seine Durchführung, wie jedes Geschehen in der Welt, von unendlich
1. Mit dem Tatherrschaftsgedanken ist sie keinesfalls zu vereinbaren. vielen Voraussetzungen abhing, ändert daran nichts. Wollte man anderer
16
Vgl. S. 293 18
Vgl. schon oben S. 52 mit Nachweisen.
17
BGHSt 14, S. 128/29, s. o. S. 294 19
Vgl. oben S. 38-41
302 303

Meinung sein, so müßte man logischerweise bei jedem Delikt die Ursachen- Fällen ist es nicht schwierig zu erkennen, ob es sich um eine Mitwirkung
kette immer weiter zurückverfolgen und noch die entferntesten Bedingun- bei der Ausführung handelt: Wenn einer der Räuber den Wohnungsinhaber
gen in den Bereich der Tatherrschaft einbeziehen. Das wäre ein absurdes mit der Pistole in Schach hält, während der andere die Wertsachen an sich
Ergebnis und würde unserem methodischen Leitprinzip, wonach der Täter rafft; wenn bei einer Körperverletzung einer das Opfer zu Boden drückt,
die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens sein muß, stracks während der andere auf den Liegenden einschlägt, so haben wir eine Beteili-
zuwiderlaufen. gung vor uns, die ohne Zweifel gleichzeitig mit der Tatbestandshandlung
Es bleibt also dabei: Der Gedanke der Arbeitsteilung trifft das Wesen der erfolgt und nach den oben entwickelten Kriterien eine Mittäterschaft be-
Mittäterschaft nur dann, wenn man ihn auf das Ausführungsstadium be- gründet.
schränkt. Hier allein verschafft das Ineinandergreifen der Einzelakte den Es gibt aber Situationen, bei denen eine starr auf den zeitlichen Ablauf
Beteiligten die Mitherrschaft über das tatbestandliche Geschehen. blickende Betrachtungsweise in Zweifel geraten könnte: Wenn ein Räuber
2. Damit ist zunächst allerdings nur bewiesen, daß die Vorbereitung keine sein Opfer mit viel List und Tücke in einen Wald führt, wo hinter einem
Tatherrschaft vermitteln kann. Das Prinzip der Arbeitsteilung als das in Baum sein Komplize lauert, um den Ahnungslosen niederzuschlagen; wenn
jedem Stadium der Deliktsverwirklichung maßgebende Kriterium der Mit- ein Brandstifter am Tatort das Petroleum entzündet, das sein Genösse gerade
täterschaft wäre damit noch nicht widerlegt, wenn man um seinetwillen die in die Scheune des Bauern geschüttet hat, so könnte man sagen, in beiden
Tatherrschaftslehre für unrichtig erklären wollte. Fällen habe die Mitwirkung unmittelbar vor der Tatbestandsverwirklichung,
Aber eine sinnvolle Begründung dafür, daß jede noch so entfernte und also vor der Gewaltanwendung und vor dem Inbrandsetzen, ihr Ende ge-
geringfügige Form arbeitsteiliger Mitwirkung unabhängig von aller Herr- funden, es sei also eine Beteiligung vor und nicht bei der Ausführung an-
schaft über das Geschehen zur Mittäterschaft führen müsse, gibt es nicht. zunehmen.
Die Ergebnisse wären untragbar und würden den Bereich der Teilnahme Eine solche Beurteilung wäre jedoch nicht angemessen. Eine mathe-
noch wesentlich weiter einschränken als es unter der Rechtsprechung des matisch exakte Grenzziehung, die in unserem Falle gewissermaßen mit der
Reichsgerichts der Fall war: Danach konnte zwar - wie es auch jetzt noch
Stoppuhr vorzunehmen wäre, widerspricht dem Wesen rechtlicher Sinn-
der B G H vertritt 20 - die unbedeutendste vorbereitende Mitwirkung für die
zusammenhänge. Vorgänge, die, wie die Hinführung des Opfers nach dem
Täterschaft genügen, doch mußte wenigstens noch der „Täterwille" hinzu-
Tatort oder das Ausschütten des Petroleums, mit der Tatbestandshandlung
kommen. Wenn man auch dieses Erfordernis streicht, würde praktisch von
in unlöslicher Verbindung stehen und an die sich der letzte Akt des Ge-
der Beihilfe nichts mehr übrig bleiben, weil jegliche Unterstützung, da sie
dem Täter sein Werk erleichtert, als Erscheinungsform arbeitsteiligen Zu- schehens nahtlos anschließt, stellen sich der rechtlichen Betrachtung als
sammenwirkens verstanden werden kann. geschlossene Bedeutungseinheit dar, deren Zerreißung willkürlich und sinn-
zerstörend wirken würde und die deshalb dem Ausführungsstadium zu-
Vor allem würde eine derartige Auffassung auch eindeutig gegen das
zuordnen sind.
Gesetz verstoßen. Denn nach § 49 StGB ist Gehilfe, wer dem Täter „durch
Der Verwirklichungsabschnitt und damit der Bereich möglicher Mittäter-
Rat oder Tat ... Hilfe geleistet hat". Man könnte also auch hier nur ver-
schaft ist also über die formale Tatbestandserfüllung hinaus auf alle Ver-
suchen, einzelne, durch besondere Umstände herausgehobene Fälle arbeits-
teiliger Vorbereitung für die Mittäterschaft in Anspruch zu nehmen. Aber haltensweisen auszudehnen, die zusammen mit ihr als Bestandteile desselben
damit wäre das Prinzip schon preisgegeben; ganz abgesehen davon, daß eine untrennbaren Handlungskomplexes erscheinen. Wann diese Voraussetzun-
Methode für die Unterscheidung wichtiger und unwichtiger Vorbereitungs- gen im einzelnen gegeben sind, läßt sich durch eine naturwissenschaftlicher
handlungen bisher nicht gefunden worden ist. Die einzige in der Dogmen- Messung zugängliche abstrakte Formel nicht festlegen. Das ist kein Mangel,
geschichte bisher vertretene Lehre dieser Art, die Notwendigkeitstheorie, sondern liegt in der Natur rechtlicher Sinngebilde, die der Quantifizierung
liefert, wie mehrfach dargelegt wurde, außerhalb des Verwirklichungs- widerstreben und deren Grenzen immer fließend sind. Wo das Recht mit
stadiums keine brauchbaren Ergebnisse. exakten Zahlen und Maßen arbeitet, wie bei der Fixierung der Volljährig-
keitsgrenze oder des strafrechtlichen Schutzalters (§,176 Abs. 1 Ziff. 3 StGB),
handelt es sich vom Standpunkt der materiellen Gerechtigkeit aus stets um
VI. Die Abgrenzung von Vorbereitung und Ausführung willkürliche Zäsuren, deren Notwendigkeit sich allein aus dem Gebot der
Rechtssicherheit ergibt.
Nach der Lösung, zu der unsere Untersuchung gekommen ist, ist es für Wenn jedoch Ordnungsgesichtspunkte nicht zu einer die Bedeutung der
die Tatherrschaftslehre von wesentlicher Bedeutung, Vorbereitungs- und konkreten Lebenserscheinungen außer acht lassenden Schematik zwingen -
Ausführungsstadium gegeneinander abzugrenzen. In den gewöhnlichen und eine solche Nötigung besteht nur im Rahmen des rechtsgeschäftlichen
Verkehrs und im Bereich des nulla-poena-Satzes - dann müssen „schnei-
Vgl. die Angaben auf S. 294
dige" Abgrenzungen zu sinnwidrigen Ergebnissen führen. Nicht zuletzt
darin liegt der Grund für die Unzulänglichkeit der formal-objektiven
304 305

Theorie und der verschiedenen Kausallehren in ihrer Anwendung auf die fehlt wäre es dagegen gewesen, einen unbestimmten Begriff wie etwa den der
Teilnahmeformen. Außerdem ist es nicht so, daß die Abschichtung von Aus- „Gefährdung" in den Mittelpunkt der Abgrenzung zu stellen. Das hätte eine
führungs- und Vorbereitungsstadium nach der Sinneinheit des individuellen Abdankung des Gesetzgebers bedeutet, der den Richter ohne Orientierung
Lebensvorganges zu Unklarheiten führen könnte, die eine saubere Trennung gelassen und die^ ganze Materie weitgehender Rechtsunsicherheit ausgeliefert
von Täterschaft und Teilnahme gefährden würde. Wir können uns vielmehr hätte. Da ein solcher Irrweg auf diesem Gebiet nach dem Vorbilde Franks
auf methodisch und sachlich zuverlässige Hilfsmittel stützen. Dann ergibt erfreulicherweise vermieden worden ist, ist denn auch in dieser schwierigen
sich folgendes: Frage heute eine so weitgehende Einigkeit erzielt worden, wie sie leider bei
Sicher ist zunächst, daß man vor dem umfassenden Bereich eindeutig der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht im entferntesten be-
meßbarer Gleichzeitigkeit eine schmale Randzone für den Fall einer mög- steht.
lichen Mitherrschaft offenhalten muß. Unseren früheren Erörterungen über Jedenfalls können wir uns die bei der Abgrenzung von Vorbereitungs-
die Erfordernisse rechtlicher Begriffsbildung läßt sich entnehmen, daß in handlung und Versuch in jahrzehntelangem Bemühen herausgearbeiteten
solchen Grenzbezirken die Verwendung eines unbestimmten Begriffes, und Gesichtspunkte zunutzemachen und feststellen: Was für die natürliche Auf-
zwar in Gestalt eines regulativen Prinzips, die angemessene Lösung bietet 21 . fassung als zur Tatbestandshandlung untrennbar hinzugehörig erscheint, was
Im vorliegenden Fall empfiehlt es sich zu sagen, daß für eine Tatherrschaft einen notwendigen Bestandteil des Verwirklichungsaktes bildet, was un-
zwar nicht eine Beteiligung im Vorbereitungsstadium, wohl aber eine Mit- mittelbar damit zusammenhängt, das gehört auch im Sinne der Tatherr-
wirkung bei oder in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tatbestands- schaftslehre zum Stadium der Ausführung und kann nicht mehr als vor-
handlung in Frage komme. bereitende Tätigkeit angesehen werden. Hier liegt also immer dann eine
Diese Erweiterung auf den unmittelbaren Zusammenhang läßt genug Mittäterschaft vor, wenn der Tatbeitrag sich im Rahmen des einheitlichen
Raum für die richterliche Würdigung individueller Grenzfälle. Der Begriff Handlungskomplexes als funktionell bedeutsam erweist.
der Unmittelbarkeit nimmt - was in diesem Bereich auch gerade erstrebt Damit stützt sich die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe auf ein
wird - nicht auf festgeformte Vorgegebenheiten Bezug, macht aber anderer- klares Prinzip, das dem Richter anwendbare und typisierte Kriterien zur
seits deutlich, daß der Bereich des zum Ausführungsstadium Gehörenden Verfügung stellt, ohne den Sinn der konkreten Lebensvorgänge durch
nicht beliebig hinausgeschoben werden darf, sondern sich in unmittelbarer abstrakte Formeln zu vergewaltigen und den Richter bei der Würdigung des
Nähe des im meßbaren Sinne Gleichzeitigen halten muß. individuellen Falles ungebührlich einzuengen.
Ein Parallelbeispiel für das hier vorgeschlagene Verfahren bildet die in
Wissenschaft und Praxis gehandhabte Art der Abgrenzung von Vorberei-
tungshandlung und Versuch. Auch hier hat sich eine Regelung als zu starr
erwiesen, mit Hilfe derer man ehedem versuchte, den Anfang der Aus-
führung in begrifflich-abstrakter Weise auf die Verwirklichung eines Tat-
bestandsmerkmals festzulegen 22 . Die berühmte Franksche Formel, die den
Anfang der Ausführung auf die Tätigkeitsakte erweitert hat, „die vermöge
ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tatbestandshandlung für
die natürliche Auffassung als deren Bestandteil erscheinen" 23 und die in
diesem Zusammenhang gleichbedeutende individuell-objektive Theorie 24 ,
die das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandshandlung als Merkmal der
Abgrenzung verwendet 25 , haben das hier liegende Problem in methodisch
vorbildlicher Weise gelöst: Sie legen um den Kern der begrifflich-exakt
umschreibbaren Tatbestandsverwirklichung einen schmalen Randbezirk, der
durch Anwendung eines regulativen Prinzips - wie es in den Kriterien der
„Unmittelbarkeit" und der „Zusammengehörigkeit für die natürliche Auf-
fassung" steckt - der richterlichen Würdigung des Einzelfalles den notwen-
digen, aber richtigerweise eng bemessenen Raum gewährt. Methodisch ver-
21
Vgl. dazu oben S. 115/116, 117/118
22
Vgl. dazu H e n k e l , Recht u n d Individualität, S. 61 f.
23
Frank, 18. Aufl., § 43, II, 2, b
24
Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 169
25
B G H S t 7, 291 ff. b e n u t z t beide F o r m u l i e r u n g e n nebeneinander.
307

4. die systematische Bedeutung der Tatherrschaft. Dabei sind wieder


mehrere Probleme zu klären: Ist die Tatherrschaft ein Tatbestandsmerkmal,
ein außerhalb des Tatbestandes stehendes Unrechtselement oder ein Bestand-
teil der Schuld? Gehört sie vielleicht gleichermaßen in die Bereiche von Tat-
bestand, Unrecht und Schuld? Oder haben wir eine neben dem gegliederten
Strafrechtssystem stehende „besondere Erscheinungsform des Verbrechens"
vor uns? (dazu unten § 32).
Alle diese Fragen haben im Laufe unserer Untersuchung schon mehrfach
Achtes Kapitel eine Rolle gespielt. Wir können darum von den dort erarbeiteten Lösungen
jetzt ohne weitere Begründung ausgehen und uns damit begnügen, die unter-
Tatherrschaft und gegenwärtiger Meinungsstand schiedlichen Lehrmeinungen an ihnen zu messen.

Wir wissen jetzt, was Tatherrschaft ist. Jemand ist Täter


a) wenn er in eigener Person die Tatbestandshandlung verwirklicht § 29. Die inhaltliche Bestimmung des Tatherrschaftsbegriffs
(Handlungsherrschaft);
b) wenn er die Tat durch einen anderen ausführen läßt, dessen Wille nach Da die Einzelfragen bereits abschließend erörtert sind, bedarf es einer
rechtlichen Maßstäben unfrei ist, der den objektiven Handlungssinn seines kritischen Würdigung der in Wissenschaft und Praxis auftretenden Tat-
Verhaltens nicht oder in geringerem Maße erfaßt als der Hintermann oder herrschaftsformeln nur insoweit, als sie dazu dienen, den Gesamtinhalt des
der im Rahmen organisatorischer Machtapparate beliebig austauschbar ist Begriffes zu umreißen.
(Willensherrschaft); Die wichtigsten dieser Kriterien sind: Die „Herrschaft" des Täters in dem
c) wenn er im Ausführungsstadium einen funktionell bedeutsamen Tat- Sinne, „daß Hergang und Erfolg der Tat maßgeblich auch von seinem Willen
beitrag leistet (funktionelle Tatherrschaft). abhängen" (I); der sehr ähnliche, aber damit nicht identische Gesichtspunkt,
Wir haben auch die Beschreibung, aus der sich die vorstehend zusammen- daß der Täter die Tat „in den Händen halte" und die Tatbestandsverwirk-
gefaßten Grundlinien unseres Tatherrschaftsbegriffs ergaben, vollständig lichung „je nach seinem Verhalten ablaufen lassen, hemmen oder abbrechen"
durchgeführt. Damit sind alle Voraussetzungen geschaffen, die für eine könne (II); das davon wieder etwas abweichende Kriterium, daß der Täter
kritische Beurteilung des gegenwärtigen Standes der Tatherrschaftslehre er- der Sachlage „durch sein Eingreifen die entscheidende Wendung geben"
forderlich sind. Diese anfangs 1 gestellte Aufgabe ist sogar schon zu einem könne (III); der von Niese eingeführte Begriff der Tatmacht (IV); Bockel-
guten Teil gelöst; denn wir haben unsere Ergebnisse in ständiger Auseinan- manns objektiv modifiziertes Merkmal der Willensunterordnung (V); und
dersetzung mit allen abweichenden Ansichten entwickelt. Deshalb bedarf es schließlich der vielfach benutzte, ins Subjektive gewendete Begriff des „Tat-
jetzt keiner Erörterung der Einzelheiten mehr, und wir können uns darauf herrschaftswillens" oder des „Urhebergefühls" (VI).
beschränken, zum Tatherrschaftsbegriff als ganzem, so wie er sich in seinen
verschiedenartigen Ausprägungen nach moderner Lehre darbietet, Stellung
zu nehmen. I. Der maßgebende Einfluß auf Hergang und Erfolg der Tat
Strittig und zweifelhaft ist im wesentlichen viererlei:
1. Die inhaltliche Bestimmung des Tatherrschaftsbegriffes (dazu unten Es handelt sich hier um das Abgrenzungskriterium, das in der Rechtspre-
§29); chung des Bundesgerichtshofs, soweit er den Tatherrschaftsgedanken ver-
2. die rechtstheoretische Struktur der Tatherrschaft, die Frage also, ob es wendet, die dominierende Rolle spielt. Die Formel findet sich zum ersten-
sich um einen ontologischen oder teleologischen, einen deskriptiven oder mal in einer Entscheidung des 5. Senats vom 15. (f. 1954 l , wo es heißt:
einen normativen Begriff handelt (dazu unten § 30); „Mittäter ist nur, wer eine so starke innere Beziehung zum Hergang
3. die dogmenhistorische Stellung der Tatherrschaftslehre. Hier geht es und Erfolg der Tat hat, daß beide maßgeblich mit von seinem Willen abhän-
hauptsächlich um die Frage, ob es sich bei ihr nur um eine Abwandlung gen". Geringfügig variiert tritt dieser Gedanke in einem Urteil desselben
früher schon vertretener - welcher? - Auffassungen handelt, oder ob sie etwas Senats vom 17. 5. 195 5 wieder auf2. Dort wird festgestellt, für die Ermitt-
Selbständiges und Neues darstellt und worin es besteht (dazu unten § 31); lung der Täterschaft sei es „ein wesentlicher Anhaltspunkt, wie weit der
Beteiligte den Geschehensablauf mitbeherrscht, so daß Hergang und Erfolg

1
mitgeteilt von Herlan, MDR 1954, S. 529/30; vgl. im einzelnen oben S. 92 Nr. 5
S. 107/108 2
JR 1955, S. 304-305; im einzelnen oben s. 93 Nr. 6
309
308

der Tat maßgeblich auch von seinem Willen abhängen". Die „innere Be- Eine solche Anwendung müßte das vom B G H gewählte Unterscheidungs-
ziehung" zur Tat, von der im ersten Fall noch die Rede war, ist also jetzt merkmal ad absurdum führen. Daher würde die oben vorgeschlagene
durch die „Mitbeherrschung des Geschehensablaufes" ersetzt worden. In Umformulierung, die solchen Mißverständnissen nicht ausgesetzt ist, der
dieser Ausprägung wird der Gedanke, nahezu wörtlich wiederholt, auch Sache besser gerecht werden.
später in den wichtigen Entscheidungen des 5. Senats vom 10. 1. 1956 3 und Der B G H selbst ist in dem ersten der vier Urteile, die sich der genannten
5. 7. i960 4 , des 2. Senats vom 6. 7. 1956 5 und des 4. Senats vom 3. 2. i960 6 Wendung zur Begründung der Mittäterschaft bedienen (oben Nr. 5), denn
verwendet. auch nicht ganz der Gefahr entgangen, die Beurteilungskriterien ins Sub-
Die Formel dient vorwiegend zur Bestimmung der Mittäterschaft (oben jektive zu verschieben. Über den Tathergang erfahren wir dort nur, daß der
Nr. 5, 6, 10, 16), wird aber auch zur Kennzeichnung des allgemeinen Täter- Angeklagte „mit seinem Arbeitgeber Vieh gestohlen und in das Schlacht-
begriffs benutzt (oben Nr. 12, 17). Zu den beiden letzten Urteilen, die das haus seines Arbeitgebers verbracht hatte". Welche Rolle er bei der Durch-
Akzessorietätsproblem und die Unterlassungstäterschaft betreffen, kann führung im einzelnen gespielt hat, sagt das Urteil nicht, obwohl es darauf
allerdings erst später Stellung genommen werden 7 . Der B G H will in allen entscheidend angekommen wäre. Stattdessen will der B G H vom Unter-
Fällen das genannte Kriterium nur als Indiz für die Ermittlung der von ihm gericht besonders geprüft wissen, ob der Angeklagte dem Arbeitgeber „ganz
für entscheidend gehaltenen „inneren Willensrichtung" gelten lassen; es läßt die Entscheidung überlassen" hatte, ob dieser das „Hauptinteresse an der
sich jedoch ebenso gut ohne diesen Umweg als selbständiges Abgrenzungs- Tat" besaß und „ob die soziale Überlegenheit, das höhere Alter und die
merkmal verstehen. kriminelle Verfehlung des Arbeitgebers maßgebende Bedeutung hatten". Das
Tatsächlich enthält die Wendung sehr viel Treffendes. Vor allem zur Ver- alles sind Umstände, die für die Strafzumessung sehr wichtig sind. Auf die
deutlichung der Mittäterschaft leistet sie recht brauchbare Dienste. Wollte Mittäterschaft des Arbeitnehmers haben sie aber keinen Einfluß. Wenn
man den Gedanken ein wenig anders formulieren und etwa sagen, Mittäter der Angeklagte (wie man hier annehmen muß) die Zueignungsabsicht besaß,
sei jemand, wenn Hergang und Erfolg der Tat maßgeblich auch von seinem und wenn er ferner, ohne genötigt zu sein, Vieh weggenommen hat oder
V e r h a l t e n abhingen, so würde das genau der oben entwickelten Auffassung dabei eine unentbehrliche Funktion ausübte, so war er auf jeden Fall Mit-
von der funktionsbedingten Abhängigkeit der Beteiligten entsprechen. Wenn träger der Tatherrschaft. Seine vielleicht geringere Strafwürdigkeit ändert
der B G H in seinem Bestreben, sich an die subjektive Theorie anzulehnen, daran nichts. 10
von einer Willens- anstatt von einer Verhaltensabhängigkeit redet, so braucht Auch ein zweites mit dieser Formel arbeitendes Mittäterschaftsurteil ist
das nicht einmal unrichtig zu sein. Denn da das Verhalten willensgesteuert unrichtig (oben Nr. 16), aber in entgegengesetztem Sinne. Der Sachverhalt ist
ist, hat der Wille des einzelnen Beteiligten hier wirklich entscheidenden Ein- hier allerdings nur insoweit klar, als der Angeklagte wegen einer vorbereiten-
fluß. Aber der Wille ist das Sekundäre: Er wird nur deshalb machtig, weil der den Handlung als Mittäter bestraft worden ist. Warum das - auch ohne
Handelnde eine bestimmte objektiv bedeutsame Funktion bei der Tat- Kenntnis der Einzelheiten des Geschehens - für falsch erklärt werden muß,
bestandsverwirklichung erfüllt; ohne sie würde der Willenseinfluß zur Be- ist oben dargelegt worden. Der nur Vorbereitende mag zwar einen Willens-
gründung der Mittäterschaft nicht ausreichen, wie oben schon dargelegt einfluß auf den Handelnden ausüben, so daß man in einem sehr allgemeinen
wurde. Sinne sagen kann, die Durchführung der Tat habe „auch von seinem Willen"
Läßt man diesen Zusammenhang außer acht, so kann die Formel des abgehangen. Aber für eine Mittäterschaft reicht das nicht aus. Auch in dieser
BGH zu unrichtigen Ergebnissen führen. Dann gilt der Einwand Nowa- wichtigen Frage erweist sich das Kriterium des Bundesgerichtshofs demnach
kowskis, der das Kriterium als „nicht sehr glücklich" 8 ansieht und dagegen- als zu subjektiv und ungenau.
hält 9 : „Wer dem Ausführenden ein unentbehrliches Werkzeug zur Ver- Die beiden anderen einschlägigen Urteile kommen zur richtigen Lösung.
fügung stellt und die Tat durch erfahrenen Rat entscheidend lenkt, bleibt Aber auch hier wirkt die subjektive Färbung der Formel mißverständlich.
doch Gehilfe ...". Ganz richtig: Denn der Handelnde ist in diesem Fall bei In dem der zweiten Entscheidung (oben Nr. 6) zugrundeliegenden Fall
der Ausführung nicht mehr vom Hintermann abhängig. Auch vom Anstifter hatten die Angeklagten Blei an einen Abnehmer verkauft, der das Metall -
kann man ja, wenn der Täter sich nach ihm richtet, oft sagen, daß Hergang womit sie von vornherein gerechnet hatten - ohne Genehmigung in den
und Erfolg der Tat maßgeblich mit von seinem Willen abhängen. Sowjetsektor von Berlin schaffte. Der B G H lehnt es ab, die Angeklagten
als Mittäter des Devisenverstoßes anzusehen und begründet das ganz
3
BGHSt 8, 393-399 (396); vgl. oben S. 96 Nr. 10 richtig damit, daß sie nach dem Verkauf „auf den weiteren Lauf der Dinge ...
4
BGH, MDR 1960, S. 939-940; vgl. oben S. 103 Nr. 17 keinen Einfluß" hatten. Es ist dies der typische Fall einer Mitwirkung im
5
6
BGHSt 9, 370-385 (380); vgl. oben S. 99 Nr. 12 Vorbereitungsstadium. Wenn der B G H aber weiter ausführt, es sei nicht fest-
BGHSt 14, 123-132 (129); vgl. oben S. 102 Nr. 16
7
Vgl. S. 365ff., 51 Off.
8
JZ1956,S. 547 Über die verwirrende Rolle des Strafwürdigkeitsprinzips bei der Abgrenzung von
9
a. a. O., S. 548 Täterschaft und Teilnahme grundsätzlich oben S. 30/31
310 311

gestellt, daß die Angeklagten an einer Veräußerung in den Sowjetsektor Schaftsbegriffs im allgemeinen 13 und zur näheren Bestimmung der Mittäter-
interessiert waren oder nähere Vorstellungen über das Geschäft hatten, so schaft im besonderen 14 .
sind diese subjektiven Umstände nach der hier vertretenen Auffassung un- Wenn wir uns zunächst auf diese letzte Erscheinungsform der Täterschaft
erheblich. Selbst wenn sie das Geschäft gekannt und den Abnehmer aus beschränken, so^ist Maurachs Kriterium dem oben entwickelten Merkmal
eigennützigen Gründen sogar dazu aufgefordert hätten, könnten sie hin- der „funktionellen" Tatherrschaft nahe verwandt 15 . Sein erläuternder Zusatz,
sichtlich der ungenehmigten Entfernung des Metalls doch immer nur als die Mittäterschaft sei eine „arbeitsteilende Anstrebung eines Erfolges
Anstifter angesehen werden; denn die Herrschaft über das Geschehen hätten derart, daß jeder der Mitwirkenden, ohne zum bloßen Werkzeug des anderen
sie dadurch nicht erlangt. herabzusinken ..., Inhaber der Tatherrschaft bleibt", und die ausdrückliche
In dem bekannten Fall des hörigen Hausfreundes schließlich (oben Nr. 10) Hervorhebung, daß es sich um ein - wenn auch vom Vorsatz getragenes -
wirkt es zumindest irreführend, daß der B G H sich gleich darauf beruft, „Erfordernis ... objektiver Art" handele 14 , entsprechen durchaus der hier
jemand sei Täter, wenn das Geschehen „maßgeblich auch von seinem Wil- vertretenen Meinung.
len" abhänge. Versteht man das nämlich im Sinne der Dolustheorie, wie man Allerdings bedarf die Wendung auch in einigen von Maurach nicht her-
es bei dem subjektiven Ausgangspunkt des Urteils annehmen sollte, so hätte vorgehobenen Punkten, noch der Interpretation. Nicht jeder einzelne kann
der Angeklagte, der sich der Frau völlig untergeordnet hatte, nicht als Täter die Tat „nach seinem Willen" ablaufen lassen - diese Meinung könnte zu
betrachtet werden dürfen. In der Absicht, dieses Ergebnis zu vermeiden, einer Umdeutung der Mittäterschaft in eine mittelbare Täterschaft führen - ,
greift der B G H dann am Ende des Urteils unter stillschweigender Preisgabe sondern das können nur alle zusammen kraft ihres gemeinschaftlichen
des subjektiven Ansatzes auf die für die Tatherrschaft entscheidenden Willens.
Kriterien zurück: Er beruft sich darauf, daß der Angeklagte das Opfer Und auch der sehr treffende Gedanke der Hemmungsmacht, die Erkennt-
„eigenhändig ... erschlagen" hat und daß ohne ihn die Tat „nicht in der nis also, daß jeder Mittäter die Verwirklichung des Gesamterfolges unter-
vorgesehenen Art geschehen" 11 konnte, womit die Voraussetzungen der binden kann, ist, wie gleich an einem praktischen Beispiel zu zeigen sein
Handlungsherrschaft und der funktionellen Tatherrschaft, die beide vor- wird, leicht falsch zu verstehen. Er bedeutet nämlich, jedenfalls wenn man
liegen, richtig umschrieben sind. Wenn dann hinzugefügt wird, daß der ihn im Sinne des hier zugrundegelegten Täterbegriffes auffaßt, zweierlei
Angeklagte infolge dieser Umstände auf die Tat „ b e w u ß t e r m a ß e n einen nicht:
entscheidenden Einfluß ... hatte", so ist das in diesem Zusammenhang nicht E r s t e n s soll damit nicht gesagt werden, daß ein Mittäter über den Willen
zu beanstanden 12 . des anderen die Herrschaft hat, so daß er ihm den jederzeitigen Abbruch der
Die Formel des Bundesgerichtshofs läßt sich über den Bereich der Mit- Tat befehlen kann - das würde wieder auf die mittelbare Täterschaft zu-
täterschaft hinaus auch zur Kennzeichnung der Alleintäterschaft und der rückführen und würde auch dem Verhältnis der Beteiligten untereinander
mittelbaren Täterschaft verwenden. Aber hier ist sie, wie das bei einer nicht gerecht. Und z w e i t e n s ist nicht gemeint, daß jeder Mittäter durch
solchen schlagwortartigen Prägung auch nicht anders sein kann, zu unprä- aktiv hinderndes Eingreifen die Tat vereiteln könnte; denn das kann meist
zise. Denn der allein Handelnde ist weniger wegen seines Willens als wegen auch der Gehilfe oder Anstifter, z. B. durch eine Benachrichtigung der
seines Tuns Täter; und beim mittelbaren Täter trifft es zwar zu, daß Hergang Polizei.
und Erfolg der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen; aber wann das Der recht verstandene Sinn dieses Begriffes kann vielmehr nur der sein,
der Fall ist, läßt sich in zureichender Weise nicht durch eine solche Formel, daß die dem Mittäter zufallende Handlungsfunktion ihm eine notwendige
sondern nur durch eine Analyse und Beschreibung der Erscheinungsformen Rolle bei der Ausführung zuweist; derart, daß er allein durch sein Aus-
mittelbarer Täterschaft erfassen. scheiden (unabhängig von jeder Willensmacht über die anderen und ohne
alle Hinderungsaktivität) den Plan zum Scheitern bringen kann.
Den gekennzeichneten Mißverständnissen ist der Bundesgerichtshof in
IL Das Ablaufs- und Hemmungsvermögen dem einzigen Fall erlegen, bei dem er sich zur Bestimmung der Tatherr-
schaft auf die Begründung Maurachs berufen hat. Es handelt sich dabei um
Der Gedanke, daß der Tatherr das Geschehen nach seinem Willen ablau- den schon mehrfach erwähnten Sachverhalt, bei dem von drei fliehenden
fen lassen oder hemmen könne, findet sich nur bei Maurach und ist im Einbrechern einer abredegemäß mit Tötungsvorsatz auf einen vermeint-
übrigen von den Vertretern der Tatherrschaftslehre nicht aufgenommen lichen Verfolger geschossen hatte, der in Wirklichkeit sein Komplize war 16 .
worden. Maurach bedient sich der Formel zur Kennzeichnung des Tatherr-
13
A.T., 2. Aufl., § 47 III, B, 2 S. 492
14
11
A.T., 2. Aufl., § 49 II, C, 2 S. S. 517
Vgl. BGHSt 8, 398 15
siehe schon oben S. 280
12
Zur Bedeutung dieses Urteils vgl. auch schon oben S. 96-98 16
oben S. 100/101 ff., Nr. 14; BGHSt 11, 268-272
312 313

Wenn der B G H hier dem fast getöteten Fluchtgenossen die Tatherrschaft am man denke nur an das irrende Werkzeug, das der Hintermann aus der Hand
Mordversuch mit der Erwägung zuspricht, daß er bei der räumlichen Nähe gibt und das von nun an seiner Einflußsphäre entrückt ist! Hier ist auch
der beiden anderen deren Tun jederzeit hätte steuern und sie auffordern Maurach auf eine Beschreibung angewiesen, die allein dem Wesen des Tat-
können, dieses Mal entgegen der Abrede nicht auf Verfolger zu schießen, so herrschaftsbegriffs gerecht werden kann. Wie weit sie mit der hier vertrete-
wird das dem Gedanken der Hemmungsmacht und damit einem richtig ver- nen Auffassung übereinstimmt, ist oben jeweils gezeigt worden.
standenen Herrschaftsbegriff nicht gerecht 17 .
Denn eine solche Aufforderung hätte ihm keine Macht über die Ent-
schlüsse der anderen gegeben. Es ist sehr zweifelhaft, ob sie in ihrer Situation III. Die Möglichkeit, dem Geschehen
einem derartigen abredewidrigen Ansinnen gefolgt wären; und wenn sie es die entscheidende Wendung zu geben
getan hätten, so wäre das jedenfalls auf Grund ihres freien Entschlusses
geschehen. Außerdem ist es ohnehin nicht sinnvoll, die Annahme einer Mit- Das Kriterium der Wendungs- oder Eingriffsmöglichkeit, wie man kurz
täterschaft davon abhängig zu machen, ob noch Zeit für Zwischenrufe blieb; sagen könnte, hat der Bundesgerichtshof bisher nur bei Unterlassungsdelik-
abgesehen davon, daß im konkreten Fall nach der Vorstellung des fliehenden ten benutzt.
Opfers kein Anlaß dazu bestand, weil in Wirklichkeit ein Verfolger nicht So heißt es schon in einer sehr frühen Entscheidung 20 , regelmäßig habe
vorhanden war und der gefährdete Diebsgenosse natürlich nicht wissen der Hilfspflichtige die Herrschaft über die Sachlage und könne ihr „durch
konnte, daß sein Komplize infolge einer Verwechselung auf ihn schießen sein Eingreifen die entscheidende Wendung geben". Dabei soll diese Mög-
werde. Und wenn der B G H etwa die von ihm berufene „jederzeitige Steue- lichkeit - wenn ich den B G H richtig verstehe - das entscheidende Kriterium
rungsmacht" daraus herleiten wollte, daß jeder infolge seiner „räumlichen der Tatherrschaft bilden; ein anderes wird jedenfalls nicht angeführt. Und ein
Nähe" dem anderen hätte in den „Arm fallen können, so hätte auch eine neueres Urteil 21 sagt in ganz ähnlicher Weise über die Angeklagte, es habe
solche Möglichkeit - soweit sie überhaupt gegeben war - nicht die Annahme von ihrem Willen abgehangen, ob der andere „infolge ihres Untätigbleibens
einer Tatherrschaft begründen können, weil dasselbe auch für einen zufällig sterben oder sein Tod durch ihr Eingreifen verhindert würde. Dieses Tat-
des Weges kommenden Passanten gälte, der deshalb doch nicht Mittäter geschehen beherrschte sie ganz allein".
wäre. Die Problematik der Unterlassungsdelikte soll hier noch unerörtert
Allerdings hätte in dem zur Entscheidung stehenden Fall - wenn wir von bleiben. Für Begehungstaten ist der in den beiden Urteilen formulierte
dem hinzutretenden Sonderproblem des error in persona einmal absehen 18 - Gesichtspunkt jedenfalls nicht verwendbar. Zur Begründung kann ich auf
wirklich eine Mittäterschaft vorgelegen; aber nur deshalb, weil der Tatplan so das verweisen, was oben über Maurachs Formel von der jederzeitigen Hem-
angelegt war, daß einer den anderen decken und gegebenenfalls die allen mungsmöglichkeit und die darauf beruhende BGH-Entscheidung gesagt
drohende Gefahr von seiner Fluchtposition aus abwehren sollte. Die Sicher- wurde: Es kommt nicht darauf an, ob jemand durch aktiv hinderndes
heit aller beruhte also darauf, daß jeder einzelne die ihm nach der jeweiligen Eingreifen den Erfolg hätte unterbinden können, sondern umgekehrt darauf,
Lage zufallende Funktion erfüllte. N u r in einem von der Begründung des ob sein Untätigbleiben das abrollende Geschehen zum Stillstand gebracht
BGH ganz abweichenden Sinne darf daher hier der Gedanke der Hem- oder entscheidend umgestaltet hätte.
mungsmacht verwendet werden; so nämlich, daß jeder, wenn er im Falle der
Verfolgung versagt und „pflichtwidrig" nicht geschossen hätte, den gesamten
Abwehrplan zerstört und die Flucht möglicherweise vereitelt hätte. O b diese IV. Die Tatmacht
Auffassung auch den Intentionen Maurachs gerecht wird, oder ob ich hier
seine Formel im Sinne des oben vertretenen funktionellen Tatherrschafts- Der Gedanke der Tatmacht, dessen sich Niese 22 zur Erklärung der Tatherr-
begriffs umgedeutet habe, mag dabei unentschieden bleiben. schaft bedient, stellt auf die physischen Fähigkeiten oder technischen Fertig-
Auf den allein Handelnden und den mittelbaren Täter paßt Maurachs keiten des einzelnen ab. Die Mutter, die „infolge der eben überstandenen
Formel nicht so gut. Denn beim Einzeltäter steht die Tatbestandsverwirk- Geburt" nicht die Kraft hat, das Kind selbst zu ertränken und deshalb ihre
lichung im Vordergrund, was auch Maurach durch Einführung einer Schwester darum bittet, und der Mann, der seinem Nachbarn die Fenster
„formellen" Tatherrschaft - die unserer Handlungsherrschaft entspricht einwerfen will und einen anderen dazu auffordert, „weil er selbst vom Zaun
anerkennt 19 ; und beim mittelbaren Täter braucht es keineswegs so zu sein, aus nicht bis an das Haus trifft" - sie können nach Niese nicht Täter sein,
daß er die Tat je nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann -

17 20
Schröder, JR 1958, S. 428, nennt die Begründung des BGH „abwegig". BGHSt 2, 156; oben S. 91 Nr. 3
18 21
Vgl. darüber oben S. 286/287 MDR 1960, S. 939/40; oben S. 103 Nr. 17
19 22
Vgl. A.T., 2. Aufl., § 49 II, C, 1 S. 516 DRiZ 1952, S. 23; näher oben S. 77/78
314 315

weil sie „der finalen Steuerung der Kausalität in der Außenwelt" nicht mäch- fend, als sie erkennt, daß der Teilnehmer das Geschehen vom Willen des
tig sind. Täters abhängig machen und ihm die Tat anheimstellen muß. Aber sie
Diese Erwägung trifft jedoch nicht den Kern der Sache. Die beiden Fälle stellt die wahren Verhältnisse auf den Kopf: Jemand ist nicht deshalb Teil-
sind zwar richtig entschieden 23 . Aber den Anstiftern fehlt nicht wegen ihrer nehmer, weil £i^ dem anderen die Ausführung der Tat anheimgestellt hat,
körperlichen Unfähigkeit zur eigenhändigen Begehung der Tat die Herr- sondern er muß umgekehrt dem anderen die Ausführung der Tat anheim-
schaft über das Geschehen. Auch wenn die Mutter schon wieder bei Kräften stellen, weil dieser die Herrschaft über das Geschehen hat. Die Willensunter-
und der Steinwurfsinitiator selbst ein sicherer Schütze wäre, könnten beide ordnung ist also nur die subjektive, innerpsychische Spiegelung der objek-
nur Anstifter sein, solange sie sich auf die Erregung des Tatentschlusses bei tiven Herrschaftsbeziehungen. Wenn jemand die Mitherrschaft im oben
anderen beschränkt haben. gekennzeichneten Sinne besitzt, kann ihn der Umstand, daß er es dem
Und umgekehrt: Die Unfähigkeit zur eigenhändigen Tatbestandsverwirk- anderen überlassen hatte, ob die Tat zur Ausführung kommen sollte, nicht
lichung schließt die Tatherrschaft keineswegs aus. Das gilt sowohl für die aus seiner Täterstellung befreien; ebensowenig wie umgekehrt sein fehlen-
mittelbare Täterschaft wie für die Mittäterschaft. Wenn jemand nicht in der der Unterordnungswille eine objektiv nicht bestehende Herrschaft ersetzen
Lage ist, eine Bombe mit Zeitzünder sachgerecht in ein Auto einzubauen kann.
und deshalb einen Monteur mit vorgehaltener Pistole dazu nötigt, so hat er Aus der Verkennung des sekundären Charakters der Willensunterordnung
gleichwohl die Tatherrschaft. Und wenn bei einem von mehreren Personen erwachsen die Schwierigkeiten, denen diese Lehre bei der praktischen
organisierten Bankeinbruch der Safe schließlich von einem Spezialisten ge- Anwendung durch den Bundesgerichtshof ausgesetzt ist. Sie zeigen sich in
öffnet wird, der dazu allein die Fähigkeit besitzt, so sind die anderen trotz- der mehrfach wiederkehrenden Betonung des Umstandes, daß die für die
dem Mittäter. Abgrenzung entscheidende Willensrichtung keine innere Tatsache sei,
Zutreffend bleibt aber die Erkenntnis, um die es Niese wohl auch im sondern eine wertende Beurteilung erfordere, für die es ein wesentlicher
Grunde geht: daß man nämlich der Herrschaft einen weitgehend „objektiven Anhaltspunkt sei, wie weit der Beteiligte den Geschehensablauf mitbe-
Charakter" zusprechen muß und daß der bloße Täter- oder Tatherrschafts- herrsche 28 . Hier stellt der B G H selbst in der richtigen Erkenntnis, daß es in
wille, die „innere Einstellung", zur Begründung der Täterschaft nicht aus- erster Linie auf die objektiven Herrschaftsverhältnisse ankommt, seine
reicht. „umgekehrte" Lehre unversehens wieder auf die Füße. Sein Irrtum liegt
nur darin, daß er meint, es handele sich dabei noch um eine subjektive Ab-
grenzung.
V. Die Willensunterordnung

Die Kriterien des „Anheimstellens", der „inneren Unterordnung" als Merk- VI. „Tatherrschaftswille" und „Urhebergefühl"
male der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sind schon in
verschiedenen Zusammenhängen behandelt worden 2 4 . Sie spielen in der Soweit sich hinter diesen beiden Begriffen Elemente der Dolustheorie ver-
Rechtsprechung 25 und im Schrifttum 26 immer noch eine sehr bedeutsame bergen, ist auf die vorhergehenden Ausführungen zu verweisen. Im übrigen
Rolle, weil sie dem Tatherrschaftsgedanken mit der Dolustheorie ver- gilt folgendes:
schmelzen und dadurch einen ohne äußeren Bruch vollziehbaren Anschluß
der subjektiven Theorie an die modernen Strömungen der Täterlehre ge-
statten 27 . 1. Der „Tatherrschaftswille"
Was zu dieser Auffassung im einzelnen zu bemerken war, bedarf keiner
Wiederholung. Hier genügt es, auf der Grundlage des entwickelten Tat- Dieser Begriff wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mehrmals
herrschaftsbegriffes das Facit zu ziehen. Danach stellen sich die Dinge so ausdrücklich als Merkmal zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
dar: verwendet 29 ; sachlich entspricht er den Kriterien des „Täterwillens" oder der
Die Dolustheorie ist auch als Tatherrschaftslehre insofern völlig zutref- maßgebenden „inneren Einstellung", die der B G H sonst in äußerlich gleich-
bleibender, wenn auch inhaltlich variierender Weise verwendet.
Freilich würde Lange sogar hier vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus eine
Im Schrifttum taucht die Formulierung schon in den Anfängen der Tat-
mittelbare Täterschaft des Außenstehenden annehmen, vgl. Kohlr./Lange, 42743. Aufl.,
vor § 47, I, 5, B, 2, f, S. 162; oben S. 75-77
Vgl. besonders S. 52-55 Vgl. Übersicht, S. 90ff.; zuerst Nr. 3, dann deutlich Nr. 6, 9, 10, 17
Dazu näher die Übersicht, S. 90 ff.; Nr. 1, 2, 4, 5, 7, 12, 15, 17, 18 Übersicht, oben S. 94, Nr. 7, S. 99, Nr. 13; ferner als „Wille zur Tatherrschaft" dort
Der führende Vertreter ist hier Bockelmann, vgl. oben S. 83/84 S. 101 Nr. 15 und das bei Schwarz/Dreher, 23. Aufl., vor § 47, 1, A genannte Urteil
Die Entwicklung ist im einzelnen oben S. 90ff. geschildert worden. v. 29. 5. 53, 1 StR 196/53
316 317

herrschaftslehre bei von Weber 30 auf; heute hat sie namentlich Baumann 31 ren mag: Jemand, der die objektiven und subjektiven Herrschaftskriterien in
wieder aufgenommen, aber auch Schröder 32 verwendet sie. seiner Person erfüllt, braucht nicht außerdem noch den Willen zur Herr-
Nach den früheren Erörterungen läßt sich dazu kurz folgendes sagen: schaft zu haben; er braucht nicht aus persönlichem Interesse zu handeln;
a) Von der Notwendigkeit eines Tatherrschaftswillens kann man mit er muß auch nicht die Tat als eigene wollen oder eine wie immer geartete
Recht insofern sprechen, als die o b j e k t i v e Herrschaft über das Geschehen „innere Einstellung" zu dem Vorgang zeigen. Bei all diesen Merkmalen
an gewisse s u b j e k t i v e Voraussetzungen gebunden ist. Der Täter muß - handelt es sich um Relikte der reichsgerichtlichen Rechtsprechung, denen
wenigstens im Umkreis der bisher behandelten Fälle - die Tatumstände im Rahmen einer konsequent durchgeführten Tatherrschaftslehre keine selb-
kennen, und er muß darüber hinaus sich auch der Tatsachen bewußt sein, ständige Bedeutung zukommt.
die seine Herrschaft über das Geschehen begründen. Diese subjektiven Baumanns 36 begründet neuerdings seine Entscheidung für einen in diesem
Elemente, deren zuletzt erwähntes den Bereich des Vorsatzes überschreitet, Sinne verstandenen „Tatherrschaftswillen", den er auch noch mit der Inter-
kommen nicht nachträglich zur Tatherrschaft hinzu, so wie der vorher essentheorie koppelt, wieder mit dem Argument, „daß ... wegen der Gleich-
behandelte „Unterordnungswille" nur die objektiv davon unabhängigen wertigkeit aller Bedingungen allein eine subjektive Abgrenzung Erfolg
Herrschaftsverhältnisse widerspiegelt; vielmehr sind sie ein untrennbarer verspricht". Aber damit kehrt er zu den Anfängen der modernen Teilnahme-
Bestandteil der Herrschaft selbst. Allerdings würde man dabei, soweit es sich lehre bei v. Buri zurück und ignoriert die gesamte nachfolgende Ent-
nicht einfach um den Vorsatz handelt, anstatt von einem „Tatherrschafts- wicklung 37 . Denn aus der Tatsache, daß alle äußeren Umstände, wenn man
willen" besser von einem „herrschaftsbegründenden Wissen" reden. sie nur als Kausalbedingungen betrachtet, gleichwertig sind, folgt doch nicht,
Gleichwohl: Wenn man jemandem, der einen nur vermeintlich vorsätzlich daß es keine anderen objektiven Bedeutungsdifferenzierungen gibt.
Handelnden zur Tat veranlaßt hat, die Tätereigenschaft mit der Begründung c) Auch der in der Rechtsprechung immer mehr vordringende Gedanke,
absprechen wollte, daß ihm der „Tatherrschaftswille" gefehlt habe, so wäre daß der Tatherrschaftswille mit Hilfe objektiver Kriterien zu ermitteln sei,
das - in diesem Sinne verstanden - sachlich zutreffend 33 . bedeutet, so sehr die erzielten Ergebnisse zu billigen sind 38 , in der theore-
Unrichtig ist es aber, wenn Baumann 34 wegen dieser innerpsychischen tischen Formulierung einen Mißgriff.
Komponenten den ganzen Tatherrschaftsbegriff zugunsten einer subjektiven Denn entweder ist es so, daß die vom Bundesgerichtshof angeführten
Grenzziehung aufgeben will. Er meint, es sei ungerecht, denjenigen, „der objektiven Umstände, unter denen die „Beherrschung des Geschehensab-
lediglich eine fremde Straftat fördern will, dem aber durch irgendwelche laufes" die hervorragende Rolle spielt, zur Begründung der Täterschaft aus-
Zufälle die Tatherrschaft zuwächst, als Täter zu betrachten". Als Beispiel reichen. Dann ist der Tatherrschafts- oder Täterwille ein bedeutungsloses,
führt er den Fall an, daß jemand einem anderen, von dem er nicht weiß, daß der auf anderem Wege ermittelten Person des Täters nachträglich aufgekleb-
er wegen einer schweren Geisteskrankheit zu eigener Willensbildung unfähig tes Etikett; die Bezeichnung ist zudem geeignet, Verwirrung zu stiften, weil
ist, Ratschläge zur Tatdurchführung gibt. Er ist der Ansicht, „nach der es sich in Wahrheit dabei nicht um eine psychische Realität oder - wie der
objektiven Abgrenzung müßte jetzt G als Täter bestraft werden, obwohl er B G H selbst bekennen muß - eine „innere Tatsache", sondern um den
doch nur Gehilfe sein wollte." Namen für ein objektives Dominanzverhältnis handelt.
Hier wird übersehen, daß die Herrschaft auch als objektive Gegebenheit Oder man könnte die objektiven Kriterien wirklich nur als Indizien für
die Kenntnis der sie begründenden Umstände voraussetzt. Der Hintermann einen psychologisch zu verstehenden Tatherrschaftswillen auffassen, so wie
des Beispielsfalles hat wegen seiner Unkenntnis gerade nicht die Herrschaft man etwa den Vorsatz aus den objektiven Gegebenheiten der Tatsituation
über das Geschehen. Die Gegenauffassung beruht auf einem Mißverständnis folgert. Dann wäre der Tatherrschaftswille ein ungeeignetes, zu unrichtigen
des Tatherrschaftsprinzips 35 . Ergebnissen führendes Merkmal. Denn der Richter müßte, auch wenn alle Vor-
b) Von dieser eingeschränkten Bedeutung abgesehen ist ein Tatherr- aussetzungen der Tatherrschaft vorliegen, eine Täterschaft dennoch ablehnen,
schaftswille aber keineswegs im Sinne einer objektiv sich nicht auswirkenden wenn es ihm nicht gelänge, daraus im Einzelfall den zweifelsfreien Schluß
„überschießenden Innentendenz" erforderlich. Wie man es auch formulie- auf die geforderte spezifische Willenseinstellung des Handelnden zu ziehen.
Wenn man dagegen, um dieses Ergebnis zu vermeiden, die gestaltende
30
Lenkung des Geschehens als u n w i d e r l e g l i c h e s Anzeichen des Tatherr-
Z u m Aufbau des Strafrechtssystems, 1935, S. 26; sehr ähnlich E b . Schmidt, Die mili-
tärische Straftat und ihr Täter, 1936, S. 10
schaftswillens versteht und etwa bei eigenhändiger Tatbestandsverwirk-
31
Lehrb., 2. Aufl., S. 445; J Z 1958, S. 232; hier ist sachlich die D o l u s t h e o r i e gemeint, vgl. lichung dem Handelnden generell die Berufung auf den fehlenden Täter-
J Z a. a. O . , Lehrb. a. a. O.; dafür gilt das oben, V, Gesagte. willen abschneidet, so ist das zwar im Ergebnis zutreffend, konstruktiv
32
Schönke/Schröder, 10. Aufl., vor § 47 VIII, 5, c, S. 247; so aber auch schon Schönke,
6. Aufl., 1952, § 4 7 11, S. 172
33 36
Vgl. d a r ü b e r eingehend oben S. 261 ff. (262-264) Lehrb., 2. Aufl., S. 444/45
34 37
Lehrb., 2. Aufl., S. 445 Vgl. d a r ü b e r eingehend oben S. 4 ff.
35 38
Vgl. schon oben S. 264 Vgl. dazu o b e n S. 314/315
318 319

aber - trotz der Üblichkeit dieses Verfahrens - denkbar unglücklich. Denn dessen, was früher über die methodischen Grundsätze für die sachgerechte
schon für widerlegliche Vermutungen ist im Strafrecht kein Raum 39 ; und Ausfüllung der Täterformel gesagt wurde. Es ist daher überflüssig, das Pro-
eine sogar unwiderlegliche Präsumtion verhüllt nur schlecht den fiktiven gramm, nach dem wir vorgegangen sind, hinterher aus dem durchgeführten
Charakter einer solchen „subjektiven" Auffassung. Täterbegriff wieder herauszulesen.
Einzelne Punkte, die in der Diskussion um die Tatherrschaftslehre eine
Rolle spielen, bedürfen aber noch der Hervorhebung.
2. Das Urhebergefühl I. Es handelt sich bei der Tatherrschaft nicht um einen rein ontologischen
- das soll heißen: aus dem vorgegebenen Sein erkennbaren - Täterbegriff und
Ähnliches gilt auch gegenüber Nowakowskis Theorie vom „Urhebergefühl". auch nicht um ein durch rechtliche Wertung allein gebildetes Kriterium,
Es ist oben schon geschildert worden, wie er trotz seines „rein subjektiven" sondern um das Produkt einer mehrschichtigen Synthese von ontologischer
Ausgangspunktes am Ende doch nicht darauf abstellt, ob der Handelnde sich und teleologischer Betrachtungsweise 1 . Im einzelnen gilt folgendes:
konkret-psychologisch als „Herrn der Tat" empfunden hat, sondern die Ent- 1. Der Begriff der finalen Handlung, aus dem Welzel seinerzeit die Theo-
scheidung davon abhängig macht, „ob er die Tat unter Vorstellungen gewollt rie von der „finalen" Tatherrschaft abgeleitet hat 2 , bietet für die Täterlehre
hat, wonach er sie als eigene zu empfinden hatte" 40 . einen ontologischen Anknüpfungspunkt, aber auch nicht mehr. Das zeigt
Wenn das richtig ist, kommt es tatsächlich nicht mehr auf das Urheber- sich in dreifacher Hinsicht:
gefühl beim Täter, sondern darauf an, ob er nach der Wertordnung der a) Jede Art der Tatherrschaft setzt ein finales Handeln voraus. Nichtfinale
Rechtsgemeinschaft als „Herr der Tat" anzusehen ist. Damit wird, wie Verhaltensweisen scheiden also von vornherein aus. Insoweit kann man von
Bockelmann mit Recht bemerkt 41 , die subjektive Abgrenzung „in Wahrheit einer vorgegebenen Eigenart des Täterbegriffs sprechen. Aber der Finalitäts-
preisgegeben". Das Urhebergefühl enthält nur die subjektiven Bestandteile, begriff bedarf seinerseits teleologischer Interpretation. Denn da es im Be-
die auch für eine objektiv verstandene Herrschaft erforderlich sind 42 . Nach reiche der Tatherrschaft keine „Finalität an sich" gib 3 , der Verwirklichungs-
der hier vertretenen Auffassung darf man daher den Begriff des Urheber- wille vielmehr nur insoweit interessiert, als er sich auf die objektiven
gefühls nur in demselben Umfang verwenden, der oben dem „Tatherr- Merkmale des Tatbestandes richtet, ist die Finalität immer schon normativ
schaftswillen" zugestanden wurde. geprägt.
Um eine Frage nach der wirklichen „Gesinnung" des Täters handelt es O b ein finales (= vorsätzliches) Verhalten im Sinne bestimmter Tatbe-
sich dabei nicht; von ihr könnte auch die Tatherrschaft nicht abhängig ge- stände, z. B. eine Beleidigungs-, Unzuchts- oder Hehlereihandlung vorliegt,
macht werden. O b das für die Täterschaft ganz allgemein gilt, wird noch zu läßt sich nur unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zweck- und
erörtern sein 43 . Wertvorstellungen ermitteln. Deshalb kann man selbst hinsichtlich des
finalen Momentes der Tatherrschaft auf eine teleologische Betrachtungsweise
nicht verzichten.
§ 30. Die Struktur des Tatherrschaftsbegriffes b) Außerdem lassen sich aus der Finalstruktur beim Zusammenwirken
mehrerer final Handelnder für die Abgrenzung der Beteiligungsformen keine
Wie läßt sich der Tatherrschaftsbegriff, dessen inhaltliche Elemente uns Anhaltspunkte gewinnen. Denn das spezifische Moment der Herrschaft ist
bekannt sind, strukturell kennzeichnen? Grundlegender Erörterung bedarf durch das auch der Teilnahme zukommende Attribut der Finalität nicht zu
diese Frage nicht mehr. Schon die Darstellung der geschichtlichen Ent- erfassen.
wicklung hat gezeigt, wie sehr ontologische und teleologische Fragestellun- c) Täterschaftsbegründende Bedeutung gewinnt der Finalitätsbegriff
gen hier im Widerstreit der Meinungen stehen und in wie unterschiedlichem allerdings dort, wo ein Irrtum des unmittelbar Handelnden dem Hinter-
Maße normative und deskriptive Elemente zur Begriffsbestimmung heran- mann eine mittelbare Täterschaft ermöglicht. Aber gerade die finale Über-
gezogen werden. Auch die eigene Meinung ergibt sich aus dem Vorher- determination, die hier das Wesen der Tatherrschaft ausmacht, hat wiederum
gehenden deutlich genug. Denn unsere Entwicklung des Tatherrschaftsbegriffs einen stark teleologischen Einschlag. Denn die vier Tatherrschaftsstufen,
in seinen wechselnden Ausgestaltungen ist nur die praktische Anwendung deren jeweils höhere ihrem Inhaber die Lenkung des Geschehensablaufes
ermöglicht sind wegen ihres Bezuges auf den Tatbestand, die materielle
Rechtswidrigkeit, die Schuldvoraussetzungen und den konkreten Hand-
39
Vgl. dazu jetzt H e n k e l , Festschrift für E b . Schmidt, S. 578 ff.
40
J Z 1956, S. 547; vgl. eingehend oben S. 8 4 - 8 6
41
Strafrechtliche U n t e r s u c h u n g e n , S. 118, A n m . 13
42
Siehe oben VI, 1, a, S. 316; auch N o w a k o w s k i hält den praktischen Unterschied für ' Z u m grundsätzlichen oben S. 19—25
2
u n b e d e u t e n d , vgl. J Z a. a. O . , S. 549, 3, am Ende. Vgl. oben S. 16/17, 66/67 ff.
43 3
Vgl. unten S. 434ff. Vgl. d a r ü b e r auch Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 31
320 321

lungssinn als ontische Gegebenheiten nicht ohne Beziehung auf die leitenden schreibende Verfahren, das einige eng begrenzte Leerstellen für die wertende
Wertungen des Gesetzgebers zu erfassen. Einzelfallentscheidung offenläßt, kann den Tatherrschaftsbegriff vor der
2. Auch unabhängig von der Handlungsstruktur verwendet der Tatherr- Konturlosigkeit der früheren Animus-Formel bewahren.
schaftsbegriff überall ein vorrechtlich gegliedertes, bedeutungshaltiges Dagegen ist.es im Prinzip richtig, wenn Gallas die Tatherrschaft als „das
ontisches Material. Das gilt für das sinnvolle Ineinandergreifen der Tat- Ergebnis einer zugleich finalen und wertenden Betrachtungsweise" 7 kenn-
anteile bei der Mitherrschaft ebenso wie im Bereich der Willensherrschaft zeichnet, weil seine Wertungen auf die Erfassung objektiver Gliederungs-
kraft Nötigung, wo die psychologischen Erfahrungssätze über den Aus- elemente abzielen. Aber auch er überschätzt die Tragweite eines teleo-
schluß der freien Willensentscheidung für die Grenzbestimmung von Teil- logischen Verfahrens, wenn er, wie im Falle des qualifikationslosen
nahme und mittelbarer Täterschaft maßgebend sind. Aber auch der allge- „Werkzeuges", die bloße Veranlassung fremder Tat wegen einer aus der
meine Begriff der „Herrschaft" enthält einen sozial vorgeformten und besonderen Pflichtverletzung sich ergebenden deliktischen Gleichwertigkeit
unverrückbaren Bedeutungskern, der in den juristischen Tatherrschaftsbe- als Tatherrschaft beurteilen zu können glaubt. 8
griff eingeht. II. Ist die Tatherrschaft, wie sie sich uns darstellt, ein deskriptiver oder
Alle diese Begriffselemente erfahren jedoch eine Präzisierung und Modi- ein normativer Begriff? Wenn man die normativen Elemente von den des-
fizierung durch spezifisch rechtliche Wertungen des- Gesetzgebers und kriptiven so abgrenzt, daß sie sich auf Gegebenheiten beziehen, „die über-
Richters. Die Bedeutsamkeit einer Funktion im Handlungsganzen ist an haupt nur unter logischer Voraussetzung einer Norm vorgestellt und ge-
ihrer Relevanz für die Tatbestandserfüllung und damit an einer Norm zu dacht werden können" 9 , so handelt es sich um eine Erscheinung, die
messen. Die Willensherrschaft in den Nötigungsfällen gründet sich nicht weitgehend mit dem übereinstimmt, was wir durch den Begriff des Teleo-
ausschließlich auf einen nur hinzunehmenden psychischen Befund, sondern logischen bezeichnet haben. Insoweit kann auf das oben Gesagte verwiesen
hängt durch seine Verknüpfung mit dem Verantwortungsprinzip von den werden.
Anforderungen des Gesetzgebers ab. Und was den allgemeinen sozialen Erfaßt man dagegen unter dem Deskriptiven das sinnlich Wahrnehmbare,
Bedeutungsgehalt der „Herrschaft" betrifft, so ist er derart undifferenziert,
unter dem Normativen das nur geistig Verstehbare 10 , so ist die Tatherrschaft
daß er höchstens in einen „unbestimmten" Tatherrschaftsbegriff hätte über-
in noch wesentlich weitergehendem Maße ein normativer Begriff. Die
nommen werden können; eine detaillierte Beschreibung, wie sie für eine
Feststellung der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft, die auf der
sachgerechte Ausfüllung der generalklauselartigen Formel erforderlich war,
sinngestaltenden Lenkung des Kausalverlaufs und der funktionsbedingten
kann in den Einzelfragen nur unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks zu
Abhängigkeit der Tatanteile beruhen, erfordern einen Akt geistigen Ver-
gesicherten Ergebnissen kommen.
stehens. Und auch bei der Alleintäterschaft kann man von einem deskrip-
3. Es zeigt sich also: Der Handlungsbegriff allein, dem diese Lehre noch tiven Kriterium nur insoweit sprechen, als die Tatbestände sich aus sinnlich
heute bei vielen ihrer Anhänger die Bezeichnung als Theorie der „finalen" wahrnehmbaren Elementen zusammensetzen.
Tatherrschaft verdankt, bietet eine zu schmale Basis, als daß sich eine Täter-
lehre darauf bauen ließe; wie auch eine darüber hinaus auf vorgegebene Zusammenfassend läßt sich feststellen: Wir haben hier und bei der Ent-
seinshaft-soziale Sachstrukturen abstellende Methode den Gehalt des Tat- wicklung des Tatherrschaftsbegriffs überall die methodische „Einlinigkeit"
herrschaftsbegriffs nicht erschöpft. durch ein Verfahren ersetzt, das den verschiedenen Gesichtspunkten ihr
Andererseits ist es aber auch bedenklich, wenn namentlich die Recht- relatives Recht läßt und gegenüber der abstrakten Einseitigkeit jedes absolut
sprechung den Tatherrschaftsbegriff zu einseitig unter Lösung von jeder genommenen Standpunktes die konkrete Bedeutungsfülle der Täterschaft
festen Beschreibung und ohne gesetzliche Bindung durch richterliches zur Geltung bringt. Dieses Prinzip, dessen Auswirkungen sich auch im
Werten bestimmen will. Die in den neueren Entscheidungen immer wieder- folgenden bei der dogmengeschichtlichen Einordnung der Tatherrschaft
kehrende Formel, daß die Täterschaft „auf Grund aller Umstände vom zeigen werden, ist gegenüber der immer noch vorwaltenden Neigung zur
Gericht wertend zu ermitteln" 4 sei, führt nicht weiter, weil sie genau wie antithetischen Trennung von Teilaspekten bisher zu sehr vernachlässigt
die unklare richterliche „Gesamtschau", von der in den Kommissionsbe* worden. N u r die Bemühungen Gallas' um eine Synthese von finaler und
ratungen wiederholt die Rede war 5 , praktisch zu einem Verzicht auf eine wertender Betrachtungsweise haben in diesem Bereich zu fruchtbaren
sinnvoll geordnete Gliederung des Teilnahmebereichs und damit zu rich- Ergebnissen geführt.
terlichen Strafwürdigkeitserwägungen führt, die die Tatherrschaft zu einem
inhaltlosen Schlagwort degradieren. 6 Allein das hier durchgeführte be- 7
Gutachten S. 128
8
Dazu oben S. 252-258
9
4
Engisch, Mezger-Festschrift, S. 147
Vgl. nur die Leitentscheidung BGHSt 8, 396; im übrigen die Übersicht oben S. 90ff. 10
Welzel, Straf recht, 7. Aufl., S. 68 f.; über weitere Bedeutungen des Begriffspaares Engisch,
5
Vgl. darüber oben S. 110/111 Mezger-Festschrift, S. 127ff.; Kunert, Die normativen Merkmale der strafrechtlichen
6
Darüber grundsätzlich S. 108-118
Tatbestände.
323
322

Neuerdings erklärt auch Arthur Kaufmann 11 , bei der Behandlung der tretenen Ansichten über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
Täterlehre liege „der Fehler in der Ausschließlichkeit, mit der Teilmomente haben auf den heutigen Problemstand keinen nachweisbaren Einfluß aus-
eines Ganzen 12 ausgegeben werden". Richtig könne nur die Lehre genannt geübt.
werden, die kausale, finale, psychologische und normative Gesichtspunkte Demnach scheint sich die Tatherrschaftslehre dogmenhistorisch als eine
zu vereinigen trachte. Das ist durchaus zutreffend. Nicht beistimmen kann Synthese von subjektiver und formal-objektiver Theorie darzustellen. Doch
ich ihm aber, wenn er die Entscheidung BGHSt 8, 393 ff.13 billigt, „gerade wird durch eine solche Auffassung das Bild ungebührlich vereinfacht. Denn
weil dieses Urteil keiner der in der Lehre vertretenen Meinungen einseitig die Tatherrschaft setzt zwar wirklich in wechselnder Weise die verschieden-
folgt" 14 . Mir scheint: In diesem Fall wie auch sonst oft in der Recht- sten objektiven und subjektiven Elemente voraus; aber die Grundgedanken
sprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich um die verfehlte Methode, der beiden durch eine bloße Mischung nicht ohne weiteres in Einklang zu
verschiedene Denkansätze dadurch miteinander zu vereinigen, daß man nach bringenden Theorien kommen im Tatherrschaftsprinzip doch nur in sehr
Belieben bald dieses, bald jenes Verfahren verwendet, ohne die Reichweite eingeschränkter Weise zum Ausdruck, während andererseits für die Ermitt-
der einzelnen Betrachtungsweisen gegeneinander abzugrenzen. Dadurch lung der Tatherrschaft oft Erwägungen ausschlaggebend sind, die sich aus
bleibt im Grunde alles offen, und man kommt nicht zu einem inhaltserfüll- subjektiven oder formal-objektiven Gesichtspunkten nicht erklären lassen,
ten, sondern zu einem unbestimmten Begriff im oben 15 geschilderten Sinne, die aber in älteren Theorien in der einen oder anderen Weise schon vorgebil-
der die Täterlehre der Rechtsunsicherheit und dem willkürlichen Gefühls- det sind. Wenn man das berücksichtigt, so ergibt sich, kurz zusammengefaßt,
urteil ausliefert. folgendes Bild:
Die hier vertretene Lehre darf also nicht mißverstanden werden: Die I. D i e s u b j e k t i v e T e i l n a h m e l e h r e in ihrer Ausprägung durch die
Abkehr von der methodischen Einseitigkeit bedeutet kein Ausweichen ins Dolustheorie trägt zum Tatherrschaftsgedanken zunächst einmal das Erfor-
Unverbindlich-Allgemeine und auch nicht die Befürwortung von Fall zu dernis des Vorsatzes bei: Ein Täterwille ohne Vorsatz ist nicht denkbar, eine
Fall wechselnder Standpunkte. Sie erfordert vielmehr eine exakte Durch- Unterordnung unter einen Willen, dem die Erfolgsbeziehung fehlt, nicht
arbeitung des gesamten Rechtsstoffes und die genaue Bestimmung, in wel- möglich. Sie erfaßt ferner durch die Formel vom „Anheimstellen" zutreffend
cher Weise die verschiedenen Betrachtungsarten einander durchdringen, die Abhängigkeit des Teilnehmers vom Täter, wenn auch nur in ihrer subjek-
wann und wie sie zu verwenden sind und wo sie ihre Grenze finden. tiven Spiegelung 2 . Dagegen kann sie zur positiven Begründung des Tatherr-
schaftsbegriffes nichts beitragen: Weder die Handlungs- und Willensherr-
schaft noch das Prinzip der funktionellen Tatherrschaft sind durch die
§ 31. Die dogmenhistorische Stellung Kriterien der Dolustheorie auch nur einigermaßen exakt zu umschreiben.
der Tatherrschaft Für die Einzelheiten kann dabei auf frühere Ausführungen verwiesen
werden 3 .
Auch hier ist die Vorarbeit geleistet: Wir kennen die früheren Täterlehren, II. D i e f o r m a l - o b j e k t i v e T h e o r i e wählt, indem sie die plastischen
soweit sie für den heutigen Stand der Problematik noch brauchbare Ansatz- Handlungsschilderungen der Tatbestände in den Vordergrund rückt, einen
punkte bieten, und wir können sie an den Ergebnissen des im einzelnen von der streng objektiven Kausalbetrachtung schon gelösten, auch vom
beschriebenen Tatherrschaftsbegriffes messen. Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus sachlich und methodisch zutreffen-
Die Tatherrschaftstheorie ist, soweit sie überhaupt die Anlehnung an den Ausgangspunkt 4 ; wenn man das unentwickelt in ihr steckende Final-
frühere Teilnahmelehren gesucht hat, von entgegengesetzten Ausgangs- prinzip deutlich heraushebt, entspricht sie in vollem Umfang dem Gedanken
punkten her entwickelt worden. Lange, Welzel, Bockelmann, Busch, von der Handlungsherrschaft.
Weber und auch die mit dem Tatherrschaftsbegriff operierende Recht- Darin liegt aber auch ihre Beschränktheit: Für das Verständnis der funk-
sprechung des Bundesgerichtshofs kommen von der subjektiven Theorie tionellen Tatherrschaft und der mittelbaren Täterschaft leistet sie nichts 5 . Im
her, während etwa Gallas und Sax ihre Auffassung aus einer Erweiterung Gegenteil: Die Eigenständigkeit dieser Täterschaftsformen muß erst gegen
der formal-objektiven Lehre gewonnen haben 1 . Alle anderen früher ver-
die den Täterbereich sachwidrig verengende Einseitigkeit der formal-objek-
11
Das Schuldprinzip, 1961, S. 82 tiven Theorie durchgesetzt werden.
12
hier ist wohl hinzuzudenken: als das Ganze. III. D i e N o t w e n d i g k e i t s t h e o r i e enthält in kausalem Gewände das
13
Vgl. nur oben S. 96-98 für die gemeinsame Tatherrschaft entscheidende Strukturelement: Den Ge-
14
a. a. O., S. 82 Anm. 176. Daß die Entscheidung im Ergebnis richtig ist, steht auf einem ande-
ren Blatt.
15 2
S. 108-118 Vgl. dazu oben S. 314/315
1 3
Über die Auffassung von Baumann, J Z 58, S. 231, und Lehrb. 2. Aufl., S. 444, der bei Welzel S. 127 ff., 141 ff., 275 ff.
4
von einer „rein objektiven" Lehre und bei Gallas von einer „subjektiven Abgrenzung" Dazu näher oben S. 34-38
5
spricht, vgl. schon oben S. 69 Vgl. schon oben S. 36-38
324 325

danken, daß der Tatbeitrag jedes Mittäters für die Ausführung erforderlich mittelten plötzlich eine physisch vermittelte Kausalität werden läßt 8 , so liegt
sein muß, so daß sein Wegfall das durch das Ineinandergreifen aller Einzel- doch klar zutage, daß sich hier keine Änderung der Kausalität, sondern nur
handlungen entstehende Aktionsgefüge zerstört. ein Unterschied für die sinnverstehende Beurteilung der Herrschaftsverhält-
Die Schwäche dieser Auffassung liegt darin, daß die Notwendigkeit und nisse ergibt. Und der Begriff der funktionellen Tatherrschaft entzieht sich
Bedeutung einer Funktion innerhalb des konkreten Handlungsvollzuges den Kriterien des Psychischen und Physischen überhaupt 9 .
durch eine reine Kausalbetrachtung nicht zu erfassen ist, daß es dazu viel- VI. Die oben als „ Ü b e r o r d n u n g s t h e o r i e " bezeichneten Lehren von
mehr des sinnhaften Verstehens aller Einzelzüge und einer auf dieser Grund- Dahm und Richard Schmidt, wonach die Anteile der einzelnen Mittäter
lage entstehenden wertenden richterlichen Beurteilung des individuellen untereinander gleichwertig sind, während sich die Tatbeiträge der Teilneh-
Falles bedarf6. mer als begrenzt und untergeordnet darstellen, enthalten einen auch für den
IV. D i e G l e i c h z e i t i g k e i t s t h e o r i e bringt zutreffend den auch für die Tatherrschaftsbegriff maßgebenden Gesichtspunkt. Denn wegen der funk-
Tatherrschaftslehre gültigen Gedanken zum Ausdruck, daß eine gemeinsame tionellen Abhängigkeit der Tatanteile hat jeder Mittäter den Ablauf in der
Ausführung, eine Mitherrschaft bei der Tatbestandsverwirklichung, nur dort Hand und ist insofern in seiner Bedeutung für das Gesamtgeschehen den
möglich ist, wo ein Handlungsbeitrag nicht im Vorbereitungsstadium, son- anderen gleichwertig; der bloße Gehilfe dagegen wirkt nur bei der Vor-
dern bei der Durchführung selbst geleistet wird. Das Prinzip der funktionel- bereitung mit oder übt eine untergeordnete Funktion aus, so daß seine Be-
len Abhängigkeit aller Tatanteile voneinander ist zwar im Begriff der Gleich- teiligung in der Tat als subordiniert erscheint.
zeitigkeit nicht enthalten. Da aber das Gelingen eines Plans eine sorgfältige Die Schwäche dieser Auffassung gegenüber einem durchgeführten Tat-
Abstimmung der verschiedenen Einzelbeiträge verlangt, wird man im allge- herrschaftsbegriff besteht darin, daß sie über den rein normativen und
meinen sagen können, daß überflüssige Kräfte für die Ausführung selbst formalen Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit hinaus nicht zu inhaltlich be-
nicht herangezogen zu werden pflegen. In der Regel wird daher bei einer stimmten Beurteilungskriterien vordringt 10 und nicht erkennt, daß der
aktiven Mitwirkung im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung eine Mit- Begriff der Tatherrschaft geeignet ist, der generalklauselartigen Weite eines
täterschaft zu bejahen sein. derart unbestimmten Wertungsbegriffes feste Strukturen zu verleihen. Die
Gleichwohl liegt hier vom Standpunkt der Tatherrschaftstheorie aus der Überordnungstheorie bricht damit ab, wo die eigentliche Arbeit an der Teil-
Mangel dieser Lehre. Der Gedanke der Gleichzeitigkeit ist gegenüber dem nahmelehre erst beginnt.
Begriff der funktionellen Tatherrschaft zu unspezifisch. Er löst die Einzel- VII. Sieht man den Tatherrschaftsbegriff, wie er hier dargestellt worden
akte mehr in Handlungen zeitlicher Parallelität auf, als daß er ihre wechsel- ist, auf dem Hintergrund der geschichtlichen Gesamtentwicklung, so wird
seitige Beziehung deutlich werden ließe. Er muß infolgedessen dort zu erkennbar, daß er weder als Derivat der finalen Handlungslehre noch als
fehlerhaften Lösungen führen, wo einer im Ausführungsstadium erbrachten Weiterbildung einer einzelnen Teilnahmetheorie seiner wahren Bedeutung
Handlung im Einzelfall keine selbständige Funktion zukommt 7 . gemäß erfaßt wird. Alle derart beschränkten Ableitungsversuche stellen die
V. D i e L e h r e v o n d e r p h y s i s c h u n d p s y c h i s c h v e r m i t t e l t e n Tatherrschaftslehre auf eine zu schmale Basis. In Wirklichkeit tragen sämt-
K a u s a l i t ä t erfaßt ebenfalls einen für den hier vertretenen Tatherrschafts- liche hier dargestellten und zum Teil aus der Vergessenheit erst wieder-
begriff sehr wesentlichen Faktor. Er läßt sich in der Erkenntnis ausdrücken, erweckten Lehren einzelne Elemente zum Gedanken der Tatherrschaft bei.
daß von einer Herrschaft nicht die Rede sein kann, wo die endliche Tat- Das ist nicht verwunderlich: Es wäre im Gegenteil recht sonderbar, wenn
bestandsverwirklichung noch von dem alleinigen und verantwortlichen Ent- die mehr als hundertjährigen Bemühungen um das Verständnis des Täter-
schluß eines anderen abhängt. An diesem Umstand scheitert die Mittäter- begriffes weitgehend ganz unfruchtbar gewesen sein sollten.
schaft eines nur im Vorbereitungsstadium Handelnden ebenso wie die Wenn demnach der Tatherrschaftsbegriff in fast jedem seiner Einzelzüge
mittelbare Täterschaft eines Hintermannes, dessen Willenseinfluß die Ver- auf Vorläufer zurückblicken kann, stellt sich die Frage, worin eigentlich die
antwortung des Unmittelbaren nicht aufheben und der dessen freie Entschei- selbständige Bedeutung dieser Lehre liegt. Ist es nicht so, wie Baumann 11
dung auch nicht von einer höheren Tatherrschaftsstufe aus umgehen kann. schon im Hinblick auf die subjektive und die formal-objektive Theorie sagt,
Allerdings wird der wertvolle Grundgedanke dieser Lehre durch ihre daß nämlich mit dem Tatherrschaftsgedanken ein ihnen gegenüber neuartiges
unzulängliche „kausale" Formulierung weitgehend verdunkelt. Denn die Kriterium nicht gefunden sei? Und muß man nicht Engisch 12 Recht geben,
Freiheit und Verantwortlichkeit einer Willensentscheidung, auf die es hier wenn er meint, daß der Begriff der Tatherrschaft „nicht wesentlich über
ankommt, läßt sich durch Variationen des Kausalbegriffes nicht adäquat ältere, verwandte Vorstellungen" hinausführe?
ausdrücken. Wenn z. B. Frank, sobald der Willensdruck des Hintermannes
8
die Grenze des Nötigungsnotstandes erreicht hat, aus der psychisch ver- 9
18. Aufl., vor § 4 7 , II, S. 104
Das läßt sich den schon o b e n behandelten Fällen leicht e n t n e h m e n , vgl. S. 48/49
10
Vgl. d a r ü b e r schon oben S. 50/51
6 11
Vgl. im einzelnen S. 282-285 (283) J Z 1 9 5 8 , S. 232
7 12
Vgl. oben S. 44 und S. 280-282 Z S t W , B d . 66, 1954, S. 383
326 327

Mir scheint, daß die Bedeutung dieser Lehre in etwas anderem und § 32. D i e systematische Stellung des
Wesentlicherem als der völligen Neuartigkeit ihrer Einzelzüge liegt: Das Tat- Tatherrschaftsbegriffes
herrschaftsprinzip bildet die verborgene Mitte, den dunkel erstrebten
Grundgedanken aller ihr voraufgehenden Bemühungen; es bedeutet den Ist die Täterschaft ein Problem des objektiven oder des subjektiven Tat-
Kernpunkt, in dem die scheinbar verworrenen Linien der dogmenhistori- bestandes, des Unrechts oder der Schuld? Oder steht sie als „besondere
schen Entwicklung konvergieren, das Sinnzentrum, das den bleibenden Erscheinungsform des Verbrechens" außerhalb des gegliederten Systems?
Gehalt in den einander widersprechenden Auffassungen überhaupt erst her-
vortreten läßt.
I. Die Tatherrschaft als Systemelement
Es handelt sich also nicht um eine synkretistische Theorienbastelei: Der
Tatherrschaftsbegriff ist nicht aus den Bruchstücken früherer Lehren nach- Der Tatherr ist ein notwendiger Bestandteil des Verbrechenssystems. Wollte
träglich zusammengesetzt, sondern die heterogenen Ansätze der früheren man, wie es der überkommenen Lehre entspricht, den Täter aus dem
Versuche erhalten ihre Bedeutung nur durch ihre Beziehung auf den Tat- Deliktsaufbau herauslösen, so würde das Subjekt des Verbrechens syste-
herrschaftsgedanken. Man kann in diesem Sinne durchaus von einer „juristi- matisch lediglich als rechtswidrig-schuldhafter (und damit bei den meisten
schen Entdeckung" sprechen. Denn deren Wesen liegt gerade im Bereiche Delikten: vorsätzlich handelnder) Verursacher eines tatbestandsmäßigen
der Rechtswissenschaft nicht darin, daß sie unter schroffem Bruch mit der Erfolges in Erscheinung treten. Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe würden
dogmenhistorischen Entwicklung zu unerwarteten, ganz aus dem Rahmen also erst nachträglich aus dem Oberbegriff eines über den Teilnahmeformen
fallenden Ergebnissen führt. Die „Entdeckung" besteht vielmehr in der schwebenden Verbrechenssubjektes abgeleitet.
Erkenntnis und glücklichen Formulierung eines in mannigfachen Anläufen
Das aber ist eine unrichtige Auffassung. Sie wird weder dem Begriff des
immer erst teilweise erfaßten, gewissermaßen „in der Luft liegenden" und
nun endlich klar ans Licht tretenden Grundgedankens, der eine lange Ent- Tatbestandes noch dem des Täters gerecht.
wicklung krönt und zum Abschluß bringt. U m einen solchen Fall handelt es 1. Die gesetzlichen Tatbestände sind keine farblosen Abstraktionen; sie
sich hier. Aus diesem Umstand erklärt es sich auch, daß seit dem Auf- stellen vielmehr gerade den Versuch dar, die Zentralgestalt des handlungs-
kommen der Tatherrschaftslehre alle anderen Theorien entweder ganz mäßigen Geschehens mit allen personalen Bezügen plastisch zu umschrei-
zurückgetreten sind oder sich ihr durch verschiedenartige Modifikationen ben 1 . Wenn der Gesetzgeber in § 243 Abs. 1 Ziff. 2 die Voraussetzungen des
anzunähern versuchen. Einbruchsdiebstahls schildert, so stellt er sich - um auf das alte Beispiel
Wegners 2 zurückzugreifen - unter dem Subjekt dieses Verbrechens sicher
Mit alledem soll nicht gesagt werden, daß der Tatherrschaftsgedanke die
nicht „die blinde Großmutter des Kaschemmenwirtes" vor, die „für die
gesamte Täterproblematik schon endgültig geklärt habe. Denn einerseits ist
Ausführung des Delikts die Strickleitern geknüpft" hat. Und doch ist sie für
seine Ausgestaltung im einzelnen noch recht umstritten; die hier entwickel-
den tatbestandsmäßigen Erfolg vorsätzlich kausal geworden, so daß bei der
ten Lösungsvorschlage mögen noch mancher Verbesserung bedürfen; außer-
hier abgelehnten Auffassung der Unterschied zwischen ihr und denen, die
dem ist mit ihnen auch keine Zauberformel gefunden, aus der sich für jede
selbst die Fassade erklettert haben und in das Haus eingedrungen sind, sich
auftretende Situation Ergebnisse beliebig deduzieren ließen; vielmehr erfor-
tatbestandlich nicht auswirken würde.
dert jede neu erscheinende Fallgruppe eine selbständige Analyse der ihr
zugrundeliegenden Herrschaftsstrukturen. Vor allem aber bedarf die Trag- Wäre das richtig, könnte die eigenhändige Vornahme der Tatbestands-
weite des Tatherrschaftsprinzips noch näherer Untersuchung. Es ist zu prü- handlung nicht die tatherrschaftsbegründende Wirkung haben, die ihr hier in
fen, ob nicht bei den Unterlassungsdelikten und den fahrlässigen Straftaten Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung zugewiesen worden ist.
die Täterschaft nach ganz anderen Kriterien zu beurteilen ist. Und es bedarf Denn wenn Anstifter und Gehilfen in genau derselben Weise den Beschrei-
ferner der Erörterung, ob bei den vorsätzlichen Begehungsdelikten in allen bungen der Tatbestände unterfallen, können sich aus einer derartigen, die
Fällen die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens durch den Ge- Beteiligungsformen nivellierenden Schilderung keine Anhaltspunkte für den
sichtspunkt der Tatherrschaft zutreffend bestimmt ist. Diesen Problemen Täterbegriff ergeben. Eine solche Auffassung muß deshalb dahin tendieren,
werden wir uns im folgenden Kapitel zuwenden. die Unterschiede ins Subjektive zu verschieben. Ihre Widerlegung folgt nicht
nur aus dem, was oben allgemein über den Täterbegriff gesagt wurde; sie
ergibt sich auch aus dem Sinngehalt der Tatbestände, der es nicht gestattet,
vom bloßen vorsätzlichen Verursacher (etwa der erwähnten blinden Groß-
mutter) zu sagen, daß er durch Einbruch fremde Sachen weggenommen und
damit dem Tatbestand entsprechend gehandelt habe.
1
Vgl. S. 25 ff. u n d p a s s i m .
2
Strafrecht, S. 249
328 329

Der Täter ist also schon ein Bestandteil der Tatbeschreibung und nicht Wer einen anderen in Putativnotwehr erschießt, ist nicht Täter eines Tot-
etwas nachträglich erst Hinzutretendes. Daraus folgt, daß es sich bei der schlages nach § 212 StGB. Ihm fehlt infolge seiner Unkenntnis der Sachlage
Tatherrschaftslehre um einen restriktiven Täterbegriff handelt. Die Kenn- die Tatherrschaft, so daß er höchstens wegen fahrlässiger Tötung bestraft
zeichnung als restriktiv wird in diesem Zusammenhang zwar nicht im Sinne werden kann 6 . Das ist eine Konsequenz des Vorsatzbegriffes und daher nur
der formal-objektiven Theorie, aber doch so verstanden, daß tatbestands- mittelbar ein Problem der Teilnahmelehre 7 .
mäßig primär nur derjenige handelt, der als Tatherr der Deliktsverwirk-
hchung erscheint. Anstiftung und Beihilfe stellen sich demnach als Straf-
ausdehnungsgründe dar. 2. Die Täterschaft als Erscheinungsform des Unrechts
2. Die Auffassung, daß die Differenzierung zwischen Täterschaft, An-
stiftung und Beihilfe sich nicht erst hinterher an die Prüfung von Tat- Die Täterschaft ist vielmehr die den Deliktsbeschreibungen entsprechende
bestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld anschließen darf, ergibt Form tatbestandlichen Unrechts, an die sich kraft der Sondernormen der
sich aber auch aus der oben begründeten Notwendigkeit eines „primären" §§ 48, 49 StGB die Anstiftung und Beihilfe straferweiternd anschließen.
Täterbegriffs 3 . Denn die Gegenmeinung gewinnt die Figur des Täters An dieser Stelle muß sie im Verbrechensaufbau und bei der Fallprüfung
zwar nicht sekundär aus der Verneinung der Teilnahme; aber alle drei Be- ihren Platz finden 7a , und zwar nach Erörterung der sonstigen objektiven
teiligungsformen sind nach ihr nur spezifizierende Ableitungen aus dem und subjektiven Voraussetzungen des Unrechtstatbestandes. Es ist ein Über-
Oberbegriff des Verbrechenssubjekts. Das widerspricht dem Sinn der Drei- bleibsel der oben abgelehnten Auffassung von der Systemgelöstheit der
teilung; denn der Gesetzgeber will nicht jede schuldhafte Erfolgsbewirkung Beteiligungsformen, wenn das „personale Aktionszentrum des Unrechts",
generell unter Strafe stellen, sondern er will sie von vornherein nur erfassen, dem Welzel selbst „zentrale Bedeutung" für das Unrecht beimißt, in seinem
soweit eine der drei Mitwirkungsformen vorliegt. Andernfalls wäre es mög- für die Fallbearbeitung entworfenen Schema des Verbrechensaufbaus 8
lich, daß jemand tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft handelte überhaupt nicht auftaucht. Vielmehr ergibt sich folgendes Bild der Unrechts-
und doch nicht bestraft werden könnte, weil sich zum Schluß herausstellt, lehre:
daß weder die Voraussetzungen der Täterschaft noch die der Anstiftung
oder Beihilfe vorliegen - ein Fall, der etwa bei den später zu behandelnden
eigenhändigen Delikten durchaus praktische Bedeutung hat. Die Beteili- Das tatbestandliche Unrecht
gungsformen würden sich also als Strafeinschränkungsgründe 4 , überspitzt
ausgedrückt: als Instrumente zur nachträglichen Schaffung von Strafbar- Die Tat Die Beteiligungsformen
keitslücken, darstellen, obwohl sie in Wirklichkeit die Strafbarkeit erst kon-
stituieren. objektiv subjektiv objektiv subjektiv

die objektiv
I.Täter- täterschafts- ,.
II. Die Tatherrschaft im Verhältnis zu Unrecht und Schuld Schaft begründenden TT ...
Indiztatbestand
TT «.•• J
Umstände Umstände
Während die Ansicht, daß dem Täterbegriff „zentrale Bedeutung" beim
Aufbau der Verbrechenslehre zukomme, sich im Anschluß an Welzel 5 bei
II. An-
den Vertretern der Tatherrschaftstheorie weitgehend durchgesetzt hat, ist es
stiftung
eine ganz ungeklärte Frage, wie die Elemente der Tatherrschaft im einzelnen
systematisch einzugruppieren sind.
Gegentatbestände
(Rechtfertigungsgründe) III. Bei-
1. Ablehnung einer „Indiztäterschaft" hilfe
Die Beschränkung des Täterbegriffs auf einen das Fehlen der Rechtferti-
gungsvoraussetzungen nicht umfassenden Indiztatbestand ist abzulehnen.
6
3
A n d e r s für den Täterbegriff ausdrücklich Gallas, G u t a c h t e n , S. 132
Vgl. S. 2 6 - 2 8 7
Vgl. dazu oben S. 205 u n d zu d e n Irrtumsfragen meine A b h a n d l u n g über „Offene Tat-
4
Schon oben, S. 29/30, ist in A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit Lange dargelegt w o r d e n , d a ß da b e s t ä n d e " ^ . 111 ff.
extensive Lehre einen verkappten sekundären Täterbegriff darstellt 7a
ganz ü b e r e i n s t i m m e n d jetzt Stratenwerth, Juristenjahrbuch 1961/62, S. 208/09
5
Vgl. n u r Lehrb., 7. Aufl., S. 89 8
Lehrb., 7. Aufl., S. 478ff.
330 331

Es sind also zuerst die objektiven Unrechtsvoraussetzungen zu prüfen; 4. Die Tatherrschaftslehre als Argument für die
dann folgt der Vorsatz, und daran schließt sich die Untersuchung, ob Täter- Zugehörigkeit des Vorsatzes zum Tatbestand
schaft, Anstiftung oder Beihilfe gegeben sind. Bei Erörterung der Beteili-
gungsformen ist wieder zu Beginn das Vorliegen der objektiven täterschaft- Vom Tatherrschaftsbegriff her gesehen ist es auch systematisch kaum mög-
lichen Voraussetzungen festzustellen, also etwa der Umstand, daß jemand lich, den Vorsatz und andere innerpsychische Voraussetzungen in die Schuld
die Tat durch einen vorsatzlos Handelnden bewirkt hat; danach ist zu er- einzugliedern, dadurch den einheitlichen Begriff zu zerreißen und nur seine
mitteln, ob der Veranlassende diese Umstände kannte, ob er also im Bei- „objektiven" Bestandteile in der Unrechtsebene zu belassen 12 .
spielsfall wußte, daß er einen Irrenden aufgefordert hatte. Ist das alles zu Solange man von den Teilnahmeformen abstrahiert, bleibt eine objektive
bejahen, so ist der Handelnde Täter des tatbestandlichen Unrechts, und es ist Unrechtslehre eine von ihren Prämissen her sinnvolle und mit einigen Ein-
nunmehr die Schuld zu prüfen. schränkungen 13 auch systematisch folgerichtig durchführbare Konzeption;
Die Übersicht zeigt, daß der Tatherrschaftsbegriff durch eine bloße, von denn die herbeigeführte Wirkung - etwa der Tod eines Menschen wird in
den sonstigen Unrechtsvoraussetzungen gelöste Zweiteilung in objektive ihrer Erfolgsqualität nicht davon berührt, ob der Handelnde vorsätzlich,
und subjektive Elemente nicht zu erfassen ist. Die äußere Erfüllung der fahrlässig oder schuldlos für sie ursächlich geworden ist.
Tatbestandsmerkmale und die finale Verwirklichung dieses Erfolges bilden Anders ist es aber, wenn man davon ausgeht, daß schon die tatbestand-
vielmehr in ihrer Einheit erst wieder die „objektive" Grundlage, auf der die lichen Beschreibungen unmittelbar den Tatherrn und Täter bezeichnen. Da
Frage nach der Tatherrschaft gestellt werden kann. Diese ihrerseits erfordert die finale Beziehung zum Erfolge diesem Begriff immanent ist, kann man sie
die äußeren herrschaftsbegründenden Voraussetzungen ebenso wie ihre nicht aus dem Tatbestand herausreißen, ohne die Bedeutung der Tatherr-
subjektive Kenntnis. Dabei ist zu beachten, daß die beiden letzten Elemente schaft für die Unrechtslehre zu zerstören.
nur eine auseinandergelegte dialektische Einheit bilden. Fallt etwa die Vor allem aber ist es bei der Tatherrschaft anders als bei dem Begriffspaar
Kenntnis fort, so kann man auch von einer „objektiven" Tatherrschaft nicht „Erfolg-Vorsatz" unmöglich, ihre objektiven und subjektiven Bestandteile
mehr sprechen. einer getrennten systematischen Würdigung zu unterziehen. Es würden
dabei keine isoliert verständlichen, sich ergänzenden und beliebig zu-
3. Die Schuldindifferenz des Täterbegriffs sammensetzbaren Sinneinheiten äußerer und innerpsychischer Art übrig
bleiben, sondern der gesamte Begriff würde sich in ein Nichts auflösen. Das
Ein schwieriges Problem bildet das Verhältnis des Täterbegriffs zur Schuld. ist leicht zu zeigen:
Die der Tatherrschaftstheorie nahestehenden Autoren sehen den „Täter" Wenn ein Arzt seinen ahnungslosen Kollegen bittet, einem Kranken eine
meist als Bestandsstück der Unrechtslehre an, doch wird er vereinzelt auch (in Wahrheit vergiftete) Spritze zu injizieren, so kann man unmöglich sagen,
mit dem Schuldbegriff in Verbindung gebracht 9 . Mir scheint, die Dinge daß der handelnde Kollege „objektiv" die Tatherrschaft habe und dies wegen
liegen so: seines fehlenden Vorsatzes nur nicht wisse: Er hat vielmehr die Tatherrschaft
Das Fehlen der Schuld, etwa das Vorliegen einer Nötigungssituation, schlechterdings überhaupt nicht. Der Gedanke einer so verstandenen
schließt die Täterschaft nicht aus, sofern ihre früher im einzelnen beschrie- „objektiven" Tatherrschaft wäre eine contradictio in adiecto; er wäre ebenso
benen Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn Welzel 10 in solchen Fällen aus der sinnlos, als wenn man bei einer fahrlässigen Tat von einer „objektiv vorsätz-
Täterschaft plötzlich eine „schuldlose Beihilfe" werden läßt, so ist das nicht lichen" Handlung sprechen wollte. Wollte man also den Vorsatz aus dem
nur ein systematischer Widerspruch in seiner allein auf das Unrecht ab- Unrechtstatbestand herausziehen, so ließe sich auch objektiv nichts mehr
gestellten Täterlehre, sondern auch eine Verkennung des Tatherrschafts- auffinden, was unter dem Gesichtspunkt der Tatherrschaft in diesem Bereich
begriffs11. Ebenso bleibt auch der Nötiger selbst mittelbarer - obgleich geprüft werden könnte.
schuldloser - Täter, wenn er etwa geisteskrank sein sollte. Insofern ist also Umgekehrt gibt es aber ebenso wenig eine von den objektiven Herr-
de'r Täterbegriff schuldindifferent, und die Auffassung Hellmuth Mayers, schaftsmöglichkeiten abstrahierte „subjektive" Tatherrschaft. Der Vorsatz
daß Täter nur sei, „wer voll verantwortlich den Tatbestand nach Wille*ns- selbst hat zur Täterschaft keine nähere Beziehung als zur Anstiftung und
und Tatseite ... setzt", ist abzulehnen. Beihilfe. Und alle sonstigen inneren Vorstellungen und Willensregungen
Zwei weitere, mit dem Schuldproblem zusammenhängende Fragen wer- haben für die Tatherrschaft nur Bedeutung, soweit sie sich in der Lenkung
den in den folgenden beiden Ziffern gesondert behandelt. des äußeren Geschehensablaufes auswirken. Löst man sie davon ab, so
erhält man keine „subjektive" Tatherrschaft, sondern gestaltungsunfähige
9
Vgl. etwa Jescheck, SchwZStr 1956, S. 235 f., H. Mayer, Lehrb., S. 303 f. und für die Tatherrschaft durchaus unerhebliche Reflexionen und Gefühls-
10
Lehrb., 7. Aufl., S. 91; wie hier in diesem Punkt Gallas, Gutachten, S. 133; Armin Kauf-
mann, Unterlassungsdelikte, S. 165, Anm. 187
12
" Das ist schon oben bei Begründung der Handlungsherrschaft ausführlich dargelegt So aber Nowakowski, JZ 1956, S. 545
worden, vgl. S. 134 13
Darüber in subtiler Differenzierung Engisch, Festschrift für Rittler, S. 165 ff.
332 333

impulse. Für ihre Beurteilung kann auf das verwiesen werden, was oben über sieht zweifelsfrei der Schuld zuzuweisen sind. Man denke nur an den Fall,
den „Tatherrschaftswillen" und das „Urhebergefühl" ausgeführt worden daß jemand bewußt den Verbotsirrtum eines anderen ausnutzt und dadurch
ist14. zum mittelbaren Täter wird 16 ! Würden hier beide dem gleichen Irrtum
Wenn demnach eine systematische Trennung in Unrechts- und Schuld- erliegen, so. könnte der Auffordernde nur Anstifter sein. Es ist demnach
bestandteile - wie man sie nach den Grundsätzen des von der kausalen unabweisbar, daß das Bewußtsein des materiellen Unrechts einer Verhal-
Handlungslehre überkommenen Verbrechensaufbaus vornehmen müßte - tensweise dem Hintermann die Herrschaft über das Geschehen ermöglicht.
undurchführbar ist, so bliebe nur noch eine Möglichkeit, um den Vorsatz Will man also die Differenzierung der Mitwirkungsformen im Unrechts-
und die Kenntnis der herrschaftsbegründenden Umstände für die Schuld bereich durchführen, so läßt es sich nicht vermeiden, das Bewußtsein der
zu retten: Man müßte den gesamten Tatherrschaftsbegriff und damit die Sozialschädlichkeit in solchen Fällen schon hier zu berücksichtigen. Eine
Abgrenzung der Beteiligungsformen überhaupt als Schuldproblem behan- noch seltsamere Konstellation ergibt sich, wenn jemand, der die Sach- und
deln. Rechtslage vollständig übersieht, sich zur Verwirklichung seiner Pläne eines
Aber schon der erste Blick zeigt, daß dieser Weg ausgeschlossen ist. Es anderen bedient, der irrtümlich die Voraussetzungen eines Schuldaus-
würde dadurch nicht nur der Tatbestandsbegriff völlig ausgehöhlt und auf schließungsgrundes, etwa des Notstandes (§ 54 StGB), annimmt 17 . Wenn
bloße Kausalabläufe reduziert werden. Es würde auch verkannt, daß die man hier, wie wir es oben getan haben, zur Begründung der mittelbaren
Abgrenzung der Beteiligungsformen mit der Vorwerfbarkeit nichts zu tun Täterschaft des Hintermannes nicht in erster Linie auf die psychische
hat. Der im Hintergrund stehende Anstifter und der Gehilfe können im Zwangssituation des Handelnden, sondern auf seinen Irrtum zurückgreift,
Einzelfall in derselben Weise vorwerfbar handeln wie der Täter. Auch so beruht die Lenkungsmöglichkeit des Außenstehenden auf der bei ihm
positiv-rechtlich würde eine solche Auffassung dem Grundsatz der limitier- im Gegensatz zum unmittelbaren Täter vorhandenen Kenntnis aller Schuld-
ten Akzessorietät eindeutig widersprechen. voraussetzungen.
Aus alledem ergibt sich, daß sich aus der Tatherrschaftslehre ein selb- Derartige Fälle sind mit den Kategorien der herkömmlichen Systematik
ständiges Argument für die Zugehörigkeit des Vorsatzes zum Tatbestand nicht ganz glatt einzuordnen. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man
gewinnen läßt 14a . Es wäre also nicht, wie es der in diesem Punkt nament- bedenkt, daß im klassischen Verbrechensaufbau für die Teilnahmeformen
lich durch Welzel bestimmten dogmengeschichtlichen Entwicklung ent- überhaupt kein Raum vorgesehen war, daß selbst unter den Finalisten die
spricht, die Handlungslehre nötig gewesen, um dieser Erkenntnis Bahn zu Elemente des Tatherrschaftsbegriffs weitgehend ungeklärt sind und noch
brechen. Man kann auch eine andere Handlungslehre vertreten und allein ohne festen Standort im System herumschweben und daß schließlich die
aus dem Tatherrschaftsgedanken - von sonstigen, hier nicht zu erörternden Aufgliederung der Verbrechenslehre bisher nie unter diesen Gesichtspunkten
Gesichtspunkten abgesehen - eine mit der finalen Handlungslehre überein- selbständig durchdacht worden ist. Es kann auch nicht die Aufgabe der vor-
stimmende systematische Stellung des Vorsatzes folgern. Es entspricht liegenden Arbeit sein, unter Berücksichtigung der Teilnahmelehre ein neues
dies einer Erwägung, die wir schon anfangs bei Erörterung der formal- Verbrechenssystem zu entwerfen. Denn dazu bedürfte es, wenn ein solches
objektiven Theorie angestellt haben 15 : Auch diese Lehre, bei der sich der Unterfangen nicht auf unbefriedigende ad-hoc-Konstruktionen hinauslaufen
Gedanke der Handlungsherrschaft schon vorgebildet findet, hätte, wenn sie soll, der Einbeziehung aller Fragen des Allgemeinen Teils - eine Notwendig-
je unter strafrechtssystematischen Gesichtspunkten durchdacht worden keit, deren Erfüllung den Rahmen dieser Abhandlung überschreiten müßte;
wäre, zur Überwindung einer objektiv-kausalen Tatbestandsauffassung zumal da es uns in erster Linie um ein Sachproblem (nämlich die Voraus-
führen müssen. setzungen der Täterschaft) geht, demgegenüber die systematischen Fragen
von sekundärer Bedeutung sind.
Wenn wir daher an den Pfeilern, auf die der „klassische" und der „finale"
5. Täterschaftsbegründende Schuldelemente Systemaufbau sich stützen, an dieser Stelle nicht rütteln, so ergibt sich
folgendes: Es kann bei Ermittlung der Tatherrschaft erforderlich sein, im
Auch wenn man den Vorsatz im Unrechtsbereich behandelt, läßt sich jedt)ch Zusammenhang der Unrechtsprüfung im Einzelfall einen Vorgriff in den
nicht leugnen, daß man zur Begründung der Tatherrschaft bisweilen auf Schuldbereich zu unternehmen und bestimmte systematisch dorthin ge-
Elemente zurückgreifen muß, die nach heute fast übereinstimmender An- hörige Elemente schon hier zu berücksichtigen. Das bedeutet keine Ver-
wischung der Grenzen von Unrecht und Schuld. Auch wenn einzelne
14
Vgl. S. 316-318 Schuldelemente seine Tatherrschaft mitbegründen, kann der Täter doch
Ha
U m Mißverständnissen v o r z u b e u g e n : Mit alledem ist der Vorsatz n u r insoweit gemeint,
als er mit der Finalität identisch ist. Wenn er d a r ü b e r hinausgehende Schuldelemente
aufweisen sollte - die Frage w u r d e oben, S. 180-193 (192 f.) offengelassen - ist deren
systematische Eingruppierung natürlich nicht präjudiziert. 16
Vgl. dazu eingehend oben S. 193 ff.
15
Vgl. oben S. 35/36 17
D a r ü b e r näher oben S. 208 ff.
334

wegen anderer Umstände, etwa weil er geisteskrank, strafunreif oder ge-


nötigt ist, schuldlos handeln.
Vor allem aber treten derartige Kriterien, z. B. das Bewußtsein der materi-
ellen Rechtswidrigkeit, in keiner Hinsicht unter Schuldaspekten in den
Blickpunkt der Täterprüfung. Wenn jemand die Rechtslage übersieht und
den Verbotsirrtum eines anderen ausnutzt, so ist er nicht Tatherr, weil sein
Verhalten schuldhafter ist als das des anderen, weil er etwa einen besonders
schweren Vorwurf verdient; das steht ganz dahin und muß im Bereiche der
Schuld erörtert werden. Mittelbarer Täter ist er vielmehr allein aus dem Neuntes Kapitel
Grunde, weil seine weiterreichende Kenntnis ihm die sinnhafte Lenkung des
Geschehensablaufes ermöglichte, eine Frage, die mit der Vorwerfbarkeit D e r Täterbegriff der v o r s ä t z l i c h e n B e g e h u n g s d e l i k t e
nicht das mindeste zu tun hat. Die „Verschränkung" von Unrecht und
Schuld bezieht sich also nur auf das Substrat der Beurteilung; ein und der-
selbe empirische Befund spielt unter beiderlei Gesichtspunkten eine Rolle; § 33. Die Reichweite des Tatherrschaftsbegriffes
nicht aber werden die Bereiche dadurch vermengt, daß die Spezifität des
Unrechts durch die individuelle Vorwerfbarkeit beeinflußt würde. I. Das Kriterium der Tatherrschaft als allgemeiner Täterbegriff
Sieht man die Dinge in diesem Lichte, so handelt es sich bei den hier
besprochenen Besonderheiten des Tatherrschaftsbegriffes um eine Erschei- Wir wissen jetzt, wie der Tatherrschaftsbegriff beschaffen ist. Wie aber soll
nung, die dem modernen Systemdenken auch sonst nicht mehr ganz un- man beweisen, daß der Gesetzgeber keinen anderen als den Tatherren für
gewohnt ist. So läßt es sich beispielsweise schwerlich bestreiten, daß der den Täter der vorsätzlichen Delikte hält? Da das Gesetz keine Definition
Vorsatz, selbst wenn man ihn als subjektives Tatbestandselement oder sogar des Täterbegriffes bietet und die Materialien keine verwertbaren Ansätze
als Handlungsmerkmal ansieht, gleichzeitig als besondere Schuldstufe eine erkennen lassen, gibt es nur zwei Wege, um eine solche Lösung evident zu
wesentliche Bedeutung erlangt 18 . Aus vergleichbaren Erwägungen, wenn machen; einen „positiven" und einen „negativen".
auch zum Teil in anderen Zusammenhängen, hat Hardwig 1 9 sogar die kühne 1. Die „positive" Begründung der Tatherrschaftslehre verlangt den Auf-
Behauptung aufgestellt, daß die Schuld 20 „in ihrem ganzen Umfang mit zum weis, daß der Täterbegriff methodisch im Ausgangspunkt und in der Durch-
Unrecht" gehöre. Wie dem auch sei: Jedenfalls ist es ein Irrtum zu meinen, führung richtig und den gesetzlichen Grundlagen entsprechend angelegt
daß ein Umstand, der für den Tatbestand oder die Schuld von Bedeutung ist, worden ist. Das ist im Vorhergehenden versucht worden. Dabei hat sich
deshalb für die jeweils andere Kategorie des Verbrechensaufbaus notwendig gezeigt, daß der Täter als die „Zentralgestalt des handlungsmäßigen Gesche-
„verbraucht" sein müßte. hens" anzusehen ist. Bei dem Unternehmen, diesen generalklauselartigen
Dem soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Es muß genügen, wenn und zunächst formalen Begriff mit Inhalt zu erfüllen, sind wir auf die Krite-
plausibel geworden ist, daß die Täterschaft auch in diesen Sonderfällen ein rien der Handlungsherrschaft, der Willensherrschaft und der funktionellen
Problem der Unrechtslehre bleibt. Außerdem mögen diese Andeutungen Tatherrschaft gestoßen, die sich alle drei als Ausprägungen eines umfassen-
zeigen, in welcher Richtung man weiterdenken muß, um die in diesem den Tatherrschaftsprinzips darstellen.
Bereich auftretenden Fragen systematisch zu bewältigen. Es ist also nicht so, daß wir von einem vorgefaßten Tatherrschaftsbegriff
ausgegangen wären, der nun nachträglich noch der Legitimation bedürfte.
i Wir haben vielmehr einen allgemeinen Täterbegriff gesucht und schrittweise
aufgebaut, für dessen zusammenfassende Kennzeichnung sich das Merkmal
der Tatherrschaft als besonders geeignet erwiesen hat.
Im Verlaufe der Untersuchung ist deutlich geworden, daß das, was wir als
den allgemeinen Täterbegriff ansehen und mit der Bezeichnung „Tatherr-
schaft" belegt haben, mit keiner der unter diesem Namen laufenden Lehren
voll übereinstimmt; das gilt sowohl für die Einzelergebnisse wie für die
theoretischen Grundlagen oder die dogmengeschichtliche Herleitung. Man
könnte deshalb fragen, ob es nicht zweckmäßiger sei, eine andere, neuartige
18
Vgl. dazu n u r meine „Offenen Tatbestände", S. 112ff. Im A n s c h l u ß daran jetzt Wiet- Kennzeichnung zu wählen, anstatt den ohnehin vieldeutig schillernden Tat-
hölter, D e r Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, 1960, S. 61f.
19
ZStW, Bd. 68, 1956, S. 31 bei A n m . 25
herrschaftsbegriff um eine weitere abweichende Ausprägung zu bereichern.
20
gemeint ist: ihr sachliches Substrat. Doch das verbietet sich aus zwei Gründen:
336 337

Zunächst entspricht es der dogmengeschichtlichen Kontinuität, den Täter- Wir können also sagen: Die Tatherrschaftslehre enthält, soweit es sich um
begriff, der hier in ständiger Auseinandersetzung mit allen Ausprägungen die bisher erörterten vorsätzlichen Begehungsdelikte handelt, die zutreffende
der modernen Entwicklung im einzelnen beschrieben worden ist, in diesen inhaltliche Bestimmung des allgemeinen gesetzlichen Täterbegriffes.
Zusammenhang hineinzustellen und die bei allen Verschiedenheiten be- 3. Mit alledem ist aber noch nicht gesichert, daß der Tatherrschaftsbegriff
stehende Verwandtschaft deutlich werden zu lassen. Die im vorstehenden der gesetzlichen Regelung auch nur der vorsätzlichen Begehungsdelikte aus-
dargelegten Auffassungen wollen - vom Ergebnis her gesehen - weniger als nahmslos zu Grunde liegt. Es könnte sein, daß der Gesetzgeber die Zentral-
„neue Theorie" denn als sachgerechte Ausarbeitung des als richtig erkannten gestalt des handlungsmäßigen Geschehens nicht in allen Fällen durch die
Tatherrschaftsgedankens verstanden werden. Tatherrschaft, sondern bisweilen durch andere sachliche Kriterien gekenn-
Vor allem aber wird die Bezeichnung als „Tatherrschaft" auch dem sach- zeichnet wissen wollte. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, einen Täter-
lichen Gehalt des hier vertretenen allgemeinen Täterbegriffs am besten begriff, der bei den im Vordergrund stehenden Delikten seine Brauchbarkeit
gerecht. Jetzt, da wir wissen, was unter dem Begriff der „Herrschaft" im ein- bewiesen hat, allein deshalb unterschiedslos und unbesehen auf jede Art
zelnen zu verstehen ist, ist es leicht, sich im Wege einer zusammenfassenden deliktischer Betätigung anzuwenden, wie es meist geschieht. Der Täter-
Überschau klar zu machen, warum dieses Kriterium das Richtige trifft, begriff ist aus dem Rechtsstoff herauszuholen, nicht ihm aufzuerlegen.
warum es, wie man fast sagen möchte, der „Natur der Sache" entspricht. Die Frage nach der Tragweite des Herrschaftsgedankens ist abschließend
Man braucht dazu nur den von uns erarbeiteten methodisch-formalen Richt- nur durch eine Analyse der Einzeltatbestände zu beantworten. Doch läßt
punkt der „Zentralgestalt", der „Schlüsselfigur", zu der unter diesem Blick- sich auf der Grundlage unserer bisherigen Ergebnisse schon gewissermaßen
winkel zu betrachtenden Regelungsmaterie, den Beschreibungen der gesetz- apriorisch feststellen, wo der Tatherrschaftsbegriff zur Abgrenzung der
lichen Tatbestände, in Beziehung zu setzen. Da die Strafbestimmungen Beteiligungsformen nicht mehr geeignet sein kann. Es handelt sich, soweit
grundsätzlich dem Rechtsgüterschutz dienen, und da die Beeinträchtigung ich sehe, um zwei denkbare Fallgruppen:
dieser Güter durch menschliche Handlungen erfolgt, schildern die Tat- a) Zunächst einmal kann die Tatherrschaft nur dort die Zentralgestalt des
bestände durchweg rechtsgüterverletzende Handlungsabläufe. Wenn man Deliktsgeschehens bezeichnen, wo das vom Gesetzgeber für strafwürdig
nun nach der Zentralgestalt eines solchen Vorganges fragt, so hat die Ant- erachtete Verhalten überhaupt beherrschbar ist. Beherrschbar sind alle
wort, daß im Mittelpunkt des Geschehens derjenige stehe, der die Tat Vorgänge, deren verpönte Wirkungen auf materiellem oder psychischem
beherrsche, eine unmittelbare Evidenz. Denn wer sollte im Zentrum eines Gebiet liegen. Tötungen, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Brand-
Handlungsverlaufes stehen, wenn nicht der, der ihn lenkt und maßgeblich stiftungen, Diebstähle usw. haben äußere Folgen, die einer lenkenden Gestal-
bestimmt? Freilich führt diese Antwort über eine Tautologie nur hinaus, tung im oben beschriebenen Sinne zugänglich sind. Ebenso unterliegen
wenn man den Herrschaftsbegriff nicht als inhaltlose, wertausfüllungs- psychische Einwirkungen, wie sie in Form von Nötigungen, Täuschungen,
bedürftige Formel, sondern als Zusammenfassung der oben im einzelnen Drohungen und Verletzungen des sittlichen oder religiösen Gefühls auf-
dargelegten Lösungen versteht. Jedenfalls erscheint es auch unter diesem treten, einer von außen steuernden Herrschaft. N u r auf diesem Umstand
Gesichtswinkel nicht als sinnvoll, auf den durchaus sachgerechten terminus beruht ja z. B. die mittelbare Täterschaft im Falle des § 52 StGB.
„Tatherrschaft" zu verzichten. In den Bereichen des physisch-sozialen und des seelischen Seins also, die,
2. Die „negative" Begründung der Tatherrschaftslehre, die Gegenprobe wie leicht zu erkennen ist, den Großteil aller Delikte umfassen, ist der Herr-
gewissermaßen, läßt sich dadurch führen, daß man nachweist, keiner der schaftsbegriff ohne weiteres verwendbar. Dagegen ist es ebenso klar, daß im
anderen je vertretenen Täterlehren sei die richtige Abgrenzung der Teil- Bereiche des geistigen Seins und damit - soweit das Strafrecht in Frage
nahmeformen in vollem Umfange gelungen, so daß der Tatherrschaftsgedanke kommt - der „Werte" eine äußere Beherrschbarkeit fehlt. Ein Treubruch
am Ende als einziger treffender Gesichtspunkt zur Aufgliederung der Mit- etwa oder ein Akt spezifischer Unmoral läßt sich durch Gewalt oder
wirkungsweisen übrig bleibt. Täuschung oder eine äußerlich noch so wichtige Mitwirkung nicht steuernd
Auch dieses Verfahren hat der bisherige Gang der Untersuchung einge- herbeiführen. Wenn man jemanden mit Gewalt zu einem derartigen Verhal-
schlossen. Es hat sich gezeigt, daß alle übrigen Theorien in dieser oder jefier ten zwingt oder ihn durch Täuschung dazu veranlaßt, so hat die abgenötigte
Hinsicht einseitig und lückenhaft sind und im ganzen in der Sauberkeit der oder abgelistete Handlung nicht den spezifischen Unwert, der sie zum
methodischen Durchführung ebenso wie in der Sachgerechtheit, Klarheit und Treubruch oder Moralverstoß stempelt.
Praktikabilität der Ergebnisse hinter der Tatherrschaftslehre erheblich zurück- Daraus folgt: Wenn sich erweisen sollte, daß der Gesetzgeber ohne Rück-
bleiben. Es ist auch nicht denkbar, daß irgendein völlig anders gearteter, sicht auf handlungsgebundene physisch-soziale oder psychische Folgen
bislang unentdeckter Täterbegriff den objektiven Sinnzusammenhängen des ausgesprochene Wertwidrigkeiten um ihrer selbst willen unter Strafe stellt,
Gesetzes besser entsprechen könnte als das Tatherrschaftsprinzip. Denn so würde in diesen Fällen der Tatherrschaftsbegriff als Kriterium der
dessen beschreibende Ausformung ist von vornherein so gestaltet worden, daß Zentralgestalt versagen. Dem wird im folgenden näher nachzugehen sein.
sie den vorher erarbeiteten Grundlagen so weit wie möglich gerecht wird. b) Ferner ist es ohne weiteres einleuchtend, daß es auf die Tatherrschaft
338 339

dort nicht ankommen kann, wo der Gesetzgeber selbst die Person des Täters 1. Der Diebstahl und das absichtslose dolose Werkzeug
durch andere Merkmale unter den Beteiligten heraushebt. Das klingt wie
eine Binsenwahrheit, und doch ist es von den Anhängern der Tatherrschafts- Am deutlichsten wird die Problematik beim Tatbestande des Diebstahls.
lehre bisher nicht beachtet worden. Wenn A in einem fremden Garten eine fette Gans herumwatscheln sieht
Daß der Gesetzgeber so vorgehen kann, daß er also bei bestimmten und der Freund B ihm auf seine Bitte das Tier herausholt, so wird allgemein
Deliktsgruppen die Zentralgestalt durch andere, der besonderen Regelungs- angenommen, daß A mittelbarer Täter des Diebstahls und B als sogenanntes
materie angepaßte Kriterien bestimmen kann, steht außer Zweifel. Wie aber „absichtsloses doloses Werkzeug" sein Gehilfe ist. Aber wie läßt sich
soll man feststellen, wo das der Fall sein könnte? das mit der Tatherrschaftslehre vereinbaren? Die Tatbestandshandlung -
Auch diese Frage läßt sich von den bislang erarbeiteten Grundlagen her in die Wegnahme - verwirklicht nur der B. Er beherrscht auch allein das
einer freilich nur vorläufigen und allgemeinen Weise beantworten. Denn Geschehen. Da A keine Macht über ihn hat, kann der B nach seinem Be-
wenn wir die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens, den Täter, in lieben die Gans laufen lassen, sie selbst behalten oder sie dem A geben. Der
den Schilderungen der Einzeltatbestände unmittelbar beschrieben finden, Fall liegt also strukturell nicht anders, als wenn B auf Bitten des A für ihn
während Anstifter und Gehilfe davon nicht direkt erfaßt werden, dann muß eine Fensterscheibe eingeworfen hätte - eine Sachgestaltung, bei der nach
es sich sogleich auf den Täterbegriff auswirken, wenn der Gesetzgeber das dem früher Dargelegten B ohne Zweifel als Täter und A als Anstifter zu
Handlungssubjekt durch andere Merkmale als ein bloßes, nach unserer Auf- betrachten wäre.
fassung den Tatherren meinendes „wer" kennzeichnet. Wenn trotzdem im Ausgangsbeispiel gemeinhin auch die Anhänger der
Wenn der Gesetzgeber beispielsweise von einem „Beamten" oder „Arzt" Tatherrschaftslehre zu einer anderen Lösung kommen, so liegt das offenbar
als Deliktssubjekt spricht, so ist das etwas anderes als ein Tatherr. Ein an der besonderen Tatbestandsfassung des §242 StGB, an der dort geforder-
Beamter braucht nicht die Tatherrschaft zu haben; und wer das Geschehen ten Zueignungsabsicht, die nach allgemeiner Ansicht nur dem A und nicht
beherrscht, braucht nicht Beamter zu sein. Es liegt deshalb nahe, daß dort, dem B zukommt. Wie die Berücksichtigung dieses subjektiven Tatbestands-
wo das Gesetz dem Handelnden besondere Merkmale beilegt, der Begriff merkmals mit dem Tatherrschaftsprinzip in Einklang zu bringen ist, ist ein
der Zentralgestalt durch andere Kriterien ausgefüllt wird. Dann aber ganz ungelöstes Problem.
muß es zu Fehlern und Begriffsverbiegungen führen, wenn man diese
Delikte mehr oder weniger gewaltsam in das Prokrustesbett des Tatherr-
schaftsbegriffes zwängt. Daraus erklären sich z.B. die unlösbaren Friktio- a) Zum Streitstand
nen, die schon oben bei dem Versuch hervorgetreten sind, die Problematik
des sog. qualifikationslosen dolosen Werkzeuges mit Hilfe des Tatherr- Welzel etwa, der den Hintermann als mittelbaren Täter und den Handelnden
schaftsbegriffes zu lösen 1 . als Gehilfen bestrafen will, versucht den Tatherrschaftsgedanken bei dieser
O b sich in Fällen der angedeuteten Art andere, einheitlich strukturierte Lösung durch die Bemerkung zu retten 3 : „Es handelt sich um Fälle, die
Kriterien der Täterbestimmung auffinden lassen, wie sie beschaffen sind und Mittäterschaft wären, wenn auch der unmittelbar Handelnde die täterschaft-
wie sie sich zum Tatherrschaftsbegriff verhalten, das wird noch eingehend zu liche Absicht hätte". Aber das überzeugt nicht. Denn erstens wird hier nach
untersuchen sein 2 . Im folgenden werden wir uns zunächst einer Delikts- Welzels eigenen Worten eine „Beinahe-Mittäterschaft" in eine mittelbare
gruppe zuwenden, die sich dem Geltungsbereich des Tatherrschaftsprinzips Täterschaft umgedeutet, obwohl Welzel selbst ganz zu recht die grund-
nur scheinbar entzieht. legende strukturelle Verschiedenheit dieser beiden Erscheinungsformen
täterschaftlichen Handelns hervorgehoben hat 4 . Und zweitens trifft es auch
nach Welzels eigenen Prämissen nicht einmal zu, daß eine Mittäterschaft
IL Tatherrschaft, Zueignungsdelikte und das Problem vorläge, wenn der Handelnde die Zueignungsabsicht hätte. Denn wenn der
des absichtslosen dolosen Werkzeugs Ausführende selbst Täter wäre, könnte der Auffordernde höchstens An-
stifter sein.
Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei den Zueignungsdelikten Gallas operiert hier in derselben Weise wie beim qualifikationslosen
hat immer wieder große Schwierigkeiten gemacht. Auch der Tatherrschafts- dolosen Werkzeug mit dem Gedanken, daß der „Anstiftungsakt" dadurch
theorie fügt sich diese Deliktsgruppe, wenn man der herrschenden Meinung zur „Ausübung von Tatherrschaft" werde, daß der Hintermann es kraft
folgt, nicht recht ein. Hauptbeispiele sind die Tatbestände des Diebstahls, der seiner Absicht in der Hand habe, ob es überhaupt zu einem deliktischen
Unterschlagung, der Hehlerei und der Wilderei.

1
Vgl. dazu S. 252-258 3
Lehrb., 7. Aufl., S. 93
2
Unten, §34, S. 352 ff. 4
Vgl. dazu oben S. 277
340 341

Geschehen komme 5 . Dagegen sind alle schon oben 6 vorgetragenen Ein- b) Die Lösung
wendungen geltend zu machen. Nicht A, sondern B hat es in der Hand, ob
ein Diebstahl ausgeführt wird. A hat darauf keinen größeren Einfluß als Zutreffend ist allein die Annahme, daß getreu dem Tatherrschaftsprinzip wie
jeder andere Anstifter; besäße er nicht einmal die Zueignungsabsicht, so läge bei jedem gewöhnlichen Tatbestand der unmittelbar Handelnde Täter und
nur eine Anstiftung zur Sachentziehung vor. der Hintermann Anstifter ist 12 . Dabei ist es nicht so, daß die Zueignungs-
Allein Maurach 7 trägt dem Tatherrschaftsgedanken in vollem Umfange absicht etwa außer Betracht zu lassen wäre; vielmehr liegt sie auch im Aus-
Rechnung, wenn er sagt, der Handelnde sei, da er die Wegnahme allein gangsbeispiel beim Wegnehmenden vor, so daß er den gesamten Tatbestand
bewirke und der Diebstahl keine Gewinnsuchtstat sei, jedenfalls Täter, nicht in eigener Person erfüllt. Diese der herrschenden Meinung widersprechende
Gehilfe. Dadurch werde zwar die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft des Lösung wird durch mehrere Argumente gestützt:
Hintermannes nicht schlechthin ausgeschlossen, aber auf die Fälle einer kon- aa) Auch die Gegenauffassung behauptet nicht, daß für die Zueignungs-
kret feststellbaren Tatherrschaft reduziert, die hier nicht aus einem Mangel absicht das Motiv der Gewinnsucht, der Vorteilserlangung oder des Eigen-
der volldeliktischen Natur der Haupttat gefolgert werden dürfe. Allerdings interesses erforderlich sei. Der heilige Crispinus, der Gegenstände stiehlt,
bleibt Maurach eine Erklärung dafür schuldig, ob und mit welchen Gründen um sie sogleich den Armen zu schenken, macht sich unstrittig nach §242
er dem Ausführenden die Zueignungsabsicht zusprechen oder ob er darauf StGB strafbar 13 , und zwar als Täter. Der Unterschied dieses Falles gegenüber
als Voraussetzung der Täterschaft überhaupt verzichten will. dem Ausgangsbeispiel soll nur darin liegen, daß beim Heiligen die Weiter-
Auch sonst sind alle nur erdenklichen Lösungen vertreten worden. So gabe sich als „Ausdruck angemaßter Eigentumsmacht" darstellt, während
wollte Mezger 8 auf der Grundlage der früher von ihm vertretenen formal- unser Gänsedieb B sich keine Eigentumsmacht anmaßen, sondern die Sache
objektiven Theorie eine Mittäterschaft annehmen; „denn der eine liefert den „schlicht weitergeben" wolle 14 .
subjektiven, der andere den objektiven tatbestandsmäßigen Tatbeitrag, und So plausibel diese Differenzierung klingt und so großen Beifall sie ge-
beide müssen sich bei solchem gegenseitigen Einverständnis nach §47 StGB funden hat: praktisch durchführbar ist sie nicht. Denn was heißt es, sich
den Tatbeitrag des anderen anrechnen lassen". Aber diese Argumentation eine Eigentumsmacht anzumaßen? Da ein zivilrechtlicher Eigentumserwerb
ist auch nicht stichhaltig. Entweder nämlich handelt es sich bei der Zu- nicht in Frage kommt, kann es nur bedeuten: se ut dominum gerere, sich
eignungsabsicht um ein echtes täterschaftliches Merkmal. Dann muß sie wie ein verfügungsberechtigter Eigentümer verhalten. Das tun hier durch
bei beiden vorliegen, und wer sie nicht hat, kann so wenig Mittäter sein wie die eigenmächtige Wegnahme und Weitergabe beide. Oder sollte es bei B
ein Nichtbeamter beim echten Amtsdelikt. Oder es handelt sich nicht um an einer selbständigen Verfügung fehlen, weil er dem A gegenüber nicht als
ein täterschaftliches Element. Dann kann der Hintermann nur Anstifter Berechtigter auf getreten ist? Das wäre seltsam; denn dann könnte der
sein. heilige Crispinus nicht mehr wegen Diebstahls bestraft werden, wenn er den
Weit verbreitet ist auch ein resignierender Verzicht auf jede Diebstahls- Armen bei der Weitergabe der Sachen ihre Herkunft mitteilte. Und wenn sie
strafe. Flegenheimer etwa, dem wir die gründlichste monographische Be- ihn bitten würden, ihnen bei späterer Gelegenheit noch einige Gegenstände
arbeitung des Themas verdanken 9 , begnügt sich damit, den Hintermann als zu besorgen, so müßten die Armen mittelbare Täter des neuen Diebstahls
Täter einer Unterschlagung und den Handelnden als Gehilfen dieser Tat zu sein, und der Heilige würde zum absichtslosen Werkzeug herabsinken,
erfassen, ein Ergebnis, das schon vor ihm namentlich Beling 10 vertreten obwohl die Tathandlung ebenso wie seine Vorstellungen und Motive haar-
hatte. Diese Lösung ist jedoch ganz unbefriedigend und steht sicher nicht im genau dieselben sind wie beim ersten Diebstahl.
Einklang mit dem Willen des Gesetzes. Denn es liegt klar zu Tage, daß hier Entscheidend kann demgegenüber doch nur sein, daß der Sich-Zueig-
eine Zueignung mittels Gewahrsamsbruches vorliegt, die der Gesetzgeber als nende ungenötigt und selbständig darüber bestimmt, ob er dem Eigentümer
Diebstahl bestraft wissen will 11 . Wenn wir an den Fall eines mit zehn Jahren die Sache dauernd entziehen, ob er sie weitergeben und wer sie erhalten
Zuchthaus bedrohten Einbruches denken, ist der Unterschied der Straf- soll. Diese Voraussetzung aber ist im einen wie im anderen Falle erfüllt. B
rahmen derart eklatant, daß eine zweckentsprechende Aufgabenverteilung handelt zwar um des A willen und auf dessen Wunsch; aber er holt und
für jeden Einbrecher ein gutes Geschäft wäre und die Anwendung des*§243 gibt ihm die Gans aus eigener Machtvollkommenheit und trifft demgemäß
weitgehend ausschließen könnte. auch eine „selbständige Verfügung" über sie, die den Zueignungsbegriff
erfüllt.
5
G u t a c h t e n S. 136
6 12
S. 254/255 So v o m S t a n d p u n k t der Tatherrschaftslehre aus beiläufig schon Kaun, Beteiligung am
7 Selbstmord, S. 35; aus früherer Zeit namentlich Kohler, Studien I, S. 129; weitere A n -
A. T., 2. Aufl., § 48 II, A, 2, a, S. 500
8 gaben bei Flegenheimer, S. 49
Lehrb., 2 . / 3 . Aufl., S. 428
9 13
Das P r o b l e m des „dolosen W e r k z e u g s " , 1913, Strafr. Abh., Heft 164, S. 52/53 Widersprüchlich Flegenheimer, der hier Strafbarkeit a n n i m m t , andererseits aber für den
10 Diebstahl „ H a n d e l n in eigenem Interesse" (S. 52) verlangt.
ZStW, Bd. 28, 1908, S. 602/03
11 14
Vgl. dazu auch Gallas, G u t a c h t e n , S. 135/36 Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 291
342 343

Alle anderen Unterscheidungen sind so spitz, daß sie mit keiner psychi- macht und dem furtum usus abzugrenzen. Eine Wegnahme, die nicht von
schen Realität mehr korrespondieren und zu ganz willkürlichen Ergebnissen dem Willen getragen ist, die Sache dem Berechtigten dauernd zu entziehen
führen müssen. Man denke sich nur, daß dem B vor oder nach der Weg- und wie ein Eigentümer wirtschaftlich darüber zu verfügen, ist kein Dieb-
nahme der Gedanke durch den Kopf schießt, ob er die Gans nicht lieber stahl. Die Zueignungsabsicht ist, wie Welzel 15 sehr treffend sagt, die „sinn-
selbst behalten solle, daß er sich dann aber doch entschließt, sie dem A zu beseelende Tendenz der Wegnahme". Einem Merkmal, das in dieser Art
geben. Hier ist nicht gut zu bestreiten, daß er eine eigenständige Verfügung einen Tatbestand von anderen, straflosen Verhaltensweisen abgrenzen soll,
trifft und demnach Täter des Diebstahls sein muß. Soll aber nun die Zueig- kann man schwerlich die Funktion unterschieben, gleichzeitig die gesamte
nungsabsicht durch eine Reflexion Zustandekommen, bei der der Handelnde Teilnahmelehre umzukehren.
nur die Möglichkeiten überdenkt, die seine ihm ohnehin bekannte Entschei- cc) Ferner sprechen die oben dargelegten allgemeinen Grundsätze der
dungsfreiheit bietet? Das wäre wenig sinnvoll - ganz abgesehen davon, daß Täterlehre mit Nachdruck gegen eine andersartige Differenzierung der
die herrschende Lehre bei einem der Wegnahme nachfolgenden Entschluß Beteiligungsformen beim Tatbestande des Diebstahls. Denn es handelt sich
zum Behalten der Sache den Einbrecher nicht mehr als Täter eines Dieb- hier um ein außenweltliches Geschehen, das in derselben Weise wie etwa
stahls strafen könnte, weil die Zueignungsabsicht nach dem Gesetzeswort- ein Totschlag oder eine Brandstiftung beherrschbar ist. Deshalb ist nicht
laut im Augenblick der Wegnahme vorliegen muß. einzusehen, warum das, was dort für zutreffend erkannt wurde, hier nicht
Der Wegnehmende hat also, solange er frei handelt, die Zueignungs- richtig sein soll.
absicht, und das Motiv seines Tuns ist gleichgültig. Das gilt auch in dem vom Das gilt nicht nur für die bislang erörterten Fälle der mittelbaren Täter-
Schrifttum oft angeführten Schulbeispiel des Bauern, der seinen Knecht schaft, sondern auch für die Mittäterschaft. Wenn mehrere Leute in arbeits-
auffordert, ihm die Gänse des Nachbarn in den Stall zu treiben. Hier wirkt teiligem Zusammenwirken eine Sache stehlen, so verfügen sie kraft ihrer
die Annahme mittelbarer Täterschaft wegen der unterlegenen sozialen funktionellen Tatherrschaft über den Gegenstand auch dann in einer den
Stellung des Ausführenden weniger befremdlich. Gleichwohl ist zu sagen: Zueignungsbegriff erfüllenden Weise, wenn die Beute wirtschaftlich nur
Entweder es liegt, wie es in früheren Zeiten gewesen sein mag, ein Befehls- einem zufließen soll. Wenn man nur den „Erwerber" als Täter und alle
verhältnis vor, das den militärischen Beziehungen zwischen Vorgesetztem anderen als Gehilfen ansehen wollte, wie es die herrschende Lehre konse-
und Untergebenen entspricht. Dann handelt es sich nach allgemeinen quenterweise tun muß 1 6 , so läuft das - genau wie im Ausgangsbeispiel des
Grundsätzen um einen Fall mittelbarer Täterschaft. Oder man nimmt wie von B verübten Gänsediebstahls - letzten Endes auf die Interessentheorie
Maurach (und noch viel weitergehend Lange) bei starker sozialer Abhängig- hinaus. Und diese Lehre ist falsch, wie hier nicht von neuem erklärt zu
keit eine Tatherrschaft des Hintermannes auch dann an, wenn der Aus- werden braucht. Sie verfehlt nicht nur den allgemeinen Täterbegriff; es ist
führende vorsätzlich schuldhaft vorgeht; dann ist wiederum eine mittelbare insbesondere auch ausgeschlossen, daß sie etwa entgegen der Regel dem
Täterschaft zu bejahen, ohne daß es des Rückgriffs auf die Konstruktion §242 StGB zugrundeliegt. Denn gerade hier steht außer Streit, daß der Täter
eines absichtslosen dolosen Werkzeugs bedürfte. Oder man schließt, wie es des Diebstahls ein Eigeninteresse an der Beute nicht zu haben braucht, wie
der hier vertretenen Auffassung entspricht, eine Tatherrschaft des Hinter- der Fall des heiligen Crispinus deutlich beweist.
mannes aus, solange dem unmittelbar eigenhändig Handelnden kein Ent- Das ganze Dilemma der Rechtsprechung zeigt die neueste Entscheidung
schuldigungsgrund zur Seite steht: Dann muß man auch dem Knecht die des Bundesgerichtshofs 16a zur Frage der Mittäterschaft beim Diebstahl: Hier
Zueignungsabsicht zusprechen; denn er verwirklicht die Wegnahme eigen- hatte ein Kellner gemeinsam mit dem Wirt Gäste beraubt. Dabei hatte er an
händig und verfügt ungenötigt zugunsten seines Bauern über die Diebes- der „gewaltsamen Entkleidung" eines Gastes mitgewirkt und offenbar auch
beute. Wollte man anders entscheiden, so müßte man auch den wirtschaftlich Geldscheine eigenhändig weggenommen, die er freilich „sogleich der Ver-
vom Hehler abhängenden Dieben, die auf dessen Geheiß neue Beute heran- fügungsgewalt" des Wirtes „überlassen" hatte. Es handelte sich also um
schaffen, die Täterschaft absprechen - eine Lösung, bei der die gesetzgebe- einen klassischen Fall gemeinsamer Tatherrschaft, die nach der hier vertre-
rischen Vorstellungen auf den Kopf gestellt würden und die ja auch von der tenen Lehre auch beim Diebstahl (bzw. Raub) mittäterschaftsbegründend
herrschenden Lehre nicht vertreten wird. wirkt. An der Zueignungsabsicht fehlt es nicht, weil gerade in der Ausübung
bb) Für die Annahme, auch der Diebstahl unterstehe dem Tatherr- der Tatherrschaft und der dadurch ermöglichten freiwilligen „Überlassung
schaftsprinzip, spricht außerdem entscheidend die Erwägung, daß die Tat-
bestandsfassung keinerlei Anhaltspunkte für eine andersartige Abgrenzung
von Täterschaft und Teilnahme bietet. 15
Lehrb., 7. Aufl., S. 296
16
Zunächst einmal läßt sich mit Sicherheit sagen, daß der Gesetzgeber die Vgl. auch Bockelmann, Untersuchungen, S. 120 Anm. 19, der hier von einer Unzuläng-
Zueignungsabsicht nicht im Hinblick auf die Teilnahmelehre, sondern um lichkeit „des §242 oder seiner Auslegung" spricht, gewisse Zweifel an der allgemein
vertretenen Auffassung also auch nicht unterdrücken kann; für Beihilfe Schröder,
ganz anderer Zwecke willen in den Tatbestand eingeführt hat. Der Grund JR1962, S. 348
16a
liegt in der Notwendigkeit, den Diebstahl von der bloßen verbotenen Eigen- BGHSt 17, 87-94 (88, 92 ff.).
344 345

der Sache an den anderen" sich die quasidingliche Verfügungsgewalt mani- Zu derselben Lösung, wie sie hier vertreten wird, scheint der Entwurf
festiert, die für die Zueignung kennzeichnend ist. 1962 zu kommen, wenn er in §235 von der Absicht spricht, die Sache „sich
Die herrschende Meinung würde hier freilich wohl entsprechend dem oder einem Dritten widerrechtlich zuzueignen". N u r in der Begründung
oben erwähnten „Gänsefall" ein schlichtes „Weitergeben" und damit ein besteht insofern ein Unterschied, als wir die selbständige Verfügung zu-
Fehlen der Zueignungsabsicht und eine bloße Beihilfe annehmen, wie es gunsten eines Dritten als ein „Sich-Zueignen" ansehen, so daß der erweiternde
auch Schröder 16b in seiner Anmerkung zu diesem Urteil tut. Der Bundes- Zusatz überflüssig wäre. Abgesehen davon verdient das Vorstehende aber
gerichtshof scheint von derselben Voraussetzung auszugehen, hält aber - auch de lege ferenda Berücksichtigung. Denn es handelt sich hier um ein
zu Recht - die Bejahung einer Mittäterschaft doch für angemessener und Sachproblem der Teilnahmelehre, das durch mehr oder weniger beliebige
kommt deshalb zu folgendem Leitsatz: „Wer eine fremde bewegliche Sache Umformulierungen der Tatbestandsfassung kaum abschließend zu lösen ist.
im Zusammenwirken mit einem anderen gewaltsam wegnimmt, eignet sie Wer nämlich - wie es anscheinend überwiegend auch die Anhänger der Tat-
sich auch dann zu, wenn er sie deshalb sogleich der Verfügungsgewalt des herrschaftslehre tun - die Lösung des Schulfalles vom Knecht, der seinem
anderen überläßt, weil er daran ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat Bauern die Gänse des Nachbarn in den Stall treibt, auf Grund allgemeiner
oder dadurch einer Anstandspflicht entsprechen will. Er ist Mittäter." Im Erwägungen über den Täterbegriff für richtig hält, wird auch bei veränder-
Text des Urteils wird die Annahme der Zueignung in diesen Fällen damit tem Wortlaut des Tatbestandes nicht anders zu entscheiden brauchen. Denn
begründet, daß der Täter „den wirtschaftlichen Wert der Sache (ganz oder wenn man dem Knecht schon eine eigene Verfügungsmacht abspricht, wird
teilweise) seinem Vermögen" zugeführt und daß er „den wirtschaftlichen man dem nach dieser Meinung allein vorliegenden untergeordneten Hand-
Wert des Geldscheins ... für sich" genutzt habe, weil er sonst hätte befürch- langerdienst überhaupt die Qualität eines selbständigen Zueignungsaktes -
ten müssen, selbst vom Wirt in Anspruch genommen zu werden. sei es auch zugunsten eines Dritten - nicht zugestehen und weiter zwischen
So richtig das Ergebnis ist, so unzutreffend ist die Begründung. Denn einer Drittzueignung und einer bloßen Übergabe unterscheiden. Deshalb ist
erstens ist der Diebstahl anerkanntermaßen kein Bereicherungsdelikt, so daß es erforderlich, auf die von der zufälligen Tatbestandsformulierung unab-
die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils für die Tatbestandserfüllung hängige sachliche Unhaltbarkeit der in diesem Punkte extrem subjektivisti-
irrelevant ist. Zweitens bedeutet es auch eine unerträgliche Überdehnung der schen herrschenden Lehre hinzuweisen.
Sachwerttheorie, daß mittelbare, nicht aus dem gestohlenen Gegenstand
fließende Vorteile sich als Zueignung des wirtschaftlichen Wertes einer Sache
darstellen sollen; wenn überhaupt, kann die Sachwerttheorie nur dort ver- c) Zum Problem des „absichtslosen dolosen Werkzeugs" im allgemeinen
wendet werden, wo der wirtschaftliche Wert der Sache selbst vermindert
wird; sonst würde die Grenzlinie zwischen Diebstahl, furtum usus und Soweit §242 StGB für die Teilnahmelehre ein Problem bedeutet, liegt die
Betrug völlig verwischt werden. Und drittens ist es selbst vom verfehlten Schwierigkeit im Begriff der Zueignung, nicht in dem einer davon ab-
Standpunkt des Bundesgerichtshofs aus nicht verständlich, wieso auch noch strahierten Absicht. Wenn man sie - wie es einer verbreiteten Auslegung
die Erfüllung einer Anstandspflicht - ein Gesichtspunkt, der ganz neben der entspricht - aus dem Tatbestande wegläßt und die Bestimmung so liest,
Sache liegt - die Zueignung begründen soll. daß die „Zueignung durch Wegnahme" den Gegenstand der Strafdrohung
Man sieht: Alle diese Umwege dienen nur dazu, die durch die Figur des bildet, so bedeutet das für die Teilnahmelehre nicht den geringsten Unter-
„absichtslosen dolosen Werkzeuges" der Rechtsprechung aufgenötigten schied.
sachwidrigen Ergebnisse zu vermeiden. Der schon im Ansatz steckende Dieser Umstand führt auf die Frage, ob es die heute fast allgemein aner-
Fehler kann nur durch neue Fehler wieder aufgehoben werden. kannte Rechtsfigur des „absichtslosen" Werkzeuges im Sinne einer durch
dd) Daraus folgt ein weiteres: Die Konstruktion eines „absichtslosen gleichartige Merkmale ausgezeichneten Fallgruppe überhaupt gibt. U m das
dolosen Werkzeuges" ist, soweit es um den Diebstahlstatbestand geht, ein Ergebnis vorwegzunehmen: Die Frage ist zu verneinen.
Relikt der reichsgerichtlichen Rechtsprechung, das selbst vom Standpunkt So handelt es sich etwa bei den von Maurach 17 hier angeführten Fällen,
der subjektiven Theorie aus, wie sie heute überwiegend noch vertreten wird, daß jemand durch ein ahnungsloses Zimmermädchen „seine" (in Wahrheit
keine Existenzberechtigung mehr hat. Denn der Ausführende erfüllt den eine fremde) Uhr wegnehmen läßt oder daß ein Arzt aus sexuellen Beweg-
gesamten Tatbestand eigenhändig oder hat wenigstens die Mitherrschaft inne gründen durch eine nichtsahnende Assistentin „Heileingriffe" bei Frauen
und dürfte deshalb höchstens von den jetzt auch in der Rechtsprechung vornehmen läßt, um typische Erscheinungsformen des vorsatzlosen Werk-
prinzipiell aufgegebenen Grundlagen des „Badewannenfalles" her als Teil- zeugs, die einer anderweitigen Einordnung nicht bedürfen. Wo, wie bei der
nehmer angesehen werden. „gewinnsüchtigen Absicht" in §133 Abs. 2 StGB, gesinnungshaltige Ele-

17
,6b
JR 1962, S. 348 A. X, 2. Aufl., § 48 II, A, 2, a, S. 499/500
346 347

mente die objektive Tatbestandsverwirklichung überlagern, ist ein das sich deshalb nicht auf einen Nenner bringen lassen. Daraus folgt aber
Tatherrschaftsprinzip modifizierender Einfluß auf die Teilnahmelehre eben- weiter, daß es diese Erscheinungsform mittelbarer Täterschaft, deren An-
falls ausgeschlossen. Wenn A mit gewinnsüchtiger Absicht den ohne diese erkennung sich nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen namentlich
Absicht handelnden B zu einer Tat nach § 133 StGB anstiftet, wird er nicht mit der formal-objektiven Theorie endlich allgemein durchgesetzt hat und
ein durch B als „absichtsloses Werkzeug" handelnder mittelbarer Täter. Das die sogar in die Getzesformulierung des Entwurfs 1958 (in §28 Abs. 2) und
gilt auch dann, wenn man auf das Verhältnis der beiden den § 50 Abs. 2 StGB in die Begründung des Entwurfs 196221 eingedrungen ist, in Wahrheit nicht
nicht anwendet. Denn es wäre absurd anzunehmen, daß der Gesetzgeber die gibt. Das ist nicht nur so gemeint, daß die Konstruktion einer mittelbaren
für § 133 Abs. 1 geltende Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme durch Täterschaft mit Hilfe eines absichtslosen dolosen Werkzeuges wegen ihres
die Qualifizierung in Absatz 2 hätte umkehren wollen. Widerspruchs zum Tatherrschaftsprinzip generell abzulehnen ist, sondern
Auch die sonst im Schrifttum behandelten Fälle lassen keine Notwendig- vor allem auch in dem Sinne, daß es sich hier von vornherein nicht um eine
keit zur Einführung eines „absichtslosen" Werkzeuges erkennen. Flegen- einheitlich gelagerte, besonderer Behandlung bedürftige Sachverhaltsgruppe
heimer 18 bringt das Beispiel, daß ein Münzbetrüger sich das Falschgeld von handelt. Auch alle anderen Theorien könnten also auf diese Rechtsfigur ver-
einer Person herstellen läßt, die zwar die verbrecherische Absicht des Auf- zichten und die ihr gewöhnlich zugeordneten Fälle nach ihren allgemeinen
traggebers kennt, die aber selbst „aus anderen Gründen, vielleicht aus Lieb- Beurteilungskriterien lösen. Die Tatherrschaftslehre jedenfalls findet hier
haberei, um ihre Kunstfertigkeit zu erproben, tätig wird". Er meint, der keine Grenze ihres Anwendungsbereichs.
Hersteller könne mangels der im Tatbestand geforderten Absicht nicht als
Täter nach §146 StGB, sondern nur als absichtsloses Werkzeug wegen Bei-
hilfe gemäß § 147 2. Alt. bestraft werden. Allein: Wenn der Amateurfälscher 2. Die Unterschlagung
ausnahmsweise den Auftrag eines Verbrechers annimmt, hat er in concreto
die in § 146 geforderte Absicht - auf das Motiv, den Endzweck, kommt es Auch der Tatbestand der Unterschlagung birgt bei der Abgrenzung von
hier nicht an 19 - und wird zu Recht wegen der in der selbständigen Her- Täterschaft und Teilnahme einige Probleme, die die Anwendbarkeit des Tat-
stellung sich manifestierenden Tatherrschaft als Täter des §146 StGB herrschaftsprinzips als zweifelhaft erscheinen lassen.
bestraft. Und was § 147 betrifft, so ist der Hersteller allerdings Gehilfe; aber a) Zunächst bereitet wie beim Diebstahl der Begriff des „Sich-Zueignens"
nicht wegen der fehlenden Absicht, sondern nur deshalb, weil er hinsichtlich Auslegungsschwierigkeiten. So hat Rosenfeld 22 einige Fälle gebildet, die
der Verfügungen, die sein Auftraggeber über das Geld trifft, keine Tatherr- er vom Standpunkt der von ihm vertretenen formal-objektiven Theorie für
schaft besitzt. unlösbar hielt: Jemand leugnet den Besitz einer geliehenen Sache gegenüber
Wie steht es aber mit §257 StGB? Ist der Knecht, der dem Freunde des dem Eigentümer im Interesse eines dritten, unbefugten Verleihers; oder:
Bauern auf dessen Aufforderung hin zur Flucht verhilft, ein absichtsloses Der Vermieter streitet den Besitz seines Untermieters an einer fremden Sache
doloses Werkzeug, während der Herr mittelbarer Täter einer Begünstigung ab. Hier sei eine objektive Abgrenzung undurchführbar, meint Rosenfeld.
ist? Auch hier führt diese Konstruktion nicht weiter; denn der Bauer ist Vielmehr werde die Täterschaft durch ein „Sich-Zueignen" und damit
zwar Täter, aber unmittelbarer, weil schon in der Beauftragung des Knechts durch ein „egoistisches Motiv" begründet. Da es den Handelnden der Bei-
eine selbständige Beistandskistung liegt 20 . Der Knecht ist ebenfalls Täter, spielsfälle fehle, könnten sie nicht Täter der Unterschlagung sein. Der Ein-
wenn man entweder unter der Strafvereitelungsabsicht nur den dolus wand würde, wenn er zuträfe, auch gegenüber dem Tatherrschaftsprinzip
directus versteht oder - bei weitergehender Auslegung - er sich den Hilfs- gelten; denn das äußere Geschehen lenkt der jeweils Leugnende allein. Aber
zweck des Bauern zu eigen gemacht hat. Nimmt man an, ihm fehle die die Ausführungen Rosenfelds treffen nicht den Kern der Sache. Zwar ist in
Absicht, so kann er zwar nicht Täter sein, aber er hat dann auch keine den angeführten Fällen in der Tat eine Unterschlagung abzulehnen. Der
Begünstigungshandlung in dem vom Gesetz geforderten Sinne vorgenom- Grund liegt aber nicht darin, daß ein egoistisches Motiv vorausgesetzt
men, weil die das äußere Verhalten tragende und vom Gesetz geforderte würde; darauf kann es hier so wenig wie beim Diebstahl ankommen; wer
Strafvereitelungstendenz fehlt. eine geliehene Sache den Armen schenkt, begeht dadurch eine Unterschla-
Auf weitere, noch ferner liegende Beispielsfälle brauchen wir nicht einzu- gung, obwohl jedes egoistische Motiv fehlt. Vielmehr mangelt es an einem
gehen. Schon die vorstehende Auswahl läßt deutlich werden, daß die für die Zueignungsakt deshalb, weil ein Wille, die Sache dem Eigentümer dauernd
Existenz einer Gruppe von „absichtslosen dolosen Werkzeugen" angeführ- zu entziehen, nicht vorliegt, solange die Handelnden durch ihre Lüge den
ten Sachverhalte eine durchaus verschiedenartige Struktur aufweisen und möglicherweise ehrlichen Gewahrsamsinhabern nur die Möglichkeit der
Zueignung erhalten wollen. Dem allgemeinen Täterbegriff widerspricht
18
a. a. O . S. 58/59
19 21
Vgl. n u r Schönke/Schröder, 10. Aufl., § 146 IV S. 149
20 22
Vgl. dazu auch Flegenheimer, S. 60 Frank-Festgabe, Bd. II, S. 173
348 349

das nicht: Denn die Täterschaft setzt zunächst eine „Tat" voraus, die hier fugnis, die das Wesen des „Sich-Zueignens" ausmacht. Allein diese Lösung
von vornherein nicht gegeben ist. Wenn andererseits der Entleiher und der vermeidet willkürliche oder den Charakter der Unterschlagung verfehlende
Vermieter auf Anweisung des Verleihers oder Untermieters handeln, so Ergebnisse. Sie entspricht in vollem Umfang dem Tatherrschaftsprinzip
haben diese schon dadurch eine vollendete Unterschlagung begangen und und der Auffassung, zu der wir oben bei Erörterung der in §242 geforder-
das spätere Ableugnen kann höchstens unter dem Gesichtspunkt der Be- ten Zueignungsabsicht aus mehreren, hier außerdem entsprechend heran-
günstigung und des Sicherungsbetruges gewürdigt werden. zuziehenden Erwägungen gekommen sind.
Ähnlichen Bedenken sind auch einige Entscheidungen des Bundes- b) Eine weitere, allerdings mit dem Zueignungsbegriff nicht zusammen-
gerichtshofs ausgesetzt. Den in der Praxis nicht seltenen Fall, daß ein An- hängende Täterschaftsproblematik ergibt sich daraus, daß der Wortlaut des
gestellter Gegenstände, die seiner Aufsicht unterstehen, unbefugt an Dritte §246 StGB vom Handelnden die Zueignung einer Sache verlangt, „die er
verschenkt, will der B G H so entscheiden: Der Angestellte soll Täter einer in Besitz oder Gewahrsam hat". Ein vom B G H entschiedener Fall macht
Unterschlagung sein, wenn er „davon einen Nutzen oder Vorteil im weite- die Schwierigkeit deutlich 25 : Ein Arbeiter E hatte einer Firma Papierrollen
sten Sinne, wenn auch nur mittelbar, hat, zum mindesten in eigenem Namen zuzuführen, lieferte aber nicht alle ab, sondern behielt einige zurück, die
über die Sache verfügt" 23 , andernfalls soll offenbar nur der Empfänger Täter er auf eigene Rechnung verkaufte. Die Angestellten M und B der zu be-
einer Unterschlagung sein können, während der Verfügende als Gehilfe zu liefernden Firma ermöglichten das, indem sie fälschlich für ihre Firma den
bestrafen wäre 24 . Empfang sämtlicher Rollen bestätigten. Sie erhielten einen Anteil aus dem
Das ist freilich mit dem Tatherrschaftsprinzip kaum zu vereinbaren; denn Erlös.
die Zentralgestalt des Handlungsvorganges ist sicher der Verfügende, der Hier liegt nach der Tatherrschaftslehre ein typischer Fall der Mittäter-
allein darüber entscheidet, ob die Sache dem Eigentümer entzogen wird und schaft vor. Die Beteiligten haben im Ausführungsstadium durch zweckvoll
wer sie bekommt. Aber die Auffassung des B G H ist auch nicht richtig. Da ineinandergreifende Handlungen die Entziehung der Sache zuwege gebracht
die Unterschlagung anerkanntermaßen kein Bereicherungsdelikt ist, kann die und damit jeder die funktionelle Tatherrschaft ausgeübt. Gleichwohl glaubt
Täterschaft nicht davon abhängen, ob der Handelnde von der Verfügung der B G H im Widerspruch zu diesen allgemeinen Grundsätzen der Täter-
einen Vorteil hat - zumal da die Entscheidung selbst dieses Erfordernis schaft die beiden Firmenangestellten nur als Gehilfen ansehen zu können,
durch erhebliche Einschränkungen („im weitesten Sinne", „wenn auch nur weil sie den Gewahrsam an der Sache nicht innegehabt haben.
mittelbar") sofort wieder relativiert und bei der Verfügung in eigenem Auch diese Lösung ist aber nicht zutreffend. Das Problem erledigt sich
Namen ganz darauf verzichtet. Die weitere Erwägung des BGH, daß der ohne weiteres, wenn man mit den Vertretern der im Schrifttum überwiegen-
Handelnde sich durch die Erlangung eines derartigen mittelbaren Vorteils den sog. „berichtigenden" Auslegung das Gewahrsamserfordernis aus dem
„im weitesten Sinne" die Sache „ihrem wirtschaftlichen Werte nach" zueigne, Tatbestand hinausinterpretiert. Dann ist selbstverständlich eine Mittäter-
ist - wie hier nicht näher dargelegt zu werden braucht - eine ganz unhaltbare schaft anzunehmen.
Folgerung aus der ohnehin fragwürdigen Sachwerttheorie, bei der zudem Aber auch wenn man mit dem Bundesgerichtshof und der in neuerer
unklar bleibt, wie sich das Gericht den Zueignungsvorgang bei der vorteils- Zeit besonders eindrucksvoll von Bockelmann 26 vertretenen Auffassung
losen Verfügung im eigenen Namen vorstellt. Abgesehen davon ist es auch annimmt, der Gesetzgeber habe, um die Strafbarkeit nicht über Gebühr aus-
für das Rechtsgefühl nicht einleuchtend, daß die Annahme einer Unter- zudehnen, bewußt ein Gewahrsamsverhältnis vorausgesetzt, so ist damit
schlagung bzw. die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sich nach doch noch nicht gesagt, daß diese Beziehung bei jedem Mittäter vorliegen
dem zufälligen Umstand richten soll, ob der Angestellte seine unberechtigte muß. Eine derartige These läßt sich aus dem Grundgedanken nicht recht-
Verfügung in eigenem Namen getroffen oder eine Vertretungsmacht vor- fertigen, denn wenn, wie hier, die Strafbarkeit von M und B einmal feststeht,
getäuscht hat. kann der Gesetzgeber kein Interesse daran haben, sie dem Täterkreis zu
Das alles scheint mir deutlich zu beweisen: Ein Angestellter, der Gelder entziehen. Die Struktur des Unterschlagungstatbestandes liefert, wie in
öder Sachen der Firma, die in seinem Gewahrsam stehen, unbefugt ver- anderem Zusammenhang 27 noch näher darzulegen sein wird, keine An-
schenkt, ist stets Täter einer Unterschlagung, einerlei, ob er es mit "oder haltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber hier einen anderen Täterbegriff
ohne Vorteilsabsicht, in eigenem oder fremdem Namen tut. Denn in der hätte einführen wollen. Es ist ein gerade im Bereich der Teilnahmelehre
eigenmächtigen Verfügung selbst liegt die endgültige Entziehung aus dem häufig anzutreffender methodischer Fehler, wenn man aus einer Formu-
fremden Vermögen und die Anmaßung der wirtschaftlichen Dispositionsbe- lierung, die ihre Fassung ersichtlich anderen gesetzgeberischen Intentionen
(hier etwa: Einschränkung des Bereiches strafbarer Unterschlagung) ver-
B G H S t 4, 236-244 (238); ebenso B G H , N J W 54, S. 1295; vgl. jetzt auch B G H S t 17,
87-94 (88, 92 ff.) u n d oben S. 344/355 25
B G H S t 2, 317-320
Ist der Empfänger gutläubig, m ü ß t e eine Bestrafung wegen Unterschlagung ü b e r h a u p t 26
jetzt: U n t e r s u c h u n g e n , S. 216ff.
ausscheiden — ein sehr unbefriedigendes Ergebnis. 27
Vgl. unten S. 386/387
350 351

dankt, ohne weiteres Rückschlüsse auf die Abgrenzung von Täterschaft und gegen. Schon im Jahre 1935 schrieb Henkel 3 0 : „Warum ... nicht schlecht-
Teilnahme zieht, obwohl dieser Bereich vom Gesetzgeber gar nicht ins Auge hin jede Erlangung der Verfügungsgewalt als ein Ansichbringen ... soll
gefaßt worden war. gelten dürfen, ist unerfindlich, stellt sich doch der natürlichen Betrachtung
Bockelmann, der dem B G H in der Ablehnung der Mittäterschaft zu auch der Fremderwerb als ein Ansichbringen, ein Zugriff auf die Sache,
Unrecht folgen zu müssen glaubt, spricht selbst, da er in dieser von ihm dar".
gezogenen Konsequenz keinen rechten Sinn erkennen kann, von „ernst- Wenn trotzdem das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung 31 ver-
lichen Schwierigkeiten" 28 in der Teilnahmelehre. Denn wie sollen die beiden langte, daß der Erwerber den Willen haben müsse, über die Sache als eigene
Angestellten Gehilfen sein, wenn eine Willensunterordnung im Sinne der oder zu eigenen Zwecken zu verfügen, so kamen hier zwei Fehler
von Bockelmann vertretenen Dolustheorie fehlt? Er hilft sich mit der Er- zusammen: Erstens wandte man das Kriterium der Verfügungsgewalt, das
wägung, daß „objektiv nur Beihilfe ..., subjektiv aber sogar Täterschuld" 29 nur die Funktion haben kann, die Hehlerei von Verhaltensweisen wie der
gegeben sei und deshalb eine Bestrafung wegen Beihilfe erfolgen dürfe. Aber Leihe und Miete deliktisch erworbener Sachen abzugrenzen, unbesehen auf
diese Begründung zeigt nur, daß hier keine brauchbare Lösung vorliegt. den Fremderwerb an, obwohl hier ein definitives Weiterschieben der Ver-
Denn es bleibt unklar, was man sich unter einer „objektiven Beihilfe" vor- brechensbeute, das die Hehlerei ihrem Wesen nach kennzeichnet, sicherlich
stellen soll, wenn deren einziges Kriterium in der Willensunterordnung liegt vorliegt. Zweitens verkoppelte man dieses Kriterium auch noch mit der
und diese in keinem denkbaren Sinne - weder subjektiv noch objektiv - Animus-Theorie, indem man die dem Angestellten tatsächlich zustehende
gegeben ist. Die Unterscheidung zwischen „objektiver Beihilfe" und „sub- Verfügungsmacht nicht genügen ließ, sondern zusätzlich noch den Willen
jektiver Täterschuld" ist außerdem deshalb nicht durchführbar, weil „äuße- verlangte, über die Sache „als eigene" zu verfügen.
rer" Sachverhalt und „innere" Schuld sich decken, so daß eine Inkongruenz, Erfreulicherweise hat auch der Bundesgerichtshof im Anschluß an Henkel
die zu einem überschießenden Vorstellungsinhalt führen könnte, in keinem diese Rechtsprechung jetzt aufgegeben 32 . Dadurch wird die Übereinstim-
Punkte auffindbar ist. mung mit der Tatherrschaftslehre wieder hergestellt: Der Fremderwerber,
Auch hier ergibt sich also: Es ist Mittäterschaft anzunehmen, und eine der den Beschaffungsvorgang selbständig lenkt, ist Täter, nicht nur Gehilfe
Abweichung vom Tatherrschaftsprinzip liegt nicht vor. der Hehlerei.
Freilich scheidet diese Lösung aus, wenn der Erwerbende nicht „seines
Vorteils wegen" handelt. Aber dann liegt eine Hehlerei, wie sie das Gesetz
3. Hehlerei und Wilderei fordert, überhaupt noch nicht vor, so daß auch der Prinzipal nicht etwa
tatherrschaftswidrig Täter ist. Vielmehr besteht seine Hehlerei in diesem
Von weiteren in Frage kommenden Tatbeständen seien hier nur die §§ 259, Falle erst darin, daß er die Sache vom Angestellten in Kenntnis ihrer delik-
292 StGB herausgegriffen, deren Problematik trotz unterschiedlicher Tat- tischen Herkunft übernimmt.
bestandsfassung wieder mit dem Zueignungsbegriff zusammenhängt und b) Beim Tatbestande des §292 StGB entsteht die Frage, ob die Treiber
die ebenfalls in den Anwendungsbereich der Tatherrschaftslehre einzube- des Wilderers Mittäter oder Gehilfen sind. Rosenfeld 33 will hier eine Aus-
ziehen sind. nahme von seiner sonst objektiven Abgrenzung machen; er meint, Täter der
a) Beim Tatbestande der Hehlerei tritt immer wieder der Fall auf, daß der Wilderei könne nur sein, wessen Handlung von der Zueignungsabsicht
Gewerbegehilfe mit oder ohne Wissen des Prinzipals für diesen gestohlene getragen sei. Diese Ansicht vertreten heute noch der Leipziger Kommentar 34
Sachen anschafft. Kann er als Täter einer Hehlerei bestraft werden, oder ist und Schwarz-Dreher 35 ; beide gehen davon aus, daß der Treiber „im Zweifel"
er nur Gehilfe oder - bei fehlender Kenntnis des Geschäftsherrn - gar ganz und „regelmäßig" nur Gehilfe sei. Diese Auffassung geht zurück auf eine
straflos, weil er das Merkmal des Ansichbringens nicht erfüllt hat? Entscheidung des Reichsgerichts 36 , wo es heißt, daß „der bloße Treiber im
Tatherr ist der Angestellte, wenn und soweit er die Anschaffung selbst allgemeinen nur als Gehilfe" werde erachtet werden können, es sei denn, daß
vornimmt. Der Chef ist, wenn er Bescheid weiß, aber beim Erwerb nicht seine Absicht „auf die gemeinsame Erlegung des Wildes gerichtet" sei.
mitwirkt, nach den allgemeinen Grundsätzen der Täterschaft nur Ansfifter
oder Gehilfe, begeht aber durch die Entgegennahme der Sache vom Ange- 30
DJ 1935, S. 1737/38 (1738)
stellten eine selbständige Hehlerei. 31
Vgl. n u r R G S t 55, 220/221 (220); 56, 335-336 (335); 57, 73-75 (74); 64, 2 1 - 2 3 (21)
Der Wortlaut des Tatbestandes setzt hier einer der Tatherrschaftslehre 32
B G H S t 2, 262-269; 3 5 5 - 3 5 8 ; anders aber heute noch Schönke/Schröder, 10. Aufl., §259
entsprechenden Abgrenzung der Beteiligungsformen keine Hindernisse ent- VI, 1, a
33
Frank-Festgabe, Bd. II, S. 174-176; er bezeichnet das als die damals „wohl überwiegende
Meinung", vgl. S. 175 Anm. 1
34
8. Aufl., § 2 9 2 , 8, S. 596 (Jagusch); ebenso Nagler/Schinnerer in der Vorauflage.
28 35
a. a. O . , S. 227i. 23. Aufl., § 2 9 2 , 6
29 36
a. a. O . , S. 228 G A , Bd. 54, 1907, S. 480/81
352 353

Vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus, deren Vertreter sich zu Die Widerlegung einer solchen Auffassung ergibt sich nicht aus dem
der Frage nicht geäußert haben, ist diese Subjektivierung des Wildereitat- Tatherrschaftsbegriff, sondern aus der oben entwickelten Bedeutung des
bestandes abzulehnen. Es handelt sich auch nicht etwa um eine Erschei- Tatbestandes für die Ermittlung der Täterschaft. Wenn die Deliktsbeschrei-
nungsform des ohnehin nicht anzuerkennenden „absichtslosen dolosen bungen Handlung und Person des Täters schildern und die Teilnahme-
Werkzeugs"; denn der Treiber hat, wie immer man zum Begriff des Sich- bestimmungen sich demgegenüber als Strafausdehnungsgründe darstellen, so
zueignens stehen mag, zumindest das Merkmal des „Nachstellens" in eigener muß ein Tatbestand, indem er eine Aussagenerpressung durch einen Beamten
Person erfüllt, und nur vom Standpunkt einer extremen Animus-Theorie verlangt, damit gleichzeitig eine unabdingbare Voraussetzung der Täterschaft
aus könnte man geneigt sein, hier noch zusätzlich einen „Täterwillen" zu kennzeichnen. Mit anderen Worten: Die Vornahme einer Untersuchung
verlangen. durch einen Beamten konstituiert im Falle des §343 StGB die Täterschaft,
In Wirklichkeit liegt ein klassischer Fall der Mittäterschaft vor: Jäger und während bei den Teilnehmern dieses Kriterium fehlt oder zumindest fehlen
Treiber wirken arbeitsteilig zur Erreichung desselben Erfolges zusammen kann. Diese Auffassung entspricht denn auch der absolut herrschenden
und erfüllen beide eine gleich notwendige Funktion. Allerdings wird hier Meinung selbst unter den Anhängern der Tatherrschaftslehre.
besonders deutlich, daß man den Gedanken der funktionellen Tatherrschaft Die Gegenansicht würde zu unabsehbaren Folgen führen: Private Unter-
nicht in kausalem Sinne verstehen darf. Auch wenn sich hinterher heraus- nehmungen, bei denen die Täuschung oder Nötigung von Beamten eine
stellt, daß es auf einen einzelnen Treiber in concreto nicht angekommen ist, Rolle spielt, würden zu Amtsverbrechen in mittelbarer Täterschaft auf-
hatte er doch im Rahmen des Gesamtplans eine ebenso wichtige Aufgabe wie rücken, während doch schon die Überschrift des 28. Abschnitts erkennen
jeder andere. Das genügt für die Mittäterschaft. läßt, daß der Gesetzgeber hier ein Verbrechen oder Vergehen „im Amte"
voraussetzt.
Wir können demnach als gesichert ansehen, daß nur ein Intraneus Täter
§34. Pflichtdelikte der Amtsdelikte sein kann. Faßt man im Ausgangsbeispiel den für die Täter-
schaft entscheidenden Gesichtspunkt näher ins Auge, so zeigt sich, daß es
I. Zur Einführung nicht die Beamteneigenschaft und auch nicht die abstrakte Qualifikation als
Untersuchungsführer ist, die jemanden zum Täter macht: Es ist vielmehr die
In den bisher erörterten Fällen waren es stets nur scheinbare Schwierig- aus der Befassung mit einer konkreten Rechtssache sich ergebende spezi-
keiten, die sich der Durchführung des Tatherrschaftsgedankens in den Weg fische Pflicht zur sachgemäßen Vernehmung der Beteiligten, deren bewußte
stellten. Es gibt jedoch Strafbestimmungen, die seine Anwendung aus- Verletzung die Täterschaft begründet. Entsprechendes gilt für die übrigen
schließen. Beamten- und Sonderdelikte: §340 StGB etwa erfaßt nicht jede Körper-
Wenn etwa jemand unter den Voraussetzungen des §52 StGB einen verletzung durch einen Beamten, sondern die Tat muß im Zusammenhang
Beamten zu einer Aussagenerpressung (§ 343 StGB) veranlaßt, so hat er, wie mit einem konkreten Akt der Amtsausübung begangen sein; es ist also die
wir oben gesehen haben, die Tatherrschaft über das Geschehen. Aber er öffentlich-rechtliche Pflicht, sich bei der Amtsausübung nicht zu Mißhand-
ist trotzdem nicht Täter einer Aussagenerpressung nach §343 StGB. Das lungen hinreißen zu lassen, deren Verletzung den Handelnden zum Täter des
folgt aus dem Tatbestand dieser Bestimmung, die einen Beamten als Delikts- qualifizierten Tatbestandes erhebt; ebenso, wie der Arzt und der Rechts-
subjekt voraussetzt. anwalt nach §300 StGB die aus einer konkreten Lebenssituation ent-
Ganz selbstverständlich ist das freilich nicht. Es wäre denkbar, daß der springende Schweigepflicht gebrochen haben müssen, um Täter dieses Tat-
Gesetzgeber die Qualifikation des Werkzeuges genügen lassen könnte, um bestandes zu werden.
einen Hintermann, sofern er die Tatherrschaft hat, als mittelbaren Täter zu Daraus folgt aber weiter, daß auch die Kategorie der „Sonderdelikte" 3
bestrafen 1 . Das wäre sogar die konsequente Lösung, wenn man den Täter in das hier für die Täterschaft entscheidende Element nicht erfaßt. Auch
allen Fällen durch die Innehabung der Tatherrschaft kennzeichnen wollte. dort, wo der Täterkreis nicht von vornherein auf bestimmte Berufsgruppen
Man müßte dann die Beamteneigenschaft nicht als selbständiges Täter- oder Stände beschränkt ist, tritt dieselbe Erscheinung auf. Täter des Treu-
kriterium, sondern als gewöhnliches Tatbestandsmerkmal ansehen, das wie bruchstatbestandes nach § 266 StGB kann nur sein, wer eine ihm obliegende
alle übrigen Tatumstände nicht der eigenhändigen Verwirklichung durch den Vermögensfürsorgepflicht verletzt; wer nicht Träger dieser Pflicht ist,
mittelbaren Täter bedarf2. kommt, auch wenn er den Geschehensablauf beherrscht, nur als Teilnehmer
1
in Betracht. Entsprechendes gilt für die Veruntreuung nach §246 StGB, für
Vgl. auch Nowakowski, JZ 56, S. 550, Anm. 83
2
In diesem Sinne neuerdings etwa Piotet, ZStW, Bd. 69, 1957, S. 38; vgl. auch Roeder,
ZStW, Bd. 69, 1957, S. 239/40 mit Nachweisen aus der älteren Literatur; ferner die
Schweizer Abhandlung von Bertschi/Riemer, „Die Anstiftung gemäß Art. 24 StGB", Vgl. zu deren Umgrenzung nur Nagler, Die Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 1-3;
1961, S. 78 f. mit Nachweisen. Mezger, Lehrbuch, 2. Aufl., S. 451
354 355

die Verletzung der Unterhaltspflicht in §170b StGB und eine Reihe anderer Tatherrschaft voneinander abheben, könnte man demgegenüber als „Herr-
Delikte, auf die später näher einzugehen sein wird. schaftsdelikte" kennzeichnen.
In all diesen Fällen liegt das spezifische, für die Täterschaft maßgebende Während wir den Herrschaftsbegriff in allen Einzelheiten untersucht
Kriterium in einer Pflichtverletzung, deren Natur noch der Erklärung haben, bedarf der Täter der Pflichtdelikte noch näherer Durchleuchtung.
bedarf. Dabei ist es in diesem Zusammenhang allerdings nicht erforderlich, Es ist das umso mehr erforderlich, als diese Tatbestände noch niemals
auf die von alters her sehr umstrittene strafrechtliche Pflichtenlehre im geschlossen in ihrer Bedeutung für die Täterlehre erörtert worden sind. Den
einzelnen einzugehen 4 . Hier genügt folgender Hinweis: Anhängern der Tatherrschaftslehre ist zwar nicht entgangen, daß gewisse
Es ist nicht die aus der Strafrechtsnorm entspringende Pflicht gemeint, „persönliche Tätermomente" eine besondere Rolle spielen, doch ist deren
deren Mißachtung die im Tatbestand vorgesehene Sanktion auslöst. Diese Verhältnis zur Tatherrschaft umstritten geblieben und - wie ich meine -
Pflicht besteht bei jedem Delikt. Vor allem erstreckt sie sich auch auf bisher noch nicht richtig erkannt worden.
nichtqualifizierte Anstifter und Gehilfen; denn wenn die Teilnehmer nicht Bevor wir uns dieser Auseinandersetzung zuwenden, ist es nötig, den
als Normadressaten von der Verpflichtungswirkung erfaßt würden, ließe eigenen Gedankengang etwas gründlicher zu entwickeln. Da die Alleintäter-
sich ihre heute fast unbestrittene Strafbarkeit 5 nicht begründen. Selbst schaft die besonderen Unterschiede der Täterauffassungen nicht so deutlich
Nagler, der grundsätzlich nur den Qualifizierten als Adressaten der Straf- hervortreten läßt, soll uns zunächst die Beteiligung mehrerer im Rahmen der
rechtsnorm ansehen wollte, mußte doch den teilnehmenden Extraneus Pflichtdelikte beschäftigen.
durch die nachträgliche Konstruktion einer „sekundären Gehorsams-
pflicht" im praktischen Ergebnis in den strafrechtlichen Normbereich ein-
beziehen 6 . Dieser ganze Fragenkreis, der mit der Abgrenzung von Täter- IL Die Mittäterschaft bei den Pflichtdelikten
schaft und Teilnahme unmittelbar nichts zu tun hat, soll hier unerörtert
bleiben. Nach dem oben Gesagten ist klar: Wer in arbeitsteiligem Zusammenwirken
Vielmehr handelt es sich bei dem für uns über die Täterschaft entscheiden- mit einem anderen den Tatbestand eines Pflichtdelikts verwirklicht, braucht
den Element um die Verletzung einer außerstrafrechtlichen Pflicht, die sich deshalb nicht Mittäter zu sein. Der Nichtbeamte, der bei der Aussage-
nicht notwendig auf jeden Deliktsbeteiligten erstreckt, die aber für die Tat- erpressung im Amt (§ 343 StGB) dem Opfer die Pistole vorhält, ist nur Ge-
bestandserfüllung erforderlich ist. Dabei geht es allemal um Pflichten, die der hilfe, obwohl er Mitträger der Tatherrschaft ist. Das entspricht im Ergebnis
Strafrechtsnorm logisch vorgelagert sind und die im allgemeinen anderen auch der herrschenden Meinung, so wenig es mit der Tatherrschaftslehre
Rechtsgebieten entspringen. Die erwähnten öffentlich-rechtlichen Beamten- zusammenpaßt.
pflichten, die standesrechtlichen Schweigegebote und die zivilrechtlichen Wenn damit gesichert ist, daß die Tatherrschaft bei den Pflichtdelikten zur
Unterhalts- oder Treueverpflichtungen sind nur Beispiele dieser Art. Für Begründung der Mittäterschaft nicht ausreicht, so ist die Frage doch noch
sie alle ist charakteristisch, daß die Träger dieser Pflichten sich unter den radikaler zu stellen: Ist eine gemeinsame Beherrschung des Geschehens-
sonstigen Mitwirkenden durch eine besondere Beziehung zum Unrechts- ablaufes wenigstens neben dem Pflichtverstoß erforderlich, oder kommt es
gehalt der Tat auszeichnen und daß der Gesetzgeber sie deshalb allein um darauf überhaupt nicht mehr an ?
dieser Verpflichtung willen als Zentralgestalt des handlungsmäßigen Gesche- Ich meine, der Tatherrschaftsgedanke ist völlig auszuschalten. Man
hens und damit als Täter ansieht. denke sich, daß zwei Leute gemeinsam ein Vermögen zu verwalten haben.
Wie sich das im einzelnen auswirkt, wird im folgenden zu zeigen sein. Beide fassen nun den Plan, das Kapital in ihre eigene Tasche fließen zu
Jedenfalls handelt es sich hier um einen Gesichtspunkt, der von dem der lassen. Bei der Durchführung wird aber die entscheidende Transaktion von
Tatherrschaft zu trennen ist und der zu wesentlich anderen Abgrenzungen dem einen der Verwalter allein vorgenommen, während der andere nur
führt. Man könnte, um die in Frage kommenden Tatbestände in ihrer vorbereitend tätig wird oder den Plan durch Ratschläge gefördert hat.
Bedeutung für die Täterlehre zusammenfassend zu kennzeichnen, von Eine funktionelle Abhängigkeit im Sinne der Tatherrschaftslehre liegt
„Pflichtdelikten" sprechen. Die Tatbestände, bei denen sich Täterschaft"und hier nicht vor. Trotzdem müssen beide Mittäter der Untreue sein: Denn
Teilnahme nicht durch besondere Pflichtenstellungen, sondern durch die auch der objektiv nur Unterstützende verletzt die ihm obliegende „Pflicht,
fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen" und fügt „dadurch dem,
4
Vgl. dazu aus neuerer Zeit nur: Armin Kaufmann, Lebendiges und Totes in Bindings dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil" zu. Wenn es
Normentheorie, 1954, und: Lauenstein, Verbrechensversuch des untauglichen Täters - dieser Umstand ist, der ihn ins Zentrum der Deliktsverwirklichung rückt,
ein Problem der strafrechtlichen Pflichtlehre, Hamburger Dissertation, 1960 so ist nicht einzusehen, warum dazu außerdem noch die Tatherrschaft
5
Anders früher namentlich Kohler, Studien I, S. 134 ff., neuestens wohl ebenso wieder nötig sein sollte. Die Untreue erfährt durch die fehlende Gemeinsamkeit
Johannes, Mittelbare Täterschaft, 1963, S. 54, Anm. 151
6
Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 113/14. Vgl. dazu auch Mezger, Lehrb., 2. Aufl.,
beim äußeren Handlungsvollzug keine qualitative Veränderung; denn der
S.451 Anm. 1 Handlungssinn, die personale Färbung des Mitwirkungsverhaltens, auf der
356 357

die Differenzierung der Teilnahmeformen beruht, ergibt sich allein aus der Anstifter oder Gehilfen. Auf der anderen Seite aber ergibt sich aus der
Verletzung des Treuebandes. Eigenart des Tatbestandes, daß die Mitglieder des Personenkreises selbst,
Die Richtigkeit der vorgeschlagenen Lösung folgt zwingend auch aus sofern nur die sonstigen Merkmale des Tatbestandes vorliegen, regelmäßig
einer praktischen Erwägung: Wollte man für die Täterschaft neben der als Täter haften. Denn sie verletzen, auch wenn sie nur zulassen oder
Pflichtverletzung noch die Tatherrschaft verlangen, so würden die Teil- fördern, daß^ein anderer durch sein Verhalten die Körperschaft unmittelbar
nehmer in zwei völlig heterogene Gruppen auseinanderfallen: in Tatherren benachteiligt, doch eine gerade ihnen persönlich auferlegte Vermögens-
ohne Treuverpflichtung und in Treuverpflichtete ohne Tatherrschaft. Das fürsorgepflicht; da darin der Kern ihres Verschuldens liegt, haben sie in
würde nicht nur den einheitlichen Teilnahmebegriff bei den Pflichtdelikten solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsrechtlichen
zerstören, sondern auch zu der untragbaren Konsequenz nötigen, daß über- Untreue jedenfalls in der Regel notwendig den Täterwillen ... Mit der ...
haupt kein Täter vorhanden wäre, wenn der Ausführende ohne Treupflicht Stellung der Mitglieder des Aufsichtsrats wäre es nicht vereinbar, einen
handelte und der Verpflichtete im Hintergrund bliebe. Denken wir uns solchen Täter nur als Gehilfen zu bestrafen, wenn er im Interesse eines
in unserem Beispiel einen einzelnen Vermögensverwalter, der etwa von Geschäftsführers dessen Untreue unterstützt".
Amerika aus einen Unbeteiligten bittet, das Geld beiseitezuschaffen, so Das alles ist im Ergebnis durchaus richtig, in der Begründung aber nicht
könnte der Handelnde mangels Treupflicht nicht Täter der Untreue sein, haltbar. Denn es bleibt unverständlich, worin der „Täterwille" bestehen soll,
während der Verwalter wegen fehlender Tatherrschaft ebenfalls nicht bestraft wenn es dem Mitwirkenden nur darauf ankommt, den anderen zu unter-
werden dürfte. stützen und er auch objektiv nicht mehr als eine Unterstützungshandlung
Das kann selbstverständlich nicht der Wille des Gesetzes sein. Vielmehr ist vornimmt. Die Formulierung, daß jemand, wenn er eine ihm auferlegte
der Vermögensverwalter Täter einer Untreue. Voraussetzung dafür ist Fürsorgepflicht verletze, „in der Regel notwendig" den Täterwillen habe, ist
aber, daß man das Kriterium der Tatherrschaft völlig eliminiert und die vollends paradox. Hat er den Willen nun „notwendig" oder nur „in der
Ab grenzung von Täterschaft und Teilnahme allein darauf abstellt, ob der Regel" ? Im ersten Fall läge eine Fiktion, im zweiten eine Vermutung vor, die
Mitwirkende die tatbestandlich normierte außerstrafrechtliche Pflichten- aber hier - was der B G H unberücksichtigt läßt - durch den Sachverhalt
stellung innehat oder nicht. widerlegt würde; unzulässig wäre beides, weil die Täterschaft weder fingiert
Diese Erkenntnis, die aus keiner der heute vertretenen Täterlehren und noch vermutet werden darf, sondern nachgewiesen werden muß.
schon gar nicht aus der Tatherrschaftstheorie abzuleiten ist, hat gleichwohl In Wirklichkeit handelt es sich hier nur darum, daß eine zutreffende
einen so hohen Grad von Evidenz, daß sie sich, wenn ein solcher Fall in der Sacheinsicht den verfehlten theoretischen Ausgangspunkt verdrängt.
Praxis einmal auftritt, auch gegen die eigene Grundauffassung durchsetzt. Wenn man sich das einmal klarmacht, sollte sich bald allgemein - auch
Das zeigt deutlich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs 6a , die fast unter den Vertretern der Tatherrschaftslehre - die Ansicht durchsetzen,
unbeachtet geblieben ist, die aber der Sache nach mit der hier vertretenen daß bei einem Delikt dieser Art ein anderer Täterbegriff maßgebend ist
Lehre völlig übereinstimmt und die dehnbaren und nichtssagenden Formeln und daß die erfolgsbewirkende Verletzung der außerstrafrechtlichen
der subjektiven Theorie nur zur Verhüllung einer rein objektiven Lösung Sonderpflicht allein ohne Rücksicht auf Täterwillen und Tatherrschaft die
verwendet. Täterschaft begründet.
Es ging dort um einen Fall der Untreue nach §81a G m b H G , bei dem Die Mittäterschaft gewinnt demnach bei den Pflichtdelikten eine ganz
ein Mitglied des Aufsichtsrats, ein gewisser K., dem ungetreuen Geschäfts- andere Struktur als nach dem allgemeinen Täterbegriff. An die Stelle
führer durch seine Zustimmung und die Ausstellung einer Quittung die des Ineinandergreifens der Tatbeiträge im Ausführungsstadium tritt die
Tat ermöglicht hatte. Dabei ist davon auszugehen, daß K. nicht die Tat- Erfolgsbewirkung unter gemeinsamer Verletzung einer gemeinsamen
herrschaft innehatte und daß es ihm, wie der B G H ausdrücklich betont, Pflicht. Der Erstreckungsbereich der Mittäterschaft schrumpft infolgedessen
„nur darauf ankam, den Geschäftsführer H zu unterstützen". Die Frage erheblich zusammen; denn von einer Gemeinsamkeit in diesem Sinne
war, ob K. trotzdem als Täter angesehen werden mußte. Nach dem kann man nur sprechen, wenn mehrere Personen in ein und derselben
Tatherrschaftsprinzip und der subjektiven Theorie wäre das glatt zu ver- Pflichtbindung stehen. Mittäterschaft scheidet also aus, wo eine Verpflich-
neinen. tung sich ihrer Natur nach auf die Einzelperson beschränkt, wie es z. B.
Stattdessen äußert sich der B G H so: „Die Strafvorschrift des §81a bei der Unterhaltszahlung der Fall ist. Wenn zwei Personen demselben
G m b H G erhält ihre Eigenart dadurch, daß der Täter zu einem bestimmten Kind Alimente schulden und sich dieser Verpflichtung beide entziehen,
Personenkreise gehört, dem ... das Gesellschaftsvermögen anvertraut ist. so wird man sie besser als Nebentäter des § 170 b ansehen, denn jeder
Diese Gestaltung des Tatbestandes hat einmal zur Folge, daß Außenstehende verletzt nur eine individuell-persönliche Obligation. Auch bei den Beamten-
nicht Täter im Sinne der Sondervorschrift sein können, sondern nur delikten kann es so sein: Wenn für gewisse Beurkundungen nach § 348
Abs. 1 StGB ein bestimmter einzelner Beamter zuständig ist, so kommt nur
6a
BGHSt 9, 203-222 (217/18) er allein als Täter dieses Delikts in Frage, während andere Beamte, die dabei
358 359

mitgewirkt haben, Teilnehmer bleiben; denn nicht der Verstoß gegen das soll, kann einleuchtend machen, was sonst ein unerklärliches Paradoxon
allgemeine Beamtenethos, sondern die Verletzung einer spezifischen Pflicht bliebe: daß der Gesetzeswortlaut eine Täterschaft annimmt, wo er im
zu sachgemäßer Beurkundung ist es, die einen Mitwirkenden hier zum Täter gleichen Atemzuge von einer bloßen Hilfeleistung spricht.
macht. Was hier und in anderen Bestimmungen für den sorgfältigen Beobachter
Mittäterschaft kommt dagegen immer dort in Betracht, wo ein bestimm- schon aus der Wortfassung der Tatbestände zu entnehmen ist, folgt aber
ter Kreis von Geschäften mehreren Personen gleichzeitig anvertraut ist. ohnehin aus dem Wesen der Pflichtdelikte und wäre auch ohne diese
So kann die Bewachung von Gefangenen mehreren Wärtern übertragen Verdeutlichung richtig. Es gilt deshalb für sie generell und ist, wie schon
sein (§ 347 StGB), und die Verwahrung und Besorgung von Briefen oder oben am Beispiel der Untreue gezeigt wurde, in derselben Weise gültig, wo
Paketen kann gleichzeitig bei einer Vielzahl von Beamten liegen (§354 der Tatbestand ohne eine derart umständliche immanente Interpretation des
StGB). In diesen Fällen ist nach der hier vertretenen Auffassung eine Mit- ihm zugrundeliegenden Täterbegriffes abgefaßt ist.
täterschaft immer schon dann anzunehmen, wenn jemand im Einver- Aus der hier entwickelten Lehre erklärt sich auch zwanglos eine Erschei-
ständnis mit anderen Verpflichteten durch irgendeinen wie immer be- nung, die in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten führt und den
schaffenen Tatbeitrag unter Verletzung der ihm übertragenen amtlichen beteiligten Instanzen erhebliches Kopfzerbrechen bereitet: Die Möglichkeit
Aufgaben bei der Entweichung von Gefangenen oder der Unterdrückung nämlich, daß jemand hinsichtlich eines und desselben Handlungsvorganges
von Briefen mitwirkt. Auf die Tatherrschaft kommt es dabei nicht im ge- sowohl Täter wie auch Gehilfe sein kann.
ringsten an. Ein typischer Fall dieser Art hat auch den Bundesgerichtshof einmal
Die Richtigkeit dieser Auffassung wird hier durch den Gesetzeswortlaut beschäftigt 7 : Ein Postbeamter (B.) hatte mit einem außenstehenden Dritten
noch ausdrücklich bestätigt. Wenn nämlich §347 StGB neben dem „Be- (W.) gemeinschaftlich Pakete gestohlen, die „der Post anvertraut" waren.
wirken" der Gefangenenbefreiung deren „Beförderung" selbständig im Tat- Den Inhalt der Pakete verkauften die beiden, der Erlös wurde geteilt. Beide
bestand aufführt und §354 StGB von Postbeamten spricht, die nicht nur waren Mittäter des Diebstahls; den B. verurteilte die Strafkammer außerdem
selbst Briefe eröffnen oder unterdrücken, sondern auch „einem anderen ... nach § 354 StGB, während sie diesen Tatbestand bei der rechtlichen Würdi-
eine solche Handlung" gestatten „oder ihm dabei ... Hilfe" leisten, dann gung des W unberücksichtigt ließ. Die Revision der Staatsanwaltschaft
kann das richtigerweise nur so verstanden werden, daß auch das Befördern billigte das mit der Erwägung, daß niemand bei derselben Handlung zugleich
und Hilfeleisten hier anders als sonst täterschaftsbegründend wirkt. Täter und Teilnehmer sein könne. Hoffmann, der dem Fall einen kleinen
Denn daß auch der Gesetzgeber diese Personen als Täter ansieht, unter- Aufsatz gewidmet hat, hält das ebenfalls für richtig und meint, die Täter-
liegt keinem Zweifel: Es wäre sonst unbegreiflich, warum Beihilfehand- schaft beim Diebstahl schließe eine Beihilfe zu §354 StGB aus: „Beihilfe
lungen, die nach §49 StGB zu behandeln wären, überflüssigerweise und kann ... nur zu einer fremden, zur Tat eines anderen geleistet werden, nicht
entgegen der allgemein verwandten Gesetzestechnik in die Delikts- aber zu einem Vergehen, dessen Täterschaft, sei es die alleinige oder die
beschreibungen aufgenommen würden; außerdem will der Gesetzgeber gemeinschaftlich mit anderen verübte, gerade dem zur Last fällt, der die
offenbar gerade sagen, daß ein Beamter, der einem Dritten behilflich ist, Hilfe geleistet haben soll ...". Der Bundesgerichtshof dagegen gibt dem
Briefe beiseitezuschaffen, Täter sein und nicht etwa nach dieser Bestimmung Untergericht die Prüfung einer Beihilfe zu § 354 StGB auf. Zur Begründung
straflos ausgehen soll. führt er lediglich an, daß eine Täterschaft des W. wegen seiner fehlenden
Die Verwendung der an sich auf eine bloße Teilnahme hindeutenden Beamteneigenschaft ausscheide.
Begriffe „Befördern" und „Hilfeleisten" enthüllt damit - was dem histo- Die Auffassung des Bundesgerichtshofs ist richtig. Sie wird aber nur
rischen Gesetzgeber vielleicht gar nicht deutlich zum Bewußtsein gekommen dadurch verständlich, daß hier bei einer Handlung zwei ganz verschiedene
ist - wie in diesen Deliktsbeschreibungen die Tätervorstellung der Herr- Täter- und damit auch Teilnehmerbegriffe heranzuziehen sind. Wenn man
schafts- und der Pflichtdelikte voneinander abgegrenzt wird und die eine einseitig davon ausgeht, daß die Teilnahme als eine Mitwirkung ohne Tat-
zur Erklärung der anderen dient. Von der hier entwickelten Auffassung herrschaft oder ohne Täterwillen zu charakterisieren sei, bleibt es schlechter-
her gedeutet, steckt nämlich in der Gesetzesformulierung folgender Ge- dings unbegreiflich, wie jemand den gleichen Handlungsvorgang beherr-
danke: Das „Befördern" der durch einen andern bewirkten Gefangenen- schen und auch nicht beherrschen soll, wie er seinen Willen dem des anderen
befreiung und das „Hilfeleisten" bei der Unterdrückung einer Postsendung untergeordnet und zugleich das Gegenteil getan haben soll. Insoweit sind
stellt sich nach dem allgemeinen Täterbegriff, auf den sich der Gesetzgeber die gegen eine solche Konstruktion vorgebrachten Bedenken durchaus
mit diesen Ausdrücken bezieht, als typische Teilnahmehandlung dar; was begründet.
aber unter dem Gesichtspunkt der Tatherrschaft nur eine Beihilfe wäre, ist
bei den Pflichtdelikten, wenn das für sie gültige Täterkriterium vorliegt, eine
Täterschaft. N u r diese Anknüpfung an den allgemeinen Täterbegriff, von 7
Die Entscheidung wird mitgeteilt von Hoff mann, NJW 1952, S. 963; sie ist ohne die hier
dem das personale Handlungszentrum der Pflichtdelikte abgehoben werden interessierenden Ausführungen abgedruckt in BGHSt 1, 182-182
360 361

Macht man sich dagegen klar, daß der Gesetzgeber die Zentralgestalt begründenden Pflichtposition befindet. Mittäterschaft und mittelbare
des handlungsmäßigen Geschehens in den §§ 242 und 345 StGB nach Täterschaft unterscheiden sich also bei den Pflichtdelikten - wieder in
verschiedenen Kriterien beurteilt, so ist es selbstverständlich, daß der W., erheblichem Gegensatz zu den Herrschaftsdelikten - nur dadurch, daß
weil er die Tatherrschaft besitzt, nach §242 als Mittäter, dagegen, weil er im ersten Fall mehrere Verpflichtete, im zweiten Intraneus und Extraneus
keine außerstrafrechtliche Sonderpflicht verletzt, nach §354 nur als Gehilfe zur Erreichung des Erfolges zusammenwirken. Auch die einzelnen Er-
verurteilt werden kann. Das Beispiel zeigt auch deutlich den „primären" scheinungsformen der Täterschaft gewinnen demnach eine erheblich
Charakter der Täterposition und die „sekundäre" Natur des Teilnehmer- veränderte Struktur.
begriffs: Mit der Täterschaft ändert sich eo ipso das Wesen der Teilnahme. Die Richtigkeit des oben im Beispielsfall der Untreue vertretenen Ergeb-
Aus der tatherrschaftslosen Mitwirkung des allgemeinen Täterbegriffs wird nisses ist schwerlich anzufechten. Denn wenn man beim Tatherrschafts-
eine die Tatherrschaft nicht ausschließende Beteiligung ohne Sonderpflicht- gedanken stehen bliebe, so wäre eine Bestrafung unter dem Gesichtspunkt
verletzung. der Untreue für alle Beteiligten ausgeschlossen. Das kann der Gesetzgeber
unmöglich gewollt haben; denn jeder Treuverpflichtete brauchte sich bei
seinen unredlichen Machenschaften nur klüglich im Hintergrund zu halten,
III. Die mittelbare Täterschaft bei den Pflichtdelikten um den § 266 StGB seiner Wirksamkeit zu berauben.
Damit ergibt sich aber für das Problem des sog. qualifikationslosen
Was für die Mittäterschaft gilt, kann bei der mittelbaren Täterschaft im dolosen Werkzeugs, das namentlich bei den Beamtendelikten von alters her
Prinzip nicht anders sein. Auch hier kann es nur auf die Verletzung sehr umstritten ist, ganz zwanglos eine glatte und befriedigende Lösung: Der
der außerstrafrechtlichen Sonderpflicht und nicht auf die Tatherrschaft Beamte, der, ohne die Tatherrschaft zu haben, einen Extraneus veranlaßt, den
ankommen. rechtlich mißbilligten Erfolg herbeizuführen, ist mittelbarer Täter. Denn er
Wir haben oben schon ein einschlägiges Beispiel aus dem Bereich der hat - worauf es hier allein ankommt - unter Verletzung der ihn treffenden
Untreue gebildet: Der in Amerika weilende Vermögensverwalter bittet einen außerstrafrechtlichen Sonderpflicht die tatbestandlich umschriebene Rechts-
unbeteiligten Dritten, das Geld ins Ausland zu schaffen, wo beide die Beute güterbeeinträchtigung, z. B. eine Falschbeurkundung (§ 348 Abs. 1 StGB),
teilen wollen. Hier hat der treuverpflichtete Verwalter sicher nicht die Tat- bewirkt. Der fälschende Extraneus dagegen ist trotz seiner Tatherrschaft
herrschaft: Das Kapital ist bei der deutschen Bank gut aufgehoben; ob der Gehilfe.
Freund die für die Vermögenstransaktionen erforderlichen Fälschungen und Bis hierhin entspricht dieses Ergebnis - nicht seine Begründung - aller-
Betrügereien übernehmen will, steht allein bei ihm. Insbesondere liegt die dings der heute durchaus herrschenden Lehre. Dieser Umstand beweist
Durchführung des komplizierten Tatplans ausschließlich in seiner Hand. aber nur, daß sich die vielberufene „Natur der Sache" mit der Zeit auch
Der Verwalter kann von Amerika aus daran nicht mitwirken und muß sich gegenüber dogmatischen Fehlkonstruktionen durchzusetzen pflegt. Denn
ganz auf ihn verlassen. Er kann deshalb bei den zur Deliktsverwirklichung in Wirklichkeit läßt sich, wenn man das den Pflichtdelikten arteigene Wesen
nötigen Urkundenfälschungen und Betrugstaten auf jeden Fall nur Anstifter in der Täterlehre nicht berücksichtigt, die mittelbare Täterschaft des außen-
sein. stehenden Qualifizierten in keiner Weise begründen 8 . Die Dogmen-
Bei dem gleichzeitig heranzuziehenden Tatbestand der Untreue liegen geschichte des qualifikationslosen Werkzeugs legt dafür beredtes Zeugnis
die Dinge jedoch anders: Der Freund in Deutschland kann nicht Täter sein. ab. Gleichwohl erübrigt es sich, sie zum Nachweis meiner Behauptung an
Er hat zwar die alleinige Tatherrschaft. Aber das ist im Rahmen dieser dieser Stelle eigens zu repetieren. Denn das leuchtet auch ohnedies ein.
Bestimmung unerheblich. Das täterschaftsbegründende Kriterium - die Für den extensiven Täterbegriff muß es unverständlich bleiben, warum
Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht - fehlt. Der Verwalter in Amerika nur der Qualifizierte Täter sein kann, denn In- und Extraneus sind gleicher-
.dagegen hat an der Tatherrschaft keinen Anteil. Gleichwohl wird er durch maßen kausal für den Erfolg. Mezger 9 erkennt denn auch offen an, daß es
die Verletzung der ihm obliegenden zivilrechtlichen Treupflicht zur Zentral- sich bei diesen „seltenen Fällen" um dogmatisch nicht zu integrierende Aus-
gestalt des handlungsmäßigen Geschehens. Dieser Umstand macht iKh zum nahmen handele. Koppelt man den extensiven Ansatz mit der subjektiven
Täter, und zwar zum mittelbaren Täter. Theorie, so läßt sich nicht erklären, wieso der qualifizierte Hintermann Täter
Das führt zu folgender Erkenntnis: Bei den Herrschaftsdelikten ist sein soll, auch wenn er sich etwa dem unmittelbar Handelnden unter-
jemand mittelbarer Täter, wenn er durch Nötigung oder Täuschung einer geordnet und daher keinen Täterwillen hat. Geht man vom älteren restrik-
Person oder im Rahmen organisatorischer Machtapparate das Geschehen
beherrschend lenkt. Bei den Pflichtdelikten dagegen ist die Tatherrschaft 8
Vgl. dazu auch die Andeutungen bei Nowakowski, JZ 56, S. 550: Hier sei das Verhältnis
zur Erlangung der mittelbaren Täterschaft nicht erforderlich. Es genügt von Täterschaft und Teilnahme „in eigentümlicher Weise verschoben"; die Teilnahme-
dazu, daß jemand der innerhalb der Pflichtbindung steht, den äußeren vorschriften gewönnen dabei „einen besonderen Sinn".
9
Handlungsvollzug einer Person überläßt, die sich außerhalb der täterschafts- Vgl. nur Lehrbuch, 3. Aufl., S. 416/17, 420
362 363

tiven Täterbegriff aus, der die Täterschaft grundsätzlich auf die Vornahme Das wird verkannt, wenn etwa Schwarz-Dreher 13 in diesem Zusammen-
der Tatbestandshandlung beschränkt, so läßt sich zwar bei den Irrtums- hange ausführen, es handele sich um Fälle der Anstiftung und Beihilfe, „so
und Nötigungsfällen, wo zwischen Anstoß und Erfolg nicht die verant- daß der Gehilfe gleich dem Täter bestraft" werde. Nein: Die Formulierung
wortliche Entscheidung eines anderen steht, die Täterschaft zur N o t auf soll nur verdeutlichen, was ohnehin gelten würde, daß nämlich hier eine
die Person des Hintermannes erstrecken; bei den Pflichtdelikten ist dieser echte Täterschaft vorliegt. Wo der Gesetzgeber sich anders ausgedrückt
Ausweg aber versperrt, so daß die ältere Lehre hier eine Bestrafung weit- hat, wie in § 348 Abs. 2 oder § 350 StGB, ist die Frage nach dem Täter in
gehend ablehnte 10 . Was endlich die Tatherrschaftslehre betrifft, so ist schon derselben Weise zu entscheiden.
oben 11 ausführlich dargelegt worden, daß vom Standpunkt dieser Theorie Auch Welzel 14 verdient keine Zustimmung, wenn er den von ihm gebil-
aus eine Erfassung des qualifizierten Hintermannes unmöglich ist und deten Fall, daß ein Polizeibeamter einen Nichtbeamten veranlaßt, einen
alle Beteiligten straflos bleiben müßten 12 . Der Versuch von Gallas, diesen Gefangenen zu verprügeln, durch die Annahme einer Mittäterschaft löst.
Fällen mit dem Tatherrschaftskriterium gerecht zu werden, ist als gescheitert Denn vom Standpunkt der Tatherrschaft aus läßt sich, wie auch Gallas 15
anzusehen. erkennt, eine Mittäterschaft nicht begründen, wenn sich der Hintermann
Wenn man das alles bedenkt, so läßt sich dem Täterbegriff der Pflicht- „auf die Vornahme des Anstiftungsaktes" beschränkt. Nach dem Täter-
delikte die selbständige Bedeutung nicht absprechen. Er leistet Ent- begriff der Pflichtdelikte aber kommt nur eine mittelbare Täterschaft in
scheidendes zur dogmatischen Bewältigung einer anders nicht erfaßbaren Frage, wie es ja bei den echten Amtsdelikten auch Welzel selbst, obgleich
Erscheinung. Darüber hinaus führt er bei konsequenter Entfaltung in einigen folgewidrig, annimmt. Wenn hier wiederum Gallas 16 vom Standpunkt der
Punkten aber auch zu praktischen Ergebnissen, die von der heute über- Tatherrschaftslehre aus „eine Begehungsform eigener Art, die der Mittäter-
wiegend vertretenen Auffassung abweichen. schaft näher steht als der mittelbaren Täterschaft", für gegeben hält, so zeigt
So muß er ungeachtet der Vorschrift des § 50 Abs. 2 StGB auch bei den das deutlich, wie die Pflichtdelikte den allgemeinen Täterbegriff vor unlös-
unechten Amtsdelikten zur Auswirkung kommen. Wenn z. B. ein Beamter bare Rätsel stellen 17 .
einen außenstehenden Dritten veranlaßt, eine ihm - dem Beamten - zugäng- Eine andere Frage ist es, ob § 50 Abs. 2 StGB bei den unechten Amts-
liche Urkunde zu vernichten oder zu verfälschen, so ist der Beamte mittel- delikten auf den Teilnehmer anzuwenden ist, ob also ein Außenstehender,
barer Täter des § 348 Abs. 2 StGB, obwohl der handelnde Dritte selbst der bei einer Körperverletzung im Amt oder einer Amtsunterschlagung
unmittelbarer Täter gemäß §274 Ziff. 1 oder §267 StGB ist. Nicht etwa mitwirkt, nach den Strafrahmen der §§ 223 oder 246 StGB zu bestrafen ist.
ist der Amtsträger nur als Anstifter des jeweiligen Grunddelikts zu be- Das entspricht der herrschenden Meinung, ist aber nicht ganz unbestritten 18 .
trachten, der lediglich mit Hilfe des § 50 Abs. 2 StGB nach dem Strafrahmen Die Problematik ist, anders als bei der vorher behandelten umgekehrten
des § 348 Abs. 2 verurteilt werden könnte. Eine solche Lösung würde zwar Konstellation, von dem hier vertretenen Täterbegriff unabhängig: Der
dem Tatherrschaftsprinzip entsprechen, aber das ist für die Pflichtdelikte Umstand, daß jemand außerhalb der tatbestandsrelevanten spezifischen
nicht maßgebend; und der Heranziehung des § 50 Abs. 2 bedarf es nicht, Pflichtsituation steht, hat primär nur die Wirkung, daß er ungeachtet der
solange der Täterbegriff zur unmittelbaren Anwendung des qualifizierten Intensität seiner Mithilfe Teilnehmer - und zwar des Amtsdeliktes - bleibt.
Tatbestandes führt. Wenn man diese Teilnahme dem Strafrahmen des Grunddeliktes unterstellen
Auch bei Konstellationen dieser Art hat der Gesetzgeber in vielen Fällen will, so folgt das allein aus § 50 Abs. 2 StGB und hat auf die Abgrenzung der
durch die Tatbestandsfassung Hinweise für die richtige Lösung gegeben. Mitwirkungsformen nicht den geringsten Einfluß. Die mildere Beurteilung
Veranlaßt beispielsweise ein Beamter im Rahmen seiner dienstlichen Tätig- des Außenstehenden entspringt ja auch bloßen Strafwürdigkeitserwägungen,
keit einen Extraneus zur Verprügelung eines Staatsbürgers, so ist er, auch die, wie wir wissen, mit der Täterschaft nichts zu tun haben.
wenn er selbst keinen Finger rührt, nach der hier vertretenen Auffassung Wie bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe wirkt sich auch
ohne weiteres mittelbarer Täter des § 340 StGB. Daß keine bloße Anstiftung hier die von den Fällen der Tatherrschaftsdelikte weit abweichende Natur
vorliegt, ergibt sich aber auch schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, der mittelbaren Täterschaft in einer erheblichen Veränderung des Begriffes
die von einem Beamten spricht, der „eine Körperverletzung begeht oder der Anstiftung aus. Das zeigt das Ausgangsbeispiel unseres Kapitels, in
begehen läßt". Das Begehenlassen - sei es auch durch einen Extraneus - ist dem ein Extraneus einen Beamten unter den Voraussetzungen des § 52
also eine neben der eigenhändigen Verletzung durchaus gleichwertige Form
der Täterschaft. 13
23. Aufl., §340, 2
14
Lehrb., 7. Aufl., S. 9 3 ; im Ergebnis ebenso H . Mayer, Lehrb., S. 308
15
G u t a c h t e n S. 135
10 16
Vgl. etwa Frank, III vor § 4 7 G u t a c h t e n S. 136
11 17
S. 242 ff. Vgl. dazu schon o b e n S. 255/256
12 18
wie es als einziger k o n s e q u e n t Kaun, a. a. O . , S. 35, a n n i m m t , der mit anderen Straf- a. A. aus unterschiedlichen G r ü n d e n H a r d w i g , G A 54, S. 65ff.; Lauenstein, Verbre-
möglichkeiten aushelfen will. chensversuch des untaugl. Täters, H a m b . Diss., S. 76ff.
364 365

StGB zu einer Aussageerpressung zwingt. Wir haben oben nur festgestellt, festgefahrene Diskussion läßt sich aber vielleicht durch die Erkenntnis
daß der Hintermann nicht Täter des § 343 StGB sein kann. Er geht aber auch fördern, daß der Streit, so wie er augenblicklich geführt wird, zum Teil auf
nicht etwa straflos aus, sondern er wird, obwohl er die Tatherrschaft innehat, nicht ganz richtigen Voraussetzungen beruht.
als Anstifter bestraft - eine Lösung, die der Sachlage allein gerecht wird, Die Hauptthese der gegenwärtig noch herrschenden, von Welzel und
die aber den Anhängern der Tatherrschaftslehre unerklärlich bleiben muß. Bockelmann angeführten, auch in der Rechtsprechung 21 und im Entwurf
Daran wird wieder sehr klar, wie in genauer Umkehrung der Thesen Bockel- 1962 (§§30, 31) durchgedrungenen Lehre gründet sich auf die Erwägung,
manns nicht ein primärer Teilnahmebegriff - die Willensunterordnung - daß die Anerkennung einer Anstiftung oder Beihilfe zu unvorsätzlicher
sekundär den Täterbegriff erzeugt, sondern wie vielmehr der aus der Tat- Haupttat das „Wesen" 22 oder „die unveränderliche Struktur der Teil-
bestandsanalyse primär gewonnene Täterbegriff der Pflichtdelikte sekundär nahme" 2 3 verfehle, daß sie den vorgegebenen „sachlogischen Strukturen"
eine Teilnahmeauffassung im Gefolge hat, die sich von den Begriffen der oder der „Natur der Sache" 24 widerspreche. Die Gegenmeinung, die zuletzt
Willensunterordnung und der Tatherrschaft völlig löst: Teilnehmer ist, wer besonders eindringlich von Lange 25 , Dahm 2 6 und Engisch 27 vorgetragen
an der Tatbestandserfüllung mitwirkt, ohne die täterschaftsbegründende worden ist 28 , bestreitet das und nimmt gegenüber derartigen Vorgegeben-
außerstrafrechtliche Sonderpflicht zu verletzen. heiten eine größere Freiheit des Gesetzgebers in Anspruch. Dahm 2 9
Und noch eine weitere Erkenntnis folgt aus der Abgrenzung von An- spricht in diesem Zusammenhang geradezu von einer „übertriebenen
stiftung und mittelbarer Täterschaft bei den Pflichtdelikten: daß nämlich der Neigung zur Auslieferung an die Natur der Sache, zur Wesensschau", und
Grundsatz der limitierten Akzessorietät, der im Rahmen des Tatherrschafts- Lange 30 nennt es eine „Hauptaufgabe unserer Tage: das, was dem Recht
begriffs ein Schattendasein führt, erst hier seine wahre Bedeutung gewinnt. vorgegeben und das, was gemacht ist, in seiner Verschiedenheit und in seinen
Denn die Entwicklung des Tatherrschaftsbegriffs hat gezeigt, daß - von Grenzen zu erkennen und beides in das richtige Verhältnis zueinander
geringfügigen Ausnahmen abgesehen - immer mittelbare Täterschaft vor- zu bringen".
liegt, wenn der Ausführende ohne Vorsatz oder Unrechtsbewußtsein Mir scheint, Recht und Unrecht sind bei diesem Streit ziemlich gleich
handelt, wenn er unzurechnungsfähig, strafunreif, genötigt oder in anderer verteilt. Man muß nämlich unterscheiden:
Weise entschuldigt ist. Es ist deshalb nicht unzutreffend, wenn Maurach 19
vom Standpunkt einer rein durchgeführten Tatherrschaftstheorie aus über
die limitierte Akzessorietät sagt, sie verkenne „das Wesen der mittelbaren 1. Die Akzessorietät bei den Herrschaftsdelikten
Täterschaft", und wenn Schröder auf der Grundlage der subjektiven Lehre
feststellt, „daß hier ein Schlag ins Wasser vollführt worden ist, und zwar Den Vertretern der herrschenden Lehre, die es für sinnwidrig halten, eine
mit geschlossenen Augen" 20 . Bei den Pflichtdelikten dagegen ist die Aner- Teilnahme bei vorsatzloser Haupttat zuzulassen, ist in einem Punkte voll
kennung der limitierten Akzessorietät wichtig und unerläßlich: Eine extreme zuzustimmen: Wenn man sich schon einmal darauf festlegt, daß die Täter-
Akzessorietät würde hier Fälle echter Teilnahme wegen eines durch nichts schaft Tatherrschaft voraussetzt und demgemäß die Teilnahme eine Mit-
begründeten Dogmas der Strafe entziehen. wirkung ohne Tatherrschaft ist, dann ist es, wenn der Hintermann den
Sachverhalt durchschaut 303 , nicht gut möglich, sich eine Anstiftung zu

IV. Zum Problem der Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat 21


seitBGHSt9,370ff.
bei den Pflichtdelikten 22
soBGHSt9,379
23
Bockelmann, Untersuchungen, S. 74
24
Die Einsicht, daß der Begriff der „Zentralgestalt" bei den Pflichtdelikten Vgl. etwa Welzel, Aktuelle Strafrechtsprobleme im Rahmen der finalen Handlungs-
durch ein anderes Kriterium als das der Tatherrschaft ausgefüllt wird, wirft lehre, S. 4, 7ff.; Stratenwerth, Das rechtstheoretische Problem der Natur der Sache,
S. 15 f.)
auch ein neues Licht auf eines der umstrittensten Themen der modernen 25
JZ 1959, S. 560-564
Strafrechtsdogmatik: die Frage nach der Möglichkeit einer Teilnahme an 26
MDR1959, S. 508-510
27
vorsatzloser Haupttat. Festschrift für Eb. Schmidt, S. 107-121
28
Das Problem kann hier nicht in seiner ganzen Breite erörtert werden, in engem Anschluß an Dahm und Lange auch Lang/Hinrichsen, Gutachten für den
43. Dtsch. Juristentag, S. 21-25
denn es handelt sich in erster Linie um den Begriff des Teilnehmers, der 29
a. a. C , S . 510
im Streit steht. Es ist auch nicht nötig, alle Argumente, die von anderer Seite 30
a. a. O., S. 564
30a
im Laufe der Jahre vorgebracht worden sind, zu wiederholen. Die etwas Der Fall, in dem der Außenstehende irrigerweise den Vorsatz des Handelnden
annimmt, ist oben (S. 261 ff.) eingehend erörtert worden und kann deshalb jetzt außer
19
Betracht bleiben. Wenn im folgenden davon gesprochen wird, daß bei den Herrschafts-
Lehrb.,A.T.,2. Aufl., S. 503 delikten eine Teilnahme an unvorsätzlicher Tat ausgeschlossen sei, ist von dieser beson-
20
Schönke/Schröder, 10. Aufl., vor §47, IX, 3, b, S. 249 deren Situation also immer abzusehen.
366 367

unvorsätzlicher 31 Tat vorzustellen. Denn wir haben in diesem Falle einen Aber auch diese Lösung ist mißlich. Denn entweder unterstellt man die
Täter vor uns, der mangels finaler Beherrschung des Geschehensablaufes Urheberschaft dem gesetzlichen Teilnahmebegriff; dann setzt man sich allen
definitionsgemäß gerade nicht Täter sein kann; daneben steht ein Teilnehmer, oben dargelegten Aporien aus. Oder man trennt Teilnahme und Urheber-
der Tatherr ist und deshalb von den Grundlagen dieser Lehre her unter schaft. Dann vermeidet man zwar unlösbare Widersprüche; aber man erhält
keinen Umständen Teilnehmer sein kann. Die Unzulässigkeit einer solchen neben Täterschaft und Teilnahme eine dritte Kategorie der Mitwirkung,
Konstruktion folgt insoweit nicht einmal aus der „Natur der Sache", die den ganzen Sinn der Differenzierung fragwürdig macht. Denn wenn
sondern aus der Logik sinnvoller Begriffsbildung. Demgegenüber hilft es man hinter Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe ein dem Gesetz nicht ohne
auch nichts, wenn Dahm 3 2 meint, es dürfe „die Furcht vor der Unreinheit weiteres zu entnehmendes Institut der Urheberschaft zum Zwecke der
des Begriffs die Furcht vor dem ungerechten Ergebnis nicht zu sehr in Lückenausfüllung aufbaut, läßt sich schwerlich die Frage abweisen, welchen
den Hintergrund drängen"; ein Begriff, der sich bei der praktischen An- Sinn die Unterscheidung der Teilnahmeformen überhaupt noch haben
wendung sogleich in sein Gegenteil verkehrt, ist nicht nur „unrein", er ist soll. Es ist dann doch so, daß schlechthin jede bloße Verursachung des tat-
ein Unbegriff. bestandlichen Erfolges auf dem Umweg über die Urheberschaft mit der
N u n kann man aus diesem Dilemma die Folgerung ziehen, der Tat- vollen Strafe belegt werden kann. Diese Lösung aber wäre mit Hilfe eines
herrschaftsgedanke sei unrichtig. Aber das ist er nicht, wie alle voran- konsequent durchgeführten extensiven Täterbegriffs einfacher und schneller
gegangenen Darlegungen gezeigt haben. Er folgt zwar nicht unmittelbar aus zu erreichen.
ontischen Vorgegebenheiten, aus dem „Wesen der Handlung" oder irgend-
einer von gesetzgeberischen Zwecksetzungen unabhängigen „sachlogischen
Struktur" 33 ; aber er bedeutet, so wie wir ihn festgelegt haben, nach unserer 2. Die Akzessorietät bei den Pflichtdelikten
Überzeugung doch eine der Sache entsprechende und daher „richtige"
Fassung des allgemeinen Täterbegriffs. Daher sind auch die Folgerungen, A. Folgerungen aus dem Täterbegriff der Pflichtdelikte
die auf seiner Grundlage zu einer Ablehnung der Teilnahme an unvor-
sätzlicher Tat nötigen, unvermeidlich. Daß im Rahmen des allgemeinen Demnach ist also auf der Grundlage des Tatherrschaftsbegriffs die Kon-
Täterbegriffs eine Teilnahme an unfinaler Tat ausgeschlossen ist, folgt also - struktion einer Teilnahme an unfinaler Haupttat mit der wohl noch über-
wenn diese Redeweise je einen Sinn gehabt hat - aus der Natur der Sache. wiegenden Lehre abzulehnen. Das Bild ändert sich aber sogleich, wenn man
Auch die Anhänger der Gegenmeinung haben sich dieser Erkenntnis nicht mit der hier vertretenen Ansicht die Pflichtdelikte als selbständige Gruppe
ganz verschließen können; sie greifen deshalb vorzugsweise auf den von ins Auge faßt und erkennt, daß auch hier zwar der Täter die Zentralgestalt
Nagler 34 und Binding 35 wieder zum Leben erweckten Urheberbegriff des handlungsmäßigen Geschehens bildet, daß aber dieser Leitbegriff durch
zurück 36 und machen geltend, die Teilnahmevorschriften des Gesetzes andere Kriterien ausgefüllt wird, die mit der Tatherrschaft nichts zu tun
erstreckten sich nicht nur auf die „echte Teilnahme" 363 , sondern auch auf haben. Wenn der Teilnehmer nicht mehr durch eine „Mitwirkung ohne Tat-
die Fälle der „geistigen Urheberschaft", „in denen der Hintermann der herrschaft", sondern durch eine „Beteiligung ohne Sonderpflichtverletzung"
Sache nach einem mittelbaren Täter gleich- oder nahesteht und nur aus charakterisiert wird, so wird deren Struktur nicht dadurch verändert, daß der
Rechtsgründen nicht erfaßt werden kann" 37 , weil ihm etwa die gesetzlich Verpflichtete ohne Vorsatz handelt. Es liegt so oder so eine Erfolgs-
geforderte Täterqualifikation fehlt. herbeiführung außerhalb der Pflichtbindung vor, und die Vorsatzfrage, die
über die Tatherrschaft entscheidet, erweist sich in diesem Zusammenhang als
31
genauer: unfinaler, wobei „final" im Sinne der Tatbestandsfinalität zu verstehen ist. durchaus irrelevant.
Über die normative Struktur des Finalitätsbegriffs vgl. meine Abhandlung in ZStW, Sieht man die Dinge so, dann kann natürlich auch keine Rede davon
Bd. 74, 1962, S. 515 ff. Im folgenden wird der Unterschied zwischen Finalität und Vor- sein, daß die Anerkennung einer Anstiftung oder Beihilfe zu unfinaler Tat
satz nicht immer ausdrücklich erwähnt, weil das Problem bei Pflichtdelikten keine
Rolle spielt. Über die Frage, ob und inwieweit bei Herrschaftsdelikten eine Teilnahme bei den Pflichtdelikten dem „Wesen" der Teilnahme oder der „Natur der
an bewußt fahrlässigen Taten möglich ist, vgl. eingehend oben S. 180-193 T[189ff.), Sache" widerspreche. Im Gegenteil, man möchte sagen, daß gerade die
220-225; ferner unten S. 551 ff., 559ff. Einsicht in das Wesen der Täterschaft, so wie es hier entwickelt worden
32
a. a O , S. 510 ist, die Möglichkeit einer derartigen Teilnahme deutlich hervortreten läßt.
33
Vgl. dazu oben S. 16/17 und passim.
34
Die Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 134f. Kennzeichnend dafür ist auch der Umstand, daß die Argumentation aus der
35
Die drei Grundformen des verbrecherischen Subjekts, S. 377ff. „Natur der Sache" von vornherein nur auf Herrschaftsdelikte zugeschnitten
36
Vgl. Lange, a. a. O., S. 563; Dahm, a. a. O., S. 509; Schönke/Schröder, 10. Aufl., vor gewesen ist. Wenn z.B. Stratenwerth in diesem Zusammenhang für die
§47, X, I; noch weitergehend vom Standpunkt der Schuldteilnahmetheorie aus seit eh Notwendigkeit einer vorsätzlichen Haupttat geltend macht 38 : „Von der
und je H. Mayer, Lehrb. S. 327ff.
36a
Schönke/Schröder, 10. Aufl., vor §47, IX, 3, c
37
Lange, a. a. O., S. 561 Natur der Sache, S. 15
368 369

Frage, ob der Tatmittler vorsätzlich handelt oder nicht, hängt es ab, wer die sich um eine zulässige kollegiale Auskunft, zur Preisgabe des Berufs-
Situation beherrscht", so ist das (von den Einschränkungen bei der bewuß- geheimnisses veranlaßt (§ 300 StGB); im zweiten, den das O L G Stuttgart
ten Fahrlässigkeit abgesehen) durchaus richtig. Aber der Gedanke verliert entschied 45 , hatte ein am Unfall nicht Beteiligter den Fahrer durch die
natürlich alle Beweiskraft, sobald die Herrschaft nicht mehr über Täterschaft unrichtige Behauptung, daß der Verletzte auf Feststellungen verzichtet habe,
und Teilnahme entscheidet. Im Bereiche der Pflichtdelikte also haben die zum Verlassen der Unfallstelle bewegt (§142 StGB). Es handelte sich also
Kritiker der herrschenden Ansicht ebenso recht wie diese bei den Herr- beide Male um Pflichtdelikte: N u r der schweigepflichtige Arzt erfüllte die
schaftsdelikten. Tätervoraussetzungen des § 300 StGB, und nur der wartepflichtige Beteiligte
Die Richtigkeit meiner These, daß die Lösung des Problems sich aus konnte Täter einer Unfallflucht nach § 142 StGB sein. Die beiden Außen-
dem unterschiedlichen Täterbegriff der Herrschafts- und der Pflichtdelikte stehenden sind also Erfolgsbewirker ohne Sonderpflichtverletzung und
von selbst ergibt, zeigt sich besonders deutlich daran, daß die kritischen erfüllen damit alle Voraussetzungen, die an einen Teilnehmer bei Pflicht-
Fälle, um die es in der Diskussion geht, nicht dem Kreis der Herrschafts- delikten zu stellen sind.
delikte, sondern fast ausnahmslos dem der Pflichtdelikte entstammen 39 . Der Umstand, daß ein Bedürfnis für die Annahme einer Teilnahme an
Wo einmal bei den Herrschaftsdelikten das Erfordernis vorsätzlicher vorsatzloser Tat nur bei bestimmten Tatbeständen hervortritt, ist auch schon
Haupttat Schwierigkeiten macht, handelt es sich um Scheinprobleme. Das oft erkannt worden. Lange, der in die Akzessorietätsfragen am tiefsten ein-
bekannte BGH-Urteil 4 0 , in dem ein Gewerbegehilfe, der ohne Wissen gedrungen ist, sagt sogar einmal ganz im Sinne der hier entwickelten
seines Chefs gestohlene Sachen angekauft hatte, wegen Beihilfe zu unvor- Ansicht 46 : „Da das Problem nur bei bestimmten Fallgruppen entsteht, ist der
sätzlicher Hehlerei bestraft wurde, ist sicherlich falsch. Wir haben schon Ansatz zu seiner Lösung nicht einem abstrakten Schema des Systems,
oben 41 gesehen, daß der Angestellte in solchen Fällen, wenn überhaupt eine sondern den spezifischen Strukturen und Komponenten eben dieser Gruppe
Straftat vorliegt, als Täter zu betrachten ist. Die Kritik, die Welzel 42 vom zu entnehmen". Er erkennt in den Fällen der Amtsdelikte im Anschluß an
Standpunkt des allgemeinen Täterbegriffs aus an diesem Urteil übt, ist sehr frühere Darlegungen 47 auch ganz zutreffend, daß es sich bei der Beamten-
berechtigt. eigenschaft um ein Element der „Täterschaftsmäßigkeit" handelt, dessen
Die wirklichen Probleme gehören alle dem Bereich der Pflichtdelikte an. „Fehlen die Zurechnung zur Täterschaft ausschließt, aber die zur Teilnahme
So war es auch in den beiden Sachverhalten, an denen sich der Meinungs- nicht berührt" 48. Aber er geht den eingeschlagenen Weg nicht zu Ende; denn
streit in den letzten Jahren vornehmlich entzündet hat; im ersten, wo der wenn er zu den geschilderten Beispielen meint, daß „der Hintermann der
Bundesgerichtshof 43 entgegen seiner späteren Rechtsprechung eine An- Sache nach einem mittelbaren Täter gleich- oder nahesteht und nur aus
stiftung annehmen wollte, obwohl dem Angestifteten der Vorsatz fehlte 44 , Rechtsgründen nicht erfaßt werden kann" 49, so kehrt er wieder zum Täter-
hatte ein Außenstehender einen Arzt unter der Vorspiegelung, es handele begriff der Herrschaftsdelikte zurück, mit dem man den Pflichtdelikten nicht
gerecht werden kann.
39 Den richtigen Ansatz findet auch Tröndle, der ganz tretend feststellt 50 :
Darüber, wie die Frage bei den eigenhändigen Delikten zu beurteilen ist wird unten
noch zu sprechen sein, vgl. S. 420ff. Daß die Probleme nur bei Sonderdelikten und „Die Schwierigkeiten rühren daher, daß der Besondere Teil in verschiedenen
eigenhändigen Straftaten auftreten, erkennt jetzt auch richtig Arthur Kaufmann, JZ Fällen (nämlich den Sonderstraftaten) vom Täterbegriff des Allgemeinen
• 1962, S. 782 Teils abweicht. Es ist daher schon denkgesetzlich nicht möglich, im All-
40
BGHSt 5, S. 47-52 gemeinen Teil die Auflösung von Schwierigkeiten zu suchen, die erst der
41
S. 350/351
42
JZ1954, S. 128 Besondere Teil ... hervorgebracht hat." Diese Erkenntnis hindert ihn aber
43
BGHSt 4, 355-360; dieselbe Konstellation behandelt jetzt das OLG Köln in MDR merkwürdigerweise nicht, auch bei den Sonderdelikten die Tatherrschafts-
1962, S. 591 f. lehre und damit den allgemeinen Täterbegriff anzuwenden, der nach seinen
44
Welzel, JZ 1953, S. 763, will hier allerdings einen Verbotsirrtum annehmen. Wenn eigenen Voraussetzungen hier nicht paßt. Infolgedessen muß er zur Ab-
aber eine zulässige kollegiale Auskunft vorgelegen hätte, so irrte der Arzt zumindest
vorsatzausschließend über Rechtfertigungsvoraussetzungen; man wird sogar, da auch lehnung jeder Bestrafung des Außenseiters bei vorsatzlosen Sonderdelikten
der Kollege Geheimnisträger gewesen wäre, sagen können, daß er nicht einThal ein kommen.
Geheimnis „offenbaren" wollte, so daß selbst nach der von Welzel vertretenen strengen
Schuldtheorie ein Tatbestandsirrtum anzunehmen wäre; vgl. zu den widersprechenden
45
Meinungen Bockelmann, Untersuchungen, S. 108; Engisch, Schmidt-Festschr., S. 108; JZ 1959, S. 579 = MDR 1959, S. 508. Der Versuch des Gerichts den Akzessorietätsfra-
Heinitz, Festschr. zum 41. Dtsch. Juristentag, 1955, S. 104/05, Anm. 39-41. - Abge- gen durch Konstruktion eines Verbotsirrtums aus dem Wege zu gehen, ist hier auf ein-
sehen davon wäre auch bei Zugrundelegung eines Verbotsirrtums die von Welzel an- mütige Ablehnung aller Beurteiler gestoßen.
genommene Anstiftung mit der Tatherrschaftslehre kaum zu begründen, weil sich dem 46
JZ 1959, S. 563
Anstifter die Tatherrschaft schwerlich absprechen läßt. Aus diesen Gründen scheitert 47
Die notwendige Teilnahme, 1940, S. 54 ff.
auch der Versuch von Dreher, MDR 1962, S. 592 f. sich der Schwierigkeit durch An- 48
JZ 1959, S. 562
nahme einer vorsätzlichen (die Bestrafung wegen vorsätzlichen Delikts aber gleichwohl 49
JZ 1959, S. 561; ebenso Franzheim, Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, S. 26
ausschließenden) Haupttat zu entziehen. 50
GA1956, S. 151/152
370 371

Eine Lösung, welche die Konsequenz aus der besonderen Struktur der B. Teleologische Erwägungen
Täterschaft bei den Pflichtdelikten zieht, bietet demgegenüber allein die hier
vertretene differenzierende Lehre: Danach kann bei den Herrschaftsdelikten Allerdings haben die Gegner unserer Auffassung neben den vorstehend
niemand Teilnehmer (= ohne Tatherrschaft Mitwirkender) sein, ohne daß behandelten konstruktiven Erwägungen auch teleologische Gesichtspunkte
ein anderer - wenigstens nach seiner Vorstellung - die Tatherrschaft hat geltend gemacht, mit denen sie die Möglichkeit einer Teilnahme bei unvor-
und damit vorsätzlich handelt. Bei den Pflichtdelikten ist andererseits eine sätzlicher Tat vom Ergebnis her zu widerlegen versuchen.
Teilnahme an vorsatzloser Haupttat sehr wohl möglich, weil hier nicht
der Vorsatz, sondern die Pflicht das maßgebende Unterscheidungsmerkmal
zwischen Täterschaft und Teilnahme abgibt. Die beiden Außenstehenden a) Erstreckung der Täterschaft auf Nichtqualifizierte?
unserer Leitentscheidungen können daher als Anstifter zu einer Tat nach
§§300 bzw. 142 StGB bestraft werden, obwohl der unmittelbar Handelnde Welzel 51 bringt gegen eine Teilnahmebestrafung des Außenseiters vor,
sich im Tatbestandsirrtum befand. es werde hier „unter der Bezeichnung /Teilnahme' ... die Täterschaft auf
Unsere Lösung ist zwingend, wenn man ihre beiden Voraussetzungen Nicht-Qualifizierte ausgedehnt" - ein Argument, dem die Berechtigung
akzeptiert, daß bei dieser Deliktsgruppe allein die Pflichtverletzung täter- nicht abzusprechen ist, solange man mit dem Tatherrschaftsgedanken
schaftsbegründend wirkt und daß die Teilnahme hier wie überall sekundärer arbeitet. Erkennt man jedoch, daß es sich nicht um eine Quasi-Täterschaft,
Natur ist, also nicht mehr als eine Beteiligung ohne Sonderpflichtverletzung sondern um echte Teilnahme handelt, so hat Welzels Einwand, es liege eine
erfordert. Beide Thesen sind bisher nicht anerkannt, obwohl ohne sie ein contra legem vorgenommene Erstreckung der Täterschaft auf Nichttäter vor,
richtiges Verständnis der Sonderdelikte überhaupt nicht möglich ist. Das keine Gültigkeit mehr. Daß der Teilnehmer nicht in der tatbestandlich
gilt ganz unabhängig von dem in Rede stehenden Akzessorietätsproblem. geforderten besonderen Pflichtbindung steht, charakterisiert ihn ja gerade
In dem mehrfach erwähnten Beispiel etwa, daß ein Extraneus einen Beamten als Teilnehmer; auch Welzel wird von einem Anstifter keine tatbestands-
gemäß § 52 StGB zu einer Aussageerpressung nötigt, stimmen, soweit ich spezifische Pflichtverletzung fordern. Man muß sich immer vor Augen
sehe, alle darin überein 50a , daß eine Anstiftung zu §343 StGB anzunehmen halten, daß die von uns so nachdrücklich herausgehobene Sonderpflicht-
sei. Und doch ist dieses Ergebnis ohne unsere beiden Prämissen nicht erklär- verletzung nicht den Strafgrund dieser Bestimmungen bildet, sondern nur
bar: Denn wenn man von der Tatherrschaft ausgeht, so hat sie der Extraneus, die Täterschaft konstituiert.
so daß er schon per definitionem nicht Anstifter sein könnte; und wenn man Der Strafgrund liegt hier wie sonst in der Rechtsgüterverletzungs 52 ; wäre
die Teilnahme - anstatt sekundär und negativ - primär und positiv als es anders, so könnte es nichtqualifizierte Teilnehmer überhaupt nicht geben.
Abhängigkeit von fremder Tatherrschaft oder, wie Bockelmann, als Willens-
unterordnung im Sinne der Dolustheorie versteht, so kann davon hier nicht
die Rede sein, so daß der Außenstehende konsequenterweise straflos bleiben b) Erweiterung der Organhaftung als Problemlösung ?
müßte.
Dieser Fall unterscheidet sich von dem des fehlenden Vorsatzes beim Auf einer Verkennung des besonderen Täter- und Teilnehmerbegriffs
Intraneus in keinem wesentlichen Punkte. Nimmt man also hier eine Anstif- der Pflichtdelikte beruht es auch, wenn Welzel die empfindlichen Strafbar-
tung an, so muß man es auch dort tun 5 0 b . Die mit dem Anspruch absoluter keitslücken, die seine Lehre bei den Pflichtdelikten aufreißt, durch eine
Gültigkeit auftretende Behauptung, daß die Teilnahme eine vorsätzliche Erweiterung der Organhaftung schließen will. Er sagt 53 : „In Wahrheit
Täterschaft erfordere, beruht also nicht auf sachlogischen Vorgegebenheiten, handelt es sich bei den angeblichen ,Lückenfallen' der echten Sonderdelikte
sondern auf einem unvollständigen und in einigen Punkten unrichtigen um das Problem der sog. Organhaftung, d. h. um die Frage der Einbeziehung
Täter- und Teilnehmerbegriff, der freilich, wenn man ihn unkritisch verwen- des Vertreters in den Täterkreis der echten Sonderdelikte, also um ein Täter-
det, zu den hier mißbilligten Folgerungen in der Akzessorietätsfrage nötigt. schafts-, kein Teilnahmeproblem!" Daher erwägt er die Lösung, in dem vom
O L G Stuttgart entschiedenen Fall den Dritten, der durch die Vorspiegelung,
es sei „alles in Ordnung", den Unfallbeteiligten zum Weiterfahren veranlagt
hatte, als „gewillkürten Vertreter" zum Täter des § 142 StGB aufrücken zu
lassen 54 .
51
Lehrb., 7. Aufl., S. 101
52
Vgl. darüber schon treffend und grundlegend Lange, Die notwendige Teilnahme, S. 54ff.;
Ia
auch D a h m , M D R 1959, S. 509, nennt dieses Ergebnis „doch w o h l unbestritten". ferner Franzheim, Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, S. 19 ff., 24
lb
Vgl. auch D a h m , a. a. O . , S. 509/10, der von ähnlichen E r w ä g u n g e n ausgeht, aber mit 53
Lehrb., 7. Aufl., S. 101
dem Urheberbegriff arbeitet. M
Lehrb., 7. Aufl., S. 397
372 373

Das ist jedoch erstens für die Praxis kein Ausweg; denn aus dem ursachung des Unfalls beigetragen hat", so kann das nur den Sinn haben,
Sachverhalt läßt sich nicht entnehmen, daß der Hintermann „gewillkürter daß die Strafbarkeit nicht auf jede Vereitelung von Ersatzansprüchen aus
Vertreter" war. Außerdem ist die Einbeziehung dieser Personengruppe Verkehrsunfällen erstreckt, sondern auf unfallnahe Personen eingegrenzt
in den Täterkreis weder von der herrschenden Meinung und der Recht- werden sollte. Darin liegt nicht die Erklärung, daß nur wartepflichtige
sprechung anerkannt noch in den Entwürfen vorgesehen, zumal da sich Anspruchsvereiteier erfaßt werden dürfen; aber Außenstehende können in
ohnehin nur ein geringer Teil der Lückenfälle durch diese Konstruktion den Kreis der Strafbaren immerhin nur dadurch hineinkommen, daß sie an
erfassen ließe. Zweitens aber beruht dieser Versuch auf der theoretisch der Handlung des Pflichtigen teilnehmen. Wenn jemand etwa ganz ohne
unrichtigen, aus dem Haften am Tatherrschaftsgedanken zu erklärenden Zutun des Unfallbeteiligten den Wagen beiseiteschafft und die Spuren löscht,
Annahme, es handele sich um ein „Täterschafts-, kein Teilnahmeproblem", kann er unbestreitbar nicht nach § 142 StGB bestraft werden.
während es gerade umgekehrt liegt. Man könnte nun sagen, daß ein Sachverhalt wie der vom O L G Stuttgart
entschiedene diesem letzten Fall einer straflosen Anspruchsvereitelung
näherstehe als dem vom Gesetz typischerweise zugrundegelegten Be-
c) Einwände aus dem Akzessorietätsprinzip ? teiligungsverhältnis. Denn hier befindet sich zwar anders als dort ein Warte-
pflichtiger im Zentrum des Geschehens; aber er wird nur als blindes Werk-
Auch der Akzessorietätsgrundsatz fordert keine andere als die hier vor- zeug und nicht als Träger personalen Unrechts eingeschaltet, so daß sich die
geschlagene Lösung. Zählt man den Vorsatz zum Tatbestand, so könnte es Meinung vertreten läßt, die Tat stelle sich im Endergebnis doch nur als
zwar unzulässig erscheinen, eine Teilnahme ohne eine auch nur tatbestands- eine Anspruchsvereitelung und nicht als Unfallflucht dar. In dieser Richtung
mäßige Haupttat anzunehmen. Aber es ist doch so: Das Akzessorietäts- argumentiert auch Welzel 56 , wenn er zur Annahme einer Anstiftung in
prinzip verlangt, soweit es durch das „Wesen" der Teilnahme vorgezeichnet BGHSt 4, 355 ff. meint, es werde dadurch „die Veranlassung zu einer unvor-
ist, nicht mehr als eine objektiv tatbestandstypische Handlung, wie sie hier sätzlichen Preisgabe fremder Privatgeheimnisse - also eine Ausspähungstat,
in der Preisgabe des ärztlichen Geheimnisses und dem Verlassen der Unfall- die der Gesetzgeber bewußt straffrei gelassen hat - zur Anstiftung zum
stelle liegt. Was aber den Gesetzgeber betrifft, so hat er nur ausgesprochen, Geheimnisverrat umgefälscht". In ähnlicher Weise sagt Heinitz 57 , wer an
daß die Haupttat nicht schuldhaft zu sein brauche; daß sie notwendig in einer vorsätzlichen Täterhandlung mitwirke, begehe „ein aliud gegenüber
allen Fällen den subjektiven Tatbestand - noch dazu in dem Sinne, wie demjenigen, der den Irrtum eines unvorsätzlichen Täters ausnutzen will";
ihn eine umstrittene Lehrmeinung versteht - erfüllen müsse, kann man und Tröndle stellt fest58: „Es wäre nicht sachgerecht, den Außenseiter für
daraus umso weniger schließen, als der Gesetzgeber von 1943 unbestrittener- einen Handlungsunwert haften zu lassen, der ... bei der von ihm veranlaßten
maßen den Vorsatz als Schuldbestandteil ansah und durch seine Regelung Tat gar nicht vorliegt".
die Bestrafung einer Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat ermöglichen Diese Einwände haben Gewicht; aber sie schlagen nicht durch. Denn zwar
wollte 55 . Versteht man die gesetzliche Akzessorietätsvorschrift richtig, so begehen die Außenstehenden der Beispielsfälle wirklich keine Fahrerflucht
verlangt sie also bei den Pflichtdelikten geradezu die hier vertretene Lösung, und keinen Geheimnisverrat; aber das tun sie auch dann nicht, wenn der
und die Gegenmeinung vereitelt den - mit den strukturellen Vorgegeben- Qualifizierte vorsätzlich handelt. Die Differenz zwischen Unfallflucht und
heiten durchaus übereinstimmenden - Willen des Gesetzgebers. Anspruchsvereitelung, zwischen Verrat und Ausspähung bezeichnet eben
jenes personale Element, das bei den Pflichtdelikten die Zentralgestalt
von der Randfigur, den Täter vom Teilnehmer unterscheidet. Verlangt man
d) Verfälschung der Tatbestandsstruktur? für die Teilnehmerbestrafung mehr als das, was nach Abzug des lediglich
für die Täterstrafe erforderlichen vorsätzlichen Pflichtverstoßes übrigbleibt,
Allerdings läßt sich gegen die Möglichkeit einer Teilnahme an unvorsätz- so macht man die Sonderpflichtverletzung zum Strafgrund dieser Bestim-
licher Tat bei den Pflichtdelikten ein Bedenken vorbringen, das sich nicht mung, während es sich in Wahrheit nur um ein Element der „Täterschafts-
aus der Zuordnung von Täterschaft und Teilnahme, sondern auS dem mäßigkeit" (Lange), also um ein Merkmal zur Abgrenzung gegenüber der
gesetzgeberischen Willen zur tatbestandlichen Strafeinschränkung ergibt. Teilnahme, handelt.
Wenn nämlich - um beim Beispiel des § 142 StGB zu bleiben - das Gesetz Hinzu kommt: Wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung
den Täterkreis auf solche Personen beschränkt, deren „Verhalten zur Ver- den Pflichtverstoß zum Strafgrund machen wollte, dürfte man konse-
quenterweise einen Nichtpflichtigen auch bei vorsätzlicher Haupttat nicht

55 56
Vgl. nur Dahm, a. a. O., S. 509; Bockelmann, Untersuchungen, S. 107. Sehr treffend Lehrb., 7. Aufl., S. 101; vgl. auch Stratenwerth, Natur der Sache, S. 15
57
Engisch, Eb.-Schmidt-Festschrift, S. 117. Zur Abgrenzung von Anstiftung und Beihilfe in Festschr. zum 41. Juristentag, 1955, S. 108
58
diesen Fällen a. a. O., S. 112 GA 1956, S. 149/50
374 375

als Teilnehmer bestrafen, denn bei i h m würde diese Voraussetzung gleich- Und auch die zweite Frage gestattet eine klare Antwort. Die Anstiftung
wohl fehlen. Welchen Sinn sollte es auch haben, die Strafbarkeit einer Person zu vorsatzloser Tat hebt sich von den Fällen strafloser Anspruchsvereitelung
davon abhängig zu machen, ob ein anderer eine ihn allein treffende Pflicht und Ausspähung in mindestens dreifacher Weise entscheidend ab:
verletzt hat? E r s t e n s bleibt - wie sich schon aus den Erwägungen zur Tatbestands-
Und weiter: Wenn man in unseren Beispielsfällen ein Täterverhalten, struktur ergibt - die gesetzlich vorgesehene Beschränkung der Strafbarkeit
dem die „personalen" Qualitäten des Geheimnisverrats oder der Fahrer- strikt gewahrt, wenn sie an die (bewußte oder unbewußte) Offenbarung
flucht eignen, zur Strafvoraussetzung machen würde, so dürfte man durch den Geheimnisträger, die Entfernung durch den Wartepflichtigen usw.
auch denjenigen, der einen Sonderpflichtträger zu einer nach § 52 StGB ent- gebunden wird. Schon damit erweist sich das wichtigste Argument, das für
schuldigten Tatbestandsverwirklichung nötigt, nicht als Anstifter bestrafen, die Gleichstellung mit den uferlosen Begriffen der bloßen Aus spähung und
weil unter dem Einfluß des Zwanges ein „Verrat" und eine „Flucht" im Spurenverwischung geltend gemacht wird, als gegenstandslos.
gesetzlich gemeinten Sinn nicht mehr vorliegen. Eine derartige Folgerung Z w e i t e n s liegt ein wesentlicher Unterschied auch im Deliktsgehalt darin,
würde nicht nur zu unerträglichen Ergebnissen führen, die wohl auch die daß in unseren Fällen der Extraneus den Pflichtträger durch eine listige
Anhänger der Gegenmeinung nicht vertreten wollen 59 ; sie würde außerdem Manipulation ausschaltet. Das ist deshalb ein schlimmerer Fall als die
eine Rückkehr zur extremen Akzessorietät bedeuten, die mit dem Gesetz einfache Ausspähung und Anspruchsvereitelung, weil der Gesetzgeber,
nicht in Einklang zu bringen wäre. wenn er jemandem eine besondere Pflicht auferlegt, ihn damit zum Wächter
und Erhalter des bedrohten Rechtsgutes beruft. Der Unfallbeteiligte ist
kraft seiner Wartepflicht dafür verantwortlich, daß die Schuld und Haftungs-
e) Überdehnung der Strafbarkeit* verhältnisse, soweit seine Anwesenheit dazu beitragen kann, aufklärbar
bleiben, und der Arzt ist es, der die Geheimnisse in seiner Brust oder im
Wenn demnach gesichert ist, daß bei den Pflichtdelikten die Konstruktion verschlossenen Schreibtisch fest zu bewahren hat. Meist wird es so sein,
einer Teilnahme an unvorsätzlicher Tat nicht zu einer Verfälschung der Tat- wie es auch in den beiden Ausgangsfällen war, daß der Extraneus seinen
bestandsstruktur führt, so bleiben noch die Fragen, die den Ausgangspunkt Zweck gar nicht erreichen kann, ohne die Schutzinstanz, den Sonder-
unserer Bedenken bildeten: Wird nicht durch diese Lösung die Strafbarkeit, verpflichteten, aus dem Wege zu räumen. Es ist klar, daß die Beseitigung
die durch die Beschränkung des Täterkreises mittelbar eingegrenzt werden dieses Hindernisses aussichtsreicher und für die Rechtsgemeinschaft gefähr-
soll, ungebührlich erweitert? Und wo liegt - um wieder nur unsere Aus- licher ist als das Unternehmen, auf einem anderen Wege Ansprüche zu
gangsfälle beispielhaft heranzuziehen - der sachliche Unterschied einer vereiteln oder sich Kenntnis von Geheimnissen zu verschaffen. Deshalb hat
Anstiftung zur vorsatzlosen Tat gegenüber den straflosen Fällen der bloßen es auch einen guten Sinn, Fälle der ersten Art zu erfassen, die der zweiten
Ausspähung und Anspruchsvereitelung? Art aber außerhalb des strafrechtlichen Schutzbereiches zu lassen.
Die erste Frage ist schnell beantwortet: Keineswegs wird die Strafbarkeit D r i t t e n s haben die vorgeblich gleichliegenden Fallgruppen auch vom
in gesetzwidriger Weise auf die Ausspähung und Anspruchsvereitelung äußeren Erscheinungsbild und von den kriminologischen Voraussetzungen
schlechthin erstreckt; sie bleibt vielmehr auf die scharf umgrenzten Fälle her betrachtet ein recht verschiedenartiges Ansehen. Es ist nicht zu erwarten,
beschränkt, in denen der Nichtpflichtige sein Ziel über die Person des zum daß die an ärztlichen Geheimnissen interessierten Personen in nennens-
Täter Qualifizierten erreicht, mag dieser nun vorsätzlich handeln oder nicht. werter Anzahl dazu übergehen werden, in die Praxisräume einzubrechen,
Daß der Extraneus im zweiten Fall „unzweifelhaft besonders strafwürdig" 60 um dort in unleserlichen Karteiblättern nach Informationen zu spähen, die
ist, bestreiten im allgemeinen auch die Anhänger der Gegenauffassung sie schließlich doch nicht finden. Deshalb besteht für die Pönalisierung
nicht 61 ; deshalb handelt es sich nicht um eine ungerechtfertigte Strafbar- solcher meist hypothetisch bleibender Fälle - wenn man vom Landesverrat
keitsüberdehnung, sondern um eine durchaus sachgemäße Erfassung des absieht - kein Anlaß. Dagegen spielt der Fall, daß Ärzte durch Täuschungen
strafwürdigen Bereichs. zur Preisgabe von Geheimnissen bewegt werden, in der Praxis eine nicht
unerhebliche Rolle, wie sich aus der Häufigkeit, mit der die Gerichte über
solche Sachverhalte zu entscheiden haben, eindeutig ergibt.
59
Vgl. nur die Lösung Welzels, JZ 53, S. 763, der im Arztfall einen Verbotsirrtum Noch klarer ist die Differenz der Konstellationen bei der Unfallflucht zu
annimmt und auf diesem Wege zur Konstruktion einer Anstiftung kommt, obwohl der erkennen. Denn was der Gesetzgeber durch die Strafdrohung verhindern
60
Außenstehende die Tatherrschaft hat. will, ist nicht die Anspruchsvereitelung schlechthin, sondern die Entfernung
Lange, JZ 1959, S. 561 des Unfallbeteiligten vom Tatort. O b ein Außenstehender dieses Ziel durch
61
Vgl. nur Tröndle, GA 1956, S. 149: „Strafwürdigkeit schafft noch keine Strafbarkeit".
Auch die Versuche, in den erwähnten Fällen durch Konstruktion eines Verbotsirrtums gutes Zureden oder durch eine Täuschung erreicht, ist unter diesem Aspekt
(vgl. oben Anm. 44, 45) oder einer „Organhaftung" (vgl. S. 371/372) zur Strafbarkeit zu ganz gleichgültig. Deshalb kann es auch keinen Unterschied ausmachen,
kommen, zeigen, wie groß das Strafbedürfnis ist. ob es sich um eine Anstiftung zur vorsätzlichen oder zur unvorsätzlichen
376 377

Tat handelt. Dagegen betrifft die bloße Anspruchsvereitelung - etwa durch daß der Gesetzgeber Teilnahmehandlungen verselbständigt, ohne daß daraus
das Verwischen von Tatspuren - einen völlig anderen Sachverhalt, den sogar je der Schluß gezogen worden wäre, es gebe keine Anstiftung und Beihilfe.
der Wartepflichtige selbst straflos verwirklichen darf, solange er an der Auch bei den Pflichtdelikten kann der Gesetzgeber für eine solche
Unfallstelle bleibt! Deshalb werden die wahren Verhältnisse durchaus Verselbständigung gute Gründe haben. Auf § 160 StGB wird unten noch
verkannt, wenn man hier die Teilnahme an unvorsätzlicher Tat auf eine einzugeheh sein62a, so daß an dieser Stelle eine Bemerkung zu §271 StGB
Stufe mit der straflosen Anspruchsvereitelung stellt, obwohl sie ihr nicht genügt. Wenn hier eine Anstiftung zu unvorsätzlicher Falschbeurkundung
im geringsten gleicht, sondern in allen entscheidenden Punkten mit der einem Sondertatbestand unterstellt wird, so erfährt das seine Rechtfertigung
Anstiftung zur Vorsatztat übereinstimmt. schon allein durch den Umstand, daß der Gesetzgeber in den §§272, 273
Es ergibt sich also, daß Engisch 61a im Recht ist, wenn er sagt, es sei „eine StGB Qualifikationen geschaffen hat, die eine solche Regelung erforderten.
petitio principii, daß angesichts der Behandlung der ,Ausspähung' im Gesetz Der tiefere Grund dafür liegt darin, daß die Täuschung, wenn sie von einer
die Anstiftung zur vorsatzlosen Haupttat straflos bleiben" müsse. Was bei Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht begleitet wird, personale Unrechts-
diesem Schluß vorausgesetzt wird, daß nämlich die Veranlassung unvorsätz- elemente von selbständiger Bedeutung enthält, die durch eine Bestrafung
licher Geheimnisoffenbarung sich von der gewöhnlichen Ausspähung nicht wegen der bloßen Falschbeurkundung nicht erfaßt würden. Es ist also nicht
unterscheide, ist hier wie in den entsprechenden anderen Fällen nicht nur so, daß die Bestimmungen der §§ 271-273 StGB erforderlich gewesen wären,
unbewiesen, sondern falsch. In Wirklichkeit führt nicht die hier vertretene weil eine Anstiftung zu unfinaler Tat undenkbar war; vielmehr war die
Auffassung, sondern die Gegenmeinung zu ganz ungereimten Ergebnissen: Sonderregelung nötig, um in schweren Fällen den über die Bewirkung
Bestraft wird, wer die Barriere, die das Gesetz in der Person des Sonder- der Falschbeurkundung hinausgehenden Unrechtsgehalt tatbestandlich
verpflichteten zum Schutze des Rechtsguts aufgebaut hat, durch gutes einfangen zu können.
Zureden oder auch durch eine Nötigung überwindet. Wer aber das Hinder- Natürlich kann man bezweifeln, ob diese aus dem Zusammenhang
nis mit Hilfe einer Täuschung übersteigt, bleibt unbestraft, obwohl dieses des Gesetzes geschöpfte Interpretation durch die bewußten Intentionen
Verhalten den vorgenannten Mitteln in der Unrechtsqualität zumindest der legislatorischen Instanzen gedeckt ist. Aber daraus läßt sich kein Gegen-
gleichsteht und für das geschützte Rechtsgut sogar eine größere Bedrohung argument herleiten. Denn wenn das nicht der Fall sein sollte, würde
bedeutet; denn der Täuschende beseitigt von vornherein „die Hemmung, die das höchstens zeigen, daß der Gesetzgeber, wie Engisch 62b sagt, „bei der
in der Erkenntnis liegt, daß man das Gesetz übertritt und sich schwere Limitierung der Akzessorietät im Jahre 1943 den Überblick wohl etwas
Rechtsfolgen auf den Hals ziehen kann" 62. verloren hat." Jedenfalls ergibt sich aus den angeführten Erwägungen, daß
Es ist demnach keineswegs so, wie Heinitz meint, daß bei den Pflicht- die bestehende Regelung unbeschadet der Möglichkeit einer Teilnahme an
delikten die Mitwirkung an vorsätzlicher Tat ein anderer rechtlicher Ein- vorsatzloser Tat ihren Sinn hat.
ordnung bedürftiges aliud gegenüber der durch Täuschung bewirkten Abweichungen im personalen Unrechtsgehalt liegen auch der gesetzlichen
Rechtsgüterverletzung sei. Im Gegenteil: Eine hier differenzierende Lösung Differenzierung von Betrug und Untreue zugrunde, aus der Hellmuth
wäre sinnwidrig, weil sie Fälle, die sich in der maßgebenden Hinsicht Mayer 62c einen Einwand gegen die hier vertretene Lösung gewonnen hat. Er
gleichen, unterschiedlich behandelt und stattdessen das Vorsatzkriterium meint zu § 266 StGB: „Soll es für die Teilnahme auf das Täterschaftsmerkmal
in den Vordergrund rückt, obwohl es für die Abgrenzung der Beteiligungs- der Treubindung nicht ankommen, so wäre jeder für den Geschäftsherrn
formen bei den Pflichtdelikten irrelevant ist und sein Fehlen die Verant- nachteilige Abschluß mit einem Angestellten desselben eine strafbare Teil-
wortung des Außenstehenden nur erhöht, anstatt sie auszuschließen. nahme an ,objektiver c Untreue, auch wenn man von einem Betrug im Sinne
des § 263 nicht sprechen könnte."
Dazu ist zu sagen: Wer einen Angestellten durch Täuschung zu einer
f) Einwände aus dem positiven Recht? den Geschäftsherrn schädigenden Vermögensverfügung veranlaßt, wird
sicherlich nicht wegen Anstiftung zu unvorsätzlicher Untreue, sondern
Mit alledem ist natürlich nicht gesagt, daß der Gesetzgeber, weil die Bestra- nur wegen Betruges bestraft. Das kommt daher, weil bei Vermögens-
fung der Teilnahme an unfinaler Tat bei den Pflichtdelikten möglich und schädigungen gerade in der Täuschung ein Unwert liegt, den der Gesetz-
geboten ist, deshalb darauf verzichten müßte, solche Verhaltensweisen im geber in §263 StGB tatbestandlich umschrieben hat. Die Anstiftung zum
Einzelfall zu selbständigen Tatbeständen auszuformen. Schon aus diesem vorsatzlosen Pflichtdelikt erscheint so als mittelbare Täterschaft bei einem
Grunde steht die immer wiederkehrende Berufung auf die §§ 160, 271 StGB Herrschaftsdelikt; §263 entspricht beim Betrug gegenüber Vertretern
auf schwachen Füßen. Denn es ist ja auch sonst eine bekannte Erscheinung,
62a
Vgl. S. 394/395
6U 62b
Festschr. für E b . Schmidt, S. 112 Eb.-Schmidt-Festschrift, S. 119
62 62c
Lange, J Z 1959, S. 561 Rittler-Festschrift, S. 266; im Anschluß an ihn Welzel, 7. Aufl., S. 101
378 379

mutatis mutandis dem §271. Diese Regelung ist sachgemäß, weil die der unechten Form einer bloßen Urheberschaft - durchaus möglich. Es ist
Täuschung einen wesentlichen Teil des Unrechtsgehaltes ausmacht, der deshalb mit Lange 63 und Lang/Hinrichsen 64 dringend zu wünschen, daß in
durch das Abstellen auf die bloße Vermögensbeschädigung nur unzu- den §§30 und 31 des Entwurfes 1962 das Wörtchen „vorsätzlich" vor der
reichend erfaßt würde. Aber aus ontologischen Strukturgesetzen folgt das begangenen „Tat" wieder gestrichen werde.
nicht: Wenn man einmal hypothetisch annimmt, daß die durch Täuschung Wenn das geschähe, könnte auch § 32 E 1962, der beim Irrtum über den
bewirkten Vermögensschädigungen nicht einem selbständigen Tatbestand Tätervorsatz eine Anstifter- oder Gehilfenstrafe eintreten läßt, als überflüssig
unterstünden - wenn man also § 263 StGB wegdenkt - dann wäre eine wegfallen 65 . Bei den Herrschaftsdelikten bedarf es seiner nicht, wie schon
Bestrafung wegen Teilnahme am Delikt des § 266 StGB durchaus sinnvoll. dargelegt wurde 6 6 . Und bei den Pflichtdelikten ist es nicht anders. Wenn der
Wie steht es aber in dem Fall, auf den Mayer abstellt, daß es sich nur um Außenstehende irrigerweise glaubt, der Pflichtträger handele unvorsätzlich,
ein „ungünstiges" Geschäft handelt, ohne daß die Voraussetzungen des so ist er nach der wirklichen wie nach der vorgestellten Sachlage ohnehin
Betruges vorlägen? Da ist es zunächst so, daß auch der objektive Tatbestand immer nur Anstifter; genau wie der umgekehrte Irrtum - der vermeintlich
der Untreue noch nicht deswegen erfüllt ist, weil ein Geschäft sich nach- vorsätzliche Täter übersieht die Sachlage nicht - die vorliegende Anstiftung
träglich als ungünstig herausstellt. Solange sich der Abschluß im Rahmen nicht berührt.
ordnungsmäßiger Geschäftsführung hält, kommt also schon aus diesem
Grunde eine strafbare Teilnahme nicht in Frage. Es bleiben demnach nur
übrig die verhältnismäßig seltenen Fälle, daß der Außenstehende einen V. Der Pflichtgedanke in der Entwicklung der Tatherrschaftslehre
klaren Irrtum des Vertreters bewußt zu einem den anderen schädigenden
Geschaftsabschluß ausnutzt, ohne dabei Tatsachen zu entstellen, zu unter- 1. Übereinstimmungen und Unterschiede im Täterbegriff der
drücken oder entgegen einer Offenbarungspflicht zu verschweigen. Herrschafts- und Pflichtdelikte
Ist das nun eine Teilnahme an einer unvorsätzlichen Tat im Sinne des
§266 StGB? Eine solche Lösung wäre keineswegs indiskutabel. Im Wenn man den Täterbegriff der Herrschafts- und der Pflichtdelikte mit-
Ergebnis möchte ich freilich Mayer und Welzel recht geben, die ein der- einander vergleicht, so fallen eher die Verschiedenheiten ins Auge: Das
artiges Verhalten straflos lassen wollen. Das beruht aber nicht auf dem Kriterium der Tatherrschaft ergibt sich aus Besonderheiten des konkreten
Wesen der Teilnahme oder der finalen Handlung. Der Grund liegt allein Geschehensablaufes. Bei den Pflichtdelikten dagegen ist die äußere Art der
darin, daß man annehmen muß, der Gesetzgeber habe die durch Unter- Beteiligung gleichgültig; es genügt jedes wie immer beschaffene „Bewirken"
haltung und Beförderung von Irrtümern bewirkten Vermögensschädigungen so daß sich, was die Unerheblichkeit der äußeren Verhaltensformen betrifft,
in § 263 StGB abschließend regeln wollen. Es handelt sich also um ein Aus- eine Übereinstimmung mit dem extensiven Täterbegriff feststellen läßt.
legungsproblem, das mit der Teilnahmelehre unmittelbar nichts zu tun hat, Diese Verwandtschaft reicht allerdings über die Gleichheit im Optisch-
dessen Lösung daher für sie auch keine über diesen Einzelfall hinausgehende Sinnenfälligen nicht wesentlich hinaus. Im Grundgedanken gehen der
Bedeutung haben kann. Überhaupt zeigt dieses Beispiel - was bei den später extensive Täterbegriff, der seinen normativen Gehalt aus der dominierenden
zu behandelnden umstrittenen Fällen 62d noch wiederholt hervortreten Stellung der Rechtsgüterlehre zieht, und die Kategorie der Pflichtdelikte, die
wird - daß auch in diesem Bereich die Arbeit am Detail, d. h. die sorgfältige sich nicht am Erfolg, sondern an der Person des Täters orientiert, nach
Analyse der jeweiligen Rechtsgüterverletzung, des personalen Unrechts- entgegengesetzten Richtungen auseinander. Der Grundlagenstreit der Drei-
gehaltes und des Zusammenhanges der einzelnen Strafvorschriften, durch ßigerjahre um die Auffassung des Verbrechens als Rechtsgüter- oder Pflicht-
keine die Besonderheiten der Regelungsmaterie außer acht lassende, gene- verletzung spiegelt sich hier, ideologisch entlastet und auf seine Bedeutung
ralisierende Patentlösung zu ersetzen ist. für die Dogmatik der Täterlehre reduziert, im kleinen wider.
Unter diesem Aspekt betrachtet stehen aber der Täter der Herrschafts-
und der Pflichtdelikte einander nicht sehr fern. Denn im einen wie im
g) Ergebnisse anderen Falle handelt es sich um personale Elemente, die den Angelpunkt
der Abgrenzung bilden. Sie sind freilich abweichender Art: Die maßgebende
Ich komme also zu einer Folgerung, die beim gegenwärtigen Diskussions- Gestaltung des Kausalablaufes ist bei aller Normbezogenheit durch des-
stand genau zwischen den Fronten liegt: Eine Teilnahme an unfinaler Tat ist kriptive Kriterien weit mehr zu erfassen als das nur geistig verstehbare
bei den Herrschaftsdelikten, wenn der Hintermann den Sachverhalt durch- Merkmal des außerstrafrechtlichen Pflichtverstoßes. Beide Tätervorstel-
schaut, ausgeschlossen, bei den Pflichtdelikten dagegen - und nicht nur in 63
JZ1959, S. 563
54
Gutachten S. 25
65
62d
ebenso Lang/Hinrichsen, Gutachten, S. 25
S. 420ff.,427ff. 66
Vgl. dazu oben S. 269
380 381

lungen stehen aber dem personalen Unrechtsbegriff gleich nahe, und beide neuester Lehre zuzugeben, daß der ... extensive Täterbegriff einer gewissen
ordnen sich dem umfassenden Leitgedanken der Teilnahmelehre, wonach der „Maß"-Gebung bedarf ... Wie diese Maßgebung zu erfolgen hat, bedarf
Täter die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens verkörpert, glei- noch sehr der Klärung ... Vor allem ... wird ... der Gedanke der besonderen ...
chermaßen ein. Es handelt sich um Unterschiede, die nicht aus der Kon- Pflichtverletzung zu jener Maßgebung heranzuziehen sein". In Wirklichkeit
zeption des Täterbegriffs, sondern aus der differierenden Struktur der Tat- war damit unversehens ein entscheidender Schritt zu einer Täterlehre getan,
bestände folgen. Freilich werden sie eben deshalb leicht übersehen: Die die nicht mehr auf die subjektgelöste Rechtsgüterbeeinträchtigung abstellt,
Bedeutung des Besonderen Teils für die Dogmatik der Verbrechenslehre sondern den handelnden Menschen und die Qualität seines Verhaltens in das
wird noch lange nicht genug gewürdigt. Zentrum der Abgrenzung rückt.
Immerhin erscheint es aus den angedeuteten Gründen als verständlich, Damit war Schmidt, der noch beim extensiven Täterbegriff zu stehen
wenn der Pflichtgedanke bisher in der Tatherrschaftslehre eine wechselnde glaubte, auf einen personalen Täterbegriff gekommen, der, wie oben gezeigt
und wenig geklärte Rolle gespielt hat. wurde, der Tatherrschaftstheorie näher steht als seinem extensiven Aus-
gangspunkt. Es nimmt deshalb nicht wunder, daß er nun auch noch die
gerade veröffentlichten Arbeiten von Kohlrausch und Lange, die der Tat-
2. Extensiver Täterbegriff, Pflicht und Herrschaft herrschaftslehre unmittelbar vorgearbeitet haben, mit seinen Gedanken-
bei Eb. Schmidt gängen verbindet und sie mit Hilfe des von ihm offenbar ganz selbständig
formulierten Terminus der „Tatherrschaft" zur Synthese zu bringen sucht.
Der Hauptmangel liegt darin, daß auch heute noch das täterschaftsbegrün- Es heißt jetzt bei ihm 72 : „Nur da ist täterschaftliches Verhalten gegeben, wo
dende Kriterium des außerstrafrechtlichen Pflichtverstoßes bei dieser die intentionale Einstellung des Handelnden ihn als Herren der Tat zeigt, ...
Deliktsgruppe nicht deutlich herausgehoben, sondern unter dem Begriff der so daß er und seine Persönlichkeit durch sie schuldhaft belastet wird", und
Sonderdelikte versteckt wird. Das Verdienst, den Pflichtgedanken in seiner gleich darauf bei Behandlung der Militärstraftaten 73 : „... ganz sicher ist,
Bedeutung für die Täterlehre als erster 67 klar erkannt zu haben, gebührt daß jene die Tatherrschaft bedeutende intentionale Einstellung ... immer das
Eb. Schmidt. In einer im Jahre 1936 erschienenen kleinen Schrift68 sagt er: spezifisch militärische Verpflichtetsein voraussetzt".
„... was das W e s e n und das j u r i s t i s c h E n t s c h e i d e n d e bei der p e r s o - Es ist fesselnd, aus der Rückschau zu sehen, wie hier bei Schmidt drei
nalen Begrenzung', der Qualifikation' oder den besonderen Eigenschaften' verschiedene Täterkriterien (das extensive Prinzip, das Herrschafts- und
ausmacht, das wird in den erwähnten Formeln nicht zum Ausdruck gebracht das Pflichtmoment) noch ungeschieden beisammenstehen und wie der
und ergibt sich zumeist nur andeutungsweise aus den beigefügten Beispielen Pflichtgedanke in innerlich wohlbegründeter Weise die Brücke schlägt
(Beamte, Vormünder, Militärpersonen usw.). D a s E n t s c h e i d e n d e a b e r von einer erfolgs- zu einer persönlichkeitsbezogenen Täterlehre. Die Frucht-
s i n d a l l e m a l b e s o n d e r e P f l i c h t e n 6 9 , nicht irgend welche physische barkeit dieser Ansätze wirkt sich bis heute aus. Während der extensive
oder psychische Eigenschaften oder Gegebenheiten bei irgend welchen Täterbegriff zu Recht in den Hintergrund getreten ist, haben im Verhältnis
Menschen". von Herrschaft und Pflicht die Akzente gewechselt: Bei Schmidt wird
Für Schmidt mußte diese Entdeckung naheliegen. Denn der von ihm der Täterbegriff der Pflichtdelikte sorgfältig und zutreffend beschrieben,
einige Jahre vorher entwickelte extensive Täterbegriff70 hatte sein metho- die selbständige Funktion der Tatherrschaft wird nur angedeutet. Heute
disches Gepräge durch eine von der Gestaltung des äußeren Handlungs- dagegen dominiert die Tatherrschaft, der Pflichtgedanke wird wenig beachtet
verlaufes ganz absehende rein normative Betrachtungsweise erhalten. Einer und in seiner Besonderheit selten richtig erfaßt. Eines ist aber jetzt so wenig
solchen Blickrichtung fügt sich der Pflichtgedanke sehr wohl ein, weil wie damals endgültig geklärt: die Beziehung beider Kriterien zueinander.
auch für ihn die - wie Schmidt damals meinte - „kognitiv-naturalistischen" Die bei Schmidt vertretene Auffassung, die Pflicht sei Bestandteil oder Vor-
Handlungsbestandteile keine Rolle spielen, die Pflichten vielmehr aus- aussetzung der Tatherrschaft, findet sich auch heute noch bei Lange und
schließlich im Normativen beheimatet sind. So wird es erklärlich, wenn er Gallas.
hier anknüpfte und den Täterbegriff der Pflichtdelikte als eine bloße Modi-
fizierung des extensiven Ansatzes betrachtete. Er sagt deshalb: 71 „Es ist

67
Schmidt (Die militärische Straftat und ihr Täter, S. 7, Anm. 16) weist selbst auf die
Ansätze hin, die sich in der bekannten Monographie von Nagler, Die Teilnahme am
Sonderverbrechen, 1903, finden.
68
Die militärische Straftat und ihr Täter, S. 7
6V
Die Hervorhebungen stammen von Schmidt
70 72
Darüber oben S. 9ff., 28 ff. Die militärische Straftat und ihr Täter, S. 10
71 73
In seinem Militärstrafrecht, 1936, S. 41 a. a. O., S. 11
382 383

3. Die Ineinssetzung von Tatherrschaft u. Pflicht bei Lange u. Gallas 4. Tatherrschaft und Pflicht als gemeinsame
Tätervoraussetzungen bei Welzel und Maurach
So lesen wir bei Lange 74 : „... nur der Innenseiter kann tatbestandsmäßig
handeln, nur er beherrscht ... den Amtsbetrieb usw.". Er meint sogar, die Die demnach gebotene Trennung von Tatherrschaft und Pflichtmoment ist
„primäre Strafbarkeit" werde in diesen Fällen „auf die beschränkt, die Tat- bei Welzel und Maurach teilweise durchgeführt.
herrschaft in besonderem Grade, oft exklusiv besitzen" 75 . Auch Gallas steht Allerdings erwähnt Maurach 80 die Pflichtdelikte nur sehr beiläufig unter
auf dem Standpunkt, es könne nicht „Tatherr" sein, wem, wie dem Nicht- den Stichworten der „Sonderstraftat" und der „Täterqualifikation", ohne
qualifizierten bei den Amtsdelikten, „der eigentliche Unrechtsgehalt der Tat ihre selbständige Bedeutung für die Täterlehre zu würdigen und ihre Be-
gar nicht zugänglich ist" 76 . ziehung zum Tatherrschaftsprinzip zu klären. Er verweist sie einfach als
Dem ist, wie sich aus dem Vorhergehenden deutlich ergibt, nicht zu- nicht weiter einzuordnende Sonderfälle an einen Platz außerhalb des von
zustimmen. Es ist zwar durchaus richtig, daß auch jemand, der gegen eine ihm vertretenen Täterbegriffes.
täterschaftsbegründende Pflicht verstößt, sehr oft die Tatherrschaft besitzen, Dagegen hat Welzel schon in seinen „Studien" 81 die „besondere Pflichten-
z. B. den Amtsbetrieb allein beherrschen wird - eben dieser Umstand macht stellung des Täters" als eigenständige Voraussetzung der Täterschaft hervor-
es so schwer, den Täterbegriff der Pflichtdelikte in seiner selbständigen gehoben und ausdrücklich neben die Tatherrschaft gestellt. Er bezeichnete
Bedeutung zu erkennen - aber darauf kommt es nicht an, denn es muß nicht diese Fälle ursprünglich zur Unterscheidung von der „finalen" Tatherrschaft
so sein. Der Extraneus, der durch eine Todesdrohung den Beamten zur als Erscheinungsformen einer „sozialen" Tatherrschaft. Diese Terminologie
Rechtsbeugung nötigt, beherrscht den Amtsbetrieb und ist doch nicht Täter; ist jetzt aufgegeben. Aber auch heute noch trennt Welzel die „objektiv-
der Vermögensverwalter unseres Beispielsfalles dagegen kann von Amerika persönlichen Tätermerkmale" deutlich von der finalen Tatherrschaft als dem
aus das Geschehen nicht beherrschen und ist trotzdem Täter. „generellen Tätermerkmal" 82 .
Etwas anderes ist gegen Gallas einzuwenden 77 . Er hat ganz recht, wenn er Dem ist insoweit zuzustimmen. Jedoch zieht auch Welzel daraus nicht
sagt, daß dem nicht Pflichtgebundenen, sofern er alleine handelt, der die Konsequenz, die wir oben als unumgänglich erkannt und entwickelt
Unrechtsgehalt der Tat nicht zugänglich sei. Aber diese Frage hat nichts mit haben: daß es sich nämlich um einen dieser Deliktsgruppe eigentümlichen,
der Tatherrschaft zu tun. Jemand ist nicht deshalb Tatherr, weil ihm selbständigen Täterbegriff handelt. Vielmehr betrachtet er die „objektiv-
der Unrechtsgehalt einer Vorschrift zugänglich ist - der Unrechtsgehalt des persönlichen Tätermerkmale" als Kriterien, die bei einzelnen Straf-
Totschlages fällt dem Anstifter ebenso zur Last - , sondern weil er den bestimmungen zur Tatherrschaft hinzutreten müssen, die aber nicht allein
Geschehensablauf gestaltet hat. Die von Gallas gewählte Formel umschreibt die Täterschaft begründen können. Deshalb sagt er 83 : „Während die finale
in verhüllter Weise nichts anderes als das Pflichtmoment. Kennzeichnend ist, Tatherrschaft generelle Tätervoraussetzung ist, sind die ... persönlichen
daß Gallas sich selbst genötigt sieht, hier gegenüber der gewöhnlichen Tat- Tätermomente nur da erforderlich, wo der besondere sozialethische Be-
herrschaft von einer „Tatherrschaft in dem von dem betreffenden Tatbestand deutungsgehalt der Handlung tatbestandsgemäß von ihnen abhängt. Dort
gemeinten Sinn" 78 zu sprechen. Daran wird sichtbar, daß es sich in Wirklich- aber ist erst beim Zusammentreffen aller ... Tätervoraussetzungen Täter-
keit um etwas anderes handelt. schaft gegeben. Wem eine von ihnen fehlt, der scheidet notwendig als Täter
Gleichzeitig zeigen sich hier die Grenzen des an sich billigenswerten dieser Tat aus
Versuches von Gallas, den Tatherrschaftsbegriff mit normativen Gesichts- Demgegenüber geht die hier vertretene Auffassung noch einen Schritt
punkten zu verknüpfen 79 . Denn eine Normativierung dieser Art bedeutet weiter, indem sie Herrschafts- und Pflichtdelikte, die bei Schmidt, Lange
weiter nichts als eine Verquickung von Herrschafts- und Pflichtelement und Gallas identifiziert und bei Welzel erst halb voneinander gelöst werden,
und damit eine Gleichsetzung des Ungleichen. Es handelt sich deshalb auch endgültig trennt. Die Lehre Welzels muß immer dort versagen, wo dem
nicht um eine verhältnismäßig beliebige Benennungsfrage. Vielmehr wird Täter der Pflichtdelikte, wie bei den meisten Fällen der Einschaltung eines
durch den einheitlichen Terminus der Umstand, daß zwei verschiedene qualifikationslosen Extraneus, die Tatherrschaft fehlt. Im übrigen ist durch
Täterkriterien vorliegen, verdeckt und der Weg zur Erkenntnis der Ab- die früheren Darlegungen hinreichend klargestellt, daß und warum bei den
weichungen von Herrschafts- und Pflichtdelikten versperrt. Pflichtdelikten die Tatherrschaft auch als „generelles Tätermerkmal" keine
Rolle mehr spielen darf.
4
Kohlr./Lange, 43. Aufl., vor § 47, 1, 4, S. 160
5
a. a. O . I, 3, S. 159/60
6 80
Sonderheft A t h e n , S. 14; ähnlich G u t a c h t e n , S. 133 A.T., 2. Aufl., § 4 7 III, B, 3, S.439; § 4 9 II, C , 1, b, S. 516; § 50 III, E, S. 534
7 81
Zu seiner Lehre ist schon oben im Z u s a m m e n h a n g mit d e m Problem des qualifikations- ZStW, Bd. 58, 1939, S. 543 f.
82
losen dolosen Werkzeugs wiederholt kritisch Stellung bezogen w o r d e n , vgl. S. 252 ff. Lehrb., 7. Aufl., S. 90
8 83
G u t a c h e n , S. 133; ähnlich Sonderheft A t h e n , S. 28 Studien, S. 543, sachlich gleichbedeutend SJZ 1947, Sp. 649/50 u n d Lehrb., 7. Aufl.,
9
Vgl. nur oben S. 73 ff., S. 256-258 S. 90
384 385

5. Die Anwendung des Pflichtgedankens auf Dazu kommen die verstreuten, teils strafbegründenden, teils qualifizierenden
Herrschaftsdelikte bei Hardwig Verletzungen von Obhuts- und Fürsorgeaufgaben (z. B. §§ 174, 175 a Ziff. 2,
181 Abs. 1 Ziff. 2, 221 Abs. 1, 2. Alt., Abs. 2, 223b); ferner der schon oben
Neben denVersuchen, die Pflichtdelikte auf das Prokrustesbett des Tat- als Beispiel herangezogene § 142 StGBs 88 .
herrschaftsprinzips zu zwingen, findet sich aber auch heute noch gelegent- W ä h r e n d i n all diesen Fällen die täterschaftsbegründende Kraft des
lich die umgekehrte Tendenz, das nur begrenzt gültige Kriterium des außer- Pflichtelements aus der Formulierung des Tatbestandes unschwer zu ent-
strafrechtlichen Pflichtverstoßes in wenig verhüllter Form als allgemeines nehmen ist, bedarf es bisweilen auch einer tieferdringenden Analyse, um die
Element des Täterbegriffes zu verwenden. Hierhin gehört das Bestreben aus dem Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres ersichtliche Täterschafts-
Hardwigs 84 , die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe weitgehend struktur deutlich hervortreten zu lassen. Als Beispiel dieser Art diene § 288
danach zu beurteilen, „wessen Sache (Aufgabe) etwas ist" 85 . Das ist ein StGB. Wenn es dort heißt, daß bestraft werde, „wer bei einer ihm drohenden
Gesichtspunkt, der das täterschaftliche Merkmal der Pflichtdelikte aus- Zwangsvollstreckung ... Bestandteile seines Vermögens ... beiseiteschafft",
gezeichnet trifft. Darüber hinaus jedoch hat er keine Gültigkeit. Die von so ist zunächst klar, daß über Täterschaft und Teilnahme nicht nach dem
Hardwig zur Verdeutlichung herangezogenen „unjuristischen Beispiele" Tatherrschaftsprinzip entschieden werden kann. Denn wer den Akt des
(Hilfe beim Koffertragen, bei der Gartenarbeit) 86 beweisen nichts für die Beiseiteschaffens allein beherrscht, kann doch nicht Täter sein, wenn die
Täterlehre, weil derartige sachbezogene „Aufgaben" und Pflichten bei den Zwangsvollstreckung nicht ihm droht und es sich nicht um sein Vermögen
Herrschaftsdelikten keine Rolle spielen. handelt. Andererseits geht es nicht gut an, den geflohenen Schuldner, der
vom Ausland her seinen Freund bittet, die Sachen wegzubringen, deshalb
straflos zu lassen, weil er die Tatbestandshandlung nicht beherrscht. Es muß
VI. Der Erstreckungsbereich der Pflichtdelikte die bloße „Veranlassung der Beseitigung" genügen, um den Schuldner als
Täter und den ausführenden Freund als Gehilfen zu erfassen.
1. Allgemeine Fragen Wie aber läßt sich das erklären ? Mit der Konstruktion eines „absichtslosen
dolosen Werkzeugs", die sich auf den ersten Blick anzubieten scheint, ist
Es ist nicht Aufgabe dieser Arbeit, über das Grundsätzliche hinaus dem nicht weiterzukommen; denn die „Absicht, die Befriedigung des Gläubigers
Pflichtbegriff bis in jede einzelne Strafbestimmung nachzugehen. Das müßte zu vereiteln", kann auch der ausführende Freund haben. Und wenn man ein-
Gegenstand einer Spezialuntersuchung sein, die jeden Tatbestand unter wendet, das Gesetz sei so zu lesen, als ob dort von der „Befriedigung s e i n e s
dogmatischen, rechtshistorischen und kriminologischen Gesichtspunkten Gläubigers" die Rede sei, so ist auch das keine hinreichende Begründung,
auf seine Zugehörigkeit zur Gruppe der Herrschafts- oder Pflichtdelikte zu weil die gesamte Rechtsfigur des „absichtslosen Werkzeugs" gegen die
analysieren hätte. Grundsätze der Täterlehre verstößt und deshalb abzulehnen ist 89 .
Hier können nur Umrisse gezeichnet und Hinweise für die Einordnung Zur richtigen Lösung kommt man, wenn man eine der Strafrechtsnorm
einiger besonders umstrittener Bestimmungen gegeben werden. Danach vorgelagerte Pflicht annimmt, die nur dem Schuldner auferlegt ist und
gehören zu den Pflichtdelikten zunächst die echten und unechten Beamten- die ihm gebietet, sein Vermögen dem Zugriff des Gläubigers offen zu halten.
straftaten; außerdem die Standesdelikte; ferner die Untreue (§266 StGB) 87 Die Pflicht ist also die Kehrseite des Gläubigeranspruchs, und es hat einen
und die Veruntreuung als qualifizierter Fall der Unterschlagung (§ 246 guten Sinn, wenn der Gesetzgeber als Zentralgestalt des Geschehens - unab-
StGB). Weitgehend unproblematisch sind auch die vom Strafgesetzgeber hängig von der äußeren Form des Verhaltens - denjenigen ansieht, an den
zum Teil nachträglich - pönalisierten Verstöße gegen bestimmte familiäre sich der Gläubiger halten muß, der ihm haftet, während Dritte außerhalb der
oder familienrechtsähnliche Verpflichtungen (§§170, 170a-d, 171, 172). Bindung stehen und mit dem Gläubiger unmittelbar nichts zu tun haben.
Gleichzeitig wird dadurch - ähnlich wie im Falle des § 142 der Bereich
84
GA 1954, S. 353 ff. der Strafbarkeit auf solche Personen eingeschränkt, die über die Gestalt
85
Vgl. dazu in anderen Zusammenhängen schon oben S. 17 ff., S. 116/117 * des Schuldners ihr Ziel erreichen, so daß nicht schon jede von Dritten aus-
86
Vgl. auch zu den Beispielen schon oben S. 17, 117 gehende Vollstreckungserschwerung erfaßt wird.
87
Auch der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung (in JR 1960, S. 104/105)
jetzt klar erkannt, daß mit dem Tatherrschaftsgedanken bei der Untreue nicht zu Selbstverständlich ist es Sache einer gesetzgeberischen Wertentscheidung,
arbeiten ist. Er sagt über einen außerhalb der Pflichtbindung Stehenden ausdrücklich, ob er einen Tatbestand als Herrschafts- oder als Pflichtdelikt ausgestalten
daß „der Angeklagte trotz Tatherrschaft und Täterwillens nicht tauglicher Täter der will. O b er so oder anders vorgeht, wird davon abhängen, für wie bedeut-
Untreue sein" konnte (a. a. O., S. 105). Schröder spricht in seiner Anmerkung (a. a. O.,
S. 105) von einem „Beweis dafür, daß die These von der natürlichen Wesensverschieden-
heit von Täterschaft und Teilnahme und eines aus der ,Logik der Sache' sich ergebenden
Abgrenzungsprinzips durchaus nicht als Dogma gelten kann". Beide dringen also nicht Sieht man ihn als Unterlassungsdelikt an, so ist das Ergebnis kein anderes.
zur Erfassung des Pflichtelements als eines eigenständigen Täterkriteriums durch. Darüber eingehender oben S. 338 ff.
386 387

sam er eine Pflichtenstellung im Rahmen der Rechtsgutsverletzung ansieht. Es könnte nur dann Sinn haben, die Mittäterschaft bei § 246 auf Gewahr-
Wird der Strafwürdigkeitsgehalt des Delikts durch sie nach seiner Meinung samsträger zu beschränken, wenn denjenigen, der eine Sache in Gewahrsam
wesentlich beeinflußt, so wird er den Pflichtigen ohne Rücksicht auf den hat, eine besondere Pflicht träfe, die ihn aus dem Kreis der Beteiligten
Handlungsverlauf im Zentrum des Geschehens sehen und die Strafbarkeit heraushöbe und ohne weiteres zur Zentralfigur des Geschehens machte.
Außenstehender erheblich einschränken. Ist er anderer Ansicht, so wird er Dann wäre der Relativsatz des § 246 („die er in Besitz oder Gewahrsam hat")
die Herrschaftsstruktur vorziehen und damit das Gewicht auf die Dominanz ein echtes täterschaftliches Merkmal, das diese Bestimmung zum Pflicht-
im äußeren Verhalten legen. Diesen zweiten Weg ist der Entwurf 1962 in delikt qualifizierte und das Urteil des B G H rechtfertigen würde.
§ 269 gegangen, der Schuldner und Dritte vollkommen gleichstellt und zur Allein: Man fragt sich vergebens, warum den Gewahrsamsinhaber eine
Begründung ausführt, die Regelung des geltenden Rechts sei „offenbar besondere Pflicht treffen sollte, da die Fälle des Anvertrautseins, die gewiß
unbillig; weil Taten, die zugunsten des Schuldners begangen werden, unter eine spezifische Pflichtbindung voraussetzen, dem qualifizierten Tatbestand
demselben rechtlichen Gesichtspunkt Strafe verdienen" 90 - eine Erwägung, unterfallen, so daß für die einfache Unterschlagung nur die Restfälle übrig-
auf Grund deren das Absehen vom Pflichtelement nur folgerichtig ist. bleiben, in denen der Gewahrsamsträger gegenüber dem Eigentümer keine
Dieses Beispiel lehrt, daß die Abgrenzung von Pflicht- und Herrschafts- andere Stellung einnimmt als die übrigen Beteiligten. Geht man der Frage
delikten keine logisch-begriffliche, sondern eine ausgesprochen teleologische nach, so zeigt sich, daß die Gesetzesfassung auf eine Weise zustande-
Frage ist, und zwar ein Problem der Auslegung des einzelnen Tatbestandes. gekommen ist, die entschieden gegen die Annahme eines Pflichtdelikts
Gerade hier zeigt sich wieder sehr deutlich die eigentümliche Wechsel- spricht. Der erste Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund aus
wirkung zwischen Zwecksetzungen und vorgegebenen Strukturelementen, dem Jahre 1869 nämlich, der seinerseits auf §225 des preußischen StGB von
auf die wir eingangs hingewiesen haben. Die Begriffe der „Herrschaft" 1851 und ältere Partikularstrafgesetzbücher zurückgeht, hatte eine Unter-
und der „Pflicht", die, isoliert betrachtet, schon mehr oder weniger norma- schlagung grundsätzlich nur dann annehmen wollen, wenn jemand Besitz
tiven Charakter aufweisen, stellen sich doch gegenüber den jeweiligen Tat- oder Gewahrsam am Gegenstand mit der Verpflichtung erlangt hatte, „die
beständen als fest geformte Vorgegebenheiten dar, zwischen denen der Sache zu verwahren, zu verwalten, zurückzugeben, abzuliefern" 93 . Es
Gesetzgeber zwar nach seinen Intentionen wählt, die aber nach getroffener handelte sich also damals unbestreitbar um ein reines Pflichtdelikt. Bei
Wahl die Regelung aller Teilnahmefragen vorzeichnen und die Abgrenzung den späteren Gesetzgebungsarbeiten hat man dann die Unterschlagung
im individuellen Fall aus der kasuistischen Vereinzelung emporheben und in „ihres Charakters als Treupflichtverletzung entkleidet" und sie „zum reinen
einen tatbestandsgelösten höheren Ordnungszusammenhang einfügen. Aneignungsdelikt" entwickelt 94 . Man ging dabei so vor, daß man die
So sehr daher die Frage nach dem Täter eine Analyse jedes besonderen Verwahrungs-, Verwaltungs- und sonstigen Pflichten wegstrich und das
Tatbestandes erfordert, so fehlerhaft ist es, die Abschichtung von Täterschaft Erfordernis der bloßen Gewahrsamsinnehabung übrig behielt. Warum
und Teilnahme als ein lediglich technisches Problem anzusehen und unter man es bei dieser Fassung bewenden ließ - ob infolge eines Irrtums oder mit
Mißachtung der übergreifenden Strukturen im Wege einer auf die Einzel- Vorbedacht - , ist bekanntlich sehr umstritten. Sicher und ganz unstreitig
bestimmung beschränkten Buchstabeninterpretation vorzunehmen. Dieser aber ist es, daß die einfache Unterschlagung nicht mehr als Pflichtdelikt
Tadel trifft auch den Bundesgerichtshof, wenn er in einem schon oben 91 angesehen werden sollte.
behandelten Urteil 92 ausspricht, Mittäter einer Unterschlagung könne nur Wenn dem aber so ist, dann stellt die Auffassung des Bundesgerichtshofs,
sein, wer Mitgewahrsam an der unterschlagenen Sache gehabt habe. Zur die den §246 StGB der Sache nach zum Pflichtdelikt macht, den Willen
Begründung führt er lediglich den keineswegs klaren Gesetzeswortlaut und des Gesetzgebers geradezu auf den Kopf. Es handelt sich bei der Unterschla-
die gerade erst zu beweisende Behauptung an, daß das Zusammenwirken mit gung also um ein reines Herrschaftsdelikt. Deshalb bleibt es dabei: Auch
einem Gewahrsamsträger zur Annahme einer Mittäterschaft nicht ausreiche. wenn man die „berichtigende" Auslegung des §246 ablehnt und vom
Die Frage nach der dem Sinn des Tatbestandes entsprechenden Teilnahme- Alleintäter Gewahrsam verlangt 95 , setzt die Mittäterschaft nicht voraus, daß
struktur wird aber gar nicht erst gestellt. Wir haben demgegenüber schon jeder einzelne Mitträger der Tatherrschaft den Gewahrsam an der Sache
früher gesehen, daß es sich um ein Zueignungsdelikt handelt, das seiner innehat 96 .
Natur nach dem Herrschaftsprinzip zugeordnet ist. Wir können dem jetzt
von der anderen Seite - vom Pflichtbegriff her - eine Erwägung hinzufügen 93
F ü r das Historische kann ich auf die sorgfältigen Darstellungen bei Bockelmann, U n t e r -
und sagen: suchungen, S. 220-224 (221) u n d bei Post, D e r A n w e n d u n g s b e r e i c h des U n t e r -
schlagungstatbestandes, S. 2 4 - 3 2 , verweisen.
94
Bockelmann, S. 222
95
Vgl. dazu näher oben S. 491/350
96
Begründung, S. 443 A n d e r s freilich mit wenig ü b e r z e u g e n d e r B e g r ü n d u n g Post, S. 7; d o r t auch weitere
Vgl. S. 349/350 Angaben; anders auch Bockelmann. Untersuchungen, S. 227/28; vgl. darüber schon oben
B G H S t 2, 317-320 S. 350
388 389

Die im vorstehenden behandelten Einzelfälle sind nur als Beispiel aus- weiterer Tatbestände, die in andere Zusammenhänge gehören und zum
gewählt worden. Sie sollen zeigen, wie bei der Abgrenzung von Pflicht- und Teil schon oben behandelt worden sind 99 , eine eigene Kategorie von „Delik-
Herrschaftsdelikten vorzugehen ist, und vor allem: daß man dabei nicht ten mit subjektiv gefärbter Ausführungshandlung" zu entwickeln, die nach
durch eine vordergründige, die Dimension der allgemeinen Teilnahmelehre seiner Meinung aus dem Rahmen der sonst objektiven Täterlehre heraus-
ignorierende und insofern sinngelöste Wortinterpretation zu Ergebnissen fallen.
kommen darf, die mit den jeweiligen Tatbeständen willkürlich variieren, das Schon vor ihm hatten mehrere Autoren das Problem in anderer Weise
Ordnungsgefüge der Täterlehre auflösen und damit den Sinn der Differen- zu bewältigen versucht. Wuttig 100 hat auch hier das berühmte „dolose
zierung schlechthin in Frage stellen. Werkzeug" bemüht; danach ist der Hintermann A mittelbarer fremd-
händiger Täter und der Handelnde B sein doloser Gehilfe. Flegenheimer 101
sieht ebenso den A als Täter an, leugnet aber eine Abweichung von der
2. Die Beleidigung objektiven Theorie. Vielmehr sei A schon in dem Augenblick, da er B von
dem Inhalt des Briefes Kenntnis nehmen lasse, Täter einer vollendeten Be-
Einen umstrittenen Sonderfall bildet auch der Tatbestand der Beleidigung leidigung. B sei trotz eigenhändiger Weitergabe nur Gehilfe, weil die Beför-
nebst einigen verwandten Delikten. Die Schwierigkeiten, die diese Bestim- derung lediglich die Beleidigung des A perpetuiere und verstärke. Einen
mung der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme entgegensetzt, sind wieder anderen Weg schlägt Kern 102 ein: Nach seiner Meinung ist bei
zwar in der Kommentar- und Lehrbuchliteratur bis heute nicht beachtet allen Äußerungsdelikten, zu denen beispielsweise auch der Betrug und die
worden; monographische Arbeiten haben aber wiederholt auf sie hinge- Erpressung gehören, im Gegensatz zu der sonst auch von ihm vertretenen
wiesen und in der Begründung erheblich abweichende Lösungen entwickelt. objektiven Abgrenzung Täter immer nur, „wer der geistige Träger der Kund-
Der jüngste und umfassendste Beitrag zum Thema stammt von Rosen- gebung ist, um wessen Gedankenäußerung es sich also handelt" 103 .
feld97, der folgendes Beispiel bildet: A schreitbt an Z einen Brief, in Bemerkenswert ist, daß alle Autoren auf durchaus verschiedenen Bahnen
dem er ihm mehrfache Schimpfworte an den Kopf wirft. B spricht auf zum selben Ergebnis kommen: A ist Täter, B Gehilfe. Und wir wollen die
einem Spaziergang bei A vor und liest den Brief. Als B sich verabschiedet, eigene Lösung vorwegnehmend - sagen: Dem ist zuzustimmen. Wie aber
bittet A ihn, den Brief in den Kasten zu stecken. B tut dies, der Brief wird an läßt sich das begründen, und wie verträgt es sich mit der hier entwickelten
Z bestellt und von ihm gelesen. Täterlehre? Ich meine, keine der vier verschiedenen Erklärungen trifft das
Die Frage geht dahin, ob in diesem Fall B Täter und A Anstifter ist, ob A Richtige.
und B Mittäter sind oder ob A Täter und B Gehilfe ist. Da die Beleidigung Die Lösung Rosenfelds ist zu psychologistisch. In welcher „Stimmung"
ein Äußerungsdelikt ist, besteht die Tathandlung, die das Delikt über das und auf Grund welcher „Affekte" der A den Brief geschrieben hat, wissen
Stadium der Vorbereitung hinausführt, in der Kundgabe, also in dem Akt, wir nicht. Es ist auch gleichgültig: Selbst wenn er nur ein Grobian ist und
durch den die Mißachtung dem Adressaten zur Kenntnis gebracht wird. Das ohne animus iniuriandi handelte, ist er doch Täter der Beleidigung, solange
ist hier die Beförderung zur Post. Vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre er sich bewußt ist, durch seine Äußerung den sozialen Achtungsanspruch
aus müßte daher ebenso wie nach der formal-objektiven Theorie, die Rosen- des anderen zu verletzen. Und B, der den Brief nur eingesteckt hat, ist
feld vertritt, B, der den Brief eingesteckt hat, der Täter und A der Anstifter Gehilfe, auch wenn er den Adressaten haßt und ihm die Kränkung von
sein. Herzen gönnt.
Dieses Ergebnis hält Rosenfeld für unrichtig. Er meint, der Briefschreiber Derselbe Einwand ist gegen die Auffassung Wuttigs zu erheben: Irgend-
A sei der Täter und sein Freund B nur Gehilfe. Die Beleidigung, sagt er, eine bestimmte Absicht, ein spezifischer „Dolus " oder ein anderes über
sei ein Verhalten, „das nicht nur durch ein äußeres Geschehen und einen den Vorsatz hinausreichendes subjektives Element braucht beim Täter der
äußeren Verlauf erfüllt wird, sondern das innerlich durchtränkt sein muß Beleidigung nicht vorzuliegen. Dazu kommen noch die grundsätzlichen
von seelischen Begleitvorgängen" 98 . Es sei für die Beleidigung gewisser- Bedenken gegen das dolose Werkzeug, die hier keiner Erörterung mehr
maßen eine „innerliche Eigenhändigkeit" erforderlich; sie sei „au? einer bedürfen.
treibenden Sonderstimmung entsprossen", „subjektiv gefärbt" und setze Anders liegt es bei Flegenheimer. Seine Ansicht ist mit dem Tat-
eine „affektive Gesinnungsrichtung" als „motivierende Kraft der Äußerung" herrschaftsprinzip zu vereinbaren. Aber sein Ausgangspunkt ist falsch.
voraus. Täter sei deshalb nur der, bei dem diese Erfordernisse gegeben Zwar genügt für die Vollendung der Beleidigung die Kenntnisnahme eines
seien. Rosenfeld versucht dann, anhand dieses Falles unter Hinzuziehung
99
Vgl. oben S. 347 u. S. 351 u n t e r H i n w e i s auf Rosenfeld.
100
Fahrlässige Teilnahme am Verbrechen, 1902, S. 52
101
in seinem Beitrag „Mittäterschaft u n d Beihilfe bei subjektiv gefärbter Ausführungs- D a s P r o b l e m des dolosen Werkzeugs, 1913, S. 62f.
102
handlung'', Frank-Festgabe, Bd. II, S. 161-187 Die Äußerungsdelikte, 1919, S. 49/50
103
hier u n d im folgenden a. a. O . , S. 170 a. a. O . , S. 49
390 391

Dritten, der nicht der Adressat zu sein braucht. Aber dieser Dritte darf nicht kommt im Ausgangsbeispiel nur dem Tun des A zu. Sie liegt darin, daß er
ein Teilnehmer sein, wie es hier der B ist 104 . eine Kränkung niederschreibt und nach außen gelangen läßt. Daß B den
Gegen Kern ist schließlich vorzubringen, daß er zwar für die Beleidigung Kundgabeakt beherrscht, ist unerheblich. Das Einstecken eines Briefes, in
recht hat, daß man dieses Ergebnis aber schwerlich aus dem Begriff der dem A den X beleidigt, hat - was immer B subjetiv gefühlt und gedacht
Äußerungsdelikte herleiten kann. Denn es ist nicht einzusehen, warum etwa haben mag - objektiv nicht die Bedeutung, daß B dem X seine Mißachtung
bei einem Betrug, an dem mehrere Gauner in raffinierter Rollenverteilung zum Ausdruck bringt. Vielmehr wirkt er nur daran mit, daß A dem X seine
mitwirken, nur derjenige soll Täter sein können, der sich als „der geistige Geringschätzung kundgibt.
Träger" der täuschenden Kundgebung darstellt. Es steht außer Zweifel, daß diese Deutung der Beleidigung als Pflicht-
Mir scheint, die Sache verhält sich so: Die Beleidigung unterscheidet delikt auch mit der natürlichen Auffassung übereinstimmt, die nur den als
sich von den Herrschaftsdelikten dadurch, daß sie, wie ich sagen möchte, Täter des Delikts ansieht, dessen Mißachtung verlautbart wird. Der Brief-
„subjektgebunden" ist. Es liegt hier nicht eine vom Täter gelöste, verselb- empfänger X wird, selbst wenn er weiß, daß B den Brief eingesteckt hat,
ständigte Rechtsgutsverletzung vor, wie es etwa beim Totschlag und der immer nur sagen: „A hat mich beleidigt".
Brandstiftung der Fall ist. Eine subjektlose „Mißachtung an sich" gibt es Wenn demgegenüber Welzel die Beleidigung als „Kundgabe der (eigenen
nicht. Es kann immer nur ein bestimmter Mensch einem bestimmten anderen oder fremden) Mißachtung" 105 definiert, so ist das vom Standpunkt der Tat-
seine Mißachtung zum Ausdruck bringen. Das folgt aus dem insoweit vor- herrschaftslehre aus ganz konsequent. Dann wäre B Täter. Aber das wider-
gegebenen Wesen der Beleidigung. Die herrschende Meinung trägt dem spricht dem Sinn des Gesetzes und der Lebenswirklichkeit. Selbst wenn
Rechnung, indem sie die Beleidigung als eine „Verletzung des sozialen jemand mündlich die Beleidigung eines anderen ausrichtet, ist dieser andere
Achtungsanspruches" definiert. In der Rechtsfigur des „Anspruchs" ist Täter 106 ; der Übermittler ist es nur dann, wenn er durch die Art seines Vor-
die Beziehung zwischen zwei Personen mitgedacht. Dem Anspruch des trages auch seine eigene Mißachtung zum Ausdruck bringt dann aber liegen
Berechtigten korrespondiert mit Notwendigkeit die Pflicht des Partners zu zwei Beleidigungen vor.
seiner Erfüllung. Das bedeutet für die Beleidigung: Jeder Mensch hat gegen Auf den ersten Blick scheint es, als ob die subjektive Theorie der ent-
jeden anderen einen höchstpersönlichen Achtungsanspruch, den nur der wickelten Problematik gerecht werden könnte. Der Briefschreiber A will die
jeweils Verpflichtete selbst verletzen kann. Die Beleidigung ist also ihrer Tat als eigene, B handelt mit animus socii - so könnte man sagen und den
Natur nach ein Pflichtdelikt. Fall als gelöst betrachten. Aber der Schein trügt: Selbst wenn A es dem B
Daraus folgt: Auch wenn die Kundgabe allein in der Hand eines „anheimstellt", ob das Schreiben abgeschickt wird oder nicht, ist nur A der
anderen liegt, ist Täter doch immer nur, wer den gegen ihn sich richtenden Täter, sobald es zur Kundgabe kommt. Auch wer sich der Entscheidung des
Achtungsanspruch verletzt. Der Beweis, daß im Ausgangsbeispiel der A anderen unterordnet, kann also Täter sein. Daran zeigt sich wieder deutlich,
trotz fehlender Tatherrschaft Täter und der B trotz Tatherrschaft Gehilfe ist, daß der objektive Sinngehalt eines Vorganges sich psychologischen Kriterien
ist also dann erbracht, wenn dargetan wird, daß die Handlungsweise beider nicht erschließt.
lediglich den Achtungsanspruch des Z gegen A verletzt hat. Wenn die täterschaftliche Struktur des Beleidigungstatbestandes bisher
Eine einfache Erwägung zeigt, daß das der Fall ist: Der Achtungsanspruch nicht erkannt worden ist, so liegt das an zwei Umständen: Erstens daran, daß
ist nichts Fiktives, nur Gedachtes, sondern ist eine soziale Realität; er ist die Animus-Theorie bei der Inhaltlosigkeit ihrer Kriterien eine dem Rechts-
aber nicht sinnlich wahrnehmbar und hat keine körperliche Gestalt. Er ist gefühl entsprechende Scheinlösung meist nicht hindert. Wen man als Täter
daher auch nicht durch äußere Einwirkungen in der Weise verletzbar wie ansehen will, dem schreibt man nachträglich den animus auctoris zu. Ein
etwa eine fremde Sache durch einen Beilhieb; vielmehr kann er, da er seine zweiter Grund liegt aber auch darin, daß man dem Pflichtelement wenn
Existenz allein in der Sphäre sozialer Bedeutungen hat, nur durch Handlun- überhaupt - allein unter dem Stichwort der „Sonderdelikte" einen auch hier
gen beeinträchtigt werden, deren Sinngehalt auf eine Negierung dieses nur beschränkten Raum gewidmet hat. Dadurch wird der Weg zur Lösung
Anspruches geht. Es ist dann nicht die Handlung als körperlicher Vorgang, der Täterschaftsfragen bei solchen Pflichtdelikten, die, wie die Beleidigung,
sondern die in ihr steckende, nicht den Sinnen, sondern nur dem geistigen sicher nicht als Sonderstraftaten angesehen werden können, von vornherein
Verstehen zugängliche Bedeutung, die den Erfolg - die Beleidigung - aus- versperrt. O b dem etwas unklaren Begriff der „Sonderstraftat" neben dem
macht. der „Pflichtdelikte" überhaupt eine selbständige Bedeutung zukommt und
Daraus folgt zwingend: Jemand kann einen gegen ihn sich richtenden worin sie liegt, das bedürfte noch der Untersuchung.
Achtungsanspruch nur durch Handlungen verletzen, die den Sinn ver- Die Beleidigung jedenfalls erweist sich auch im übrigen in ihrer Struktur
körpern, daß er, der Handelnde, den Adressaten mißachte. Diese Bedeutung als reines Pflichtdelikt. Eine mittelbare Täterschaft (etwa durch den Brief-

105
Lehrb., 7. Aufl., S. 267
104 106
Vgl. dazu Kern, a. a. O . , S. 50 sehr ähnlich auch schon Kern, Äußerungsdelikte, S. 49
392 393

träger als ahnungsloses Werkzeug) ist ohne weiteres möglich. Täter ist jeder, handelt sich dabei um Delikte, bei denen die täterschaftsbegründende Pflicht
der den Erfolg bewirkt, sofern sein Tatbeitrag sich für eine sinnverstehende von der Art ist, daß sie nur durch eine unmittelbar persönliche Vornahme
Betrachtungsweise als Objektivation eigener Mißachtung darstellt. der Tatbestandshandlung verletzt werden kann.
Es bedarf keiner Erwähnung, daß die Tatbestände, die das Merkmal des Es ist wegen dieser Besonderheit nicht falsch, hier von eigenhändigen
„Beschimpf ens" enthalten - heute etwa die §§96, 130, 166, 189 StGB nach Delikten zu sprechen; denn eine Begehung in mittelbarer Täterschaft
denselben Kriterien zu beurteilen sind 107 . Anders steht es mit der üblen ist tatsächlich unmöglich. Für die Täterschaft maßgebend ist aber auch
Nachrede und der Verleumdung. Ohne daß es hier möglich wäre, auf das hier die Verletzung einer außerstrafrechtlichen Sonderpflicht und nicht
umstrittene „Wesen" dieser Tatbestände näher einzugehen, soll doch kurz ein bestimmtes Verhalten. Deshalb ist die Kennzeichnung solcher Delikte
angedeutet werden, wie sie unter täterschaftlichen Aspekten aufzufassen als „eigenhändig" recht äußerlich und trifft, da der Pflichtgedanke zur
sind. Abgrenzung der Beteiligungsformen führt, nicht das eigentlich täterschafts-
Danach erschöpft sich der Deliktsgehalt beider Bestimmungen nicht begründende Element. Sie ist sogar insofern bedenklich, als sie leicht die
in dem Umstand, daß jemand seine persönliche Abneigung gegen einen wahre Struktur dieser Tatbestande verdeckt. Vor allem entsteht in dieser
anderen in sozial unzulässiger Weise äußert. Vielmehr wollen sie verhindern, Beziehung für die Täterlehre kein besonderes Problem. Insofern der Pflicht-
daß das Opfer in der Öffentlichkeit durch die Verbreitung ehrenrühriger gedanke die Eigenart dieser Bestimmungen erklärt, ist die Einführung
Unwahrheiten herabgewürdigt wird. Die Tatbestände sind also - weil Tat- einer weiteren Täterkategorie überflüssig. U m einer Verwechselung dieser
sachen „für sich selbst sprechen" - subjektgelöst. In der Deliktsbeschreibung Tatbestände mit den im folgenden zu behandelnden echten eigenhändigen
zeigt sich das daran, daß dem „Behaupten" das bloße „Verbreiten", also die Delikten vorzubeugen, bei denen die Eigenhändigkeit sich nicht aus dem
Weitergabe fremder Behauptungen, ausdrücklich gleichgestellt wird. Deshalb Pflichtprinzip, sondern aus anderen Erwägungen ergibt, bezeichne ich diese
kommt es für die Täterschaft insoweit nicht darauf an, wer „geistiger Träger" Unterart von Pflichtdelikten als „unechte eigenhändige Delikte".
der Kundgebung ist, sondern wer ihre Verbreitung in der Hand hat. Täter ist Ein besonders anschauliches Beispiel dafür ist die Fahnenflucht. Dieser
deshalb jeder, der sich an der Weitergabe der unwahren herabwürdigenden Tatbestand wird noch heute fast immer als paradigmatischer Fall einer
Äußerung mit Tatherrschaft beteiligt. eigenhändigen Straftat angeführt, seit Binding 108 festgestellt hat, der Deser-
Andererseits liegt aber in der üblen Nachrede und der Verleumdung teur müsse „mit eigenen Beinen entlaufen". Dabei handelt es sich in Wirk-
insofern auch ein beleidigendes Element, als der Nachredner und der lichkeit um ein reines Pflichtdelikt, dessen Bedeutung für die Täterlehre
Verleumder nicht nur die Gefahr der Rufschädigung heraufbeschwören, ganz ohne Rückgriff auf die „Eigenhändigkeit" verstehbar ist. In voller
sondern, sofern es sich um ihre Behauptung handelt, gleichzeitig durch die Klarheit zeigt sich das bei Eb. Schmidt, der die eigenhändigen Delikte
Geltendmachung derart ehrenrühriger Unwahrheiten ihre persönliche grundsätzlich ablehnt, gerade deshalb aber erkennen kann, daß Täter nur ist,
Mißachtung kundtun. Die §§ 186, 187 sind also, was das Merkmal des wer „mit seiner Entfernung von der Truppe ein i h n s e l b s t an d i e s e
Verbreitens betrifft, reine Herrschaftsdelikte, was aber das „Behaupten" - f e s s e l n d e s P f l i c h t e n b a n d 1 0 9 ) zerreißt, nicht aber der, der ohne in
das nach eigener Überzeugung als richtig Hinstellen - anlangt, gleichzeitig solcher rechtlichen Bindung zu stehen oder ohne diese für sich selbst zu
als Spezialfälle einer Beleidigung durch öffentliche Tatsachenbehauptung zertrennen, einen anderen zur Fahnenflucht bestimmt" 110 . Erläuternd fügt er
Pflichtdelikte. hinzu 111 : „Also nicht, daß er ,mit eigenen Beinen entläuft' (Binding) ist das
Wenn es sich also bei dem anfangs erwähnten Brief des A um eine Entscheidende. Es war eine Resterscheinung des positivistischen Naturalis-
Verleumdung gehandelt hätte, die an eine Zeitung geschickt werden sollte, so mus, daß man die Kategorie der ,eigenhändigen' Delikte ersann, anstatt mit
wäre B wegen seiner Tatherrschaft beim Verbreiten Täter; gleichzeitig wäre normativer Methode auf die entscheidenden Rechtsbeziehungen (Pflichten)
aber auch A Täter des § 187, weil er durch seine Behauptung den gegen abzustellen ...".
ihn sich richtenden Achtungsanspruch des Z verletzt hätte. Wir haben hier Wenn man von dem Verallgemeinernden dieses Urteils absieht: Auf
also eine ebenso eigenartige wie nach dem Schutzzweck der Bestimmung die Fahnenflucht trifft es jedenfalls zu. Nicht der äußere Vorgang des
sinnvolle Kombination von Pflicht- und Herrschaftsdelikt vor uns. Laufens, sondern die Pflichtverletzung ist täterschaftsbegründend. Und
wenn man sich den gemeinsamen Strafgrund aller Beteiligungsformen bei
diesem Delikt klarmacht, so ist es - wie auch sonst bei den Pflichtdelikten -
3. Unechte eigenhändige Delikte nicht in erster Linie die Handlung, sondern der Erfolg, die Beeinträchtigung

Schließlich gehört zu den Pflichtdelikten noch eine Gruppe von Tatbestän- 108
Die drei Grundformen, in: Abhandlungen, S. 266
den, die im allgemeinen als eigenhändige Straftaten aufgeführt werden. Es 109
bei Schmidt kursiv gedruckt
110
Militärstraf recht, 1936, S. 41
111
Vgl. darüber schon Rosenfeld a. a. O., S. 171 a. a. O., S. 41 Anm. 3
394 395

der Wehrkraft, dem der Gesetzgeber vorbeugen will. Trotzdem sind die daß den Angeklagten im Gegensatz zum Zeugen keine durch eine Strafnorm
Worte Schmidts ohne Widerhall geblieben. sanktionierte prozessuale Wahrheitspflicht trifft.
Um Pflichtdelikte handelt es sich entgegen der landläufigen Annahme Den Charakter dieser Tatbestände als Pflichtdelikte hat übrigens auch das
auch bei den §§153, 154, 156 StGB. Schon die Existenz des §160 StGB Reichsgericht in einigen wenig beachteten Entscheidungen durchaus richtig
beweist hier, daß kein Herrschaftsdelikt gegeben ist. Denn da der Hinter- hervorgeholten 113 . Es heißt dort z.B. 1 1 4 : „Alles, was einer der Wahrheit
mann, der sich eines gutgläubigen Werkzeuges bedient, unzweifelhaft die zuwider beteuert, verletzt immer nur seine eigene Pflicht, die Wahrheit zu
Tatherrschaft besitzt, müßte in diesem Falle eine mittelbare Täterschaft sagen. Die einem anderen obliegende Pflicht zur Wahrheit kann er damit
vorliegen, und eine Sondervorschrift wäre überflüssig. Weil nun die Pflicht- nicht verletzen. Wohl kann dem anderen zu solcher Pflichtverletzung
delikte als selbständige Gruppe nirgends erfaßt werden und höchstens bei Beihülfe geleistet werden, er kann zu solcher angestiftet werden, immer
den Sonderstraftaten eine unzureichende Würdigung erfahren, ist die fast bleibt aber die falsche Versicherung ... allein die Tat desjenigen, der die
absolut herrschende Lehre auf den Ausweg verfallen, ein eigenhändiges Versicherung abgibt".
Verbrechen anzunehmen. Diese Deutung führt allerdings bei der hier vertretenen Akzessorietätsauf-
Diese Erklärung befriedigt aber wenig. Beim Meineid mag es noch fassung zu dem Ergebnis, daß die in § 160 StGB geregelte Verleitung zur
begründbar sein, wegen des sakralen Momentes der Selbstverfluchung das unvorsätzlichen Tat als Anstiftung erfaßt werden könnte. Doch läßt sich
spezifisch täterschaftliche Element im Aussprechen der unwahren Worte diese Bestimmung nicht, wie es vielfach geschieht, zur Widerlegung unserer
zu sehen. Bedenklich ist das allerdings auch hier; denn einerseits kann die Ansicht verwenden. Denn erstens ist zu bedenken, daß unser Gesetzbuch
religiöse Beteuerungsformel weggelassen werden (vgl. §§66c Abs. 2 StPO, zur Zeit seines Erlasses vom Grundsatz der extremen Akzessorietät ausging;
481 Abs. 2 ZPO), und andererseits gehört es ohnehin nicht zu den Aufgaben zweitens verdeutlicht diese N o r m durch Ausschaltung der mittelbaren
des Rechts, mit Strafsanktionen in die Beziehung des einzelnen zu Gott Täterschaft die Erkenntnis, daß es sich nicht um ein Herrschaftsdelikt
einzugreifen. In den Fallen der §§ 153, 156 StGB aber versagt diese Auf- handelt; und drittens kann der Gesetzgeber seine Gründe dafür gehabt
fassung vollends; denn es ist nicht einzusehen, wie bei diesen, allein dem haben, dem täterschaftlichen Pflichtmoment für die Strafzumessung solche
Schutz der Rechtspflege dienenden Straftaten dem äußeren Vorgang des Bedeutung zuzuerkennen, daß er in diesem Sonderfall der Anstiftung eine
Sprechens täterschaftsbegründende Kraft zukommen sollte. mildere Strafe für angebracht hielt 115 .
Demgegenüber ist es wesentlich einleuchtender, hier ein Pflichtdelikt Auch eine Reihe weiterer Tatbestände, die im Schrifttum gelegentlich als
anzunehmen: Wer immer eine nach den §§153, 154, 156 StGB strafbare eigenhändige Straftaten genannt werden, wie etwa die §§ 142, 170 b, 170d,
Falschaussage machen kann, hat unbestreitbar eine prozessuale Wahrheits- 266 116 , 298, 330, 360 Ziff. 8 StGB 117 und manche andere sind in Wahrheit
pflicht, die den Außenstehenden nicht trifft. N u r wer selbst als Zeuge vor Pflichtdelikte und können aus der folgenden Erörterung ausscheiden.
Gericht geladen ist, hat eine Pflicht zu wahrheitsgemäßer Aussage; wer
sonst an der Irreführung des Gerichts mitwirkt, indem er etwa dem Meinei-
VII. Systematische Hinweise
digen die gefälschten Unterlagen verschafft, kann gegen die persönlichkeits-
gebundene Zeugnispflicht nicht verstoßen und deshalb immer nur Teil- 1. Pflichtdelikte und Systemeinheit
nehmer sein. 112
Daraus erklärt es sich auch, daß der Angeklagte im Strafprozeß niemals Gegen die vorstehend entwickelte scharfe Trennung zwischen dem Täter-
Mittäter sein kann, wenn er mit einem Zeugen zusammen ein lügenhaftes begriff bei den Herrschafts- und bei den Pflichtdelikten ist der Einwand zu
Alibi aufbaut. Diese Möglichkeit scheidet aus, obwohl ein typischer erwarten, es werde hier ein „doppelter" Täterbegriff eingeführt, der die
Fall gemeinsamer Tatherrschaft vorliegt und obwohl der Angeklagte der systematisch gebotene konstruktive Einheit zerstöre. Es sei widersprüchlich,
Rechtspflege mindestens ebensoviel Schaden zufügt wie der Zeuge. Diese ein Merkmal, das bei einem Tatbestand die Täterschaft begründe, bei einem
Annahme folgt nicht etwa aus dem Umstand, daß der Angeklagte wegen anderen nur zur Bejahung einer Teilnahme ausreichen zu lassen.
der bei ihm vorliegenden Selbstbegünstigung milder beurteilt würde: Stiftet
113
er den Zeugen zu seiner Falschaussage an, so erleidet er dieselbe Strafe Vgl. R G S t 37, 92-94 (93f.); 6 1 , 199-202 (201)
114
wie dieser. Sie ergibt sich nicht einmal unmittelbar aus § 160 StGB, der einen R G S t 37, 93 f.
115
Vgl. z u r Problematik solcher gesetzlicher Sonderregelungen schon oben S. 376ff.
gutgläubigen Tatmittler voraussetzt. Der Grund liegt vielmehr allein darin, 116
Im Falle des § 2 6 6 , den z. B. B a u m a n n , Lehrb., 2. Aufl., S. 439, als „eigenhändig"
nennt, liegt eine ausgesprochene Verwechselung mit einem Pflichtdelikt vor. N i c h t ein-
mal ein unechtes eigenhändiges Delikt läßt sich hier a n n e h m e n , d e n n eine mittelbare
112
aus d e m auch von ihm b e t o n t e n Pflichtcharakter der Aussagedelikte hat neuerdings Täterschaft ist sehr w o h l möglich, wie die früheren A u s f ü h r u n g e n (oben S. 360 ff.)
Schmidhäuser, G ö t t i n g e r Festschrift für das O L G Celle, S. 207-237, eine sehr zu- zeigen.
1,7
treffende L ö s u n g für den Streit u m den Begriff der „Falschheit" bei diesen Tat- Vgl. n u r etwa die Zusammenstellungen bei Bollinger, ungedr. H a m b . Diss., 1958,
beständen entwickelt. S.44ff., 68, 89f., 93f., 85f.
396 397

Ein solches Argument hatte jedoch kein Gewicht. Denn: 2. Der Täter der Pflichtdelikte als Subjekt des
E r s t e n s ist durch die Auffassung des Täters als der Zentralgestalt des Unrechts-Gesamttatbestandes
handlungsmäßigen Geschehens, der sich Herrschafts- und Pflichtmoment
gleichermaßen unterordnen, die Systemeinheit gewahrt. Zwar hat der Begriff Die besondere Pflichtenstellung, die bei dieser Deliktsgruppe täterschafts-
der Zentralgestalt bereits eine gewisse Abstraktionshöhe; diese Eigenheit begründend wirkt, gehört systematisch ebenso wie das früher behandelte
teilt er jedoch mit allen systematischen Grundbegriffen. Die an ein solches Herrschaftsmoment in den Bereich des tatbestandlichen Unrechts.
Kriterium zu stellende Anforderung, zugleich als Grund- wie als Grenz- Das bedarf besonderer Erwähnung, weil in jüngster Zeit Armin
element brauchbar zu sein, das heißt: Die allen Tätern zukommenden Kaufmann 120 und in früheren Auflagen seines Lehrbuches auch Welzel 121
Gemeinsamkeiten herauszuheben (Grundelement) und damit nicht in die These entwickelt haben, es handele sich bei den Täterqualifikationen um
Einklang zu bringende Ansätze von vornherein auszuschalten (Grenz- sog. „reine Rechtspflichtmerkmale", die mitsamt den sie begründenden sach-
element) 117a , erfüllt dieser Begriff in vollem Umfang 117b . lichen Umständen in einen vom Tatbestand streng zu trennenden Bereich der
Z w e i t e n s wird durch die Trennung von Herrschaft und Pflicht nicht Rechtswidrigkeit zu verweisen seien.
eine doktrinäre, aus irgendwelchen Oberbegriffen abgeleitete Unter- Ich habe schon früher 122 versucht, in Auseinandersetzung mit diesen
scheidung in das Gesetz hineingetragen, sondern es wird im Gegenteil eine Lehren von den Tatbestands- und Irrtumsproblemen her die Zugehörigkeit
in den Einzeltatbeständen angelegte strukturelle Differenzierung berück- dieser Merkmale zu einem Tatbestand und Rechtfertigungsausschluß um-
sichtigt, durch Klarlegung der abweichenden Konsequenzen dogmatisch fassenden Unrechts-Gesamttatbestand zu erweisen. Es ist nicht nötig, die
verarbeitet und durch Subsumtion unter einen gemeinsamen Oberbegriff dort vorgebrachten Argumente an dieser Stelle zu wiederholen 123 . Hier
systematisch bewältigt. Es entspricht dies der allgemeinen Erkenntnis, daß genügen zwei ergänzende Hinweise aus der Täterlehre.
ein System nicht der Regelungsmaterie von außen auferlegt werden darf, Wenn der Tatbestand, wie früher dargelegt wurde, die Aufgabe hat, den
sondern lediglich die Funktion hat, die vorgegebenen rechtlichen Einzel- Täter des Delikts als handelnde Person plastisch zu umschreiben, so daß die
erscheinungen sinnvoll zu ordnen und die ihnen zugrundeliegenden größe- übrigen Mitwirkenden nur kraft der Teilnahmevorschriften strafausdehnend
ren Strukturzusammenhänge deutlich werden zu lassen. erfaßt werden, dann müssen selbstverständlich auch die Tätermerkmale mit
D r i t t e n s ist es auch nicht etwa so, daß durch die den Pflichtdelikten ein- ihren sachlichen Voraussetzungen - zu denen in erster Linie der Verstoß
geräumte Sonderstellung eine gegenüber dem bisher geübten Verfahren gegen die außerstrafrechtliche Pflicht gehört - Bestandteile des Tatbestandes
kompliziertere und die einheitliche Lösung zersplitternde Regelung ge- sein. Es wäre ja auch eine sonderbare Vorstellung, daß der Gesetzgeber etwa
troffen würde. Es ist im Gegenteil so, daß in allen bisher vertretenen Lehren in den §§331/32 StGB die Annahme eines Geschenks durch einen Nicht-
- vom extensiven Täterbegriff bis zur Tatherrschaftstheorie - die Pflicht- qualifizierten für eine Geschäftsbesorgung mitbeschrieben haben sollte, so
delikte einen dogmatisch nicht zu integrierenden Fremdkörper dargestellt daß dieser unrechtsfreie, „offene" Tatbestand erst nachträglich im Bereiche
haben 118 , daß die vom Rechtsgefühl und den vorgegebenen Sinnzusammen- der Rechtswidrigkeit auf die strafrechtlich relevanten Fälle eingeschränkt
hängen geforderten Ergebnisse konstruktiv nicht begründbar waren und werden müßte.
daß darüber hinaus, weil eine sachgerecht gliedernde Konzeption fehlte, Vor allem aber läßt sich eine solche Zerreißung in Tatbestandshandlung
die Abgrenzung mit den einzelnen Tatbeständen willkürlich variieren und und Täter, wie sie durch die Einstufung in getrennte Kategorien des Delikts-
ganz disparate, die Einheit der leitenden Gesichtspunkte auflösende Folgen aufbaus erforderlich wird, praktisch nicht durchführen. Es würde dann
zeitigen mußte 119 . Demgegenüber gewährleistet die hierentwickelte Auffas- im Tatbestand als Verbrechenssubjekt ein final handelnder Verursacher
sung eine glatte und befriedigende Lösung für die in den Einzeltatbeständen zurückbleiben, der sich, weil es auf die Tatherrschaft nicht ankommt, vom
angelegten Unterscheidungen und bietet gleichzeitig eine übersichtliche, Teilnehmer der Pflichtdelikte nicht unterscheiden würde. Wenn man das
zusammenhängend gegliederte Ordnung der Täterlehre. in Kauf nehmen wollte, so ist es jedenfalls nicht mehr tragbar, daß zwangs-
Gerade die saubere Differenzierung zwischen Herrschafts- und Pflicht- läufig die Tatbestandshandlung bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden
delikten erweist sich also als eine systematisch tragfähige und in den konkre- müßte. § 300 StGB meint doch nicht das Ausplaudern irgendeines Geheim-
ten Ergebnissen fruchtbare Grundlage für die Teilnahmelehre. nisses durch eine beliebige Person - die klatschhafte X erzählt, sie habe
gehört, der Nachbar Y sei seiner Frau untreu gewesen - sondern den Verrat
n7i
Vgl dazu oben S. 25-32 In seinem Werk „Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie", 1954, S. 134ff.,
" 7 b Über Grund- und Grenzelemente vgl. allgemein im Anschluß an Maihofer, Hand- 141 f., 149ff., 153, 157f., 170,248,251,286
lungsbegriff, S. 6, meine Offenen Tatbestände, S. 167 ff. Vgl. zu Welzels Lehre im einzelnen meine Abhandlung über „Offene Tatbestände und
118
Vgl. dazu nur etwa die Unlösbarkeit der Problematik des qualifikationslosen Werk- Rechtspflichtmerkmale" 1959, mit weiteren Nachweisen.
zeugs (S. 252ff.) und der Mittäterschaft (S. 355 ff.). In der in Anm. 121 erwähnten Abhandlung
119
Vgl. nur etwa oben, S. 356/357. S. 384, Anm. 87 Vgl. a. a. O., S. 66-74, 156/57 und passim.
398 399

eines bei der Berufsausübung anvertrauten Geheimnisses! Eliminiert man keit kaum unterscheiden läßt. Dadurch entsteht die Gefahr, daß das Bewußt-
diese Elemente, so zerstört man den sozialen Handlungssinn der Tatbestände sein der Rechtswidrigkeit in den Vorsatz hineingezogen wird, eine Mög-
gänzlich. Beläßt man sie aber im Tatbestand, so ist die Handlung ohne die lichkeit, die an der Durchführbarkeit der Schuldtheorie bei den Pflicht-
Täterqualifikation und den Pflichtverstoß nicht denkbar. Man kann nicht ein delikten Zweifel wecken kann. Es könnte sein, daß die besondere Struktur
ärztlich anvertrautes Geheimnis offenbaren, ohne Arzt zu sein und gegen der Pflichtdelikte nicht nur in der Täterlehre, sondern auch bei anderen
die ärztliche Schweigepflicht zu verstoßen. Das gilt entsprechend auch dogmatischen Fragen ihre Auswirkungen hatte. Das bedürfte einer vertieften
für alle anderen Pflichtdelikte. Es zeigt sich hier, was auch für das Herr- Spezialuntersuchung, die hier nicht geliefert werden kann. Ich habe an
schaftsmoment darzulegen war, daß es nicht um ablösbar-starre Kriterien anderer Stelle124 vom Standpunkt der Schuldtheorie her zu den schwierigen
geht, die dem Handelnden nachträglich und gewissermaßen zusätzlich Fragen der Verklammerung von Vorsatz und Unrechtsbewußtsein Stellung
aufgeklebt werden, daß vielmehr die täterbegründenden Elemente den genommen und sie durch eine Trennung von unrechtsbestimmenden und
konkreten Handlungsvollzug durchwirken und deshalb von ihm nicht gesamttatbewertenden Elementen der Rechtsbegriffe zu lösen versucht.
zu trennen sind. Die systematische Zerreißung von Tat und Täter ist eine Darauf kann insoweit verwiesen werden.
Nachwirkung der alten kausal orientierten Tatbestandslehre, die zwischen
außen und innen, objektiv und subjektiv eine strenge Scheidung durchführen
wollte. Eine von der deliktstypischen Unrechtsfärbung „gereinigte" Finalität § 35. Eigenhändige Delikte
überwindet das Grundgebrechen der kausalen Betrachtungsweise bei
den Pflichtdelikten nicht. Die Täterqualifikation gehört also in den Tat- I. Zum Problem- und Meinungsstand
bestand.
Eine weder durch den Tatherrschafts- noch durch den Pflichtgedanken 1
Anders als unter der Geltung des Herrschaftsprinzips ist allerdings bei
zu erfassende, nach selbständigen Kriterien zu beurteilende Gruppe bilden
den Pflichtdelikten die Beziehung zwischen den objektiven Voraussetzungen
die sog. eigenhändigen Delikte. Es handelt sich bei ihnen allerdings auch
der Sonderpflicht und der Kenntnis des Täters von ihnen lockerer. Während
heute noch um eine sehr ungeklärte Erscheinung: Die theoretische Begrün-
dort erst die Vergegenwärtigung aller für den Geschehensablauf relevanten
dung und der Anwendungsbereich dieser Deliktskategorie sind seit eh und
Umstände die Möglichkeit zur Beherrschung der Situation eröffnet, ist hier
je äußerst umstritten. Darauf wird unten noch einzugehen sein. Eine geson-
die Pflichtenstellung unabhängig davon, ob der Handelnde sie sich konkret
derte Erörterung der in Frage kommenden Tatbestände ist im Rahmen dieser
vorgestellt hat. Gleichwohl muß zumindest das Bewußtsein der pflicht-
Arbeit schon deshalb geboten, weil - bei allen Differenzen im einzelnen die
begründenden Umstände zum Tatbestand und damit auch zu den Voraus-
Existenz eigenhändiger Delikte jetzt fast nirgends mehr geleugnet wird 2
setzungen der Täterschaft gezählt werden. Wer etwa den Unfall, der seine
und weil vor allem auch sämtliche Vertreter der Tatherrschaftslehre sie an-
Wartepflicht auslöst, nicht bemerkt hat, kommt als Täter des § 142 StGB
erkennen.
nicht in Frage, weil schon der Vorsatz fehlt. Das ist wiederum etwas anders
als bei den Herrschaftsdelikten: Dort tritt die Kenntnis der Umstände, Dabei ist leicht zu sehen, daß das Kriterium der Tatherrschaft vor den
die eine Lenkung des Geschehensablaufes ermöglichen, als selbständiges eigenhändigen Delikten versagt. Nehmen wir nur einen verhältnismäßig
Element zum Vorsatz hinzu. Hier dagegen sind Tat und Täter so wenig zu unbestrittenen Fall der Eigenhändigkeit, etwa die Unzucht mit Tieren
trennen, daß die täterschaftsbegründenden Umstände zugleich Bestandteile (§ 175 b StGB), und gehen wir davon aus, daß bei eigenhändigen Straftaten
des Vorsatzes sind. definitionsgemäß nur die persönliche Vornahme der Tatbestandshandlung
täterschaftsbegründend wirkt. Wenn wir uns nun weiter den Fall denken,
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob und inwieweit der Täter aus der
daß jemand auf Grund einer abartigen Veranlagung einen anderen unter
Einsicht in die Gesamtsituation den Schluß auf seine besondere Pflichten-
den Voraussetzungen des § 52 StGB oder unter der Vorspiegelung, es han-
stellung selbst gezogen haben muß. Das ist ein Problem der Irrtums-, nicht
dele sich um ein notwendiges wissenschaftliches Experiment, zu einer bei-
der Täterlehre. Deshalb muß hier eine Andeutung genügen: Grundsätzlich
schlafsähnlichen Handlung mit einem Tiere veranlaßt, so ist es nach unseren
gehört zum Vorsatz die Kenntnis aller unrechtsbestimmenden deskriptiven
früheren Darlegungen klar, daß der Hintermann die Tatherrschaft hat.
und normativen Merkmale, nicht aber das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit
selbst. Die tatbestandsrelevante Sonderpflicht ist eine Voraussetzung täter- 124
Offene Tatbestände, passim.
schaftlichen Unrechts, aus der - neben anderen Umständen - die Rechts- 1
Soweit es sich nicht um die oben, S. 392 ff., erwähnten unechten eigenhändigen Delikte
widrigkeit folgt, nicht aber ist sie mit der Rechtswidrigkeit identisch. Danach handelt.
2
müßte das Bewußtsein der Pflichtverletzung zum Vorsatz gehören. Dieses Ihr letzter namhafter Gegner war - vom Standpunkt des extensiven Täterbegriffs aus
logisch klare Ergebnis wird aber dadurch verwirrt, daß sich die Kenntnis ganz konsequent - Eb Schmidt, vgl. Frank-Festgabe II, S. 119 128/29; auf der Grund-
lage desselben Täterbegriffs ablehnend neuerdings auch Frühauf Eigenhändige Delikte,
des Pflichtverstoßes - namentlich dort, wo es sich um Rechtspflichten Frankfurt" Dissertation, 1959. Ebenso, wieder in engem Anschluß an Schmidt, Roeder,
handelt - in der praktischen Anwendung vom Bewußtsein der Rechtswidrig- ZStW, 1957, Bd. 69, S. 249-252 (250); ähnlich auch Piotet, ZStW, 1957, Bd 69, S 39f.
400 401

Ebenso sicher ist es aber, daß er gleichwohl nicht Täter des § 175 b ist. Es unmittelbar handelnden Subjekt ... begangen werden können". Als Beispiele
lasen sich auch leicht Fälle gemeinsamer Tatausführung bilden- jemand hält bringt er die §§ 154, 173 und - an anderer Stelle11 - § 266 StGB.
z. B. das Tier für die Unzuchtshandlung des anderen fest - bei denen das Diese kurze Zusammenstellung zeigt zweierlei: daß nämlich über den
Vorliegen einer funktionellen Tatherrschaft unbestreitbar ist, bei denen der Umfang und das Wesen der eigenhändigen Delikte keinerlei Einigkeit
Mitwirkende jedoch gleichwohl nicht Täter ist. besteht und daß die Vertreter aller Täterlehren hier vor den gleichen Schwie-
Angesichts dessen ist es merkwürdig, daß die Vertreter der Tatherrschafts- rigkeiten stehen. Die Unterschiede in der Bestimmung des allgemeinen
lehre in den eigenhändigen Delikten kein Problem sehen und sich weder die Täterbegriffes wirken sich nicht aus. Die Problemstellung bleibt immer
Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem Tatherrschaftsprinzip noch ihres Verhält- dieselbe, und die Lösungsversuche zeigen keinen Zusammenhang mit dem
nisses zu ihm stellen. Im einzelnen ergibt sich folgendes: objektiven oder subjektiven, extensiven oder restriktiven Ausgangspunkt.
Welzel 3 spricht von Verbrechen, „bei denen nicht die zwecktätig geleitete Selbst die formal-objektive Theorie, die an sich den Täterbegriff generell auf
Herbeiführung eines Erfolges, sondern die körperliche Vornahme eines ver- die eigenhändige Begehung beschränken will, steht vor dem Dilemma
werflichen Aktes als solchen das entscheidende Unrecht" sei; als Beispiele der Begründung, wenn sie - wie es fast alle ihre Vertreter getan haben - die
nennt er den Meineid, ferner Ehebruch, Blutschande, widernatürliche mittelbare Täterschaft im Wege erweiternder Auslegung anerkennt. Es ist
Unzucht (§175) und Fahnenflucht (§16 WehrStrG). Maurach 4 meint, die deshalb begreiflich, daß auch die Tatherrschaftslehre die Problematik der
eigenhändigen Verbrechen seien „regelmäßig nicht Erfolgs-, sondern schlich- eigenhändigen Delikte nicht befruchtet hat und daß die Darlegungen ihrer
te Tätigkeitsdelikte, bei denen der Handlungsunwert im Vordergrund" stehe; Vertreter sich im Rahmen der überlieferten Argumente bewegen.
der Erfolg sei überwiegend rechtsneutral, der Unwert werde dadurch Wenn wir den skizzierten Meinungsstand näher ins Auge fassen, so fällt
begründet, daß gerade dem Täter die Vornahme der Handlung untersagt sei. zunächst auf, daß die Trennung der eigenhändigen Straftaten von den
Er zählt die §§ 173, 175, 175 a, 176 Ziff. 2, 153, 154, 156 zu dieser Delikts- Pflichtdelikten meist nicht klar durchgeführt wird. Das gilt schon für ihre
gruppe. Lange 5 vertritt die Auffassung, bei einzelnen Tatbeständen ergebe allgemeine Charakterisierung (etwa bei Maurach und H . Mayer), erst recht
die „Natur der Sache, daß ihre Handlung ganz oder teilweise nur eigenhän- aber für die vorgebrachten Beispiele. Soweit es sich dabei um Bestimmungen
dig begangen werden" könne; er führt die Fleischesverbrechen, die reinen handelt, die von uns schon oben als unechte eigenhändige Delikte 12 charak-
Tätigkeitsdelikte und den Meineid als Fälle dieser Art an. terisiert wurden - man denke an die Fahnenflucht und an die Aussagedelikte
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Vertretern anderer Täterlehren. - bedürfen sie keiner erneuten Behandlung. Immerhin bleibt festzuhalten,
Mezgers 6 bezieht sich auf die bei Welzel gegebene Begründung und erwähnt daß die hier vorliegende Vermengung der Gesichtspunkte wesentlich dazu
die §§154, 174 Nr. 1, 361 Nr. 3 StGB, während er die §§172, 173 aus- beigetragen hat, die Lösung der Eigenhändigkeitsfrage zu erschweren. Denn
scheiden will. Hellmuth Mayer 7 hält ein Delikt für eigenhändig, „wenn bei allen Autoren bleiben eine Reihe von Tatbeständen übrig, die als eigen-
die fremdhändige Begehung nicht unter die Beschreibung des Tatbestandes händig angesehen werden, obwohl die Täterschaft sich nicht als Verletzung
zu bringen ist"; er unterstellt dem Begriff aber auch die Sonderdelikte einer außerstrafrechtlichen Sonderpflicht erklären läßt. Sie mit den unter
und nennt sonst nur noch den Meineid. In etwas anderem Zusammenhang demselben Begriff erfaßten verkappten Pflichtdelikten auf eine einheitliche
bringt er die §§176, 173 als Beispiele ausgeschlossener Urheberschaft 8 . Wurzel zurückzuführen, ist unmöglich, so daß das Scheitern aller derartigen
Schröder 9 bezeichnet die eigenhändigen Delikte als „solche, bei denen Versuche begreiflich wird.
die Auslegung des einzelnen Tatbestandes ergibt, daß nur die eigenhändige Eine solche Verquickung von Pflichtdelikten und eigenhändigen Straftaten
Vornahme der strafbaren Handlung den Unwert des Delikts realisiert". findet sich schon bei Binding 13 , der den Begriff der Eigenhändigkeit zuerst
„Positiv-gesetzliche Beispiele" seien die §§153, 154, 156 StGB; im übrigen geprägt hat 14 . Wenn er u. a. die Tatbestände der Rechtsbeugung, der Fahnen-
handele es sich um eine „sehr bestrittene Frage der Auslegung"; er zählt
mit Vorbehalten - die §§132, 173, 361 N . 3 (Landstreicher), 361 Nr. 5
StGB (Müßiggänger) und 16 WStrG auf. Baumann 10 verzichtet auf 11
Lehrb., 2. Aufl., S. 439; vgl. dazu oben S. 395 Anm. 116
eine Realdefinition und bezeichnet Straftaten als eigenhändig, „die nur vom 12
Vgl. S. 392ff.; um Mißverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, daß Engel-
sing in seiner Monographie über „Eigenhändige Delikte", S. 48-51, diesen Begriff in
einem viel weitergehenden, alle Pflichtdelikte und noch weitere Tatbestände umfassen-
3
Lehrb., 7. Aufl., S. 95 den Sinn verwendet.
4 13
Lehrb.,A.T.,2. Aufl., §21 II, A, S. 197 Vgl. nur zusammenfassend „Die drei Grundformen", S. 265ff., in: Abhandlungen.
5 14
Kohlr./Lange, 42743. Aufl., vor § 47,1, 2, S. 159 Vgl. GS, Bd. 71, S. 5/6; der Ausdruck findet sich also nicht erst in dem späteren, von
6
LK, vor § 47, Anm. 5, a; vgl. auch Lehrb., 273. Aufl., S. 417^121 Maurach (A.T., 2. Aufl., S. 197) angeführten Aufsatz in GS 76, 91. - Sachlich ist die
7
Lehrb. S. 309 Problematik der Eigenhändigkeit wesentlich älter und geht bis auf die mittelalterlichen
8
Lehrb. S. 331/32; zur Urheberschaft vgl. oben S. 366/367 italienischen Juristen zurück. Vgl. darüber im einzelnen Engelmann, Der geistige
9
Schönke/Schröder, 10. Aufl., vor §47, IV, 6, S. 238 Urheber des Verbrechens nach dem italienischen Recht des Mittelalters Festschrift für
10
Lehrb., 2. Aufl., S. 104/05 Binding, Bd. II, S. 387-610 und Engelsing, Eigenhändige Delikte, 1926 S. 5ff.
402 403

flucht, des Ehebruchs, der Blutschande und außerdem sämtliche unzüchtigen Schwester eine vergiftete Spritze injizieren lassen, so ist es sprachlich durch-
Handlungen nennt 15 , so hat er damit die auch heute noch am meisten aus möglich, das in dem Satz zu formulieren, er habe den Kranken getötet.
angeführten Beispiele eigenhändiger Delikte zusammengestellt. Er hat aber Dagegen läßt sich nicht behaupten, daß jemand, der einen anderen unter
in kluger Beschränkung darauf verzichtet, sie auf eine gemeinsame Formel den Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft zu einem Sittendelikt ver-
zu bringen, und stattdessen darauf hingewiesen, daß über ihren Er- anlaßt hat, deshalb den Beischlaf ausgeübt oder die sonst im Tatbestand
streckungsbereich „die genauere Untersuchung" noch fehle 15 . Wesentlich beschriebene Unzuchtshandlung begangen habe. Schon bei Binding, der den
weiter ist die Dogmatik in dieser Frage bis heute nicht gekommen; und wenn § 177 StGB als eigenhändiges Delikt ansieht, lesen wir 18 : „Ich möchte doch
Max Ernst Mayer resignierend feststellt16: „Diese Delikte durch charak- wissen, ob jemand, der zur Notzucht angestiftet hat, sich je rühmen würde,
terisierende Merkmale zu einer Gruppe zusammenzuschließen ist unmöglich er hätte die Geschändete genossen?" Es erscheint als sinnvoll, bei dieser auf
und unnötig, da eine mehr als faktische Begrenzung nicht in Frage steht", die grammatische Auslegung verengten Lehre im Anschluß an Frühauf 19 von
so hat das auch für den gegenwärtigen Diskussionsstand noch seine Berech- einer „Wortlauttheorie" zu sprechen.
tigung. Diese Auffassung hat unter den Anhängern der verschiedensten Täter-
Trotzdem bleibt es natürlich unbefriedigend, wenn man von einer selb- lehren schon immer zahlreiche Vertreter gefunden. Die Monographien von
ständigen Begründung dieser Deliktsgruppe ganz absieht und die Fälle der Engelsing 20 und Müller 21 haben sich ausgiebig dieses Gesichtspunktes
Eigenhändigkeit im Rahmen der Täterlehre als unbegreifliche Ausnahmen bedient; auch Höpfner 22 , Wolf23 und der späte Beling 24 sind zu nennen.
unverarbeitet stehen läßt. Denn wenn man bestimmten Tatbeständen eine Heute ist diese Lehre - abgesehen von ihrer Verbreitung im Schrifttum
Sonderstellung zuweist, dann muß sie auch aus der Struktur der Einzel- deshalb wieder besonders bedeutsam, weil sie die neuere Rechtsprechung
regelungen sinnvoll abzuleiten sein; ist das nicht der Fall, so muß man diesen weitgehend beherrscht. So stellt der Bundesgerichtshof 25 fest, „daß die
Begriff konsequenterweise aufgeben, wie es neuerdings wieder Frühauf 17 Eigenhändigkeit der Straftaten wesentlich von der Fassung der Tatbestände
getan hat. Andererseits spricht die Hartnäckigkeit, mit der sich die eigen- durch den Gesetzgeber abhängt", ein Verfahren, mit Hilfe dessen er
händigen Delikte trotz theoretisch unzureichender Begründung behauptet zwischen den §§ 177 Abs. 1 Halbs. 1, 177 Abs. 1 Halbs. 2 und 176 Abs. 1
haben, doch dafür, daß etwas Richtiges dahintersteckt. Nr. 2 StGB subtile Unterscheidungen hinsichtlich der Eigenhändigkeit
Dem gilt es nachzugehen. Wir werden dabei so verfahren, daß wir die herausfindet. Auch die neueste Entscheidung zur Eigenhändigkeitsfrage 26
unechten eigenhändigen Straftaten, die als verkappte Pflichtdelikte eine hin- folgt dem, wenn sie „den Wortlaut des Gesetzes" entscheidend sein läßt und
reichende Begründung gefunden haben, von vornherein ausscheiden und für meint, das „Mißbrauchen zum außerehelichen Beischlaf" in §176 Abs. 1
die verbleibenden Fälle zunächst die bisherigen Erklärungsversuche kritisch Nr. 2 StGB könne „nach dem Sinn, den die Sprache mit diesem Ausdruck
durchmustern, um dann die eigene Lösung anzuschließen. verbindet, nur bedeuten: den Beischlaf selbst vollziehen". Ein jüngst ver-
öffentlichtes Urteil des O L G Celle 27 treibt diese Methode auf die Spitze,
wenn es den Maßstab für die Bestimmung der Eigenhändigkeit aus der Be-
IL Die Wortlauttheorie tonung von Haupt- und Nebensatz herleitet.

1. Ihre Hauptvertreter
2. Kritik
Eine im Schrifttum von alters her sehr häufig und - wie unser Überblick
zeigt - auch jetzt noch viel vertretene Theorie sieht davon ab, ein gemein- In der Tat enthalten diese Lehren einen brauchbaren Ansatz. Da, wie wir
sames inhaltliches Kriterium der Eigenhändigkeit zu statuieren und macht sahen, der Tatbestand die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens
die Frage zu einem Problem der Auslegung des Einzeltatbestandes. Dabei beschreibt, kann die Eigenhändigkeit als Kriterium der Täterschaft nur
wird meistens nicht so sehr auf systematische und teleologische Erwägungen
wie auf den Gesetzeswortlaut abgestellt: Ein Delikt ist dann nur eigenhändig 18
Die drei G r u n d f o r m e n , S. 268 A n m . 17, in: Abhandl., I.
begehbar, wenn man nach dem Wortsinn der Strafbestimmung von einem - 19
Eigenhändige Delikte, S. 116
20
und sei es noch so intensiv mitwirkenden - Außenstehenden schlechterdings a. a. O . , S. 30, 48
21
Eigenhändige Verbrechen, 1928, S. 34 ff.
nicht mehr sagen kann, daß er die im Tatbestand beschriebene Handlung 22
ZStW, Bd. 22, 1902, S. 205-217 (211 ff.)
vorgenommen habe. Hat etwa ein Arzt dem Patienten durch die ahnungslose 23
Betrachtungen ü b e r die mittelbare Täterschaft, 1927, Strafr. Abh., Heft 225, S. 182,
187-206
24
15
GS, Bd. 101, 1932, S. 6/7, 9; vgl. auch schon M e t h o d i k , S. 95ff. u n d dazu oben S. 11
Die drei G r u n d f o r m e n , S. 266, in: A b h a n d l u n g e n 25
B G H S t 6, 226-229 (227)
16
Lehrb., S. 378 26
B G H S t 15, 132-134(133)
17
Eigenhändige Delikte, 1959 (Frankf. Diss.) 27
N J W 1961, S. 1079-1080
404 405

aus einer Analyse der einzelnen Strafbestimmungen gewonnen werden. Und eine derart spezifische Unrechtsfärbung aufweisen, daß sie allein, unbeküm-
da ferner der Sinn geistiger Gebilde in erster Linie durch die Sprache vermit- mert um Willensherrschaft und Rollenverteilung, täterschaftsbegründend
telt wird, kommt auch dem Wortlaut für die Erkenntnis der Deliktsstruktur wirkt 31 . Nicht um ihrer selbst willen, sondern nur als Erkenntnismittel sach-
hohe Bedeutung zu. bezogener Tatbestandsanalyse können daher Wortlaut und Sprachgebrauch
Aber man simplifiziert die Problematik, wenn man einseitig auf den wichtig sein. Unter diesen Gesichtspunkten werden wir auf die neuere
Sprachgebrauch des Lebens abstellt. Denn wenn man dem Gesetz eine sach- Rechtsprechung noch zurückkommen müssen.
liche Aussage über die Grenzen der Täterschaft entnehmen will, kann man
nicht - wie es diese Meinung unbesehen tut - ohne weiteres davon ausgehen,
daß der Gesetzgeber sich an das binden will, was „man" üblicherweise sagt III. Die Körperbewegungstheorie
oder gerade noch sagen könnte. Eine solche Annahme wäre nicht nur wegen
der Variabilität der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten 28 , sondern auch 1. Ihre Hauptvertreter
deswegen ungerechtfertigt, weil ein Sprachgebrauch sich nicht im Hinblick
auf die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bildet, sondern durchaus Der zweite Leitgedanke, der immer wieder zur Begründung der eigen-
anderen Entwicklungsgesetzen folgt, deren Resultat keinen Schlüssel für die händigen Straftaten herangezogen worden ist, beruht auf der Unterschei-
Lösung juristischer Detailfragen bietet. dung von schlichten Tätigkeits- und Erfolgsdelikten. Man meint, wenn der
Es handelt sich also hier im Grunde um ein „rechtsfremdes" Kriterium, Gesetzgeber die Strafe an ein bloßes, in bestimmten Körperbewegungen sich
das, auch wenn es praktikabel wäre, seinerseits noch der Erklärung bedürfte. erschöpfendes Tun knüpfe, so könne Täter nur sein, wer in eigener Person
Denn welchen tieferen Sinn soll es eigentlich haben, wenn man, wie es die das inkriminierte Verhalten an den Tag lege; verlange hingegen der Tat-
Rechtsprechung tut, in den Ziffern 1 und 2 des §176 und in den beiden bestand die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, so sei der allgemeine
Halbsätzen des § 177 StGB jeweils verschiedene Täter- und Teilnehmer- Täterbegriff maßgebend. Dieses Kriterium überschneidet sich mit dem der
begriffe verwendet? Die Argumentation von der Grammatik her wäre doch Wortlauttheorie insofern, als sich die Meinung vertreten läßt, daß gerade bei
nur dann schlüssig, wenn sich dartun ließe, welche gesetzgeberischen den Tätigkeitsdelikten auch der Sprachgebrauch die Annahme der Täter-
Zweckvorstellungen über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme schaft eines Außenstehenden ausschließe. Daher verwenden einige Autoren
und welche vorgegebenen Ordnungszusammenhänge in der sprachlichen beide Gesichtspunkte nebeneinander.
Formulierung ihren präzisen Ausdruck gefunden haben. An diesem Nach- Als Begründer dieser Lehre kann wohl Beling 32 angesehen werden; sie
weis aber fehlt es bei den Vertretern der Wortlauttheorie, und deshalb hat wurde später in der Abhandlung von Engelsing 33 ausgebaut, setzte sich
ihre Lehre kein tragfähiges Fundament 29 . Maurach 30 sieht das ganz richtig, in der letzten Auflage 34 des Kommentars von Frank durch und hat heute
wenn er die grammatische Interpretation als letztrangige Methode kenn- die Stellungnahme von Welzel, Maurach, Lange 35 und von Weber 35a wesent-
zeichnet, die stets nur zweifelhafte Ergebnisse bringe, solange nicht „die lich beeinflußt. Sie wird auch in der Rechtsprechung vertreten; so, wenn
Gesetzesteleologie an maßgeblicher Stelle zur Auslegung eingesetzt" werde. etwa der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone 3 6 ein eigenhändiges De-
Wenn gleichwohl die Tatbestandsformulierung nicht ohne Bedeutung likt annimmt, sofern „die Verwirklichung des Tatbestandes keinen bestimm-
für die Lösung der Eigenhändigkeitsfrage ist, so liegt das daran, daß der ten Erfolg verlangt, sondern sich auf bloßes körperliches Tun beschränkt";
Gesetzeswortlaut einen bestimmten Sachverhalt bezeichnet, dessen Struktur oder wenn das Kammergericht 37 von Tatbeständen spricht, die „ein höchst-
nach den leitenden Grundsätzen der Täterlehre die Möglichkeit fremd- persönliches Aktiwerhalten (eine bestimmte Körperbetätigung ...)" erfor-
händiger Täterschaft ausschließen kann. Wenn etwa § 361 Ziff. 3 StGB den- dern.
jenigen mit Strafe bedroht, der „als Landstreicher umherzieht", so kann die
damit umschriebene Betätigung als Ausdruck dauerhaft-personaler Elemente
31
Darüber näheres unten S. 41 Off.
32
Vgl. nur die erste Durchführung der Unterscheidung in der „Lehre vom Verbrechen ",
zu weit geht es freilich, wenn Frühauf, S. 117, 124-143, der Wortlauttheorie Verstöße S. 203 f., 225/26, 234 f.
33
gegen „elementare Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit" und gegen den nulla-poena-Satz Er faßt sein Ergebnis auf S. 50 a. a. O. dahin zusammen daß eigenhändige Delikte „die-
vorwirft. jenigen sind, deren Tatbestandshandlung aus einer Körperbewegung besteht".
34
Kennzeichnend ist es z. B., daß Wolf, a. a. O., S. 195, Anm. 17, von seiner Auslegung 18. Aufl., 1931, vor §47 11, S. 103/04
35
des §176 Ziff. 1 selbst sagen muß: „Einen vernünftigen Grund dafür, weshalb der zu den drei letztgenannten vgl. den anfangs gegebenen Überblick.
35a
Gesetzgeber die Fassung dieser Ziffer 1 so gewählt hat, daß der Gewalt Anwendende Vgl. Grundriß, 2. Aufl., S. 67: „Reine Tätigkeiten können nur in unmittelbarer Täter-
bloß Gehilfe, der Drohende hingegen Mittäter ist, vermag ich allerdings nicht einzuse- schaft begangen werden: sogen, eigenhändige Delikte."
36
hen". Das beunruhigt ihn jedoch nicht, denn er fährt fort: „Das ändert aber an dem OGHSt 1, 303-305 (304)
37
Gesagten nichts", JR 1956, 150/51 (151); allerdings dient der Gedanke hier nur dazu, die Möglichkeit
in einem Aufsatz über das oben erwähnte Urteil des OLG Celle, in: NJW 1961, S. 1050 einer Begehung durch Unterlassen auszuschließen.
406 407

2. Kritik schlichtes Tun nur wegen seiner sozialethischen Wertwidrigkeit für das
Unrecht „maßgebend" sein. Dann aber muß bewiesen werden, daß nur
Auch diese Lehre, die man kurz als „Körperbewegungstheorie" bezeichnen der persönlichen Vornahme dieser Handlung und nicht auch ihrer verant-
könnte, enthält einen verwertbaren Ansatz. Wenn der Gesetzgeber an ein wortlichen Beherrschung der vom Gesetzgeber ins Auge gefaßte Unwert-
bloßes Handeln die Strafe knüpft, so liegt die Annahme nahe, daß eben die- gehalt zukommt. An diesem Nachweis fehlt es jedoch bei den Anhängern
ses Tun die Schlüsselfigur des Deliktsvorganges kennzeichnet und andere der Körperbewegungstheorie. Aus dem Umstand, daß der Tatbestand eine
Formen der Mitwirkung demgegenüber zurücktreten. Während bei der bloße Tätigkeit unter Strafe stellt, ergibt er sich jedenfalls nicht.
Verwirklichung eines Erfolges - etwa eines Totschlages - Art und Gewicht Wenn z. B. in § 123 StGB die Tatbestandshandlung im „Eindringen" einem
des Unrechts nicht von der Eigenhändigkeit abhängen, weil der Unwert schlichten Tun - besteht, so ist der Strafgrund sicher nicht ein bestimmtes
wesentlich durch den Erfolg begründet wird und die Einzelheiten des Hand- körperliches Verhalten wie Schleichen, Kriechen etc., sondern die Verletzung
lungsverlaufes, soweit sie sich nicht auf die Tatherrschaft auswirken, für des Hausrechts. Für die Unrechtsqualität dieser Verletzung aber ist es gleich-
die gesetzliche Bewertung ohne Bedeutung sind, scheint bei den Tätigkeits- gültig, ob jemand selbst eindringt, ob er sich dazu eines Kindes oder Geistes-
delikten der Unrechtsgehalt so sehr in den Handlungsvorgang verlagert zu kranken bedient (Willensherrschaft) oder ob er seinen Komplizen über
sein, daß es etwas Einleuchtendes hat, wenn man hier die Eigenhändigkeit als den Zaun hebt (funktionelle Tatherrschaft). Der Hausrechtsinhaber wird
Kriterium der Zentralgestalt ansieht. allemal in gleicher Weise beeinträchtigt. Es ist deshalb nicht einzusehen,
Es ist auch nicht so, wie vielfach behauptet worden ist, daß eine Ab- warum hier eine Ausnahme vom Tatherrschaftsprinzip gemacht werden
grenzung von Tätigkeits- und Erfolgsdelikten unmöglich sei; sie ist zumin- sollte.
dest in dem Sinne durchführbar, daß bei der ersten Gruppe der „Erfolg" in b) Vor allem ist es auch ein Trugschluß zu meinen, daß dem Gesetzgeber
der Tatbestandshandlung selbst (etwa dem zu schnellen Fahren) liegt, der durch eine Handlung herbeigeführte Außenerfolg notwendig gleich-
während bei der zweiten im Rahmen des Tatbestandes zur Handlung eine gültig sein müsse, wenn er die Strafdrohung von einem schlichten Tun
weitere, von ihr - wenn auch nicht notwendig zeitlich, so doch jedenfalls abhängig macht. Es können dafür ganz andere Gründe maßgebend sein. So
logisch getrennte Wirkung hinzutritt 38 . wird häufig aus kriminalpolitischen Gründen eine vorbereitende Tätigkeit
Aber auch die Körperbewegungstheorie trifft, so bestechend sie gerade selbständig unter Strafe gestellt. Dann liegt der Sinn der Strafdrohung gleich-
vom Gedanken der „Zentralgestalt" her zunächst wirken mag, nicht den wohl in der Verhinderung des Erfolges, so daß die Täterfrage nach dem
Kern der Sache. Sie übersieht zweierlei: Herrschaftsprinzip zu entscheiden ist.
a) Nicht nur Erfolge, sondern auch menschliche Handlungen sind In immer zunehmendem Maße unterstehen auch generell gefährliche
beherrschbar, wie die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft in den Verhaltensweisen, namentlich im Verkehrsrecht, einer eigenen Strafdrohung.
Nötigungsfällen beweist. Wenn man nun einräumt, daß bei den schlichten Wenn das Linksfahren auf der Straße verboten ist - um nur eines unter
Tätigkeitsdelikten der Unwert vielfach in der Handlung selbst liegt, so zahllosen Beispielen zu nennen - so ist das sicher ein reines Tätigkeitsdelikt.
ist damit doch noch nicht gesagt, daß Täter allein der ist, der die äußeren Es ist aber durchaus angemessen, denjenigen, der einen Ausländer durch
Körperbewegungen ausführt, und nicht auch der, der den Handlungs- falsche Auskünfte zum Befahren der unrichtigen Straßenseite verleitet, als
vorgang in anderer Weise beherrschend lenkt. Es ist ja denkbar, daß die mittelbaren Täter zu bestrafen 39 . Denn diesem Fahren kommt durch sich
tatmächtige Steuerung eher dazu führen könnte, jemandem den Unwert selbst kein Unwert zu; die Strafe erhält erst daher ihren Sinn, daß durch eine
einer schlichten Tätigkeit zuzurechnen, als es ein bloßes - möglicherweise Abweichung von den Verkehrsvorschriften die Gefahr von Unfällen herauf-
schuldloses - körperliches Verhalten vermöchte. beschworen wird. O b das eigenhändig oder durch einen irrenden Dritten
Hier besteht bei den Vertretern dieser Lehre eine ähnliche Lücke in der geschieht, ist für die Unrechtsqualität belanglos.
Argumentation, wie sie oben in der Wortlauttheorie nachgewiesen wurde. Entsprechendes gilt auch, wenn unser Strafgesetzbuch ein übermäßig
So wenig dort dargetan werden konnte, daß der Gesetzgeber bei der sprach- schnelles Fahren und Reiten pönalisiert (§ 366 Ziff. 2) oder - in Erinnerung
lichen Fassung des Tatbestandes die Abgrenzung der Teilnahmeformen ifti altvaterisch-idyllischer Zustände - denjenigen mit Strafe bedroht, der „in
Sinn gehabt hat, so wenig läßt sich hier plausibel machen, warum einer Städten mit Schlitten ohne feste Deichsel oder ohne Geläute oder Schelle
Körperbewegung um ihrer selbst willen ein Unwert zukommen soll. Eine fährt" (§366 Ziff. 4); es gilt für das Herumführen gefährlicher Tiere, das
solche Annahme wäre in der Tat - um mit Eb. Schmidt zu sprechen - Hetzen von Hunden, das Steinewerfen, das Ausgießen oder Auswerfen
ein sinnloser „positivistischer Naturalismus". Vielmehr kann auch ein bestimmter Sachen, das Aufstellen von Hindernissen (§366 Ziff. 5-9) usw.;
im Nebenstrafrecht ist die Zahl solcher Bestimmungen unübersehbar. Ihnen
allen ist die Eigenhändigkeit abzusprechen.
im wesentlichen ü b e r e i n s t i m m e n d : Frühauf, S. 9 3 - 1 0 5 ; etwas abweichend Engisch, Die
Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, S. 3 A n m . 1 Vgl. zu diesem Beispiel schon oben S. 200
408 409

c) Ein gutes Beispiel für die zusammenfassende Verdeutlichung der Gefährdungsdelikt vor uns, dessen vom Gesetzgeber befürchteter sozial-
Problematik bietet der Tatbestand der Amtsanmaßung, dessen erste Alter- schädlicher Erfolg auf alle Unrechtsqualität maßgeblich einwirkt (vgl. oben
native („wer sich mit Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt") sehr oft b). Für diese Rechtsgutsgefährdung aber ist es völlig gleichgültig, ob jemand
und namentlich in der Rechtsprechung als eigenhändiges Delikt betrachtet sie durch ein „höchstpersönliches Aktiwerhalten" oder auf andere Weise
worden ist 40 . Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone herbeiführt, sofern er nur das Geschehen beherrschend lenkt und dadurch in
diesen Standpunkt mit Nachdruck bekräftigt 41 ; Schönke/Schröder 42 , Kohl- das Zentrum des Vorganges rückt. Die Gefahr, daß die Öffentlichkeit das
rausch/Lange 43 und Welzel 44 vertreten ihn noch heute. Vertrauen zu den Staatsorganen verliert, ist in unserem Ausländer-Beispiel
N u n handelt es sich hier gewiß um ein reines Tätigkeitsdelikt. Über diesen genau so groß wie im Falle der Eigenhändigkeit. Deshalb ist auch insofern
Gesichtspunkt, der allein nichts beweist, ist aber auch im Falle des § 132 kein Grund ersichtlich, warum das Tatherrschaftsprinzip hier nicht gelten
StGB noch kein Befürworter der Eigenhändigkeit hinausgekommen. Dabei sollte.
ist es doch so: Richtig ist allerdings, daß bei der Art der in § 132 geschilderten Tat-
Einerseits kann man annehmen, das Unrecht dieses Verhaltens liege ohne bestandshandlung - wie bei allen Tätigkeitsdelikten - nur selten Sachverhalte
Rücksicht auf jeden äußeren Erfolg in der bloßen Verletzung der Staats- vorkommen werden, bei denen ein Außenstehender Mitträger der funk-
autorität (vgl. oben a). Dann ist leicht zu zeigen, daß eine solche Verletzung tionellen Tatherrschaft ist oder die Willensherrschaft über das Geschehen
durch einen außenstehenden Tatherren in derselben Weise herbeigeführt innehat. In keinem der Urteile, die von der Eigenhändigkeit des § 132 StGB
werden kann wie durch den eigenhändigen Täter. Man denke sich den Fall, ausgehen, hat, soweit das aus dem Sachverhalt ersichtlich ist, der nicht
daß ein deutscher Firmeninhaber seine Forderungen durch ausländische persönlich Handelnde die Tatherrschaft gehabt; die Entscheidungen sind
Arbeitskräfte eintreiben läßt, denen er unter der Vorspiegelung, es handele also im Ergebnis zutreffend. Die Konstruktion der Eigenhändigkeit diente
sich um ihre Dienstkleidung, eine Gerichtsvollzieheruniform angezogen demnach gegenüber einer viel zu weitgehenden Subjektivierung der Animus-
hat 45 . Treten diese Leute nun in Unkenntnis der wahren Bedeutung ihres Theorie der Verwirklichung einer richtigen Sacheinsicht, deren theoretisch
Verhaltens als Gerichtsvollzieher auf, die „Zahlungsbefehle" zustellen, so zureichende Formulierung nur wegen der Unentdecktheit des Tatherr-
ist die Verletzung der Staatsautorität durchaus keine andere, als wenn der schaftsprinzips nicht gelingen konnte. Umso ungerechtfertigter ist es, wenn
Inhaber selbst die Uniform angezogen und sich als Vollstreckungsbeamter selbst Vertreter der Tatherrschaftslehre noch heute im Falle des § 132 an der
ausgegeben hätte. Es ist unmöglich, einen Gesichtspunkt aufzufinden, unter Eigenhändigkeitstheorie festhalten.
dem sich das Verhalten des steuernden Hintermannes der Unrechtsqualität
und -quantität nach von dem eines unmittelbaren Täters unterscheidet. Dann
aber besteht auch keine Veranlassung, hier vom Tatherrschaftsprinzip abzu- IV. Die Intensitätsheorie
weichen.
Auf der anderen Seite kann man - was wohl richtiger ist - den Sinn des Vereinzelt wird schließlich noch eine Auffassung vertreten, die man als
§ 132 1. Alt. auch so verstehen, daß der Staat die Verletzung seiner Autorität „Intensitätstheorie" bezeichnen könnte. Sie findet sich in einer bekannten
nicht wegen der bloßen Unbotmäßigkeit bestrafen, sondern vor allem RG-Entscheidung 47 , die den Einsteigediebstahl - anders als den Nach-
verhindern will, daß das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Glaubwürdig- schlüssel und Einbruchsdiebstahl - zum eigenhändigen Delikt erklärte und
keit und Echtheit der amtlichen Organe erschüttert wird. Denn es müßte das mit dem Argument begründete, der Handelnde betätige sonst „nicht
zu chaotischen Zuständen führen, wenn sich jedermann zur Durchsetzung selbst den intensiv rechtswidrigen Willen, dessen Bezeigung das Gesetz
seiner privaten Bestrebungen ungestraft amtliche Befugnisse anmaßen verlangt".
könnte. Sieht man die Dinge so, dann erschöpft sich der Unrechtsgehalt Auf der Grundlage dieses Urteils hat später Hegler 48 eine Theorie ent-
keineswegs in der Handlung selbst 46 , sondern wir haben ein abstraktes wickelt, wonach es sich beim Einsteigen um ein objektives Symptom für eine
gesteigerte Schuld, um eine besondere verbrecherische Willensenergie
40
RG, HRR 1936, Nr. 105. Der Hinweis des Urteils auf die Zueignungsabsicht beim handelt; sie wirke täterschaftsbegründend und liege nur bei dem vor, der das
Diebstahl und das Gewahrsamserfordernis bei der Unterschlagung erledigt sich durch Merkmal in eigener Person erfülle.
unsere früheren Ausführungen, vgl. oben S. 338ff. u. S. 349ff.; beiläufig ferner RGSt 59,
79-83 (81). Auch für die zweite Alternative Eigenhändigkeit annehmend RGSt 55, Diese Lehre, die wie das Urteil selbst 49 auch sonst wenig Beifall gefunden
265-267 (266f.). Gegen Eigenhändigkeit noch RGSt 37, 55-58 (57f.).
41 47
OGHSt 1, 303-305 RGSt 24, 86-89 (88); die Entscheidung ist später von RGSt 52, 128 der Sache nach auf-
42
10. Aufl., §132 VI gegeben worden, obwohl das Gericht den Widerspruch zu verschleiern sucht; vgl. dazu
43
43. Aufl. §132 IV treffend Frühauf, S. 43 Anm. 113.
44 48
Lehrb., 7. Aufl., S. 436 RGR-Praxis, Bd. 5, S. 314, Anm. 35
45
Der Fall ist durch Abwandlung der Entscheidung RGSt 37, 55-58, gebildet worden. 49
ausdrücklich ablehnend heute Maurach, A.T., 2. Aufl., §21 II, A, S. 197; zustimmend
46
wie Schönke/Schröder, 10. Aufl., § 132, II, im Anschluß an OGHSt 1, 304 meinen. aber wohl Hellmuth Mayer, Lehrb., S. 309/10
410 411

hat, ist vom Standpunkt der hier entwickelten Auffassung abzulehnen. Diesen Tatbeständen ist gemeinsam, daß sie nicht eine bestimmte „Hand-
Das ergibt sich - ohne daß es noch weiterer Begründung bedürfte - aus lung", sondern eine persönliche „Haltung" unter Strafe stellen, daß nicht
dem schon oben mehrfach hervorgehobenen Umstand, daß die Täterschaft eine „Tat" - etwa eine bestimmte Annahme von „Unzuchtserwerb", ein
keine Form „erhöhter Schuld" darstellt und sogar bei schuldlosem Verhalten einmaliges Umherziehen, Müßiggehen oder Spielen - und demgemäß
gegeben sein kann 50 . Es folgt ferner aus der auch schon in anderem Zu- auch nicht ein „Täter" im bisher erörterten Sinne, sondern ein Persönlich-
sammenhang begründeten Erwägung, daß die „Intensität der verbreche- keitstyp erfaßt wird, den man kurz als den des „Asozialen" kennzeichnen
rischen Energie" ebenso wie die „Gefährlichkeit" oder „Strafwürdigkeit" könnte 52 .
methodisch und inhaltlich kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung der Es ist hier nicht der Ort, auf die Problematik dieser Bestimmungen ein-
Beteiligungsformen darstellt 51 . Die Intensität des verbrecherischen Willens zugehen. Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist ihnen
kann im Einzelfall beim Anstifter und Gehilfen durchaus größer sein als jedenfalls mit Sicherheit folgendes zu entnehmen: Da eine tatbezogene
beim Täter. Hinzu kommt, daß unklar bleibt, warum diese Erwägung aus- Rechtsgutsverletzung fehlt, bedarf es keines Erfolges, so daß der Gesetz-
gerechnet nur beim Einsteigediebstahl gelten soll; sie müßte, wenn sie über- geber sich mit der Beschreibung eines bloßen Tuns begnügen konnte. Aber
haupt richtig wäre, auch bei allen anderen qualifizierenden Modifikationen die Tätigkeit als äußerer Vorgang erfaßt den Unrechtsgehalt auch nicht; wer
einer Tathandlung berücksichtigt werden. einmal eine Dirne schützt oder Geld von ihr nimmt, ist noch kein Zuhälter;
er ist es auch dann nicht, wenn er es mehrmals tut; vielmehr muß - und
zwar für beide Tatbestände des § 181a StGB - „eine engere p e r s ö n l i c h e 5 3
V. Die eigene Lösung Beziehung zwischen dem Täter und der Dirne", „ein auf eine gewisse
Dauer berechnetes, für das Wesen der Zuhälterei charakteristisches persön-
Das Ergebnis der bisherigen Untersuchung ist negativ: Die vermeintlich liches Verhältnis" hinzukommen 5 4 . Infolgedessen kann auch die Beherr-
eigenhändigen Delikte unterstehen dem Tatherrschaftsprinzip. Dennoch schung dieser Tätigkeit den Tatbestand nicht erfüllen und die Täterschaft
wäre eine Ablehnung der gesamten Deliktskategorie verfrüht. nicht begründen: Wenn A den B zwingt oder durch Täuschung veranlaßt,
Klarheit läßt sich in die Frage bringen, wenn man versucht, dem Problem einer Dirne Schutz zu gewähren oder Geld von ihr zu nehmen, so kann
einmal von den Grenzen des Herrschafts- und des Pflichtkriteriums aus dieser Akt bei keinem von beiden die erforderliche enge persönliche Be-
näher zu kommen. Wir müssen fragen: Lassen sich Tatbestände auffinden, ziehung herstellen. Das unrechtsbegründende personale Element entzieht
die ein Verhalten umschreiben, das sich weder durch einen nicht persönlich sich der Beherrschbarkeit.
Handelnden beherrschen noch als Verletzung einer außerstrafrechtlichen Entsprechendes gilt für die übrigen angeführten Tatbestände; denn
Sonderpflicht verstehen läßt? „beherrschen" im Sinne unserer früheren Darlegungen kann man immer nur
Solche Bestimmungen gibt es in der Tat. Soweit ich sehe, lassen sich zwei eine bestimmte Einzeltat, nicht eine dauernde Persönlichkeitshaltung, wie
Gruppen unterscheiden: sie sich in der Landstreicherei, der Trunksucht und dem Müßiggang mani-
festiert. Man kann zwar andere durch Beeinflussung und schlechtes Beispiel
zu einer solchen Lebensführung verleiten, aber darin liegt keine „Tat-
1. Die täterstrafrechtlichen Delikte herrschaft", weil es sowohl an einer Einzel„tat" wie auch an einer die
Verantwortung des Unmittelbaren ausschließenden Herrschaft fehlt. Sobald
Nach § 181 a StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft, wer dagegen Zwang oder Täuschung eingesetzt werden, fehlt beim unmittelbar
von einer Prostituierten „unter Ausbeutung ihres unsittlichen Erwerbes ... Handelnden jene Asozialität, die der Tatbestand erfordert, während der
den Lebensunterhalt bezieht" oder wer „einer solchen Frau gewohnheits- Hintermann zwar verwerflich handelt, aber nicht die Persönlichkeitshaltung
mäßig oder aus Eigennutz in Bezug auf die Ausübung des unzüchtigen zeigt, die allein ihn zum Täter dieser Bestimmungen machen könnte. Ebenso
Gewerbes Schutz gewährt oder sonst förderlich ist". §361 Ziff. 3 bedroht ist natürlich eine funktionsbedingte Arbeitsteilung bei derartigen Tatbe-
denjenigen mit Haftstrafe, der „als Landstreicher umherzieht", und § 361 ständen ausgeschlossen. Es können höchstens zwei Leute sich gemeinsam als
Ziff. 5 erfaßt durch die gleiche Sanktion den, der „sich dem Spiel, Trunk oder Landstreicher oder Müßiggänger herumtreiben. Dann aber handelt es sich
Müßiggang dergestalt hingibt", daß zu seinem oder seiner Familie Unterhalt um zwei Einzeltäter und nicht um eine Mittäterschaft.
„durch Vermittlung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch genommen
werden muß".
52
Zur täterstrafrechtlichen Problematik dieser Bestimmungen im einzelnen: Bockelmann,
Studien zum Täterstrafrecht, 2. Teil, S. 55-66; zur Frage des Rechtsgüterschutzes bei der
Zuhälterei Jäger, Strafgesetzgebung und Rechtsgüterschutz, S. 92-97
53
Vgl. S. 131 ff. undS. 330ff. im Original gesperrt
Vgl. oben S. 24/25, 30-32 54
so die sehr instruktive Entscheidung des BGH in MDR 1955, S. 307/08 (307)
412 413

Aus alledem ergibt sich, daß bei den täterstrafrechtlichen Delikten die beiden atypischen Merkmale auf: Es fehlt die Rechtsgüterverletzung;
Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens nicht durch die Herrschaft dagegen ist die Strafe an einen exakt begrenzten Handlungsvorgang
über einen Erfolg oder über bestimmte Körperbewegungen, sondern durch geknüpft, so daß sich diese Delikte wieder vollen Umfanges dem Tat-
die jeweils in Frage kommenden personalen Kriterien gekennzeichnet wird. strafrecht eingliedern.
Beteiligte, bei denen sie fehlen, können nur als Anstifter oder Gehilfen erfaßt Neben einigen Fällen, die sehr umstritten sind und deshalb unten geson-
werden. derter Erörterung bedürfen, kommen hier in erster Linie gewisse Sittlich-
Inwieweit derartige Momente für die Dogmatik der Teilnahmelehre keitsdelikte, wie die §§175, 175 b und auch §173 StGB in Frage. Die
bedeutsam werden, hängt davon ab, welchen Einfluß der Gesetzgeber täter- Behauptung, in der Erfüllung dieser Tatbestände stecke keine Rechtsgüter-
strafrechtlichen Gedanken einräumt. Er ist im geltenden Tatstrafrecht sehr verletzung, mag auf Widerspruch stoßen. Ihre Richtigkeit hängt zunächst
gering. Neben wenigen Einzelbestimmungen, zu denen in erster Linie die einmal davon ab, was man unter einem „Rechtsgut" verstehen will.
genannten Tatbestände gehören 55 , bleiben die übrigen Spuren des Täter- Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wenn wir uns auf eine
strafrechts 56 „tatgebunden": Selbst die Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßig- längere Auseinandersetzung mit der seit mehr als 125 Jahren viel diskutierten
keit der Handlung eines Beteiligten, an die man noch am ehesten denken Rechtsgüterlehre einlassen wollten. Für die Problematik der Eigenhändigkeit
könnte, hat wegen der Regelung des § 50 Abs. 2 StGB keine Auswirkung auf genügt stattdessen ein kurzer Hinweis auf das, was in diesem Zusammen-
die Abgrenzung der Beteiligungsformen. hang gemeint und entscheidend ist. Dann ergibt sich folgendes:
Vom Boden unseres geltenden Tatstraf rechts aus, das hier keiner weiteren Der sogenannte „methodische Rechtsgutsbegriff", der mit dem Sieg
Begründung bedarf, ist es deshalb auch nicht möglich, die Fälle dieser der rein normativen Betrachtungsweise im Strafrecht 59 vorübergehend
Deliktsgruppe zu erweitern. Es ist nicht einmal zulässig, mit Hilfe der Lehre die Oberhand gewann, versteht unter dem geschützten Rechtsgut nichts
vom sog. „normativen" oder „tatbestandlichen" Tätertyp sich die Differen- anderes als eine zusammenfassende Denkform für den „Sinn und Zweck der
zierung der Teilnahmeformen durch die Erwägung zu erleichtern, „inwie- einzelnen Strafrechtssätze" 60 , eine „Abbreviatur des Zweckgedankens" 61
weit die Beteiligten den Typus des Täters zum Ausdruck bringen" 57 . Wenn oder wie Schwinge 62 kurz sagt - die ratio legis. Wenn man von dieser Lehre
man etwa von mehreren bei einem Morde oder einer Brandstiftung Mit- ausgeht, ist eine Tatbestandserfüllung ohne Rechtsgüterverletzung selbst-
wirkenden denjenigen als Täter ansehen wollte, der dem Typ des Mörders verständlich nicht denkbar; denn der Gesetzgeber wird keine Strafbestim-
oder Brandstifters am meisten entspricht, so würde man sich, auch wenn mungen erlassen, mit denen er nicht bestimmte Zwecke verfolgt; nimmt
man von der Tatbestandsverwirklichung ausgeht, vom Gesetz lösen, sobald man etwa an, daß die Sodomie deshalb unter Strafe steht, weil sie sittlich
man die Täterschaft durch personale Elemente bestimmen wollte, die besonders verwerflich ist, so würde die allgemeine Sittlichkeit das Rechtsgut
in der Tatbeschreibung keine Grundlage mehr haben. Praktisch würde dieses Tatbestandes darstellen.
ein solches Verfahren auch nur zum Eindringen von Strafzumessungs- In diesem Sinne wollen wir hier den Begriff des Rechtsgutes nicht
erwägungen in die Teilnahmelehre führen, was oben 58 schon aus anderen verstehen; für eine solche Begriffsbildung besteht auch kein Bedürfnis,
Gründen abzulehnen war. weil ihr neben der ratio legis keine selbständige Bedeutung zukommt. Viel-
mehr meinen wir, wenn wir von „Rechtsgut" sprechen, abgrenzbare, in
der Außenwelt verwirklichte und deshalb durch äußeres Handeln zu beein-
2. Verhaltensgebundene Delikte ohne Rechtsgüterverletzung trächtigende werthafte Zustände 63 , wie Leben, Gesundheit, Eigentum,
Freiheit der Willensbildung, die Funktionsfähigkeit der Staatsorgane und
a) Die Begründung der Eigenhändigkeit dergleichen. Begriffen wie denen der Sittlichkeit, des Gemeinwohls, des
Volksempfindens, der ethischen Ordnung oder der allgemeinen Menschen-
Wahrend die täterstrafrechtlichen Delikte eine bestimmte Existenzform würde ist eine derart anschaulich-greifbare Zuständlichkeit nicht eigen.
erfassen, so daß weder eine konkrete Rechtgüterverletzung noch eine genau Es handelt sich deshalb bei ihnen nicht um Rechtsgüter in dem hier ange-
beschreibbare Einzelhandlung für die Strafbarkeit erforderlich sind oder deuteten Sinne.
ausreichen, weist die jetzt zu behandelnde Fallgruppe nur noch eines dieser Eine echte Rechtsgüterverletzung fehlt nun vor allem bei einigen Sittlich-

59
Vgl. dazu allgemein oben S. 7-13
60
Sonst könnten etwa noch die gewohnheitsmäßige Kuppelei (§ 180) und die Bettelei Honig, Die Einwilligung des Verletzten, 1919, S. 30
61
(§ 361 Ziff. 4) in Frage kommen; doch handelt es sich dabei um schwierige Probleme Grünhut Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, Frank-Fest-
der Tatbestandsauslegung, denen hier nicht im einzelnen nachgegangen werden kann. gabe Bd. 1,S. 8
62
Vgl. Bockelmanns grundlegende „Studien zum Täterstraf recht". Teleologische Begriffsbildung, S. 25
63
Dahm, Der Tätertyp im Strafrecht, S. 54 Ich folge hier weitgehend der Untersuchung von Jäger über „Strafgesetzgebung und
Vgl. oben S. 30/31 Rechtsgüterschutz", Hamburg, 1957. Zum Begriff des Rechtsgutes vgl. a. a. O. S. 13
414 415

keitsdelikten. Wenn zwei erwachsene Männer miteinander Unzucht treiben, ernde Verwirklichung den Hintermann überhaupt erst zur Zentralgestalt
so wird niemand und nichts beeinträchtigt oder geschädigt als die Sittlich- machen könnte. Und dieser selbst handelt zwar verabscheuungswürdig,
keit. Der Bundesgerichtshof sagt denn auch ebenso schlicht wie richtig 64 aber nicht in der spezifischen Weise, die der Tatbestand voraussetzt. Oder:
„die Unzucht unter Männern verstößt gegen das Sittengesetz". Auch der Wenn jemand unter der täuschenden Vorspiegelung, daß dies zu tierärzt-
Entwurf 196265 räumt das ein, wenn er zur Rechtfertigung der Bestrafung lichen oder experimentellen Zwecken erforderlich sei, einen anderen zu
ausführt, es sei möglich, „bestimmte Fälle ethisch besonders verwerflichen beischlafsähnlichen Handlungen mit einem Tier verleitet, so kommt eine
und nach der allgemeinen Überzeugung schändlichen Verhaltens auch dann mittelbare Täterschaft bei § 175 b gleichwohl nicht in Betracht; beherrschbar
mit Strafe zu bedrohen, wenn durch die einzelne Tat kein unmittelbar war auch hier nur das äußere Verhalten des Getäuschten, eine strafbarkeits-
bestimmbares Rechtsgut verletzt wird". begründende Unmoral ließ sich durch die Irrtumserregung nicht
Wenn Maurach 65a „das Sozialinteresse an derNormalität des Geschlechts- herbeiführen 70 .
lebens" und Schönke/Schröder" 66 „die Reinhaltung der Beziehungen Da demnach der Tatbestand durch seine Beschreibung nicht eine herrschafts-
zwischen Mann und Mann von sexuellen Einflüssen" als geschütztes Rechts- abhängige Rechtsgüterverletzung, sondern eine handlungsbedingte Sitten-
gut bezeichnen, so wird deutlich, daß hier die bloße ratio legis an die widrigkeit erfaßt, muß notwendig dieses Element den Täter kennzeichnen,
Stelle eines Rechtsgutes im oben umschriebenen Sinne tritt. In der Tat während anderweit Beteiligte erst durch den Strafausdehnungsgrund der
sind alle Versuche, hier konkrete Rechtsgüter ausfindig zu machen, ge- Anstiftung und Beihilfe in die Zone des inkriminierten Verhaltens geraten.
scheitert. Wenn etwa das O L G Düsseldorf 67 meint, es werde „das allgemeine Auch im Falle des §173 StGB dürften die entwickelten Kriterien
Wohl des deutschen Volkes in seiner sittlichen und gesundheitlichen Kraft" der Eigenhändigkeit vorliegen. Zwar könnte man die Möglichkeit einer
verletzt, und wenn jüngst wieder Grassberger 68 davon spricht, daß die Straf- mittelbaren Täterschaft schon durch Annahme eines Pflichtdelikts (einer
bestimmung „die für das glückliche Zusammenleben der Menschen maßge- unecht eigenhändigen Straftat) ausschließen. Aber dann müßte eine Rechts-
bende Gemeinschaftsordnung" schütze, so handelt es sich hier um inhalts- güterverletzung vorliegen, und es müßte erklärt werden, warum der Gesetz-
leere Allgemeinbegriffe, aber nicht um Rechtsgüter im oben umrissenen geber dem einzelnen eine Sonderpflicht zur geschlechtlichen Enthaltsamkeit
Sinne. gegenüber seinen Verwandten auferlegt. Da auf diese Fragen gleich noch
Erst recht fehlt es im Falle der Sodomie (§ 175 b StGB) an einer Rechts- im Zusammenhang mit der Problematik der Teilnahme an unfinaler Tat
güterverletzung; nicht etwa sollen die Tiere vor Quälereien geschützt ausführlich zurückzukommen sein wird 71 , möge hier ein kurzer Hinweis
werden, denn dafür besteht das Tierschutzgesetz. Auch die Entwurfsbegrün- genügen:
dung 69 bringt für die Bestrafung nur vor, daß solche Taten „aufs schwerste Versucht man die Hintergründe dieser Bestimmung wissenschaftlich
die Menschenwürde" verletzen. Die Menschenwürde aber verletzen alle grob aufzuhellen, so wird man zugeben müssen, daß sie - abgesehen von Er-
sittenwidrigen Handlungen, so daß damit ein spezifisches Rechtsgut nicht wägungen des Jugendschutzes, dem aber andere Strafbestimmungen dienen,
umschrieben wird. und die im konkreten Fall auch keineswegs einzugreifen brauchen - auf
Ist dem aber so, dann stehen hier offenbar bestimmte, vom Gesetzgeber weitgehend irrationalen Motiven beruht: auf uralten Tabuvorstellungen, die
als besonders verwerflich erachtete Formen der Unmoral unter Strafe, so zu einer vorbewußten Inzestscheu führen und dem Menschen die Vor-
daß Zentralfigur des handlungsmäßigen Geschehens hier nur sein kann, stellung vermitteln, daß die Blutschande eine Handlung von verab-
wer ein derart wertwidriges Verhalten verwirklicht. Und daraus, scheint mir, scheuungswürdiger Verwerflichkeit sei. N u r so läßt sich die hohe Straf-
läßt sich ein zwingendes Argument für die Eigenhändigkeit dieser Delikte drohung erklären; denn erbbiologische Schäden sind zumindest bei der
herleiten: Denn die Sittenwidrigkeit, die diesen Verhaltensweisen anhaftet, heutigen Sozialstruktur nicht nachweisbar 72 . Man denke nur einmal an den
ist ein qualitatives Etwas, das genau wie die persönliche Existenzform berühmten Liszt-Fall 73 von der Hamburger Bordellwirtin, die zwei nichts-
bei den täterstrafrechtlichen Delikten der Herrschaft anderer unzugänglich ahnende Geschwister zusammenbringt: Welcher Erfolg sollte hier wohl
bleibt. Wenn A durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder herbeigeführt worden sein, der uns nötigen könnte, die Frau, die mit vollem
Leben den B und den C zu gegenseitigen unzüchtigen Handlungen zwingt, Recht wegen schwerer Kuppelei bestraft wird, auch noch unter dem
so fehlt dem abgenötigten Verhalten der beiden jene Unmoral, deren steu- Gesichtspunkt der Blutschande zur Rechenschaft zu ziehen?

64 70
B G H , N J W 5 1 S. 810 A n d e r s offenbar N o l l , Übergesetzliche Rechtfertigungsgründe, S. 34, mit der mir nicht
65
S. 376 recht verständlichen B e g r ü n d u n g : „Da die H a n d l u n g selber hier als Erfolg gilt, ist sie
65
»B.T. 3. AufL.S. 385 unabhängig v o m Vorsatz u n w e r t b e t o n t u n d rechtswidrig".
66
10. Aufl., § 175 I, im Anschluß an Metzger, StuB, IL, 6. Aufl., 1958, S. 82 71
Vgl. S. 4 2 1 - 4 2 5
67
M D R 1948, S. 59-60 (60) 72
Vgl. n u r Jäger, a. a. O . , S. 65, der ü b e r h a u p t eine eingehende E r ö r t e r u n g der gesamten
68
Festschr. für Eb. Schmidt, S. 334 Problematik bietet (S. 56-66).
69
S. 380 E 1962 73
Straf rechtsfälle, 14. Aufl., Fall 130, 2
416 417

Auch in diesem Fall ist demnach davon auszugehen, daß der Gesetzgeber auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung ausdrücklich vertreten hat.
nicht eine bestimmte Rechtsgüterverletzung, sondern eine Handlung von §176 Abs. 1 Ziff. 1 („wer mit Gewalt unzüchtige Handlungen ... vornimmt
besonders abscheulicher Unsittlichkeit unter Strafe gestellt hat. Durch ... oder ... durch Drohung ... zur Duldung ... nötigt") erfordert nach
Zwang, Täuschung oder Mitherbeiführung ihrer äußeren Voraussetzungen mehreren Entscheidungen 79 keine Eigenhändigkeit. Dagegen wird § 176
ist die spezifische Wertwidrigkeit solchen Verhaltens nicht hervorzurufen Abs. 1 Nr. 2 StGB („wer eine ... Frau ... zum außerehelichen Beischlaf
oder zu beherrschen. Es handelt sich also um ein eigenhändiges Delikt. mißbraucht") als eigenhändige Straftat angesehen 80 .
Zu beachten ist, daß die Eigenhändigkeit in den erörterten Beispielen Diese verwirrenden Differenzierungen sind abzulehnen. Vielmehr handelt
sich nicht allein aus dem Umstand ergibt, daß ein Delikt ohne spezielle es sich in allen Fällen gleichermaßen um Herrschaftsdelikte, bei denen die
Rechtsgüterverletzung vorliegt. Es muß vielmehr noch hinzukommen, daß mittelbare Täterschaft und auch die Mittäterschaft eines Außenstehenden
die täterschaftsbegründende Sittenwidrigkeit „verhaltensgebunden", d. h. möglich sind. Wenn wir von unseren oben niedergelegten Ergebnissen aus-
unablösbar mit dem tatbestandstypischen Tun verknüpft ist. Bei der gleich- gehen, so ergibt sich das, kurz zusammengefaßt, aus folgendem:
geschlechtlichen Unzucht, der Sodomie und der Blutschande ist das der Fall, aa) Die Wortlauttheorie, auf die sich der B G H weitgehend stützt 81 , ist
weil die Willens- oder Mitherrschaft eines Außenstehenden seinem Verhalten in dieser Form unhaltbar. Die verschiedenen Begehungsweisen der §§176,
nicht die tatbestandliche Unzuchtsqualität verleihen kann. 177 StGB liegen ihrer äußeren Erscheinungsform und ihrem kriminellen
Anders liegt es aber etwa bei der gewohnheitsmäßigen Kuppelei (§180 Unwertgehalt nach so nahe - zum Teil fast ununterscheidbar 82 beieinander,
StGB). Auch hier fehlt eine Rechtsgüterverletzung, so daß der B G H in daß nicht der geringste Grund dafür ersichtlich ist, warum der Gesetzgeber
seinem jüngsten Urteil 74 zur Begründung der Strafbarkeit auf den Gesichts- die Absicht gehabt haben könnte, hier durch sprachliche Finessen einen
punkt einer „Untergrabung der Sittlichkeit" und der „sittlichen Verworfen- verschiedenartigen Täterbegriff zu schaffen. Es ist vielmehr klar, daß er
heit" solchen Verhaltens zurückgreifen muß 7 5 . Trotzdem haben wir kein nur die Handlungsmodalitäten möglichst scharf umreißen wollte, ohne
eigenhändiges Delikt vor uns, weil die Tatbestandshandlung - das Vorschub- dabei im mindesten von Erwägungen über die Teilnahmelehre bestimmt zu
leisten - nicht an ein spezifisches Verhalten gebunden ist. Deshalb ist der sein.
gewohnheitsmäßige Kuppler auch dann Täter, wenn er sich dritter Personen Gegenüber dem immer wiederholten Einwand, man könne doch nicht
zur Förderung der Unzucht bedient. sagen, daß derjenige, der sich etwa eines Geisteskranken bedient oder das
Auf weitere dogmatische Konsequenzen, die sich aus der Eigenhändigkeit Opfer nur festgehalten habe, dadurch eine Frau „zum Beischlaf miß-
namentlich bei der Akzessorietät ergeben, und auf andere in Frage kom- braucht" habe, ist darauf hinzuweisen, daß die Formulierung des tat-
mende Tatbestände wird noch einzugehen sein. Im folgenden ist in Ausein- bestandlichen Geschehens in allen Fällen nur eine in erster Linie auf den
andersetzung mit der BGH-Rechtsprechung zunächst darzulegen, daß und unmittelbaren Täter zugeschnittene Abbreviatur der tatherrschaftlichen
warum eine Reihe weiterer Sittlichkeitsdelikte, die im allgemeinen als eigen- Deliktsverwirklichung darstellt. Wollte man anderer Meinung sein, so
händig angesehen werden, dieses Prädikat nicht verdienen. müßte man allgemein zur formal-objektiven Theorie zurückkehren, die
doch sonst von der Rechtsprechung und der absolut herrschenden Lehre
mit Recht abgelehnt wird.
b) Über die Eigenhändigkeits-Rechtsprechung des BGH Im übrigen erscheint die Differenzierung, die der Bundesgerichtshof
und über die Täterschaft bei den Sittlichkeitsdelikten im allgemeinen zwischen den Ziffern 1 und 2 des § 176 StGB vornehmen will, deshalb
besonders merkwürdig, weil er im Falle der Ziffer 1 nicht einmal die Tat-
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Eigenhändigkeit hat sich herrschaft zur Begründung der Täterschaft verlangt, sondern sich mit einer
bisher allein an bestimmten Sittlichkeitsdelikten entwickelt. Danach soll es „geistigen Beteiligung", d. h. der bloßen Anwesenheit und anfeuernden
sich im Ergebnis so verhalten: Reden, begnügt 83 . Kann man denn - wenn dieser Gesichtspunkt schon
§177 Abs. 1, Halb. 1 („wer eine Frau zur Duldung des außerehelichen einmal ausschlaggebend sein soll - wirklich sagen, daß der nur geistig Mit-
Beischlafs nötigt") ist kein eigenhändiges Delikt 76 . Wie es mit § 177 A b s . 1 ,
Halbs. 2 StGB („wer eine Frau zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht") 79
steht, hatte der B G H noch nicht zu entscheiden; er scheint aber zur Annah- BGH, MDR 55, S. 244 = LM Nr. 3 zu § 176 Abs. 1 Ziff. 1; BGH, MDR 58, S. 139, mit-
geteilt von Dallinger.
me der Eigenhändigkeit zu neigen 77 , eine These, die jetzt das O L G Celle 78 80
BGHSt 15, 132-134 = LM Nr. 4 zu § 176 Abs. 1 Ziff. 2 mit Anm. Kohlhaas.
81
Vgl. die Belege oben S. 403
74 82
NJW1961.S. 1031-1033 so weist Maurach, NJW 61, S. 1051 überzeugend nach, daß die zweite Alternative
75
Der Entwurf 1962 verzichtet deshalb auch auf eine Bestrafung, vgl. Begründung, S. 390 des §177 nur ein aus „Illustrationsgründen vorgezogenes Beispiel" für einen Fall der
76
BGHSt 6, 226-229 l.Alt. darstellt. Und trotzdem soll hier ein verschiedener Täterbegriff verwendet
77
Vgl. BGHSt 6, 229 werden?!
78 83
NJW1961,S. 1079-1081 Vgl. BGH, MDR 55, S. 244 und oben S. 417, 281
418 419

wirkende „mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frau vornimmt"? Abgrenzung - nach der jeweiligen Färbung der Sittenwidrigkeit - darf hier
Mir scheint, der B G H widerlegt sich hier selbst. nicht maßgebend sein. Denn die Aufgabe eines rechtsstaatlichen Gesetz-
bb) Allerd ings stimmen die in der Rechtsprechung genannten Tatbe- gebers muß in erster Linie immer der Güterschutz bleiben; die Unmoral
stände der §§ 176 Abs. 1 Ziff. 2, 177 2. Alt. StGB mit den von uns oben interessiert ihn nicht um ihrer selbst willen, sondern höchstens wegen ihrer
für eigenhändig erklärten Delikten der §§173, 175, 175 b StGB insofern Folgen. Deshalb" ist, wer den Erfolg in der Hand hat, die Zentralfigur des
überein, als es sich bei ihren Tatbestandshandlungen um schwere Verstöße handlungsmäßigen Geschehens.
gegen die Sexualmoral handelt, deren spezifische Unsittlichkeit dem Ver- Wer also bei der Notzucht an der Gewaltanwendung mitwirkt, ist Mit-
halten eines Außenstehenden nicht anhaftet. Es ist dieser Gedanke, den täter nach § 177 StGB, einerlei, ob es sich um die erste oder die zweite Alter-
Hellmuth Mayer 84 in dem Satz zusammenfaßt: „... wenn A den B native handelt (gegen das O L G Celle); wer einen Geisteskranken zur Schän-
bestimmt, die C zu vergewaltigen, so übt er doch wenigstens persönlich dung einer Frau veranlaßt, ist entgegen dem B G H mittelbarer Täter des
keine Unzucht ". § 176 Ziff. 2 StGB 87 ; wer ihn zur Vornahme exhibitionistischer Handlungen
Es wäre freilich denkbar, so zu unterscheiden und anzunehmen, daß die auf die Straße schickt, ist wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses in mittel-
Zentralgestalt bei solchen Straftaten in Abweichung von der Tatherrschafts- barer Täterschaft zu bestrafen (§ 183 StGB); und wer gemeinsam mit einem
lehre durch die besondere unzüchtige Qualität des eigenen Verhaltens anderen ein Mädchen verführt, ist Mittäter des § 182 StGB, auch wenn er den
bestimmt werde. Aber dann müßte man, wie es schon Binding 85 annahm und Beischlaf nicht selbst vollzogen hat 88 . Entsprechend sind alle anderen Sitt-
wie es auch sonst gelegentlich vertreten worden ist, alle Sittlichkeitsdelikte lichkeitsdelikte zu behandeln, deren Tatbestand eine bestimmte Rechtsgüter-
für eigenhändig halten, während der B G H doch bei § 176 Abs. 1 Ziff. 1 und verletzung voraussetzt.
auch bei § 177 1. Alt., auf den sich der zitierte Satz H. Mayers bezieht 86 , Eine Differenzierung der Mitwirkungsweisen nach der spezifischen Form
diese Möglichkeit ausdrücklich ablehnt. der vom Täter an den Tag gelegten Sittenwidrigkeit - und damit eine Eigen-
Außerdem wäre eine solche „Einheitstheorie" auch unrichtig. Dies folgt händigkeit des Delikts - ist also nur in den verhältnismäßig seltenen Fällen
aus der Erwägung, daß Aufgabe und Ziel des Strafgesetzgebers in erster am Platze, bei denen ein Verhalten den legislatorischen Instanzen unab-
Linie im Schutz von Rechtsgütern bestehen. Das gilt auch von den Sittlich- hängig von einer konkreten Rechtsgutsverletzung als strafwürdig erschien,
keitsdelikten; zwar stellen die im 13. Abschnitt des Besonderen Teils zu- wie es bei den oben erörterten Bestimmungen der §§ 173, 175, 175 b StGB
sammengefaßten Straftaten - wie sich schon aus der Überschrift ergibt sämt- dargelegt worden ist. Hier folgt, da es nichts zu beherrschen gibt, die Eigen-
lich „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit" dar; gleichwohl händigkeit notwendig aus der Struktur der Tatbestände. Sonst aber muß es
handelt es sich in den meisten Fällen nicht um einen Versuch des Gesetz- beim allgemeinen Täterbegriff bleiben.
gebers, die Sexualmoral zu heben, sondern um die Notwendigkeit, die cc) Dieselben Einwendungen, die bei den rechtsgüterverletzenden Sitt-
unschuldigen Opfer der Delinquenten vor ganz konkreten Beeinträch- lichkeitsdelikten gegen eine Differenzierung auf Grund moralischer Nuan-
tigungen zu bewahren. cierungen vorzubringen waren, gelten erst recht gegenüber Unterscheidun-
Auch ohne genauere Analyse ist leicht einzusehen, daß es im wesentlichen gen psychologisch-emotionaler Art. Es ist zwar richtig, daß die eigenhändige
drei Rechtsgüterkomplexe sind, um deren Schutz es hier geht: die körper- Vornahme vieler Sittlichkeitsdelikte durch bestimmte Wollustgefühle ge-
liche Integrität und die Freiheit der Willensentschließung im sexuellen kennzeichnet ist, die beim steuernden Hintermann oder beim mitbeherr-
Bereich (Hauptbeispiele: §§177, 176 Ziff. 1 StGB), die Unerfahrenheit und schenden Komplicen fehlen. Schon die oberitalienischen Glossatoren haben
mangelnde Widerstandskraft von Jugendlichen, Kranken und Abhängigen zum Teil diesen Gesichtspunkt zur Begründung der Eigenhändigkeit ver-
(vgl. etwa §§ 174, 175 a Ziff. 3, 176 Abs. 1 Ziff. 2, 3, 182 StGB) und Sitte und wendet 89 . Er würde auf § 176 Abs. 1 Ziff . 2 zutreffen, ebenso freilich auf den
Anstand in der Öffentlichkeit (§§ 183, z. T. auch 184, 184 b StGB). Tatbestand der Notzucht, den auch der B G H für fremdhändig begehbar hält.
Derartige Erfolge nun sind durchaus von denen beherrschbar oder mit- Aber es wäre fehlerhaft, die Abgrenzung der Beteiligungsformen von
beherrschbar, die nicht eigenhändig die ganze Tatbestandshandlung voll- solchen Gefühlsakzenten abhängig zu machen. Nagler 90 sagt ganz richtig:
ziehen. Deshalb kann bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahmt
das Herrschaftsprinzip wieder voll in seine Rechte treten. Eine andersartige 87
wie hier Welzel, 7. Aufl., S. 369; Schönke/Schröder, 10. Aufl., § 176, III, 6, S. 747 M e z -
ger, L K , 8. Aufl., § 1 7 6 , A n m . 5; wie der B G H aber Maurach, A . T . , 2. Aufl. S. 197;
84
Lehrb., S. 331 Schwarz/Dreher, 23. Aufl., § 176, 2.
85 88
Die drei G r u n d f o r m e n , S. 266, in: A b h a n d l u n g e n wie hier Schönke/Schröder, 10. Aufl., § 182 III S. 765; Frank, § 182, II, 2, für Eigenhän-
86 digkeit: Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 373; Mezger, L K , § 182, A n m . 3 ; Schwarz/Dreher,
A u c h M a y e r wird freilich seinem eigenen A n s a t z schnell wieder untreu, w e n n er - sach-
lich zutreffend - sagt (S. 331): „Bei der Vergewaltigung einer Frau ist offenbar die Krän- 23. Aufl., § 1 8 2 , 2, A.
89
kung der Betroffenen das eigentlich Strafwürdige, u n d die persönliche U n z u c h t des Tä- Vgl. im einzelnen E n g e l m a n n , in: Festschrift für Binding, Bd. 2, S. 464ff. mit zahlrei-
ters ist nicht so wichtig. Dasselbe gilt etwa für § 176 Ziff. 1". Man fragt sich nur, w a r u m chen Belegen; ferner Engelsing, Eigenhändige Delikte, S. 6/7
90
das bei § 176 Ziff. 2 und 3 (S. 331/32) anders sein soll. Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 69, A n m . 2
420 421

„... davon, daß ... die Befriedigung eigener Geschlechtslust Tatbestands- Vorsatz des Pflichtigen zur Last fällt. Wo aber - wie hier - kein Rechtsgut
erfordernis sei, kann keine Rede sein". Der Gesetzgeber kümmert sich nicht beeinträchtigt wird, versagt dieser Gedanke. Der Gesetzgeber kann zwar
um Lustgefühle, ihm geht es - etwa im Falle der Notzucht und Schändung - ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Rechtsgut die Beteiligung an einer
um die vergewaltigte oder mißbrauchte Frau. Wer diese schwere Rechts- besonders abscheulichen Unsittlichkeit ahnden, weshalb auch die Teilnahme
güterverletzung gelenkt hat, ist für ihn die Schlüsselfigur des Geschehens. an vorsätzlicher "Sodomie strafbar bleibt. Wenn aber dem Handelnden der
Die subjektiven Empfindungen der Beteiligten sind dabei durchaus Vorsatz fehlt, dann liegt auch kein unsittliches Verhalten vor, an dem ein
nebensächlich. Außenstehender teilgenommen haben könnte, so daß eine Bestrafung
notwendigerweise entfällt.
Nach diesen Gesichtspunkten ist auch das Problem der Veranlassung
VI. Die Akzessorietät bei den eigenhändigen Delikten zur unvorsätzlichen Blutschande zu lösen. Der schon erwähnte Fall von
der Hamburger Bordellwirtin, die sich das Pläsier macht, zwei einander
1. Teilnahme an unvorsätzlicher Tat ? unbekannte Geschwister zusammenzubringen, enthält die am meisten
erörterte Einzelfrage der Teilnahmelehre. Kein Kommentar, kein Lehrbuch
Das oben umschriebene Wesen der Eigenhändigkeit nötigt bei Beurteilung und keine Abhandlung verzichtet auf dieses Beispiel, obwohl sich ein solcher
der Akzessorietätsprobleme zu einer Folgerung, die eine scharfe Trennung Fall niemals ereignet hat und wohl auch in Zukunft nicht auftreten wird.
von Pflichtdelikten und eigenhändigen Straftaten über den Bereich theore- Trotzdem ist die Vorliebe aller Dogmatiker für diesen merkwürdigen
tischer Bedeutung hinaus zu einem auch praktisch wichtigen Erfordernis Sachverhalt nicht zufällig. Denn tatsächlich treffen hier - wie gleich zu
macht. Um meine These, die sich aus dem Vorstehenden unschwer ableiten zeigen sein wird - die Täterbegriffe der Herrschafts-, der Pflicht - und der
läßt, vorwegzunehmen: Ich behaupte, daß eine Anstiftung oder Beihilfe zu eigenhändigen Delikte wie in einem Brennspiegel zusammen; die sicherlich
vorsatzloser Tat zwar, wie früher dargelegt, bei Pflichtdelikten - selbst sehr ausgeklügelte Konstellation hat daher einen hohen Erkenntniswert und
soweit es sich um unecht eigenhändige Tatbestände handelt - ohne weiteres insofern mittelbar auch praktische Bedeutung.
möglich ist, daß sie aber bei echten eigenhändigen Straftaten wie schon bei In der augenblicklichen Diskussion lassen sich drei Meinungsgruppen
den Herrschaftsdelikten der Natur der Sache nach nicht in Frage kommen unterscheiden. Die erste, der Mezger 91 und Roeder 92 angehören, nimmt
kann. eine Blutschande in mittelbarer Täterschaft an. Nach der zweiten Auf-
Das ergibt sich aus folgendem: Wenn der Strafgrund bei den eigenhändi- fassung, zu der sich Schönke/Schröder 93 , Lange 94 und Franzheim 9 5 beken-
gen Delikten in der spezifischen Wertwidrigkeit des tatbestandlichen Verhal- nen, liegt eine Anstiftung zu unvorsätzlicher Blutschande vor. Die dritte,
tens liegt, dann fällt, wenn der unmittelbar Handelnde ohne Vorsatz tätig zahlenmäßig stärkste Gruppe, der Welzel 96 , Maurach 97 , H. Mayer 98 , Bau-
wird, mit der Unwertqualität seines Tuns zugleich der Anknüpfungspunkt mann 99 , Bockelmann 100 , Heinitz 101 und Tröndle 102 zuzurechnen sind, hält
für die Bestrafung Außenstehender fort. das Tun der Wirtin unter dem Gesichtspunkt der Blutschande nicht für
Bei den täterstrafrechtlichen Delikten liegt das auf der Hand. Natürlich strafbar.
wäre es absurd, eine „Anstiftung zu unvorsätzlicher Zuhälterei" anzu- Die Begründungen der widerstreitenden Lehren sind auch bei den Ver-
nehmen, wenn jemand sich von einer Frau aushalten läßt, von der ihm tretern derselben Lösung uneinheitlich. Da die Wirtin zweifelsfrei die Tat-
infolge der Täuschung durch einen eingeweihten Dritten unbekannt ist, daß herrschaft innehat, wird deutlich, wie wenig dieses Prinzip zur unterschieds-
sie ihr Geld durch gewerbsmäßige Unzucht erworben hat. Da der Außen- losen Anwendung auf alle Fälle vorsätzlicher Begehungsdelikte geeignet
stehende weder eine Rechtsgüterverletzung herbeigeführt noch ein tat- ist. Führt man nämlich die drei Meinungen auf ihren Kern zurück, so
bestandstypisches Verhalten - das gerade eine bewußte Dauerbeziehung zu muß man ihnen, entsprechend einer jeweils verschiedenen Auffassung vom
einer Dirne voraussetzt - hervorgerufen oder selbst an den Tag gelegt hat, ist
sein Tun unter keinem strafrechtlichen Gesichtspunkt als Anstiftung oder 91
LK, 8. Aufl., § 47, 1, b, aa, S. 249; StuB, A.T., 9. Aufl. i960, S. 236
Beihilfe erfaßbar. 92
ZStW, Bd. 69, 1957, S. 248/49
93
Dasselbe gilt auch für die verhaltensgebundenen Delikte ohne Rechts- 10. Aufl., vor § 47, X, 1, S. 254
94
güterverletzung. Wenn wir noch einmal auf das Beispiel zurückkommen, Kohlr./Lange, 42743. Aufl., II, 2 vor § 47, S. 165/66; § 173 III, 1, S. 415
95
daß jemand unter der Vorspiegelung eines ärztlichen Experiments zu Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, S. 53/54
96
Lehrb., 7. Aufl., S. 95
beischlafsähnlichen Handlungen mit einem Tiere veranlaßt wird, so ist es 97
B.T., 3. Aufl.,S. 384
98
unmöglich, hier eine Anstiftung zu unvorsätzlicher Sodomie anzunehmen. Lehrb., S. 331
99
Denn die Beteiligung an vorsatzloser Tat gründete sich bei den Pflicht- Lehrb, 2. Aufl., S. 458
100
delikten, wo wir sie für möglich erklärt haben, allein auf die Erwägung, daß Untersuchungen, S. 45
101
Festschr. zum 41. Juristentag, 1955, S. 106/07
dem Extraneus die tatbestandliche Rechtsgüterverletzung unabhängig vom 102
GA1956,S. 148
422 423

„Wesen" der Blutschande, einen jeweils anderen Täterbegriff zugrunde- Geschwister bereits zerstört, so wird durch den Geschlechtsverkehr eine
legen. Wiederherstellung der familiären Beziehungen zwischen Bruder und
a) Wenn man der Meinung ist, der Zweck des § 173 StGB bestehe darin, Schwester für immer erschwert".
eine Schwächung der Volkskraft durch Erzeugung biologisch geschädigter Wenn das richtig ist, so haben wir ein reines Pflichtdelikt in Gestalt einer
Nachkommen zu verhindern, so muß man die Blutschande notwendig unecht eigenhändigen Straftat vor uns, und die Annahme einer Anstiftung
als Herrschaftsdelikt ansehen, das auch Außenstehende als Mittäter oder zu vorsatzloser Blutschande ist die einzig annehmbare Lösung.
mittelbare Täter begehen können. Denn im Hinblick auf den vom Gesetz- c) Anders liegt es aber, wenn man, wie es oben 109 vertreten worden ist
geber ins Auge gefaßten Erfolg ist es gleichgültig, ob der ihn Lenkende den Strafgrund der Blutschande nicht in einer Rechtsgüterverletzung,
ein Verwandter ist oder nicht, ob er eigenhändig oder durch Einschaltung sondern in der besonderen sittlichen Verwerflichkeit dieses Verhaltens
eines Werkzeuges handelt. Dementsprechend sieht auch Roeder 103 die erblickt und deshalb eine echte eigenhändige Straftat für gegeben hält. Dann,
Blutschande als „Angriff auf die gesunde Volkskraft" an, und Mezger meint, aber auch nur dann - das wird von den meisten Vertretern dieser Meinung
es komme dem Gesetz auch beim Inzest „auf die Verhinderung des verkannt - muß die Wirtin, was die Blutschande anlangt, straflos ausgehen.
,Erfolges' an". Denn wenn die Geschwister von ihrer Verwandtschaft nichts wissen, fehlt
b) Wenn man, wie es namentlich Lange vertritt, bei der Blutschande ihrem Verhalten die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Verworfenheit. Da
eine mittelbare Täterschaft ablehnt, eine Anstiftung zu unvorsätzlicher die Wirtin also weder ein Rechtsgut verletzen noch an einer besonders ver-
Tat dagegen für möglich hält, so ist das im Sinne der von uns heraus- werflichen Handlung mitwirken kann, und da ihr eigenes Tun zwar verab-
gebildeten Kategorien nur richtig, sofern man diesen Tatbestand als reines scheuungswürdig, aber nicht blutschänderisch ist, ist die Ablehnung einer
Pflichtdelikt ansieht. Er muß dann so strukturiert sein, daß der Strafgrund mittelbaren Täterschaft und einer Anstiftung zu vorsatzloser Tat in diesem
in einer auch dem Außenstehenden zugänglichen Rechtsgüterverletzung Falle zwingend.
liegt, daß aber täterschaftsbegründend beim Verwandten eine besondere Ganz treffend kommt das allein bei H . Mayer zum Ausdruck, wenn
Pflichtenstellung gegenüber dem geschützten Rechtsgut hinzutritt. Die er sagt: „... die Blutschande besteht nicht in dem Geschlechtsverkehr
„Volksgesundheit" ist aus dieser Sicht als Rechtsgut nicht geeignet 104 , weil von Blutsverwandten als solchen, sondern in der Verletzung der geistig-
die Verwandten zu ihr keine nähere Beziehung haben als jeder andere. Statt- sittlichen Familienbande. Diese werden aber nicht gekränkt, wenn die
dessen liegt es nahe, auf die „Freihaltung der Familie von sexuellen Be- Hauptbeteiligten sich als Geschwister gar nicht kennen". Auch Lange neigte
ziehungen" 105, auf die Gefährdung der Familienbande 106 , abzustellen. Denn früher zu dieser Auffassung; er meinte damals 110 , das Wesentliche des straf-
hier läßt sich sagen, daß auch ein Extraneus das Rechtsgut verletzen rechtlichen Unwerturteils über die Blutschande werde durch die Berufung
kann, daß aber den Täter gegenüber seinen Verwandten eine auf die sonst auf einen sozialschädlichen Erfolg nicht erfaßt. Hier werde vielmehr „eine
Beteiligten sich nicht erstreckende Sonderpflicht zum Schutz der eigenen Versündigung, ein leibhaftiger Frevel unter Strafe gestellt". Wenn er im
Familie trifft. Gegensatz dazu heute das Gewicht wieder auf die Rechtsgüterverletzung
Entsprechend sagt Lange 107 zum Verhalten der Bordellwirtin: „Das verlegt, so wird diese Akzentverlagerung durch seine Konstruktion einer
Rechtsgut ist in allen wesentlichen Beziehungen auch hier verletzt, und Anstiftung zu vorsatzloser Tat notwendig gefordert; sonst wäre eine solche
dazu sind die Konkumbenten vorsätzlich bestimmt worden", und sein Lösung nicht denkbar gewesen 111 .
Schüler Franzheim begründet das ganz konsequent, wenn er ausführt 108 : Die hier aufgestellte These, daß eine Teilnahme an vorsatzloser Tat bei
„das durch § 173 StGB geschützte Rechtsgut ... wird nicht nur verletzt, den eigenhändigen Delikten im gekennzeichneten Sinne schlechterdings
wenn die Geschwister miteinander verkehren im Bewußtsein, daß sie mit- nicht möglich sei, wird anscheinend von Noll bestritten. Er sagt ent-
einander verwandt sind, sondern auch, wenn sie ohne dieses Bewußtsein sprechend unserer Auffassung ganz zutreffend, die Blutschande habe keinen
miteinander verkehren, später aber erfahren, daß sie Geschwister sind. Die von ihr abtrennbaren Erfolg. Sie sei, weil ethisch mißbilligt, als solche auch
seelischen Nachwirkungen eines anomalen Verhaltens sind für den gefühls- rechtlich mißbilligt, auch wenn niemandem Schaden daraus erwachse 112 .
mäßigen Zusammenhalt einer Familie schädlicher als die Tat selbst. "Ist Dann aber fährt er fort, die Ordnungen der geschlechtlichen Sittlichkeit
im Fall der Hamburger Bordellwirtin der Familienzusammenhalt der beiden seien auch verletzt, wenn die Handlung unvorsätzlich, „zum Beispiel
wegen Irrtums über die Identität des Geschlechtspartners", begangen werde.
H i e r u n d bei den folgenden Zitaten o h n e N a c h w e i s sind immer die oben, A n m .
91-102, angegebenen Belegstellen heranziehen.
abweichend insofern Lange a. a. O . , S. 165
Franzheim, S. 53; vgl. auch Kohlr./Lange a. a. O . , § 173 I, S. 414 109
S. 415/416
Schönke/Schröder, 10. Aufl., § 173 I, S. 730 1,0
M o d e r n e r Täterbegriff, S. 27
a . a . O . § 1 7 3 III, 1,S. 415 111
auch Lange selbst sieht das deutlich, vgl. a. a. O . II, 2 vor § 47, S. 165/66
a. a. O . , S. 53 f. 112
Übergesetzliche Rechtfertigungsgründe, S. 33
424 425

Da die Handlung selber hier als Erfolg gelte, sei sie unabhängig vom Vorsatz Licht zu werfen. Es ist hier nicht der Ort, das zusammenfassend aus-
unwertbetont 113 . zuführen. Aber schon an diesem Beispiel, das nur wegen seiner allgemeinen
Wäre das richtig, so bliebe allerdings auch bei vorsatzlosem Handeln der Bedeutung so ausführlich behandelt worden ist, dürfte eines klar geworden
Geschwister ein Unwert übrig, an den eine Teilnahme der Wirtin anknüpfen sein: Es macht einen wesentlichen Unterschied aus, ob man die Straflosigkeit
könnte. Aber ich sehe nicht, wie das denkbar sein sollte. Denn die ethische der Veranlassung zur unvorsätzlichen Blutschande daraus herleitet, daß das
Mißbilligung, die dem blutschänderischen Verkehr zuteil wird und auf die „Wesen der Handlung" eine bestimmte Akzessorietätsregelung erzwinge,
Noll ausdrücklich abstellt, kann doch nur einen Menschen treffen, dem die bei jedem Tatbestand, unbekümmert um seine Eigenart, gleichermaßen
bekannt war, daß er sich mit einem nahen Verwandten einließ. Ich muß gelten müsse, oder ob man zu diesem Ergebnis durch eine Erforschung der
daher bei meiner Auffassung bleiben. Grundlagen des Blutschandetatbestandes kommt, der sich deshalb einer
Die Entscheidung der Frage hängt also wirklich nur daran, welcher übergreifenden systematischen Einordnung doch nicht zu entziehen braucht;
der drei skizzierten Auffassungen über den Strafgrund der Blutschande ebenso wie es methodisch etwas durchaus Verschiedenes ist, ob man etwa die
man folgt. Und hier scheint mir die von einer Rechtsgüterverletzung ab- Möglichkeit einer Anstiftung zur unvorsätzlichen Fahrerflucht damit begrün-
sehende Herleitung aus der reinen Verwerflichkeit auch gegenüber dem det, daß gemäß § 50 Abs. 1 StGB der Vorsatz zur Schuld zu rechnen sei, oder
Gedanken des Familienschutzes, der die Möglichkeit einer Teilnahme ob man den Schutz eines bestimmten Rechtsgutes als Strafgrund dieser Be-
an vorsatzloser Tat offenlassen würde, den Vorzug zu verdienen. Denn stimmung erkennt und daraus die dogmatische Struktur der Teilnahme bei
einerseits ist es wie Jäger 114 feststellt, oftmals geradezu „eine ungesunde den Pflichtdelikten gewinnt.
Übersteigerung der innerfamiliären Gebundenheit, die für Inzestfamilien Während bei der jeweils ersten Begründungsart ein konstruktiv-dogma-
typisch ist", und andererseits wird die Familie durch das Eingreifen mit tischer Ansatz im Wege rein begrifflicher Deduktionen zu Einzelergebnissen
Zuchthausstrafen eher zerstört als erhalten. Bei Geschwistern schließlich, die nötigt, deren Zusammenhang mit dem konkreten Sachproblem für eine
als Erwachsene nur selten in einer Familie zusammenleben, wirkt eine solche aporetische Betrachtung nicht mehr einsichtig ist, geht das hier gewählte
Begründung von vornherein sehr weit hergeholt. Das zeigt gerade die oben zweite Verfahren von der je besonderen Struktur des Einzeltatbestandes aus
zitierte, durchaus folgerichtige Argumentation Franzheims: Warum bei den und kommt von dorther zur Bildung allgemeiner dogmatischer Kategorien,
Geschwistern durch den Verkehr „eine Wiederherstellung der familiären die den inneren Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften erhellen und
Beziehungen ... für immer erschwert" sein soll, ist nicht recht einleuchtend einer kasuistischen Zersplitterung vorbeugen. Darin liegt eine Synthese von
zumal da die beiden etwas derartiges ohnehin nie beabsichtigt haben dürften. System- und Problemdenken, die eine einseitige Überspitzung verhindert
und deren allseitige Durchführung mir eine der wesentlichen Zukunfts-
aufgaben der Strafrechtswissenschaft zu sein scheint.
Exkurs Gleichzeitig läßt der hier exemplarisch herangezogene Fall erkennen, daß
auch die Kriminologie und die Kriminalsoziologie nicht, wie man oft meint,
Doch kommt es für das, was ich zeigen will, nicht einmal entscheidend beziehungslos neben der dogmatischen Strafrechtswissenschaft herzulaufen
darauf an, zu welcher Auffassung man sich bekennt. Was mir an diesem brauchen, sondern daß sie, indem sie die Hintergründe einer gesetzlichen
Schulbeispiel wesentlich erscheint und den auf den ersten Blick eher Regelung durchleuchten, gleichzeitig einen Beitrag zur Entwicklung einer
doktrinären Streit ins Grundsätzliche erhebt, ist dies: Die Trennung von sachgerechten Dogmatik leisten, so daß diese, wenn sie nicht den Rechtsstoff
Herrschaftsdelikten, eigenhändigen Straftaten und Pflichtdelikten, die ich doktrinär vergewaltigen will, nicht an ihren Erkenntnissen vorübergehen
in der Täterlehre vornehme, ist kein konstruktives Schema, dem sich ein Tat- kann. Auch hier liegt für die Forschung ein bislang noch zu wenig beachtetes
bestand wie die Blutschande wohl oder übel einbequemen muß. Vielmehr Arbeitsgebiet.
sind diese Unterscheidungen aus der Struktur der Regelungsmaterie un-
mittelbar entnommen, und die Zuordnung des einzelnen Tatbestandes ergibt 2. Extreme Akzessorietät bei eigenhändigen Straftaten ?
sich nicht aus einem dogmatischen Zwang, sondern aus der Erforschung des
gesetzgeberischen Schutzzweckes und der kriminalsoziologischen Grund- Nach den Ergebnissen unserer Untersuchungen zur Eigenhändigkeit kann es
lagen jeder Bestimmung. zweifelhaft sein, ob die Möglichkeit einer Teilnahme an schuldloser Haupttat
Ein solches Verfahren scheint mir geeignet, auf den tieferen Sinn der syste- - etwa bei den Nötigungsfallen - dem Wesen der hier in Frage stehenden
matischen und dogmatischen Arbeit am materiellen Strafrecht, der von Delikte gerecht wird. Denn der Grundsatz der limitierten Akzessorietät, der
Kriminologen und Praktikern manchmal bezweifelt wird, ein klärendes bei den Pflichtdelikten seine ganze Tragkraft entfaltet, beruht wesentlich auf
dem Gedanken des Rechtsgüterschutzes: Man kann an der Herbeiführung
113
a. a. O. S. 34 eines sozialschädlichen Erfolges teilnehmen, auch wenn dem Täter persön-
114
Strafgesetzgebung und Rechtsgüterschutz, S. 67 lich nichts vorzuwerfen ist.
426 427

Liegt der Strafgrund dagegen, wie es bei den eigenhändigen Delikten Damit sind wir am Ende unserer Akzessorietätserörterungen und
gezeigt wurde, in der bloßen Verwerflichkeit und Unmoral eines Verhaltens, verfügen nun über das nötige Rüstzeug, um für einige Tatbestände, bei denen
so stellt sich die Frage, woran der Hintermann eigentlich teilnimmt, wenn die Eigenhändigkeit besonders zweifelhaft ist, eine überzeugende Lösung zu
der Täter genötigt oder in unverschuldetem Verbotsirrtum handelt so daß finden.
ihn kein Vorwurf trifft. Wenn etwa jemand einem Ausländer versichert, daß
die homosexuelle Betätigung in Deutschland nicht verboten sei und dieser
dem schuldlos vertraut, oder wenn jemand einen anderen zu unzüchtigen VII. Die Eigenhändigkeit bei einigen umstrittenen Tatbeständen
Handlungen mit einem Tiere zwingt - erfüllt eine solche „Tat" dann noch
die Voraussetzungen, unter denen es sinnvoll erscheint, die Möglichkeit einer 1. Ehebruch und Doppelehe
Teilnahme anzunehmen?
Die Frage führt auf das grundsätzliche Problem der Trennbarkeit Man denke sich einen Fall, der, wenn man sich in die Wirren des Kriegsendes
von Unrecht und Schuld bei den eigenhändigen Delikten. Wir können zurückversetzt, keineswegs konstruiert erscheint: A erzählt dem B daß seine
dem hier nicht gründlich nachgehen, weil das eine Erörterung des gesamten Frau durch Kriegseinwirkung umgekommen sei. Dabei weiß er, daß sie noch
Verbrechenssystems voraussetzen würde, die den Rahmen dieser Arbeit lebt. B geht daraufhin eine neue Ehe ein.
sprengen müßte. Wenn man aber etwa den materiellen Gehalt des Unrechts Es ergibt sich die Frage, wie das Verhalten des A unter den Gesichts-
in der sozialschädlichen Rechtsgüterverletzung und den der Schuld in der punkten des Ehebruchs (§ 172) und der Doppelehe (§171) zu würdigen ist,
persönlichen Vorwerfbarkeit erblicken wollte, so ließe sich bestreiten, daß ob es sich also hier um Pflichtdelikte oder um echte eigenhändige Straftaten
ein solches Denken auf zwei Ebenen auch dort berechtigt ist, wo der Straf- handelt. Das ist, wie wir wissen, insofern praktisch bedeutsam, als im ersten
grund in der bloßen moralischen Verwerflichkeit eines Verhaltens liegt. Fall eine Anstiftung zu unvorsätzlicher Tat möglich, im zweiten dagegen
Denn wie soll man sich eine schuldlose Verwerflichkeit denken? Und worin ausgeschlossen ist, so daß die Stellungnahme zu diesem Problem für die
soll die Sozialschädlichkeit des schuldlosen Verhaltens liegen, wenn selbst Strafbarkeit des Hintermannes entscheidend ist.
bei schuldhafter Tat eine Rechtsgüterverletzung fehlt ? Was zunächst den Ehebruch anlangt, so liegt es nahe, ihn als Pflichtdelikt
Das Problem kann hier nur gestreift werden. Denn bei etwas anderer aufzufassen, das verletzte Rechtsgut in der zerstörten Ehe und den täter-
Blickrichtung behält die Trennung ihren Sinn. Wenn man etwa das Unrecht schaftsbegründenden Umstand im Bruch der ehelichen Treuverpflichtung
dem Bereich des generellen Sollens und die Schuld dem des individuellen zu sehen. Aber diese Erklärung versagt zunächst insofern, als auch der
Könnens zuweist, oder wenn man das Unrecht nach der Deliktstypik, die unverheiratete Partner des Ehebruchs sich in gleicher Weise als Täter strafbar
Schuld nach der inneren Motivation bestimmt, kann man auch in unseren macht, obwohl er keine Treupflicht verletzt. Weiter ist es bei näherem
Beispielsfällen von einer Teilnahme des täuschenden oder zwingenden Hin- Hinsehen recht fraglich, ob diese Bestimmung wirklich den Schutz der
termannes sprechen. einzelnen Ehe bezweckt. Denn die Scheidung der Ehe ist kein Tatbestands-
Wichtig ist jedenfalls, daß derartige Konstellationen bei solcher Betrach- merkmal, sondern eine Prozeßvoraussetzung; außerdem läßt sich eine bereits
tungsweise anders zu behandeln sind als die vorher besprochenen Fälle geschiedene Ehe nicht mehr schützen, und die generalpräventive Wirkung
der Mitwirkung an vorsatzloser Tat. Denn bei vorsätzlichem Verhalten weiß einer solchen Strafdrohung ist gerade bei diesem Delikt mehr als fragwürdig
der unmittelbar Tätige, daß er sich auf ein unzüchtiges Verhalten mit und deshalb zur Rechtfertigung der Bestrafung nicht geeignet.
einem Mann oder einem Tier einläßt, so daß immerhin ein verbotswidriges, Der Entwurf 1962, der die Bestimmung beibehält, führt denn auch nur
dem Deliktstyp entsprechendes Tun vorliegt, dessen Hervorrufung unter an, daß von der Vorschrift „eine sittenprägende und sittenerhaltende
dem Gesichtspunkt des betreffenden Tatbestandes als strafwürdig erscheinen Wirkung" 115 ausgehe. Auch für das geltende Recht kann man daraus ent-
mag; bei vorsatzloser Tat dagegen fehlt nach dem Vorstellungsbild des Han- nehmen, daß der Ehebruch - ohne Rücksicht auf den Schutz der konkreten
delnden, das bei Verbrechen gegen das Sittengesetz allein entscheidend sein Ehe 116 - um seiner Sittenwidrigkeit willen bestraft wird. Dann aber handelt
kann, seinem rechtsneutralen Verhalten alles Wertwidrige und rechtlich Miß- es sich um den typischen Fall eines echten eigenhändigen Delikts: Fehlt
billigte, so daß man von einer Teilnahme an einem mit Strafe bedrohten Ver- dem Handelnden - wie hier dem B - der Vorsatz, so kann man von einer
halten schlechterdings nicht mehr reden kann. Sittenwidrigkeit nicht sprechen, und da der Gesichtspunkt des Rechtsgüter-
Wir können also zusammenfassend sagen: O b bei den eigenhändigen schutzes keine Rolle spielt, kann der Hintermann A, obwohl er die Herr-
Delikten, so wie wir diesen Begriff verstehen, eine Teilnahme an schuldloser
Haupttat möglich ist, hängt davon ab, welche Auffassung man über das 115
Wesen von Unrecht und Schuld vertritt. Wie immer man aber hier ent- S. 348 zu § 193 des Entwurfs.
116
Auch der Entwurf a. a. O. sagt, daß die Strafbestimmung „für die einzelne Ehe nur von
scheidet: Eine Anstiftung oder Beihilfe zu vorsatzloser Tat bleibt in den Fäl- beschränktem Wert" sei, und will für die Begründung der Strafbarkeit von diesem
len der Eigenhändigkeit so oder so unmöglich. Gesichtspunkt offenbar absehen.
428 429

schaft über das Geschehen hat, weder als Täter noch als Anstifter zu vorsatz- unvorsätzlicher Rechtsbeugung ablehnt. Das gilt einmal für Autoren wie
loser Tat erfaßt werden. Welzel 119 , Maurach 120 , Bockelmann 121 , H. Mayer 122 Heinitz 123 , Sax124,
Anders liegt es jedoch hinsichtlich der Doppelehe. Hier geht es tatsächlich Börker 125 und Tröndle 126 , die für die Teilnahme stets eine vorsätzliche
um ein konkretes Rechtsgut, nämlich um die staatlich gewährleistete Haupttat verlangen 127 und dieses Beispiel meist gerade zur Begründung
Garantie der Ehe als Institution. Mit Recht sagen Schönke/Schröder 117 , die und Verdeutlichung ihres allgemeinen Standpunktes heranziehen; daneben
Vorschrift bezwecke „nicht nur den Schutz der Sittlichkeit, sondern vor vertreten aber auch Mezger 128 und Franzheim 129 im Falle des §336 diese
allem den der staatlichen Eheordnung". Vieles spricht sogar dafür, daß die Ansicht, obwohl sie sonst eine Beteiligung an vorsatzloser Tat durchaus
Sittenwidrigkeit eines solchen Verhaltens, soweit es sich um den verlassenen für möglich halten. N u r Lange 130 und wohl auch Engisch 131 halten die
Ehepartner handelt, allein durch §172 StGB erfaßt wird. Jedenfalls ist das Annahme einer Anstiftung oder Beihilfe zu vorsatzloser Rechtsbeugung für
durch die Bigamiebestimmung geschützte Rechtsgut auch einem Außen- eine richtige Konstruktion.
stehenden zugänglich. Er kann zwar trotz Tatherrschaft nicht mittelbarer Die Entscheidung der Streitfrage hängt, wenn man unseren Kriterien folgt,
Täter sein; denn die im Tatbestand ausgesprochene Einengung des Täter- allein davon ab, ob der Verstoß des Richters gegen seine Verpflichtung zur
kreises auf die Partner der Zweitehe zeigt, daß der Gesetzgeber ihnen eine Rechtstreue, von dem § 336 StGB ausgeht, ein strafbegründender oder ein
Sonderpflicht auferlegt hat, sich nicht über eine schon bestehende eheliche lediglich für die Täterschaft maßgeblicher Umstand ist. Im ersten Fall haben
Bindung hinwegzusetzen. Immerhin aber handelt es sich nicht um eine wir eine eigenhändige Straftat vor uns, die eine Teilnahme an unvorsätzlicher
echte, sondern um eine unechte eigenhändige Straftat, d. h. um ein Pflicht- Handlung ausschließt, im zweiten ein bloßes Pflichtdelikt.
delikt, so daß der A als Anstifter zur unvorsätzlichen Bigamie bestraft wird. Lange und Engisch sind also im Recht, wenn § 336 StGB die Beteiligten
Es ergibt sich also, daß den beiden Tatbeständen der §§ 171, 172 StGB, die vor einer Beeinträchtigung ihrer Freiheit, ihres Ansehens oder ihres Vermö-
fast überall als eigenhändige Straftaten angeführt werden, in Wirklichkeit ein gens durch unrichtige Urteile schützen will. Diese Rechtsgüter kann auch
verschiedenartiger Täterbegriff zugrundeliegt. ein Hintermann durch Täuschung des Richters verletzen. Zwar kann er
dabei nicht gegen die nur den Leiter der Rechtssache treffende Sonderpflicht
verstoßen, aber dieser Umstand schließt nur seine Täterschaft aus und
2. Rechtsbeugung ermöglicht gerade gemäß der oben herausgearbeiteten Struktur der Pflicht-
delikte eine Bestrafung als Teilnehmer.
Einen der berühmtesten Fälle der Teilnahmelehre liefert seit langem auch der Dagegen verdient die herrschende Meinung Beifall, wenn der Tatbestand
Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 336 StGB). Dabei geht die Diskussion im der Rechtsbeugung unter Außerachtlassung aller Folgen des unrichtigen
Augenblick nicht so sehr um die Frage, ob es sich um ein eigenhändiges Urteils - von denen im Tatbestand auch nicht die Rede ist - den verwerf-
Delikt handelt 118 , als vielmehr um das praktisch sehr bedeutsame Problem, lichen Verrat des Richters an seiner Aufgabe unter Strafe stellt. Dann
ob die bewußte Herbeiführung eines unrichtigen Urteils durch einen nämlich kann die Schädigung der Prozeßparteien als tatbestandsirrelevant
Außenstehenden als Anstiftung zur unvorsätzlichen Rechtsbeugung erfaßt nicht zur Begründung einer Teilnehmerstrafe dienen; was in diesem Fall die
werden kann. strafbare Teilnahme kennzeichnet, die Mitwirkung am verwerflichen Verrat,
Beide Fragen lassen sich aber, wie wir gesehen haben, nicht trennen. Denn liegt nicht mehr vor, sobald der Richter subjektiv nach seiner Überzeugung
es kommt entscheidend auf den Täterbegriff an, der dieser Bestimmung handelt. Die Ablehnung einer Teilnahme an unvorsätzlicher Rechtsbeugung
zugrundeliegt. Handelt es sich wirklich um ein eigenhändiges Delikt, so ist ist dann schlechthin zwingend.
eine Beteiligung an vorsatzloser Tat nicht möglich; haben wir dagegen ein
Pflichtdelikt vor uns, so steht einer solchen Annahme nichts im Wege. 119
Lehrb., 7. Aufl., S. 100
Damit verliert dieses Beispiel entgegen einer weit verbreiteten Meinung 120
A.T., 2. Aufl., § 53 III, D, 1, S. 568
gleichzeitig seinen Wert als Beweisstück für die prinzipielle Unmöglichkeit 121
Untersuchungen, S. 45, 106, Anm. 73
122
einer Teilnahme an vorsatzloser Haupttat. Denn selbst wenn man eine solthe Lehrb., S. 332; allerdings mit den durch die Anerkennung der Urheberschaft gebotenen
Lösung in diesem Falle als schlechthin unhaltbar ansehen müßte, würde das Einschränkungen.
123
höchstens einen Rückschluß auf die Eigenhändigkeit der Rechtsbeugung Festschr. z. 41. Dtsch. Juristentag, Berlin, 1955, S. 108
124
MDR1954, S. 68, 70
erlauben, über die Behandlung der Akzessorietät bei den Pflichtdelikten aber 125
JR1953,S. 166-168(166)
126
nichts aussagen. GA 1956, S. 147
127
Sachlich ist es so, daß die weit überwiegende Meinung eine Teilnahme an bei Sax gilt das nicht für die Irrtumsfälle vgl. dazu oben S. 261 ff. (268/269)
128
Vgl. nur Moderne Wege der Strafrechtsdogmatik, S. 31
129
Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, S. 49
117 130
10. Aufl., §171 I,S. 724 ZStW, Bd. 63, 1951, S. 504; Kohlr./Lange, 43. Aufl., vor §47, III, A, 4, S. 169
118 131
so schon Binding, Die drei Grundformen, S. 266 Festschr. für Eb. Schmidt, S. 118/19; aber vorsichtig abwägend.
430 431

Tatsächlich hat das Ergebnis, zu dem die herrschende Meinung kommt, Verhalten in der im Rausch begangenen Tat, hinsichtlich deren eine mittel-
die besseren Gründe für sich. Denn die Rechtsgüter, die durch unrichtige bare Täterschaft ohne weiteres möglich ist, so wird die Frage nach Täter-
Urteile beeinträchtigt werden, erhalten ihren Schutz schon durch die Tat- schaft und Teilnahme bei der Berauschung gegenstandslos. Mit diesem
bestände des Betruges, der Freiheitsberaubung, der falschen Anschuldigung, grundlegenden Problem können wir uns hier nicht auseinandersetzen; wir
der gerichtlichen Falschaussagen, der Verleumdung usw. Es erscheint deshalb gehen deshalb im folgenden mit der durchaus herrschenden Meinung
wenig sinnvoll, in § 336 einen „Sammeltatbestand" zu sehen, der alle diese von der Hypothese aus, daß die Tatbestandshandlung in der Berauschung
heterogenen Rechtsgüter noch einmal schützt und einer gemeinsamen bestehe.
Zuchthausstrafdrohung ohne Milderungsmöglichkeit unterstellt, die die Für diesen Fall nun ist es sicher und nie bestritten worden, daß eine
beträchtlichen Differenzen in der Unrechtsqualität und -quantität derartiger mittelbare Täterschaft - etwa durch unbemerkte Beimischung eines Rausch-
Beeinträchtigungen nivelliert 132 . giftes zu einem Getränk - nicht in Frage kommt: „Das Gesetz legt nur
Es kommt hinzu: Wenn der Bundesgerichtshof um der Unabhängigkeit dem einzelnen selbst die Pflicht zur Kontrolle über sich auf" 136. Das Tat-
der Richter willen entschieden hat, daß § 336 StGB bestimmten, nicht nur herrschaftsprinzip versagt also von vornherein. Damit ist aber noch nicht
bedingten Vorsatz des Täters erfordert 133 , so ist das mit dem Gedanken eines bewiesen, daß es sich um eine echte eigenhändige Straftat handelt; es kann
Rechtsgüterschutzes kaum in Einklang zu bringen; denn für den unschuldig ebensogut ein Fall unechter Eigenhändigkeit und damit ein Pflichtdelikt
Eingesperrten - um mir ein Beispiel herauszugreifen - ist die Beeinträchti- vorliegen. Diese Möglichkeit wird schon dadurch nahegelegt, daß die
gung so oder so gleich groß, weshalb auch bei anderen Tatbeständen mit meisten Autoren die Eigenhändigkeit mit der Erwägung begründen, nur der
Recht kein Unterschied zwischen dolus directus und dolus eventualis Sich-Betrinkende selbst habe eine Pflicht, über sich zu wachen.
gemacht wird. Wenn man dagegen den Strafgrund im pflichtwidrig-rechts- Die praktische Bedeutung der Zweifelsfrage liegt, wie wir wissen, darin,
beugenden Verhalten des Richters sieht, hat die Differenzierung des B G H daß im einen Fall eine Teilnahme an unvorsätzlicher Tat möglich, im anderen
einen guten Sinn: Ein Richter, der noch zweifelt, handelt weit weniger ausgeschlossen ist. Deshalb könnte ihre Lösung als ein Problem rein akade-
pflichtwidrig, weil er, wenn er vor einer Alternative steht, sich immer nur für mischer Natur dahingestellt bleiben, wenn eine Teilnahme auch an vorsätz-
eine der Möglichkeiten entscheiden kann und das Risiko eines unrichtigen licher Rauschtat schlechthin ausgeschlossen wäre, wie es namentlich
Urteils in Kauf nehmen muß. Schröder 137 , Welzel 138 und Maassen 139 vertreten. Aber das läßt sich dem
Man wird aus diesen Gründen den Tatbestand der Rechtsbeugung Gesetz nicht entnehmen. Warum sich, wie Welzel meint, der Vorsatz des
als eigenhändiges Delikt ansehen müssen. Auch hier ist es demnach - wie Teilnehmers „auf den Erfolg, die Tat im Rausch, beziehen müßte, was nach
bei der Blutschande - so, daß diese Einordnung und die Lösung des der Natur des Deliktes ausgeschlossen ist", ist nicht klar, da doch auch der
Akzessorietätsproblems sich aus der Struktur des Tatbestandes selbst und Vorsatz des Täters sich nach h. M. nur auf die Berauschung zu richten
nicht aus systematischen Vorentscheidungen ergeben. braucht. Auch Schröders Argument, daß nur der Täter eine Pflicht zur
Selbstkontrolle habe 140 , schlägt nicht durch; bei allen Pflichtdelikten liegt die
besondere Bindung gegenüber dem geschützten Rechtsgut allein in der Per-
3. Die Rauschtat son des Täters vor, ohne daß deshalb eine Teilnahme ausgeschlossen wäre 141 .
Und was die kriminalpolitischen Bedenken gegen eine unangemessene
Der Tatbestand des §330a StGB gilt ganz allgemein als eigenhändiges Ausdehnung der Strafbarkeit betrifft, so kann man ihnen gerecht werden,
Delikt 134 ; sogar Roeder, der sonst diese Rechtsfigur völlig ablehnt, will hier indem man an den Nachweis der Teilnahme strenge Anforderungen stellt
die einzige von ihm anerkannte Ausnahme machen 135 . (es genügt nicht, daß jemand am gleichen Tisch ebenfalls trinkt!), und vor
Das Eigenhändigkeitsproblem tritt freilich bei dieser Bestimmung von allem, indem man auch vom Teilnehmer verlangt, daß er mit der Möglichkeit
vornherein nur dann auf, wenn man in der Berauschung als solcher den rechnen mußte, der Berauschte werde irgendwelche strafbaren Handlungen
Kern der Tatbestandshandlung erblickt. Sieht man das unrechtsbegründende begehen, was sich entgegen der Ansicht des BGH 1 4 2 im Regelfall nicht
von selbst versteht 143 . Sind diese Voraussetzungen aber erfüllt, so besteht
132
Richtig ist es deshalb, w e n n F r a n z h e i m , S. 49, seine L ö s u n g auf die E r w ä g u n g gründet,
136
daß § 336 „nicht verhüten will, daß objektiv falsche Urteile gefällt werden, sondern Schönke/Schröder a. a. O . (vgl. A n m . 134); ebenso Cramer, a. a. O . S. 103
137
daß Richter gegen ihre innere R e c h t s ü b e r z e u g u n g aus sachfremden Motiven ent- Schönke/Schröder, 10. Aufl., § 330 a, VI, 1, S. 1215
138
scheiden". Lehrb., 7. Aufl., S. 405
133 139
B G H S t 100, 294-304 (298) D r e h e r / M a a ß e n , 3. Aufl., § 330a, V
134 140
Vgl. n u r Schönke/Schröder, 10. Aufl., § 3 3 0 a , VI, 1, S. 1214; Maurach, B.T., 3. Aufl., wie A n m . 137
141
§ 5 6 , II, A, 4, S. 458; welzel, 7. Aufl., S. 405; S c h w a r z / D r e h e r , 23. Aufl., § 330a, 2, C , zutreffend Cramer, G A 6 1 , S. 104
142
S. 924; Cramer, G A 6 1 , S. 102 B G H S t 10, 247-252
135 143
Vgl. ZStW, Bd. 69, 1957, S. 252 Vgl. dazu n u r Lange, § 330a, V, 2, S. 665
432 433

kein Grund, die Teilnahme ohne jeden Anhaltspunkt im Gesetz straflos 4. Zusammenfassender Rückblick
zu lassen. Animiert jemand einen anderen, von dem er weiß, daß er in be-
trunkenem Zustand zu Ausschreitungen neigt, durch fortgesetztes Spen- Der Raum verbietet es, die Analysen einzelner zweifelhafter Fälle noch
dieren dazu, sich sinnlos zu berauschen, so ist dieses Verhalten durchaus weiter fortzusetzen. Die vorstehenden Ausführungen dürften aber genügen,
strafwürdig, wenn der andere später Unheil anrichtet 144 . um auch für ändere Tatbestände mit Hilfe der hier verwendeten Kriterien
Nach Klärung dieser Vorfrage stellt sich endlich das praktisch keineswegs eine richtige Lösung zu finden. Jedenfalls hat sich gezeigt, daß es durchaus
bedeutungslose Problem, ob im Falle des §330a StGB eine Teilnahme möglich ist, für die Beurteilung der bisher nur wenig erforschten eigen-
an unvorsätzlicher Haupttat möglich ist. Soll, wenn später wirklich etwas händigen Straftaten einheitliche Gesichtspunkte aufzufinden. Die Zahl
geschieht, straflos bleiben, wer einen anderen durch einen berauschenden solcher Delikte - wir haben die §§ 361 Nr. 3, 361 Nr. 5, 181 a, 172, 173, 175,
Trank wider dessen Willen trunken macht und dabei in Rechnung stellt, 175 b, 336 StGB im einzelnen behandelt - ist immerhin nicht ganz gering,
daß er in diesem Zustand eine strafbedrohte Handlung begehen könnte? und ihre dogmatischen Besonderheiten rechtfertigen es, ihnen neben den
Maurach meint, eine Teilnahme scheide „nach allgemeinen Grundsätzen" 1 4 5 Herrschafts- und den Pflichtdelikten in der Täterlehre eine selbständige
aus. Stellung zuzuweisen.
Aber mit allgemeinen Grundsätzen läßt sich das, wie mehrfach gezeigt Gleichzeitig ist deutlich geworden, daß Rechtsprechung und Lehre ihre
wurde, nicht entscheiden. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Gesetz Auffassung zum Problem der Eigenhändigkeit noch einmal überprüfen
im Betrinken selbst ein verwerfliches und strafwürdiges Verhalten sieht oder sollten. Denn bei sämtlichen in der Judikatur als eigenhändig bezeichneten
ob ein solches Tun wegen der befürchteten Folgen, also wegen der Rechts- Delikten hat sich herausgestellt, daß sie dem Tatherrschaftsprinzip unter-
gütergefährdung, mit Strafe bedroht wird. Die Antwort kann nur im zweiten liegen. Und die in Theorie und Praxis in oft unklarer Weise zur Begründung
Sinne lauten. Man mag darüber streiten, ob es moralisch mißbilligenswert herangezogenen Wortlaut- und Körperbewegungstheorien gehen auch am
oder sozialadäquat ist, wenn sich jemand zu Hause einen Rausch antrinkt: Kern der Sache vorbei. Wir können zwar rückschauend klar erkennen, was
Der Strafgesetzgeber hat hier als Sittenapostel jedenfalls nicht einzuschreiten. an ihnen richtig ist:
N u r durch seine Verpflichtung zum Rechtsgüterschutz läßt sich diese Tatsächlich kann man bei den echten eigenhändigen Delikten von einem
Vorschrift legitimieren. Extraneus nicht sagen, daß er den Tatbestand erfüllt habe, weil der straf-
Dann aber ist kein Zweifel daran möglich, daß es sich um eine unecht begründende Unrechtsgehalt einer Beherrschung von außen nicht zugänglich
eigenhändige Straftat, also um ein Pflichtdelikt, handelt und daß Teilnahme ist. Ebenso ist es zutreffend, daß für die Eigenhändigkeit ein bestimmtes
an unvorsätzlicher Tat möglich ist, weil ein Hintermann, wenn ihn auch die erfolgsgelöstes Verhalten kennzeichnend ist, wie es die Körperbewegungs-
täterschaftsbegründende Sonderpflicht nicht trifft, die geschützten Rechts- theorie vertritt.
güter in derselben Weise verletzen kann wie der Trinkende selbst. Im übrigen Aber diese Gesichtspunkte treffen nicht das Sinnzentrum des Eigen-
entspricht auch allein diese Lösung dem Rechtsgefühl: Denn wenn jemand händigkeitsbegriffes, sondern nur gewisse äußere Begleiterscheinungen, die
sich vorsätzlich betrinkt, so steht zwischen dem Teilnehmer und der Gefähr- bei Herrschafts- und Pflichtdelikten ebenso auftreten können und deshalb
dung immer noch die Hemmungspflicht und -fähigkeit des Trinkers, wäh- nicht zur Begründung einer Theorie dienen dürfen. Ihre Verallgemeinerung
rend diese Kontrollinstanz bei vorsatzloser Tat gerade ausgeschaltet wird. zu „Wortlaut"- und „Körperbewegungs"theorien bleibt daher im Vorder-
Die Gefährdung ist also größer als im ersten Fall und kann deshalb nicht gründig-Naturalistischen stecken; insoweit - ist der alte Vorwurf
straflos bleiben 146 . Eb. Schmidts durchaus begründet. Überhaupt handelt es sich bei den Eigen-
Unser Ergebnis lautet also: §330a ist ein Pflichtdelikt und keine echte händigkeitslehren bisher noch mehr um ein gefühlsmäßiges Tasten nach dem
eigenhändige Straftat. Richtigen als um die Formulierung einer wissenschaftlichen Erkenntnis.

§ 36. Zusammenfassungen u n d Ergänzungen

Wir haben den Kreis der vorsätzlichen Begehungsdelikte ausgeschritten und


sind zu dem Ergebnis gekommen, daß der Täter allemal die Zentralgestalt
144
Ebenso im Ergebnis: BGHSt 10, 248, wo eine „Beihilfe zur Volltrunkenheit" ange- des handlungsmäßigen Geschehens ist, daß aber dieses Kriterium durch drei
nommen wird; im übrigen vgl. nur Kohlr./Lange, §330a, VI, 2, S. 664; Cramer, GA verschiedene materielle Elemente ausgefüllt wird: Im allgemeinen durch den
1961, S. 103-105
145 Begriff der Tatherrschaft, bei gewissen Tatbeständen aber auch durch die
B.T., 3. Aufl., § 56 II, A, 4, S. 459
146
Ebenso als einziger - soweit ich sehe - Cramer, GA 1961, S. 105/06, der in der Begrün- besondere außerstrafrechtliche Pflichtenstellung des Täters oder durch eine
dung allerdings auf den Urheberbegriff zurückgreift. verhaltensgebundene, nicht rechtsgüterverletzende Verwerflichkeit. Den
434 435

Sinn und die Notwendigkeit dieser Dreiteilung hoffe ich deutlich gemacht (§211), „gewissenlos" (§§ 170c, d), „rücksichtslos" (§315a Abs. 1 Ziff. 4),
zu haben. Es bleibt aber noch die Frage, ob nicht neben diesen Gesichts- „aus grobem Eigennutz" (§ 170 a) u.a. gekennzeichnet wird. Muß eine
punkten auch andere Täterkriterien Geltung beanspruchen. Das Problem hat derartige Gesinnung bei allen Beteiligten oder nur beim Täter vorliegen?
eine praktische und eine theoretische Seite. Und kann ein Außenstehender dem Tatherrschaftsprinzip zuwider Täter
Die praktische Frage stellt sich dahin, ob es wirklich möglich ist, mit Hilfe sein, wenn er sich durch die tatbestandlich geforderte Gesinnung aus-
dieser doch sehr beschränkten Aufgliederung bei der Fülle verschieden- zeichnet, die dem unmittelbar Handelnden fehlt?
artiger Tatbestände stets zu einer sachgerechten Abgrenzung von Täterschaft Gallas hat von den „Schwierigkeiten" gesprochen 1 , die der Teilnahmelehre
und Teilnahme zu kommen. Gibt es nicht vielleicht Tatbestände oder sind bei den Gesinnungsmerkmalen erwüchsen und hat deshalb diese Elemente
wenigstens solche denkbar, bei denen diese Maßstäbe versagen und andere als „Fremdkörper in unserem am Tatschuldgedanken orientierten Straf-
Gesichtspunkte heranzuziehen sind (I)? rechtssystem" bezeichnet 2 . Schmidhäuser 3 ist dem gerade im Hinblick
Die theoretische Frage, die natürlich eng damit zusammenhängt, ist die, auf die Teilnahmelehre entgegengetreten. Hardwig, dem wir die erste um-
inwieweit die von uns entwickelte Dreiteilung zwingend ist; ob sie unab- fassende Behandlung der Gesinnungsmerkmale verdanken, hat aus den
hängig von den einzelnen Tatbeständen ein gewissermaßen „ewiges Muster" Folgerungen, zu denen diese Umstände in der Teilnahmelehre nötigen,
darstellt und etwa auch für das künftige Recht mit seinen vielleicht noch Rückschlüsse auf ihre systematische Stellung gezogen 4 . Kurzum: Die Frage
nicht einmal konzipierten Strafbestimmungen Gültigkeit haben muß. Denn ist strittig und ungeklärt. Die Beurteilung wird dadurch erschwert, daß es
auch wenn die hier entwickelte Lösung durchführbar und praktikabel im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, auf die Problematik der
ist, ließe sich immer noch die Frage stellen, ob man es nicht vielleicht Gesinnungselemente, bei denen die Forschung trotz der grundlegenden
auch anders machen könne und ob nicht eine nach abweichenden Gesichts- Arbeiten von Hardwig und Schmidhäuser noch am Anfang steht, näher
punkten konzipierte Gliederung der Teilnahmeformen, wenn sie kodifiziert einzugehen. Eine Auseinandersetzung kann deshalb nur insoweit erfolgen,
würde, den hier vertretenen Täterbegriff bedeutungslos werden ließe (II). als die unterschiedlichen Lehren bei der Abgrenzung von Täterschaft und
Daran schließt sich zwanglos die weitere Frage, ob es nicht sinnvoll oder Teilnahme zu abweichenden Ergebnissen kommen oder den bisher ent-
wenigstens möglich wäre, auf die ganze Abgrenzung überhaupt zu ver- wickelten Täterbegriff in Frage stellen.
zichten und dem Gesetz den Einheitstäterbegriff zugrundezulegen. Ange-
sichts des Umstandes, daß das gegenwärtige und das künftige Recht auf diese
radikale Lösung verzichten, soll das Problem nur knapp unter Hinweis a) Straferhöhende Gesinnungsmerkmale
auf die sich aus unseren allgemeinen Erwägungen unmittelbar ergebenden
Folgerungen behandelt werden (III). aa) Wir beginnen mit einem Beispiel: Der A beschließt, das Leiden seiner
Endlich ist noch kurz darauf einzugehen, ob und wie die vorgeschlagene todkranken Frau zu verkürzen und sie durch eine Überdosis von Tabletten
Abgrenzung bei versuchten Delikten durchführbar ist. Das bedarf der zu töten. Der Apotheker B, dem er diesen Plan mitteilt, nutzt die Situation
Erörterung, weil nicht ohne weiteres klar ist, ob man beispielsweise auf die aus und verlangt von ihm für das Medikament DM 1000,-. Hier begeht A
Tatherrschaft abstellen und wie man sie ermitteln kann, wenn es zu einer einen Totschlag. B handelt „aus Habgier". Ist er deshalb mittelbarer Täter
„Tat" nicht mehr gekommen ist (IV, 1). In diesem Zusammenhang ist auch eines Mordes? N u r wenn man das annehmen könnte, wäre die „habgierige
kurz die Frage zu untersuchen, ob die Beherrschbarkeit eines Geschehens im Gesinnung" ein täterschaftsbegründendes Merkmal, das selbständig neben
Sinne der Adäquanztheorie als generelle Voraussetzung der Versuchstäter- unsere drei entwickelten Kriterien treten müßte.
schaft angesehen werden kann (IV, 2). Eine solche Lösung wird aber nicht vertreten. Schmidhäuser nimmt
Beihilfe zum Mord 5 , Hardwig Beihilfe zum Totschlag 6 an; und zwischen
diesen beiden Möglichkeiten bewegen sich die anderen bisher mit den unter-
I. Die Möglichkeit anderer Täterkriterien schiedlichsten Begründungen vertretenen Lehren. Die Gesinnung hat also
hier auf die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach einhelliger
1. Gesinnungsmerkmale als täterschaftliche Umstände? Meinung keinen Einfluß. Es bleibt deshalb insoweit beim Tatherr-
schaftsprinzip.
Die Frage, ob der Unterschied der Teilnahmeformen, wenn schon nicht
generell, so doch bei einzelnen Strafvorschriften, von der Gesinnung der 1
Gutachten, S. 151
2
Beteiligten abhängen könnte, tritt bei solchen Tatbeständen auf, die kraft a. a. O., S. 152
3
ausdrücklicher Formulierung eine bestimmte wertwidrige Einstellung des Gesinnungsmerkmale, S. 266/67
4
ZStW, Bd. 68, 1956, S. 14 ff.
Handelnden erfordern, wie sie etwa durch die Begriffe „roh" (§§ 223 b StGB; 5
a. a. O., S. 263
9 Abs. 1, 1 TierschG), „aus niedrigen Beweggründen", „aus Habgier" 6
GA 1954, S. 72
436 437

bb) Gibt es aber vielleicht Sachverhalte, die eine andere Beurteilung erfor- der den Plan entwickelt, auf Grund einer gefühllosen Gesinnung handelt, die
dern? Man erinnere sich des schon oben besprochenen Falles, daß jemand dem Ausführenden fehlt? Wird bei einer solchen Sachlage jemand, der nach
durch eine bewußt wahrheitswidrige Denunziation „aus niedrigen Beweg- dem allgemeinen Täterbegriff nur Anstifter wäre, durch seine Roheit plötz-
gründen" einen anderen zu einem Totschlag veranlaßt 7 . Hier haben wir, im lich zum Täter?
Ergebnis mit Hardwig und v. Weber übereinstimmend, gegen die Recht- Die Frage Tindet ihre Antwort in der Erkenntnis, daß ein solcher Sach-
sprechung und die herrschende Meinung einen Mord in mittelbarer Täter- verhalt nicht vorkommen kann. Denn die „gefühllose Gesinnung", durch
schaft angenommen. Ist bei einer solchen Konstellation also der niedrige die eine „Roheit" charakterisiert wird, bezeichnet keinen „Affekt", kein
Beweggrund für die Täterschaft maßgebend? So könnte es aussehen, wenn „Motiv", keine subjektive „psychische Einstellung" 10 , die bei gleicher
etwa v. Weber die Täterschaft des Hintermannes damit begründet, „daß die Einsicht in Sinn und Folge des Verhaltens von Person zu Person wechseln
ganze Tat als ein Racheakt von ihm erscheint und deshalb sein Motiv die kann. Es handelt sich dabei vielmehr um einen objektiven Verstoß gegen
Bewertung der Tat bestimmt" 8 . Gleichwohl wäre eine solche Folgerung sittliche Werte und deshalb um ein Kriterium, das von den emotionalen
unrichtig. Die mittelbare Täterschaft des Hintermannes beruht hier auf Vorgängen in der Person der Beteiligten unabhängig ist.
seiner Täuschung, die dem unmittelbaren Täter den sozialen Handlungssinn Wenn mehrere Mitwirkende wissen, daß ein Mittel dem Tier furchtbar
seines Verhaltens verschleiert und dem Außenstehenden eine „Tatherrschaft quälende Schmerzen bereitet, und wenn sie keine sachlichen Umstände
vierter Stufe" verschafft. Mit der Gesinnung des Handelnden hat die Frage annehmen, die seine Beibringung gleichwohl rechtfertigen könnten, dann ist
unmittelbar nichts zu tun, so daß es auch in diesem Fall beim allgemeinen ihr Verhalten „roh", einerlei, was sie dabei gedacht und gefühlt haben".
Täterbegriff bleibt 9 . Empfindet der eine sadistische Freude über den Vorgang, während dem
In entsprechender Weise sind alle übrigen Tatbestände mit straferhöhen- anderen alles gleichgültig ist, so handeln sie trotzdem beide roh. Die Wert-
den Gesinnungsmerkmalen zu beurteilen. verfehlung liegt im Verhalten selbst, dem, wenn es von der Einsicht in die
Unnötigkeit und hohe Schmerzhaftigkeit der Behandlung getragen ist, die
„Roheit" eo ipso anhaftet.
b) Strafbegründende Gesinnungsmerkmale Das Gesinnungsmerkmal „roh" ist also gewissermaßen eine in den Wert-
bereich transponierte zusammenfassende Kennzeichnung bestimmter vor-
Schwierigkeiten könnten also nur noch bei den Bestimmungen auftreten, in sätzlicher Verletzungshandlungen, deren Einzelbeschreibung dem Gesetz-
denen ein Gesinnungselement strafbegründend wirkt; denn in diesen Fällen geber unmöglich erschien - eine Erwägung, die Schmidhäusers These, es
besteht nicht die Möglichkeit, durch eine Heranziehung des § 50 Abs. 1 handele sich bei den Gesinnungsmerkmalen um reine Schuldelemente, in
oder 2 den Außenstehenden nach einem Strafrahmen zu verurteilen, der auf Frage stellen könnte. Doch ist dem hier nicht näher nachzugehen. Für die
den Täter nicht anwendbar ist. Doch sind auch hier, wie sich bei näherem Teilnahmelehre ergibt sich daraus jedenfalls: Wenn bei gleicher Sachverhalts-
Zusehen zeigt, die Abgrenzungsfragen nach den bisher erarbeiteten kenntnis den Beteiligten ohne Rücksicht auf ihre emotionale Einstellung die
Gesichtspunkten zu lösen. gleiche unwerthaltige Gesinnung zuzusprechen ist, kann dieses Kriterium,
aa) Nehmen wir zunächst den Begriff „roh" im Tierschutzgesetz. Wenn weil es bei allen vorliegt, nicht zur Abgrenzung von Täterschaft und Teil-
A seinen kranken Hund schmerzlos töten will und B ihm auf seine Bitte nahme herangezogen werden.
ein Mittel liefert, das, wie er weiß, erhebliche Schmerzen bereitet, so ist B Das gilt für sämtliche von psychischen Motiven und Absichten gelösten
allerdings mittelbarer Täter einer Tierquälerei, während der getäuschte A Gesinnungsmerkmale, z. B. auch für das „rücksichtslose" Fahren in §315a
straflos ausgeht. Aber auch hier liegt der Grund nicht darin, daß B im Ziff. 4. Wenn der Beifahrer A dem Fahrer B rät, unter Mißachtung der
Gegensatz zu A „roh", d. h. mit einer „gefühllosen Gesinnung" (§ 1 Abs. 2 Vorfahrt alle Kreuzungen bei Rotlicht mit einer Geschwindigkeit von 150
TierschG), handelt. Vielmehr ist das nur die Folge der Täuschung, auf Grund Stundenkilometern zu überqueren, so handeln beide „rücksichtslos", auch
deren B, der als einziger den Unrechtsgehalt des Vorganges erfaßt, die wenn A aus sträflichem Übermut den Vorschlag macht und B ihm nur folgt,
Willensherrschaft über das Geschehen erlangt. Konstellationen dieser* Art um noch rechtzeitig einen Termin zu erreichen. Auf die Motive kommt
sind also von vornherein auszuschalten: Ihre Lösung ergibt sich aus dem Tat- es auch hier nicht an. A ist deshalb Anstifter und B Täter. Nicht etwa ist
herrschaftsprinzip. A mittelbarer Täter und B ein ohne die erforderliche Rücksichtslosigkeit
bb) Es bleiben also nur die Fälle, bei denen alle Beteiligten den Sachverhalt handelndes Werkzeug.
gleichermaßen in vollem Umfang übersehen. Wie ist es hier, wenn derjenige,
10
zum Teil abweichend Hardwig, ZStW, Bd. 68, S. 16 ff.
7 11
Vgl. S. 219/220 im Ergebnis übereinstimmend Schmidhäuser S. 267, der annimmt, daß wir „beim Teil-
8
MDR1952, S. 266 nehmer, der um die Roheit von vornherein weiß, auch selbst schon die gefühllose
9
Zur Begründung vgl. im einzelnen oben S. 219ff. Gesinnung sehen".
438 439

Freilich ist die Frage, ob man den Begriff der „Rücksichtslosigkeit" in der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach den Maßstäben des
solcher Weise von der psychischen Verfassung des Täters trennen kann, Herrschaftsprinzips würde sich also auch in diesem Fall nichts ändern.
umstritten. Eine entgegengesetzte Auffassung vertritt der Bundes- cc) Nicht prinzipiell anders ist das Beispiel zu beurteilen, das Gallas 13
gerichtshof 12 , nach dessen Meinung der Vorwurf der Rücksichtslosigkeit heranzieht, um die von den Gesinnungsmerkmalen verursachten Schwierig-
entfällt, „wenn der Täter in einem Zustand hochgradiger ... Erregung ge- keiten zu illustrieren. Es handelt sich um den Begriff „böswillig" in § 1
handelt hat und deshalb - bei voller Zurechnungsfähigkeit - nicht die Abs. 1 der Kriegswirtschaftsverordnung v. 4.9.1939. Dort wird bestraft,
gebotene verantwortungsbewußte Verkehrsgesinnung aufbringen und sich „wer Rohstoffe oder Erzeugnisse, die zum lebenswichtigen Bedarf der
demgemäß verhalten konnte." Der Angeklagte war, um einer Verhaftung zu Bevölkerung gehören, vernichtet, beiseiteschafft oder zurückhält und
entgehen, mit einer Geschwindigkeit von 70-100 km/std. durch eine von dadurch böswillig die Deckung dieses Bedarfs gefährdet".
der Polizei errichtete Straßensperre hindurchgefahren und hatte dabei zwei Hier kann das Wort böswillig entweder im Sinne eines Motivs verstanden
Polizisten und ihr Fahrzeug „aufs höchste gefährdet". Obwohl dieser werden, z. B. als eigennützige Absicht. Dann liegt kein Gesinnungsmerkmal
Umstand normalerweise für die Bejahung der Rücksichtslosigkeit aus- vor, sondern ein subjektives Unrechtselement, wie es etwa auch bei der
gereicht hätte, soll das nach Meinung des B G H hier wegen der Erregung des Hehlerei in den Worten „seines Vorteils wegen" zum Ausdruck kommt. In
Angeklagten ausnahmsweise nicht gelten. diesem Fall ist es in der Tat unmöglich, einen Außenstehenden zu bestrafen,
Es scheint mir zweifelhaft, ob man dem bei einer am Rechtsgüterschutz wenn er eine solche Absicht hat, die dem unmittelbar Handelnden fehlt.
orientierten Interpretation der Tatbestände folgen sollte. Denn wenn der Aber das hat weder mit der Problematik der Gesinnungselemente etwas
Angeklagte voll zurechnungsfähig war und den Sachverhalt zutreffend zu tun noch ist es überhaupt merkwürdig; denn wenn jemand „seines Vor-
übersah, ist es bedenklich, daß ihn allein seine Erregung von der Strafe teils wegen" einen uneigennützig Handelnden auffordert, eine gestohlene
befreien soll. Es wird dadurch in den Begriff der Rücksichtslosigkeit ein Sache an sich zu bringen, so ist das auch - zu Recht - keine Anstiftung
neuartiger Schuldausschließungsgrund hineingedeutet, der dem Schutzzweck zur Hehlerei oder etwa gar eine mittelbare Täterschaft. Die Frage gehört
der Vorschrift kaum entspricht. Sollte die Rechtsordnung nicht besser darauf insoweit in den Bereich der Absichtsdelikte, über die schon oben zu
bestehen, daß voll zurechnungsfähige Autofahrer ihre Erregung meistern, sprechen war 14 .
anstatt ihnen einen Freibrief dafür auszustellen, daß sie sich bewußt gehen Wenn man dagegen „böswillig" als Gesinnungsmerkmal betrachtet, liegt
lassen und dadurch größte Gefahren heraufbeschwören? Allerdings waltet es genau so wie bei der „Roheit" und „Rücksichtslosigkeit". Schafft jemand
in der Entscheidung insofern eine Unklarheit, als der B G H sagt, daß auf Bitten und zugunsten eines Hintermannes Rohstoffe beiseite und weiß er
der Angeklagte wegen seiner hochgradigen, das Bewußtsein einengenden dabei, daß der andere sich nur bereichern will und daß die Bevölkerung
Erregung „nicht die gebotene ... Verkehrsgesinnung aufbringen und sich wegen seines Verhaltens hungern muß, dann gefährdet er deren Bedarf
demgemäß verhalten konnte." Wenn der Täter nicht anders handeln konnte ebenso „böswillig" wie der Hintermann, auch wenn sein Motiv nur darin
als er es tat, kann er natürlich nicht schuldig sein. Aber dann ist es unver- lag, sich dessen Freundschaft zu erhalten.
ständlich, wieso ihm die volle Zurechnungsfähigkeit, die doch gerade die Komplizierter wird die Frage erst dann, wenn der Gesetzgeber auf den
Handlungsfreiheit voraussetzt, zugesprochen wird. Gesinnungsunwert nicht der Gesamttat, sondern gerade des Tatmotivs
Doch mag das alles einmal dahinstehen zugunsten der Frage, welche abstellt. Das wäre hier der Fall, wenn man das Wort „böswillig " in § 1
Konsequenzen sich für Täterschaft und Teilnahme ergeben, wenn man der KWVO, wie es Schmidhäuser 15 erwägt, so verstehen müßte, als ob dort „aus
Ansicht des B G H folgt. Wie ist es, wenn man beim Fahrzeugführer A trotz niedrigen Beweggründen" stünde. Dann wäre es in unserem Beispiel
höchst gefährdender Fahrweise wegen seiner Erregung die Rücksichts- denkbar, dem unmittelbar Handelnden (Motiv: Freundschaftserhaltung) die
losigkeit ausschließt, wenn aber der Beifahrer B, der sich in ganz normaler Böswilligkeit abzusprechen, die beim Hintermann (Motiv: Bereicherung)
Gemütslage befand, ihn zu diesem Verhalten veranlaßt hat? Ist dann etwa anzunehmen wäre. Es ist mir zweifelhaft, ob ein verständiger Gesetzgeber
der Hintermann B wegen seiner Rücksichtslosigkeit Täter, während A die Grenzen der Strafbarkeit so ziehen kann. Wenn er es aber täte, dann
wegen Fehlens des täterschaftsbegründenden Merkmals straflos bleibt? müßte das verwerfliche Motiv, weil es auf Art und Umfang der Sozialschäd-
Offenbar nicht, denn ein so verstandener Begriff der Rücksichtslosigkeit lichkeit des Verhaltens nicht den mindesten Einfluß hat, als reines Schuld-
würde, wie auch der B G H feststellt, lediglich als „schuldsteigerndes element betrachtet werden. Und dann kann man den Hintermann, auch
Element" angesehen werden können und müßte dem § 50 Abs. 1 StGB wenn der Täter straflos bleibt, als Anstifter zu einer tatbestandsmäßig-
unterfallen. A wäre wenngleich strafloser - Täter, und B könnte nach allge-
meinen Regeln als Anstifter gemäß § 315 a Abs. 1 Ziff. 4 bestraft werden. An
13
Gutachtens. 151/52
12 14
Entsch. des 4. Sen. v. 6.7.1962, NJW 1962, S. 2165f.; ebenso Schönke/Schröder Vgl. S. 338 ff., insbesondere S. 345 ff., 350ff.
15
10. Aufl., § 315a, 4, d, S. 1191. Wie hier BayObLG, JR 1960, S. 70/71 a. a. C , S. 267
440 441

rechtswidrigen Handlung ansehen 16 . Mittelbarer Täter ist er also kraft seiner im geringsten auswirken und allein die individuelle Verwerflichkeit betreffen.
Gesinnung keinesfalls, so daß das Tatherrschaftsprinzip unangetastet bleibt. Wollte man so verfahren, dann wäre nicht mehr einzusehen, warum nicht
dd) Auch sonst halten alle Beispiele, die zu der Annahme verleiten ganz allgemein die Motive, Absichten, Tendenzen, kurz: die „Einstellung"
könnten, daß eine Gesinnung täterschaftsbegründend wirke, der Nach- der Beteiligten über die Täterschaft entscheiden sollte. Damit würde
prüfung nicht stand. Wenn der aus grobem Eigennutz handelnde Ehegatte A das oben 1 7 b ausdrücklich abgelehnte Strafwürdigkeitsprinzip wieder in die
seinen Freund B veranlaßt, ihm zu Gefallen seine - des A - Familienhabe zu Täterlehre hineinkommen, dessen mangelnde Beschreibbarkeit einen unbe-
veräußern, so ist A allerdings entgegen dem Tatherrschaftsprinzip mittel- stimmten Täterbegriff mit allen seinen Nachteilen im Gefolge hätte. Würde
barer Täter des § 170 a StGB, und der ausführende B ist nur Gehilfe. Die man dagegen die Berücksichtigung solcher Elemente auf das Verhältnis von
Täterschaft des A beruht aber nicht auf seiner im Gegensatz zu B grob vorsätzlich handelndem Hintermann und bewußt fahrlässig Ausführendem
eigennützigen Gesinnung, sondern auf dem Umstand, daß es sich bei § 170 a beschränken, so würde sich eine solche Auffassung nur allzu deutlich als ad-
um ein Pflichtdelikt handelt, bei dem die besondere Stellung des Ehegatten hoc-Konstruktion enthüllen. Für sie besteht schon deshalb kein Bedürfnis,
täterschaftsbegründend wirkt. Noch deutlicher wird das, wenn man den Fall weil der Gesetzgeber bei Täterschaft und Anstiftung den gleichen Straf-
umdreht, wie es Hardwig 1 7 getan hat: A glaubt, seine Ehefrau sei tot und rahmen vorgesehen hat - ein Umstand, der schon allein ausreichen müßte,
wird von B hinterhältig zur Veräußerung der ihm gehörenden Familienhabe um auch hier das Tatherrschaftsprinzip unangetastet zu lassen.
veranlaßt. Hier ist B, auch wenn er „böswillig" oder „aus grobem Eigen- Das Ergebnis unserer Untersuchung lautet also: Gesinnungselemente
nutz" handelt, natürlich nicht Täter des § 170 a StGB, denn ihm fehlt die den welcher Art sie auch seien - haben auf die Abgrenzung von Täterschaft und
Ehegatten treffende Sonderpflicht. Seine Gesinnung kann ihn nicht zum Teilnahme keinen Einfluß.
Täter machen.
ee) Entsprechendes gilt auch für den praktisch vielleicht interessantesten
Fall: die emotionalen Elemente des Vorsatzbegriffes. Wir haben oben 17a 2. Tatbestands- und deliktsgruppenbezogene Täterbegriffe
gesehen, daß sich Vorsatz und bewußte Fahrlässigkeit im Hinblick auf die
ablaufsgestaltende Finalität nicht notwendig zu unterscheiden brauchen, daß a) Die Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs im Verhältnis
man vielmehr bei gleicher Einsicht in den Kausalprozeß trotz gleichartiger ZH den generellen Täterkriterien
Geschehenssteuerung je nach der inneren Einstellung des Handelnden zum
Erfolg dem einen Vorsatz zusprechen kann, während man den anderen Andere Umstände, die für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
nur als bewußt fahrlässig ansieht. Vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre maßgebend sein könnten, sind nicht ersichtlich. Alle Merkmale, die den
folgt daraus, daß bei übereinstimmender Kenntnis der Erfolgs-Chance ein Anspruch der Allgemeingültigkeit erheben und für die Aufgliederung der
vorsätzlich handelnder Hintermann A, der den bewußt fahrlässigen B zu Teilnahmeformen heute noch Bedeutung haben, sind im Laufe der Dar-
seinem Tun veranlaßt, nicht die Herrschaft über das Geschehen hat und stellung behandelt und gewürdigt worden. Der Erörterung bedarf aber noch
deshalb nur Anstifter ist. der sog. „tatbestandsbezogene Täterbegriff", der im neueren Schrifttum
Hier ergibt sich nun das Problem, ob nicht vielleicht in solchen Fällen wenn auch in oft unklarer Weise und in wechselnder Bedeutung - eine nicht
unter Ausschaltung des Tatherrschaftsprinzips allein der überschießende unwesentliche Rolle spielt 18 .
Gesinnungsunwert den vorsätzlich Handelnden zum Täter macht. Wenn Diese „Tatbestandsbezogenheit" läßt sich in sehr verschiedenem Sinne
man das bejahen könnte, wäre die herrschende Meinung, wonach ausnahms- verstehen. Unsere Lehre, die mit den drei Täterkriterien der „Herrschaft",
los mittelbare Täterschaft vorliegt, wenn man einen bewußt Fahrlässigen zur der „Pflicht" und der „Eigenhändigkeit" arbeitet, kann in zwiefachem Sinne
Tat veranlaßt, wenigstens im Ergebnis richtig. Die Elemente der Finalität als Ausprägung eines tatbestandsbezogenen Täterbegriffes angesehen
und der Gesinnung, die im Vorsatz enthalten sind, würden dann gleichrangig werden; sie kann aber auch in doppelter Weise als Gegenposition zu einer in
die Täterschaft begründen. anderer Bedeutung tatbestandsbezogenen Begriffsbildung erscheinen. Es ist
Aber eine solche Auffassung würde keine Billigung verdienen. Denn deshalb erforderlich, die vier Aspekte der Tatbestandsbezogenheit in ihrem
allen methodischen Prinzipien, auf die wir unsere Täterlehre gegründet Verhältnis zur hier entwickelten Täterlehre kurz zu skizzieren.
haben, würde es widersprechen, wenn man die Täterschaft von Umständen aa) Der Täterbegriff ist seinem Inhalt nach insofern tatbestandsbezogen,
abhängig machen wollte, die sich im äußeren Handlungsgeschehen nicht als der Täter die Zentralgestalt des im jeweiligen Tatbestand beschriebenen

16 17b
ebenso im Ergebnis Schmidhäuser, S. 267, der freilich sämtliche G e s i n n u n g s m e r k m a l e S. 30ff.
18
ausschließlich d e m Schuldbereich zuweist. Vgl. etwa H . Mayer, Rittler-Festschrift, S. 244ff.; Lange, M o d e r n e r Täterbegriff, S. 3ff.,
17
ZStW, Bd. 68, 1956, S. 37 39ff.; Kohlr./Lange, 4 2 7 4 3 . Aufl., I vor § 47, S. 158-160; Gallas, G u t a c h t e n , S. 134/135;
17a
S. 180 ff., 220 ff. Sonderheft A t h e n , S. 13f.; F r a n z h e i m , Teilnahme an unvorsätzlicher H a u p t t a t , S. 36ff.
442 443

Handlungsgeschehens ist. Die Verschiedenartigkeit der Einzeltatbestände bezeichnet werden dürfe. Danach sei es kein Mangel, wenn das Gesetz uns
wird also dadurch in den Täterbegriff eingefangen, daß seine Erscheinungs- keine allgemeine Täterdefinition liefere, weil sich aus den einzelnen Tat-
formen infolge der variierenden Tatbestandshandlungen ein immer anderes bestandsbeschreibungen jeweils ergebe, wer Täter sei. Der wissenschaft-
Gepräge erhalten: Ein mittäterschaftsbegründendes arbeitsteiliges Zu- lichen Lehre sei es sogar verboten, einen verallgemeinernden Täterbegriff zu
sammenwirken etwa stellt sich bei einem Totschlag ganz anders dar als bei entwickeln, weil ein solcher verallgemeinerter Täterbegriff die Tatbestands-
einem raffinierten Betrugsmanöver. Dadurch unterscheidet sich die hier beschreibung in gesetzwidriger Weise erweitern müßte 20 .
vertretene Auffassung grundsätzlich von Lehren, die etwa auf spezifische Es ist nicht ganz klar, wie das gemeint ist. Aber es ließe sich jedenfalls so
Formen der Kausalität oder auf den Täterwillen abstellen und dadurch die verstehen, als ob hier die Selbständigkeit des Täterbegriffs gegenüber der
Sinnfülle des jeweils wechselnden Handlungsgeschehens aus der Teilnahme- Tatbestandslehre aufgegeben werden sollte; es müßte dann aus jedem Tat-
lehre verbannen. bestand ein nur ihm zugehöriger Täterbegriff entwickelt werden. Im Lichte
Um aber auch gleich die Grenzen der inhaltlichen Tatbestandsbezogenheit einer solchen Lehre müßte sich die hier entwickelte Aufteilung in Herr-
aufzuweisen: Was bei der Tatherrschaft mit jedem Delikt wechselt, ist die schaftsdelikte, Pflichtdelikte und eigenhändige Straftaten als unzulässige Ver-
„Tat"; die „Herrschaft" dagegen wird überall durch dieselben Elemente einfachung darstellen. Wenn man diesen Ansatz konsequent zu Ende denkt,
bestimmt. Entsprechend ist der Inhalt der außerstrafrechtlichen Sonder- würde bei einem derartigen Verfahren die Täterlehre aus einer Materie des
pflicht jeweils verschieden, während die Struktur der Pflicht selbst und ihre Allgemeinen zu einer Frage des Besonderen Teils werden. Undenkbar wäre
Auswirkung auf die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme immer die das nicht. So wird ja auch bei den Unterlassungsdelikten neuerdings vorge-
gleiche bleibt. Ebenso sind die Kriterien der Eigenhändigkeit unveränderlich, schlagen, die Garantenstellungen nicht mehr in Gruppen zusammengefaßt
auch wenn es mannigfaltige Formen eigenhändig-täterschaftlichen Ver- „vor die Klammer" zu ziehen, sondern für jeden Tatbestand selbständig zu
haltens gibt. Jede Auffassung, die - namentlich beim Herrschaftsbegriff - entwickeln 21 .
unter Berufung auf die Tatbestandsbezogenheit diese unverrückbare Einheit Ein tatbestandsbezogener Täterbegriff in diesem Sinne würde unser
preisgibt, steht im Widerspruch zur hier vertretenen Lehre. Darauf wird Bestreben, mit einer sehr beschränkten Anzahl von Täterkriterien auszu-
noch zurückzukommen sein. kommen, zum Scheitern verurteilen. Aber alle derartigen Versuche sind in
bb) Der Täterbegriff ist ferner tatbestandsbezogen auch im methodischen der Teilnahmelehre über erste Ansätze noch nie hinausgelangt. Sie werden
Sinne. Zwar weisen Herrschaft, Pflicht und Eigenhändigkeit unabhängig auch in Zukunft keinen Erfolg haben. Gegen sie spricht nicht nur die durch
vom Einzeltatbestand überall die gleiche Struktur auf. Daraus darf man sie zwangsläufig bewirkte „Atomisierung" der Teilnahmelehre und ihre
aber nicht schließen, daß hier aus irgendwelchen dogmatischen Erwägungen Unpraktikabilität. Eine solche Lösung wäre auch sachlich einfach unrichtig.
vorgefaßte Begriffe den Tatbeständen, unbekümmert um ihre Eigenart, Wenn wir etwa zu dem Ergebnis gekommen sind, daß bei allen Herrschafts-
aufgezwungen würden. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben vielmehr im delikten eine Nötigung nach § 52 StGB den Hintermann zum Täter macht,
Hinblick auf jeden Tatbestand festgestellt, durch welche Kriterien der Begriff so müßte die Gegenmeinung beweisen, daß hier von Fall zu Fall eine ver-
der Zentralgestalt bei ihm sinnvollerweise auszufüllen ist. Dabei hat sich für schiedene Beurteilung am Platze ist; dasselbe müßte für das arbeitsteilige
eine Vielzahl von Bestimmungen - die wir Herrschaftsdelikte genannt haben Zusammenwirken und die eigenhändige Tatbestandserfüllung gelten. Das
- eine Gleichheit der Gesichtspunkte ergeben. Wo nach der Struktur des kann nicht richtig sein, weil bisher noch niemals Gründe aufgewiesen wor-
jeweiligen Einzeltatbestandes andere Umstände heranzuziehen waren, haben den sind, die bei derart typischen Konstellationen eine für jeden Tatbestand
wir sie herausgearbeitet und unter den Leitgesichtspunkten der außerstraf- abweichende gesetzliche Wertung fordern könnten.
rechtlichen Sonderpflicht und der Eigenhändigkeit zusammengefaßt. Unsere Gewiß gibt es Tatbestände, die so beschaffen sind, daß weder ein Nöti-
drei Erscheinungsformen der Zentralgestalt sind also unmittelbar aus gungsnotstand noch ein funktionelles Zusammenwirken die Täterschaft
den Einzeltatbeständen abstrahiert. Die strenge Tatbestandsbezogenheit in begründen; ihnen liegen andere Täterkriterien wie die Sonderpflicht oder
diesem Sinne gehört sogar zu den wesentlichen methodischen Grundlagen die Eigenhändigkeit zugrunde. Aber auch insoweit fehlt es an jedem Beweis,
der hier entwickelten Lehre. daß noch weitergehende einzeltatbestandliche Differenzierungen nötig
cc) Der Täterbegriff ist aber durchaus nicht tatbestandsbezogen, wenn oder auch nur möglich sind. Vielmehr würde ein solches Verfahren zu
man diesen Gedanken so auffassen wollte, daß es grundsätzlich unrichtig einem „Wertungs-Chaos", zu einer Ungleichbehandlung des strukturell
sei, über den Einzeltatbestand hinausgreifende Täterkriterien zu entwickeln. Gleichen, führen, die den Sinn der gesamten Abgrenzung hinfällig machen
So lesen wir z.B. bei Hellmuth Mayer 19 , die neuere wissenschaftliche
Entwicklung steuere auf einen Täterbegriff zu, der als „tatbestandsbezogen"
20
a. a. O . , S. 245 . . .
21
Gegen diese B e m ü h u n g e n H e n k e l , Festschrift für Tesar, Monatsschrift für Kriminologie
19
Rittler-Festschrift, S. 244 u n d Strafrechtsreform, 1961, S. 178 ff.
444 445

müßte. Ein tatbestandsbezogener Täterbegriff in diesem Sinne wäre also glatt b) Deliktsgruppenbezogene Täterbegriffe
abzulehnen.
dd) Der Täterbegriff ist schließlich auch nicht tatbestandsbezogen in dem Eine andere Möglichkeit, die Täterkriterien zu vermehren und zu variieren,
Sinne, daß zwar als oberstes Prinzip der Tatherrschaftsgedanke beibehalten könnte darin liegen, sie je nach der Art der angegriffenen Rechtsgüter (Leib
wird, daß aber die Kriterien der Herrschaft von Fall zu Fall den Erfordernis- und Leben, Eigentum und Vermögen, sexuelle Freiheit und Unversehrtheit)
sen des Einzeltatbestandes angepaßt werden. verschieden auszuformen. Ein solches Verfahren wäre weniger extrem als
Wir haben schon wiederholt auf solche Tendenzen bei Gallas und Lange die oben (cc) entwickelte einzeltatbestandliche Aufsplitterung, würde aber
hingewiesen 22 . Sie entspringen, wie wir jetzt wissen, dem Bestreben, die gleichwohl unserem Täterbegriff, der auf die Art des angegriffenen Rechts-
Pflichtdelikte und die eigenhändigen Straftaten mit dem Tatherrschafts- gutes keine Rücksicht nimmt, widersprechen.
prinzip in Einklang zu bringen. Das ist - wenigstens terminologisch - nur Der gegenwärtig einzige Versuch zur Bildung eines in dieser Weise
möglich, indem man diesen Deliktsgruppen einen anderen Herrschafts- deliktsgruppenbezogenen Täterbegriffs stammt von Sauer 26 . Er unter-
begriff zugrundelegt und dann von einer „Tatherrschaft in dem von dem scheidet zwischen Nutz-, Trieb- und Angriffsdelikten 27 und meint, hin-
betreffenden Tatbestand gemeinten Sinn" 23 spricht. Die Kriterien der Pflicht sichtlich der Täterschaft sei „im konkreten Fall eine verschiedene Ausge-
und der Eigenhändigkeit sind dann nur „Elemente innerhalb des relativen staltung bei den einzelnen Deliktsgruppen zu beobachten" 28 . Im Bereich
und wertenden Begriffs der Tatherrschaft" 24 , der „auf den spezifischen der Nutzdelikte sei der Wille weitgehend in Betracht zu ziehen, „schon
Unwertgehalt des jeweiligen Deliktstypus bezogen" wird. weil das subjektive Element des Wirkens in den meisten Tatbeständen
Diese Konstruktionen sind abzulehnen. Sie zwängen das sachlich nicht zu dieser Deliktsgruppe als Tatbestandsmerkmal (Zueignungs-, Bereicherungs-
Vereinbarende in äußerlicher Weise unter einen scheinbar gleichen Begriff, absicht, aus Eigennutz, seines Vorteils wegen) Ausdruck" finde 29 . Bei
dessen Einheit durch den Rekurs auf die Verschiedenheit der Tatbestände den Triebdelikten dagegen liege der Schwerpunkt beim Erfolg und trete der
sofort wieder zerbricht. Daß ein solches Verfahren zu sachlich unrichtigen Wille hinter dem reinen Trieb völlig zurück; so könnten bei Unzucht,
Ergebnissen führt und den Blick auf die Selbständigkeit der Pflichtdelikte Abtreibung und Fahrlässigkeitstaten nur die objektiven Verhältnisse
und eigenhändigen Straftaten verstellt, ist oben gezeigt worden und bedarf entscheiden, während ein etwa entgegenstehender Täter- oder Teilnehmer-
hier keiner Wiederholung. wille nichts ändern würde. Das gleiche gelte für die reinen Angriffsdelikte,
Auch das Argument, das Franzheim neuerdings für die Notwendigkeit bei denen es vor allem auf die Begehungsweise und die Schädigung an-
eines in diesem Sinne tatbestandsbezogenen Täterbegriffs vorbringt, schlägt komme. Wenn A den C verprügele und B ihn festhalte, damit er nicht
nicht durch. Er verweist auf die Tatbestände, „die verselbständigte Teil- entlaufe, so leiste B nur Beihilfe, selbst wenn er die Körperverletzung als
nahmehandlungen sind", und sagt 26 : „Würde die Tatherrschaft ... nicht eigene Tat wünsche.
tatbestandsbezogen aufgefaßt, so könnten diejenigen, die die Tatbestände Die hier vorgenommene Aufgliederung kann nicht als geglückt bezeichnet
der angeführten Delikte verwirklichen, nicht als Täter, sondern nur als werden. Was zunächst die „Nutzdelikte" betrifft, so ist nicht ersichtlich,
Teilnehmer bestraft werden". warum bei ihnen notwendig „der Wille stark ausgebildet" 30 sein und mehr
Es ist leicht zu sehen, daß Franzheim hier einer Äquivokation zum Opfer als bei anderen Straftaten im Vordergrund stehen soll. Die von Sauer
gefallen ist. Denn der Umstand, daß Teilnahmehandlungen verselbständigt erwähnten subjektiven Tatbestandselemente betreffen weniger den Willen
werden können und dann ihrerseits dem Tatherrschaftsprinzip unterliegen, als die Motive und Tendenzen des Handelnden. Auch das Eigeninteresse,
folgt daraus, daß die „Tat" bei jeder Bestimmung verschieden ist und der das durch die Bezeichnung dieser Taten als „Nutzdelikte" für wesentlich
Täterhandlung zwangsläufig ein jeweils anderes, tatbestandsbezogenes erklärt wird, hat zur Stärke des Willens nur eine mittelbare Beziehung und
Gepräge verleiht (oben aa). Daraus läßt sich aber nicht entnehmen, daß ist vor allem als Abgrenzungskriterium gerade hier unbrauchbar. Denn § 263
auch die Elemente des Herrschaftsbegriffes sich wandeln; sie sind bei erfaßt ausdrücklich auch das Handeln für einen anderen, und altruistische
den verselbständigten Teilnahmevorschriften nicht anders als sonst zu Diebstähle sind sehr wohl möglich, wie wir oben gesehen haben 31 ; bei der
bestimmen. Es werden hier also zwei verschiedene Bedeutungen der Tat- Hehlerei schließlich muß zwar der Täter die Vorteilsabsicht haben - aber sie
bestandsbezogenheit (aa und dd) verwechselt.
Aus alledem folgt, daß auch die „Tatbestandsbezogenheit" nicht dazu
nötigt, den Täterbegriff über die von uns entwickelte Dreiteilung hinaus von 26
Allgemeine Strafrechtslehre, 1955 (3. Aufl.); vgl. ü b e r seine allgemeine Auffassung
Fall zu Fall nach jeweils abweichenden Merkmalen zu bilden. schon oben S. 87
27
a. a. O . , S. 207, 2 1 0 - 2 1 2
22 28
Vgl. S. 73/74, 76/77, 2 5 6 - 2 5 8 , 382 a. a. O . , S. 209
23 29
Gallas, G u t a c h t e n , S. 133 hier u n d im folgenden a. a. O . , S. 210
24 30
F r a n z h e i m , Teilnahme an unvorsätzlicher H a u p t t a t , S. 40 a. a. O . , S. 211
25 31
Teilnahme an unvorsätzlicher H a u p t t a t , S. 37 s. S. 338ff.
446 447

allein macht ihn nicht zum Täter, wenn er die Sache nicht objektiv an sich IL Positivität und Verbindlichkeit des Täterbegriffs
bringt. Es ist also nicht so, daß bei den „Nutzdelikten" der „Wille" in
irgendeinem Sinne zur Begründung der Täterschaft wichtiger sei als sonst; Nachdem sich im Laufe unserer Erörterungen alle abweichenden Lehren
Sauer selbst relativiert sogar seine eigene Lehre wieder, wenn er abschließend als unrichtig erwiesen haben, stellt sich abschließend die alte, gerade auch in
betont, es sei „Vorsicht gegenüber der subjektiven Theorie auch bei N u t z - der Täterlehre oft diskutierte Frage, inwieweit eine bestimmte Abgrenzung
delikten geboten" 32 . der Beteiligungsformen allgemeingültig sein kann und inwieweit sie dem
Auch die Argumente, die Sauer dafür anführt, daß bei den Trieb- und positiven Recht verhaftet ist. Trifft auch hier der berühmte Satz v. Kirch-
Angriffsdelikten die formal-objektive Theorie gelten müsse, sind wenig manns zu, daß „drei berichtigende Worte des Gesetzgebers" eine noch
überzeugend. Wenn er zu den Triebdelikten sagt, bei ihnen sei „der Wille des so gründlich erarbeitete Abhandlung über die Täterlehre zu „Makulatur"
Haupttäters nur schwach, so daß umso stärker der des Anstifters und selbst werden lassen kann?
der des Ratgehilfen" wirke 33 , so ist das erstens eine sehr anfechtbare These, Diese Meinung hat in neuerer Zeit besonders Schröder 37 vertreten. Er ist
und zweitens würde sie eher für die subjektive Theorie, also für das Gegen- der Ansicht, die Frage nach dem Begriff des Täters spiele in der strafrecht-
teil dessen sprechen, was Sauer beweisen will. Er sieht das auch selbst und lichen Dogmatik eine Rolle, die die wirkliche Bedeutung des Problems weit
meint, daß „es dem Maße der Strafwürdigkeit nur entsprechen würde", auch übersteige und leicht darüber hinwegtäusche, „daß es sich hier nicht um
die Außenstehenden als Täter anzusehen. Warum dann trotzdem „der ein dogmatisches Problem, sondern lediglich um eine technisch-begriffliche
Schwerpunkt beim Erfolg" liegen und der Wille „völlig" zurücktreten Frage" handele 38 . Ein Täterbegriff könne nicht richtig oder falsch sein,
soll, ist nicht recht verständlich. Abgesehen davon ist unklar, wieso die sondern der Gesetzgeber könne sich nach Belieben „dem einen oder anderen
Abtreibung und die Fahrlässigkeitstaten (!) Triebdelikte sind und mit den Täterbegriff anschließen" 39 . Von diesem Standpunkt aus kommt man natür-
Sittlichkeitsverbrechen in einem Begriff zusammengefaßt werden können. lich leicht zu der resignierten Feststellung, mit der Schröder seine Arbeit
Zur Begründung für die formal-objektive Abgrenzung bei den Angriffs- beschließt, daß nämlich „eine ungeheure Summe von Arbeitskraft und
delikten beruft sich Sauer lediglich auf das sprachliche Empfinden 34 : Scharfsinn an das Problem der Täterbegriffe und die Beziehungen der Täter-
„Mörder ist nach allgemeinem Sprachgebrauch und Rechtsempfinden nur, schaft zur Teilnahme aufgewendet" worden sei, „ohne daß es auch nur
wer den tödlichen Stoß ausführt". Aber das läßt sich mit guten Gründen im entferntesten gelungen wäre, die gegenseitige Verständigung durch die
bezweifeln; und außerdem ist wiederholt dargelegt worden, warum der Erörterungen zu fördern" 40 . Der Täterbegriff wäre danach, wenn ich diese
Sprachgebrauch als tragendes Abgrenzungskriterium nicht in Betracht Thesen - vielleicht etwas überspitzt - zusammenfassen darf, als zufälliges
kommt 35 . Produkt gesetzgeberischer Laune überhaupt kein würdiger Gegenstand
Richtig ist allerdings, daß die Trieb- und Angriffsdelikte im Gegensatz zu dogmatischer Forschung.
den Nutzdelikten höchstpersönliche Rechtsgüter verletzen 36 . Warum der Was ist daran richtig, wenn wir die hier entwickelte Lösung zugrunde-
Täter aber deshalb eigenhändig den Erfolg herbeiführen muß, kann ich nicht legen? Die allgemeine rechtstheoretische Problematik der „Makulaturlehre"
einsehen. Die Höchstpersönlichkeit liegt doch im angegriffenen Rechtsgut, kann hier nicht behandelt werden. Wir müssen uns darauf beschränken, die
nicht in der Person des Angreifers. Frage für die Täterlehre und ihre von uns vertretene Auslegung in aller
Mir scheint demnach: Die einzigen für die Täterlehre maßgebenden Kürze zu beantworten. Dann ergibt sich folgendes:
Deliktsgruppierungen bestehen in der von uns entwickelten Dreiteilung in Zunächst einmal steht es weitgehend im Belieben des Gesetzgebers,
Herrschafts-, Pflicht- und eigenhändige Delikte, insoweit kann man den ob und in welchem Maße er Tatbestände schafft, die sich nach unseren
Täterbegriff mit Recht „deliktsgruppenbezogen" nennen. Differenzierungen Kriterien als Herrschafts-, Pflicht- oder eigenhändige Delikte darstellen.
nach der Art des angegriffenen Rechtsgutes sind dagegen weder nötig noch So kann er beispielsweise auf eigenhändige Straftaten ganz verzichten; denn
durchführbar. sie sind unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten wenigstens insoweit
bedenklich, als sie die bloße Unmoral unter Strafe stellen und nicht einmal
mittelbar dem Rechtsgüterschutz dienen. Ebenso hängt es vielfach von
seinem Ermessen ab, ob er einen Tatbestand als Herrschafts- oder als Pflicht-
delikt ausgestalten will 41 . Das alles ist eine Folge der legitimen Tatbestands-

32 37
a. a. O., S. 212 Der Täterbegriff als „technisches" Problem, ZStW, Bd. 57, 1938, S. 459ff.
33 38
a. a. 0 . , S . 211 a. a. O., S. 459
34
a. a. O., S. 210 39
a. a. O., S. 460
35
siehe oben S. 23, S. 402/403 40
a. a. O., S. 488
36
Sauer a. a. O., S. 211 41
Vgl. nur oben S. 385ff. zum Fall des § 288 StGB
448 449

bezogenheit des Täterbegriffs 42 , und ein näheres Hinsehen zeigt, daß sondern auf die zahlreichen fixierten Täterformeln richtet und hypothetisch
auch Schröder bei seinen Thesen solche Gesichtspunkte vorgeschwebt davon ausgeht, daß der Gesetzgeber sich auf eine bestimmte Theorie fest-
haben43. legen würde, sei es die formal-objektive, die subjektive oder auch die Tat-
Aber dieser Umstand - und darin liegt der Irrtum Schröders - ändert herrschaftslehre. Ist die Täterkonzeption, die wir für richtig halten, in dem
nicht das geringste an der „Transpositivität" und der dogmatischen Be- Sinne „verbindlich", daß der Gesetzgeber dergleichen „nicht dürfte" oder
deutung unserer Täterlehre. Denn soweit es sich hier um ein dogmatisches daß seine Entscheidung hinter der aus der Logik der Sache sich ergebenden
Problem des Allgemeinen Teils und nicht um eine Auslegung der selbst- Lösung zurücktreten müßte? Oder wäre mit dem Spruch des Gesetzgebers
redend veränderlichen lex lata handelt stellen die von uns herausgehobenen die Frage nach dem Täter beantwortet und jede damit nicht übereinstim-
Erscheinungsweisen der Zentralgestalt „Modellformen" dar, die zwar aus mende Lehre überholt?
den Tatbeständen des geltenden Rechts abstrahiert sind, die sich aber auf das Man wird geneigt sein zu sagen, selbstverständlich stehe es im Ermessen
künftige Recht in derselben Weise anwenden lassen, sofern nur der Gesetz- des Gesetzgebers, welcher Theorie er sich anschließen wolle. Doch ist auch
geber Handlungsvorgänge umschreibt, die diesen Täterformen strukturell in diesem Falle das Verhältnis von Freiheit und Bindung komplizierter
entsprechen. gestaltet:
Das aber ist kaum zweifelhaft, weil die Regelungsmaterie eine andere a) Der Gesetzgeber kann zwar eine bestimmte Täterformel kodifizieren,
Lösung oft nicht zuläßt und es beispielsweise schwer vorstellbar ist, daß der aber er sollte es nicht tun. Denn er ist kein Dogmatiker und würde die
Gesetzgeber die Amts- und Standesdelikte straflos lassen oder um den Preis wissenschaftliche Entwicklung hemmen, wenn er die ungeklärte Frage durch
gröbster Lücken und Ungerechtigkeiten zu Herrschaftsdelikten umformen einen Machtspruch gewaltsam lösen wollte.
könnte 44 . Und wenn das höchst Unwahrscheinliche geschähe, so würde b) Vor allem aber sind die Möglichkeiten des Gesetzgebers, eine ab-
das für die Täterlehre nur die Folge haben, daß man feststellen müßte, im strakte, einseitige und deshalb zum Teil unrichtige „Theorie" kodifikatorisch
geltenden Recht seien die Pflichtdelikte nicht vertreten - als eine Kategorie durchzusetzen, sehr viel beschränkter als es zunächst den Anschein hat. Es
zur sachgerechten Aufgliederung bestimmter Formen strafwürdigen Ver- folgt dies aus der schon oben 46 eingehend nachgewiesenen Tatsache, daß die
haltens würden sie immer bestehen bleiben. Konstellationen denkbaren Zusammenwirkens bei weitem zu mannigfaltig
Im übrigen ist für das künftige Recht mit Sicherheit anzunehmen, daß sind, um sich in einer noch so sorgfältig gewählten Formel einfangen zu
Herrschafts-, Pflicht- und eigenhändige Delikte ungefähr im selben lassen. Der Gesetzgeber könnte höchstens mit schlagwortartigen Prägungen
Mischungsverhältnis wieder auftreten werden, mögen auch neue Delikte arbeiten, etwa derart, daß der Täter den Willen haben müsse, die Tat als
hinzukommen und andere umstrukturiert werden. „Makulatur" wird also - eigene zu begehen, daß die Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen
wie immer sich der Entwurf 1962 noch verändern mag - höchstens das, was müsse, oder auch: daß die Täterschaft ein dem Tatbestand entsprechendes
zur Interpretation eines bestimmten wegfallenden oder geänderten Einzel- Handeln oder die Tatherrschaft erfordere. Auch in diesem Falle würde es der
tatbestandes gesagt ist; das aber betrifft von vornherein nicht die Täterlehre, Wissenschaft und der Rechtsprechung überlassen bleiben, die generalklausel-
sondern dient nur ihrer Verdeutlichung anhand eines austauschbaren artigen Leitgedanken mit Inhalt zu erfüllen.
Beispiels. Und daran zeigt sich die weitgehende Machtlosigkeit des Gesetzgebers:
Daß der Täterbegriff lediglich ein „technisches Problem" sei und mit Obwohl die nur beispielshalber aufgezählten Wendungen sehr unterschied-
dem jeweiligen positiven Gesetz stehe und falle, kann also nicht zugegeben liche Standpunkte zusammenzufassen scheinen, würde keine von ihnen eine
werden. Diese Auffassung hängt letzten Endes mit der schon oben 45 zurück- Lösung, wie sie hier vorgeschlagen worden ist, verhindern. Die praktischen
gewiesenen Lehre zusammen, wonach jedem Tatbestand ein eigener Täter- Ergebnisse könnten durchaus dieselben bleiben. Das beweist deutlich die
begriff entspricht, die Bildung allgemeiner Täterkriterien zwecklos und gegenwärtige Rechtsprechung: Sie hält äußerlich an der subjektiven Theorie
unzulässig ist und die Täterlehre konsequenterweise überhaupt keinen Platz fest, hat aber ihre dehnbaren Formeln mehr und mehr mit den materiellen
im allgemeinen Teil des Strafrechts mehr beanspruchen darf. Inhalten der Tatherrschaftslehre ausfüllen können; sogar dem Täterbegriff
2. Die Problematik der Transpositivität des Täterbegriffs zeigt sich "in der Pflichtdelikte hat sie, wo es die Sache gebot, in subjektiver Verkleidung
anderer Beleuchtung, wenn man den Blick nicht auf die Einzeltatbestände, zum Durchbruch verholfen 47 .
Und in der Lehre steht es nicht anders, soweit sie eine bestimmte
„Theorie" zur Geltung bringen will: Auch von einem formal-objektiven
42
Vgl. oben I, 2, a, b b , S. 442 Ausgangspunkt her hat man zu den Elementen der Tatherrschaft durch-
43
Vgl. n u r a. a. O . , S. 344/345: es sei das Problem des Täterbegriffs, was „tatbestands- dringen können. Die Tatherrschaftslehre selbst schließlich hat durch eine
mäßig" sei.
44
M a n braucht sich n u r vergleichsweise zu erinnern, wie wenig es der Tatherrschaftslehre
gelungen ist, die heutigen Pflichtdelikte mit ihren Kriterien zu bewältigen. 46
Vgl. S. 119ff.
45 47
vgl. I, 2, a , c c , S. 442 ff. Vgl. oben S. 356/357 zu B G H S t 9, 217f.
450 451

„Relativierung" ihres Prinzips auch den mit ihr an sich nicht zu vereinbaren- III. Der Einheitstäterbegriff
den Pflichtdelikten und eigenhändigen Straftaten gerecht zu werden versucht.
Die Täterlehre weist also die Eigentümlichkeit auf, daß die Sachgemäßheit Was würde aus der Täterlehre, wenn der Gesetzgeber sich für den Einheits-
der Problemlösungen die einzelnen Theorien zu modifizieren und einander täterbegriff entschiede ? Die Frage ist insofern ohne praktisches Interesse, als
anzugleichen pflegt. Und daraus ergibt sich die Verbindlichkeit und Trans- nach den Beratungen der Strafrechtskommission - wo eine solche Lösung
positivität der Täterlehre auch unter diesem Aspekt. Genau besehen ist allerdings diskutiert worden ist - die bisherige Dreiteilung auch im künftigen
die hier auftretende Erscheinung nur die Ausprägung einer Synthese Recht mit Sicherheit erhalten bleiben wird. Die Bedeutung des Themas
von Problem- und Systemdenken, die auch sonst anzustreben ist und die beschränkt sich also auf die schon vorstehend behandelte Problematik der
allein über den chaotischen Wirrwarr dogmatischer und systematischer Zer- Positivität des Täterbegriffs. Dazu ist in aller Kürze folgendes zu sagen:
splitterung hinausführen kann: Es ist jede Problemgruppe selbständig zu Zunächst einmal würde der Einheitstäterbegriff sich auf die Strafbarkeit
durchdenken, und die Einzelergebnisse sind später durch Abstraktion des und den Strafrahmen einschneidend auswirken. Gegenwärtig und auch
Gemeinsamen und Freilegung der sachgebundenen Ordnungszusammen- de lege ferenda ist es so, daß bei den Herrschaftsdelikten und den eigen-
hänge zu einem offenen System zu verarbeiten. Bei einem solchen Verfahren händigen Taten die Gehilfenschaft im Strafrahmen privilegiert wird; bei den
kann etwas einmal als richtig Erkanntes auch in der Rechtswissenschaft nie Pflichtdelikten trifft daneben auch den Anstifter in den meisten Fällen eine
zu „Makulatur" werden. mildere Strafe 50 . Außerdem ist die Veranlassung zu unvorsätzlicher Tat bei
Freilich entzieht sich auch ein „offener" Täterbegriff im oben ent- eigenhändigen Delikten straflos. Schließlich ist der Versuch gemäß §49a
wickelten Sinne nicht der Kodifikation. Wie man sie etwa durchführen StGB bei Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe unterschiedlich geregelt.
könnte, wird am Schluß unserer Arbeit zu zeigen sein 48 . Doch kann Alle diese sachlich wohlbegründeten Differenzierungen müßte man beim
durch eine gesetzliche Regelung solcher Art eine auf denselben Grundlagen Einheitstäterbegriff aufgeben. Schon daran zeigt sich, daß seine Einführung
beruhende Täterlehre nur insoweit ihren Wert verlieren, als ihre Lösungen kein technisches Problem ist und vor allem nicht mit dem Hinweis auf
durch bessere Sacheinsichten ersetzt werden. Das aber ist ein notwendiger Abgrenzungsschwierigkeiten gefordert werden darf. Er würde vielmehr eine
und wünschenswerter Prozeß. Denn die Entwicklung des objektiven erhebliche und rechtsstaatlich schwer vertretbare Ausweitung der Strafbar-
Geistes steht niemals still; und endgültige Ergebnisse, die durch die weiter- keit mit sich bringen.
schreitende Erkenntnis nicht im doppelten Sinne des Wortes „aufgehoben" Vor allem aber würde die Täterlehre dadurch weder überholt noch über-
würden, gibt es nicht. flüssig werden. Sie würde nur in Gestalt allgemeiner Strafmilderungsregeln
c) Schließlich ist nicht zu leugnen, daß der Gesetzgeber auch Einzelfragen in den Bereich der richterlichen Praxis abwandern. Ein Gehilfe kann zwar
der Täterlehre theoretisch „falsch" entscheiden könnte. Das wäre etwa der in concreto ebenso strafwürdig sein wie der Täter; aber die Frage, ob
Fall, wenn er, wie es früher oft von Anhängern der formal-objektiven Theo- jemand Zentralgestalt oder Randfigur des handlungsmäßigen Geschehens
rie in doktrinärer Konsequenz gefordert wurde, die mittelbare Täterschaft war, würde doch in jedem Fall mindestens einen für die Tatschwere wesent-
ganz abschaffen und unter den Begriff der Anstiftung bringen würde. lichen Gesichtspunkt bilden 51 und müßte daher stets berücksichtigt
Er kann das tun. Aber an der allgemein gültigen Struktur der Täterschaft werden 52 . Darauf ist schon wiederholt hingewiesen worden. Die Differen-
würde auch das nichts ändern. Es würde nur bedeuten, daß nach der gesetz- zierungen der Teilnahmelehre würden sich also selbst gegenüber dem
lichen Terminologie die Anstiftung und die mittelbare Täterschaft unter Einheitstäterbegriff wieder durchsetzen und lediglich in den gesetzesfreien
einem gemeinsamen Begriff zusammengefaßt worden wären. Oder, um ein Raum verschoben werden.
näherliegendes Beispiel zu wählen: Wenn der Gesetzgeber, wie es im Ent-
wurf 1962 vorgesehen ist, auch bei den Pflichtdelikten in Verkennung ihres
besonderen Täter- und Teilnehmerbegriffs eine Anstiftung zu unvorsätz-
licheT Tat völlig ausschließen würde, so hätte das nur zur Folge, daß künftig
eine Reihe von Anstiftungsfällen ungerechterweise straflos blieben, nicht
aber, daß sich das Wesen der Teilnahme bei den Pflichtdelikten verändern
würde 49 : Caesar ne supra grammaticos.

50
im geltenden Recht wird dieser G r u n d s a t z in § 5 0 A b s . 1 S t G B allerdings n u r b e -
schränkt durchgeführt.
51
vgl. dazu prinzipiell oben S. 31
48 52
Vgl. S. 590ff. Vgl. n u r aus neuerer Zeit H e i n i t z , Festschr. z u m 4 1 . Juristentag, 1955, S. 97 ff., Gallas
49
Vgl. dazu auch H e l l m u t h Mayer, Rittler-Festschr., S. 254 Niederschriften der Strafrechtskommission, 16. Sitzung, S. 69
452 453

IV. Die Täterschaft beim versuchten Delikt mäßiger Durchführung des Delikts als Täter anzusehen gewesen wäre; denn
man könne nicht wissen, ob der bisher Untätige seine Zusage eingehalten
1. Die Täterkriterien bei nicht durchgeführter Tat hätte. Wer „in keinerlei Art bei der Versuchshandlung des anderen aus
der Untätigkeit herausgetreten" sei, könne „nicht wegen des bloßen Ver-
Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim versuchten Delikt sprechens und Vorsatzes, dies demnächst tun zu wollen, schon als Mittäter
kann Schwierigkeiten machen, weil das handlungsmäßige Geschehen, dessen betrachtet werden" 55 . Eine eigentliche Mitwirkung bei der Versuchshand-
Zentralgestalt wir zur Ermittlung der Täterschaft bestimmen müssen, vor- lung sei aber auch nicht erforderlich; vielmehr genüge es, wenn „der gemein-
zeitig abgebrochen wird und der bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichte same Plan für den Zeitpunkt der Versuchshandlung des anderen irgendein
Tatanteil der Stellung der Beteiligten im Gesamtplan nicht zu entsprechen Tun oder Verhalten vorgeschrieben" habe, das sich „von dem Tun oder
braucht. Verhalten eines unbeteiligten Dritten unterschied", und wenn derjenige,
a) Wenn wir mit der Tatherrschaft beginnen, so stellt sich sogleich die der „erst künftig mit zur Ausführung der Tat selbst schreiten" sollte, „sich
sachlich entscheidende Frage: Ist Täter der Versuchshandlung derjenige, demgemäß wirklich verhalten" habe 56 . Dieses Verhalten könne „unter dem
der den durchgeführten Handlungsabschnitt beherrscht hat, oder derjenige, Minimum der Tätigkeit geblieben sein, welche man für die Mittäterschaft an
der - mag er auch bisher kaum hervorgetreten sein - im Rahmen des voll- der vollendeten Tat erfordern dürfte".
endeten Delikts die Tatherrschaft innegehabt hätte ? Man denke sich den Fall Danach ließ sich in dem seinerzeit zur Entscheidung stehenden Fall eine
eines politischen Attentats, bei dem zwei Verschwörer A und B die Höllen- Mittäterschaft annehmen, weil die Frau, obgleich sie zur Versuchshandlung
maschine gebastelt und gemeinsam im Saal versteckt haben, wo sie C nichts beigetragen hatte, durch ihr bloßes Mitgehen doch ein Verhalten
während der Rede des politischen Gegners zur Explosion bringen soll. Als er gezeigt hatte, das sich von dem eines unbeteiligten Dritten unterschied.
sich gerade dazu anschicken will, werden alle drei verhaftet. Dagegen ist es in unserem Ausgangsbeispiel fraglich, ob der C, solange
Sind nun A und B Täter des Totschlagsversuches und hat C nur Beihilfe er sich unter den Besuchern der Versammlung in äußerlich unauffälliger
dazu geleistet, weil A und B bisher allein tätig geworden sind und C sie Weise bewegte, nach den Kriterien des Reichsgerichts als Täter des Versuchs
insoweit nur psychisch unterstützt hat? Oder ist C Täter, weil er nach angesehen werden könnte.
dem gemeinsamen Plan die eigentliche Tötungshandlung vornehmen sollte, Doch kann man davon die Lösung der Frage auch nicht abhängig machen.
und sind A und B vielleicht gar nur Gehilfen, weil ihr Tatbeitrag, wie hier Vielmehr wird man die Abgrenzung ohne Rücksicht auf die bisher ge-
einmal unterstellt sein mag, sich im Rahmen der ausgeführten Tat nur als leisteten Handlungsbeiträge allein nach dem Tatplan vornehmen müssen.
Vorbereitungshandlung dargestellt hätte ? a) Ein Abstellen auf das vor dem Abbruch des Versuchs verwirklichte
Schon das Reichsgericht hat sich mit diesem heute kaum mehr beachteten Handlungsgeschehen wäre nicht sinnvoll. Das ergibt sich zunächst aus
Problem beschäftigt. In einer sehr frühen Entscheidung 53 lag der Fall so, einer praktischen Erwägung: Es leuchtet nicht ein, daß bei einem arbeits-
daß ein Ehepaar einen Diebstahl begehen wollte, und daß der Mann, als die teiligen Zusammenwirken derjenige, dessen Tatanteil zeitlich später ange-
beiden entdeckt wurden, damit beschäftigt war, die Küchentür aufzu- setzt und deshalb meist umso gewichtiger ist, allein wegen der vorzeitigen
brechen, während die Frau, die die Sachen mit wegnehmen sollte, noch Entdeckung des Unternehmens glimpflicher davonkommen soll als seine
untätig daneben stand. Vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus wäre Komplizen.
die Frau bei vollendeter Tat Mittäterin gewesen, während sie in dem bisher Vor allem aber würde diese Auffassung, wie mir scheint, auch dem Wesen
verwirklichten Handlungsabschnitt keinerlei Funktion ausgeübt und ihren der Versuchsbestrafung widersprechen: Denn der Grund der Bestrafung liegt
Mann höchstens als Gehilfin geistig unterstützt hatte. Auch hier ergibt sich nicht in der objektiven Rechtsgüterverletzung oder -gefährdung, also in dem,
also die Frage, ob man sie nach dem Geleisteten als Gehilfin oder nach dem was bereits geschehen ist, sondern in dem, was auf Grund des verbreche-
Geplanten als Mittäterin des Diebstahlsversuchs ansehen soll. rischen Willens der Beteiligten hätte geschehen sollen. Zwar genügt dieser
Für das Reichsgericht trat dieselbe Schwierigkeit auf, weil es die Täter- Wille, auch wenn er sich manifestiert hat, zur Bestrafung allein nicht; es
schaft zwar im wesentlichen vom animus auctoris abhängig machte, diesön muß ein das Vorbereitungsstadium überschreitendes, unmittelbares An-
Gesichtspunkt aber insofern objektiv einschränkte, als es eine - wenn setzen zur Verwirklichung hinzukommen. Aber dieses äußere Verhalten
auch nur vorbereitende und noch so geringfügige - äußere Mitwirkung ist nicht um seiner selbst willen strafbar, sondern nur deshalb, weil sich in
verlangte 54 , die hier ebenfalls nicht vorlag. Das RG versuchte, dem ihm kundtut, daß der deliktische Wille über das Stadium des Planens,
Problem gerecht zu werden, indem es einen Mittelweg einschlug. Einerseits Schwankens und Erwägens in die Sphäre der Realisierung vorgedrungen
soll es bei der Abgrenzung nicht allein darauf ankommen, wer nach plan-

53
RGSt9, 3-10 55
a. a. O., S. 6
54
Vgl. dazu schon oben S. 58 mit Nachweisen 56
a. a. O., S. 7
454 455

ist. Durch eine andere Auffassung läßt sich die Strafbarkeit des untauglichen Mittäter, dessen Eingreifen erst erwartet wird, eine Handlung vorgenommen
Versuchs nicht erklären. hat, die zwar zum Versuch nichts beiträgt, die sich aber vom Verhalten eines
Wenn also der Handelnde beim Versuch nicht wegen des Getanen, unbeteiligten Dritten unterscheidet, kann man daraus nicht ersehen, ob er
sondern wegen des Gewollten strafbar ist, kann man auch bei der Abgren- nicht vielleicht noch abspringen wird. Es muß also dabei bleiben, daß nur
zung von Täterschaft und Teilnahme nur auf die geplante Gestaltung des der Tatplan überTäterschaft und Teilnahme entscheidet.
Handlungsablaufs zurückgreifen. Denn die gesetzlichen Beteiligungsformen Die hier entwickelte Lösung führt nicht etwa dazu, daß beim Versuch
beziehen sich auf das, was strafbar ist: den in das Realisierungsstadium die Beteiligungsformen anders als sonst nach subjektiven Gesichtspunkten
eingetretenen Handlungswillen und nicht auf das realisierte, objektiv tat- abgegrenzt würden. Grundlage der Aufgliederung ist zwar der Tatplan, also
bestandslose Verhalten. Danach sind sowohl der C als Täter des versuchten etwas nur Gedachtes, wenngleich zum Teil Realisiertes. Aber auch der Plan
Attentats als auch die Frau als Mittäterin des versuchten Einbruchsdiebstahls ist etwas Objektives und vor allem nur das Substrat für die Zuordnung der
zu bestrafen Beteiligungsformen, die sich in genau derselben Weise vollzieht wie beim
Man könnte dem zwar entgegenhalten, daß nur denjenigen die Versuchs- vollendeten Delikt.
strafe treffen dürfe, der durch eine eigene, als Anfang der Ausführung zu b) Bei den eigenhändigen Straftaten können die für die Herrschaftsdelikte
qualifizierende Handlung seinen verbrecherischen Willen manifestiert habe. sich ergebenden Probleme kaum auftreten; denn da die Täterschaft eine
Aber diese Annahme, die auf die Anstiftung und Beihilfe zum Versuch von persönliche Vornahme der Tatbestandshandlung voraussetzt, wird man die
vornherein nicht zutreffen kann, würde für die Versuchstäterschaft eine noch so intensive Tätigkeit eines Gehilfen nicht als „Anfang der Aus-
Eigenhändigkeit voraussetzen, die sich nicht begründen läßt. Sie würde vor führung" betrachten können, solange der Täter sich passiv verhält. Hier ist
allem verkennen, daß auch den Beiträgen derer, die durch ihr persönliches also auch für die Versuchstäterschaft Eigenhändigkeit erforderlich.
Tun ins Versuchsstadium eingetreten sind, selbständige Bedeutung nur durch c) Bei den Pflichtdelikten ist ein Versuch in zweierlei Weise denkbar:
ihre Beziehung auf die erwartete Handlung des anderen zukommt: Wenn aa) Zunächst einmal kann die Tatbestandshandlung selbst vor der Voll-
der C die Höllenmaschine nicht zur Explosion bringt, und wenn die Frau endung scheitern: Dann ist - wie sonst - Täter derjenige, den die außerstraf-
die auf sie entfallenden Sachen nicht wegnimmt, bleibt die Tat insoweit un- rechtliche Sonderpflicht trifft, und die anderen sind Gehilfen oder Anstifter.
geschehen. Die bisher Untätigen, die ihre Funktion erst in einem späteren Das Problem, ob auf die Intensität der Mitwirkung im Versuchsstadium oder
Zeitpunkt auszuüben haben, halten deshalb das Geschehen in jedem Augen- auf die Rollenverteilung im Gesamtplan abzustellen sei, ergibt sich auch
blick mindestens ebenso sehr in der Hand wie die anderen; sie können hier nicht; denn selbst bei vollendeter Tat erfolgt ja die Abgrenzung nicht
deshalb die Mitherrschaft auch ohne jede äußere Tätigkeit innehaben, so daß nach der Art der äußeren Beteiligung, sondern nach dem Kriterium der
schon aus diesem Grunde die Abgrenzung der Beteiligungsformen nur nach Pflicht, das sich im Gegensatz zu den wechselnden Herrschaftsverhältnissen
dem Tatplan erfolgen darf. zwischen Vorbereitung und Vollendung nicht ändert.
Schließlich spricht für die hier entwickelte Lösung noch die Erwägung, bb) Ein Versuch ist aber auch in der Weise denkbar, daß jemand sich als
daß Anstiftung und Beihilfe sich unbestrittenermaßen allein auf die geplante Träger einer Pflicht betrachtet, die ihn in Wahrheit nicht trifft. Es handelt
Tat und nicht auf den verwirklichten Handlungsteil beziehen: N u r wer sich hier um den Fall des untauglichen Subjekts, dessen Strafbarkeit bekannt-
zur vollendeten Tat anstiften oder bei ihr helfen wollte, kann wegen einer lich sehr umstritten ist. Legt man sie zugrunde, so hat es zunächst den
Teilnahme am Versuch bestraft werden; sonst wäre er strafloser agent provo- Anschein, als ob hier eine rein subjektive Anmaßung täterschaftsbegründend
cateur. wirke: Wer etwa mit anderen Privatpersonen zusammen den Tatbestand
b) Alle vorgetragenen Gesichtspunkte beweisen, daß auch die Mittel- eines echten Amtsdelikts zu verwirklichen sucht, würde durch seine bloße
meinung des Reichsgerichts keine Billigung verdient. Zu den von ihm für Einbildung, Beamter zu sein, zum Täter des Versuchs, obwohl er genauso-
seine Lösung beigebrachten Gründen ist ergänzend zu bemerken, daß man wenig wie seine Genossen eine Pflicht verletzt und äußerlich im Gegensatz
zwar in der Tat nicht mit Sicherheit wissen kann, ob der bisher Untätige die zu ihnen vielleicht sogar untätig geblieben ist.
ihm im Gesamtplan zufallende Aufgabe später erfüllen wird; aber das katin Trotzdem würde auch in diesem Fall die objektive Abgrenzung nicht
nicht entscheidend sein, weil eine Rücktrittsmöglichkeit bei allen im preisgegeben. Denn die Strafbarkeit wegen versuchter Tat - wenn sie über-
Versuchsstadium Beteiligten ohnehin besteht. Maßgebend ist allein, daß haupt besteht - gründet sich jedenfalls nicht auf eine bloße Pflichtanmaßung
der noch nicht hervorgetretene Versuchstäter seine Funktion erfüllen wollte. (das wäre ein umgekehrter Subsumtionsirrtum); sie setzt vielmehr voraus,
Wenn hier gelegentlich Beweisschwierigkeiten auftreten können, so ist daß der Täter sich eine Situation vorstellt, die, wenn sie gegeben wäre,
jedenfalls eine besondere Abgrenzung der Beteiligungsformen kein geeig- tatsächlich pflichtbegründend wirken würde, z. B. eine wirksame Ernennung
neter Weg zu ihrer Behebung. zum Beamten, die Übertragung öffentlich-rechtlicher Aufgaben in seinen
Abgesehen davon kann auch das vom Reichsgericht verwendete Kriterium Zuständigkeitsbereich und dergleichen. Auf der Grundlage dieses Vor-
derartige Zweifel nicht ohne weiteres ausräumen. Denn selbst wenn der stellungsinhaltes, - der ohnehin bei jedem untauglichen Versuch für alle drei
456 457

Beteiligungsformen allein strafbegründend wirkt - , wird die Abgrenzung Wenn man die mannigfaltigen, auch bei dieser Sichtweise auftretenden
nicht anders vorgenommen als bei der vollendeten Straftat. Es liegt insoweit Zweifelsfragen und Abgrenzungsschwierigkeiten beiseiteläßt, so ist gegen
genauso wie bei den Herrschaftsdelikten; der Unterschied besteht nur darin, eine solche Verwertung des Tatherrschaftskriteriums nichts einzuwenden.
daß bei ihnen die herrschaftsbegründenden Umstände aus der Planung Es ermöglicht eine Haftungseinschränkung im Tatbestandsbereich, die durch
des Handlungsverlaufs abzulesen sind, während bei den Pflichtdelikten die eine mit wertfreien Bedingungsverknüpfungen arbeitende reine Kausal-
konstituierenden Elemente der Täterschaft von der Rollenverteilung bei der betrachtung nicht zu erreichen ist; auf diese Weise korrigiert die Tatherr-
Durchführung unabhängig sind und deshalb einen selbständigen Bewußt- schaftslehre einen methodischen Fehlansatz, dem die erwähnten Konstella-
seinsakt des Versuchstäters voraussetzen. tionen ihre etwas unverdiente Berühmtheit verdanken.
Allerdings darf man die Bedeutung, die der Tatherrschaftslehre bei der
Lösung dieser Fälle zukommt, auch nicht überschätzen. Sie führt nämlich
2. Adäquanz, Versuch und Tatherrschaft über eine als allgemeine Zurechnungslehre aufgefaßte Adäquanztheorie nicht
hinaus. N u r insofern die Tatherrschaft als besonderes Zurechnungskriterium
Die Versuche, inadäquate Kausalverläufe mit Hilfe der Tatherrschaftslehre die allgemeinen Zurechnungsvoraussetzungen in sich aufgenommen hat,
aus dem Bereich strafrechtlicher Haftung auszuschalten, sind alt. Hermann kann sie inadäquate Kausalverläufe ausschalten. Eine besondere Beziehung
Bruns 57 hat den Gedanken zuerst entwickelt; Lange 58 , Gallas 59 und Less 60 zur Täterschaft oder zur Tatherrschaft weisen diese Sachverhalte dagegen
haben ihn aufgenommen und ausgebaut. nicht auf. Das zeigt sich in mehrfacher Hinsicht:
Der leitende Gesichtspunkt ist dabei immer derselbe: Ein Geschehen, das a) Die strafrechtliche Irrelevanz inadäquater Kausalverläufe ist keinesfalls
mit den eingesetzten Mitteln erfahrungsgemäß nicht beherrschbar ist, kann auf den. Tatherrschaftsbereich beschränkt. Selbstverständlich kann auch
dem Handelnden, wenn der Erfolg kraft einer unvorhersehbaren Ursachen- derjenige, der den Neffen veranlaßt hat, den Erbonkel zu einer Flugreise zu
verkettung dennoch eintritt, nicht als sein Werk zugerechnet werden. Es bewegen, nicht etwa wegen Anstiftung oder versuchter Anstiftung bestraft
unterlag nicht seiner Tatherrschaft. Dabei kommen zwei verschiedene werden. Der Grund liegt darin, daß derartige Erfolge nicht nur nicht
Konstellationen in Frage 61 : beherrschbar, sondern nicht einmal in zurechenbarer Weise bewirkbar sind -
Wer den Erbonkel zu einer Flugreise bewegt in der Hoffnung, er werde und eben das ist es, was die recht verstandene Adäquanztheorie besagt.
abstürzen, bleibt straflos, auch wenn das Unglück wirklich geschieht. Und, Die mangelnde Beherrschbarkeit des nicht Bewirkbaren ist also nur eine
was praktisch wichtiger ist und die Behandlung dieser Fälle bei den täter- Ableitung aus dem Adäquanzgedanken und keine speziell der Täterlehre
schaftlichen Voraussetzungen des Versuchs rechtfertigt: Er kann beim zugehörige Erscheinung.
gewöhnlichen Verlauf der Dinge - wenn also nichts geschieht - auch wegen b) Infolgedessen gilt das allgemeine Zurechnungskriterium der Adäquanz
versuchten Mordes nicht zur Verantwortung gezogen werden. Auf diese nicht nur für die neben dem Tatherren stehenden Teilnehmer, sondern
Weise lassen sich auch die viel erörterten Probleme des sog. abergläubischen auch dort, wo Tätermerkmale anderer Art heranzuziehen sind. Obwohl
Versuchs (Totbeten usw.) mit Hilfe der Tatherrschaftslehre lösen. es etwa bei den Pflichtdelikten auf die Beherrschbarkeit nicht ankommt,
Bei der zweiten hier einschlägigen Fallgruppe liegt es so, daß jemand sind inadäquate Kausalverläufe hier genausowenig zurechenbar. Der Versuch
einen Erfolg mit an sich geeigneten Mitteln herbeiführen will, daß die des Totbetens ist keine Pflichtverletzung im Sinne dieser Tatbestände,
Rechtsgüterverletzung kraft seines Tuns auch eintritt, jedoch infolge eines und eine versuchte, jedoch auf nicht vorhersehbare Weise eingetretene
von seinen Vorstellungen oder auch vom objektiv Vorhersehbaren so weit körperliche Beschädigung ist keine vollendete Körperverletzung im
abweichenden Kausalverlaufs, daß er nur wegen versuchter vorsätzlicher Amt, weil sie nicht als durch den Pflichtverstoß bewirkt angesehen werden
und gegebenenfalls nicht einmal wegen vollendeter fahrlässiger Tat bestraft kann.
werden kann. Zur Begründung läßt sich wieder geltend machen, daß das
Geschehen weder seiner für die vorsätzliche Täterschaft erforderlichen Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die Tatherrschaftslehre
realen noch der für die Fahrlässigkeitshaftung vorauszusetzenden poten- zwar das Merkmal der Adäquanz in sich enthält, daß es sich dabei aber um
tiellen Tatherrschaft unterlegen habe und deshalb nicht als sein Werk ange- ein allgemeines Zurechnungskriterium handelt, das weder auf die Täterschaft
sehen werden könne. noch gar auf den Tatherrschaftsbegriff beschränkt werden darf.

Kritik der Lehre v o m Tatbestand, 1932, S. 7 2 / 7 3 ; vgl. oben S. 61/62


M o d e r n e r Täterbegriff, 1935, S. 42ff., 46ff.
Sonderheft A t h e n , S. 16/17; vgl. oben S. 71/72
J Z 1951, S. 552; vgl. oben S. 81/82
Vgl. namentlich Gallas, a. a. O . , S. 16/17
459

mann 3 - dem Grünwald 4 in wichtigen Fragen schon vorgearbeitet hatte -


das Thema um völlig neuartige Gesichtspunkte und Lösungen bereichert.
Es ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht möglich, zur
allgemeinen Unterlassungsdogmatik grundsätzlich Stellung zu nehmen. Wir
müssen uns vielmehr auf die zur Begründung der hier zu entwickelnden
Teilnahmelehre unumgänglichen Fragen beschränken. Wir werden ver-
suchen, unter Berücksichtigung der strukturellen Eigenart des Unterlas-
sungsverbrechens aus der bisher dargelegten Täterlehre Anhaltspunkte für
Zehntes Kapitel die Abgrenzung der Beteiligungsformen zu gewinnen. Dabei wird die Aus-
einandersetzung mit der neueren Rechtsprechung und Literatur im Vorder-
Täterschaft u n d T e i l n a h m e bei U n t e r l a s s u n g e n grund stehen müssen.

§ 37. D e r Täter des Unterlassungsdelikts IL Die Unterlassungsverbrechen als Pflichtdelikte

I. Einleitung 1. Die Erfolgsabwendungspflicht als


täterschaftsbegründendes Element
Die Frage nach Täterschaft und Teilnahme bei den Unterlassungen ist erst
in den letzten Jahren in den Vordergrund des Interesses getreten. Ihre Prüft man die Unterlassungstaten im Hinblick auf die bisher zur Abgren-
Vernachlässigung in der früheren Täterlehre 1 hat im wesentlichen drei zung von Täterschaft und Teilnahme entwickelten Kriterien, so fällt sogleich
Ursachen: Solange man die Unterlassungstaten - zumindest die sog. „unech- ins Auge, daß es sich allemal um Pflichtdelikte handelt: Nicht jeder Unter-
ten" Omissivdelikte - als Begehungsverbrechen ansah oder nicht gewillt lassende kommt als Täter in Frage, sondern immer nur derjenige, den eine
war, aus ihrer strukturellen Andersartigkeit dogmatische Konsequenzen zu konkrete Pflicht zur Abwendung des tatbestandlich umschriebenen Erfolges
ziehen, bestand keine Veranlassung, die Möglichkeit ihrer Sonderbehandlung trifft.
in der Täterlehre auch nur zu erwägen. Zweitens verführte die beliebte, Das ist heute so gut wie unbestritten und kann im folgenden als fest-
formelhaft-deduktive Methode bei der Täterbestimmung ohnehin dazu, die stehend zugrundegelegt werden. Die bekannte Lehre Hellmuth Mayers,
Besonderheiten der jeweiligen Regelungsmaterie außer acht zu lassen. Und der die herkömmliche „Pflichtverletzungstheorie" als verfassungswidrig
schließlich schien die in der Praxis vorherrschende subjektive Theorie gerade betrachtet 5 und ein Unterlassen dem Tun nur dann gleichstellen will,
auf Unterlassungsdelikte gut zu passen: Je weniger objektive Unterschiede wenn es „das gleiche Maß rechtsfeindlicher Willensenergie verlangt wie
im Verhalten mehrerer Unterlassender auffindbar waren, desto näher lag es, die positive Tätigkeit" 6 , steht dem nur scheinbar entgegen. Denn auch
die Abgrenzung allein nach der inneren Einstellung der Beteiligten zu treffen Mayer will nicht auf die Stärke empirisch meßbarer Willensimpulse ab-
und hier wie sonst darauf abzustellen, ob der Unterlassende die Tat „als stellen. Vielmehr berücksichtigt er ausdrücklich den Fall, daß die Mutter,
eigene" gewollt habe. die ihr Kind verhungern läßt, und der Streckenwärter, der ein Hindernis
Dieses Bild hat sich in neuerer Zeit geändert. Zunächst benutzte der absichtlich von den Schienen nicht wegnimmt, „so verhärtet wären, daß
Bundesgerichtshof, wie oben 2 eingehend dargelegt wurde, weitgehend sie den ... Willensimpuls zu helfen gar nicht unterdrücken müßten" 6 .
gerade die Unterlassungsdelikte, um den Begriff der Tatherrschaft in die Wenn er sie trotzdem als Unterlassungstäter bestrafen will, weil „eine solche
Rechtsprechung einzuführen; die bewegte literarische Diskussion um die Einstellung ... erst recht als aktive Auflehnung gegen den Allgemeinwillen
Sträfbarkeit der unterlassenen Selbstmordverhinderung vertiefte die Pro- zu bewerten" 6 sei, so kann sich der hier zur obersten Instanz erhobene
blematik. Endlich haben in jüngster Zeit mehrere Abhandlungen ztir „Allgemeinwille" doch nur in der Rechtsordnung verkörpern und sich dem
Unterlassungsdogmatik, besonders das grundlegende Werk von Armin Kauf- einzelnen gegenüber nicht anders als in der Auferlegung einer Erfolgsab-
wendungspflicht manifestieren. U m die Pflicht führt also kein Weg herum.
Mayers Kritik richtet sich im Grunde nicht gegen sie, sondern nur gegen die
1
Eine A u s n a h m e macht Perten, Die Beihilfe z u m Verbrechen, 1918, S. 114-119; seine
3
Auffassung stimmt im Ergebnis weitgehend mit der heute von Gallas vertretenen Lehre Die D o g m a t i k der Unterlassungsdelikte, 1959
4
überein u n d bedarf deshalb keiner gesonderten E r ö r t e r u n g (vgl. unten S. 496ff.); z u r D a s unechte Unterlassungsdelikt, ungedr. Diss., G ö t t i n g e n , 1956; der Abschnitt ü b e r die
Gefährlichkeitstheorie, aus der Perten seine Thesen ableitet, ist o b e n schon Stellung Teilnahmelehre ist weitgehend wiedergegeben in: G A 1959, S. llOff.
g e n o m m e n w o r d e n (vgl. S. 31/32 ff., 46ff.). 5
Vgl. L e h r b u c h . S. 119-121
2 6
S. 90 ff. a. a. O . , S. 113
460 461

Art der traditionellen Pflichtbegründung, die für uns keiner näheren Unter- Garantengebotstatbeständen 10 zu subsumieren seien. Wenn man berücksich-
suchung bedarf. tigt, daß die Täterlehre zum Tatbestand gehört, so daß ein unterschiedlicher
Die bei der Unterlassung täterschaftsbegründenden Pflichten unterschei- Täterbegriff auf den Tatbestand nicht ohne Auswirkungen bleiben kann,
den sich ihrem Wesen nach nicht von denen, die bei den entsprechenden ergibt sich kurz folgendes:
Begehungsdelikten auftreten. Es handelt sich um Schutz- und Erhaltungs- a) Sicher ist,~wenn man nicht mit dem nulla-poena-Grundsatz in unüber-
pflichten zivil-, öffentlich- und gewohnheitsrechtlicher Art, deren Ver- brückbaren Widerspruch geraten will, daß man die Voraussetzungen der
letzung als strafrechtlicher Normverstoß bewertet wird. Die bei den Be- Unterlassungsbestrafung nur durch eine Auslegung der einzelnen Delikts-
gehungstaten maßgebenden Pflichten umfassen sogar in aller Regel den bestimmungen gewinnen kann, die ihrer Formulierung nach meist auf
Unterlassungsbereich mit: Die Vermögensfürsorgepflicht etwa bei der Un- Begehungstaten zugeschnitten sind. Der Begriff des „Tötens" in § 212 StGB
treue kann durch ein Tun in gleicher Weise verletzt werden wie durch ein etwa muß sowohl das Tun wie auch die Elemente rechtswidrigen Unter-
Unterlassen. Bei den Beamtendelikten ist diese enge Verbindung sogar viel- lassens in sich enthalten. Wenn man also den Begriff „Tatbestand" so ver-
fach im Gesetz ausgesprochen: § 347 StGB z. B. nennt das „Entweichen- steht, daß damit eine in einem Paragraphen zusammengefaßte Strafbestim-
lassen" von Gefangenen gleichgeordnet neben dem „Bewirken" und „Beför- mung gemeint ist, so unterfallen Tun und Unterlassen demselben Tatbe-
dern" der Befreiung, § 340 StGB erfaßt das „Begehenlassen" ebenso wie das stand.
„Begehen" von Körperverletzungen. Ein Anwalt kann ferner der Gegen- b) Anders ist es aber, wenn man den Tatbestand als systematischen
partei durch Unterlassen genauso wie durch positives Tun „dienen" (§ 356 Grundbegriff ansieht, als Norm, deren dogmatische Behandlung nicht durch
StGB), indem er etwa „zum Nachteil seiner Partei einen Termin versäumt die Strafdrohung, sondern durch die Struktur des inkriminierten Verhaltens
oder eine Frist verstreichen läßt, ein Rechtsmittel nicht einlegt oder erheb- bedingt ist. Dann treten Herrschafts- und Pflichtdelikte - und damit im
liche Tatsachen verschweigt" 7 . Diese Beispiele ließen sich noch wesentlich Bereich des allgemeinen Täterbegriffs Begehungs- und Unterlassungsver-
vermehren 8 . Überall ist es für die Pflichtverletzung gleichgültig, ob sie in brechen - als selbständige Tatbestände auseinander, weil die Zurechnung zur
einem Tun oder in einem Unterlassen besteht, so daß ein Unterschied Strafbarkeit im allgemeinen und zu den Teilnahmeformen im besonderen auf
zwischen Begehungs- und Unterlassungstat unter täterschaftlichen Gesichts- verschiedenen Voraussetzungen beruht. In diesem Punkt werden also die
punkten nicht vorliegt. Thesen Armin Kaufmanns und Grünwalds durch unsere Untersuchung von
Die entscheidende Besonderheit der Unterlassungen, auf der auch die der Täterlehre her bestätigt. Der hier gekennzeichnete Tatbestandsbegriff ist
praktischen Schwierigkeiten bei ihrer Behandlung im wesentlichen beruhen, es, auf den wir uns, wenn nichts besonderes vermerkt ist, im folgenden
ist also nicht in den Begriffen der „Unterlassung" oder der „Tatherrschaft" beziehen werden.
zu finden, die beide für die Täterlehre in diesem Bereich ohne große Bedeu- c) Wiederum anders ist es jedoch dort, wo schon das positive Tun nur
tung sind; sie liegt auch nicht in der Pflicht als täterschaftsbegründendem als Pflichtdelikt strafbar ist. Hier ergeben sich - wenigstens in der Täter-
Element, die hier nicht anders beschaffen ist als bei den Begehungs-Pflicht- lehre 11 - zwischen Begehen und Unterlassen keine strukturellen Unter-
delikten. Die grundlegende Abweichung besteht vielmehr darin, daß bei den schiede, so daß beide Verhaltensweisen auch im zweiten Sinne des Begriffs
Unterlassungen alle Rechtsgüterverletzungen, die im Begehungsfalle Herr- einem einheitlichen Tatbestand zu subsumieren sind: O b ich als Vermögens-
schaftsstraftaten wären, sich in Pflichtdelikte verwandeln, so daß sämtliche fürsorgepflichtiger den Auftraggeber dadurch schädige, daß ich eine notwen-
dem allgemeinen Täterbegriff unterliegenden Verbrechen, sofern sie durch dige Handlung absichtlich unterlasse, oder dadurch, daß ich eine nachteilige
Unterlassen begehbar sind, eine Doppelstruktur aufweisen: Sie sind sowohl Handlung vornehme, macht tatbestandlich keinen Unterschied; ebenso-
Herrschafts- wie Pflichtdelikte und erfahren deshalb je nachdem, ob es sich wenig wie es unter täterschaftlichen Aspekten zu einer Normdifferenzierung
um ein Tun oder ein Unterlassen handelt, eine durchaus verschiedenartige führen kann, ob der Gefängnisaufseher es bewußt unterläßt, die Tür abzu-
Abgrenzung der Beteiligungsformen. schließen, oder ob er den Häftlingen die Befreiung durch Zustecken des
Zu welchen Konsequenzen das im einzelnen führt, soll im folgenden er- Schlüssels - also ein positives Tun - ermöglicht.
örtert werden. Hier ist noch kurz auf die Frage einzugehen, wie sich unsere Natürlich bleibt auch in diesen Fällen der seinsmäßige Unterschied
Erkenntnis auf die Kontroverse um den Tatbestand der Unterlassungen zwischen Tun und Unterlassen bestehen; da aber der Tatbestand ein nor-
auswirkt. Es ist neuerdings strittig geworden, ob die unechten Unter- matives Gebilde ist, wird die Beziehung zwischen Rechtsgüterbeeinträchti-
lassungsdelikte den jeweiligen Begehungstatbeständen 9 oder selbständigen gung und Deliktssubjekt allein durch den Pflichtverstoß hergestellt, dem

7 10
so zutreffend Geppert, Der strafrechtliche Parteiverrat, 1961, S. 115 so Grünwald, Das unechte Unterlassungsdelikt, 1956; ferner ZStW, Bd. 70, 1959,
8
vgl. dazu unter Anführung weiterer Tatbestände auch Böhm, JuS 1961, Heft 6, S. 412ff.; Armin Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1959; JuS 1961,
S. 177ff. 173 ff.
9 11
so die überkommene Lehre auf weitere dogmatische Problembereiche kann hier nicht eingegangen werden.
462 463

gegenüber die Modalitäten des äußeren Geschehensverlaufes irrelevant sind. nen wird, während die überwiegende Lehre gerade umgekehrt dahin ten-
Gerade das ist im Verhältnis der Herrschaftsdelikte zu den entsprechenden diert, beim Zusammenwirken mehrerer den Unterlassenden generell als
Unterlassungstaten anders: Bei der gestaltenden Lenkung des Kausalverlaufs Gehilfen anzusehen 13 .
auf der einen und der von ganz neuartigen Voraussetzungen abhängigen Trotzdem ist die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung bei den
Garantenstellung auf der anderen Seite handelt es sich um Formen der Unterlassungstaten noch leichter darzutun als bei den Pflichtdelikten durch
Zurechnung, die inhaltlich nicht auf einen Nenner zu bringen sind und die Begehung. Während nämlich bei diesen eine Anwendung des Tatherr-
erst in dem oberhalb des Einzeltatbestandes liegenden Leitgesichtspunkt der schaftsprinzips immerhin denkbar, wenngleich fehlerhaft und in den Ergeb-
„Zentralgestalt" wieder konvergieren. nissen unbefriedigend wäre, ist sie bei Unterlassungen von vornherein
unmöglich: Durch Nichtstun allein läßt sich ein Handlungsablauf nicht
Die hier kurz skizzierten Gesichtspunkte sind deshalb wichtig, weil ihre beherrschend gestalten. Die dominierende Lenkung des Geschehens setzt
Nichtbeachtung zu übereilten Folgerungen verleitet. So kann man z. B. aus zwischen dem eingetretenen Erfolge und der Person des Täters eine auf aktiv
der tatbestandlichen Selbständigkeit der Unterlassungen im Sinne von b) steuerndem Verhalten ruhende Beziehung voraus, die gerade bei demjenigen
nicht ohne weiteres den Schluß ziehen, daß de lege ferenda für Begehungs- fehlt, der den Dingen nur ihren Lauf läßt.
und Unterlassungstaten, jeweils zwei Paragraphen anzusetzen seien. Das ist Freilich könnte man einen in solcher Weise verstandenen Tatherrschafts-
ein Problem für sich und betrifft allein die unter a) angeschnittenen Fragen. begriff für zu eng halten. Eine der Eigenart der Unterlassungen angepaßte
Und, was für die Täterlehre wichtiger und in seiner vollen Tragweite Modifizierung des Herrschaftskriteriums ließe sich in zwiefacher Weise
noch nicht erkannt worden ist: Man darf keinesfalls aus der Einheit des denken: Man könnte das Wesen der Unterlassungsherrschaft als - schlichte
Tatbestandes im Sinne von a) die Forderung ableiten, daß Täterschaft und oder gesteigerte - Möglichkeit erfolgshindernden Eingreifens (a) oder
Teilnahme bei Begehung und Unterlassung nach denselben Merkmalen ab- auch als gestaltende Einwirkung in vorrechtlich-sozialem Sinne (b) auffassen.
zugrenzen seien; hier kommt es vielmehr allein auf den unter b) erwähnten Beide Gesichtspunkte verdienen eine kurze Erörterung.
Tatbestandsbegriff an.
Schließlich wäre es fehlerhaft, aus den tatbestandlichen Differenzierungen
im Falle b) auf eine generelle Unvereinbarkeit der Täterbegriffe bei positi- a) Die Eingriffsmöglichkeit als Unterlassungsherrschaft
vem Tun und bei den Unterlassungstaten zu schließen. Man übersieht dabei
die Gruppe c) und verstellt sich den Blick für die Unterlassungstäterschaft Wenn jemand es absichtlich unterläßt, einem Ertrinkenden den Rettungs-
und das sie begründende Pflichtelement, so daß ihre Einordnung in die ring zuzuwerfen, oder wenn sonst ein Garant einer drohenden Gefahr
Täterlehre nicht mehr gelingt. bewußt nicht entgegentritt, so kann man von beiden, sofern der Erfolg
Alle diese Fragen, die eine Vielzahl weiterer Probleme in sich bergen, abwendbar ist, sehr wohl sagen, daß sie - wie immer es mit der Kausalität
können hier nur vorweggreifend angedeutet werden. Auf sie wird im folgen- stehen mag - das Geschehen „in der Hand" haben: Von ihnen hängt es ab,
den unter Auseinandersetzung mit den jeweils abweichenden Meinungen ob der Schwimmer ertrinkt oder ein anderes Unglück geschieht. Der Ge-
zurückzukommen sein. danke, eine derartige Beziehung des Unterlassenden zum Erfolge als „Tat-
herrschaft" zu bezeichnen, liegt sehr nahe. Es ist daher verständlich, wenn
man diesen Begriff in solchen Fällen auch in der Wissenschaft zunächst
2. Das Ausscheiden des Tatherrschaftsgedankens unbedenklich verwendet hat 14 . Ebenso gründet der Bundesgerichtshof schon
in der ersten einschlägigen Entscheidung 15 die Tatherrschaft allein auf diese
Unsere Überlegungen führen auf das zunächst überraschende Ergebnis, daß Erwägung, wenn er sagt: „Regelmäßig hat der Hilfspflichtige die volle oder
Tatherrschaftserwägungen bei den Unterlassungsdelikten von vornherein doch einen großen Teil der Herrschaft über die Sachlage und kann ihr durch
keinen Raum haben: Täter wird der Unterlassende nicht um seiner etwa sein Eingreifen die entscheidende Wendung geben".
bestehenden Tatherrschaft willen, sondern wegen der Verletzung einer Und doch ist ein solcher Sprachgebrauch unrichtig. Denn was hier als
Erfolgsabwendungspflicht. Überraschend ist das einmal deshalb, weil gerade „Tatherrschaft" bezeichnet wird, ist nichts anderes als die Möglichkeit der
bei den Unterlassungsdelikten der Tatherrschaftsgedanke in Rechtsprechung Erfolgsabwendung. Daß sie nicht herrschaftsbegründend wirken kann,
und Wissenschaft besonders häufig herangezogen worden ist; sodann aber haben wir schon oben anläßlich der Begehungsdelikte dargelegt, bei denen
auch, weil der Unterlassende, sofern er nur die Möglichkeit der Erfolgs-
abwendung hat, auf Grund unserer Thesen in aller Regel 12 als Täter erschei- 13
Vgl. etwa Gallas, J Z 1952, S. 372; J Z 1960, S. 687; Kielwein, G A 1955, S. 225 ff. D a z u
eingehend unten S. 496ff.
14
Vgl. etwa Kielwein, G A 1955, S. 227
12 15
über die wenigen A u s n a h m e n wird unten noch zu sprechen sein, vgl. S. 476ff. B G H S t 2, 150-157 (156), vgl. oben S. 91/92, N r . 3
464 465

der B G H in einem Falle demselben Irrtum erlegen ist 16 : Wenn man jeman- sicheren Grenzziehungen, zumal wenn es sich, wie hier, um rein hypotheti-
den, der im Handlungsablauf eine ganz untergeordnete Bedeutung hat, sche Betrachtungen handelt.
schon deswegen als Tatherren ansehen wollte, weil er durch aktives Ein- Und endlich würde ein in dieser Weise konstruierter Tatherrschaftsbegriff
greifen - etwa eine Anzeige oder das Herbeirufen von Hilfe - den Erfolg schon dadurch ad absurdum geführt, daß ein unterlassender Garant, wenn
hätte abwenden können, so würde es kaum noch Anstifter und Gehilfen zwischen ihm und dem Erfolg kein Begehungstäter steht, unter allen denk-
geben. Mit der realen Tatherrschaft hat eine solche „potentielle Hinderungs- baren Umständen Täter sein muß, sofern ein hinderndes Eingreifen nur
herrschaft" nichts zu tun. überhaupt möglich und zumutbar war. Wenn aber die Quasi-Tatherrschaft
Man kann auch nicht sagen, daß ein derartiger Herrschaftsbegriff, der bei hier von der „Leichtigkeit" der Abwendung unabhängig ist, muß sie es
Begehungstaten unrichtig ist, in seiner Anwendung auf Unterlassungsdelikte immer sein.
trotzdem zutreffend sein könne. Denn der aktiv Helfende, der wegen seiner Daraus folgt: Eine Begriffsbildung, wonach die „Tatherrschaft" des Unter-
fehlenden Tatherrschaft nur nach § 49 StGB bestraft werden kann, hätte lassenden auf seiner Möglichkeit hindernden Eingreifens oder auf der
dann, soweit er die Erfolgsabwendung unterläßt, gleichwohl die Tatherr- Chance besonders müheloser Erfolgsabwendung beruht, ist falsch und
schaft. Daß dies ein begrifflich und sachlich widersinniges Ergebnis wäre, praktisch undurchführbar. Eine Tatherrschaft des Unterlassenden liegt in
liegt auf der Hand. diesen Fällen nicht vor; und wenn sie bestünde, ließe sich mit ihrer Hilfe eine
Bei den Unterlassungsdelikten kommt noch ein weiterer Grund hinzu, Abgrenzung der Beteiligungsformen nicht vornehmen.
der die Verwertbarkeit eines solchen Tatherrschaftsbegriffs ausschließt. Er
ist zuerst von Gallas 17 in der Feststellung formuliert worden, „daß im
Gegensatz zu der tatsächlichen Einflußnahme des Handelnden auf den b) Der Unterlassende als Täter „sozialer" Tatherrschaft?
Geschehensablauf von einer Tatherrschaft des Unterlassenden nur im Sinne
einer Möglichkeit, in diesen Ablauf hindernd einzugreifen, die Rede sein Noch in einem zweiten Sinne könnte man beim Unterlassenden von Tat-
kann; und daß eine solche potentielle' Tatherrschaft zum Begriff der Be- herrschaft sprechen; dort nämlich, wo nach sozialer Auffassung Tun und
gehung durch Unterlassung gehört, also nicht zugleich dazu dienen kann, Unterlassen sich nicht mehr unterscheiden, wo die Untätigkeit nicht mehr
Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen voneinander zu scheiden". Das als solche, sondern nur noch als Erscheinungsform der Begehungstat und
von der Tatherrschaftslehre erstrebte Ziel einer Abgrenzung von Täterschaft damit als herrschaftsgebundenes Verhalten erscheint.
und Teilnahme würde also gerade verfehlt werden. Hierher gehören die berühmten, nicht zufällig so oft zitierten Schulbei-
Aus diesem Dilemma gibt es nur zwei Auswege. Man muß entweder, da spiele von der Mutter, die ihr Kind verhungern läßt, und vom Bahnbedien-
nicht jeder Unterlassende als Täter strafbar sein kann, zugeben, daß außer steten, der absichtlich einen Zusammenstoß herbeiführt, indem er die Weiche
der - immer vorhandenen und deshalb nichtssagenden - „Tatherrschaft" nicht stellt. Wenn in diesen Fällen ein Todeserfolg eintritt, wird das soziale
noch eine Garantenstellung erforderlich ist: Dann ist es eben nicht mehr Urteil, das im Sprachgebrauch seinen Ausdruck findet, unmißverständlich
die Erfolgsabwendungsmöglichkeit, sondern die Pflicht, die über die Täter- dahin lauten, daß die Mutter und der Weichensteller ihre Opfer „getötet"
schaft entscheidet, und man steht in Wahrheit bei der hier vertretenen Auf- hätten und daß das Geschehen auch ihrer „Herrschaft" unterlegen habe.
fassung. Eine solche Redeweise hat hier einen präziseren Sinn als den eines bloßen
Oder man muß versuchen, die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Hinweises auf die Abwendungsmöglichkeit. Denn unsere beiden Beispiele
Teilnahme in der geringeren oder größeren Schwierigkeit der Erfolgsabwen- unterscheiden sich wesentlich von den gewöhnlichen Unterlassungsfällen
dung zu finden. Tatherr wäre ein Unterlassender danach nicht schon, wenn wie etwa dem, daß ein Vater das ohne sein Zutun ins Wasser gefallene Kind
er den Erfolg verhindern könnte, sondern erst dann, wenn seine Abwendung nicht rettet oder daß ein Polizist pflichtwidrig gegen ein Delikt, z. B. eine
ohne große Mühe möglich wäre. Sachbeschädigung, nicht hindernd vorgeht. In Situationen dieser zweiten Art
Aber mit einer solchen Auffassung, auf deren Ausgestaltungen in der liegt der soziale Bedeutungsgehalt der Untätigkeit nicht darin, daß der Vater
gegenwärtigen Lehre noch zurückzukommen sein wird, wäre das Grund- sein Kind „getötet" 18 oder daß der Polizist die Sache „beschädigt" hat - man
prinzip schon preisgegeben. Denn auch wer nur mit Mühe das Schicksal kann vielmehr beiden nur vorwerfen, daß sie nicht eingeschritten sind und
wenden kann, hat den Erfolg, - wenn man überhaupt mit diesem Gedanken den Erfolg nicht abgewendet haben 19 .
arbeiten will - , „in der Hand", so daß weitere Differenzierungen ausge-
schlossen sind. Außerdem erlauben Abstufungen nach der größeren oder 18
d a ß dieses Verhalten d e n n o c h d e m Rechtsbegriff des T ö t e n s in § 212 S t G B u n t e r z u -
geringeren Schwierigkeit eines Verhaltens keine auch nur einigermaßen o r d n e n ist (vgl. dazu o b e n S. 461), steht auf einem anderen Blatt; rechtliche Begriffe
brauchen mit den sozial vorgeformten Sinngehalten nicht vollen Umfanges übereinzu-
stimmen.
16 19
Vgl. S. 311-313 Vgl. dazu auch die A n d e u t u n g bei H e n k e l , Festschrift für Tesar, Monatsschr. f. Krim.,
17
TZ 1952, S. 372 1961, S. 180, A n m . 7
466 467

Eine derartige Unterscheidung der Unterlassungsfälle in solche, bei denen Trotzdem wäre eine derartige Auffassung der Unterlassungstäterschaft
das Nichtstun im sozialen Sinne einem Begehen gleicht, und andere, in falsch. Sie scheitert schon an der praktischen Erwägung, daß sie nicht
denen es seinen Unterlassungs-Charakter behält, beruht nicht etwa auf erklären könnte, warum etwa der Bademeister, der den ertrinkenden
willkürlichen Unwägbarkeiten des Sprachgebrauchs. Vielmehr handelt es Schwimmer umkommen läßt, als Täter gemäß § 212 StGB bestraft wird.
sich um eine qualitative Andersartigkeit, die auch darin ihren Ausdruck Denn was ihm vorgeworfen wird, ist kein Töten, sondern die unterlassene
findet, daß, wenn die Beteiligten ihrer Garantenstellung genügen, man zwar Rettung. Überhaupt ist der Regelfall des Unterlassungsdelikts nicht der,
den Vater und den Polizisten für die rettende Erfolgsabwendung loben wird, daß ein in den gewöhnlichen Sozialablauf eingeplantes Tun mutwillig außer
daß aber niemand auf den Gedanken verfallen würde, die Mutter und den acht gelassen wird, sondern der, daß der Untätige nicht die Energie auf-
Weichensteller als Retter von Menschenleben zu beglückwünschen. Es er- bringt, einem kraft irregulärer Umstände drohenden Schaden entgegen-
scheint geradezu als absurd, die täglichen Mahlzeiten im Elternhause und die zutreten. In allen diesen Fällen wäre eine Täterschaft des Unterlassenden
gewöhnliche Dienstausübung eines Bahnbeamten als eine ständige Abwen- und wenn kein aktiv deliktisch Handelnder beteiligt ist, auch seine Straf-
dung von Todeserfolgen zu betrachten. barkeit nicht begründbar. Da nun die strafrechtliche Haftung des Unter-
Diese soziale Differenzierung zwischen verschiedenen Fallgruppen der lassenden in diesen Fällen praktisch außer Streit steht - man müßte sonst
Unterlassung beruht auf folgendem: Immer dort, wo die Funktionsfähigkeit unsere ganze Unterlassungslehre radikal umgestalten - wird deutlich, daß
des gesellschaftlichen Organismus auf bestimmten, von vornherein ein- es nicht die „soziale Tatherrschaft" im oben erläuterten Sinne, sondern
geplanten Tätigkeiten (Kinderernährung, Verkehrsregulierung) basiert, stellt allein die Erfolgsabwendungspflicht ist, die den Unterlassenden zum Täter
sich das Unterlassen des gebotenen Tuns seinem sozialen Sinne nach als macht.
Erscheinungsform des Begehens dar. Wo dagegen ein Tun im gewöhnlichen Noch ein anderes kommt hinzu: Wenn man sich überlegt, warum gerade
Ablauf der Dinge nicht vorgesehen ist, sondern von der Rechtsordnung nur das Tun bestimmter einzelner Personen derart in das gesellschaftliche
zur Korrektur von Unglücksfällen oder anderen Störungen geboten wird - Gesamtgeschehen einbezogen ist, daß die Vernachlässigung der von ihnen
wie es bei der Lebensrettung und der Deliktsvereitelung der Fall ist - da ist zu erfüllenden Funktionen nach sozialen Maßstäben als Begehungstat
die Untätigkeit auch nach ihrer sozialen Bedeutung kein Begehen, keine erscheint, dann ergibt sich, daß diese Beurteilung auf eine Besonderheit
Beeinträchtigung des erwünschten Ablaufsgeschehens, sondern ein Nicht- ihrer Pflichtenstellung zurückgeht. Während nämlich die Erfolgsabwen-
Wiederherstellen der Ordnung und damit ein Unterlassen. Begehen und dungspflicht des Garanten im allgemeinen eine „Notpflicht" ist - er ist
Unterlassen in ontologischer Hinsicht - so wie etwa die Finalisten diesen gewissermaßen von der Rechtsordnung zum Retter in Gefahren bestellt -
Begriff hier verstehen - decken sich also nicht mit der sozialen Bedeutung hat der „unterlassende Begehungstäter" eine „soziale Funktionspflicht" zu
desselben Wortpaares. Was ontologisch eine Unterlassung ist, ist es nicht erfüllen. N u r daraus erklärt es sich, daß unser Weichensteller, der absicht-
immer auch im sozialen Sinne. lich den Zug entgleisen ließ, als Herr dieses Vorganges erscheint, während
Wir können den rechtlichen Konsequenzen einer solchen Unterscheidung ein anderer, der alles übersah und nicht auf diesem Posten stand, auch nach
hier im einzelnen nicht nachgehen 20 , sondern müssen uns nur fragen, ob sich sozialer Auffassung nur wegen unterlassenen Eingreifens verantwortlich
aus ihr eine Möglichkeit für die Anwendung des Tatherrschaftsbegriffs auf gemacht würde.
Unterlassungen ergibt. Man müßte dann demjenigen, dessen Untätigkeit als Die „soziale Tatherrschaft" des Unterlassenden ist also letzten Endes nur
Beeinträchtigung der sozialen Ordnung und damit als Begehungshandlung ein Derivat seiner sozialen Funktionspflicht. Daraus folgt, daß auch hier der
erscheint, die Tatherrschaft zusprechen, während Unterlassende, die nur eine primäre, täterschaftsbegründende Umstand die Pflicht ist und daß eine ihr
gestörte Ordnung nicht wieder hergestellt haben, in die Randzone der Teil- gegenüber selbständige Herrschaft nicht existiert. Der Tatherrschaftsbegriff
nahme abgedrängt würden. ist mithin auch in diesem Sinne für die Unterlassungstäterschaft ohne Be-
Es soll nicht bestritten werden, daß der Begriff einer solchen „sozialen" deutung; er kann ihren Erstreckungsbereich nicht zutreffend erfassen, und
Tatherrschaft möglich ist und sich in unseren Beispielsfällen auf das Verhal- wo er anwendbar wäre, führt er über das auch hier maßgebende Pflicht-
ten der Mutter und des Weichenstellers sinnvoll anwenden ließe. Gleichzeitig kriterium nicht hinaus.
könnte dadurch die herrschende Meinung, die das Untätigbleiben eines
Garanten stets nur als Teilnahme ansehen will, wenn er gegen das aktive Tun
eines Dritten nicht einschreitet, eine Rechtfertigung aus dem Herr- 3. Der Begriff des Unterlassungstäters
schaftsprinzip erhalten. Denn wer einen anderen, selbständig Handelnden bei Armin Kaufmann und Grünwald
gewähren läßt, dem fällt allemal nur die Nichtbeseitigung einer sozialen
Störung zur Last. Unsere Lehre, wonach grundsätzlich jeder Pflichtige die Voraussetzungen
der Unterlassungstäterschaft erfüllt und deshalb nicht mehr als Teilnehmer
zu ihrem Einfluß auf den Strafrahmen der Unterlassung vgl. noch unten s. 502/503 eines aktiv Handelnden bestraft werden kann, stimmt mit den neueren
468 469

Arbeiten von Grünwald 21 und Armin Kaufmann 22 insoweit überein, als füllt die hier vertretene Auffassung der Unterlassungstaten als Pflichtdelikte
beide im Bereich des Unterlassens eine Differenzierung zwischen Täterschaft die so entstandene Lücke aus, gibt dem Deliktssubjekt seine plastische
und Teilnahme ablehnen. Beide kommen zu dieser Auffassung durch den Gestalt zurück und gliedert die Unterlassungen wieder in die allgemeine
zuerst von Grünwald überzeugend geführten Nachweis, daß sich sinnvolle Täterlehre ein, in der sie sonst als dogmatisch unverarbeitete Fremdkörper
Kriterien zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme nicht auf- keinen Raum mehr finden könnten.
finden lassen und daß ein solches Unternehmen beim Versuch (wegen der
Straflosigkeit der versuchten Beihilfe) sogar zu ganz ungereimten Ergebnis-
sen führen müßte 23 . Auf diese Fragen wird noch zurückzukommen sein; III. Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft bei Unterlassungen
einstweilen kann auf die vorgenannten Arbeiten verwiesen werden.
Grünwald wie Kaufmann begnügen sich aber mit einer gewissermaßen Durch unsere Konzeption des Unterlassungstäters gewinnen auch die
„negativen" Beweisführung: Man unterläßt die Differenzierung, weil man Formen mittäterschaftlichen Zusammenwirkens, die für Kaufmann bei
keine brauchbaren Unterscheidungsmerkmale gefunden hat. Dagegen ver- Unterlassungen von vornherein ausscheiden, eine gewisse - wenngleich ein-
sucht keiner von ihnen, einen positiven Begriff des Unterlassungstäters zu geschränkte - Bedeutung zurück; eine mittelbare Täterschaft durch Unter-
entwickeln und ihn zum allgemeinen Täterbegriff in Beziehung zu setzen. lassen dagegen ist ausgeschlossen.
Kaufmann sagt nur 24 : „Bei den Unterlassungsdelikten ist vom undiffe-
renzierten Begriff des Unterlassenden auszugehen, ein Analogon zum
Einheitstäterbegriff". Aber das ist nicht richtig, denn Täter ist keineswegs - 1. Mittäterschaft
entsprechend dem Einheitstäterbegriff bei der Begehung - jeder Unter-
lassende, sondern nur der zur Erfolgsabwendung Verpflichtete. Eine Diffe- Was zunächst die Mittäterschaft anlangt, so ist sie in zwei verschiedenen
renzierung der Unterlassenden nach Pflichtigen und Nichtpflichtigen findet Formen denkbar: Erstens so, daß mehrere Unterlassende als Mittäter einer
sehr wohl statt; allerdings ist der Nichtpflichtige normalerweise überhaupt Unterlassungstat betrachtet werden könnten; sodann aber auch in der Weise,
nicht strafbar, so daß dann für die Teilnahme durch Unterlassen kein Raum daß ein Handelnder und ein Unterlassender als Mittäter einer gemeinsamen
bleibt 25 . Tat zusammenwirken.
Grünwald bezeichnet die Beteiligung durch Unterlassen neben der
Täterschaft und der Beihilfe durch Handeln als „eine eigene Beteiligungs-
form" 26 . Zu dieser Annahme kommt er, indem er die „unterschiedliche a) Mehrere Unterlassende als Mittäter
Art und Stärke der Beherrschung des Geschehens" 27 auch bei den Unter-
lassungen als maßgebend für die Form der Beteiligung ansieht. Da er zu- Die Annahme einer Mittäterschaft mehrerer Unterlassender würde voraus-
treffend feststellt, daß der Unterlassende das Geschehen noch weniger setzen, daß sie Träger einer gemeinsamen Pflicht und nicht nur jeweils als
beherrscht als selbst der aktive Gehilfe, ist der Schluß auf eine selbständige Einzelperson zur Tätigkeit aufgerufen wären. In aller Regel fehlt diese
Beteiligungsform von seinem Ausgangspunkt her folgerichtig. Aber diese Gemeinsamkeit, so daß Armin Kaufmann zuzustimmen ist, wenn er sagt 28 :
unter Außerachtlassung des Pflichtkriteriums gewonnene Lösung ist sehr „Wenn 50 Schwimmer dem Ertrinken eines Kindes tatenlos zusehen, so
bedenklich, weil das Gesetz neben Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe haben sie zwar alle die Rettung unterlassen, aber sie haben dies nicht
keine weitere strafbare Beteiligung kennt. Außerdem hätten wir dann bei gemeinschaftlich' unterlassen. Jeder für sich ist ,Unterlassungstäter', wenn
den Unterlassungsdelikten Taten ohne Täter vor uns - eine schwer vollzieh- man will: ,Nebentäter' der Unterlassung". Von dem hier vertretenen Stand-
bare Vorstellung, die auch zu praktischen Schwierigkeiten führt; denn für die punkt aus ist das nichts Besonderes: Es entspricht durchaus der Situation
Anstiftung und Beihilfe zur Unterlassung, die auch Grünwald im Gegensatz bei den Begehungs-Pflichtdelikten, auf deren Behandlung daher verwiesen
zu' Kaufmann anerkennt, fehlt nun die Täterschaft als Beziehungspunkt. werden kann 29 .
Während also bei Grünwald und Kaufmann der Täter des Unterlassungs- Daraus folgt aber weiter, daß dort, wo eine gemeinsame Pflicht vorliegt,
delikts gestrichen bzw. auf den Begriff des Unterlassenden reduziert wird, eine Unterlassungsmittäterschaft sehr wohl denkbar ist. Das gilt zunächst
für die gesetzlich normierten Pflichtdelikte: Wenn zwei Beamte den Auf-
21
G A 1959, S. HOff. trag haben, gemeinsam einen Gefangenen zu bewachen, und wenn sie sich
22
Unterlassungsdelikte, S. 291 ff. entgegen dieser Pflicht verabreden, seiner Flucht untätig zuzusehen, so
23
Vgl. G r ü n w a l d , Diss., S. 109-115; Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 293 f., 296 f. verwirklichen sie den Tatbestand des § 347 StGB als Mittäter durch Unter-
24
Unterlassungsdelikte, S. 302
25
ü b e r mögliche A u s n a h m e n vgl. u n t e n S. 485 ff.
26 28
G A 1959, S. 112 Unterlassungsdelikte, S. 189
27 29
G A 1 9 5 9 , S. 113 Vgl. oben S. 357ff.
470 471

lassen. Ebenso ist es, wenn zwei Vermögensfürsorgepflichtige einverständ- nicht vorliegt - oder auf die Verletzung einer gemeinsamen Pflicht, an der
lich eine zur Wahrung des ihnen gemeinsam anvertrauten Gutes erforder- es hier ebenfalls mangelt.
liche Handlung unterlassen (§ 266 StGB) und in vielen anderen Fällen. Anders liegt es bei den Begehungs-Pflichtdelikten. Wenn - um noch ein-
Entsprechend liegt es aber auch bei den „ungeschriebenen" Unterlassungs- mal auf den Tatbestand des § 347 StGB zurückzugreifen - zwei Aufsichts-
delikten: Wenn zwei Bergführer vertraglich die Pflicht übernehmen, eine beamte dem Gefangenen vereinbarungsgemäß dadurch die Flucht ermög-
Reisegruppe gemeinsam zu führen, und wenn sie den Plan fassen und ver- lichen, daß der eine ihm den Schlüssel zur Öffnung der Zellentür überreicht
wirklichen, die Teilnehmer an gefährlicher Stelle im Stich zu lassen, so sind (aktives Tun), während der andere entgegen seiner Pflicht die Außenpforte
sie, je nachdem, welcher Tatbestand in Frage kommt, Mittäter der Aus- unverschlossen läßt (Unterlassen), so sind sie Mittäter der Gefangenenbe-
setzung, der Körperverletzung oder des Totschlages. freiung. Denn sie erfüllen denselben Tatbestand und verstoßen gegen eine
Entgegen der hier vertretenen Auffassung bestreitet Armin Kaufmann bei gemeinsame Aufsichtspflicht, deren Verletzung sie ohne Rücksicht auf die
Unterlassungen die Möglichkeit einer Mittäterschaft schlechthin. Der Grund Art des äußeren Verhaltens zu Tätern macht.
liegt zum einen darin, daß er die Kategorie der Pflichtdelikte nicht kennt, Man könnte dem zwar entgegenhalten, daß schon in der Vereinbarung
sie also auch bei den Unterlassungen nicht verwenden und daher infolge der eine „psychische Aktivität" des sonst Untätigen liege, die sein Verhalten zu
Unbrauchbarkeit des Tatherrschaftsprinzips keinen Ansatzpunkt für eine einem Begehungsdelikt mache 31 . Das würde am Ergebnis nichts ändern;
solche Begriffsbildung finden kann. Im übrigen stützt er sich lediglich aber eine solche Lösung ist deshalb kaum zutreffend, weil das vereinbarte
auf das Argument, daß ein „gemeinsamer Tatentschluß" nicht in Betracht Verhalten gerade ein Unterlassen sein sollte. Wollte man es nur wegen der
komme, weil es keinen Unterlassungsvorsatz gebe 30 . „psychischen Aktivität" der Abrede als Begehungstat ansehen, so müßte
Aber auch wenn man Kaufmanns These, daß den Unterlassungen keine man konsequenterweise jedes absichtliche Unterlassen wegen der im Be-
den Begehungstaten entsprechende Finalität eigen sei, akzeptiert, bleibt sein wußtseinsvorgang zum Ausdruck kommenden aktiven psychischen Energie
Gedankengang eine petitio principii: Denn nirgends steht geschrieben, daß in ein Kommissivdelikt umdeuten.
die Mittäterschaft bei Unterlassungen einen Vorsatz erfordert, dessen Begriff Im übrigen zeigt gerade die Flüssigkeit der Grenzlinie zwischen der im
Kaufmann einseitig auf die Besonderheiten der Begehungsdelikte zurecht- Bereich der Pflichtdelikte (mit-)täterschaftsbegründenden psychischen Unter-
geschnitten hat und dessen Vorhandensein er vor allem auch selbst bei der stützung und dem einverständlichen bloßen Unterlassen, daß es nicht richtig
Alleintäterschaft des Unterlassenden nicht verlangt. Wenn man - die Kauf- wäre, die Möglichkeit einer Mittäterschaft zwischen Begehungs- und Unter-
mannschen Prämissen unterstellt - trotz der Nichtexistenz eines Unter- lassungstäter bei dieser Deliktsgruppe auszuschließen.
lassungsvorsatzes Einzeltäter der Unterlassung werden kann, warum sollte
dann eine Mittäterschaft nicht ebenso möglich sein?
2. Mittelbare Täterschaft

b) Handelnder und Unterlassender als Mittäter Eine mittelbare Täterschaft durch Unterlassen, deren Möglichkeit vielfach
angenommen wird 32 , ist dagegen generell abzulehnen. Denn jede mittelbare
Nach anderen Gesichtspunkten ist die Frage zu beantworten, ob ein Han- Täterschaft setzt voraus, daß der Hintermann sich eines Tatmittlers bedient,
delnder und ein Unterlassender Mittäter eines Delikts sein können. Eine den er durch aktives Tun in den Handlungsverlauf eingeschaltet hat, sei es,
solche Möglichkeit scheitert im allgemeinen daran, daß die Mittäterschaft daß er das Geschehen kraft seiner Willensherrschaft steuert, sei es, daß er als
für die mehreren Beteiligten einheitliche Zurechnungskriterien verlangt; Pflichtiger einen dolosen Extraneus nur anstößt (was ja im Falle des qualifi-
daran fehlt es hier, weil, wie dargelegt wurde, Tun und Unterlassen in aller kationslosen dolosen „Werkzeuges" zur Begründung der mittelbaren Täter-
Regel verschiedenen Täterbegriffen unterfallen. Wenn also der Badewärter schaft ausreicht).
ungerührt zusieht, wie jemand einen Nichtschwimmer ins tiefe Wasser Ein solcher „Anstoß" fehlt beim Unterlassen naturgemäß. Wollte man
stößt, so sind zwar beide Täter (einer Begehungstat und eines UnterlassungV auf dieses Erfordernis verzichten, so müßte man in jedem Fall, in dem ein
delikts), aber sie sind nicht Mittäter. Garant gegen die Straftat eines Dritten nicht einschreitet, eine mittelbare
Man kann das nicht mit der Erwägung abtun, es handele sich um eine Täterschaft annehmen. Das wäre eine wenig sinnvolle Begriffsbildung, weil
doktrinäre Konsequenz aus der These von der Selbständigkeit der Unter- jedes Unterlassen ein Nichteingreifen in ein unabhängig vom Täter abrollen-
lassungstatbestände; denn diese Lösung folgt auch aus der unmittelbaren des Geschehen darstellt und es strukturell keinen Unterschied bedeutet, ob
Anschauung des Wesens der Mittäterschaft: Sie kann sich nur gründen ent-
weder auf eine gemeinsame arbeitsteilige Herrschaft - die hier ersichtlich 31
so w o h l A r m i n Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 294
32
vgl. n u r Maurach, A.T., 1. Aufl., § 48, III, 1, S. 517; 2. Aufl., a. a. O . , S. 504; Mezger,
Unterlassungsdelikte, S. 189 Lehrb., 2 7 3 . Aufl., S. 420
472 473

dieses Geschehen auf Naturgewalten oder auf dem Verhalten eines Men- IV. Die unterlassene Selbstmordhinderung
schen beruht. Die Täterschaft des Unterlassenden ist in beiden Fällen gleich
mittelbar oder unmittelbar. I. Die Untauglichkeit der Teilnahmelehre
An diesem Sachverhalt scheitert auch die Auffassung Maurachs 33 , der für die Lösung der Problematik
eine mittelbare Täterschaft durch Unterlassen derart für möglich hält, „daß
der mittelbare Täter durch Unterlassung einer gebotenen Handlung die Der Täterbegriff, der nach unserer Auffassung den Unterlassungsdelikten
erfolgsauslösende Tat des Werkzeugs ... herbeiführt". Die Problematik der zugrundeliegt, ermöglicht in der überaus schwierigen Frage, ob die Nicht-
Konstruktion zeigt sich hier schon in der Formulierung; denn wie soll man hinderung fremden Selbstmordes strafbar sei, zunächst eine klare Fest-
durch Unterlassen die Tat eines anderen „herbeiführen"? Zur Verdeut- stellung: Die Teilnahmelehre, die nach der Rechtsprechung des Bundes-
lichung bringt Maurach folgendes Beispiel: „Der mit der Beaufsichtigung gerichtshofs und einer auch sonst im Schrifttum weit verbreiteten Ansicht
eines ... Geisteskranken beauftragte Irrenwärter läßt es wissentlich ge- die Grenze zwischen Straflosigkeit und vorsätzlichem Totschlag zieht, kann
schehen, daß sein Pflegling einen Mitpatienten tätlich angreift". Hier kann es diese ihr zugeschobene Aufgabe nicht erfüllen. Es ist unrichtig, daß eine
doch nur so sein: Entweder hat der Geisteskranke den Angriff unabhängig unterlassene Selbstmordhinderung sich bei bestehender Erfolgsabwendungs-
von seinem Wärter aus eigener Initiative vorgenommen. Dann hat der pflicht bald als straflose Beihilfe zum Selbstmord und bald als Täterschaft
Wärter die Tat nicht „herbeigeführt"; er ist also gewöhnlicher Unterlas- gemäß § 212 StGB darstellen könnte.
sungstäter 34 . Oder er hat den Angriff „herbeigeführt", indem er den Kranken Vielmehr ist es so: Entweder nimmt man an, daß bestimmte Personen-
in igendeiner Weise zu seiner Tat veranlaßt hat. Dann ist der Wärter aller- gruppen stets oder unter näher zu bezeichnenden Voraussetzungen von der
dings mittelbarer Täter, aber durch Begehen und nicht durch Unterlassen. Rechtsordnung verpflichtet worden sind, die ^ sei es auch frei gewählte -
Auch die zweite hier oft angeführte Fallgruppe, bei der „der mittelbare Selbsttötung eines anderen zu verhindern. Dann erfüllt der Unterlassende,
Täter durch eigene Aktivität eine erfolgsbedingende Unterlassung des wenn er die Möglichkeit zum Eingreifen hatte, den aus § 212 StGB ent-
Werkzeugs verursacht" 35 , gehört in einen anderen Zusammenhang. Wenn wickelten Garantengebotstatbestand unter allen Umständen als Täter. Da
etwa jemand „den zum Handeln Verpflichteten von diesem Handeln abhält, allein die Pflichtverletzung täterschaftsbegründend wirkt, kommt es auf
indem er ihn betäubt" 36 , so ist das keine Unterlassungstat 37 , sondern ein seine „Tatherrschaft", auf den „Täterwillen" oder irgendwelche anderen
Begehungsdelikt 38 ). Die Schwierigkeit, hier eine mechanische Kausalität Umstände nicht an. Die Annahme einer bloßen „Beihilfe" zum Selbstmord
nachzuweisen, hindert nicht die strafrechtliche Zurechnung, die jedenfalls an durch Unterlassen ist von vornherein ausgeschlossen.
das positive Tun des Hintermannes anknüpfen muß. Schon die praktische Oder man geht davon aus, daß gegenüber der verantwortlichen Freitod-
Erwägung, daß es nicht sinnvoll wäre, die Strafbarkeit in solchen Fällen von entscheidung eines anderen eine strafrechtlich relevante Erfolgsabwendungs-
einer Garantenstellung abhängig zu machen, führt zu diesem Ergebnis. pflicht nie - oder wenigstens in gewissen Fällen nicht - bestehe. Dann ist
Im übrigen kann man hier auch im Gegensatz zu den Unterlassungen jede Bestrafung des Unterlassenden ausgeschlossen; seine Quasi-„Tat-
bedenkenlos von einer echten Tatherrschaft sprechen. Wer den Rettungs- herrschaft" und sein mangelnder Unterordnungswille sind wiederum
willigen niederschlägt, um einen Verunglückten verbluten zu lassen, hat des- irrelevant.
sen Tod „in der Hand", und zwar nicht nur in dem uneigentlichen Sinne, daß Wenn also der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen 39 die
er durch sein Eingreifen hätte Hilfe bringen können, sondern auch nach der Angeklagten ohne weiteres für verpflichtet erklärt hat, den Freitod des
Art der Begehungsdelikte: Sein positives Tun (das Niederschlagen) führt Ehegatten, der Schwiegermutter, des Verlobten zu verhindern, dann aber
zum Tode des Opfers. Der Umstand, daß die strafrechtliche Haftung auf der die Bestrafung von komplizierten und teilweise widersprüchlichen Erwä-
Feststellung eines hypothetischen Ursachenverlaufes beruht (daß nämlich gungen über Täterschaft und Teilnahme abhängig gemacht hat, so ist das
ohne das Eingreifen des Hintermannes die Rettung gelungen wäre), verbietet schon im Ansatz verfehlt. Da die Erörterungen der einschlägigen Urteile
uns'nicht, ihn, wenn der Nachweis geführt werden kann, für sein Tun ver- sich nicht auf die Selbstmordproblematik beschränken, sondern grundsätz-
antwortlich zu machen. liche Bedeutung für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei
Unterlassungen haben, kann zur Kritik der im einzelnen vom B G H vor-
genommenen Differenzierungen auf spätere Ausführungen verwiesen
A.T., 2. Aufl., § 48, III, 1, S. 504
ebenso mit sehr ähnlicher B e g r ü n d u n g G r ü n w a l d , G A 1959, S. 122 werden 40 .
Maurach, A.T., 1. Aufl., § 48, III, 1, S. 517; in der zweiten Auflage hat Maurach diese Die richtige Fragestellung bei der unterlassenen Selbstmordhinderung
G r u p p e u n d auch das dafür angeführte Beispiel weggelassen. lautet also nicht: „Täterschaft oder Teilnahme", sondern „Garantenstellung
Mezger, Lehrb., 2./3. Aufl., S. 420
so aber Sauer, G S 114, 320; Z i m m e r m a n n , N J W 52, S. 1322
39
treffend A r m i n Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 190; aber auch schon Maurach A. T., B G H S t 2, 150ff.; 13, 162 ff.; M D R 1960, S. 939/40
40
l.Aufl., § 1 8 , II, B, S. 174 U n t e n S. 489 ff.
474 475

oder nicht". Diese Alternative, die sich aus dem hier entwickelten Täter- hat Gallas früher 46 ausdrücklich gezogen; Niese 47 und Kielwein 48 sind dem
begriff schon auf konstruktivem Wege zwangsläufig ergibt, ermöglicht gefolgt. Heute lehnt er sie ab und sagt: „Es muß, da nur auf diese Weise eine
allein auch in der praktischen Anwendung widerspruchsfreie Ergebnisse. sinnwidrige Grenzziehung zwischen straflosem und strafbarem Verhalten
Insbesondere darf die immer wieder in den Vordergrund gestellte Frage, vermieden werden kann, angenommen werden, daß der straffreie Raum, den
ob der Selbstmörder im Zeitpunkt des Unterlassens noch Herr seiner das Gesetz im Bereich der Tötungsdelikte durch Nichtpönalisierung des
Entschlüsse ist oder nicht, keine Rolle spielen. Warum jemand, der dem Selbstmordes und der Teilnahme daran hat schaffen wollen, auch die Nicht-
Selbstmörder die Schlinge knüpft, straflos bleiben, derjenige aber, der ihn abwendung des Todeserfolges bei beendetem Selbstmordversuch umfaßt.
später nicht abschneidet, ein Totschläger sein soll, bleibt unerfindlich. Die Jedenfalls erscheint eine solche Erstreckung der straffreien Zone über die
Garantenstellung verpflichtet, wenn und soweit sie überhaupt besteht, in eigentliche Teilnahme am Selbstmord hinaus unter dem Gesichtswinkel der
jedem Stadium des Geschehens zum Einschreiten. Nimmt man dagegen an, Strafwürdigkeit weit weniger ungereimt als die Annahme, das Gesetz habe
man dürfe den freien Willen des Selbstmörders respektieren, so wäre dieser zwar den zum Selbstmord anstiftenden Garanten straflos lassen, den den
Wille, wie der B G H selbst in anderem Zusammenhang 41 richtig erkennt, Selbstmorderfolg nicht verhindernden Garanten dagegen als Täter eines
„auch dann noch zu achten, wenn der Selbstmörder hilflos oder bewußtlos Tötungsdelikts bestrafen wollen" 49 .
geworden ist". Diese neue Lösung ist, wenn man mit Gallas das Nichteingreifen gegen-
über dem noch handelnden Selbstmörder für straflos hält, im Ergebnis
sicher richtig. Aber die Begründung zeigt deutlich, wie wenig sich die Pro-
2. Auseinandersetzung mit Gallas bleme mit einer Theorie meistern lassen, die die Garantengebotstatbestände
nicht als Pflichtdelikte im oben umschriebenen Sinne ansieht. Denn erstens
Es ist im Rahmen dieser Arbeit unmöglich, auf die zahlreichen zur Selbst- stellt die Annahme Gallas' eine von seinem Ausgangspunkt her theoretisch
mordproblematik entwickelten Lösungen im einzelnen einzugehen; das ist unerklärbare, allein durch die sonst „ungereimten" Ergebnisse gerecht-
auch überflüssig, weil die meisten Lehren auf die Abgrenzung von Täter- fertigte Ausnahme dar. Und zweitens ist es eine widersprüchliche Kon-
schaft und Teilnahme bei Unterlassungen zurückgreifen, die im folgenden struktion, wenn man bei den Selbstmordfällen einerseits eine Erfolgsab-
noch behandelt werden wird. Eine selbständige Würdigung verdient aber die wendungspflicht bejaht, andererseits aber ihre Verletzung allemal in einen
Auffassung von Gallas, der der Frage neuerdings eine gründliche Unter- „straffreien Raum" fallen läßt. Die Möglichkeit, aus § 212 StGB einen die
suchung 42 gewidmet und eine auf die Selbstmordfälle begrenzte Lösung ent- Selbstmordhinderung gebietenden Tatbestand herauszubilden, ist doch von
wickelt hat. Sie ist kennzeichnend für die Schwierigkeiten, in die man gerät, vornherein nur gegeben, wenn man diese Fälle in der Unrechtsqualität dem
wenn man bei den Garantengebotstatbeständen die Erfolgsabwendungs- Totschlag gleichstellt und nach dieser Bestimmung bestrafen will! Glaubt
pflicht zur Begründung der Täterschaft nicht ausreichen läßt. Gallas geht man, das sei mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar, so scheint
grundsätzlich davon aus, daß ein unterlassender Garant nur Täter ist, soweit mir die Folgerung zwingend, daß dann auch eine - das Unterlassen zum
nicht ein handelnder Dritter die Herrschaft über das Geschehen innehat 43 . Totschlag erhebende - Erfolgsabwendungspflicht nicht gegeben sein
Dazu soll später Stellung genommen werden 44 . Hier interessieren nur die kann.
Folgerungen für die unterlassene Selbstmordhinderung, die sich aus dieser
Ansicht ergeben:
Da Gallas eine Erfolgsabwendungspflicht nach allgemeinen Regeln bejaht, 3. Zur Problematik der Garantenstellung
müßte der Garant straflos sein, wenn er dem Selbstmörder „einen Strick
kauft, ihm auf den Stuhl hilft und den Strick um den Hals legt" 45 ; denn bis Die allein berechtigte Frage geht also dahin, ob und gegebenenfalls unter
dahin behält der zum Freitod Entschlossene die Herrschaft über das Ge- welchen Umständen jemand bei Strafe gehalten sein kann, den Selbstmord
schehen. Wenn der Garant aber später hinzukommt und den noch Lebenden eines anderen zu verhindern. Die Antwort liegt, da sie sich nur durch eine
nicht abschneidet, hat er eine Zuchthausstrafe verwirkt; denn er ist nunmehr Auslegung des § 212 StGB gewinnen läßt, außerhalb des hier zu behandeln-
Täter, weil der Selbstmörder die Tatherrschaft verloren hat. den Themas. Doch läßt sich eine allgemeine Richtlinie ohne Schwierigkeiten
Diese Konsequenz, auf deren Seltsamkeit schon oben hingewiesen wurde, aufweisen: Da schon die aktive Förderung eines Selbstmordes nur strafbar
ist, wenn der Außenstehende die Tatherrschaft innehat 50 , wäre es wenig

BGHSt6, 147-155(153) 46
JZ 1952, S. 372/73
JZ 1960, S. 649 ff., 686 ff. 47
JZ 1953, S. 175
a. a. O., S. 687 48
GA1955, S. 227
Vgl. unten S. 496ff. 49
JZ 1960, S. 689
Gallas, JZ 1960, S. 689 50
Vgl. dazu oben S. 158-163, S. 225-230
476 477

sinnvoll, dem Unterlassenden eine den allgemeinen Garantenstellungen ent- nahmebegriffs erinnern. Teilnahme ist eine Mitwirkung außerhalb der für
sprechende Erfolgsabwendungspflicht aufzuerlegen, solange er den Selbst- den jeweiligen Tatbestand maßgebenden Täterschaft. Eine Teilnahme durch
mörder durch positives Tun straflos unterstützen darf. Eine Pflicht zur Unterlassen kommt also dort in Frage, wo eine Untätigkeit nach rechtlichen
Selbstmordhinderung wird also nur dort zu bejahen sein, wo - wie bei Maßstäben als Mitwirkung an einem Delikt erscheint, ohne die Vorausset-
Kindern, Geisteskranken, Irrenden - jede aktive Mitwirkung als tatherr- zungen der Täterschaft zu erfüllen.
schaftsbegründend erscheinen würde 5 1 . Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann nämlich Täter eines Unter-
Konsequent und in sich schlüssig ist allerdings auch die Auffassung lassungsverbrechens nur werden unter einer doppelten Bedingung: Es muß
Maurachs, der die allgemeinen Pflichten zur Abwendung schädigender erstens ein Unterlassungstatbestand vorhanden sein, d.h. es muß die Mög-
Erfolge ohne weiteres auf die Selbstmordfälle überträgt, dann aber ebenso lichkeit bestehen, das Delikt selbständig durch Unterlassen zu begehen.
die geringfügigste aktive Mitwirkung als Totschlag in mittelbarer Täter- Und zweitens muß der Unterlassende, wenn er Täter sein soll, eine Erfolgs-
schaft bestrafen will 52 . Damit wird auch bei Begehungstaten das Herr- abwendungspflicht haben.
schaftsprinzip durch das Pflichtkriterium verdrängt. Auf diese Weise wird Demgemäß kann eine Teilnahme durch Unterlassen immer dann vor-
die Einheitlichkeit der Beurteilung wiederhergestellt; doch ließe sich dieser liegen, wenn eines dieser beiden Erfordernisse fehlt: Einerseits kann es so
Ansatz, wenn er richtig wäre, nicht auf die Selbstmordsituationen beschrän- sein, daß jemand zwar einer Erfolgsabwendungspflicht zuwiderhandelt, daß
ken. Es müßte dann vielmehr bei j e d e m Delikt auch die entfernteste Be- aber ein selbständiger Unterlassungstatbestand, aus dem eine Täterbestra-
teiligung durch einen Garanten ohne Rücksicht auf die Tatherrschaft zur fung erfolgen könnte, nicht existiert (unten II). Und andererseits ist es
Täterbestrafung führen. „Eine solche ,Aufrollung' der Teilnahmelehre vom denkbar, daß zwar ein Unterlassungstatbestand vorhanden ist, daß aber der-
Unterlassungsdelikt her wird niemand in Kauf zu nehmen bereit sein", sagt jenige, dessen Unterlassen die Tat befördert, keine Garantenstellung ein-
Grünwald 5 3 mit Recht. Warum eine derartige Ansicht, die heute nirgends nimmt; diese zweite Möglichkeit setzt voraus, daß es Fälle gibt, in denen ein
vertreten wird 54 und der auch Maurach in dieser Allgemeinheit nicht folgt, Unterlassen auch ohne Erfolgsabwendungspflicht strafbar sein kann (III).
unhaltbar wäre, wird unten noch näher darzulegen sein 55 . Sie auf die Mit- Beide Fragen sind zunächst nacheinander zu untersuchen.
wirkung am Selbstmord zu beschränken und damit aus dem Totschlag für
eine einzelne Sachverhaltsgruppe ein Pflichtdelikt zu machen, ist jedenfalls
nicht angängig. Denn dadurch würde die Beteiligung am Freitod einem straf- II. Teilnahme bei fehlendem Unterlassungstatbestand
begründenden Sonderrecht unterstellt werden, für das es im Gesetz keine
Grundlage gibt. 1. Der Ausschluß der Unterlassungstäterschaft trotz
bestehender Erfolgsabwendungspflicht

§ 38. D i e Teilnahme d u r c h Unterlassen a) Die Voraussetzungen der Garantengebotstatbestände

I. Die Ausgangsproblematik Wir haben gesagt: Eine Teilnahme durch Unterlassen ist möglich, soweit der
Pflichtige nicht Täter sein kann. Hier taucht sogleich eine grundsätzliche
Wenn wir nach dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung davon ausgehen, Frage auf: Wenn bei der Nichthinderung einer Rechtsgüterverletzung allein
daß der Unterlassende durch seine Erfolgsabwendungspflicht zum Täter die Erfolgsabwendungspflicht täterschaftsbegründend wirkt, wie ist es dann
wird, so drängt sich die Frage auf, ob die „Teilnahme durch Unterlassen", vorstellbar, daß trotz Vorliegens dieser Pflicht eine Täterschaft des Unter-
die bis zu den Arbeiten Armin Kaufmanns und Grünwalds zum festen Be- lassenden ausscheiden kann?
stand unserer Dogmatik gehört hat, überhaupt noch möglich ist. Wenn der Die Antwort ergibt sich aus der schon anfangs' vorgebrachten Erwägung,
Pflichtige Täter, der nichtpflichtige Unterlassende aber straflos ist, wie soll daß die Unterlassungstatbestände, soweit sie nicht gesetzlich expressis verbis
dann eine Teilnahme durch Unterlassen denkbar sein? normiert sind, methodisch nur aus den Bestimmungen des Besonderen Teils
Um die Antwort vorwegzunehmen: Sie ist denkbar. Das wird verständ- gewonnen werden können. Dabei hat die Garantenstellung eine doppelte
lich, wenn wir uns an die oben entwickelte „sekundäre" Natur des Teil- Funktion: Sie begründet die Strafbarkeit und gleichzeitig die Täterschaft.
Strafbarkeit und Täterschaft haben aber, wie bei den Begehungsdelikten,
51
sachlich weitgehend ü b e r e i n s t i m m e n d namentlich Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 245; H e i - unterschiedliche Voraussetzungen. Dadurch wird es möglich, daß im Einzel-
nitz, J R 54, 403/06; 55, 105f.; 6 1 , 29f. fall zwar die Erfordernisse der Strafbarkeit, nicht aber die der Täterschaft -
52
B.T., 3. Aufl., 1959, S. 18
53
G A 1959, S. 114
des engeren Begriffs - gegeben sind.
54
Vgl. z u r Kritik auch Schönke/Schröder, 10. Aufl., Vorbem. IV, 1, c, S. 815 vor § 211
55 1
Vgl. S. 499ff. S. 460/461
478 479

Die Strafbarkeit verlangt nur die zurechenbare Verletzung des in einem gen uns damit, einige Hauptbeispiele herauszugreifen. Es kommt im Rahmen
gesetzlichen Tatbestand geschützten Rechtsgutes (im weitesten Sinne des unseres Themas ja auch weniger auf erschöpfende Details an als auf die
Wortes). Damit etwa jemand wegen unterlassener Hinderung eines Dieb- Prinzipien, von denen die Bestrafung einer Teilnahme durch Unterlassen im
stahls oder eines Meineides strafbar sei, ist also nicht erforderlich, daß sein Einzelfall abhängt.
Verhalten dem eines tatbestandsmäßig handelnden Diebes oder Meineidigen
gleichstehe. Auch der aktiv Helfende, der den Dietrich herleiht oder Rat-
schläge für die Falschaussage gibt, begeht ja dadurch keinen Diebstahl oder b) Beispiele fehlender Unterlassungstatbestände
Meineid. Für die Zurechnung zur Strafbarkeit genügt es demnach, daß sich
aus einer Bestimmung entnehmen läßt, der Untätige sei für das tatbestand- A. Die eigenbändigen Delikte
lich geschützte Rechtsgut verantwortlich. Die Pflicht hat insoweit eine straf-
barkeitsbegründende Funktion. Wir haben früher 3 die eigenhändigen Delikte dadurch charakterisiert ge-
Die Täterschaft erfordert darüber hinaus, daß ein Unterlassen dem im funden, daß bei ihnen die sonst überall erforderliche Rechtsgüterverletzung
Gesetz primär beschriebenen Tun in seiner sozial-ethischen Wertwidrigkeit fehlt; stattdessen erfaßt die Strafdrohung bestimmte Formen sozialwidriger
qualitativ gleichsteht. Sonst wäre es nicht möglich, etwa dem Begriff des Lebenshaltung oder die bloße sittliche Verwerflichkeit eines Tuns. Daraus
„Tötens" in § 212 StGB die Nichtabwendung eines Todeserfolges zu sub- ergibt sich, daß der Tatbestand auf die eigenhändige Vornahme der beschrie-
sumieren. Eine solche Gleichwertigkeit ist bei der Totschlagsbestimmung benen Verhaltensweisen begrenzt bleibt.
gegeben: Die Strafdrohung knüpft an die Verantwortung des einzelnen für Es ist leicht zu sehen, daß derartigen Bestimmungen kein entsprechender
einen Todeserfolg an, und für die Qualität der sozialethischen Wertwidrig- Unterlassungstatbestand zur Seite stehen kann. Denn der gemeinsame Be-
keit bedeutet es keinen Unterschied, ob die Verantwortung auf der Tatherr- zugspunkt von Tun und Unterlassen ist die in der jeweiligen Strafbestim-
schaft oder auf einer versäumten Hinderungspflicht beruht. mung pönalisierte Rechtsgüterverletzung; sie ermöglicht die Gleichstellung
Entsprechendes gilt für die Mehrzahl aller anderen gesetzlichen Strafbe- der - wenn auch auf Grund verschiedener Kriterien - für den gleichen
stimmungen. Auf die Unabdingbarkeit und Nachweisbarkeit einer derarti- Erfolg gleichermaßen Verantwortlichen. Wo eine solche Rechtsgüterverlet-
gen Übereinstimmung der Unrechtsqualität von Tun und Unterlassen geht zung fehlt, die deliktische Qualität des Begehungstatbestandes vielmehr nur
denn auch in erster Linie die These zurück, daß es sich jeweils um einen im moralischen Unwertgehalt eines spezifischen positiven Tuns ihren Aus-
einheitlichen Tatbestand handele. Das ist, wie wir gesehen haben 2 , sogar druck findet, hat ein Unterlassungstatbestand naturgemäß keinen Raum.
zutreffend, wenn man sich darüber klar ist, daß man dann nicht die dogma- Wenn etwa ein militärischer Vorgesetzter, ohne sich selbst zu beteiligen,
tische Struktur, sondern die Spezifität sozialethisch wertwidrigen Verhaltens homosexuelle Handlungen seiner Untergebenen wohlwollend duldet, so
über die Einheit des Tatbestandes entscheiden läßt. handelt er gewiß mißbilligenswert, und er wird auch gehalten sein, ein
Die Erfolgsanwendungspflicht hat also immer dann täterschaftsbegrün- solches Tun zu verhindern; als Unterlassungstäter des § 175 StGB kommt er
dende Kraft, wenn die Nichthinderung eines Deliktes der Unrechtsqualität gleichwohl nicht in Betracht, weil seiner Verfehlung nicht die an den eigenen
einer aktiven Begehung entspricht (mag sie auch in ihrem Unwertgehalt unreinen fleischlichen Akt geknüpfte Moralwidrigkeit, die besondere Un-
quantitativ hinter ihr zurückstehen). Fehlt es an dieser Gleichartigkeit, so rechtsfärbung, anhaftet, die allein den Tatbestand der gleichgeschlechtlichen
wirkt die Garantenstellung zwar strafbegründend, aber es gibt keine der Be- Unzucht kennzeichnet. Entsprechendes gilt für alle anderen oben genannten
gehung korrespondierende Unterlassungstäterschaft und damit auch keinen eigenhändigen Delikte.
selbständigen Gebotstatbestand. Die pflichtwidrige Untätigkeit kann dann Die Sonderstellung dieser Strafbestimmungen wird übrigens auch von
nur zur Teilnahmebestrafung führen. Armin Kaufmann und Grünwald, die beide eine echte „Beihilfe durch
Die jetzt gewonnene Erkenntnis, daß eine Erfolgsabwendungspflicht Unterlassen" aus dogmatischen Gründen nicht anerkennen, eingeräumt.
nicht immer den Unterlassenden zum Täter macht, widerspricht unserer Auf ihre Gegenargumente wird noch einzugehen sein. Hier genügt der
Ausgangsthese, daß bei Unterlassungsdelikten die Pflicht alleiniges Täter- Hinweis, daß Kaufmann 4 „im Bereich der reinen Äktverbrechen" die Ent-
kriterium sei, nicht. Es ist vielmehr so: Täter ist nur der Pflichtige; wenn er wicklung eines Garantengebotstatbestandes „in Analogie zum Begehungs-
es nicht ist, scheidet die Möglichkeit einer Täterschaft durch Unterlassen tatbestand" mit Recht ablehnt. In Unterlassungsfällen dieser Art liegt zwar,
völlig aus. Wann das der Fall ist, hängt von der Struktur der jeweiligen wie Kaufmann meint, „dogmatisch ... auch hier nicht eine /Teilnahme
Strafbestimmung ab und ist im Grunde kein Problem der Teilnahmelehre. durch Unterlassen' zum reinen Aktdelikt vor"; kriminalpolitisch bestehe
Es ist deshalb weder möglich noch nötig, die Strafbestimmungen, bei denen aber „eine Parallele zwischen der aktiven Teilnahme am eigenhändigen
ein Unterlassungstatbestand fehlt, hier vollzählig aufzuführen. Wir begnü-
3
S. 399ff., 41 Off.
2 4
Vgl. oben S. 460/461 Unterlassungsdelikte, S. 300
480 481

Delikt und der Verletzung des Garantengebotes, gerade den Akt zu ver- bei Begehungs-Pflichtdelikten ein tatbestandsrelevanter Unterschied zwi-
hindern". In ähnlicher Weise will Grünwald 5 bei Delikten dieser Art eine schen Tun und Unterlassen nicht besteht.
„Beteiligung durch Unterlassen" annehmen, die anders als sonst nach seiner Dagegen ist bei den höchstpersönlichen Pflichtdelikten eine Täterschaft
Lehre nicht unabhängig neben der Begehungstäterschaft eines Dritten steht, nicht in der Weise möglich, daß jemand es entgegen seiner Garantenposition
sondern den Akzessorietätsgrundsätzen folgt, also durchaus entsprechend unterläßt, gegen den Meineid oder die Fahnenflucht eines anderen einzu-
der Beihilfe behandelt wird. schreiten. Der Ausschluß der Unterlassungstäterschaft in solchen Fällen
Zu beachten ist, daß die Fälle ausgeschlossener Unterlassungstäterschaft beruht freilich auf ganz anderen Gründen als bei den eigenhändigen Delik-
strikt auf die eigenhändigen Delikte zu beschränken sind und nicht etwa ten. Denn eine Rechtsgüterverletzung besteht hier: Wer etwa einen Meineid,
auf alle Tätigkeitsdelikte oder Sittlichkeitsverbrechen ausgedehnt werden zu dessen Abwendung er verpflichtet ist, nicht hindert, schädigt die Rechts-
sollten. Das folgt aus denselben Erwägungen, die uns oben 6 zur Anerken- pflege genauso wie der Aussagende selbst. Als Unterlassungstäter kommt er
nung mittelbarer Täterschaft bei derartigen Tatbeständen bewogen haben. gleichwohl nicht in Frage, weil die Vorschriften der §§ 153 ff. StGB für jede
Wenn etwa ein Irrenwärter es duldet, daß sein Schützling sich an einer Art der Täterschaft eine persönliche Aussagepflicht voraussetzen, die dem
Frau im Sinne der §§ 176, 177 StGB vergeht, so ist er wegen Nichtabwen- Handelnden, der nicht selbst Zeugnis ablegt, ebenso fehlt wie dem Unter-
dung des tatbestandlichen Erfolges als Unterlassungstäter nach diesen Be- lassenden. Täterschaftsbegründend ist hier also eine spezifische Pflicht, die
stimmungen zu bestrafen. Er hat zwar selbst keinen unreinen fleischlichen mit der allgemeinen Erfolgsabwendungspflicht nicht identisch ist und durch
Akt vorgenommen; aber das ist, wie oben dargelegt wurde, schon für die sie nicht ersetzt werden kann. Infolgedessen kann die Nichthinderung eines
täterschaftliche Begehung nicht entscheidend. Vielmehr wird die Delikts- falschen Schwurs dem Meineid in der Unrechtsqualität niemals gleichstehen,
qualität dieser Verbrechen durch die Rechtsgüterverletzung, hier also durch so daß ein selbständiger Unterlassungstatbestand von vornherein entfällt
die Beeinträchtigung der geschlechtlichen Integrität der Frau, bestimmt, und und die Untätigkeit des Garanten strafrechtlich nur als täterschaftslose
dafür kann man durch Tun wie durch Unterlassen in gleicher Weise ver- Mitwirkung, d. h. als Beihilfe, zu erfassen ist. Die Behandlung dieser Fälle in
antwortlich sein. Daß der „Sprachgebrauch" für die Möglichkeit einer der Rechtsprechung ist im Ergebnis also nicht zu beanstanden. Die sehr
Unterlassungstäterschaft nicht maßgebend sein kann, bedarf nach unseren umstrittene Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt die Rechts-
früheren Erörterungen zum Eigenhändigkeitsproblem bei Begehungen 7 und pflicht zur Abwendung einer Falschaussage besteht, wird davon natürlich
zur „sozialen Tatherrschaft" bei den Unterlassungen 8 wohl keiner Begrün- nicht berührt.
dung mehr. Nach denselben Gesichtspunkten sind alle anderen Tatbestände dieser
Deliktsgruppe zu beurteilen. Hierzu wird man in weiterem Sinne auch noch
die Beleidigung rechnen müssen 11 . Denn sie läßt zwar eine mittelbare
B. Die höchstpersönlichen Pflichtdelikte Täterschaft zu, verlangt aber doch die Verletzung eines höchstpersönlichen
Achtungsanspruches. Demgemäß kann man zwar Täter einer Beleidigung
Die praktisch wichtigsten Fälle ausgeschlossener Unterlassungstäterschaft durch Unterlassen werden, indem man einem anderen demonstrativ den
ergeben sich bei den höchstpersönlichen Pflichtdelikten, die wir oben auch Händedruck oder den Gruß verweigert. In der Form aber, daß jemand die
als „unecht eigenhändige Straftaten" bezeichnet haben. Es handelt sich um Beleidigung eines anderen nicht verhindert, erscheint eine Unterlassungs-
Verfehlungen, bei denen täterschaftsbegründend eine Pflichtverletzung täterschaft nicht als denkbar; denn der Schweigende wird dadurch schwer-
wirkt, die ausschließlich in einer bestimmten Form unmittelbar-persönlichen lich den gegen ihn persönlich sich richtenden Achtungsanspruch verletzen
Verhaltens bestehen kann. Hauptbeispiele sind etwa die Aussagedelikte und können.
die Fahnenflucht 9 .
Tatbestände dieser Art können sehr wohl durch Unterlassen verwirklicht
werden. Man kann einen Meineid begehen, indem man bei seiner Aussage C. Die Zueignungsdelikte
wesentliche Gesichtspunkte verschweigt; und ein Soldat kann fahnenflüchtig
werden, wenn er es unterläßt, der weiterziehenden Truppe zu folgen. Es Auch aus den Bestimmungen der Zueignungsdelikte lassen sich keine
handelt sich insoweit nur um die schon oben 10 vermerkte Erscheinung, daß selbständigen Unterlassungstatbestände entwickeln. Das liegt am Wesen
der Zueignung: Sie bedeutet mehr als eine Entziehung, die man einem
5
6
GA1959, S. 118/19 pflichtwidrig untätigen Garanten ebenso zurechnen könnte wie einem
S. 416-420 Begehungstäter. Das Plus, das eine Wegnahme zu einem Sich-Zueignen
7
S. 402-405
8
S. 465-467 macht, liegt darin, daß der Täter zum Zwecke wirtschaftlicher Verwertung
9
Vgl. im einzelnen oben S. 392-395
10 11
S. 461-462 Vgl. dazu näher S. 388-392
482 483

die selbständige Verfügungsmacht über eine Sache erlangt 12 . Dieses die 2. Die Begründung der Unterlassungsteilnahme
Deliktsqualität konstituierende Element ist dem Unterlassenden nicht zu- trotz bestehender Erfolgsabwendungspflicht
gänglich, weil ihm die Verfügungsmacht gerade fehlt 13 .
Daher kann der Nachtwächter, der einen Diebstahl pflichtwidrig nicht Wir wissen jetzt im wesentlichen, wann und warum eine Unterlassungs-
hindert, durch sein Unterlassen immer nur die fremde Tat fördern, aber täterschaft trotz"" bestehender Erfolgsabwendungspflicht ausscheiden kann.
nicht in eigener Person den Sinngehalt des § 242 StGB verwirklichen. In ent- Damit ist aber noch nicht bewiesen, daß in solchen Fällen eine Teilnahme
sprechender Weise können der Abteilungsleiter, der es zuläßt, daß die vorliegt. Denn diese ist zwar sekundärer Natur, aber sie ist doch kein bloßer
Angestellten in ihrem Gewahrsam stehendes Firmeneigentum mitnehmen, Auffangbegriff für Fälle gescheiterter Täterbestrafung. Vielmehr setzt die
und der Förster, der die Wilderer gewähren läßt, nicht als Täter der Unter- Teilnahme eine Mitwirkung voraus, die das für den jeweiligen Tatbestand
schlagung oder der Wilderei bestraft werden, so daß ihr Verhalten nur nach maßgebende Täterkriterium nicht erfüllt. So gibt es z. B. bei den Herr-
den Kriterien der Teilnahme erfaßbar ist. schaftsdelikten (abgesehen vom Irrtum über den Vorsatz des Mittlers) keine
Die Tatherrschaft begründet hier also nicht nur die Begehungstäter- Teilnahme an unfinaler Tat 15 , weil der Außenstehende in solchen Situationen
schaft, sondern schließt gleichzeitig den im Regelfall korrespondierenden den Geschehensablauf lenkt und deshalb auch dann nicht Teilnehmer sein
Unterlassungstatbestand aus. Man könnte im Hinblick auf diese zweite könnte, wenn eine Täterbestrafung aus irgendwelchen Gründen unmöglich
Funktion von „qualifizierten Herrschaftsdelikten" sprechen. Der legislato- wäre; darauf beruhen die bekannten Lückenfälle, die sich nach der über-
rische Zweck einer solchen Regelung liegt in der Abgrenzung des Delikts- wiegenden Lehre durch die Verabsolutierung des Herrschaftsprinzips bei der
typus. Das für die Strafbestimmung schlechthin kennzeichnende Element Teilnahmebestrafung ergeben.
der Zueignung ist „herrschaftsgebunden": Keine Zueignung ohne Tatherr- Auch bei den Unterlassungsdelikten entsteht daraus eine Schwierigkeit.
schaft. Wegen dieser Verklammerung ist das Tätermerkmal der Begehungs- Denn Tätermerkmal ist hier die Pflicht. Wir haben nun zwar erklärt, warum
tat nicht wie sonst bei Unterlassungen durch das Pflichtkriterium zu er- trotz ihres Vorliegens eine Täterbestrafung entfallen kann. Dadurch wird
setzen. aber noch nicht verständlich, warum sich dieses Verhalten als Teilnahme dar-
stellt; denn um ein Unterlassen ohne Pflichtverletzung handelt es sich nicht.
Wenn wir uns fragen, ob sich aus den angeführten Fallgruppen allgemeine Sollte vielleicht doch eine Beihilfe durch Unterlassen aus konstruktiven
Kriterien für die Möglichkeit einer Unterlassungstäterschaft ableiten lassen14, Gründen unmöglich sein, wie es jetzt Armin Kaufmann vertritt?
so läßt sich kurz folgendes sagen: Um zu verstehen, daß wir bei der pflichtwidrigen Nichthinderung eines
1. Eigenhändige Delikte sind niemals durch Unterlassen begehbar. Diebstahls, eines Meineides, einer Blutschande trotzdem von einer echten
2. a) Pflichtdelikte gestatten stets eine Unterlassungstäterschaft, soweit „Beihilfe durch Unterlassen" sprechen können, wollen wir zum Vergleich
die für die Strafbestimmung maßgebende Pflicht überhaupt durch ein Nicht- einen Fall der Unterlassungstäterschaft heranziehen; etwa den, daß ein
tun verletzbar ist. Dabei besteht zwischen Tun und Unterlassen im Hinblick Garant gegen einen Totschlag nicht einschreitet. Dieser Fall bietet unter
auf die Teilnahmelehre kein struktureller Unterschied. täterschaftlichen Gesichtspunkten einen doppelten Aspekt: den der Herr-
b) Bei höchstpersönlichen Pflichtdelikten begründet die Verletzung des schaft (die dem Handelnden zukommt) und den der Pflicht (die den Unter-
Erfolgsabwendungsgebotes keine Täterschaft, wenn der Verstoß im Nicht- lassenden zum Täter macht). Nur wenn man diesen zwiefachen Maßstab
einschreiten gegen die Deliktsverwirklichung eines Dritten besteht. Die Miß- anlegt, erhält man zwei selbständig gedachte Nebentäter. Läßt man die täter-
achtung der tatbestandsspezifischen Pflicht ist durch die Garantenposition schaftsbegründende Kraft der Erfolgsabwendungspflicht einmal unberück-
nicht ersetzbar (Beispiele: Aussagedelikte, Fahnenflucht). sichtigt und beurteilt den Gesamtvorgang nach dem Kriterium der Tatherr-
3. a) Schlichten Herrschaftsdelikten steht immer ein selbständiger Unter- schaft, so sinkt die strafrechtlich relevante Beteiligung des Unterlassenden
lassungstatbestand zur Seite, der freilich - anders als bei Pflichtdelikten - zu einer herrschaftslosen Mitwirkung herab, die nur als Beihilfe gewürdigt
eine'gegenüber der Begehungstat abweichende Struktur aufweist. werden kann.
b) Bei qualifizierten Herrschaftsdelikten ist eine Täterschaft durch Unter- Eine solche Betrachtungsweise ist keineswegs unzulässig; denn da sich
lassen ausgeschlossen (Beispiel: Zueignungsdelikte). die Täterschaft des Handelnden aus seiner Alleinherrschaft ergibt, ist es un-
umgänglich, zu ihrer Begründung auf den insoweit peripheren Charakter
der Unterlassungsmitwirkung zurückzugreifen. Der Unterlassende ist also
beim Dazwischentreten eines aktiv tatherrschaftlich Handelnden immer
12
zweierlei: Täter eines Pflichtdelikts und Gehilfe bei einem Herrschaftsdelikt.
Vgl. im einzelnen oben S. 338-352
13 Entsprechendes gilt bei Pflichtstraftaten: Wer durch ein Unterlassen in täter-
Vgl. auch Grünwald, GA 1959, S. 118/19
14
eine nähere Ausführung des vorstehend nur skizzierten Gedankenganges kann in
15
diesem Zusammenhang nicht gegeben werden. Vgl. oben S. 269, 365-367
484 485

schaftsbegründender Weise seine Pflicht verletzt, kann dadurch gleichzeitig Zusammenfassend ist also festzuhalten: Es gibt nach der hier vertretenen
das Begehungsdelikt eines pflichtwidrig Handelnden fördern. Auffassung - in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre, aber ent-
Freilich bedarf diese Gehilfenschaft normalerweise nicht der Erwähnung; gegen der Konzeption Armin Kaufmanns - nicht nur eine Täterschaft,
sie tritt nach unbestrittenen Konkurrenzgrundsätzen hinter der Täterschaft sondern auch eine Beihilfe durch Unterlassen. Aber es ist nicht möglich,
zurück. Immerhin zeigt sich aber, daß die weitverbreitete und unten noch wie es die überwiegende Meinung annimmt, bei einem und demselben Tat-
näher zu erörternde Lehre, die beim Zusammentreffen von Tun und Unter- bestand ein pflichtwidriges Unterlassen bald als Täterschaft, bald als Teil-
lassen die Untätigkeit generell als Beihilfe ansieht, nicht ganz Unrecht hat. nahme zu bestrafen. Vielmehr gewinnt die Beihilfe durch Unterlassen nach
Der Fehler liegt nicht darin, daß das Wesen der Beihilfe verkannt würde, dem bisherigen Ergebnis unserer Untersuchung selbständige Bedeutung
sondern allein in dem Umstand, daß die sie verdrängende Täterschaft nur dort, wo ein Garantengebotstatbestand nicht existiert, also nach der
unberücksichtigt bleibt, weil die selbständige Bedeutung des Pflichtmoments hier vertretenen Lehre im wesentlichen bei den eigenhändigen Straftaten,
bisher nirgends hinreichend erfaßt wird. den höchstpersönlichen Pflichtdelikten und den Zueignungsverbrechen.
Im übrigen ist diese Erscheinung nicht auf die Unterlassungen beschränkt, Besteht ein selbständiger Unterlassungstatbestand, so kommt - vorbehalt-
sondern findet ihre genaue Entsprechung bei den Pflichtdelikten durch lich der sogleich (unter III.) zu erörternden Fälle - nur eine Unterlassungs-
Begehung. Wenn ein Beamter in Ausübung seines Amtes einen Extraneus täterschaft in Frage; insoweit verdient die Auffassung Armin Kaufmanns
zu einer Körperverletzung veranlaßt, so ist er, wenn man auf das Herr- Zustimmung.
schaftsdelikt des Aufgeforderten sieht (§ 223 StGB), unbestreitbar Anstifter; Die im vorstehenden allein aus unserem Täterbegriff entwickelten Thesen
gleichzeitig ist er aber, weil er die ihn treffende beamtenrechtliche Sonder- werden im folgenden noch (unter IV) in der Auseinandersetzung mit den
pflicht verletzt, ungeachtet der fehlenden Tatherrschaft Täter des Pflicht- abweichenden Meinungen in Rechtsprechung und Schrifttum verteidigt und
delikts (§ 340 StGB). Auch hier ist die Konkurrenz so zu entscheiden, daß vertieft werden.
die Anstiftung hinter der Täterschaft zurücktritt. Dasselbe gilt - mutatis
mutandis - für eine Beihilfe des Beamten in solchen Fällen.
Die konstruktive Möglichkeit einer Beihilfe durch Unterlassen ist damit III. Teilnahme bei fehlender Erfolgsabwendungspflicht
nachgewiesen. Sie hat zwar im Regelfall - wenn also ein selbständiger
Unterlassungstatbestand existiert - keine praktische Bedeutung. Insofern 1. Unterlassen als positive Tatförderung
hat Armin Kaufmann, der den Garanten immer nur als Täter bestraft, im
Ergebnis recht. Der Unterschied der hier entwickelten Lehre gegenüber Wenn es die Möglichkeit einer strafbaren Unterlassung ohne Erfolgsab-
seiner Auffassung wird aber wichtig, wenn eine Unterlassungstäterschaft wendungspflicht gibt, so ist es unmittelbar einleuchtend, daß ein solches
aus den oben dargelegten Gründen entfällt. Dann tritt die sonst verdrängte Verhalten nach der hier vertretenen Lehre nur als Teilnahme gewürdigt
Beihilfe wieder hervor und führt zur Bestrafung des untätigen Garanten. werden kann. Ein Unterlassungstatbestand fehlt zwar in derartigen Fällen
Um das an unseren drei Beispielsgruppen zu verdeutlichen: Der Wächter, nicht (oder braucht wenigstens nicht zu fehlen); da aber das Täterkriterium
der den Diebstahl willentlich geschehen läßt, macht sich, da die Zurech- (die Pflicht) nicht vorliegt, kann die Untätigkeit nur als herrschafts- oder
nung durch seine Abwendungspflicht begründet wird, der herrschaftslosen pflichtlose Mitwirkung und damit als Beihilfe auf die Tat des aktiv Handeln-
Mitwirkung am Diebstahl schuldig; die Eltern, die den blutschänderischen den bezogen werden.
Verkehr ihrer Kinder dulden, sind als nicht-eigenhändig Beteiligte strafbar; N u n entspricht es freilich der absolut herrschenden Auffassung, daß
und der Garant, der den Meineid nicht verhindert, ist Mitwirkender ohne Unterlassungen ohne Erfolgsabwendungspflicht unter allen Umständen
die täterschaftsbegründende Aussagepflicht. In allen drei Fällen handelt es straflos sind. Allein: Ganz so sicher ist das nicht. Man denke sich folgenden
sich um eine Teilnahme am Begehungsdelikt, deren täterschaftlicher Bezugs- Fall: In politisch unruhigen Zeiten wird ein Attentat auf einen Staatsmann
punkt ein jeweils anderer (Herrschaft, Eigenhändigkeit oder Pflicht) ist, geplant. Da dessen Haus von der Polizei gut bewacht wird, beschließen die
die aber alle Voraussetzungen einer zurechenbaren Förderung fremder* Tat Attentäter, sich nach Einbruch der Dunkelheit mit Nachschlüsseln und
erfüllt. notfalls mit B rech Werkzeugen Zugang zum Nachbarhaus zu verschaffen,
Dabei liegt allemal eine Beihilfe vor. Eine „Anstiftung durch Unterlassen" um von dort aus über den Hinterhof in die Wohnung des Opfers einzu-
ist ausgeschlossen, und zwar aus denselben Gründen wie die mittelbare dringen. Dabei sind sie sich bewußt, daß das Risiko, schon beim Einbruch
Täterschaft 16 : Sie verlangt einen „Anstoß" des Täters durch den Außen- ins Nachbarhaus von der Polizei gefaßt zu werden, nicht gering ist. Doch
stehenden, der die Handlung notwendig zu einer Begehungstat machen hoffen sie, unentdeckt zu bleiben und schlimmstenfalls wegen versuchten
würde. Einbruchs zur Verantwortung gezogen zu werden. - Am Mittag des für
das Attentat vorgesehenen Tages wird der ganze Plan durch irgendwelche
16
Vgl. S. 471-472 Umstände ohne Zutun und Wissen der Verschwörer von dem Nachbarn ent-
486 487

deckt. Dieser ist ein persönlicher Feind des Staatsmannes und wünscht unsichere Ratgeber; außerdem müssen beide doch auf objektiven Gegeben-
dem Anschlag von Herzen gutes Gelingen. Er läßt deshalb am Abend die heiten beruhen, deren Ausdruck sie sind und deren begriffliche Umschrei-
Haustür, obwohl er sie sonst stets fest verriegelt, unverschlossen, damit die bung unerläßlich ist, wenn die Grenze strafbaren Verhaltens nicht verwischt
Attentäter, ohne Verdacht zu erregen, eintreten und in den Hinterhof ge- werden soll.
langen können. So geschieht es, und der Staatsmann stirbt unter den Dolchen Wir wollen dem Problem durch eine weitere Fallvariation näher kommen:
der Verschwörer. Gesetzt, es wäre im Nachbarhaus niemals üblich gewesen, die Tür zu ver-
Sollte hier der Nachbar nicht einer Beihilfe zum Morde durch Unterlas- schließen; sie wäre vielmehr schon seit Jahren bei Tag und Nacht offen
sen schuldig sein? Dabei wird man ihm eine Garantenstellung kaum zuspre- geblieben, und die Einwohner hätten stattdessen ihre Wohnung verriegelt.
chen können. Ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis oder dergleichen Wenn der Nachbar bei dieser Sachlage von dem Plan erfahren und die Haus-
besteht unter großstädtischen Verhältnissen nicht. Ein vorangegangenes Tun tür nicht verschlossen, d. h. alles so gelassen hätte, wie es immer war, dann
kommt schwerlich in Betracht; denn das Öffnen der Haustür am Morgen, würde man sein Verhalten nicht als Beihilfe zum Mord beurteilen können.
das allein herangezogen werden könnte, war sozialadäquat, objektiv not- Er hätte vielmehr - auch dem sozialen Bedeutungsgehalt des Vorganges
wendig und nicht im geringsten rechtsgütergefährdend; außerdem würde nach - die Tat nicht positiv gefördert, sondern nur ihre Erschwerung unter-
sich an der Beurteilung nichts ändern, wenn ein anderer die Tür geöffnet lassen.
hätte. Eine Erfolgsabwendungspflicht, die ihn zum Täter eines Totschlages Daraus wird deutlich, worin bei fehlender Erfolgsabwendungspflicht
durch Unterlassen machen würde, hat er deshalb genausowenig wie ein der Unterschied zwischen einem unter dem Gesichtspunkt des unechten
beliebiger Dritter, der von dem Plan erfahren hätte. Was ihm unter dem Unterlassungsdelikts straflosen und einem begehungsgleichen strafbaren
Gesichtspunkt des Tötungsdelikts vorgeworfen werden kann, ist also Unterlassen besteht: Eine Untätigkeit erscheint dann als Erleichterung
nicht, daß er das Attentat nicht verhindert hat, sondern allein der Umstand, und positive Förderung einer Tat, wenn jemand eine Handlung, die er unab-
daß er es absichtlich förderte, indem er die Tür offen ließ. Hätte er sie - wie hängig von jeder Deliktsbegehung vorzunehmen willens war und die objek-
jeden Abend - verriegelt, so könnte er, obwohl dadurch die Tat wahr- tiv die Tatbegehung verhindert oder erschwert hätte, im Hinblick auf das
scheinlich nicht verhindert worden wäre und eine Anzeige weit sicherer geplante Verbrechen unterläßt. Wer dagegen eine erfolgshindernde oder
gewirkt hätte, nach den § 211, 212 StGB nicht zur Verantwortung gezogen -erschwerende Handlung, die er nicht ohnehin vornehmen wollte, auch bei
werden. Kenntnis des Delikts weiterhin unterläßt, ist straflos. Kurz und schlagwort-
Woran liegt es nun, daß ein solches Unterlassen, obwohl eine Erfolgs- artig zusammengefaßt: Wer einen bereits gefaßten Handlungsentschluß zur
abwendungspflicht nicht besteht, uns gleichwohl als strafbare Teilnahme Ermöglichung einer Straftat aufgibt, macht sich der Teilnahme schuldig; wer
erscheint? Der Sprachgebrauch, der zwar für sich allein nichts erklärt, aber sich zu dem Entschluß, einem Verbrechen entgegenzutreten, nicht aufrafft,
oft den Bedeutungsgehalt eines Vorganges feinfühlig erfaßt, wird hier ohne bleibt unbestraft.
Schwanken dahin gehen, daß der Nachbar durch das absichtliche Offen- Es ist auch nicht schwer zu verstehen, warum das so ist: Das Zustande-
lassen der Tür die Tat nicht nur nicht verhindert - das wäre ein bloßes kommen jedes Erfolges setzt voraus, daß bestimmte Umstände verwirk-
Unterlassen - sondern sie sogar positiv erleichtert hat. Wir treffen hier im licht werden und andere, ungünstige, nicht eintreten. Infolgedessen ist
Bereiche der Teilnahme auf eine ähnliche Erscheinung, wie sie in anderem jemand, der auf den Erfolg hinwirkende Bedingungen setzt, genauso Teil-
Zusammenhang schon bei der Täterschaft auftrat: Was faktisch gesehen ein nehmer wie derjenige, der erfolgswidrige Faktoren beseitigt. „Denn eine
Unterlassen ist, kann sich seinem sozialen Sinne nach unabhängig von jeder jede Verminderung der Hindernisse einer Tätigkeit ist Beförderung dieser
Pflicht als förderndes Tun darstellen. Tätigkeit selbst" 17 . Wer also dem Dieb die Tür öffnet, ist Gehilfe, obwohl
Das Rechtsgefühl stützt diesen Befund. Denn wenn der Nachbar etwa die er nur ein - zudem auch noch geringfügiges - Hindernis ausgeräumt
Tür stets verschlossen gehalten und nur an diesem einen Tage im Hinblick hat. Ein solcher, in unserem Beispielsfall dem Attentat entgegenstehender
auf das Attentat geöffnet hätte, so könnte niemand daran zweifeln, daß hier Faktor, ist nun auch der Entschluß des Nachbarn, am Abend seine Haus-
eine Beihilfe durch positives Tun anzunehmen sei. Warum soll dann aber tür zu verriegeln. Wenn er diesen Willen aufgibt, um den Verschwörern
etwas anderes gelten, wenn er die Tür jeden Abend abgeschlossen und nur an den Mord zu ermöglichen oder zu erleichtern, beseitigt er damit einen -
diesem einen Tage um des Mordplanes willen offen gelassen hat? Die Ab- sogar sehr gravierenden - erfolgshemmenden Umstand und fördert die
weichungen im naturalistischen Verhaltensbilde beeinträchtigen die Gleich- Tat genauso wie durch ein positives Tun. Auf eine Rechtspflicht zur Erfolgs-
artigkeit des sozialen Sinnvorganges nicht. Es wäre ungereimt, die Beihilfe abwendung kann es deshalb in diesem Zusammenhang von vornherein nicht
zum Mord im einen Fall zu bejahen, im anderen zu verneinen. ankommen.
Mit alledem ist freilich noch nicht geklärt, bei Vorliegen welcher allge- Man sage nicht, es handele sich hier um eine Wiederbelebung der alten
meinen Voraussetzungen ein Unterlassen in der geschilderten Weise dem
aktiven Fördern gleichsteht. Sprachgebrauch und Rechtsgefühl allein sind 17
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1. Aufl., S. 140
488 489

Interferenztheorien. Denn es geht uns nicht um irgendeine Kausalität und 2. Die unterlassene Taterschwerung als Beihilfe?
nicht einmal um die psychologisch verstandene Niederkämpfung eines
Handlungsimpulses, der nach Entdeckung des Mordplanes gar nicht mehr In diesem Zusammenhang ist noch kurz auf eine Lehre einzugehen, die der
zu bestehen braucht. Vielmehr ist der Handlungsentschluß, der im Hinblick Beihilfe durch Unterlassen eine weitere Fallgruppe zuführen könnte. Das
auf das Verbrechen aufgegeben wird, ein Faktor, dessen soziale Realität Reichsgericht1® und - ihm folgend - der Bundesgerichtshof 19 haben näm-
schon dadurch bewiesen wird, daß die Verschwörer ihn in Rechnung stellen lich ausgesprochen, daß jemand auch bei Unmöglichkeit der Erfolgsabwen-
und ihren Plan dem erwarteten Hindernis anpassen. dung wegen Beihilfe zur Begehungstat bestraft werden müsse, wenn er es
Ebenso unrichtig wäre es, wenn man diese Unterlassungsfälle aus dem pflichtwidrig unterlasse, die Deliktsverwirklichung wenigstens nach Kräften
Bereich der tatfördernden strafbaren Beihilfe durch die Erwägung aus- zu erschweren.
schalten wollte, die Aufgabe eines Handlungsentschlusses sei so viel ein- Wäre es richtig, daß der Unterlassende sich in solchen Fällen strafbar
facher als die Ausräumung eines sonstigen tathemmenden Faktors, daß sie machte, so läge in der Tat eine Beihilfe vor. Denn wenn die Möglichkeit der
damit nicht verglichen werden könne. Denn erstens kommt es auf die Erfolgsabwendung fehlt, kann dazu in concreto auch keine Pflicht bestehen,
Schwierigkeit nicht an: Eine aktive psychische Beihilfe, ein Ratschlag etwa so daß ein strafbares Unterlassen nur noch als Beihilfe gewürdigt werden
oder eine Zustimmung, kann ein Mindestmaß innerer Energie ohne alle kann. Eine unterlassene Taterschwerung wäre danach als Teilnahme anzu-
äußere Betätigung verlangen und ist doch strafbar. Und zweitens kann das sehen, wenn der Untätige, sofern die Möglichkeit der Erfolgsabwendung
Ablassen von einem festen Handlungswillen zur Ermöglichung eines Ver- bestanden hätte, dazu verpflichtet gewesen wäre.
brechens aus äußeren und inneren Gründen im Einzelfall größere Mühe Aber diese Auffassung verdient keine Billigung. Sie beruht auf der Er-
machen als eine beiläufige Handreichung. wägung, daß die unterlassene Erschwerung der Tat durch einen Garanten
Um die letzten Zweifel zu beseitigen, sei am Ende noch ein Parallel- ihrer aktiven Erleichterung gleichstehe. Und das ist unrichtig. „Das Recht
beispiel herangezogen: Wenn wir uns den Ausgangsfall so denken, daß die hat keinen Anlaß, ein nutzloses Eingreifen zu verlangen", sagt Grünwald 20
Verschwörer vorher mit dem Nachbarn vereinbart hätten, er solle die Tür zutreffend, und Armin Kaufmann 21 hat die „grotesken" Ergebnisse, zu
entgegen seiner sonstigen Gewohnheit offen lassen, dann würde jedermann denen eine solche Ansicht führen würde, durch plastische Beispiele illu-
eine Teilnahme für gegeben halten, die in Form einer psychischen Beihilfe striert. „Der Fabrikwächter, der vor der Übermacht der Räuber entflieht,
auch bedenkenlos als aktive Unterstützung erfaßbar wäre. Und doch liegt unterläßt es, sich fesseln zu lassen und dadurch den Räubern ihre Tätigkeit
auch hier das Schwergewicht des strafrechtlichen Vorwurfes nicht in der zu erschweren! Ist er bereits gefesselt, so muß er den - wenn auch völlig
seelischen Aufmunterung der Attentäter, die einer solchen psychischen Hilfe aussichtslosen - Versuch unternehmen, durch Ausmalen der Tatfolgen die
nicht bedurften, sondern in der Taterleichterung, also im Nichtverschließen Täter von ihrem Tun abzubringen; usw."
der Tür und damit im Unterlassen. Die Konstruktion einer psychischen Dem ist nichts hinzuzufügen. Die einzigen Fälle, in denen eine unter-
Beihilfe verschleiert also hier und in vielen ähnlichen Fällen nur den Um- lassene Taterschwerung eine strafbare Beihilfe begründet, sind oben ge-
stand, daß eine tatfördernde Unterlassung trotz fehlender Erfolgsabwen- schildert worden. Bei ihnen ist die Unterlassung wirklich eine echte Förde-
dungspflicht als Teilnahme bestraft wird. rung der Tat und deshalb weder an die Möglichkeit noch an die abstrakte
Bei allen Konstellationen der beschriebenen Art ist demnach ein Unter- Pflicht zur Erfolgsabwendung gebunden. Andere Konstellationen dieser Art
lassen ohne Garantenstellung strafbar. Da eine Täterschaft ausscheidet, weil gibt es nicht.
es an einer Pflicht und oft auch an der Möglichkeit zur Verhinderung des
Delikts mangelt, ist der Vorgang stets nur als Beihilfe durch Unterlassen
erfaßbar, so daß wir neben dem Unterlassen ohne Unterlassungstatbestand IV. Abweichende Auffassungen
im Unterlassen ohne Garantenstellung eine zweite Erscheinungsform der
Unterlassungsteilnahme vorweisen können. 1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Dabei muß abschließend ein Vorbehalt gemacht werden: Die hier behan-
delten Fragen sind bisher so wenig erforscht, daß die kurze Skizze, in der Der Bundesgerichtshof hat sich bisher in vier Entscheidungen mit der
wir unsere Auffassung entwickelt haben, nicht ausreicht, um von einer wis- Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen befaßt. Der
senschaftlich gesicherten Erkenntnis zu sprechen. Eine längere Darstellung, Umstand, daß es sich dabei in drei Fällen um die Nichthinderung eines
die das Thema wohl verdiente, kann hier nicht geliefert werden, weil die
Strafbarkeit der Unterlassung außerhalb unseres Themas liegt. Als fest- 18
RGSt 71, 176-178 (178); RGSt 73, 52-60 (54)
stehend können wir aber immerhin davon ausgehen, daß, wenn man unsere 19
BGH, 5. Sen. v. 27. 10. 53, NJW 1953, S. 1838/39 (1838)
Hypothese von der Strafbarkeit dieser pflichtlosen Unterlassungsfälle 20
GA1959, S. 118, Anm. 21
21
akzeptiert, sie grundsätzlich dem Teilnahmebereich zuzuweisen sind. Unterlassungsdelikte, S. 293
490 491

Selbstmordes handelte, kann in diesem Zusammenhang außer Betracht dem Handelnden alles „anheimzustellen". Will er das nicht, so muß er tätig
bleiben, weil das Gericht sein Urteil überall auf die allgemeinen Regeln der werden, und es liegt ein Begehungsdelikt vor.
Täterlehre gegründet hat. Ähnlich steht es mit der Interessentheorie. Ihre relative Bedeutung liegt
a) Die Entscheidung BGHSt 2, 150ff.22 arbeitet mit dem Kriterium der darin, daß jemand, der im Interesse eines anderen handelt, diesem damit
Tatherrschaft, das aber mit der Abwendungsmöglichkeit gleichgesetzt wird. einen gewissen Einfluß auf das Geschehen einräumt. Daran fehlt es hier, weil
Die Gründe für die Unrichtigkeit dieses Ansatzes sind schon dargelegt bei einer solchen Beziehung zwischen Begehungstäter und Hintermann
worden und bedürfen keiner Wiederholung 23 . dieser nicht mehr Unterlassender wäre, sondern wegen psychischer Beihilfe
Ein Urteil desselben (1.) Strafsenats vom 2. 9. 195424, durch das ein Mann oder Anstiftung zum Begehungsdelikt - nach der Rechtsprechung sogar
wegen Totschlages bestraft wurde, der den Selbstmord seiner Verlobten nicht u. U. als Mittäter - bestraft würde.
unterbunden hatte, enthält sich jeder ausdrücklichen Stellungnahme zu Beide Theorien können also ihre Unterscheidungen höchstens noch auf
den Kriterien der Unterlassungstäterschaft, beruht aber wohl auf denselben die subjektiven Empfindungen des Unterlassenden stützen, also etwa darauf
Grundlagen. abstellen, ob er sich über die Tatverwirklichung gefreut hat oder nicht. Der-
b) Eine weitere Entscheidung (wiederum des 1. Senats) vom 24. 6. 1955 25 gleichen aber ist, weil es objektiv ohne jede Auswirkung bleibt, richterlich
verläßt den einseitigen Standpunkt der früheren Urteile und will die Ab- nicht nachprüfbar; außerdem wäre eine solche Abgrenzung methodisch,
grenzung von der „inneren Haltung" des Unterlassenden abhängig machen, dogmatisch und kriminalpolitisch unhaltbar, weil emotionale Regungen, die
die sich nach der Willensrichtung, dem Interesse, der Tatherrschaft und dem in niemandes Macht stehen, nicht über die Anwendung eines höheren oder
Umfang der eigenen Tatbestandsverwirklichung bestimmen soll. geringeren Strafrahmens entscheiden können.
Wenn wir von dem letzten Kriterium absehen, das bei Unterlassungs- Zweitens schließlich scheitert jede subjektive Theorie vollends daran,
delikten schon begrifflich unanwendbar ist, bleiben als neue Gesichts- daß sie beim unterlassenden „Alleintäter" unanwendbar wird. Wenn das
punkte nur die subjektiven Elemente (Willensrichtung, Interesse) übrig. Es Kind, das der Vater ertrinken läßt, nicht durch einen Dritten ins Wasser
handelt sich insoweit also um eine Anwendung der subjektiven Theorie im gestürzt worden, sondern von selbst hineingefallen ist, so hat noch niemand
Bereiche der Unterlassungen - eine Lösung, die auch im Schrifttum noch die Meinung vertreten, daß der vom Gesetz zum Garanten bestellte Vater
ihre Anhänger hat 26 . die strafrechtliche Haftung als Unterlassungstäter dadurch von sich abweh-
Sie empfiehlt sich gerade bei den Unterlassungen wegen ihrer scheinbaren ren kann, daß er die Tat nicht „als eigene" will oder am Tode des Kindes
Praktikabilität und auch deswegen, weil sie sich wegen des Verzichts auf „uninteressiert" ist. Wie sollte es aber dann anders sein, wenn ein Dritter das
objektive Differenzierungen am leichtesten von den Begehungstatbeständen Kind in seine Lage gebracht hat - ein Umstand, der für die äußere und
hierher übertragen läßt. Richtig ist sie gleichwohl nicht. Zunächst einmal innere Situation des Vaters und seine Erfolgsabwendungspflicht gänzlich
ist die subjektive Theorie in ihren beiden Erscheinungsformen denselben irrelevant ist?
Einwendungen ausgesetzt, die ihr schon bei den Begehungsdelikten ent- c) Das dritte einschlägige Urteil des Bundesgerichtshofs 28 schreitet auf
gegenstehen 27 . Bei Unterlassungstaten kommen aber noch zwei weitere der Bahn der Subjektivierung fort. Der vierte Senat läßt hier alle objektiven
Gegenargumente hinzu. Einschränkungen fallen und stellt lediglich fest, daß der unterlassende
Erstens nämlich verflüchtigt sich der Sinn der Dolus- und der Interessen- Angeklagte „das zum Tode seiner Schwiegermutter führende ... Geschehen
theorie, der sich bei Begehungsdelikten immerhin aus einer realen psychi- ... nicht beherrschen wollte, daß ihm also der ,Täterwille' gefehlt" habe.
schen Beziehung zwischen den Beteiligten ergibt, bei Unterlassungen ganz Dieser Wille sei auch bei Begehung einer Tötung durch Unterlassen er-
in den Bereich der Fiktionen. So bleibt es z. B. völlig unklar, wie man bei forderlich 29 .
einem Unterlassenden die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Es handelt sich in dieser Entscheidung um den Fall eines nicht abgewen-
Sinne der Dolustheorie davon abhängig machen kann, ob der untätige deten Selbstmordes. Die Begründung des Urteils zeigt, daß dem Gericht
Garant dem Handelnden die Ausführung der Tat „anheimstellt" oder nicht. deutlich die Gefahren vor Augen standen, die eine „ausdehnende An-
Ihm bleibt doch - passiv, wie er sich verhält - gar nichts anderes übrig, -als wendung des Täterbegriffs" 30 , wie sie sich aus BGHSt 2, 150ff. ergab, mit
sich bringen mußte. Die einseitige Heranziehung der subjektiven Theorie
diente also einer Einschränkung der strafrechtlichen Haftung für fremden
Oben,S. 91, Nr. III Selbstmord.
Vgl. oben S. 463-465
JR 1955, S. 104f. mit abl. Anm. Heinitz (S. 105 f.)
LM, Nr. 10 vor § 47, oben S. 95, Nr. VIII
Vgl. etva Mezger, StuB, B.T., 7. Aufl., 1960, § 5, IV, S. 12/13; Baumann, Lehrb., 2. Aufl., 28
BGHSt 13, 162-169, oben S. 101, Nr. XV
S. 444; NJW 1962, S. 376/77 29
a.a.O., S. 166
Dazu oben S. 52-55 30
a. a. O., S. 167
492 493

Diese an sich begrüßenswerte Tendenz darf aber über die Brüchigkeit der 2. Armin Kaufmann
Begründung nicht hinwegtäuschen. Denn gerade in einem Fall dieser
Art tritt zu den oben angeführten Gründen, die allein schon die subjektive Kaufmann lehnt die Konstruktion einer Beihilfe durch Unterlassen generell
Theorie widerlegen, ein weiteres, durchschlagendes Bedenken hinzu: Wenn ab 32 . Soweit sich das aus dem von ihm bei Unterlassungen vertretenen Ein-
man nämlich einmal - wie es der B G H bedenklicherweise tut - dem An- heitstäterbegriff ergibt, ist seine Auffassung schon oben gewürdigt worden.
geklagten eine Pflicht zur Verhinderung einer frei gewählten Selbsttötung Einige weitere Argumente, „die sich speziell aus der Teilnahmelehre heraus
aufbürdet, so kann es ihm unmöglich gestattet sein, sich dieser Pflicht durch für die /Teilnahme durch Unterlassen zur Begehung' ergeben" 33 , bedürfen
den bloßen inneren Vorbehalt, daß er sich dem Willen des anderen unter- aber noch der Erörterung.
werfe und die Tat nicht „als eigene" wolle, wieder zu entziehen. Die Pflicht a) Die erste These Kaufmanns lautet: „Erkennt man die Undurchführbar-
kann doch nur bedeuten, daß der Garant sich dem Freitod-Entschluß eines keit des Grundansatzes, daß die unechte Unterlassung unter den Tatbestand
anderen gerade nicht unterwerfen darf, sondern ihn auch gegen seinen Wil- des Begehungsdelikts falle, so ist auch die Möglichkeit verbaut, Fälle der
len retten muß! unechten Unterlassung dogmatisch als Teilnahme zum Begehungsdelikt zu
Im übrigen ist es auch sonst überall anerkannt, daß der Gedanke der konstruieren" 34 .
Willensunterwerfung allenfalls beim Zusammenwirken mehrerer Delin- Dem ist zu widersprechen. Schlüssig wäre die von Kaufmann gezogene
quenten herangezogen werden darf, und bei einer Alleintäterschaft, wie sie Folgerung nur dann, wenn die Beihilfe - sei es durch Tun, sei es durch
hier vorliegen würde, keinen Raum hat. Die bei der Begründung des B G H Unterlassen - überhaupt jemals dem Tatbestand eines Begehungsdelikts
unvermeidliche Konsequenz, daß über die Strafbarkeit eines Verhaltens nicht unterfiele oder unterfallen müßte. Das ist aber, wie wiederholt dargelegt
i die Rechtsordnung, sondern die „innere Willensrichtung" des Angeklagten wurde, vom Standpunkt eines allein zutreffenden restriktiven Täterbegriffs
' selbst, sein von den äußeren Gegebenheiten gelöster „Beherrschungswille" aus nicht der Fall. Der Tatbestand umschreibt immer nur den Täter des
| entscheiden soll, führt den Ansatz vollends ad absurdum. Diese Erwägungen jeweiligen Delikts; die Teilnahmeformen, deren Strafbarkeit sich aus den
scheinen mir zwingend zu beweisen, daß man dem Problem allein durch die §§48, 49 StGB ergibt, treten straferweiternd hinzu. Auch wenn man also
oben vorgeschlagene Lösung der Ablehnung jeder Garantenposition bei- Kaufmann darin recht gibt, daß die Teilnahme durch Unterlassen oder die
kommen kann. Unterlassung schlechthin sich dem Tatbestand eines Kommissivdelikts nicht
d) Die bisher letzte Entscheidung des Bundesgerichtshofs 31 kehrt subsumieren läßt, wird die dogmatische Möglichkeit einer Beihilfe durch
schließlich mit gewundener Begründung zum Ausgangspunkt der Recht- Unterlassen nicht in Frage gestellt.
sprechung, dem Kriterium einer aus der Abwendungsmöglichkeit gefol- Im übrigen ist es nach dem Ergebnis unserer Untersuchung sogar umge-
gerten „Tatherrschaft", zurück. Die Angeklagte dieses Falles hat den Selbst- kehrt als man nach Kaufmanns Lehre annehmen müßte: Gerade dort, wo die
! mord ihres Verlobten nicht verhindert, weil ihr dessen Tod „gleichgültig" Unterlassung vom Begehungstatbestand umfaßt wird - wie es oben anhand
| war. der §§ 266, 347 StGB ausgeführt wurde - ist eine Beihilfe durch Unterlassen
i Der B G H hält am Erfordernis des „Täterwillens" zwar in äußerlicher bei bestehender Garantenstellung nicht möglich. Denn da hier die Pflicht-
| Weise auch hier fest, will diese „Willensrichtung" aber nach dem Vorbild verletzung des Handelnden oder Untätigen stets täterschaftsbegründend
! früherer Entscheidungen „wertend", und zwar in erster Linie mit Hilfe des wirkt, scheidet eine Teilnahmebestrafung von vornherein aus.
Tatherrschaftsmerkmals, ermitteln. Die Verurteilung wird denn auch im b) Ein zweites Argument ergibt sich für Kaufmann aus der fehlenden
folgenden nur darauf gestützt, daß die Angeklagte, als der Verlobte „sich in Kausalität der Unterlassung. Er sagt: „Der Mensch kann durch Unterlassen
die Schlinge hatte fallen lassen und bewußtlos ... war, die volle und alleinige nicht kausal werden, also auch nicht durch Unterlassen ein Begehungs-
Tatherrschaft" innehatte. delikt ,fordern'". 35 Diese Erwägung beruht auf der Prämisse, daß ein Teil-
Was zur Widerlegung dieser Argumentation gesagt werden kann, ist nehmer durch Unterlassen, um strafbar sein zu können, für den Erfolg not-
oben schon vorgetragen worden. Es bleibt nur zusammenfassend festzu- wendig kausal sein müsse. Das ist schon deshalb nicht richtig, weil auch der
stellen, daß die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Täterschaft und Teil- Unterlassungstäter nach Kaufmanns eigener Meinung nicht „kausal" ist
nahme bei Unterlassungen in unklarer Weise zwischen der Dolustheorie und man vom Teilnehmer nicht mehr verlangen kann als vom Täter. Aus
und einer falsch verstandenen Tatherrschaftslehre hin- und herschwankt, die dem Begriff des „Förderns" läßt sich kein Gegenargument herleiten. Denn
beide zur Lösung der hier auftauchenden Fragen gleichermaßen untauglich er setzt eine Kausalität nicht notwendig voraus; zumindest bei Unterlassun-
sind.
32
Unterlassungsdelikte, S. 291 ff.
33
a. a. O . , S. 291
34
Unterlassungsdelikte, S. 295
35
hier u n d im folgenden a. a. O . , S. 295
M D R 1960, S. 9 3 9 - 9 4 0 , oben S. 103, N r . XVII 36
a. a. O . , S. 295
494 495

gen ist nicht ersichtlich, warum es undenkbar sein sollte, das pflichtwidrige Das sieht auch Kaufmann und sagt: „Man wende nicht ein, das sei bei der
Geschehenlassen nach rechtlichen Maßstäben als „Fördern" fremder Tat zu aktiven Beihilfe ebenso; d i e s e bezieht sich ja gerade auf die Tathandlung
betrachten. selbst, die sie fördert und der die Qualifikationen anhaften. Die Unterlas-
Kaufmann fügt noch eine Hilfserwägung hinzu: „Wollte man anders sung des Garanten hingegen bezieht sich a u s s c h l i e ß l i c h 3 9 auf das garan-
entscheiden", meint er, „so müßte jede Nichthinderung der Rechtsgutsver- tierte Rechtsgut, das zu schützen unterlassen wird" 40 .
letzung als /Teilnahme durch Unterlassen' betrachtet werden, auch die Hier liegt tatsächlich der springende Punkt. Wenn es wirklich nicht mög-
Unterlassung eines Nichtgaranten". Doch auch das ist nicht zwingend. Denn lich wäre, die Unterlassung auf die Tathandlung zu beziehen, müßte man
die Erfolgsabwendungspflicht ist ein strafbegründendes Merkmal, das Kaufmann recht geben. Es ist aber im Gegensatz dazu schon oben dargetan
beim Vorliegen eines Garantengebotstatbestandes zudem die Täterschaft worden, daß die Unterlassung in solchen Fällen sehr wohl im Hinblick auf
konstituiert. Diese letzte Funktion entfällt, wenn der Unterlassungstatbe- das Herrschaftsdelikt des Begehungstäters gesehen und als echte Beihilfe
stand fehlt. Als Strafvoraussetzung aber bleibt die Garantenposition be- betrachtet werden kann 41 . Der Umstand, daß beim Vorliegen eines Gebots-
stehen. Es gibt nichts, was den Gesetzgeber zwingen könnte, auch den Nicht- tatbestandes die Unterlassung gleichzeitig als selbständiges Pflichtdelikt
garanten zu bestrafen, wenn er nur Erfolgsabwendungspflichtige wegen ihrer erscheint, schließt diese Möglichkeit nicht aus. Aus diesem Grunde ist eine
Mitwirkung zur Verantwortung ziehen will. Diebstahlsbeihilfe durch Unterlassen ohne Bedenken möglich.
c) Weiter meint Kaufmann, da der Unterlassende stets Täter sei, sei „die Die Strafwürdigkeit dieser Fälle räumt übrigens auch Kaufmann ein.
Frage, ob dieses unechte Unterlassungsdelikt außerdem als Beihilfe zur Be- Deshalb erhebt er auch keinen Einspruch dagegen, daß man de lege lata
gehung erfaßt werden kann, schon kriminalpolitisch müßig" 36 . Das ist „mehr schlecht als recht" - wie er sagt - „auch weiterhin mit dem unpassen-
nur insoweit richtig, als ein Garantengebotstatbestand besteht, der die Be- den Lückenbüßer der Beihilfe durch Unterlassen zum Diebstahl" 42 arbeitet.
strafung als Unterlassungstäter erlaubt. Die praktischen Schwierigkeiten der Diese im Ergebnis begrüßenswerte Konzilianz ist aber gleichwohl bedenk-
Kaufmannschen Lehre zeigen sich aber bei den oben erörterten Gruppen der lich: Denn wenn eine Beihilfe oder ein sonst strafbares Verhalten nicht vor-
eigenhändigen Straftaten, der höchstpersönlichen Pflichtdelikte und der liegt, kann die Strafwürdigkeit allein eine Verurteilung unter keinen Um-
Zueignungstatbestände. Da hier eine Unterlassungstäterschaft ausscheidet, ständen tragen.
müßte jede Nichthinderung des Erfolges trotz bestehender Garantenstellung Dieselben Einwände sind gegenüber Kaufmanns Ausführungen zu den
straflos bleiben. Das wäre umso unbefriedigender, als einige der wichtigsten „reinen Aktverbrechen" geltend zu machen. Wenn er meint, daß zwar dog-
Fälle der Unterlassungsteilnahme (Diebstahl, Meineid!) dann nicht mehr matisch eine Teilnahme durch Unterlassen auch hier nicht möglich sei, daß
erfaßt werden könnten. aber „kriminalpolitisch" eine Parallele zu den Fällen der Beihilfe bestehe, so
Kaufmann 37 behandelt die hier auftretenden Fragen nur bei den Bestim- kann diese Erwägung eine Strafbarkeit solchen Verhaltens nicht begründen.
mungen des Diebstahls und der „reinen Aktverbrechen"; mit der letzten Wenn es unmöglich ist, mit dogmatischen Mitteln einen gesetzlichen Straf-
Bezeichnung sollen wohl im wesentlichen die beiden ersten von uns ange- grund aufzufinden, so kann angesichts des nulla-poena-Grundsatzes das
führten Deliktskomplexe umschrieben werden. kriminalpolitische Bedürfnis die Gesetzeslücke nicht ausfüllen. Man kann,
Was den Tatbestand des Diebstahls betrifft, so macht er geltend, daß es nachdem man den Ast abgesägt hat, auf dem man saß, nicht in der Luft sitzen
sich, vom Standpunkt des Garanten aus immer nur um eine - auch im Be- wollen.
gehungsfalle straflose - Sachentziehung handele. O b jemand eine diebische Gerade die Schwierigkeiten, in die Kaufmann hier gerät, scheinen mir zu
Elster nicht hindere, „mit der Brosche im Schnabel zu entfleuchen", ob er beweisen, daß er den an sich so fruchtbaren Gedanken einer Verselbständi-
einen einfachen oder einen schweren Diebstahl geschehen lasse, der Un- gung der Unterlassungstatbestände doch ein wenig übersteigert hat. Mag
rechtsgehalt des Unterlassens sei immer der gleiche38. Deshalb sieht er eine Beihilfe durch Unterlassen auch bei vielen Tatbeständen keine Rolle
keinen Grund, derartige Fälle verschieden zu behandeln. spielen: Sie ist dogmatisch sehr wohl möglich und in manchen bedeutsamen
Dagegen läßt sich vorbringen, daß es bei der Unterstützung einer Tat Fällen auch praktisch nicht zu entbehren.
durch aktives Tun nicht anders liegt. Wenn jemand ein Werkzeug herleiht? so
kann er - je nachdem, ob der Entleiher eine Sachentziehung, einen einfachen
oder einen schweren Diebstahl begeht - entweder überhaupt nicht oder
wegen Beihilfe zum Vergehen oder wegen Unterstützung eines Verbrechens
bestraft werden; und doch hat er, wenn man seinen Tatbeitrag isoliert
betrachtet, in allen drei Fällen dasselbe getan.
39
im Text gesperrt
40
a. a. O . , S. 297/98
a. a. O . , S. 2 9 7 - 3 0 0 41
Vgl. dazu oben S. 483/484
vgl. a. a. O . , S. 298 42
a. a. O . , S. 299/300
496 497

3. Gallas und Kielwein warum es anders sein soll, solange zwischen dem Garanten und dem Erfolg
noch ein handelnder Dritter steht.
Die größte Aussicht auf allgemeine Anerkennung dürfte im Augenblick ein Gallas hat - in der Auseinandersetzung namentlich mit Armin Kaufmann
objektives Abgrenzungsverfahren besitzen, das im Anschluß an die früher - diese Lehre jüngst wieder mit zwei Argumenten bekräftigt:
herrschende Lehre und Rechtsprechung namentlich von Gallas 43 und Kiel- a) Er macht erstens geltend, „daß mit dem aktiven Eingreifen eines vor-
wein 44 entwickelt worden ist 45 . Diese Lehre ist jüngst wieder von Gallas 46 sätzlich handelnden Dritten das Untätigbleiben des Garanten in seiner Be-
zusammenfassend so formuliert worden, „daß neben dem die Tatherrschaft deutung verändert wird. Solange nämlich der aktiv Handelnde den Tat-
ausübenden Täter eines vorsätzlichen Begehungsdelikts jedem ihn an der verlauf durch sein Tun beherrscht, ,verstellt' er dem untätig bleibenden
Erfolgsherbeiführung nicht hindernden Garanten grundsätzlich nur die Garanten den unmittelbaren ,Zugang' zum strafbaren Erfolg: Das Nicht-
Rolle eines Gehilfen verbleibt". Das soll aber nur gelten, solange der eingreifen ... kann ... nur als Nichthinderung des Handelnden und damit
Handelnde den Tatablauf noch beherrscht 47 . Sieht sich der Unterlassende nur als ,negative Förderung' der von diesem entfalteten Aktivität Bedeutung
dagegen „nicht mehr der Betätigung von Tatherrschaft, sondern lediglich gewinnen".
den noch korrigierbaren Wirkungen einer solchen Betätigung gegenüber Das Argument wirkt bestechend, aber es schlägt letzten Endes nicht
(stößt er etwa auf das schwer verletzte Opfer eines Mordanschlages), so ist durch. Gallas hat zwar darin gegen Kaufmann recht, daß durch das Hinzu-
er, wenn er untätig bleibt, ... ebenso als Täter anzusehen wie in dem Fall, treten des Dritten die Situation insofern verändert wird, als man das Ver-
in dem die Gefahr ... überhaupt nicht auf der Straftat eines Dritten, sondern halten des Garanten nunmehr auch auf die Tatherrschaft des Handelnden
auf einem Unfall o. dgl. beruht". In entsprechender Weise macht Kielwein 48 beziehen kann, gegenüber der es nur als Beihilfe erscheint. Nicht schlüssig ist
die Täterschaft des Unterlassenden davon abhängig, ob er „den Ablauf des, aber die Behauptung, das Unterlassen könne nun n u r noch als negative
sei es von Dritten vorsätzlich oder fahrlässig oder nur durch Naturereignisse Förderung des Handelnden betrachtet werden. Wenn es vorher möglich war,
in Gang gebrachten Kausalgeschehens in die Hand bekommen hat. Das ist dem Garanten trotz der ihm auch nach Gallas' Meinung fehlenden Tatherr-
der Fall, sobald der Eintritt des strafrechtlichen Erfolges ausschließlich von schaft die Täterposition einzuräumen, dann ist nicht einzusehen, warum sich
dem Verhalten des Garanten abhängt". das jetzt ändern soll, obwohl Erfolgsabwendungspflicht und -möglichkeit
In der Begründung bestehen zwischen Kielwein und Gallas Unterschiede. bestehen bleiben. Der Charakter des Unterlassungstatbestandes als Pflicht-
Während Kielwein dem Garanten, der sich keinem Handelnden gegenüber- delikt kann dadurch nicht berührt werden. Auch die Verantwortung des
sieht, ausdrücklich die „Tatherrschaft" zuspricht 49 - eine Annahme, der Unterlassenden ist in beiden Fällen die gleiche.
schon oben entgegenzutreten war 50 - geht Gallas zutreffend davon aus, daß Wenn Gallas von dieser strukturellen und wertmäßigen Übereinstimmung
sich „Täterschaft und Beihilfe durch Unterlassen ... nicht am Maßstab der absieht und stattdessen den nichteingreifenden Garanten am Begehungstäter
Tatherrschaft unterscheiden lassen". Für ihn ergibt sich vielmehr die mißt, so kann die hier von ihm statuierte „Ungleichwertigkeit" nur auf
Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei einer Unterlassungstat aus der oft geringeren Strafwürdigkeit beruhen 53 . Diese aber hat - wie Gallas
ihrer „,Gleichwertigkeit', sei es mit der aktiven Täterschaft, sei es mit der selbst einräumt 54 - ihren Grund darin, „daß das Unterlassen g e n e r e l l 5 5
aktiven Teilnahme". 51 als weniger strafwürdig empfunden wird als das positive Tun". Wenn diese
Sieht man von diesen theoretischen Fragen einmal ab, so ist es zunächst Erkenntnis demnach auf die Unterlassungen allgemein zutrifft, so kann sie
sicher richtig, daß ein Garant, der allein die Rechtsgutsverletzung noch ab- nicht gleichzeitig dazu dienen, das Untätigbleiben bald als Täterschaft und
wenden kann, stets auch dann Täter ist, wenn das Opfer von einem Men- bald als Beihilfe erscheinen zu lassen.
schen in die bedrohliche Lage gebracht worden war 52 . Die Frage ist nur, b) Die bisher vermißten Unterschiede in der Qualität des Unterlassens
43
selbst versucht Gallas aber mit einer zweiten Erwägung nachzuweisen. Er
J Z 1952, S. 371-373 erblickt nämlich „die Rechtfertigung für die mit der Annahme von Täter-
44
G A 1955, S. 225 ff.
45
Ü b e r e i n s t i m m e n d auch Niese, J Z 1953, S. 175; F r a n z h e i m , Die Teilnahme an u n v o r - schaft ... verbundene schwerere Bestrafung" darin, „daß der unmittelbar
sätzlicher H a u p t t a t , S. 38 rettende Zugriff, jedenfalls im allgemeinen, geringere Anforderungen an den
46
47
J Z 1960, S. 687 Garanten stellt als die Überwindung eines entgegenstehenden Handlungs-
Darin liegt der Unterschied z u r früher herrschenden Meinung; vgl. Gallas, J Z 1960, willens" 56 .
S. 687, A n m . 67
48
G A 1955, S. 227 Solche „allgemeinen" Aussagen lassen sich aber, wie Armin Kaufmanns 57
49
a. a. O . , S. 227
50 53
S. 462 ff. vgl. dazu noch gleich unten S. 499 ff.
51 54
vgl. J Z 1960, S. 686, A n m . 56; ebenso im Text S. 686 r. Sp. J Z 1 9 6 0 , S. 687, A n m . 70
52 55
vgl. dazu Kielwein, G A 55, S. 227 mit treffenden Beispielen; A r m i n Kaufmann, im Original kursiv gedruckt
56
Unterlassungsdelikte, S. 296; G r ü n w a l d , G A 59, S. 115; Schönke/Schröder, 10. Aufl., J Z 1960, S. 687
57
S. 35/36 Unterlassungsdelikte, S. 296/97
498 499

überzeugend dargetan hat, gerade nicht machen. „Es ist zum Beispiel das Kind fälschlich für verunglückt hielt - ein ebenso unvermeidbares wie
leichter für einen Bademeister, durch einen Zuruf den Jugendlichen daran unhaltbares Ergebnis, gegen das auch Gallas „Bedenken" 63 nicht unter-
zu hindern, einen Nichtschwimmer ins Wasser zu stoßen, als den Ertrin- drücken kann. Freilich hat Grünwald selbst es nicht ganz einfach, die Straf-
kenden später zu retten". Vor allem darf man sich den Handlungstäter in barkeit des Vaters in diesen Fällen zu begründen. Denn wenn die Mit-
solchen Fällen nicht so vorstellen, als ob er, mit einem Revolver bewaffnet, wirkung durch Unterlassen weder Täterschaft noch Beihilfe, sondern eine
hilfswillige Garanten verscheuchen oder ernstlich gefährden könnte. Denn Beteiligungsform eigener Art ist, die „leichter wiegt als selbst die Beihilfe"64,
die Bestrafung wegen Unterlassens setzt doch in jedem Fall voraus, daß der dann ist nicht recht zu erklären, wie mangels gesetzlicher Grundlage die
Pflichtige den Erfolg mit Sicherheit abwenden konnte 5 8 und daß ihm ein Strafbarkeit dieses Beteiligungsversuches begründet werden soll. Geht man
Eingreifen auch zumutbar war, was bei einer Bedrohung des eigenen dagegen mit der hier vertretenen Lehre davon aus, daß es sich um echte
Lebens nicht der Fall wäre. Im Bereiche des Möglichen und Zumutbaren Täterschaft handelt, so versteht sich die Strafbarkeit eines Verhaltens, an
aber noch weiter nach den Kriterien „leichter" und „schwieriger" zu diffe- dessen Strafwürdigkeit kein Zweifel besteht, von selbst.
renzieren, erscheint mir schon deshalb nicht angängig, weil auch bei der Nimmt man alle diese Gründe zusammen, so scheint mir dargetan zu sein,
„Alleintäterschaft" durch Unterlassen solche Abstufungen möglich sind, daß die von Gallas und Kielwein vertretene Auffassung nicht richtig ist. Sie
ohne sich strafrechtlich auszuwirken 59 . So wird es sicher in der Regel enthält einen zutreffenden Ansatz, schießt aber über das Ziel auf der einen
leichter sein, ein Kind vor einem Sturz ins Wasser zu bewahren als es aus Seite genau so weit hinaus wie die Lehre Armin Kaufmanns auf der anderen
einem brennenden Haus zu retten. Trotzdem ist der Garant, wenn nur Seite. Im einen Falle (Kaufmann) wird das Verhalten des Unterlassenden aus-
überhaupt die Voraussetzungen der Strafbarkeit vorliegen, in beiden Fällen schließlich in seiner Selbständigkeit, im anderen (Gallas und Kielwein) ledig-
Täter. lich in seiner Beziehung zum Handelnden gesehen, während in Wirklichkeit
c) Die beiden von Gallas für seine Lehre vorgebrachten Beweisgründe nur beide Betrachtungsweisen gemeinsam der Sachlage gerecht werden: Der
sind also nicht zwingend. Darüber hinaus sprechen aber auch noch zusätz- pflichtwidrig Unterlassende ist Zentralgestalt des Garantengebotstatbestan-
liche Erwägungen gegen seine Abgrenzung. des und zugleich Randfigur im Hinblick auf das Begehungsdelikt des da-
Ein erstes Bedenken ergibt sich aus den Zufallsergebnissen, zu denen sie zwischentretenden Dritten.
führt. Wenn jemand für das Leben eines Menschen einzustehen hat und d) Allerdings müssen wir uns noch mit einem Gegeneinwand auseinan-
nichts dagegen unternimmt, daß ein Dritter ihn erschießt, so wird er wegen dersetzen, der trotz aller vorstehend klargelegten Unzuträglichkeiten die
Beihilfe zum Mord oder Totschlag bestraft. Entschließt sich der Dritte aber Annahme, daß beim Zusammentreffen von Begehen und Unterlassen der
zufällig, sein Opfer ins Wasser zu stoßen und ertrinken zu lassen, so rückt Untätige stets nur Gehilfe des Handelnden sei, als unvermeidlich erscheinen
der Garant plötzlich zum Täter auf, nur weil er den Betroffenen später noch lassen könnte. Wenn man nämlich mit der hier vertretenen Lehre davon
wieder hätte herausziehen können. ausgeht, daß beim Bestehen eines entsprechenden Tatbestandes die bloße
Man sollte doch meinen: Wenn schon jemand verbrecherischerweise den Pflichtverletzung den Garanten zum Unterlassungstäter macht, so scheint
Entschluß faßt, den ihm anvertrauten Menschen sterben zu lassen, so liegt das im Widerspruch zur Beurteilung der aktiven Beihilfe des Pflichtigen zu
es nur in der Konsequenz dieses Planes, daß er ihn am Ende genausowenig stehen.
rettet wie am Anfang. Jedenfalls ist nicht recht verständlich, warum das U m das an einem Beispiel zu zeigen: Wenn der uneheliche Vater das
Beharren bei einem einmal gefaßten Plan die Heranziehung eines anderen Kind umbringt, und die Mutter ihm dabei Ratschläge erteilt, ist der Vater
und höheren Strafrahmens begründen soll. In dem Sonderfall der Nicht- Täter und die Mutter Gehilfin des Totschlages. Verzichtet die Mutter aber
verhinderung fremden Selbstmordes spricht sogar Gallas selbst von einem auf ihre Ratschläge und verhält sich völlig passiv - was doch allenfalls eine
„Dilemma" und hat seine eigene Lehre wegen ihrer „ungereimten" Ergeb- mildere Beurteilung verdient - so ist sie Unterlassungstäterin, und die nach
nisse insoweit aufgegeben 60 . § 49 StGB gegebene Strafmilderungsmöglichkeit entfällt. Oder, um bei der
Eine weitere Schwierigkeit ist von Grünwald 6 1 aufgedeckt worden. Da die aktiven Unterstützung zu bleiben: Der Gehilfe müßte, insofern er die
versuchte Beihilfe nicht strafbar ist, müßte „der Vater ..., der seinem Kind Pflicht und Möglichkeit zur Erfolgsabwendung hat, gleichzeitig den Maß-
nicht zu Hilfe eilt, wenn er irrig annimmt, daß es ermordet werde" 6 2 , straflos stäben der Unterlassungstäterschaft unterstellt werden; dadurch würde bei
bleiben, während er wegen versuchten Mordes ins Zuchthaus käme, wenn er Garanten die aktive Beihilfe verdrängt und praktisch illusorisch gemacht
werden, was im Gesetz keine Anhaltspunkte findet und auch dem delikti-
58
vgl. dazu o b e n S. 489 schen Gewicht von Tun und Unterlassen zuwiderläuft. Es wäre nicht ver-
59
vgl. zu diesen Fragen allgemein schon oben S. 464/465 ständlich, wenn ein deliktisch weniger schwerwiegendes Verhalten - das
60
J Z 1960, S. 689; vgl. oben S. 474/475
61
G A 1959, S. 116-119; im Anschluß an ihn auch A r m i n Kaufmann, Unterlassungs-
delikte, S. 293/94 63
J Z 1960, S. 687, A n m . 69 am Ende.
62
a. a. O . , S. 116 64
a. a. O . , S. 113
500 501

bloße Nichtstun - härter beurteilt würde als ein rechtsgüterverletzendes Die „UngleichWertigkeit", die Gallas im Verhältnis des Unterlassenden zum
Handeln. Begehungstäter festgestellt hat, beruht, wie schon oben 70 gezeigt wurde,
Die hier auftretende Schwierigkeit hat bisher nicht die Beachtung gefun- ganz allgemein darauf, daß es unbillig ist, wenn jemand, der nur die Kraft
den, die sie verdient. Immerhin liegt es nahe, daß die so weitverbreitete zum Handlungsentschluß nicht aufgebracht hat, nach dem vollen Straf-
Lehre, die beim Dazwischentreten eines Begehungstäters immer nur Beihilfe rahmen der Begehungstäterschaft verurteilt wird. Wenn man nun, wie es die
durch Unterlassen annehmen will, durch Gesichtspunkte dieser Art trotz von Schröder und Maurach vertretene Auffassung will, anstatt die Unter-
aller ihr anhaftenden Mängel gestützt werden könnte. Es gibt freilich noch lassungsstrafe zu mildern auch noch zusätzlich die aktive Beihilfe von der
einen anderen Weg, um der Problematik Herr zu werden: Man könnte, Privilegierungsmöglichkeit ausschließt, so übertrumpft man einen Fehler mit
anstatt den Unterlassungstäter zum Gehilfen zu degradieren und durch diese dem anderen und kommt - wenn man so sagen darf - aus dem Regen in die
Zerstörung des Täterbegriffs andere Ungereimtheiten heraufzubeschwören, Traufe.
umgekehrt den aktiv Unterstützenden zum Begehungstäter aufrücken lassen Dieser „Ausweg" ist also ein Irrweg. Der Umstand, daß die Unterlassung
und dadurch die Unstimmigkeit wieder beseitigen. ceteris paribus weniger schwer wiegt als eine Begehungstat, ist heute so
Dieser Methode bedienen sich, wenn auch in eingeschränkter und unter- weitgehend anerkannt, daß die dafür sprechenden Gründe hier nicht im ein-
einander verschiedener Weise, Schröder und Maurach. Schröder, auf dessen zelnen wiederholt zu werden brauchen 71 . Für uns folgt daraus jedenfalls:
Lehre im folgenden noch näher einzugehen sein wird, nimmt im Regelfall in Wenn man die Gleichstellung des Unterlassens mit der aktiven Beihilfe
Übereinstimmung mit der von uns vertretenen Auffassung an, daß der dadurch herzustellen versucht, daß man für den Garanten die Möglichkeit
pflichtwidrig Unterlassende Täter ist, auch wenn ein anderer den Begehungs- einer Teilnahme und damit der Anwendung des milderen Strafrahmens
tatbestand verwirklicht hat 65 . Im Anschluß daran stellt er fest, aus dieser generell ausschließt, so ist das sachlich unrichtig. Es handelt sich um eine
Ansicht folge „weiter, daß auch bei Unterstützung einer solchen Tat durch Uberdehnung des Pflichtprinzips, wie sie trotz der allgemeinen Vernachlässi-
positives Handeln derjenige, der eine Schutz- und Obhutspflicht gegenüber gung dieses Kriteriums auch sonst gelegentlich vorkommt 72 .
dem verletzten Rechtsgut hat, nicht in der Form der Beihilfe, sondern nur in Damit aber stehen wir erneut vor der Frage, ob nicht die Annahme einer
der Form der Täterschaft sich an diesem Delikt beteiligen kann" 66 . Eine ähn- Beihilfe durch Unterlassen - mag auch der Ausschluß der Täterschaft dog-
liche, schon oben 67 dargestellte Lehre vertritt Maurach beim Selbstmord: Da matisch noch so wenig begründbar sein - im Ergebnis die bessere Lösung
er annimmt, daß die Pflicht, einen anderen vor Schaden zu bewahren, das bringt als unsere Meinung, die beim Vorliegen eines Unterlassungstatbestan-
generelle Gebot der Selbstmordhinderung einschließt, bestraft er jede aktive des, ob nun Menschen oder Naturgewalten das Unglück heraufbeschworen
Mitwirkung einer solchen Person, mag auch der Selbstmörder noch so frei haben, ausnahmslos die Täterschaft bejaht.
handeln, als Totschlag 68 . Doch ist jetzt die Antwort nicht mehr schwer. Denn zwar wäre es un-
Diese Lehren können aber, obwohl sie die Ungerechtigkeiten vermeiden, gerecht, den Unterlassenden nach einem höheren Strafrahmen als den aktiv
die in der härteren Bestrafung des Unterlassens gegenüber dem positiven Unterstützenden zu bestrafen. Aber um diese Schwierigkeit kommt die
Tun liegen, nicht befriedigen. Zunächst einmal verstoßen sie - so, wie durch Gegenmeinung ebenso wenig herum: Sie hat keine Milderungsmöglichkeit
die generelle Annahme der Unterlassungsbeihilfe der Täterbegriff der Unter- für den Garanten, der ängstlich vor der Rettung des im Sturm gekenterten
lassungsdelikte preisgegeben wird - gegen den allgemeinen Täterbegriff Schützlings zurückweicht, obwohl auch in diesem Falle das Unterlassen
der Begehungsverbrechen. Täter eines Totschlages durch Begehen ist dann weit weniger schwer wiegt als eine aktive Beihilfe zum Totschlag. Sie führt
nicht mehr - oder nicht mehr nur - wer die Tatherrschaft hat, sondern nur zu der weiteren Ungereimtheit, je nach der Art der Gefahrenquelle ver-
jeder, der, wenn er sich nicht aktiv beteiligt hätte, wegen einer Unterlassungs- schiedene Strafrahmen anwenden zu müssen, obwohl die deliktische Quali-
tat hätte zur Verantwortung gezogen werden können. Die von Grünwald 6 9 tät des Unterlassens von diesem Umstand ganz unabhängig ist.
berufene „Aufrollung der Teilnahmelehre vom Unterlassungsdelikt her" Daraus folgt zwingend, daß man den aus dem Verhältnis von Tun und
wäre perfekt und würde insoweit jede Anstiftung und Beihilfe überhaupt Unterlassen entstehenden Strafzumessungsproblemen nicht durch eine ad
ausschalten. hoc konstruierte Teilnahmelehre, sondern allein durch eine für alle Er-
N u n könnte man das alles in Kauf nehmen, wenn eine solche Lehre zu scheinungsformen der Unterlassung gleichermaßen geltende Strafmilderung
sachlich überzeugenden Ergebnissen führte. Aber das Gegenteil ist der Fall. gerecht werden kann. Es muß für jede Unterlassungstat, insbesondere
also auch für die Täterschaft durch Unterlassen, schon de lege lata eine Mög-

Schönke/Schröder, 10. Aufl., Vorb. VI, 8, a vor § 1, S. 36


70
a. a. O . , ferner § 47 III, S. 232 S. 497/498
71
S. 475/476 Vgl. zusammenfassend mit weiteren N a c h w e i s e n A r m i n Kaufmann, Unterlassungs-
vgl. Maurach, B.T., 3. Aufl., S. 18 delikte, S. 300ff.
72
G A 1959, S. 114 Vgl. o b e n S. 384
502 503

lichkeit zur Herabsetzung der Strafe nach Beihilfegrundsätzen angenommen Beamten, der durch Nichtsteilen der Weiche absichtlich einen Zusammen-
werden. Das ist, wenn man die kriminologischen und rechtspolitischen stoß herbeiführt. Und zweitens gehören hierher die Begehungspflichtdelikte,
Erwägungen einmal beiseiteläßt, auch dogmatisch durchaus begründbar. bei denen Tun und Unterlassen sich in ihrer täterschaftlichen Struktur nicht
Schon Grünwald 7 3 und Kaufmann 74 haben beachtliche Gesichtspunkte dafür unterscheiden 78 und deshalb auch in ihrer Strafwürdigkeit nach demselben
vorgebracht. Ein weiteres Argument ergibt sich unmittelbar aus unserer Teil- Maßstab zu beurteilen sind: O b der Gefangenenwärter seinen Schützlingen
nahmelehre: durch ein Nichtverschließen oder durch ein Öffnen der Tür oder auf irgend-
Denn danach liegt, wie oben 75 ausgeführt wurde, in der Tat eine Beihilfe eine andere Weise die Flucht ermöglicht, hat auf die Vorwerfbarkeit seines
vor, wenn ein Begehungstäter zwischen der Unterlassung und dem Erfolge Verhaltens keinen prinzipiellen Einfluß.
steht. Ein und dasselbe passive Verhalten stellt sich gleichzeitig als Beihilfe Wenn man alle diese Umstände berücksichtigt, wird man zugeben müssen,
zur Verwirklichung des Begehungstatbestandes und als täterschaftliche daß die praktischen Ergebnisse unserer Lehre in jeder Hinsicht befriedigend
Erfüllung des Unterlassungstatbestandes dar. Daraus ergibt sich: Wenn man sind und daß sie die zahlreichen Unstimmigkeiten der von uns bekämpften
das pflichtwidrige Unterlassen am selben Maßstab mißt wie das Begehungs- Auffassung vermeidet. Der Gegeneinwand, von dem wir ausgegangen sind,
delikt, auf das der gesetzliche Strafrahmen ohne Zweifel zugeschnitten ist, zieht seine Eindruckskraft allein aus der Tatsache, daß man Begehungs- und
so erscheint es als Beihilfe, die selbstverständlich der fakultativen Straf- Unterlassungstäterschaft unberechtigterweise demselben Strafrahmen unter-
milderung unterliegt. Wenn dasselbe Verhalten außerdem als Unterlassungs- stellt, weil man nicht erkennt, daß die Täterschaft durch Unterlassen dog-
täterschaft zu beurteilen ist, so erfolgt diese Zurechnung auf Grund eines matisch zwar gleichzeitig als Begehungsbeihilfe, nicht aber als aktive Täter-
anderen Täterkriteriums nach anderen Maßstäben, die denjenigen der Be- schaft verstehbar ist.
gehungstäterschaft zwar in der Qualität der sozialethischen Wertwidrig- Die Konkurrenzen von Tun und Unterlassen sind demnach folgender-
keit 76 , aber keinesfalls in der Schuldhöhe und in der individuellen Straf- maßen zu lösen: Wenn ein Unterlassungstatbestand existiert und der Garant
würdigkeit gleichgesetzt werden können. Vielmehr läßt sich, was von uns pflichtwidrig untätig bleibt, wird er als Täter des Unterlassungsdelikts nach
und einer auch sonst weitverbreiteten Lehre für das Strafmaß der Unter- dem Strafrahmen der Beihilfe bestraft, und zwar auch dann, wenn ein Dritter
lassung gefordert wird, aus der hier vertretenen Konzeption schon als dog- den Begehungstatbestand durch sein Handeln verwirklicht hat. Die Beihilfe
matisch richtig ablesen: Unterlassungstäterschaft = Beihilfe zum Begehungs- zum Begehungsdelikt, die in einem solchen Falle in der Untätigkeit gleich-
delikt. Deshalb ist es konstruktiv geradezu verfehlt, die Unterlassungstat als zeitig liegt, tritt hinter der Unterlassungstäterschaft zurück. Besteht kein
Begehungstäterschaft nach deren Strafrahmen zu beurteilen. Denn hier wird Unterlassungstatbestand, so wird der nicht einschreitende Garant lediglich
das Ungleiche gleichgesetzt. Die Unterlassungstäterschaft ist, wenn über- als Gehilfe des Begehungstäters verurteilt. Wenn dagegen ein Pflichtiger die
haupt ein Handelnder da ist, nie mehr als eine Begehungsbeihilfe und kann Abwendung des Erfolges unterläßt und obendrein noch den Begehungstäter
folglich auch nicht anders bestraft werden. durch positives Tun unterstützt, ist er unabhängig vom Vorliegen eines
Da, wie ebenfalls schon ausgeführt wurde, prinzipielle Wertunterschiede Unterlassungstatbestandes nur wegen Beihilfe zum Begehungsdelikt zu
zwischen den verschiedenen Formen der Unterlassung nicht aufweisbar sind, bestrafen. Denn wenn ein Garant positiv auf den zu vermeidenden Erfolg
gilt das alles auch dann, wenn der Unterlassende „Alleintäter" ist, wenn er hinwirkt, wiegt das schwerer als wenn er seine Abwendung nur unterläßt;
also anstatt gegen Menschen gegen Naturgewalten pflichtwidrig nicht ein- die neben der aktiven Beihilfe stehende Unterlassungstat ist dann subsidiär.
schreitet. Freilich ist zu beachten, daß die Strafmilderung fakultativ und Die Täterschaft durch Unterlassen verdrängt also die Unterlassungsbeihilfe
nicht etwa obligatorisch sein soll. Denn es gibt hier - wie bei der Be- zum Begehungsdelikt, tritt aber ihrerseits hinter der aktiven Beihilfe zur Be-
gehungsbeihilfe - Fälle, die denen einer Täterschaft durch positives Tun an gehungstat zurück.
Strafwürdigkeit nicht nachstehen. Alle diese Folgerungen entsprechen den Sachgegebenheiten ebenso wie
Sie lassen sich auf Grund der von uns früher entwickelten Gesichtspunkte dem unbefangenen Rechtsgefühl. Es ist deshalb de lege ferenda die Forde-
sogar ziemlich genau angeben: Es handelt sich dabei erstens um die Er- rung zu erheben, daß eine fakultative Strafmilderung für die Unterlassungs-
scheinungsformen einer begehungsgleichen und deshalb auch in der Straf- tat im Gesetz ausdrücklich vorgesehen werde. Der Entwurf 1962 hat leider,
zumessung dem aktiven Tun entsprechenden Unterlassung, die oben 77 unter obwohl auch in den Kommissionsberatungen zahlreiche namhafte Straf-
dem Stichwort der „sozialen Tatherrschaft" zusammengefaßt wurden, also rechtler dafür plädiert haben, von der Aufnahme einer solchen Bestimmung
um die Beispiele von der Mutter, die ihr Kind verhungern läßt, und von dem abgesehen. Dabei wird auch in der Entwurfsbegründung eingeräumt, daß
für die Milderungsmöglichkeit „Gründe von Gewicht beigebracht werden
können" 79 .
75
G A 1959, S. 113
74
Unterlassungsdelikte, S. 302/03
75
S. 483/484
76
Vgl. dazu oben, S. 478/479 Vgl. dazu im einzelnen oben S. 460, 461/462
77
S. 465/467 hier u n d im folgenden: S. 126 der Begründung.
504 505

Der Rahmen dieser Arbeit verbietet es, auf die Gegenargumente des Ent- stellt, würden aber allein das positive Gesetz und nicht unsere Teilnahme-
wurfs im einzelnen einzugehen. Wenn es dort heißt: „Eine Mutter, die ihr lehre treffen. Denn daß in diesem Fall eine Täterschaft durch Unterlassen
Kind verhungern läßt, begeht oft schwereres Unrecht als die, welche es vorliegt, steht ja außer Streit. Wenn der Gesetzgeber eine unangemessen
schmerzlos umbringt", so ist das zwar richtig, kann aber aus den mehrfach hohe Strafdrohung auf sie anwendet, so ist das sein Fehler.
geschilderten Gründen nicht als Regelfall der Unterlassung anerkannt Aus derselben Wurzel rühren auch die Wertungsunterschiede, die sich im
werden. Und wenn darauf hingewiesen wird, daß die Zulässigkeit einer Straf- Verhältnis zur versuchten Beihilfe ergeben können und über die abschlie-
milderung „in einem auffallenden Gegensatz zum Erfordernis der Gleich- ßend noch ein Wort gesagt sei. Wenn - in einer Variation unseres Ausgangs-
wertigkeit der Unterlassungstat" stünde, so ist das falsch. beispiels - die Mutter nur irrtümlicherweise annimmt, der Vater sei dabei,
Die „Gleichwertigkeit" mit dem positiven Tun, von der § 13 E 1962 die das uneheliche Kind umzubringen, und wenn sie nun, um für einen unge-
Bestrafung des Unterlassens abhängig macht, kann, wie die Begründung 80 störten Ablauf der Tat zu sorgen, Bekannte abwehrt, die Tür verschließt
ganz richtig sagt, nur so verstanden werden, daß zu prüfen ist, ob und wann usw., dann sind diese aktiven Handlungen als Beihilfeversuche straflos; die
eine Unterlassung „nach ihrem sozialethischen Unwert bei sinngemäßer bloße Untätigkeit aber würde als Versuch täterschaftlicher Unterlassung
Auslegung des Gesetzes in den Unrechtsbereich der betreffenden Strafnorm unter Strafe stehen.
fällt". Mit der Frage der Strafzumessung hat das nichts zu tun. Auch die Ent- Wenn man das als merkwürdig empfindet, so hat es seinen Grund doch
wurfsbegründung läßt das schließlich durchblicken, wenn sie darauf ver- allein darin, daß der Gesetzgeber bei seinen Strafdrohungen die Unter-
weist, daß man der geringeren Schwere des Unterlassens „bei der Straf- lassung nicht mit der Beihilfe auf einen Nenner gebracht hat. Stünde die
zumessung innerhalb des Strafrahmens Rechnung tragen" und außerdem oft versuchte Beihilfe unter Strafe, würde die Differenz sofort verschwinden.
eine Beihilfe durch Unterlassen annehmen könne 79 . Jedenfalls ist das Problem nicht dadurch zu lösen, daß man das Vorliegen
Doch sind diese beiden Konzessionen methodisch und dogmatisch be- einer Unterlassungstäterschaft von vornherein leugnet. Denn es ist nicht
denklich; denn die Teilnahmelehre ist, wie wiederholt dargelegt wurde, keine einzusehen, warum in unserem Fall die Mutter - auch wenn es sie nur ein
Sache der individuellen Strafzumessung. Und zudem führt dieser Ausweg Wort kostet, den Vater von seiner Tat zurückzuhalten - völlig straflos aus-
sachlich oft nicht weiter: Denn der Garant, der gegen den Brand eines gehen sollte, während sie (auch vom Standpunkt der Gegenmeinung aus)
Hauses aus Angst nicht einschreitet, obwohl das möglich und zumutbar wegen versuchten Mordes ins Zuchthaus kommt, wenn sie das nach ihren
wäre, muß bei der jetzigen Regelung gemäß § 306 StGB notwendig mit Vorstellungen ohne fremdes Zutun in seinen Kissen erstickende Kind nicht
Zuchthaus bestraft werden, obwohl seine Strafwürdigkeit derjenigen eines rettet.
aktiven Brandstifters in keiner Weise gleichsteht. Eine derartige Abgrenzung von zuchthauswürdigem und straflosem Ver-
Sollte sich der Gesetzgeber trotz allem nicht entschließen können, eine halten - wie sie die hier abgelehnte Lehre vornimmt - wäre ausgesprochen
generelle Strafmilderungsmöglichkeit einzuführen, so würde man künftig sachwidrig, weil es beim Bestehen einer Erfolgsabwendungspflicht sinn-
beim Dazwischentreten eines Handelnden den Unterlassungstäter gleich- vollerweise keinen so fundamentalen Unterschied bedeuten kann, ob die
wohl als Täter nach dem Beihilfestrafrahmen verurteilen können. Denn die Mutter das Kind der konkreten Situation entsprechend durch einen Zuruf an
Entwurfsbegründung 80 betont ausdrücklich, es entspreche den Erforder- den Mann oder durch ein Zurechtrücken der Kissen vor dem Tode bewahren
nissen der Gerechtigkeit, Unterlassungen, „durch die lediglich die Haupttat muß. Die Unstimmigkeiten, die durch die generelle Annahme einer Unter-
eines anderen unterstützt wird und die nicht schwerer als eine Beihilfe lassungstäterschaft im Verhältnis zum aktiven Unterstützungsversuch ent-
wiegen, mit der milderen Gehilfenstrafe zu belegen". Der Umstand, daß es stehen mögen, liegen demgegenüber nicht in der Sache selbst, sondern allein
sich dogmatisch um eine Täterschaft handelt, ändert also nichts daran, daß in der positiv-rechtlichen Straflosigkeit der versuchten Beihilfe. Daß ein
diese Fälle sachlich dem milderen Strafrahmen unterstellt werden sollen; die solcher Umstand auf die Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme bei
Frage, wie sie rechtlich zu qualifizieren sind, entzieht sich ohnehin dem Ein- Unterlassungen keinen Einfluß haben darf, ergibt sich auch schon aus
fluß des Gesetzgebers; außerdem sagt der Wortlaut des Entwurfs darüber methodischen Gründen. Denn die Abgrenzungskriterien können natürlich
nichts. nur aus der Unterlassungsdogmatik selbst gewonnen werden und sich nicht
O b freilich, wie es beim gegenwärtigen Schweigen des Gesetzes nach aus den gesetzlichen Strafdrohungen für davon ganz unabhängige aktive Ver-
geltendem Recht anzunehmen ist, auch der Unterlassungs-„Alleintäter" haltensweisen ergeben.
auf Grund der Entwurfsregelung dem milderen Strafrahmen unterworfen Im übrigen ist zu bedenken, daß bei der Strafbarkeit der versuchten
werden dürfte, mag zweifelhaft sein. Die Unzuträglichkeiten, die sich er- Unterlassung im Verhältnis zur Straflosigkeit der versuchten Begehungs-
geben würden, wenn man ihn in der Bestrafung dem Begehungstäter gleich- beihilfe kein bloßes Nichtstun der Aktivität des Handelnden gegenüber-
steht. Die Strafbarkeit des Unterlassenden wird ja nicht schon durch die
Untätigkeit, sondern erst durch seine Garantenstellung begründet, während
80
S. 125 dieser Umstand bei der aktiven, dem Herrschaftsprinzip unterliegenden Bei-
506 507

hilfe nicht in Anschlag kommt. Wenn man das alles berücksichtigt, wird man bleibt), sondern wegen seiner späteren pflichtwidrigen Untätigkeit. Zwar
zugeben müssen, daß selbst im Hinblick auf die versuchte Beihilfe die hier wird diese bei einer auf Ingerenz beruhenden Erfolgsabwendungspflicht
vertretene Ansicht de lege lata die beste Lösung bietet. kaum je strafwürdiger sein als eine aktive Beihilfe - insofern ist Schröder
recht zu geben - aber dem ist dadurch Rechnung zu tragen, daß der Straf-
rahmen für Unterlassungen generell entsprechend der Beihilfe herabgesetzt
4. Schröder wird 85 .
Mit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme hat das schon deshalb
Schröder 81 geht - wie es der von Armin Kaufmann und auch von uns ver- nichts zu tun, weil der Unterlassende im Falle der Ingerenz beim Fehlen
tretenen Ansicht entspricht - grundsätzlich davon aus, daß der unter- eines Begehungstäters nicht strafwürdiger ist und doch Täter bleibt. Es ist
lassende Garant auch beim Dazwischentreten eines handelnden Dritten nicht einleuchtend, daß derjenige, der in Schröders Beispiel das Gift un-
Täter sei. „Der Vater, der sein Kind verhungern läßt, ist ebenso Unterlas- vorsichtig verwahrt hat, weniger strafwürdig sein soll, wenn er den Mörder
sungstäter, wie der Vater, der die Mutter nicht daran hindert, das Kind zu willentlich nicht hindert, es dem Opfer in den Kaffee zu schütten, als wenn
töten 82 . Er begründet das mit der Erwägung, der Unterlassende habe „hier er es geschehen läßt, daß ein Nichtsahnender ohne Vermittlung eines Dritten
in seiner Person und in seinem Verhalten sämtliche Voraussetzungen der irrtümlich das Gift trinkt.
Deliktstatbestände erfüllt". Das ist richtig, wenn man - was Schröder nicht b) Die zweite Ausnahme Schröders betrifft die Fälle, in denen „der
ausdrücklich tut - die Existenz selbständiger Unterlassungstatbestände zu- Unterlassende nicht dem geschützten Rechtsgut gegenüber verpflichtet ist,
grundelegt; anderenfalls kann man von einer persönlichen Erfüllung der sondern ... die Verantwortung dafür trägt", daß Personen, die innerhalb
Tatbestandsmerkmale nicht sprechen, weil eine eigenhändige Tötung im seiner Einflußsphäre stehen, keine strafbaren Handlungen begehen 86 . Dabei
Sinne der Begehungsdelikte keinesfalls vorliegt. ist an Situationen wie die zu denken, daß ein Ehepartner nicht dagegen ein-
Schröder macht aber über die auch von uns anerkannten Fälle hinaus 83 schreitet, daß der andere in der Wohnung Abtreibungen vornimmt oder
noch zwei weitere Ausnahmen vom Grundsatz der Unterlassungstäter- Hehlergut verbirgt. Hier soll in der Regel nur Beihilfe zum Delikt des un-
schaft. mittelbar Handelnden anzunehmen sein; bei „beiderseitigem Einverständ-
a) Erstens soll sich das Unterlassen gegenüber einer Begehungstäter- nis" soll allerdings Mittäterschaft vorliegen.
schaft dann nur als Beihilfe darstellen, wenn die Garantenposition auf Eine selbständige Begründung für die Sonderbehandlung dieser Fall-
vorangegangenem Tun beruht. „Wer also Gift unvorsichtig aufbewahrt, ist gruppe gibt Schröder nicht. Seine Erwägung, daß hier keine Verpflichtung
Gehilfe, wenn er entdeckt, daß ein anderer das Gift zur Begehung eines gegenüber dem geschützten Rechtsgut vorliege, müßte jede Bestrafung
Mordes weggenommen hat. Wer das geladene Gewehr im Wirtshaus auf- des Unterlassenden ausschließen. Denn die Verletzung einer bloßen Auf-
hängt, ist Gehilfe des Mörders, der es zur Tötung benutzt, sofern er die sichtspflicht könnte höchstens durch eine dem § 143 StGB nachgebildete,
Möglichkeit hatte, die Tat zu verhindern" 84 . hier aber fehlende N o r m strafrechtlich erfaßt werden. Wenn man dagegen
Schröder begründet das mit der Erwägung, daß das vorangegangene Tun, dem Unterlassenden eine Erfolgsabwendungspflicht zuschiebt - und diese
vorsätzlich begangen (wenn also der später Unterlassende das Gift oder das ist für Täterschaft und Teilnahme in solchen Fällen gleichermaßen Voraus-
Gewehr in Kenntnis der Sachlage dem Mörder gereicht hätte), „regelmäßig setzung, dann ist es nicht möglich, wie Schröder es tut, gleichzeitig eine Ver-
Beihilfe sein würde". pflichtung gegenüber dem geschützten Rechtsgut zu leugnen 87 .
Dagegen läßt sich mehreres vorbringen. Zunächst ändert der Hinweis c) Schröders Differenzierungen zwischen Garantenpositionen, die stets
Schröders nichts daran, daß der Unterlassende auch hier „in seiner Person zur Täterschaft führen, und anderen, die immer nur eine Beihilfe durch
und in seinem Verhalten sämtliche Voraussetzungen" des Unterlassungs- Unterlassen begründen, haben ihre letzte Ursache wohl in der zutreffenden
tatbestandes erfüllt hat. Wenn Schröder unter Berufung auf BGHSt 8, 393 ff. Einsicht, daß es nicht angeht, die Unterlassung einem anderen Strafrahmen
in solchen Fällen stets Täterschaft annehmen will, dann kann es hier nicht zu unterstellen als die aktive Beihilfe. Dieses Ziel sucht Schröder aber nicht
anders sein. durch eine generelle Strafmilderung für Unterlassungen, sondern durch ein
Sodann ist der Vergleich mit dem vorsätzlichen Tun ungenau. Denn der anderes Verfahren zu erreichen. Er teilt die Garantenstellungen in zwei
Garant wird ja nicht wegen seines vorangegangenen unvorsätzlichen Tuns
bestraft (das nicht einmal Beihilfequalität hat, sondern überhaupt straflos 85
Vgl. dazu S. 499 ff.; ferner auch A r m i n Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 297,
A n m . 207
86
a. a. O . , S. 37 sub c).
81
Schönke/Schrödcr, 10. Aufl., vor § 1, VI, 8, S. 3 5 - 3 7 87
Vgl. auch A r m i n Kaufmann, Unterl.-del., S. 297, A n m . 207: „M. E. besteht auch in
82
a. a. O . , S. 36 diesen Fällen die Garantenpflicht stets d e m geschützten Rechtsgut gegenüber, gleich-
83
vgl. dazu oben S. 4 7 9 - 4 8 2 gültig, aus welchem G r u n d e die G a r a n t e n p o s i t i o n erwächst". Wie hier insoweit auch
84
a. a. O . , S. 36 s u b b). Gallas, J Z 1960, S. 687, A n m . 66
508 509

Gruppen: Bei der einen - von ihm zur Regel erhobenen - ist jeder Unter- denken „abzuschwächen", die gegen seine Auffassung „aus der Straflosigkeit
lassende Täter mit der Folge, daß dann auch der aktiv Unterstützende zum des Beihilfeversuchs hergeleitet worden sind", „ob nicht in gewissen Fällen
Täter des Begehungsdelikts aufrückt, so daß die Strafdrohungen einander gesteigerter Abhängigkeit des Opfers von der Schutzfunktion des Garanten
gleichstehen 88 . Bei der anderen - von ihm zur Ausnahme erklärten - bleibt (Eltern - Kind) dessen Untätigbleiben auch neben der Aktivität des Han-
der Unterlassende, sofern ein vorsätzlicher Begehungstäter da ist, Gehilfe, delnden als ein der Täterschaft gleichwertiges Verhalten zu beurteilen ist" 89 .
während gleichzeitig auch der aktiv unterstützende Garant nur wegen einer Schröder will, wie sich aus dem Zusammenhang seiner oben behandelten
Beihilfe zur Verantwortung gezogen wird, so daß auch hier die Strafrahmen Lehre entnehmen läßt, die Erfolgsabwendungspflichten, die sich aus voran-
übereinstimmen. gegangenem Tun oder aus der Einflußsphäre des Unterlassenden ergeben,
Die Argumentation, mit der hier über Täterschaft und Teilnahme des gegenüber den Fällen einer „Schutzpflicht gegenüber einem bestimmten
Unterlassenden entschieden wird, ist aber nicht weit von einem Zirkel- Objekt" zurücksetzen. Garantenpositionen der ersten Art begründen nach
schluß entfernt. Wenn Schröder z. B. den Vater, der die Mutter an der seiner Auffassung bei gleichzeitiger Begehungstäterschaft eines Dritten in
Kindestötung nicht hindert, zum Täter durch Unterlassen erklärt und dar- der Regel nur eine Beihilfe durch Unterlassen; die der zweiten Art führen
aus folgert, daß also auch ein aktiv in noch so geringfügiger Weise helfender ausnahmslos zur Unterlassungstäterschaft.
Vater Begehungstäter sein müsse, dann könnte man mit derselben formalen Derartige Differenzierungen sind jedoch abzulehnen. Das folgt zunächst
Schlüssigkeit umgekehrt verfahren und sagen: Weil ein Vater, der ohne Tat- schon aus der Tatsache, daß sich für eine Abstufung der Erfolgsabwendungs-
herrschaft bzw. Täterwillen die Mutter unterstützt, nur Gehilfe ist, kann pflichten in täterschafts- und beihilfebegründende im Gesetz keinerlei
das bloße Unterlassen erst recht nicht mehr als Beihilfe sein. Ebenso könnte Anhaltspunkte finden. Eine Unterscheidung zwischen „primären" und
man bei der Ingerenz, anstatt die Gehilfenschaft des Unterlassenden daraus „sekundären" Garantenpositionen ist auch konstruktiv bedenklich; denn zur
zu schließen, daß ein vorsätzliches vorangegangenes Tun auch nur eine Abwendung eines Erfolges kann man von Rechts wegen nur verpflichtet
aktive Beihilfe begründet hätte, in entgegengesetztem Sinne folgern, daß die oder nicht verpflichtet sein; ein „Mehr" oder „Weniger" kommt hier nicht in
positive Unterstützung deshalb eine Täterschaft sei, weil das entsprechende Betracht. Außerdem wäre auch hier nicht einzusehen, warum die Garanten-
nachfolgende Unterlassen ebenfalls zur Täterstrafe führe (was allerdings stellungen minderen Ranges beim Fehlen eines handelnden Dritten plötzlich
eine Beihilfe bei späterer Erfolgsabwendungsmöglichkeit praktisch aus- wieder zur Täterstrafe führen sollen.
schließen würde). Die Schwierigkeiten liegen letzten Endes in der Verfehltheit des metho-
Freilich könnte die Unterscheidung zwischen täterschafts- und beihilfe- dischen Ausgangspunktes. Es handelt sich hier um den schon bei Be-
begründenden Garantenstellungen materiell gerechtfertigt sein, wenn sich gehungsdelikten 90 in die Irre führenden, bei Unterlassungen besonders
durchschlagende Gründe für eine sachliche Verschiedenwertigkeit der Ab- häufig auftretenden Versuch, Strafwürdigkeits- und Strafzumessungser-
wendungspflichten aufzeigen ließen. Diese Frage bedarf im folgenden wägungen zur Grundlage der Täterlehre zu machen. Das ist im Unter-
(unter 5.) noch der Erörterung. lassungsbereich so wenig wie sonst möglich, weil sich über die Schuldhöhe
des Einzelfalles - die zudem mit der auf das Unrecht beschränkten Teil-
nahmelehre nichts zu tun hat - generalisierbare Aussagen nicht machen
5. Versuche einer Abstufung der Garantenpositionen lassen: Wer wegen vorangegangenen Tuns zur Erfolgsabwendung ver-
(Gallas, Schröder) pflichtet ist, kann durchaus eine höhere Strafe verdienen als jemand, der von
einem nahen Angehörigen eine Rechtsgüterbeeinträchtigung nicht abwendet.
Eine weitere Möglichkeit, Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen Abgesehen davon ist die Strafrahmen-Problematik auch der Sache nach
objektiv abzugrenzen, könnte darin liegen, die Garantenstellungen nach der anders - und zwar im Sinne einer generellen Milderungsmöglichkeit - zu
Form ihrer Begründung verschiedenen Rangordnungen zuzuweisen, derart, entscheiden.
daß beispielsweise eine auf enger Lebensgemeinschaft beruhende Erfolgs-
abwendungspflicht den Unterlassenden stets zum Täter machen würde,
während etwa die Ingerenz oder eine vertragliche Garantenposition bei kon-
kurrierender Begehungstäterschaft nur zur Annahme einer Beihilfe führen
könnte.
Eine ausgearbeitete Lehre solcher Art existiert bisher nicht; immerhin fin-
den sich aber im Schrifttum mancherlei Ansätze in dieser Richtung, die eine
kurze Würdigung verdienen. So erwägt beispielsweise Gallas, um die Be-
89
JZ1960, S. 687, Anm. 69
Vgl. dazu unter 3.), oben S. 499-501 90
Vgl. dazu prinzipiell oben S. 30ff.
510 511

§ 39. Anstiftung u n d Beihilfe z u r ablaufs" als wesentliches Vorsatzelement nicht verzichten zu können glaubt,
Unterlassungstat sondern vor allem, weil er mit Nachdruck die Ansicht vertritt, daß auch eine
„unbewußte Unterlassung" genüge, um den Garanten nach dem Strafrahmen
I. Schließt ein fehlender Unterlassungsvorsatz die Möglichkeit des vorsätzlichen Begehungsdelikts zu bestrafen 4 : „Wer sich ... angesichts
einer Anstiftung zum Unterlassen aus? eines Unglücksfalles erst gar keine Gedanken darüber macht, ob und wie
er ... helfen kann, der unterläßt ,unbewußt' gerade deshalb, weil ihm die
Bis in die jüngste Zeit hinein ist nie bestritten worden, daß eine Anstiftung Folgen des ... Unglücks gleichgültig oder gar erwünscht sind" 5 . Es gehe
zur Unterlassungstat nach den allgemeinen Regeln der Teilnahmelehre - nicht an, ihn gegenüber demjenigen, der die Rettungsmöglichkeit wenigstens
also entsprechend den für die Begehungsdelikte geltenden Grundsätzen - erwogen und bewußt außer acht gelassen habe, zu privilegieren; denn eine
möglich sei. Man dachte dabei an Situationen wie die, daß jemand einen solche Auffassung würde „zur Prämiierung der Gefühllosen oder Gleich-
Hilfswilligen, der kraft seiner Garantenstellung oder gemäß § 330c StGB gültigen führen" 6 .
einzugreifen verpflichtet war, zum Untätigbleiben veranlaßte. Es schien sich Dieses letzte Argument hat freilich bei den zur Erörterung stehenden
von selbst zu verstehen, daß der Auffordernde als Anstifter - sei es zum Anstiftungsfällen keine Beweiskraft. Denn wenn man einen Hilfswilligen
unechten Unterlassungsdelikt, sei es zu § 330 c - bestraft werden konnte und veranlaßt, den Rettungsplan aufzugeben, so unterläßt dieser notwendig
mußte. immer bewußt. Eine „Anstiftung zur unbewußten Unterlassung" brauchte
Diese Sicherheit ist neuerdings durch Armin Kaufmanns Forschungen es also auch dann nicht zu geben, wenn man diese gleich einer bewußten
zur Unterlassungsdogmatik, deren Ergebnissen sich Welzel angeschlossen Untätigkeit behandelt.
hat 1 , erschüttert worden. Kaufmann stellt die kühne These auf:2 „Anstiftung Die Frage, ob und gegebenfalls wann eine „bewußte Unterlassung" als
zum Unterlassen ist ... undenkbar". Mit einem einzigen Satz versucht er die vorsätzlich angesehen werden kann, bleibt jedoch bestehen. Ihre Klärung
Gegenmeinung zu widerlegen. Er sagt 2 : „... da ein ,Unterlassungsvorsatz' würde eine Analyse des Vorsatzbegriffes erfordern, die den Rahmen unseres
nicht existiert, kann auch das Wesensmerkmal der Anstiftung nicht erfüllt Themas sprengen müßte 7 . Es bedarf ihrer aber auch nicht; denn mir
werden, nämlich einen Tatentschluß zu wecken". scheint, daß in Kaufmanns Beweisführung eine Inkonsequenz liegt, die
Hinter diesem einen Satz steht freilich ein ganzes Buch. Zum Verständnis seiner These, daß eine Anstiftung zum Unterlassen „undenkbar" sei, den
dessen, was hier bündig zusammengefaßt wird, ist also eine wenigstens stich- Boden entzieht.
wortartige Skizzierung seines Gedankenganges erforderlich. Dann ergibt Wenn man nämlich einen Unterlassungsvorsatz leugnet, läge es nahe, so
sich folgendes: zu argumentieren: Eine Bestrafung nach §212 StGB erfordert unbestritten
Die Anstiftung setzt eine Erregung des Tatentschlusses voraus. Der den Vorsatz des Täters. Der Unterlassende kann, auch wenn er den Erfolg
Tatentschluß verlangt Vorsatz. Vorsatz ist gleich Finalität. Die Finalität als Garant bewußt nicht abwendet, nicht vorsätzlich handeln. Also kann er
besteht in der Steuerung eines Kausalablaufes. - Der Unterlassende ist für auch nicht bestraft werden. Kaufmann zieht diesen Schluß jedoch nicht.
den Erfolg nicht kausal. Also kann er auch keinen Kausalverlauf steuern, Vielmehr wendet er den Vorsatzstrafrahmen auch bei Unterlassungen an,
d. h. er kann nicht final handeln. Da es keine Unterlassungsfinalität gibt, indem er den Vorsatz durch andere, der strukturellen Eigenart der Unter-
kann auch kein Unterlassungsvorsatz existieren. Wenn ein Unterlassender lassungen entsprechende Kriterien ersetzt.
nicht vorsätzlich handeln kann, kann er auch keinen Tatentschluß fassen. Wo Billigt man dieses Verfahren - und anders läßt sich nach Kaufmanns
kein Tatentschluß möglich ist, kann er nicht erregt werden. Folglich ist eine Prämissen die Verurteilung aus dem Strafrahmen der Vorsatzdelikte bei
Anstiftung zur Unterlassung undenkbar. unechten Unterlassungen nicht begründen - dann darf man aber auch die
Kaufmanns Thesen beruhen also im wesentlichen auf seiner Negierung Anstiftung von vornherein nur auf eine von den Begehungsdelikten ab-
des Unterlassungsvorsatzes. Er hat damit sicher insoweit recht, als von einer weichend strukturierte Täterschaft beziehen. Man kann nicht bei der Unter-
„Steuerung des Kausalverlaufes" beim Unterlassungstäter nicht die Rede sein lassungstäterschaft einen Vorsatz für überflüssig erklären, ihn aber, wenn
kann. Will man einen Unterlassungs„vorsatz" gleichwohl anerkennen, milß es um die Anstiftung zu einem derartigen Verhalten geht, als unerläß-
man diesen Begriff von der Verklammerung mit der Begehungsfinalität lösen lich voraussetzen. Kaufmanns leitender Gedanke, daß die Anstiftung not-
und eine „bewußte Unterlassung", deren Möglichkeit auch Kaufmann nicht wendig einen „Tatentschluß" (das heißt für ihn: einen Begehungsvorsatz)
leugnet 3 , ausreichen lassen. Kaufmann hält diesen Weg freilich für ungang-
bar; nicht nur, weil er als Finalist auf die „Überdertermination des Ursachen- 4
a. a. O . , S. 110-127 u n d passim
5
a. a. O . , S. 1-16
6
Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 181, entsprechend Kaufmann, a. a. O . , S. 112
1 7
Lchrb., 7. Aufl., S. 182 Vgl. die ersten Stellungnahmen von Engisch, J Z 1962, S. 190; H a r d w i g , ZStW, Bd. 74,
2
Unterlassungsdcliktc, S. 191 1962, S. 27ff.; ferner meine A b h a n d l u n g „Zur Kritik der finalen H a n d l u n g s l e h r e " in
3
Vgl. Unterlassungsdcliktc, S. 79/80 ZStW, Bd. 74, 1962, S. 515 ff. (530).
512 513

verlange, ist im Grunde nur eine petitio principii. Er behauptet, was erst nur in dem Räume auftreten, der durch den „primären" Täterbegriff ab-
erklärt werden müßte und wofür er auch im folgenden keinen Beweisgrund gesteckt wird. Das gilt nicht nur in dem schon oben erörterten „negativen"
liefert. Wenn man den Begriff der Anstiftung im vorhinein so definiert, daß Sinne, wonach Teilnahme jeweils nur sein kann, was nicht das Täterkriterium
er nur auf Begehungsdelikte paßt, dann kann man seine Unanwendbarkeit erfüllt; vielmehr hat die Täterschaft für die Teilnahme auch positiv-konstitu-
bei Unterlassungen nicht als Beweis dafür werten, daß eine Anstiftung hier tive Bedeutung insofern, als sie festlegt, worauf sich Anstiftung und Beihilfe
nicht möglich sei. Das liefe auf das Argument hinaus: „Eine Anstiftung zur notwendig beziehen müssen. Die Art des Verhaltens, zu dem der Täter bei
Unterlassung ist nicht denkbar, weil es nur eine Anstiftung zur Begehungstat der Anstiftung veranlaßt werden muß, wird durch die Art des jeweiligen
gibt". Täterbegriffs bestimmt; nicht etwa entscheidet ein vorgefaßter Anstifter-
Es bedürfte vielmehr der selbständigen Begründung, w a r u m die Anstif- begriff darüber, welche Qualität eine Täterschaft aufweisen muß, um Be-
tung unbedingt einen Begehungsvorsatz des Täters erfordert. In Wahrheit zugsobjekt einer Teilnahme sein zu können. Demgemäß tragen auch bei den
läßt sich nämlich dieser Satz nicht einleuchtend dartun. Das ergibt sich aus Begehungsstraftaten Anstiftung und Beihilfe bei Herrschafts-, Pflicht- und
einer Reihe von Erwägungen: eigenhändigen Delikten ein dem jeweiligen Täterbegriff entsprechendes, ver-
Zunächst spricht das Gesetz in § 48 StGB immer nur davon, daß der ändertes Gepräge: Eine Nötigung nach § 52 StGB etwa, die sonst zur mittel-
Anstifter einen anderen zu einer mit Strafe bedrohten Handlung „bestimmt" baren Täterschaft führt, begründet bei eigenhändigen Taten und Pflicht-
haben müsse. Der Begriff der „mit Strafe bedrohten Handlung" umfaßt auch delikten nur eine Anstiftung 10 ; eine Veranlassung zu unvorsätzlichem Tun
Unterlassungen. Und weshalb sollte man zu einem Unterlassen nicht stellt nur bei Pflichtdelikten eine Anstiftung dar, während sie bei Herr-
bestimmt werden können? Wenn jemand einem Verunglückten helfen will schaftsdelikten in aller Regel eine mittelbare Täterschaft und bei eigen-
und ein anderer redet ihm das aus, so hat er ihn zu einem Verhalten händigen Delikten straflos ist 11 . So, wie hier die Erscheinungsformen der
„bestimmt", das sich als Unterlassungsstraftat darstellt. Weder der Gesetzes- Teilnahme durch den Täterbegriff festgelegt werden, ist es auch bei Unter-
wortlaut noch der Sprachgebrauch des täglichen Lebens oder der Sachgehalt lassungstaten: N u r das Abstiften von der Gebotserfüllung, die Veranlassung
des Vorganges verbieten es, hier von einer „Anstiftung zum Unterlassen" zu zum Untätigbleiben, kommt als echte Form der Anstiftung in Betracht. Die
reden. Erregung eines Tatentschlusses im Sinne der Begehungsdelikte, die Kauf-
Kaufmann macht nun zwar dagegen geltend, es handele sich nicht um ein mann vergeblich sucht, würde dem hier geltenden Anstiftungsbegriff von
„Anstiften", sondern um ein „Abstiften" von der Gebotserfüllung 8 ). Mit vornherein nicht entsprechen.
diesem Kriterium des „Abstiftens", also der Hinderung oder Rückgängig- Unser Ergebnis lautet also: Auch wenn es einen Unterlassungsvorsatz
machung eines Handlungsentschlusses, ist der Vorgang auch durchaus exakt nicht geben sollte, würde dieser Umstand die Möglichkeit einer Anstiftung
beschrieben. Aber dadurch wird eine „Anstiftung zum Unterlassen" nicht zum Unterlassen keinesfalls ausschließen.
ausgeschlossen. Im Gegenteil: Zu einer Untätigkeit kann man jemanden nur
veranlassen, indem man ihn gleichzeitig bestimmt, von einer möglichen
Handlung abzustehen. IL Sprechen Gerechtigkeits- und Strafwürdigkeitserwägungen
Auch ein etwa dem Gesetzgeber vorgegebenes „Wesen" der Anstiftung gegen die Annahme einer Anstiftung zum Unterlassen?
hindert die Anwendung dieses Begriffs auf Unterlassungen nicht. Zwar hat
auch die Rechtsfigur der „Anstiftung" einen unverrückbaren Begriffskern; Kaufmann versucht die auf konstruktivem Wege gewonnene These aber auch
sie setzt in allen ihren Erscheinungsformen voraus, daß der Anstifter, ohne anhand zahlreicher praktischer Beispiele 12 als die einzig sinnvolle und eine
Täter zu sein, einen anderen im Wege geistiger Beeinflussung zu einem gleichmäßige Rechtsanwendung gewährleistende Lösung zu erweisen. Er
strafrechtserheblichen Verhalten veranlaßt hat. Dieses begriffliche Mindest- führt dabei mehrere Gesichtspunkte an:
erfordernis ist bei der Anstiftung zum Unterlassen erfüllt; ebenso wie etwa
die" Anstiftung zu unvorsätzlicher Tat bei den Pflichtdelikten durch diese
Formel gedeckt wird. 1. Zufallsergebnisse?
Wenn man weiter geht und es zur unabdingbaren Voraussetzung der
Anstiftung macht, daß beim Täter ein Begehungsvorsatz erregt werde, so Er bildet einige Fälle, die den Gedanken einer Anstiftung zum Unterlassen
liegt darin - abgesehen davon, daß eine Begründung für diese These fehlt - vom Ergebnis her ad absurdum führen sollen. „Nach einem Unglücksfall
auch eine Verkennung der strukturellen Eigenart des Teilnehmerbegriffs: schickt sich der R an, dem Verunglückten Hilfe zu leisten. Der G veranlaßt
Anstiftung und Beihilfe sind „sekundärer" Natur 9 ), d. h. sie können rechtlich
10
8
S. 425 ff., 363/364, 370
Unterlassungsdelikte, S. 191-195(191) 11
Vgl. S. 420 ff.,364 ff.
9 12
Vgl. zu der damit zusammenhängenden Problematik S. 268 ff., 364 ff. (370) Unterlassungsdelikte, S. 195 ff.
514 515

den R durch Hingabe eines Hundertmarkscheins zur Weiterfahrt" 13 . „Kann straflos ist. Weder die Rechtslogik noch das Rechtsgefühl scheinen mir dafür
es richtig sein" - fragt Kaufmann - „hier je nachdem, ob der Rettungswillige zu sprechen, daß die Aufforderung zu einem straflosen Verhalten strafbar
Garant ist oder hilfspflichtig aus § 330c StGB, diesen oder jenen Strafrahmen sein muß; es lassen sich sogar zahlreiche Gründe dagegen anführen, auf die
auf G anzuwenden?" H Ein weiteres Beispiel soll die Zufälligkeit der Er- unten noch näher einzugehen ist 16 .
gebnisse noch deutlicher machen: „R hat für seinen schwer erkrankten Be- Es bleibt also~nur die Strafrahmendifferenz zwischen § 330 c und dem
kannten X ohne dessen Wissen unter großen Mühen ein Medikament auf- unechten Unterlassungsdelikt. Sie ist zwar de lege lata unaufhebbar, erfährt
getrieben, das als einziges Wirkung verspricht." Auf dem Wege zu X trifft er aber ihre Rechtfertigung durch den selbstverständlichen Grundsatz, daß
auf den K, „der sein Scheckbuch zückt und den R mit einem Scheck über die Anstiftung nur nach dem Maße der Täterschaft bestraft werden kann.
1000,- DM davon abbringt, die rettende Ampulle zu X zu tragen" 13 . Da Zwar macht Kaufmann dagegen geltend: „Man wende nicht ein, das sei nun
weder R noch K handlungspflichtig seien, stifte K zu einem tatbestandslosen einmal die Situation der Teilnahme; denn ob es sich um Teilnahme handelt
Verhalten an und müsse straflos bleiben, meint Kaufmann, ein Ergebnis, das oder nicht, darum gerade geht es hier" 17 . Doch diese vorweggenommene
er für „unannehmbar" H hält. Replik ist ihrerseits nicht schlüssig; denn wenn man gegen die Annahme
Er, der in allen drei Fällen eine Anstiftung ablehnt, will nämlich den einer Anstiftung aus den wesensmäßigen Folgen ihrer Akzessorietät Ein-
Hintermann nicht etwa straflos lassen. Vielmehr will er - einerlei, ob der wendungen herleiten will, müßte man grundsätzlich bei allen Delikten die
Unterlassende nach § 330c StGB als Garant oder überhaupt nicht haftet - Teilnahme ausschließen und statt dessen das Vorliegen einer Täterschaft
den Geldgeber als unmittelbaren Täter eines Mordes oder Totschlages durch befürworten.
Begehen bestrafen. Diese Auffassung, die vom Standpunkt des Täterbegriffs Abgesehen davon ist es aber auch sachlich nicht unbillig, daß der Auf-
aus einer kritischen Überprüfung bedarf, soll später (unter III) noch be- fordernde bald nach dem Strafrahmen des § 330 c StGB, bald nach dem des
handelt werden. Hier geht es zunächst nur darum, ob die Annahme einer unechten Unterlassungsdelikts bestraft wird. Denn wenn der Gesetzgeber
Anstiftung wirklich zu untragbar ungerechten Ergebnissen führt. davon ausgeht, daß eine unterlassene Rettung je nach der Person des Un-
Beginnen wir mit dem letzten, krassesten Beispiel. Hier wäre zunächst die tätigen einen größeren oder geringeren Unwertgehalt aufweist, so muß für
Frage zu stellen, ob man den R nicht gemäß § 330c als hilfspflichtig ansehen die Anstiftung zu einer solchen Tat dasselbe gelten. Fordert jemand einen
muß. Die Erlangung des Medikaments mag zwar ursprünglich so schwierig Vater auf, sein Kind ertrinken zu lassen, so ist das nach den Wertmaßstäben
gewesen sein, daß sie nicht zumutbar war; nachdem er es nun in der Hand des Gesetzgebers sicher strafwürdiger als wenn er einen Unbekannten, der
hat, ist die Hilfe aber leicht möglich und keinesfalls mehr unzumutbar. Wenn zufällig an der Unfallstelle vorüberkommt, zum Weiterfahren ermuntert.
ohne sie die Krankheit eine schlimme Wendung nimmt, wird man eine der- In einer Hinsicht mag freilich eine Unbilligkeit bestehen bleiben (was
artige, anders nicht aufzuhaltende Entwicklung auch als „Unglücksfall" be- übrigens gegen Kaufmanns Lösung in verstärktem Maße gelten würde):
trachten müssen 15 , so daß man den K wegen Anstiftung zu § 330 c bestrafen Der Anstifter zum unechten Unterlassungsdelikt wird nach demselben
kann. Strafrahmen wie der Garant beurteilt, obwohl er nicht selbst innerhalb der
Doch ist das natürlich Tatfrage. Nehmen wir also an, dem Leiden des K strafbegründenden Pflichtbindung steht. Doch ist das keine Eigentümlich-
drohe keine rasche Verschlimmerung. Dann ist der Hintermann allerdings keit der Anstiftung zum Unterlassen; es gilt vielmehr für alle strafbegrün-
strafrechtlich nicht verantwortlich. Und im Gegensatz zu Kaufmann halte denden Pflichtdelikte. Die Unterschiedlichkeit des Teilnahmestrafrahmens
ich das für richtig. Denn sonst müßte jeder, der einen anderen davon bei echten und unechten Amtsdelikten etwa ist immer schon beanstandet
abbringt, einen Kranken gesund zu pflegen, Täter einer Körperverletzung worden. § 33 Abs. 1 E 1962, der bei strafbegründenden persönlichen Täter-
sein, obwohl der Pflegewillige keinerlei Verpflichtung zu seinem Liebes- merkmalen eine Strafmilderung für Teilnehmer vorsieht, würde sich auch auf
dienst hatte. Dieser Einwand gilt auch generell: Es ist nicht billigenswert, die Anstiftung zum Unterlassen auswirken. Die Differenz in der Strafhöhe,
daß jemand ins Gefängnis gesteckt wird, der einen anderen zu einem viel- die dann noch gegenüber einer Anstiftung zu § 330 c bestehen bleibt, ist
leicht moralisch tadelnswerten, strafrechtlich aber unverbotenen Verhalten durch die unterschiedliche Schwere des sozialethischen Unwertgehaltes der
auffordert, während der Aufgeforderte, der doch die Entscheidung über seih Tat vollauf gerechtfertigt.
Tun in der Hand behält, bei noch so verwerflicher Motivation unbestritten Es kann daher nicht zugegeben werden, daß, wenn man eine Anstiftung
zum Unterlassen anerkennt, ungereimte Zufallsergebnisse die Folge seien.
13
a. a. O . , S. 196
14
a. a. O . , S. 197
15
Vgl. B G H S t 6, 148-155 (152 f.), w o ausgeführt wird, daß „der A u s d r u c k des P l ö t z -
lichen, U n e r w a r t e t e n nicht zu eng verstanden w e r d e n " dürfe. Bei Krankheiten genüge
es, daß sie „eine sich rasch verschlimmernde W e n d u n g " nehme, was man bei akuter
Gefahr u n d beim Versagen jeder anderen Hilfsmöglichkeit o h n e weiteres a n n e h m e n 16
Vgl. dazu S. 520/521 ff., 521 ff.
kann. 17
Unterlassungsdelikte, S. 197
516 517

2. Ist eine Anstiftung bei Unterlassungsdelikten Unterlassungstat als Täter eines Begehungsdelikts zu strafen, wie Kaufmann
vergleichsweise strafwürdiger als bei Begehungstaten? es will.
b) Weiterhin macht Kaufmann 19 geltend, die herrschende Meinung sehe
a) Eine Verwandtschaft zwischen der Anstiftung und der bei Unterlassungs- sich dem Einwand ausgesetzt, daß sie als Haupttat eine U n t e r l a s s u n g
delikten allein in Frage kommenden „Abstiftung" bestehe nur äußerlich, erfasse, als angebliche Anstiftung zu dieser Haupttat dagegen eine H a n d -
meint Kaufmann. „Für die Anstiftung" - sagt er 18 - „ist es gerade wesent- l u n g , obwohl sie für beide denselben Strafrahmen bereithalte. Er weist
lich, daß nach ihrem Gelingen, nach dem Wecken des Tatentschlusses, der unter Berufung auf Grünwald 2 0 darauf hin, daß der Unwert einer solchen
angestiftete Täter seinen Vorsatz auch durchhalten und stets erneuern muß Anstiftungshandlung den des bloßen U n t e r l a s s e n s , also der Haupttat,
... Der Angestiftete behält es in der Hand, ob er den Entschluß verwirklicht überwiege und folgert: „Es ist ... gewiß eine Besonderheit, daß - ceteris
oder nicht ... Anders bei der Abstiftung: Das Abstiften von der Gebots- paribus - ganz generell bei einer Deliktsgruppe die (angebliche) Anstiftung
erfüllung ist erst dann gelungen, ... wenn in dem entscheidenden Zeitpunkt, einen erheblich höheren Unwertgehalt aufweist als die Haupttat! Das wider-
in dem ... die ... Handlung hatte erfolgen müssen, der Tatentschluß nicht spricht der Wertung, die dem § 48 StGB zugrundeliegt, und muß den Blick
vorlag. Von diesem Zeitpunkt an aber gibt es kein Zurück - bzw. kein dafür schärfen, daß hier ein unbewältigtes Problem liegt".
Voran - mehr für den Unterlassenden". Doch auch mit diesem Argument ist die Anstiftung zum Unterlassen
Entgegen der Meinung Kaufmanns spricht sein Vergleich aber eher für als nicht als Fehlkonstruktion zu erweisen. Denn abgesehen davon, daß die
gegen die Ähnlichkeit der beiden Anstiftungsarten. Wenn es wirklich so Anstiftung auch nach der gesetzlichen Wertung zumindest nicht geringer
wäre, daß der angestiftete Begehungstäter bis zur Vollendung der Tat das wiegt als die Täterschaft und daß Strafwürdigkeitserwägungen überhaupt
Geschehen in der Hand behielte, während es für den Unterlassenden nach bei der Abgrenzung der Beteiligungsformen keine entscheidende Rolle
der Bestimmung zum Untätigbleiben kein Zurück mehr gäbe, so würde den spielen 21 , ist schon die Voraussetzung, auf der die Annahme eines „unbe-
Anstifter im zweiten Fall sicher eine höhere Verantwortung treffen als sonst. wältigten Problems" beruht, zu bestreiten. Es ist nicht richtig, daß die Auf-
Aber so ist es doch nicht: Vielmehr entscheidet auch der Unterlassende, forderung zum Unterlassen generell einen höheren Unwert aufwiese als das
längst nachdem ihn der andere zum Untätigbleiben aufgefordert hat, über
Unterlassen selbst. Vielmehr ist es so:
seine Tat so lange frei und selbständig, wie ihm die Erfolgsabwendung über-
Wenn jemand durch positives Tun ein Delikt begeht oder sich an seiner
haupt noch möglich ist; genau wie wenn er sich aus eigenem Antrieb zum
Verwirklichung beteiligt, so wiegt das schwerer, als wenn er es lediglich
Nichteingreifen entschlossen hätte. Die Anstiftung nimmt ihm von seinem
unterläßt, gegen den Begehungstäter einzuschreiten. Auf diese Erwägung ist
Entscheidungsspielraum nicht das geringste.
es zurückzuführen, daß die Unterlassungstäterschaft im Strafausspruch
Zu einem anderen Ergebnis kommt Kaufmann nur deshalb, weil er den hinter der aktiven Beihilfe (und erst recht der Anstiftung) zurücktritt und im
Begriff des „Gelingens" in verschiedener Bedeutung verwendet. Eine An- Strafrahmen eine fakultative Milderung nach Beihilfegrundsätzen erfahren
stiftung zum Begehen ist nach seinen Worten mit dem „Wecken des Tat- muß. Aus dieser Erkenntnis folgt aber nichts über das Unwertverhältnis
entschlusses" gelungen; dem würde es entsprechen, eine Anstiftung zum zwischen einer Anstiftung zum Unterlassen und dem Unterlassen selbst.
Unterlassen als „gelungen" zu bezeichnen, wenn der Aufgeforderte sich Das wird sofort verständlich, wenn man sich die strukturellen Beziehun-
bereit erklärt, untätig zu bleiben. In diesem Zeitpunkt kann sich aber der gen vor Augen ruft, die der unterschiedlichen Bewertung von Tun und
Unterlassende immer noch anders entscheiden. Stattdessen setzt Kaufmann
Unterlassen zugrundeliegen. Die unterlassene Erfolgsabwendung wiegt
das „Gelingen" hier auf den letzten Moment möglicher Erfolgsabwendung
gegenüber der Begehungstat eines Handelnden deshalb weniger schwer,
an, auf den Augenblick also, der bei Begehungsdelikten der Tathandlung
weil die Täterschaft des Unterlassenden, auf das Herrschaftsdelikt des
entsprechen würde: Wenn eine Anstiftung zum Unterlassen erst „gelungen"
Ausführenden bezogen, schon dogmatisch gesehen nur als herrschaftslose
ist, sobald der Erfolg nicht mehr abgewendet werden kann, dürfte man auch
Mitwirkung und damit als Beihilfe erscheint 22 . Bei der Anstiftung zum
bei Begehungsdelikten von einem „Gelingen" der Anstiftung erst sprechen,
Unterlassen liegt es genau umgekehrt: Zentralfigur des Unterlassungstat-
sobald der Ausführende die Tathandlung vollzogen hat und nicht mehr
bestandes ist der untätige Garant; und im Hinblick auf diesen Tatbestand ist
zurücktreten kann.
der Auffordernde eine bloße, außerhalb der Pflichtbindung stehende Rand-
Verwendet man also den gleichen Maßstab, so ergibt sich, daß der An- gestalt.
stifter zum Unterlassen keinen größeren Einfluß auf das strafrechtlich
relevante Geschehen hat als der Anstifter zum Begehungsdelikt. Dieser 19
a.a.O., S. 194
20
Gesichtspunkt bildet deshalb auch kein Argument dafür, den Anstifter zur Das unechte Unterlassungsdelikt, S. 124
21
Grünwald (a. a. O.) z. B. zieht aus dem von ihm angenommenen höheren Unwert-
gehalt der Anstiftung keineswegs den Schluß, daß es sich deshalb nicht mehr um eine
8 Anstiftung handele.
a.a.O., S. 193 22
Vgl. oben S. 483/484
518 519

Daß hier die Anstiftung nicht generell strafwürdiger ist als das Unter- geben hält, würde eine gleichzeitig vorliegende Täterschaft doch diese
lassen, ist aber auch dann unmittelbar einleuchtend, wenn man die spezifi- Teilnahmeform verdrängen, so daß Armin Kaufmann und Welzel im prak-
schen Kategorien unserer Täterlehre beiseitesetzt: Denn während in den tischen Ergebnis recht behielten. Die Begründung, die beide für ihre Mei-
früher behandelten Fällen, bei denen die Unterlassung hinter dem positiven nung geben, ist allerdings nur recht knapp. Sie besteht im wesentlichen in
Tun an Strafwürdigkeit zurücksteht, das auf die Rechtsgüterverletzung der Erwägung", daß die „Anstiftung" zum Unterlassen eine Handlung dar-
hinwirkende Begehungsverhalten „näher am Erfolge" ist als das bloße stelle, die für den Erfolg kausal sei und deshalb dem Tatbestand des Be-
Unterlassen, ist es hier so, daß gerade das Unterlassen die engere Beziehung gehungsdelikts subsumiert werden könne. So lesen wir bei Kaufmann 25 :
zur Deliktsverwirklichung aufweist. Das Tun bewirkt ja nicht direkt den „Da ,echte' Kausalität besteht, verwirklicht die fragliche Handlung den
Erfolg, sondern eben nur das, was hier die Verbotsmaterie ausmacht: die Tatbestand eines Begehungsdelikts, soweit alle übrigen Tatbestandserforder-
pflichtwidrige Unterlassung. nisse erfüllt sind". Besondere, über die Kausalität hinausgehende Tätervor-
Und schließlich, um es noch einfacher zu sagen: Die Aufforderung zu aussetzungen werden aber nicht zu den „übrigen Tatbestandserfordernis-
einem Verhalten kann - wenn man vom Korruptionsfaktor, der für Kauf- sen" gezählt.
mann keine Rolle spielt, einmal absieht - logischerweise nur in dem Maße Dieser Gedankengang könnte zunächst insoweit angreifbar sein, als sich
strafwürdig sein wie das erstrebte Verhalten selbst. Denn die Rechtsgüterver- die Kausalität einer Anstiftung zum Unterlassen bezweifeln ließe. Wenn man
letzung, die den Strafgrund der Anstiftung bildet, kann nach den Intentionen davon ausgeht, daß das Unterlassen selbst - also die Haupttat - für den
des Hintermannes immer nur so groß sein wie sie im Verhalten des Täters Erfolg nicht kausal sei, so liegt die Annahme nahe, daß auch die Veranlas-
zum Ausdruck kommt. Das bestätigt jeder Appell an das Rechtsgefühl: sung zu einem solchen Verhalten für den Erfolg nicht ursächlich im Sinne
Wenn jemand eine Mutter d azu ermuntert, ihr krankes Kind nicht zum Arzt eines Begehungsdelikts sein könne. In der Tat müßte für Welzel die An-
zu bringen und es sterben zu lassen, so ist das gewiß schändlich; aber noch nahme einer Begehungstäterschaft schon an der Kausalfrage scheitern. Er
viel schändlicher (oder zumindest: nicht weniger verwerflich) verhält sich die lehrt nämlich im Anschluß an Spendel 26 , daß bei Begehungsdelikten für die
Mutter, die einer solchen Anregung folgt. Ermittlung der haftungsbegründenden Ursächlichkeit „solche bloß mögliche
Es kann also nicht zugegeben werden, daß die Anstiftung zum Unter- oder wahrscheinliche Umstände, die nicht eingetreten sind, nicht etwa hin-
lassen allgemein einen höheren Unwert aufweise als die Haupttat. Aus Straf- zugedacht werden" dürften 27 . Gerade um einen solchen Fall handelt es
würdigkeitserwägungen läßt sich daher auch kein Argument gegen die sich hier: Zu einer Kausalität der Anstiftung zum Unterlassen kann man nur
Existenz einer solchen Teilnahmeform herleiten. kommen, wenn man hinzudenkt, daß anderenfalls der Unterlassende den
Erfolg abgewendet hätte. Dieser Widerspruch in Welzels Konzeption ist
umso auffallender, als Armin Kaufmann die hier auftretende Kausalproble-
III. Läßt sich die Anstiftung zum Unterlassen als matik 28 behandelt und sich gegen die Lehre Spendeis gewandt hatte.
unmittelbare Begehungstäterschaft auffassen ? Eine Auseinandersetzung mit der strittigen Frage liegt außerhalb des
Themas unserer Arbeit. Für die von uns vertretene Lösung kommt es auf
1. Die Lehre Armin Kaufmanns und Welzels sie auch nicht an, weil die „Abstiftung" für den Entschluß zum Untätig-
bleiben nach jeder Lehre ursächlich und eine darüber hinausreichende
An die Stelle der von ihnen abgelehnten Rechtsfigur einer Anstiftung zum Kausalität bei einer Anstiftung zum Unterlassen nicht erforderlich ist.
Unterlassen setzen Armin Kaufmann und Welzel in allen Fällen - einerlei, Deshalb genüge der Hinweis, daß es sachgerecht ist, in solchen Fällen eine
ob der Aufgeforderte Garant, nach § 330 c StGB zum Eingreifen berufen Zurechnung unter dem Gesichtspunkt der Begehungstäterschaft nicht von
oder überhaupt nicht hilfspflichtig ist - die Annahme einer unmittelbaren vornherein auszuschließen; sonst müßte jemand, der das Schlauchboot
Begehungstäterschaft. So sagt etwa Welzel 23 : „Wer bei einem Unglücksfall zurückhält, das die Strömung auf den ertrinkenden X zutreibt 29 , sofern
durch Hingabe eines 100-DM-Scheines den Hilfspflichtigen veranlaßt, man ihn als Unterlassungstäter nicht fassen kann, straflos bleiben (denn
seinen Rettungsentschluß aufzugeben, ist nicht wegen ,Anstiftung zu § 330 c' auch hier muß man hinzudenken, daß der X sich sonst gerettet hätte). O b
zu bestrafen, sondern wegen Totschlages oder Mordes". Schon oben ist es sich dabei um eine „echte" Kausalität handelt, wie Armin Kaufmann 30
ausgeführt worden 24 , daß Armin Kaufmann seine Beispielsfälle im selben
Sinne entscheidet.
25
Die Frage bedarf selbständiger Prüfung; denn auch wenn man - wie wir Unterlassungsdelikte, S. 203
26
es getan haben - in solchen Fällen eine Anstiftung zum Unterlassen für ge- Die Kausalitätsformel der Bedingungstheorie für die Handlungsdelikte, 1948
27
Lehrb., 7. Aufl., S. 42
28
Unterlassungsdelikte, S. 2 0 1 - 2 0 3 , S. 57ff.
29
Lchrbuch, 7. Aufl., S. 182 Beispiel von A r m i n Kaufmann, a. a. O . , S. 195
30
S. 513/514 Unterlassungsdelikte, S. 203
520 521

meint, mag dahinstehen; jedenfalls genügt für die Zurechnung eines positi- Schlauchboot, den auf ihn zuschwimmenden Schäferhund) angehalten
ven Tuns ein - hier vorliegender - logischer Bedingungszusammenhang; ein hätte; denn der sachverhaltsunkundige R konnte über sein Tun nicht mehr
mechanischer Wirkungszusammenhang braucht dabei nicht vorhanden zu im Bewußtsein der Rettungsmöglichkeit entscheiden. Entsprechendes gilt,
sein. wenn der Hilfswillige gewaltsam zurückgehalten oder - in unserem früheren
Beispiel - die rettende Ampulle von einem anderen vorsätzlich zerstört
wird.
2. Das Tatherrschaftserfordernis als Alle diese Beispiele, zu denen noch die Fälle der Drohung gemäß § 52
täterschaftsausschließender Faktor StGB, der Aufforderung von Geisteskranken, Kindern etc. hinzukommen,
unterscheiden sich von der bloßen Anstiftung zum Unterlassen durch das
Die Annahme einer Begehungstäterschaft scheitert aber am Fehlen der Tat- Element der Tatherrschaft, das allein die Verursachung zur Täterschaft
herrschaft. Die Konstruktion, mit Hilfe deren Armin Kaufmann und Welzel erhöhen kann. Wer zum Unterlassen überredet oder auch durch Hingabe
die für sie sonst unvermeidliche Straflosigkeit der Unterlassungsanstiftung eines 100-DM-Scheines angelockt wird, trägt nach den Maßstäben der
umgehen, basiert auf einem rein extensiven Täterbegriff: Wer den tatbe- Rechtsordnung trotzdem die Verantwortung für sein Tun oder Unterlassen;
standsmäßigen Erfolg verursacht, ist schon deswegen Täter. erst wo sie von ihm genommen wird, rückt der andere ins Zentrum des
Ein derartiges Verfahren ist allen Einwendungen ausgesetzt, die schon Geschehens und wird zum Täter. Darin liegt der von Kaufmann vergeblich
oben 31 zur Ablehnung der extensiven Lehre geführt haben. Sie bedürfen gesuchte innere Grund für die verschiedene Behandlung dieser Fälle.
keiner Wiederholung. Aber es bleibt merkwürdig, daß Armin Kaufmann Eine abweichende Lösung läßt sich auch nicht durch die Erwägung
und besonders Welzel, die doch beide prinzipiell einschränkungslos der rechtfertigen, daß die Anstiftung als Handlung nicht dem Tatbestand des
Tatherrschaftslehre folgen, hier eine Täterschaft bejahen, ohne auch nur zu Unterlassungsdelikts subsumiert werden könne und deshalb selbständig als
sehen, daß sie damit zu den Prämissen ihrer eigenen Täterlehre in einen Begehungs-Alleintäterschaft gewürdigt werden müsse 37 . Denn da der Tat-
unüberbrückbaren Widerspruch geraten. Wenn die in solchen Fällen vor- bestand in jedem Fall nur die Täterschaft umschreibt, kann die Anstiftung
liegende „psychisch vermittelte Kausalwirkung" 32 ohne Rücksicht auf ihn ohnehin nicht erfüllen, braucht also auch der Täterschaft strukturell
jede Zwangsausübung allein die Täterschaft begründen soll, ist es unver- nicht zu gleichen, während bei den hier in Frage kommenden Begehungs-
ständlich, daß in anderen Fällen so viel strengere Voraussetzungen aufgestellt delikten eine den Tatbestand verwirklichende Alleintäterschaft mehr als die
werden und nach der Lehre Armin Kaufmanns sogar der gemäß § 52 StGB bloße Kausalität - nämlich die Tatherrschaft - voraussetzt.
Nötigende - solange er nicht zu einer Unterlassung nötigt - nicht mittelbarer
Täter, sondern nur Anstifter ist 33 .
Aus dieser systemwidrigen Ignorierung des Tatherrschaftsprinzips er- 3. Die praktische Undurchführbarkeit der
klärt es sich auch, daß Armin Kaufmann einige von ihm gebildete Bei- Begehungstäterlösung
spiele echter Tatherrschaft ohne weiteres als Argument dafür verwendet,
daß auch in anderen Fällen, in denen dem Hintermann die Tatherrschaft Gegen die Annahme, daß die Anstiftung zum Unterlassen als Begehungs-
fehlt, eine Anstiftung zum Unterlassen ausscheiden müsse 34 . So ist es täterschaft aufzufassen sei, sprechen aber auch ihre praktischen Ergebnisse.
sicher richtig, den Handelnden in folgendem Fall als Begehungstäter anzu- Armin Kaufmann räumt selbst ein, daß es Fälle des Abstiftens vom Han-
sehen 35 : „An einer Unfallstelle hält der Kraftfahrer R an, um Hilfe zu deln gebe, in denen die Strafe des Begehungsdelikts - zumal der §§ 211 ff.
leisten. F will das verhindern und redet dem R wahrheitswidrig ein, der Ver- StGB - als zu hoch erscheine. Er bildet den Fall, daß R ins Wasser springen
letzte sei schon abtransportiert". F ist hier nicht deshalb Täter, weil eine will, um den ertrinkenden X zu retten, und daß ihn sein Freund L durch die
Anstiftung am fehlenden Vorsatz des R scheitert oder weil er den Tod des Bemerkung „Du wirst Dich erkälten!" davon abbringt 38 . Sollte L hier als
Verletzten verursacht hat 36 , sondern weil ihm die Täuschung die Herr- Täter eines Totschlages strafbar sein? Kaufmann variiert auch den mehrfach
schaft über das Geschehen verschafft: Nach der Ausschaltung des erfolgs- erwähnten Ampullen-Fall. Wie, wenn K den R durch die Worte umstimmt:
hindernden Faktors erscheint die Tat als Werk des F, nicht anders, als wenn „Sie sind aber nicht verpflichtet, dem X das rettende Medikament zu
er eine rettungsversprechende Sache (das auf den Ertrinkenden zutreibende bringen; außerdem wird es Ihnen der X nicht bezahlen können" ? Soll, wenn
R nun nach Hause geht, K wegen Mordes lebenslänglich ins Zuchthaus
31
S. 28-30 wandern?
32
Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 199
33
Unterlassungsdelikte, S. 165, Anm. 187
34
Vgl. Unterlassungsdelikte, S. 197 37
35 so wohl Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 199
Unterlassungsdelikte, S. 196, Nr. 6 38
36
Vgl. Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 197 hier und im folgenden Unterlassungsdelikte, S. 200
522 523

Auch Kaufmann hält diese Ergebnisse für unerträglich. Er sagt: „Mag Wenn andererseits den Unterlassenden eine konkrete Handlungspflicht
solches Vorgehen auch vom Tötungsvorsatz getragen sein (von dem Vor- trifft, ist der Hintermann, soweit er sie in ihren sachlichen Voraussetzungen
satz, den anderen zur Aufgabe seines Rettungsentschlusses zu bringen), es erkannt hat, stets als Anstifter zu bestrafen. Eine vermeintliche Sozial-
bleibt sozialadäquat." Aber diese Lösung ist sehr bedenklich, einerlei, ob adäquanz kann.daran nichts ändern. Ist es z.B. so, daß die einem Garanten
man die Sozialadäquanz mit Kaufmann „als Einschränkung der Tatbe- bei der Rettung drohenden Gefahren nicht so groß sind, daß sie ein Ein-
standsmäßigkeit" oder mit Welzel als bloßen Rechtfertigungsgrund ansieht. greifen nach den Maßstäben der Rechtsordnung als unzumutbar erscheinen
Denn kann eine vorsätzliche Tötung überhaupt je sozialadäquat sein? Die ließen, dann ist der Anstifter strafbar, wenn er den anderen unter Hinweis
gerechtfertigte Notwehr ist es jedenfalls nach Kaufmanns und Welzels Mei- auf sein wahrheitsgemäß dargestelltes (geringes) Risiko vom Handeln
nung unter keinen Umständen, obwohl doch bei ihr der Täter makelloser abhält 41 . Ist aber die Gefahr wirklich so groß, daß dem Unterlassenden
dasteht als in unseren Beispielsfällen. Jedenfalls wird auf diese Weise eine ein Handeln nicht zugemutet werden kann, so entfällt seine konkrete
neue Form straflosen Totschlages eingeführt, für die sich im Gesetz keine Pflicht; der Auffordernde stiftet dann zu einem nicht tatbestandsmäßigen
Grundlage findet. Verhalten an und ist straflos, ob er ihm nun einen 100-DM-Schein anbietet
Es kommt noch hinzu, daß Kaufmann, wenn er in seinen Beispielen den oder nicht.
Totschlag für sozialadäquat erklärt, die Motivationen und Tendenzen des Kaufmann meint freilich, die Schwierigkeiten, die bei Annahme einer
Täters (seine etwaige Tötungsabsicht, die niedrigen Beweggründe etc.) ganz bei- Begehungstäterschaft auftreten, bestünden ebenso „seit eh und je" für die
seite läßt. Die Wertungen unserer „geschichtlich gewordenen sozialethischen Anstiftung zum unechten Unterlassungsdelikt. Er fragt42: „Ist es - vom
Ordnung" 3 9 würden dadurch aber sicher beeinflußt werden, zu-mal da ge- Standpunkt der h. M. aus - Anstiftung zum Totschlag, wenn der Dritte zum
rade nach finalistischer Lehre auch bei den Rechtfertigungsgründen die Straf- Bademeister sagt, dieser laufe Gefahr, sich beim Rettungsversuch die Grippe
freiheit von „speziellen subjektiven Rechtfertigungstendenzen" 40 abhängt. zu holen?" Gerade dieses Beispiel zeigt aber, welche Vorzüge die herr-
Auch aus rechtsstaatlichen Gründen erscheint ein tatbestandlich so wenig schende Ansicht gegenüber seiner Lehre besitzt. Denn Kaufmann will hier
festgelegtes Kriterium wie das der Sozialadäquanz nicht geeignet, die Grenze anscheinend, was das Verhalten des Dritten anlangt, eine sozialadäquate und
zwischen einem straflosen Tun und einem mit lebenslangem Zuchthaus daher straflose Tötung des Badegastes annehmen.
bedrohten Verbrechen abzustecken. Wie soll man z. B. entscheiden, wenn Diese Lösung ist aber falsch. Wenn nämlich, was bei der gewählten For-
der Hintermann den Unterlassenden auf die Gefahren der Rettung oder das mulierung nicht ganz klar ist, die Worte des Dritten so zu verstehen sind,
Fehlen einer Erfolgsabwendungspflicht hinweist, ihm aber zusätzlich noch daß er den Bademeister mit dem Hinweis auf eine mögliche Grippe auffor-
Geld anbietet, um ihn von der Rettungstat abzuhalten? Und wie, wenn dern will, den Ertrinkenden umkommen zu lassen, so ist das ohne Bedenken
er aus echter Sorge um den tollkühnen Retter, weil dieser auf sachliche als Anstiftung zum Totschlag zu bestrafen. Denn erstens liegt - bei einem
Warnungen nicht hört, ihm von vornherein nur ein Geschenk anbietet? Soll Bademeister! - die Gefahr einer Grippeerkrankung sehr fern, und zweitens
es hier doch wieder auf das an sich für unbeachtlich erklärte Motiv oder auf müßte er bei der Art seiner Garantenstellung dieses Risiko auf sich nehmen.
die Gesinnung des Handelnden ankommen, und wie wäre beides zu be- Der Aufgeforderte begeht also, wenn er den Badegast ertrinken läßt, einen
werten? Die möglichen Konstellationen und Antriebsfaktoren sind hier so Totschlag durch Unterlassen. Dann aber besteht nicht der geringste Grund,
mannigfaltig und unübersehbar verästelt, die sozialethischen Wertvorstellun- den Anstifter nur deshalb straflos zu lassen, weil er seine Aufforderung mit
gen auf diesem Gebiet sind so wenig differenziert und selbst das individuelle einer ziemlich lächerlichen Grippewarnung verbrämt hat. Es ist nicht ein-
Rechtsgefühl reagiert so schwankend und zweideutig, daß es zu unerträg- zusehen, worin vom hier vertretenen Standpunkt aus die Abgrenzungs-
licher Rechtsunsicherheit und zu den widersprüchlichsten Ergebnissen schwierigkeiten liegen sollen. Wenn die Gegenmeinung in diesem Fall ein
führen müßte, wenn man, wie Kaufmann es will, die Sozialadäquanz über
Problem sieht, so bestätigt das nur, wie wenig mit dem Kriterium der Sozial-
die Strafbarkeit entscheiden ließe.
adäquanz anzufangen ist.
Dagegen führt die hier vertretene Auffassung zu ganz klaren Lösungen: Es ist also gerade umgekehrt wie Kaufmann sagt: Nicht die Konstruktion
Ist der Unterlassende weder nach § 330c StGB noch als Garant zum Ein- einer Anstiftung zum Unterlassen, sondern die Annahme einer Begehungs-
greifen verpflichtet, so handelt es sich, - solange der Hintermann nicht die täterschaft widerspricht den Grundsätzen der Täterlehre und führt zu un-
Tatherrschaft innehat - , stets um eine straflose Aufforderung zu einem tat- gereimten Zufallsergebnissen.
bestandslosen Verhalten. O b der Auffordernde es bei einem schlichten Rat
bewenden läßt oder irgendwelche Versprechungen macht, ist ebenso gleich-
gültig wie die Art seiner Motive und Gesinnungen.
D a ß hier im Einzelfall ein Verbotsirrtum vorliegen kann, steht auf einem anderen
Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 76 Blatt.
Welzel a. a. O . , S. 77 Unterlassungsdelikte, S. 200
524 525

4. Die Strafbarkeitslücken der Begehungstäterlösung dasselbe demonstrieren: A fordert B zu einer Untreue durch Unterlassen auf;
ein Außenstehender veranlaßt den Gefängniswärter, einem Verbrecher da-
Was aber die Annahme einer die Anstiftung ersetzenden Begehungstäter- durch die Flucht zu ermöglichen, daß er es unterläßt, die Tür zu verschließen
schaft vollends ad absurdum führt, sind die klaffenden Strafbarkeitslücken, usw.; usw.
die durch eine solche Lösung aufgerissen werden. Während nämlich Kauf- Daß die Annahme einer Straflosigkeit des Außenstehenden in all diesen
mann und Welzel davon ausgehen, daß die Rechtsfigur der Anstiftung straf- Fällen nicht richtig sein kann, bedarf wohl keiner weiteren Begründung.
würdige Fälle nicht erfassen könne - eine These, der oben entgegenzutreten Allein die hier zutagetretenden Ergebnisse müßten ausreichen, um Kaufmann
war - , liegt es in Wirklichkeit umgekehrt: und Welzel in diesem Punkt zu einer Revision ihrer Lehren zu nötigen.
Eine Begehungstäterschaft läßt sich - abgesehen von allen durchschlagen-
den Bedenken, die dem auch hier entgegenstehen - im Grunde genommen
nur bei einigen wenigen Unterlassungsanstiftungen konstruieren; und zwar IV. Beihilfe zum Unterlassen
bei solchen, die sich auf die Nichtabwendung von Schäden richten, deren
Verursachung dem Hintermann als reines Erfolgsdelikt zurechenbar ist; also 1. Eine Beihilfe zum Unterlassungsdelikt durch positives Tun wird allge-
etwa beim Totschlag und bei der Sachbeschädigung. Die meisten Tatbestände mein in Form einer psychischen Unterstützung für möglich gehalten 44 , etwa
verlangen aber eine bestimmte Art täterschaftlichen Handelns, die beim Ver- derart, daß jemand den Unterlassenden in seinem Entschluß zum Nicht-
anlasser nicht vorliegt. Man denke sich, daß der A den B auffordert, einen eingreifen bestärkt.
Geschäftspartner in der Weise zu betrügen, daß er ihm entgegen seiner Für Armin Kaufmann 45 und Welzel 46 dagegen ist eine solche Möglich-
Offenbarungspflicht wesentliche Umstände verschweigt. Dann begeht B keit aus denselben Gründen wie bei der Anstiftung ausgeschlossen. Soweit
einen Betrug durch Unterlassen. Nach der Lehre Kaufmanns und Welzels also die psychische Unterstützung für den Erfolg ursächlich ist, haftet der
müßte nun A, da eine Anstiftung „nicht denkbar" 4 3 ist, Begehungstäter Hintermann als unmittelbarer Begehungstäter. Die oben angeführten Be-
eines Betruges sein. Man müßte also seine Aufforderung gegenüber B als denken gegen eine solche Lösung gelten hier entsprechend. Sie treten eher
unmittelbare „Täuschungshandlung" verstehen, was doch wohl schwerlich noch verstärkt auf, weil die psychische Beihilfe zur Unterlassungstat, also die
möglich ist. geringfügigste strafrechtlich relevante Beteiligungsform, nach dem vollen
Solche Beispiele lassen sich beliebig vermehren. Kaufmann und Welzel Strafrahmen der Begehungstäterschaft geahndet wird, auch wenn der in
stehen hier immer vor der Alternative, entweder den Hintermann straflos seinem Entschluß Bestärkte selbst etwa nur nach § 330c StGB haftet.
zu lassen, was mir ein untragbares Ergebnis zu sein scheint, oder eine Be- 2. Eine in anderer Weise geleistete aktive Beihilfe zum Unterlassungs-
gehungstäterschaft anzunehmen, die den Täterbegriff auf einen reinen Be- delikt wird vielfach als nicht denkbar angesehen 47 . Das beruht auf der
dingungszusammenhang reduzieren würde und alle Errungenschaften der Annahme, jemand müsse notwendig die Tatherrschaft haben, wenn er allein
modernen Täterlehre - an denen doch die finale Handlungslehre selbst vorsätzlich den Erfolg verursache. Doch stimmt das nicht in allen Fällen, wie
wesentlichen Anteil hat - zunichtemachen müßte. ein Beispiel Armin Kaufmanns 48 zeigt: „A hatte sich entschlossen, einen Ver-
Selbst wenn man sich aber damit noch abfinden würde, ist doch auch brechensplan rechtzeitig anzuzeigen und einen Brief mit entsprechendem
dieser Ausweg bei einer ganzen Deliktsgruppe, den Pflichtstraftaten durch Inhalt bereits zur Post gebracht. Da ihn sein Entschluß reut, will er den Brief
Begehung, verbaut. Man braucht in unserem oben verwendeten Beispiel an zurück haben. Hierzu bedient er sich des B, den er einweiht, und läßt von
die Stelle des Betruges nur einen Meineid zu setzen: A fordert B auf, vor ihm den Brief zurückholen". Das wäre eine durch positives Tun geleistete
Gericht bei seiner eidlichen Aussage die Angabe wesentlicher Umstände zu Beihilfe zum Unterlassungsdelikt des § 138 StGB; gleichzeitig wäre aller-
unterlassen. Oder: In einem Prozeß gibt die Gegenpartei A dem Anwalt B dings der B wohl selbst als Unterlassungstäter nach dieser Vorschrift zu
1000,- DM, damit er eine Frist verstreichen lasse und ihr auf diese Weise zu bestrafen. Entsprechendes gilt für alle anderen Fälle, in denen sich jemand
einem rechtskräftigen Urteil verhelfe. In beiden Fällen wird B als Täter nach beim Rücktritt vom Gebotserfüllungsversuch von einem anderen helfen
§ 154 bzw. § 356 StGB bestraft. läßt.
Was aber geschieht mit A? Nach der hier bekämpften Gegenmeinung Armin Kaufmann meint konsequent, das dogmatische Schicksal der-
kann die Antwort nur lauten: Nichts! Denn eine Anstiftung zum Unter- artiger Konstellationen könne kein anderes sein als das der „Abstiftung":
lassen ist unmöglich, und für eine Begehungstäterschaft fehlt es an der
44
sie begründenden Pflichtenstellung. Und das sind nicht etwa Ausnahmen! Vgl. nur Maurach, A.T., 2. Aufl., § 52 II, A, 2, a, S. 544
45
Es läßt sich vielmehr an zahlreichen praktisch bedeutsamen Pflichtdelikten Unterlassungsdelikte, S. 195, Anm. 249a
46
Lehrb., 7. Aufl., S. 182/83
47
Vgl. Grünwald, Das unechte Unterlassungsdelikt, S. 124; vgl. auch Perten, Die Beihilfe
zum Verbrechen, S. 119, Anm. 215
43 48
Welzel, Lehrb., 7. Aufl., S. 182 Unterlassungsdelikte, S. 195, Anm. 249a
526

Wenn also der Verbrechensplan einen Totschlag betraf, so wäre der B als
unmittelbarer Begehungstäter gemäß § 212 StGB anzusehen. Gegen diese
Lösung sprechen neben allen schon oben angeführten Argumenten hier noch
zwei weitere grundlegende Bedenken:
a) Erstens wird der Widerspruch zum Tatherrschaftsprinzip noch deut-
licher; denn während bei der „Abstiftung" nur ein nicht tatherrschaftsbe-
gründendes Unterlassen die Haupttat bildet, haben hier eindeutig andere,
nämlich die Totschläger, das Geschehen aktiv in der Hand. Wenn man in
einem solchen Fall den B zum Begehungstäter macht, so werden alle objek- Elftes Kapitel
tiven Unterschiede der Beteiligungsformen gänzlich nivelliert, und die
Täterschaft wird zu einem als Lückenbüßer fungierenden „sekundären" P r o b l e m , S y s t e m u n d Kodifikation in der Täterlehre
Begriff49. Weil jemand als Gehilfe nicht erfaßt werden kann, wird er zum
Täter erklärt: Daß ein solches Verfahren mit den Grundsätzen der Täterlehre § 40. G e d a n k e n zu einem System der Täterlehre
unvereinbar ist, braucht hier nicht wiederholt zu werden.
b) Zweitens müßte, wie mir scheint, auch der A selbst, wenn er seine I. Zusammenfassung der Ergebnisse
eigene Verbrechensanzeige zurückholt, nach der hier abgelehnten Lehre
folgerichtig als unmittelbarer Begehungstäter bestraft werden. Denn die von Wenn wir am Ende unseres Weges zurückschauen und die Ergebnisse, die
ihm durch seine Rücktrittsaktivität gesetzte Erfolgsbedingung verdient keine wir für die Täterlehre gewonnen haben, in kurzen Sätzen zusammenfassen,
andere Beurteilung als die bei B vorliegende Kausalität. Diese Konsequenz so ergibt sich folgendes Bild:
zieht jedoch Kaufmann nicht 50 . Er betrachtet den Fall zutreffend als einen 1.) Der Täter ist die Zentralgestalt des konkreten Handlungsgeschehens.
Rücktritt vom beendeten Versuch der Erfolgsabwendung, der zur Unter- 2.) Die Zentralgestalt wird durch die Merkmale der Tatherrschaft, der
lassungsstrafe führt. Dann darf aber für B nichts anderes gelten: Er leistet Sonderpflichtverletzung oder der Eigenhändigkeit gekennzeichnet.
Beihilfe zu diesem Rücktritt und darf deshalb auch nur wegen Beihilfe zur 3.) Die Tatherrschaft, die bei den vorsätzlichen Begehungsdelikten den
Unterlassungstat bestraft werden. allgemeinen Täterbegriff bestimmt, tritt in den Erscheinungsformen der
Handlungsherrschaft, der Willensherrschaft und der funktionellen Tatherr-
schaft auf.
4.) Die Handlungsherrschaft besteht in der eigenhändig-finalen Tat-
bestandsverwirklichung.
5.) Die Willensherrschaft, die der mittelbaren Täterschaft entspricht,
gliedert sich in die Gestaltungsweisen der dem Verantwortungsprinzip
folgenden Willensherrschaft kraft Nötigung, der vierstufigen Willensherr-
schaft kraft Irrtums und der Willensherrschaft kraft organisatorischer
Machtapparate.
6.) Die funktionelle Tatherrschaft, die den Leitgedanken der Mittäter-
schaft inhaltlich ausdrückt, stellt sich als arbeitsteilige Mitwirkung im
Ausführungsstadium dar.
7.) Das Kriterium der Sonderpflichtverletzung ist für die Täterschaft
maßgebend bei den Begehungs-Pflichtdelikten, bei Unterlassungsverbrechen
und bei fahrlässigen Straftaten.
8.) Die mittelbare Täterschaft bei Pflichtdelikten wird dadurch charakte-
risiert, daß ein Pflichtiger den tatbestandsmäßigen Erfolg durch die Person
eines Nichtpflichtigen bewirkt.
9.) Die Mittäterschaft bei Pflichtdelikten erscheint als gemeinsame Ver-
letzung einer gemeinsamen Sonderpflicht.
10.) Eigenhändige Straftaten finden sich im geltenden Recht als täter-
Vgl. oben S. 26-30 strafrechtliche Delikte und als verhaltensgebundene Delikte ohne Rechts-
Vgl. Unterlassungsdelikte, S. 108 güterverletzung.
528 529

11.) Die Teilnahme ist ein gegenüber der Täterschaft sekundärer Begriff. dialektischer, „konkreter" Begriff, der sich als „Einheit unterschiedener
Sie ist deshalb als herrschaftslose, sonderpflichtlose und nichteigenhändige Bestimmungen"' von den herkömmlicherweise im Strafrecht verwendeten
Mitwirkung zu kennzeichnen. Begriffen abhebt. Deshalb sei es gestattet, das noch etwas näher auszuführen:
12.) Eine Teilnahme an einer ohne Tatbestandsfinalität begangenen 1.) Das Merkmal der „Zentralgestalt", mit dem wir angefangen sind, ist
Haupttat ist bei eigenhändigen Verbrechen prinzipiell ausgeschlossen, bei zunächst ein ganz leerer, inhaltloser Begriff, aus dem sich keinerlei positiv-
Pflichtdelikten prinzipiell möglich und bei Herrschaftsdelikten auf die irrige inhaltliche Bestimmungen der Täterschaft ableiten lassen. So, wie in der
Annahme tatherrschaftsbegründender Umstände in der Person des unmittel- Hegeischen Logik das „reine Sein" als „reine Abstraktion" mit dem Nichts
bar Ausführenden beschränkt. identisch ist und erst im Fortgang durch die Reihe der Erscheinungen, im
Diese leitsatzartige Zusammenfassung, die das Gerippe unserer Dar- „Werden", Inhalt gewinnt, so erhält der Begriff der Zentralgestalt erst beim
stellung natürlich nur in den gröbsten Umrissen wiedergibt und von der Durchschreiten des Rechtsstoffes durch die ständig zunehmende Fülle seiner
mannigfach differenzierten Entfaltung der Grundgedanken im konkreten Ausprägungen allmählich Form und Inhalt.
Rechtsstoff keine Vorstellung vermittelt, würde sich schematisch etwa so Die Methode, die wir dabei angewendet haben, ist dialektisch in dem
darstellen lassen: Sinne, wie ihn etwa Nicolai Hartmann 2 vortrefflich kennzeichnet mit den
Worten: „Dialektik ist nicht Deduktion. Sie ist anschmiegendes Entlang-
Täter-Zentraleestalt
wandern an der gegliederten und vielfach verschlungenen Struktur des
Gegenstandes" 3 . Der Täterbegriff kann dabei nicht von vornherein fest-
Begehungs-Pßichtdelikte täterstrafrechtliche
Herrschaftsdelikte
liegen, sondern er muß sich am Rechtsstoff Schritt für Schritt „entfalten",
Unterlassungstaten Delikte
fahrlässige Taten
derart, daß jede einzelne seiner Erscheinungsformen, weit entfernt, sich als
verhaltensgebundene
bloße „Anwendung" eines vorgegebenen Prinzips oder als Ergebnis einer
^Delikte ohne Rechts-
' güterverletzung Subsumtion unter einen Oberbegriff darzustellen, ihn inhaltlich erweitert
und bereichert. Es „fügt jedes Prädikat ihm ein neues Merkmal ein" 4 .
Erst wenn man die ganze Reihe der Gestaltungen und den gesamten
Tatherrschaft Sonderpflichtverletzung Eigenhändigkeit Rechtsstoff einschließlich der Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikte
durchschritten hat, kann man bei einem solchen Verfahren wissen, was die
Täterschaft und die Zentralgestalt sind. Vorher sieht man immer nur einzelne
Einzelpflicht- Erfolgsbewirkung gemeinsame Ver- Erscheinungsformen, die zwar täterschaftsbegründend wirken, aber niemals
Verletzung durch Nicht- letzung einer absolut gesetzt werden dürfen, sondern sich nur als „Momente" am Gesamt-
H a n d l u n g s - \ funktionelle Pflichtige gemeinsamen
herrschaft ^ Tatherrschaft begriff darstellen. „Das Wahre ist das ganze" 5 . Und dieses ganze erkennen
Pflicht
Willensherrschaft wir immer erst am Ende des Weges, der wie ein sich schließender Kreis zum
Anfang zurückkehrt und uns die Zentralgestalt, die zunächst nur als regula-
tive Leerform vor uns stand und sich dann in ihre Ausprägungen verlor,
kraft kraft kraft organisatorischer schließlich „als eine in bestimmter Vielfalt differenzierte Einheit" 6 wieder
Nötigung Irrtums Machtapparate vor Augen stellt.
2.) Der Begriff der Täterschaft ist aber auch insofern dialektischer Art,
als er sich durch Gegensätze hindurch entfaltet. Das ist aus dem Gang
1. Stufe 2. Stufe 3. Stufe 4. Stufe
unserer Untersuchung deutlich erkennbar. Die Handlungsherrschaft ist

IL Zur Dialektik des Täterbegriffs 1


Hegel, Enzyklopädie, § 82, 2
2
Die Philosophie des deutschen Idealismus, S. 384/85
3
Thesenartige und schematische Übersichten, wie wir sie vorstehend gegeben Die immer noch weit verbreitete Auffassung, daß es sich beim dialektischen Verfahren
haben, sind aber nicht nur wegen ihrer relativen Inhaltsarmut unbe- um rein gedankliche Konstruktionen handele, ist also durchaus verkehrt. Vgl. auch
N . Hartmann, a. a. O. S. 385: „Es ist das Falscheste des Falschen, Hegels Dialektik für
friedigend, sondern vor allem deshalb, weil sie den im Laufe unserer Dar- Ableitung zu nehmen. Ebensogut könnte man die beschreibende Zoologie Ableitung
stellung schon wiederholt abgewehrten Eindruck begünstigen, als handele nennen. Unverkennbar dagegen ist der deskriptive Zug in der Dialektik."
4
es sich bei den verschiedenen Erscheinungsformen der Täterschaft um wie N. Hartmann a. a. O. S. 388 - natürlich ohne allen Bezug auf unser spezielles Thema -
Deduktionen aus einem abstrakten Oberbegriff. In Wirklichkeit ist das sagt.
5
Hegel, Phänomenologie des Geistes, Vorrede, S. 21 (Philosophische Bibliothek, 6. Aufl.,
Kriterium der „Zentralgestalt", von dem wir ausgegangen sind und dessen 1952)
inhaltlichen Reichtum wir nun ganz übersehen können, ein durchaus 6
Bloch, Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel. Erweiterte Ausgabe 1962, S. 127
530 531

nicht dasselbe wie die Willensherrschaft, sondern steht ihr antithetisch Geschlossenheit und Inhaltsfülle gleichermaßen zu vermitteln und der
gegenüber. Während im ersten Fall die selbständige Verwirklichung der Tat- dürren Abstraktheit ebenso wie der Zersplitterung in disparate Einzelheiten
bestandshandlung vorausgesetzt wird, beruht der zweite auf dem Fehlen zu entgehen.
dieses Kriteriums. Beide Formen treten aber gleichermaßen in Opposition 3.) Einen Täterbegriff dieser Art kann man, wenn man im Rahmen der
zur funktionellen Tatherrschaft. Die in sich gegensätzlich strukturierte Tat- Hegeischen Terminologie bleiben will, mit Recht einen „konkreten" Begriff
herrschaft findet andererseits als ganze ebenfalls ihren Widerpart im Krite- nennen. Dabei ist das „Konkrete" durchaus wörtlich im Sinne des latei-
rium der Sonderpflichtverletzung, und zu beiden tritt das Merkmal der nischen „concrescere" und im Gegensatz zur abstrakten Allgemeinheit
Eigenhändigkeit als weiterer Gegensatz hinzu. gewöhnlicher Gattungsbegriffe als etwas aus unterschiedlichen Bestimmun-
Diese dialektische Struktur läßt sich bis in die Verästelungen des Täter- gen zur Ganzheit Zusammengewachsenes zu verstehen 9 .
begriffs hinein verfolgen. Die Willensherrschaft etwa, die ihrerseits nur als Die praktische Bedeutung solcher Begriffe liegt vornehmlich darin, daß es
Teilmoment eines Teilmoments (nämlich der Tatherrschaft als Erscheinungs- nur mit ihrer Hilfe möglich ist, die in der Dogmenhistorie fast unvermeidlich
form der Zentralgestalt) auftritt, legt sich doch selbst wieder in drei Gestal- und gerade in der Täterlehre besonders verwirrend auftretende Vielzahl
tungsweisen auseinander, die alle Gegensätze bilden: Bei der Nötigungs- scheinbar unvereinbarer Theorien und Gesichtspunkte in ihrem Zusammen-
herrschaft handelt das Werkzeug gezwungen, aber sehend, bei der hang und gegenseitigen Verhältnis zu verstehen, ihre Einseitigkeit klar-
Irrtumsherrschaft ist der Ausführende umgekehrt frei, aber getäuscht; und zumachen und die komplexe Spannweite des Begriffs in den Blick zu
bei der Organisationsherrschaft schließlich führt der Mittler im Gegensatz bekommen. Das Kriterium der Zentralgestalt faßt ja nicht nur die Teil-
zu beiden anderen Formen die Tat frei und sehend aus, während das Merk- aspekte der Täterschaft gewissermaßen „horizontal" zur Einheit zusammen,
mal der Fungibilität die Antithese bildet. Noch bei der Irrtumsherrschaft sondern es bietet, wie wir in beschränkterer Weise schon früher am Merkmal
stehen die einzelnen Stufen wieder insoweit gegensätzlich zueinander, als die der „Tatherrschaft" sahen 10 , gleichzeitig eine „vertikale" Synthese aller in der
höhere immer gerade die Kenntnis dessen voraussetzt, was auf der nächst- Dogmengeschichte aufgetretenen Teilnahmetheorien, die sämtlich etwas
niederen Stufe unbekannt ist. Richtiges enthalten und nur dadurch falsch werden, daß sie ihre begrenzten
Auf diese Weise erhebt sich die Täterlehre durch immer neue Gegensätze Einsichten absolut setzen. Darüber hinaus ist es auf diese Weise möglich,
hindurch zu immer höheren Synthesen. Irrtumsherrschaft, Nötigungsherr- auch in methodologischer Hinsicht die für ein abstraktes Denken unüber-
schaft und Organisationsherrschaft schließen sich zusammen zum Begriff brückbaren Gegensätze von „ontologischer" und „teleologischer" Betrach-
der Willensherrschaft, der alle drei mitsamt ihren Gegensätzen in sich auf- tungsweise, von deskriptiver und normativer Begriffsbildung und ähnliche
nimmt. Auf der nächsten Stufe finden sich Willensherrschaft, Handlungs- Dualismen zu überwinden, ohne die wirklich vorhandenen Unterschiede
herrschaft und funktionelle Herrschaft in ihrem spannungsreichen Gegen- deshalb einzuebnen.
einander wieder im gemeinsamen Begriff der Tatherrschaft. Und auch In diesem Sinne trifft auch für die Täterlehre zu, was Nicolai Hartmann
dieser Begriff wird mit den ihm entgegengesetzten Kriterien der Pflicht- allgemein über die Dialektik konkreter Begriffe sagt. Sie „schaut nicht
verletzung und der Eigenhändigkeit überwölbt vom Merkmal der Zentral- punktuell, nicht auf den künstlich ausgegrenzten Sonderinhalt, sondern auf
gestalt. Dabei werden durch immer umfassendere Synthesen die jeweils weite Inhaltszusammenhänge. Sie schaut konspektiv ... Deswegen muß
einzelnen Momente der Täterschaft in der klassischen Bedeutung des sie ... den Zusammenhängen folgen, dasselbe von vielen Seiten als ein Ver-
Wortes „aufgehoben", und zwar in der dreifachen Weise des Erhebens, schiedenes und in sich Gegensätzliches sehen lernen und diese Mannigfaltig-
des Negierens und des Bewahrens: Die Synthese hebt sie auf eine höhere keit in ihm nicht nur gelten lassen, sondern auch begrifflich zu bewältigen
Stufe (1), negiert sie in ihrer Absolutheit (2) und bewahrt sie als Teile des suchen" 11 . Daß sich dabei die Täterschaft am Rechtsstoff wandelt und daß
Ganzen (3). „jeder Schritt Umprägung und Neuprägung des Begriffs" 12 verlangt, hat sich
So stellt sich die Zentralgestalt als Inbegriff sämtlicher Momente der im Fortgang unserer Untersuchung zur Genüge gezeigt.
Täterschaft dar, als eine Synthese, in der „nichts vernichtet wird, sondern
alles so zueinander und gegeneinander ,gefügt' wird, daß es zusammen
bestehen kann. Sie nimmt in aller Form das Widersprechende in sich auf,
A und non-A koexistieren in ihr" 7 . „Das Ganze ist nicht Summe, auch 9
Man vergleiche hierzu auch die Ausführungen, die Larenz am Schluß seiner „Juristi-
nicht abstrakte Allgemeinheit, sondern eine selbst bis ins letzte durch- schen Methodenlehre" (S. 353 ff.) über die „Sinnentfaltung durch den konkret-allge-
gegliederte Mannigfaltigkeit, und jedes Detail in ihm ist wesentlich" 8 . Diese meinen Begriff in der Rechtsphilosophie" macht. Hier finden sich überhaupt manche
Verbindung von Einheit und Differenziertheit ermöglicht es, der Täterlehre vergleichbaren Gedankengänge. Freilich meint Larenz, es handele sich dabei mehr um
rechtsphilosophische als um rechtsdogmatische Aufgaben.
10
7 Vgl. oben S. 322-326
N. Hartmann a. a. O. S. 398 11
a.a.O. S. 384
8
N. Hartmann a. a. O. S. 403 12
a.a.O. S. 386
532 533

III. Dogmatische Folgerungen Teilnahmelehre mehr und mehr in den gesetzesfreien Raum individueller
richterlicher „Wertung" gerät.
Ist nun mit einer solchen Terminologie von Dialektik, Negation, Konkretion Der entgegengesetzte Mangel zeigt sich bei den die Täterschaft defini-
und Synthese für die Dogmatik etwas gewonnen? Wir haben sie im Laufe torisch exakt begrenzenden formal- und materiell-objektiven Theorien. Hier
unserer Erörterungen nicht benötigt. Die Ergebnisse, zu denen wir ge- findet sich zwar die Einsicht, daß es notwendig ist, zu konkreten Bestim-
kommen sind, stehen deshalb unabhängig davon für sich selbst. Freilich zeigt mungen vorzudringen, aber diese Erkenntnis paart sich mit einer gewissen
sich daran nur, daß mit dem Fortschreiten an den Zusammenhängen der Blindheit für den Inhaltsreichtum des Begriffs. Man erfaßt einen Aspekt
Regelungsmaterie die Methode sich von selbst ergibt, daß sie also nichts von richtig und nimmt ihn für das ganze. Der Sprung von den Höhen der
außen Hinzugefügtes ist, sondern in den Strukturen der Sache liegt. Durch abstrakten Allgemeinheit zur konkreten Inhaltlichkeit wird zwar gewagt,
ihre Bewußtmachung treten aber einige für die Dogmatik und Systematik aber auch hier bleibt man nach den ersten Schritten wieder stehen und meint
der Teilnahmelehre wesentliche Gesichtspunkte in ein schärferes Licht, und irrigerweise, nun sei das Land durchquert und der Weg zu Ende. Man ver-
deshalb lohnt es sich, diese Fragen unter einem solchen Aspekt etwas näher liert also vom beschränkten Detail her den Überblick. Darin zeigt sich
zu betrachten: dieselbe Ermüdungserscheinung wie bei den Vertretern des abstrahierenden
Verfahrens, die von der weiteren Sicht ihres höheren Standpunktes aus nicht
einmal einen Anfang machen mögen, weil sie von vornherein daran ver-
1.) Die zwei Hauptfehler der Teilnahmedogmatik zweifeln, je ans Ziel zu kommen.
Der abstrakte und der fixierte Begriff sind also, wenn wir im Bilde bleiben
Wenn man einmal die These akzeptiert, daß nur ein „konkreter" Begriff wollen, gleichermaßen „kurzatmig", und daran hat unsere Teilnahmelehre
im oben erläuterten Sinne der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen und stets gelitten. Selbst die Tatherrschaftstheorie, die in der Durchdringung des
ihrem Zusammenhang gerecht werden kann, dann sieht man sehr deutlich, Gesamtkomplexes sicherlich am weitesten gekommen ist, beschränkt sich in
warum die beiden am häufigsten gehandhabten Verfahrensweisen, die in ihrem Kreise und muß die Pflichtdelikte und die eigenhändigen Verbrechen
der Verwendung abstrakter oder fixierter Begriffe bestehen, unzureichend ebenso wie den ganzen Bereich der Unterlassungs- und Fahrlässigkeitstaten
sind. entweder auf das Prokrustesbett ihrer hier nicht passenden Kategorien
Der abstrakte Begriff, wie er einem unbestimmten Tatherrschafts- pressen oder als terra incognita außerhalb ihrer Grenzen lassen.
kriterium, dem Rekurs auf eine undifferenzierte „Ganzheitsbetrachtung"
und der in der Judikatur immer wieder hervortretenden Verweisung auf die
Wertung des Einzelfalles zugrundeliegt, ist zwar umfassend genug, um die 2.) Der „Widerstand der Sache" als Kriterium inhaltlicher
Inhaltsfülle der Erscheinungen in sich aufnehmen zu können, aber er Richtigkeit
bleibt mehr oder minder unentwickelt bei der vagen Allgemeinheit des
Anfanges stehen und scheut sich, von hier aus zu den konkreten Gestaltun- Die Problematik juristischer Begriffsbildung in der Teilnahmelehre läßt sich
gen der Täterschaft herabzusteigen. Das beruht gewiß zum Teil auf der vielleicht durch einen anderen Gesichtspunkt noch weiter erhellen.
richtigen Einsicht, durch inhaltliche Bestimmungen dieser und jener Art Bollnow hat in einer neueren Arbeit 13 darzutun versucht, daß sich im
die Vielgestaltigkeit der Materie nicht erfassen zu können. Aber in der Bereich der Geisteswissenschaften der „Widerstand der Sache" gewisser-
voreiligen Resignation, die sich im Verharren bei der leeren Allgemeinheit maßen als Probierstein für die Richtigkeit einer Erkenntnis verwenden
ausdrückt, liegt doch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus auch eine lasse. Wo sich alles „reibungslos" unter eine „glatte, durchgehende" Theorie
Ermüdungserscheinung, ein Ausweichen vor der „Anstrengung des Be- füge, wo „sich der an einem Beispiel gefundene Ansatz ohne weiteres auch
griffs", die eine Durchdringung der vielschichtigen Materie nun einmal auf das andere übertragen" lasse, da müsse man auf der Hut sein. Wo
voraussetzt. dagegen der Widerstand der Sache zur verstärkten Anstrengung zwinge, da
Darin liegt letzten Endes auch das Hauptgebrechen der subjektiven sei man sicher, den Kontakt mit der Wirklichkeit noch nicht verloren zu
Theorie, wenn man sie so versteht, wie sie in der Praxis verwendet wird. haben 14 .
Das Merkmal des „Täterwillens", das in der Rechtsprechung immer weniger Ich meine, daß diese Worte auch für die Strafrechtsdogmatik und ins-
als psychische Realität und immer mehr als generalklauselartige Leerformel besondere für die Teilnahmelehre Gültigkeit haben. Der Vorzug eines die
für unzählige objektive und subjektive Täterschaftsindizien verstanden
13
wird, kennzeichnet einen unentfalteten, gleichsam „embryonalen" Begriff über „Die Objektivität der Geisteswissenschaften und die Frage nach dem Wesen
ohne feste Struktur. Man weiß weder, wie viele „Indizien" es gibt noch der Wahrheit", in: Zeitschr. f. philosophische Forschung, 1962, Heft 1; jetzt wieder
abgedruckt in der Essaysammlung „Maß und Vermessenheit des Menscher", 1962,
welchen Rangwert sie haben. Daher kommt es auch, daß die Ergebnisse S. 131-159
in der Rechtsprechung eine gewisse Beliebigkeit erhalten und daß die 14
a.a.O. S. 146/47
534 535

unterschiedlichen Bestimmungen in sich aufbewahrenden „konkreten" der animus auctoris zu einem bloßen Etikett wurde, dem in der Realität
Täterbegriffs besteht gerade darin, daß er sich auf die immer neue Arbeit am nichts mehr entspricht. In der Konsequenz eines solchen Ansatzes liegt es
Detail der jeweiligen Sachgegebenheiten einlassen muß und nicht wider- dann auch, daß die Lösung der Einzelfälle praktisch unkontrollierbar wird,
standslos darüber hinweggleiten darf. Aus dem Laufe unserer Untersuchung daß die „richterliche Wertung des Einzelfalles" sich vor die objektiven Maß-
ergibt sich, wie das gemeint ist: Was etwa für die mittelbare Täterschaft im stäbe schiebt, daß - wie aus berufenem Munde wiederholt betont worden ist -
Falle des § 52 StGB erarbeitet wird, enthebt uns nicht der Mühe, den Betei- irrationale Gefühlsurteile durch scheintheoretische Rechtfertigungen ver-
ligungsverhältnissen bei § 54 StGB, beim übergesetzlichen entschuldigenden deckt werden 16 und daß die Teilnahmelehre bis jetzt „das dunkelste und ver-
Notstand usw. gesondert nachzugehen. Was für die Irrtumsherrschaft bei worrenste Kapitel der deutschen Straf rechts Wissenschaft"17 geblieben ist.
Delikten gilt, muß deshalb bei Selbstschädigungen noch nicht genauso sein. Auch in der neueren Rechtsprechung sind ja diese Tendenzen immer noch
Unterlassungsdelikte bieten andere Schwierigkeiten als Begehungstaten, die sehr wirksam. Dabei liegen die Schwierigkeiten überhaupt nicht in der Sache,
Problemlage bei einem Tatbestand ist verschieden von der des zweiten. Die sondern allein darin, daß man irrigerweise wähnt, von ihr und ihrem Wider-
dadurch gewährleistete „Fühlunghabe mit der Sache" I5 gestattet dem denk- stand absehen zu dürfen.
willigen Beurteiler die genaue Nachprüfung der einzelnen Lösungen und
Argumente, die Widerlegung von Irrtümern und die fruchtbare Weiterarbeit
im einzelnen. 3.) Herausarbeitung statt Nivellierung der Gegensätze
Genau umgekehrt verhält es sich aber, wenn man den Täterbegriff in
der vielfach geübten Weise „fixiert" oder „abstrahiert". Man nimmt z.B., Die „Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung" 18, die dem hier
wie es bei den formelhaft festgelegten materiell-objektiven Theorien der befürworteten „konkreten" Täterbegriff entspricht, zeichnet sich durch die
Fall ist, irgendeine besondere Art der Verursachung und wendet das aus besondere Akzentuierung eines weiteren Gesichtspunktes aus, der in der
ihr sich ergebende Schema der Beteiligungsverhältnisse ohne weiteres Teilnahmedogmatik meist vernachlässigt wird: nämlich durch die exakte
Hinsehen überall an, so wie ein Maler das Tapetenmuster über die einheit- Herausarbeitung der Strukturunterschiede, die in den einzelnen Täter-
lich farblose Wand rollt. Hier kann natürlich von einem „Widerstand der schaftsformen obwalten. Die verbreitete Tendenz zur vereinheitlichenden
Sache" nicht mehr die Rede sein. Daß dementsprechend auch die Ergeb- Abstraktion oder zur gleichmäßigen Verwendung eines beschränkten Einzel-
nisse unrichtig werden, hat die Übersicht am Anfang unserer Arbeit zur kriteriums steht dem diametral entgegen und erweist sich als Quelle zahl-
Genüge gezeigt. reicher Fehler und Unklarheiten.
Nicht anders ist es bei der Abstraktion. Es liegt in ihrem Wesen, die jewei- Das läßt sich durch wahllos herausgegriffene Beispiele leicht belegen: So
ligen Besonderheiten des Gegenstandes auszuklammern und sich an das allen hat man immer wieder versucht, entweder darzutun, daß die mittelbare
Gemeinsame zu halten. Dadurch wird der „Widerstand der Sache" über- Täterschaft genau dasselbe sei wie eine unmittelbare Tatausführung, oder
wunden, aber in der unrichtigen Weise, daß man von ihr absieht. Das beste man hat die Existenz einer solchen Täterschaftsform überhaupt geleugnet.
Beispiel dafür ist der extensive Täterbegriff, bei dem schließlich vom Inhalts- Dabei ist die Identifizierung genauso verhängnisvoll wie die Leugnung:
reichtum der Regelungsmaterie nur noch die bloße Verursachung übrig Denn die Gleichsetzung kann sich nur auf die Kausalität gründen und muß
bleibt. Man kann klar erkennen, wie sich dieses Verfahren von der Art der zu einem extensiven Täterbegriff führen, der Anstiftung und Beihilfe in sich
oben entwickelten Synthesen abhebt. Während dort die unterschiedlich aufnimmt und von den einzelnen Formen der Willensherrschaft nichts mehr
strukturierten Momente der Täterschaft im Ganzen des Begriffs erhalten erkennen läßt.
bleiben, verschwinden sie hier im Einerlei des immer gleichen Kausal- In ähnlicher Weise bemüht man sich bis heute, die Mittäterschaft als einen
zusammenhanges. Das ist keine Bewältigung, sondern eine bequeme Ignorie- Fall der mittelbaren Täterschaft hinzustellen. Es ist im Laufe unserer
rung der Gegensätze. Darstellung gezeigt worden, daß man durch diese Einebnung des Unter-
Ganz ähnlich steht es mit der Verwendung der inhaltsleeren Animus- schiedenen keiner der beiden Beteiligungsformen gerecht wird und sich das
Formel, der „intuitiven Ganzheitsbetrachtung" und anderen in der Praxis Verständnis für die Struktur der funktionellen Tatherrschaft und der
beliebten Methoden. Einen unspezifizierten „Täterwillen" und irgendein Willensherrschaft verbaut. Durch diese Gleichbehandlung des Differen-
„Interesse" am Erfolg kann man bei jeder Deliktsart und jeder Verhaltens- zierten gleitet man mit seinen Bestimmungen in eine ungenaue Allgemein-
weise annehmen und ablehnen, ohne auf die Struktur des zu beurteilenden heit ab, die alle exakten Lösungen verwischt. Entsprechendes zeigt sich
Sachverhaltes eingehen zu müssen. Auch hier fehlt also der „Widerstand bei der mangelnden Präzisierung der abweichenden Strukturen von Nöti-
der Sache", und daher mußte es geradezu zwangsläufig so kommen, daß
16
Vgl. dazu mit Nachweisen oben S. 110/111, 118
15 17
Nicolai Hartmann a. a. O. S. 385 Vgl. dazu oben S. 1
18
Hegel, Encyklopädie, §82
536 537

gungs- und Irrtumsherrschaft. Wir haben gesehen, wie die unrichtige müssen uns deshalb im Rahmen dieser Arbeit ohne Auseinandersetzung mit
Ablehnung einer Willensherrschaft kraft Irrtums bei den Konstellationen der Literatur und den weiteren Aspekten des Themas auf einige Hinweise
der vierten Tatherrschaftsstufe, bei Verwendung von Jugendlichen, Geistes- für die Täterlehre beschränken.
kranken und in ähnlichen Fällen immer wieder auf dem von der Nötigungs- Danach darf man sagen, daß die dialektische Entfaltung eines konkreten
herrschaft entlehnten Argument beruhte, daß der Handelnde „frei" sei und Begriffs, die" unser beschreibendes Verfahren kennzeichnet, sich auch in
einen selbständigen Willen entfalten könne - was für die besondere Struktur dieser Hinsicht als eine den Dualismus beider Methoden überwindende
der Irrtumsherrschaft ganz unerheblich ist. Synthese darstellt.
Noch deutlicher erweist sich das bei den Pflichtstraftaten. Die Unter- 1.) Dem Problemdenken wird sein volles Recht zuteil, insofern als jede
schiede gegenüber den Herrschaftsdelikten treten in den Schwierigkeiten, die Lebenserscheinung ohne dogmatische Befangenheit neu und selbständig
sie der Teilnahmelehre bereiten, klar zu Tage. Trotzdem versucht man - zu bearbeiten und nach den ihr innewohnenden Strukturen zu behandeln
obwohl das nie gelingen kann - die Identität von Herrschaft und Pflicht zu ist. Das ist im Laufe der Darstellung so oft gezeigt und durch die Betonung
begründen, mit der Folge, daß die Probleme des qualifikationslosen dolosen des „Widerstandes der Sache" und der positiven Bedeutung der Gegensätze
Werkzeuges verkannt werden und die Akzessorietätsverhältnisse undurch- auch theoretisch umschrieben worden, daß es jetzt keiner weiteren Aus-
schaubar bleiben. Dasselbe gilt, wenn man die Abweichungen in den Struk- führung bedarf. Durch diese Einstellung auf die jeweiligen konkreten
turen von Begehung und Unterlassung übersieht und beide Deliktsformen Sachprobleme werden alle Nachteile vermieden, die man dem System-
dem Tatherrschaftskriterium unterwerfen will. Entsprechend steht es bei den denken mit Recht zum Vorwurf machen kann: Sämtliche Ableitungen,
Fahrlässigkeitstaten; und nicht anders ist der Versuch zu beurteilen, die die eine oder die andere sachlich erörternswerte Lösung wegen ihrer vor-
Existenz der eigenhändigen Delikte, wenn man mit ihren Besonderheiten geblichen „begrifflichen Unmöglichkeit" von vornherein ausschalten,
nicht fertig werden kann, einfach zu leugnen. entfallen. Auch systematische Folgerungen können nicht auf rein konstruk-
Man braucht diese Beispiele nicht weiter zu vermehren, um zu erkennen, tivem Wege zu praktischen Ergebnissen für die Täterlehre ausgemünzt
daß die ungewöhnliche Häufigkeit, mit der ein und derselbe Fehler bei den werden: Das „Wesen" der Handlung, die Abgrenzung von Vorsatz und
verschiedensten Autoren und Gegenständen auftritt, nur darauf beruhen bewußter Fahrlässigkeit, die Irrtumslehre, die systematische Einordnung
kann, daß ganz allgemein das Problembewußtsein in diesem Punkt noch dieser und jener Verbrechenselemente stellen ihre jeweils eigenen Probleme,
fehlt. Es widerstrebt eben dem herkömmlichen Verfahren juristischer aus denen sich aber für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
Begriffsbildung, solche der Abstraktion und Fixierung hinderlichen Diffe- unmittelbar nichts entnehmen läßt. Dadurch wird die Teilnahmelehre von
renzierungen zur Kenntnis zu nehmen. Es bedarf des dialektischen Vor- vielen theoretischen Fragen entlastet, die den Blick vom konkreten Sach-
gehens, um den Sinn im „Scharfmachen alles Widerstreitenden" zu erkennen verhalt ablenken und zur Klärung der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse
und sich der Anforderung zu stellen, „das Widersprechende in eins zu nichts beitragen.
begreifen" 19. 2.) Andererseits kommt aber auch das relative Recht systematischen Den-
Daß jedoch in der Teilnahmelehre nur auf diesem Wege weiterzukommen kens in einer solchen Täterlehre uneingeschränkt zur Geltung. Denn es ist ja
ist und daß es sich lohnt, dieser Frage auch in methodologischer Hinsicht bei der von uns verfolgten Methode nicht so, daß die Täterlehre in eine Viel-
einmal nähere Aufmerksamkeit zu widmen, soll die vorliegende Arbeit zahl zusammenhangloser Einzelresultate auseinanderfiele. Der Gefahr, daß
zeigen. Es erweist sich hier, daß in dem alten Spruch „bene iudicat, qui bene die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sich von objektiven Maß-
distinguit" mehr Weisheit steckt, als man manchmal glaubt. stäben löst und einer eklektischen Kasuistik anheimfällt, ist, wie mehrfach
dargelegt wurde, das abstrahierende Vorgehen weit eher ausgesetzt, weil es
keine Fühlung mit der Sache hat und deshalb alles der schwankenden
IV. Problem und System in der Täterlehre „richterlichen Wertung des Einzelfalles" überlassen muß. Wenn man dagegen
den Phänomenen beschreibend nachgeht, ergibt es sich ganz von selbst, daß
Wenn wir zum Schluß versuchen, unsere überschauenden Betrachtungen die zwischen ihnen obwaltenden Zusammenhänge sich von Schritt zu Schritt
auf einen noch etwas höheren Standpunkt zu erheben, so kann man die immer deutlicher enthüllen und zum Schluß ein aus der Sache gewonnenes
Frage aufwerfen, ob sich aus ihnen für die Schlichtung des neuerdings System erkennen lassen, das den Rechtsstoff als eine sinnvoll gegliederte Ein-
aktuell gewordenen Streites über den Vorrang von Problem- oder System- heit begreift. Die Möglichkeit, die Ergebnisse unserer Arbeit in thesenartigen
denken nicht einiges entnehmen läßt. Die damit angerührte Kontroverse Leitsätzen und schematischen Übersichten zusammenzufassen, zeigt, daß ein
ist zu vielschichtig, als daß sie sich im Vorübergehen erledigen ließe. Wir auf diese Weise sich zusammenfügendes System klar, verständlich und prak-
tisch anwendbar bleibt.
Es verdient freilich weiteres Nachdenken, warum das so ist. Wenn man
19
N. Hartmann, a. a. O. S. 396, 395 gewohnt ist, eine Systematik durch deduktive begriffliche Verknüpfungen
538 539

herzustellen, ist nicht sogleich verständlich, woher es kommt, daß auch die unvermeidlichen Korrekturen in Detailfragen ganz abgesehen. N u r wenn sie
nicht in dieser Weise konstruktiv eingeengten Sachgehalte sich zu Synthesen sich diesen Möglichkeiten offenhält, kann eine Täterlehre die Elastizität
zusammenschließen lassen und der Einheit nicht widerstreben. Könnte bewahren, die sie mit der ständig fortschreitenden Entwicklung Schritt
nicht, so mag man fragen, sich ebensogut ein aller Ordnung spottendes halten läßt und eine doktrinäre Erstarrung verhindert.
Chaos ergeben, das die ganze Methode ad absurdum führen würde? Man 4.) O b und inwieweit sich aus diesen Einsichten über den hier behan-
braucht jedoch nicht auf metaphysische Thesen von der Vernünftigkeit alles delten Teilabschnitt hinaus auch für die Systematik der Verbrechenslehre
Wirklichen zurückzugreifen, um zu verstehen, warum auch bei einem induk- im ganzen Gewinn ziehen läßt, kann hier nicht weiter verfolgt werden.
tiven, ohne vorgefaßtes System beginnenden, die Erscheinungen einzeln Immerhin läßt sich sagen, daß konkrete Begriffe der geschilderten Art
durchgehenden Verfahren am Ende ein sinnvoll gegliederter Zusammenhang überall dort Erfolge versprechen, wo es um Rechtsfiguren geht, die am
entsteht. gesamten Rechtsstoff auftreten können. Das gilt nicht nur für Täterschaft
Denn der „Gegenstand", an dem wir uns zu orientieren haben, ist ja nicht und Teilnahme, sondern auch etwa für den Handlungsbegriff, der sich auf
die nackte Faktizität, sondern ein rechtlich schon durchgeprägtes Material. diese Weise aus seinem unfruchtbaren Dasein als „blutleeres Gespenst"
Die Pflichtdelikte, die Nötigungsfälle, die eigenhändigen Verbrechen usw. erlösen ließe. Oder, um ein praktisch noch wichtigeres Beispiel zu nennen:
tragen in sich schon Strukturen, die aus dem Ineinanderwirken vorgegebener Man könnte durch ein solches Verfahren die Garantenposition bei den
sozialer Sinngehalte und gesetzgeberischer Zwecksetzungen entstanden sind. Unterlassungsdelikten, deren Erscheinungsformen in ihrer bisherigen
Dazu treten aus der Täterlehre selbst oberste Leitlinien, wie wir sie am Gestalt auf historischen Zufälligkeiten beruhen, sehr viel umfassender und
Anfang als mehrfach geschichtete Synthese von Sinnerfassung und teleologi- folgerichtiger aus den auch hier aufweisbaren Strukturen der Regelungs-
scher Begriffsformung erarbeitet haben. Wenn man das bedenkt, so wird materie entwickeln.
begreiflich, daß die Gesichtspunkte, unter denen man im Bereich der Täter- Genau fixierte Begriffe im Sinne der herkömmlichen Definitionstechnik
lehre die Lebenserscheinungen vernünftigerweise betrachten kann, ebenso sind dagegen immer dann am Platze, wenn begrenzte Wirklichkeits-
beschränkt sind wie die Differenzierungen, die der Rechtsstoff ohne Ver- ausschnitte nach den Anforderungen des nulla-poena-Satzes umschrieben
zerrung zuläßt. Es ist hier so wie bei allen Rechtsmaterien, bei denen die werden sollen. Was ein „Gebäude", ein „umschlossener Raum", eine
Orientierung in der Vielfalt widersprechender Stimmen verloren zu gehen „Urkunde" usw. sind, das ist durch deskriptive Formeln mit allenfalls
droht: In Wahrheit sind die Sachprobleme und die „Topoi", die zu ihrer auflockernden normativen Einschlägen subsumtionsgerecht zu kenn-
Lösung herangezogen werden können, durchaus begrenzt. Eben deshalb ist zeichnen. Es ist aber auch ein fundamentaler Unterschied, ob es darum geht,
es möglich, zu Ergebnissen zu kommen, die mit dem Anspruch der „Richtig- etwa den Begriff des „Menschen" im Sinne des §212 StGB oder den Begriff
keit" auftreten können und denen eine gewisse, oben 20 näher erläuterte des für sämtliche Tatbestände und Verhaltensweisen maßgebenden Täters zu
Überpositivität innewohnt. Sonst wäre ja auch die dogmatische Arbeit eine bestimmen. Wenn sich diese Erkenntnis durchsetzt, müßten die Suche nach
bloße Begriffsspielerei, und jede der beliebig zahlreichen Theorien müßte einer glatten Täterformel und die Meinung, mit einem Terminus wie dem des
gleich richtig oder falsch sein. „Täterwillens" eine Lösung gefunden zu haben, schon aus diesem Grunde
3.) Wir haben demnach eine Methode vor uns, bei der die Errungen- aufgegeben werden.
schaften des Problem- und des Systemdenkens gleichermaßen erhalten
bleiben. Dabei ist das System der Täterlehre insofern „offen", als kein
geschlossener Ableitungszusammenhang und kein logisch-begrifflicher § 4 1 . Z u r Kodifikation der Täterlehre
numerus clausus die Verarbeitung neuer Erscheinungen hindern. Es
handelt sich ja nur um eine den Strukturen der Materie nachgehende I. Unser geltendes Strafgesetzbuch widmet der Täterschaft nur eine einzige
Phänomenologie der Täterschaftsformen, und es liegt in der Natur solcher Bestimmung, §47, der die Mittäterschaft durch die Umschreibung kenn-
Unternehmungen, daß bei allem Bemühen um eine vollständige Aus- zeichnet, daß „mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich aus-
leuchtung des Rechtsstoffes diese oder jene Erscheinung sich dem Blick führen". Über die Einzeltäterschaft und die mittelbare Täterschaft äußert
des Betrachters entzieht. So, wie wir etwa mit den Pflichtdelikten, den ver- sich das Gesetz nicht. Der Entwurf 1962, das bisher letzte Ergebnis der
schiedenen Stufen der Irrtumsherrschaft und der Organisationsherrschaft Reformbemühungen, enthält über die Täterschaft wiederum nur eine einzige
bislang unbeachtete Täterkriterien in das System einbezogen und andere Norm. Sie lautet:
präzisiert haben, muß es mit übersehenen und später noch aufzudeckenden
Gegebenheiten auch geschehen; von der näheren Ausarbeitung und den §29. Täterschaft

I. Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen
20
Vgl. S. 447 ff. anderen begeht.
540 541

II. Begehen mehrere die Tat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter trotz voller Verantwortlichkeit des Ausführenden. Denn wenn man schon
bestraft (Mittäter). einmal mit der augenblicklichen Rechtsprechung den „Willen, die Tat als
Der Gesetzgeber begnügt sich also damit, die Rechtsfiguren der unmittel- eigene zu begehen", zum Täterschaftskriterium erhebt, liegt es sehr nahe,
baren, der mittelbaren und der Mit-Täterschaft als verschiedene Erschei- sein Fehlen beim unmittelbar Handelnden als täterschaftsausschließend und
nungen der Täterschaft anzuerkennen und durch einen Hinweis auf die sein Vorhandensein beim Außenstehenden als eine in solchen Fällen straf-
Besonderheiten der Begehung (selbst, durch einen anderen, gemeinschaft- begründende „besondere Absicht" aufzufassen.
lich) in andeutender Form zu charakterisieren. Von einer näheren Ausfüllung Man sieht, daß eine derartige Gesetzesformulierung der Entwicklung der
dieser Begriffe sieht der Entwurf dagegen ab. In der Begründung heißt es Täterlehre nicht förderlich wäre: Soweit sie richtig ist, entspricht sie der
ausdrücklich, §29 verzichte auf eine „in sich abgeschlossene und er- allgemeinen Ansicht, die auch ohne eine solche Festlegung gelten würde; wo
schöpfende Begriffsbestimmung des Täters. Die Vorschrift ergibt erst im sie sich aber auf umstrittenes Terrain begibt, würde sie die Durchsetzung der
Verein mit den jeweiligen Tatbeständen des Besonderen Teils, wer Täter zutreffenden Auffassung eher verhindern.
ist und sein kann"'. Warum der Gesetzgeber so verfahren will, wird nicht 2.) Sax, der den Entwurf 1958 ebenfalls lebhaft kritisiert 3 , setzt an die
gesagt. N u r bei der mittelbaren Täterschaft heißt es, daß „verschiedene Stelle der dort aufgenommenen Fassung eigene Vorschläge, die folgender-
Fragen ... noch der Klärung durch die Wissenschaft bedürfen und der maßen lauten 4 :
Rechtsentwicklung insoweit nicht vorgegriffen werden sollte." §a. Täterschaft
IL Diese Zurückhaltung verdient Beifall. Wie gefährlich es ist, detail-
liertere Angaben über die einzelnen Formen der Täterschaft in das Gesetz „Als Täter wird bestraft, wer die Straftat ausführt".
aufnehmen zu wollen, zeigen mehrere in den letzten Jahren unternommene
Versuche, den Bestand gesicherter Erkenntnisse kodifikatorisch einzu- § b. Mittelbare Täterschaft
fangen.
1.) So sagt z.B. §28 Abs. 2 des Entwurfs 1958, der im wesentlichen den „Führt jemand seine Straftat durch einen anderen aus, dessen Handeln er
Vorschlägen von Gallas entspricht 2 , über die mittelbare Täterschaft: „Als bewußt beherrscht, so ist er mittelbarer Täter."
Täter wird auch bestraft, wer vorsätzlich die Straftat durch einen anderen
ausführt, der ohne Vorsatz oder trotz Vorsatzes schuldlos handelt oder bei §c. Mittäterschaft
dem nicht die besonderen persönlichen Eigenschaften, Verhältnisse oder
Umstände (besondere persönliche Merkmale) oder besondere Absichten „Führen mehrere ihre Straftat in arbeitsteiligem Zusammenwirken aus
vorliegen, welche die Strafbarkeit begründen." und beherrscht jeder das Handeln der anderen bewußt mit, so sind sie
Durch diese sprachlich recht umständliche Fassung sollen die Irrtums- Mittäter."
und Nötigungssituationen sowie die Fälle des qualifikations- und absichts-
losen dolosen „Werkzeuges" als die allein in Frage kommenden Formen Dabei soll §a als „umfassende Ausgangsbestimmung" alle Formen der
mittelbarer Täterschaft erfaßt werden. Doch sind dagegen vielerlei Ein- Täterschaft umgreifen, während die §§ b und c die Kriterien angeben sollen,
wände zu erheben: Die Konstellationen, bei denen der Tatmittler vorsätz- „die es beim mittelbaren Täter und Mittäter zu sagen gestatten, auch er
lich und schuldhaft handelt, also die Fälle der zweiten, dritten und vierten habe die Straftat ausgeführt" 5 . In Kürze läßt sich dazu folgendes vor-
Tatherrschaftsstufe mit ihren besonderen Erscheinungsformen (error in bringen:
persona, Risikoirrtum, schuldhafter Verbotsirrtum usw.), werden völlig Eine Formulierung, wie sie in §a gewählt wird, ist gewiß inhaltlich
übersehen; desgleichen die Organisationsherrschaft. Die besonderen Ver- nicht anzufechten. Aber der Grund dafür liegt nur darin, daß sie eine
hältnisse bei bewußt fahrlässigem Handeln des Ausführenden bleiben Sachaussage nicht enthält. Denn „Ausführen" bedeutet hier ja nicht
unbeachtet. Das Täterkriterium der Pflichtdelikte wird durch den Hinweis „Selbsttun", sondern „Täter sein". Auch bei einer nur „geistigen Unter-
auf die „besonderen persönlichen Eigenschaften, Verhältnisse oder Um- stützung", die Sax für eine Mittäterschaft ausreichen lassen will 6 , ist der
stände" nur sehr ungenau und eher verdunkelnd charakterisiert. Die äußerlich völlig inaktive Hintermann nach seiner Terminologie ein „Aus-
Nennung der Absichtsdelikte, die keine eigene Form mittelbarer Täter- führender". O b das ein glücklicher Sprachgebrauch ist, erscheint mir
schaft begründen, ist nicht gerechtfertigt. Außerdem wird dadurch wieder zweifelhaft, wenn man bedenkt, daß herkömmlicherweise gerade zwischen
möglich gemacht, was gerade verhindert werden soll: die Annahme mittel-
barer Täterschaft bei bloßem „Tatherrschaftswillen" des Hintermannes 3
Vgl. ZStW, Bd. 69, 1957, S. 430ff.
4
a.a.O. S.435/36
5
' hier und im folgenden S. 149 der Begründung a.a.O. S. 435
2 6
Vgl. Niederschriften, Bd. 2, Anhang Nr. 14, Umdruck R 29 a.a.O. S. 434/35
542 543

Vorbereitung und Ausführung unterschieden wird, so daß es zu Miß- Aus all diesen Erwägungen glaube ich nicht, daß es empfehlenswert wäre,
verständnissen führen kann, wenn man einen vorbereitenden Täter (der nach die Vorschläge von Sax zur Grundlage einer Kodifikation zu machen.
der hier vertretenen Meinung ohnehin nicht anzuerkennen ist) als „Aus- III. Auf weitere Beispiele und namentlich auf die Erörterung der zahl-
führenden" bezeichnet. reichen früheren Entwürfe soll verzichtet werden, weil sich die Stellung-
Aber wie dem auch sei: Über die terminologische Bedeutung führt §a nahme zu ihnen aus den Ergebnissen der Arbeit ablesen läßt. Die Konzep-
jedenfalls kaum hinaus, weil völlig offen bleibt, was unter dem „Ausführen- tion der von uns entwickelten Täterlehre macht gleichzeitig erkennbar,
den" zu verstehen ist. Dabei soll nicht verkannt werden, daß dieser Begriff warum es so schwierig ist, eine Gesetzesfassung zu finden, die den Gegeben-
im Sinne einer zutreffenden restriktiven Täterkonzeption ein tatbestands- heiten der Materie gerecht wird und dem Richter bei der Fall-Lösung helfen
spezifisches Verhalten als täterschaftsbegründend charakterisieren soll. Doch kann. Schwalm hat bei den Beratungen der Strafrechtskommission einmal
eine solche Erkenntnis gehört wohl eher in ein Lehrbuch, weil sie nur eine ganz richtig gesagt 8 , daß die „Grenzen gesetzgeberischer Verankerung im
Methode zur Ermittlung der Täterschaft und keine praktischen Ergebnisse Wesen der Sache selbst liegen". Denn ein konkreter Begriff, wie er dem
angibt. Rechtsstoff allein angemessen ist, läßt sich ohne Verkürzung seines Sach-
§b, der die mittelbare Täterschaft umschreibt, vermeidet zwar die gehaltes schwer in Gesetzesparagraphen zwängen. Eine „in sich abge-
Klippen einer erschöpfend exemplifizierenden Aufzählung; aber dafür schlossene und erschöpfende Begriffsbestimmung", von der auch die Ent-
bleibt er beim unbestimmten Begriff des „Beherrschens" stehen, den man wurfsbegründung spricht, ist hier jedenfalls nicht möglich. Leicht zu
mangels näherer Angaben mit ziemlich beliebigem Inhalt füllen kann. Da handhabende definitorische Formeln, wie sie einem fixierten Täterbegriff
Sax auch bei der nur geistigen und vorbereitenden Mitwirkung an der Tat entsprechen würden, oder eine Generalklausel, in die sich ein unbestimmter
eines verantwortlich Handelnden generell eine „Beherrschung" für möglich Täterbegriff einfangen ließe, kommen den gewohnten Methoden der
hält, zeigt sich schon bei ihm, daß dieser Begriff seine Signifikanz verliert Gesetzestechnik weit mehr entgegen. Ein Begriff dagegen, der ein ganzes,
und nicht mehr besagt als etwa der „Täterwille". Hinzu kommt, daß Sax die vielfältig gegliedertes System der Täterlehre in sich enthält, bedarf, wenn er
Fälle des qualifikationslosen und des absichtslosen dolosen „Werkzeuges" auf Detailfragen antworten soll, einer beschreibenden Ausbreitung, die
ebenso als Situationen des Beherrschtwerdens ansieht und damit denselben einem Lehrbuch besser zu Gesicht steht als einem Gesetz.
Irrtümern verfällt, die dem Entwurf 1958 zugrundeliegen. Die Formulierung Angesichts dieser Problematik hat es einen guten Sinn, wenn man die
des Entwurfs 1962, der nur vom Begehen der Tat „durch einen anderen" Erscheinungsformen der Täterschaft andeutend kennzeichnet und im
spricht, enthält demgegenüber inhaltlich nicht weniger und ist sachlich übrigen auf eine „Festlegung" des Täterbegriffs verzichtet, die seine an
richtiger. den Regelungsgegenständen orientierte Entfaltung durch Rechtsprechung
§c schließlich interpretiert die Mittäterschaft im Sinne einer oben abge- und Wissenschaft nur behindern könnte. Der Entwurf 1962, der in dieser
lehnten Auffassung als „wechselseitige mittelbare Täterschaft" 7 . Auch wenn Weise verfährt, zeugt deshalb von einer bemerkenswerten Sacheinsicht.
man sich dieser Ablehnung nicht anschließen und die weitgehende Gleich- Der naheliegende Einwand, daß ein solches Vorgehen den gesetzlichen
setzung beider Täterschaftsformen für richtig halten wollte, muß man sich Bestimmtheitsanforderungen nicht entspreche, schlägt in diesem Falle
doch fragen, ob es Aufgabe des Gesetzgebers ist, eine solche, keineswegs nicht durch. Denn anders als bei einer Generalklausel, die alles weitere
herrschende Meinung zu kodifizieren; zumal da auch dieses Problem vor- dem Richter überläßt, verweist der Entwurf, wenn man ihn richtig inter-
wiegend theoretischer Art ist und bei der Unbestimmtheit des hier ver- pretiert, auf die jeweils einzelnen Formen der mittelbaren Täterschaft, der
wendeten Herrschaftsbegriffes praktisch alle Ergebnisse offen bleiben. Der Mittäterschaft usw., ohne sagen zu wollen, daß sie der Präzisierung unzu-
Hinweis auf das „arbeitsteilige Zusammenwirken" trifft zwar etwas Rich- gänglich seien und ihre Ausfüllung einer individuellen Wertung anheim-
tiges, aber im Rahmen des § c führt er zu Unklarheiten. Denn wenn Sax eine gegeben werden müsse.
Arbeitsteilung auch in dem Fall annehmen will, daß „der eine die äußere Tat- Freilich hülfe das nicht viel weiter, sofern das Gesetz es bei diesen An-
handlung allein ausführt und der Tatgenosse sie nur geistig unterstützt" 7 , deutungen bewenden ließe. Aber so ist es, wenn man sich den hier vorge-
verflüchtigt sich dieser doch wohl auf den Handlungsablauf zu beziehende tragenen methodischen Prinzipien anschließt, in Wahrheit nicht. Denn die
Begriff so weit, daß nicht mehr zu sehen ist, welche Mitwirkung denn Merkmale der Täterschaft ergeben sich dann nicht aus dem für sie vorge-
eigentlich keine Arbeitsteilung bedeuten soll. Außerdem wird auch nicht sehenen §28 allein, sondern erst aus dem Zusammenwirken dieser Norm
recht plausibel, warum es auf diese „Arbeitsteilung" überhaupt noch an- mit den in den Tatbeständen des Besonderen Teils angelegten Strukturen,
kommen soll, wenn der eine den anderen nach Art der mittelbaren Täter- die Pflichtdelikte, Herrschaftsstraftaten, eigenhändige Verbrechen usw.
schaft beherrscht, was doch gemäß §b ohnehin schon zur Begründung der deutlich genug hervortreten lassen und der eindringenden Betrachtung
Täterschaft ausreichen müßte.

7 8
a.a.O. S. 434 Niederschriften, Bd. 2, S. 92
544 545

durchaus präzise Ergebnisse vermitteln. Der Täterbegriff bleibt, wenn man tung, aber diese Notwendigkeit läßt sich in keiner Weise umgehen. Es wäre
ihn so versteht, also auch in seinen Einzelheiten nicht eigentlich unkodifi- auch - je nach den Plänen des Gesetzgebers - sehr wohl möglich, eine solche
ziert. Er widerstrebt nur der Abstraktion wie der einseitigen Festlegung - Umschreibung der Täterformen noch zu erweitern, indem man etwa die
und das ist kein Mangel, sondern ein in der Natur der Sache begründeter Wesensart der eigenhändigen Delikte im Allgemeinen Teil charakterisierte
Vorzug. oder die einzelnen Stufen der Irrtumsherrschaft des näheren entwickelte.
IV. Aus alledem darf man jedoch nicht folgern, daß es ausgeschlossen Andererseits könnte man ebenso den Umfang der oben versuchsweise vor-
wäre, die Erscheinungsformen der Täterschaft auch im Allgemeinen Teil geschlagenen Kodifikation einschränken, indem man beispielsweise auf eine
durch genauere Angaben zu umschreiben. Der geeignete Weg dafür ist der, Darlegung der verschiedenen Formen der Willensherrschaft verzichtete.
daß man die Synthesen, zu denen sich die Ausgliederungen der Zentralgestalt Welche von diesen denkbaren Verfahrensweisen der Gesetzgeber wählen
zusammenschließen, in ihren für die Rechtsanwendung wesentlichsten soll, steht in seinem Ermessen. Da die Ergebnisse unserer Arbeit nicht all-
Ergebnissen möglichst prägnant in Paragraphen formuliert. Freilich darf gemein anerkannt sind, kann ihre ausdrückliche Aufnahme in ein Gesetz
man, wenn man über unbestimmte Allgemeinheiten hinauskommen will, praktisch vorerst kaum in Frage kommen, so daß die Regelung des Entwurfs
eine gewisse kodifikatorische Breite nicht scheuen. Dann ließe sich auf der 1962, die für die weitere wissenschaftliche Entwicklung der Materie Raum
Grundlage der hier entwickelten Lösungen etwa sagen: läßt, jedenfalls in der gegenwärtigen Situation den Vorzug verdient. Aber
auch wenn es anders wäre, könnte man Zweifel haben, ob detailliertere
§ a. Unmittelbare Täterschaft Kodifikationen in diesem Bereich zweckmäßig sind. Sie erleichtern dem
Richter die Handhabung des Gesetzes, aber sie erschweren die Über-
Unmittelbarer Täter ist, wer die Tatbestandshandlung selbst aus- windung von Irrtümern und die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse.
führt. Vieles spricht dafür, daß der Gesetzgeber dem Rechnung tragen sollte. Denn
§ b. Mittelbare Täterschaft ein gutes Gesetz dauert in der Zeit. Die Wissenschaft aber schreitet fort, und
ihre Arbeit wird nie zu Ende sein.
I. Mittelbarer Täter ist, wer die Tatbestandsverwirklichung beherrscht,
indem er
1) den unmittelbar Handelnden in schuldausschließender Weise
nötigt oder seine auf anderen Gründen beruhende Willensunfreiheit
ausnutzt;
2) unter Erregung oder Ausnutzung eines Irrtums die Tatbestands-
handlung über den Willen des unmittelbar Ausführenden hinweg
sinngestaltend lenkt;
3) im Rahmen organisatorischer Machtapparate sich eines ihm
unterstellten Organs zur Deliktsverwirklichung bedient.
II. Bei Straftaten, deren Täterschaft durch die Verletzung einer Sonder-
pflicht begründet wird (Pflichtdelikte), ist mittelbarer Täter, wer den
tatbestandsmäßigen Erfolg durch die Person eines Nichtpflichtigen
bewirkt.
§c. Mittäterschaft

' I. Mittäter ist, wer auf Grund arbeitsteiligen Zusammenwirkens im


Ausführungsstadium einen nicht unwesentlichen Tatbeitrag leistet. *
IL Bei Pflichtdelikten ist Mittäter, wer durch die gemeinsame Ver-
letzung einer gemeinsamen Pflicht zur Tatbestandsverwirklichung
beiträgt.

Man wird zugeben müssen, daß eine solche (in der Formulierung sicher
noch verbesserungsfähige) gesetzliche Regelung dem Richter recht präzise
Grundsätze für die Bestimmung der Täterschaft an die Hand geben würde.
Gewiß bedürften auch die hier verwendeten Begriffe noch weiterer Entfal-
547

der Täterschaft überhaupt anerkennen. 1 Dagegen wird unter dem neuen Ge-
setz stets als unmittelbarer Täter bestraft werden müssen, wer die Tat eigen-
händig und schuldhaft ausführt, sie also im Sinne des Gesetzeswortlautes
„selbst begeht". Einer der folgenschwersten Konsequenzen der subjektiven
Teilnahmetheone, die gerade in den Jahren vor 1975 die Rechtsprechung wie-
der in besonderem Maße beherrscht hat, daß nämlich der in eigener Person
die Tat Ausführende bei fehlendem „Täterwillen" gleichwohl nur Gehilfe sei,
ist danach vom Gesetzgeber eine endgültige Absage erteilt worden.
Zwölftes Kapitel Auch die im Schrifttum ganz überwiegende Meinung geht heute davon aus,
daß derjenige, der den Tatbestand eigenhändig verwirkliche, stets Täter sei.2
S c h l u ß t e i l 2006 Diese Meinung hat sich inzwischen auch in der Rechtsprechung durchgesetzt.
Z u m n e u e s t e n S t a n d der Lehre Das O L G Stuttgart 3 hat schon 1978 ausgesprochen: „Wer alle objektiven und
v o n Täterschaft u n d T e i l n a h m e subjektiven Merkmale eines Tatbestandes in eigener Person verwirklicht, ist
nicht Gehilfe, sondern Täter." Zahlreiche neuere Urteile haben diese Auffas-
sung auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Geltung gebracht. 4
O b für „extreme Ausnahmefälle" etwas anderes gelten könnte, lassen die
§ 42. Die Entwicklung von Täterschaft
Entscheidungen dahinstehen. Da derartige Fälle bisher nicht vorgekommen
u n d Teilnahme in der Gesetzgebung und auch nicht recht vorstellbar sind, ändert der halbe Vorbehalt aber nichts
am praktischen Ergebnis.
Der neue Allgemeine Teil des StGB, der am 1.1.1975 in Kraft getreten ist,
Demgegenüber ist in der Literatur die Täterschaft des den Tatbestand
hat auch der Lehre von Täterschaft und Teilnahme in den §§25-31 StGB
eigenhändig Verwirklichenden immer noch nicht völlig unumstritten. So
eine neue gesetzliche Grundlage gegeben. Inhaltlich sind im Bereich der
Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nur zwei erheblichere - in ihrer
Tragweite allerdings schon heute sehr umstrittene - Änderungen (oder 1
Eine Auffassung, wie sie zuletzt noch Lampe (ZStW 77 (1965), 262 ff.) vertreten hat, derzu-
genauer: Konkretisierungen) zu verzeichnen. Die erste stützt die in diesem folge die mittelbare Täterschaft in der Anstiftung aufgehen soll, ist also nunmehr nicht länger
Buch vertretene Tatherrschaftslehre, indem sie der subjektiven Teilnahme- vertretbar.
2
theorie in einem entscheidenden Punkt die Grundlage entzieht; die zweite Blei, AT 1 8 , 1983, 251; Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 96f.; Bockelmann/Volk, AT 4 , 1987,
widerspricht der hier verfochtenen These, daß auch eine Teilnahme an 175; Cramer, Bockelmann-Festschrift, 1979, 392; E b e n , AT 3 , 2001, 189; Eser, StrafR II 3 ,
1980, Fall 37, Rn. 13; Freund, AT, 1998, § 10, Rn. 40; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 32; Haft,
unvorsätzlicher Tat möglich sei. Daraus ergibt sich im einzelnen Folgendes: AT 9 , 2004, 200; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 5f.; ders., ZStW 99 (1987), 52f.;
Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 7; Hünerfeld, ZStW 99 (1987), 233; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/36;
Jescheck, SchwZSt 1975, 31; Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 652; Joecks, MK, 2003, § 25,
Rn. 32; Kindhäuser, AT, 2005, § 38, Rn. 39 f.; Köhler, AT, 1997, 505; Krey, AT/2 2 , 2005, § 27,
A. Die eigenhändige Tatbestandsverwirklichung Rn. 94f.; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 22f.; Küpper, G A 1986, 444; Maiwald, ZStW 88 (1976),
729; Roxin, L K " , 1993, § 25, Rn. 33, 47ff.; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, vor § 25, Rn. 75;
Samson, StrafR I 7 , 1988, Fall 39, 214; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 14, 28;
Der neue § 25 StGB lautet: Tröndle/Fischer 5 3 , 2006, vor § 25, Rn. 4; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 515.
(1) Als Täter wird bestraft, wer die Tat selbst oder durch einen anderen 3
N J W 1978, 715.
begeht. 4
B G H N S t Z 1987, 224f.; B G H S t 38, 315; B G H N S t Z 1993, 138. Näher zu diesen Entschei-
(2) Begehen mehrere die Tat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter dungen unten Nr. 27, S. 600, Nr. 64.18, S. 636 f. und Nr. 64.20, S. 638. Zuletzt B G H R StGB
§ 25 I, Begehung, eigenhändige 3: „Wer aber, vorsätzlich handelnd, sämtliche Tatbestands-
' bestraft (Mittäter). merkmale einer Straftat in eigener Person erfüllt, ist Täter ... Er kann sich nicht auf fehlen-
Damit werden die drei Täterschaftsformen der Alleintäterschaft, der den Täterwillen oder darauf berufen, daß er nur einem anderen behilflich sein sollte ... O b in
mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft, wie sie auch dieser Darstel- ,extremen Ausnahmefällen' etwas anderes gilt ..., kann hier dahinstehen." Sodann B G H R
lung zugrunde liegen, gesetzlich festgelegt; bisher war dies nur für die Mit- BtMG § 29 I Nr. 1, Einfuhr 34: „... ist grundsätzlich Täter, wer den Tatbestand mit eigener
Hand erfüllt, auch wenn er es unter dem Einfluß und in Gegenwart eines anderen nur in des-
täterschaft (§47 a.F.) geschehen. Die Fassung entspricht wörtlich dem sen Interesse tut ..." Ferner B G H wistra 1999, 24: „... wer selbst in vollem Umfang tat-
Gesetzesvorschlag, den der E 1962 (§29) und der Alternativentwurf (§27) bestandsmäßig handelt, ist Täter ..., mag er auch ganz oder überwiegend im Interesse eines
enthalten hatten und der schon in der Erst- und Zweitauflage dieser Mono- anderen handeln ..."; B G H N S t Z - R R 2000, 22: „Wer Betäubungsmittel ... über die Grenze
graphie (vgl. dort S. 590 ff.) befürwortet worden war. verbringt, ist, da er alle Tatbestandsmerkmale in seiner Person verwirklicht, grundsätzlich
auch dann Täter der unerlaubten Einfuhr, wenn er nur unter dem Einfluß und in Gegenwart
Dieser Gesetzestext ist, soweit er die mittelbare Täterschaft und die Mit- des Mittäters in dessen Interesse handelt. Nichts anderes gilt, wenn er dabei aus Gefälligkeit
täterschaft betrifft, mit allen Lehren zu vereinbaren, die diese beiden Formen handelt."
548 549

halten Baumann/Weber/Mitsch 5 als die nahezu letzten wissenschaftlichen damit überschreite er seine Funktion. Doch das leuchtet wenig ein.13 Denn so
Vertreter der subjektiven Theorie 6 unerschüttert daran fest, daß „eine gene- oder so hat der Kellner es in der Hand, ob er jemanden zu Tode bringt und
relle Annahme von Täterschaft bei ,voller eigenhändiger' Tatbestandserfül- wer dies ggf. sein soll. Die Tötung eines Gastes liegt in jedem Falle weit
lung nicht erfolgen kann". Und Lackner 7 versuchte sogar aus den Gesetzes- außerhalb der sozialen Rolle eines Kellners.
materialien die Ansicht abzuleiten, daß das Problem nach wie vor offen sei. 8 Im übrigen wird man im Gegensatz zu Baumann, Lackner, Schmidhäuser
Es sei nämlich „in den Beratungen des Sonderausschusses ... die volle und Schild die Täterschaft des Ausführenden als nunmehr gesetzlich ent-
Gleichsetzung des Begriffs der Tatbegehung mit dem der Tatausführung in schieden ansehen müssen. Eindeutig ist zunächst der Wortlaut des §25 Abs. 1.
Frage gestellt und der Rspr. die Prüfung der Frage vorbehalten worden, ob Wenn danach „als Täter ... bestraft" wird, „wer die Straftat selbst ... begeht",
nicht auch bei eigenhändiger Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale dann ist es mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, einen so Handelnden gleich-
Extremfälle - z.B. Tötungen im Rahmen von Erschießungskommandos - wohl unter Umständen nur als Gehilfen zu bestrafen; der Wortsinn der
denkbar sind, in denen die Annahme von Täterschaft der Rolle des Beteilig- Gesetzesfassung erlaubt nicht zu sagen, daß jemand, der vorsätzlich und
ten nicht gerecht wird (vgl. Prot. V, 1825). Der Streit um die Abgrenzung eigenhändig alle Tatumstände verwirklicht, die Straftat nicht „selbst" began-
von Täterschaft und Teilnahme ist deshalb auch durch den neuen Abs.l nicht gen habe. Schmidhäusers Ansicht, daß die Wortfassung des Gesetzes eine
notwendig gegen die subjektive Lehre entschieden." Davon ist Kühl 9 jetzt andersartige Auslegung nie verhindern könne, teile ich nicht. Sie würde
deutlich abgerückt: „Gegenüber dieser klaren gesetzgeberischen Entschei- bedeuten, daß der Gesetzgeber nie imstande wäre, eine verbindliche Anwei-
dung" für die Täterschaft bei Selbstbegehung „fallen inhaltlich abweichende sung gegenüber den Umdeutungen der Interpreten durchzusetzen; das wäre
Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform nicht ins Ge- mit dem Grundsatz nullum crimen sine lege nicht zu vereinbaren und würde
wicht." den Vorrang des Gesetzes prinzipiell negieren.
Noch weitergehend als Lackner meint Schmidhäuser,10 der „Natur der Eindeutig im Sinne einer historischen Gesetzesauslegung ist weiter auch
Sache" nach sei die Frage nicht durch das Gesetz zu regeln; die Annahme, aus die Begründung des E 1962, dem die heutige Gesetzesfassung entstammt. Der
der Wortfassung des Gesetzes („wer die Straftat selbst begeht") ergebe sich, Entwurf verstehe unter einem unmittelbaren Täter, heißt es dort, 14 „einen
daß beim eigenhändig die Tat Ausführenden die Bejahung einer bloßen Bei- Täter, der die Straftat selbst begeht, d. h. alle Tatbestandsmerkmale in seiner
hilfe unmöglich sei, bedeute einen „neuen Gesetzespositivismus". „Man würde Person verwirklicht ... Diese begriffliche Bestimmung macht deutlich, daß,
alle Erfahrung mit der Auslegung von Gesetzen mißachten, wollte man die wer die Tat selbst begeht, also z.B. in eigener Person tötet ..., stets Täter ist,
subjektive Theorie allein durch eine solche Gesetzesfassung als überholt und nicht etwa wegen fehlenden Täterwillens Teilnehmer sein kann, wie es in
bezeichnen." 11 der Rechtsprechung früher bisweilen angenommen worden ist." Der schrift-
Später hat noch wieder Schild12 den Gedanken entwickelt, daß eine sozial liche Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zum Entwurf
dienende Rolle des Ausführenden ihn zum Gehilfen machen könne. Der des 2. StrRG, 15 das die Fassung des E 1962 übernimmt, hat (seinem sich auf
Kellner, der eine vom Koch vergiftete Mahlzeit serviert, obwohl er ihre die Änderungen des E 1962 beschränkenden Ergänzungscharakter entspre-
Giftigkeit erkennt, soll nur Gehilfe sein. Täter sei er dagegen, wenn er das chend) die alte Begründung nicht wiederholt, ihr aber mit keinem Wort
Gericht einer anderen als der vom Koch angegebenen Person serviere; denn widersprochen, so daß sie auch für das nunmehr geltende Gesetz als gültig
angesehen werden darf.
Wenn Lackner sich demgegenüber auf inhaltlich abweichende „Beratungen
5
AT 1 1 , 2003, § 29, Rn. 43 bei und in Fn. 67; eine nähere Ausführung der Ansicht, daß das des Sonderausschusses" berief, so wird man sagen müssen, daß Diskussionen
Gesetz die Frage offen gelassen habe, liefert Baumann, Jescheck-Festschrift, 1985, 108ff. in einem Parlamentsausschuß, die ohne Folgen für Gesetzestext und -begrün-
6
Mit dem Bemerken, daß meine aus der Neufassung des § 25 I gegen die subjektive Theorie dung geblieben sind, eine zweifelsfreie Entscheidung des Gesetzgebers nicht
hergeleiteten Argumente „nicht stichhaltig" seien; seit der 7. Aufl. wird noch zusätzlich ver- in Frage stellen können. Abgesehen davon ergeben die Protokolle der Aus-
, merkt, daß auch aus dem Wörtchen „selbst" in § 25 I „keine Übernahme der objektiven
Theorie hergeleitet werden" könne; vgl. dazu unten im Text. schußberatungen aber auch keineswegs, daß die Täterschaft des Ausführen-
7
So noch Lackner/Kühl 2 3 , 1999, § 25, Rn. 1; ähnlich Jähnke, LK 1 0 , § 212, Rn. 6; Maurach/ den nach Meinung dieses Gremiums einer „Prüfung4' durch die Rechtspre-
Gössel, AT/2 7 , 1989, 47/64 und für „extreme Ausnahmefälle" auch Jescheck/Weigend, AT 5 , chung „vorbehalten" bleiben sollte. Sturm, der in der 82. und 91. Sitzung des
1996,647. Sonderausschusses die Diskussion zum Thema „Täterschaft und Teilnahme"
8
O b w o h l er selbst Gegner der subjektiven Theorie war und der Tatherrschaftslehre „den
Vorzug" gab (StGB 2 3 , 1999, Rn. 6 vor § 25).
durch ein einleitendes Referat aus der Sicht des Bundesjustizministeriums
9
Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25, Rn. 1.
10
AT 2 , 1975, 14/168, 581; auch er würde aber für die meisten Fälle eine „Abkehr" von der
13
extrem-subjektiven Theorie begrüßen. In diesem Sinne wieder Schmidhäuser, Stree/Wessels- Zu Schild kritisch Bloy, G A 1996, 243. Vgl. auch Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff
Festschrift, 1993, 345 bei Fn. 7. und fahrlässige Beteiligung, 1997, 23 f.
11
StuB 2 , 1984, 328. 14
Bundestagsdrucksache IV/650, 149.
12 15
Täterschaft als Tatherrschaft, 1994, 45 f. Bundestagsdrucksache V/4095.
550 551

eröffnete,16 hat gerade das Problem der möglichen Gehilfenschaft des Aus- Tat und seien nicht die zentralen Figuren des Tathergangs; sie seien nur Werk-
führenden in den Mittelpunkt seiner Darlegungen gerückt. Das Ministerium zeuge. In einem solchen Fall ermögliche die vorgeschlagene Fassung, daß die
hatte zwei Formulierungshilfen angeboten, deren erste eine Umschreibung fünf nur wegen Beihilfe bestraft werden könnten. Der Befehlende werde
des unmittelbaren Täters in der Formulierung des heutigen Gesetzeswortlau- jedoch mindestens durch die Worte ,oder durch einen anderen begeht' er-
tes („wer die Tat selbst begeht") enthielt, während die zweite auf eine Defini- faßt."
tion des unmittelbaren und des mittelbaren Täters verzichtete. Er gab dazu Diese Deduktion ist es, die künftige Diskussionen über die Beurteilung von
folgende Erläuterung: 17 „In der Tat wird man in der Definition des Täters im „Extremfällen" allein noch ermöglicht. Doch wird man der Argumentation
Entwurf 1962 und im Alternativ-Entwurf einen Hinweis des Gesetzgebers Drehers nicht folgen können; auch der BGH ist ihr bei Beurteilung der
darauf sehen müssen, daß derjenige, welcher aus freien Stücken und ohne „Mauerschützen", die trotz des Schießbefehls als Täter verurteilt worden
mehr als sozial üblich von einem anderen abhängig zu sein, alle Tatbestands- sind, nicht gefolgt (vgl. unten S. 610 Nr. 38, S. 643, sub. 1). Richtig ist freilich,
merkmale selbst ausführt, Täter und nicht Teilnehmer ist. In Fällen wie dem daß das Wort „begehen" insofern einen „normativen" Charakter aufweist, als
„Badewannen-Fall" und dem „Staschynskij-Fall" wird es also bei der vorge- es auch die nichteigenhändige Täterschaft umfaßt; andernfalls könnte es der
sehenen Täterdefinition künftig wohl nicht mehr möglich sein, nur Beihilfe Gesetzgeber nicht, wie er das in §25 getan hat, ebenso zur Kennzeichnung der
anzunehmen. Wer dieses Ergebnis wünscht, muß die Täterdefinition ins mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft verwenden. In diesem Sinne
Gesetz aufnehmen. Wer aber, wie bisher, in diesem wichtigen Punkt der wei- hatte das Bundesjustizministerium schon bei seinem ersten Vorschlag aus dem
teren Entwicklung durch Lehre und Rechtsprechung Raum geben will, sollte Jahre 1955,20 der dem heutigen Gesetzestext entspricht, seinen Sprachgebrauch
auf eine Definition des Täters und des unmittelbaren Täters verzichten." erläutert: „Der Ausdruck ,begehen' ist dem Ausdruck ,ausführen' vorgezogen
Gegen Ende der Debatte bestätigte er dann noch einmal,18 „die materielle worden, weil dieser auf die Eigenhändigkeit hindeutet." Aber damit wird
Entscheidung, die hier zu treffen sei, beziehe sich darauf, ob der Ausschuß ersichtlich nur gesagt, daß das „Begehen" der Tat keine eigenhändige „Aus-
künftig Urteile wie im Falle Staschynskij verhindern wolle". Bei der unmit- führung" sein muß, nicht aber, daß das „Ausführen" (also die eigenhändige
telbar anschließenden „Grundsatzabstimmung" entschied sich der Sonder- Tatbestandsverwirklichung) keine täterschaftliche Begehung zu sein brauche.
ausschuß dann gegen nur eine Stimme und bei der folgenden „Endabstim- Daß mit demjenigen, der die Tat „selbst begeht" und nach §25 Abs. 1 aus-
mung" sogar einstimmig für die Täterdefinition des geltenden Rechts, und nahmslos Täter ist, der eigenhändig Ausführende gemeint ist, ergibt sich
zwar im Bewußtsein und mit dem Willen, auf diese Weise der extrem-subjek- überhaupt nicht aus dem Begriff des „Begehens", sondern aus dem Wörtchen
tiven Teilnahmerechtsprechung künftig einen gesetzlichen Riegel vorzuschie- „selbst", das anders als im Sinne einer unmittelbar-persönlichen Tatverwirk-
ben. lichung nicht verstehbar ist.21 Anders ist es auch, wie die Begründung des E
Allerdings hatte Sturm von vornherein im Gegensatz zur Begründung des 1962 zeigt, bei der Aufnahme in die Entwürfe nie verstanden worden. Da der
E 1962 in seltenen Ausnahmesituationen (den bei Lackner erwähnten Gesetzeswortlaut für die Annahme, daß im Falle der Selbstbegehung - sei es
„Extremfällen") die Möglichkeit offenhalten wollen, den Ausführenden doch auch nur in Extremfällen - die Täterschaft verneint werden könnte, nicht den
nur als Gehilfen zu strafen. Freilich sollten diese Fälle expressis verbis extre- geringsten Spielraum läßt, ist mithin der Rechtsprechung die Möglichkeit
mer liegen als selbst der „Staschynskij-Fall", so daß sie wohl kaum vorkom- einer solchen Interpretation verschlossen. Auch hat der Sonderausschuß nicht
men werden; gleichwohl fragt man sich, wie derartige Ausnahmen begründet über eine solche Deutung, die in dieser Form allein von Dreher vorgetragen
werden sollen. Der einzige Versuch dazu ist während der Ausschußberatun- worden ist, sondern allein über die Täterdefinition des jetzt geltenden Rech-
gen von Dreher unternommen worden, dessen Ausführungen im Protokoll tes abgestimmt, so daß eine artikulierte Meinung des Sonderausschusses zum
so wiedergegeben werden: 19 „Man habe mit Absicht gesagt: ,Wer die Straftat Problem der Dreherschen „Extremfälle" nie hervorgetreten ist. Wenn
selbst begeht' und nicht: ,ausführt'. ,Begehen' sei ein normativer Begriff, der Dreher 22 in seinen späteren Kommentierungen des §25 mir darin beitritt,
der Auslegung fähig sei. Man könne sich gewisse extreme Fälle vorstellen, wo „daß derjenige, der sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, stets Täter
jemand alle Tatbestandsmerkmale verwirkliche, aber doch nur Gehilfe sei. Als ist", so wird deutlich, daß auch er an seiner im Sonderausschuß geäußerten
Beispiel erwähnt er ein Erschießungskommando, bei dem ein Vorgesetzter
fünf Mann befehle, einen Menschen zu erschießen, was diese in der Zwangs-
situation auch täten. Die fünf Mann hätten nicht die volle Herrschaft über die 20
Vorschläge und Bemerkungen der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums zum Thema
„Täterschaft und Teilnahme", in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Straf-
rechtskommission Bd. 2, 1958, Anhang 38ff. (40); ebenso das BJM im Referat von Schwalm,
16
82. Sitzung vom 4.10.1967, Protokoll, 1647-1650, 91. Sitzung vom 14.12.1967, Protokoll, Niederschriften, Bd. 2, 92.
21
1821-1824. Auch Horstkotte betonte bei den Ausschußberatungen (a. a. O., 1826) „So gewinne der Aus-
17
A . a . O . , 1823. druck ,selbst' ein besonderes Gewicht. Die Tragweite einer solchen Regelung ergebe sich
18
A . a . O . , 1826. daraus, daß hier Akzente gesetzt würden, die im Gegensatz zur derzeitigen Rspr. stünden."
19 22
A . a . O . , 1825. StGB, seit 35. Aufl. 1975, 1, A vor § 25; so auch Tröndle/Fischer", 2006, vor § 25, Rn. 4.
552 553

Meinung nicht mehr festhält. Um so weniger besteht Anlaß oder auch nur die handelnden Intraneus durch eine dessen Vorsatz ausschließende Täuschung
Möglichkeit, sie in das Gesetz hineinzuinterpretieren. zur Herbeiführung des Tatbestandes veranlaßt hat. Die für diese Auffassung
Aber auch ein kriminalpolitisches Bedürfnis, den Ausführenden in „Ex- vorgetragenen Argumente sind heute so gültig wie ehedem. Auch die dogma-
tremfällen" nur wegen Beihilfe zu bestrafen, ist in Wahrheit nicht gegeben. tische und kriminalpolitische Problematik dieser umstrittensten Akzesso-
Da auch im Sonderausschuß alle Redner darüber einig waren, daß bei Kon- rietätsfrage wircf durch den Spruch des Gesetzgebers nicht berührt, weshalb
stellationen wie dem „Badewannen-Fall" 23 oder dem „Staschynskij-Fall" 24 ihre Erörterung in diesem Buche (schon im Hinblick auf weitere Reformdis-
der unmittelbar Handelnde unter der neuen Gesetzesfassung als Täter beur- kussionen) nach wie vor ihren Platz hat. Ebenso klar ist es freilich, daß wir
teilt werden müsse, bleibt als einziger namhaft gemachter vermeintlicher uns der legislatorischen Entscheidung zu beugen haben, so daß nach gelten-
Extremfall der Todesschütze des Erschießungskommandos übrig. Abgesehen dem Recht der Teilnehmer an unvorsätzlicher Tat nunmehr grundsätzlich
davon, daß hier normalerweise nur ein (inzwischen ohnehin in fast allen Fäl- straflos ausgeht.
len verjährter) Totschlag mit dem ggf. relativ niedrigen Strafrahmen des §213 Allerdings ist die neue Gesetzesfassung nicht so eindeutig, als daß ihre
vorliegen wird, bieten selbst bei Fehlen einer nach § 35 Abs. 1 entschuldigen- Auslegung nicht schon vor ihrem Inkrafttreten zu Meinungsverschiedenhei-
den Zwangssituation die Vorschriften über den Verbotsirrtum (§ 17) und den ten geführt hätte.
Putativnotstand (§35 Abs. 2) so weitgehende Milderungsmöglichkeiten, daß a) Als einziger Autor vertrat Schmidhäuser 27 die Ansicht, daß die Neufas-
daneben ein Bedürfnis nach Anwendung des herabgesetzten Beihilfestrafrah- sung des Gesetzes am bisherigen Rechtszustand nichts ändere, daß also nach
mens schlechterdings nicht besteht. Wenn aber ein Todesschütze die Rechts- wie vor die Strafbarkeit der Teilnahme an unvorsätzlicher Tat angenommen
widrigkeit seines Tuns erkannt und für den Fall einer Befehlsverweigerung werden könne. Er begründet das mit der These, daß die Vorsätzlichkeit ein
nicht einmal subjektiv an eine Gefährdung auch nur seiner persönlichen Frei- Schuldmoment sei, und daß nach dem in § 29 ausgesprochenen Grundsatz der
heit geglaubt hat (denn auch dieser Fall fällt unter den Wortlaut des neuen limitierten Akzessorietät die Teilnahme von der Schuld des Täters (und somit
§35), trifft ihn die Täterstrafe zu Recht. Von einer „Zwangssituation", auf die auch von dessen Vorsatz) unabhängig sei. Diese Grundsatzentscheidung gehe
sich das Drehersche Beispiel beruft, kann dann nicht die Rede sein. „jeder abweichenden Einzelregelung", also auch den neuen §§26, 27 StGB,
Das Ergebnis ist also: Wer die Tat eigenhändig ausführt, ist nach § 25 Abs. 1 vor; die beiden Bestimmungen seien nicht im Sinne des Erfordernisses vor-
StGB stets Täter; es besteht weder eine gesetzliche Möglichkeit noch ein kri- sätzlicher Haupttat, sondern „allenfalls so zu verstehen, daß als Haupttat ein
minalpolitisches Bedürfnis, von diesem Grundsatz - sei es auch nur in gewolltes Tun vorausgesetzt wird".
„Extremfällen" - Ausnahmen anzuerkennen. Bei dieser Interpretation handelt es sich jedoch um eine Umdeutung des
Gesetzes, der man nicht wird folgen können. In sämtlichen Kommissions-
und Ausschußsitzungen, die seit den Zeiten der Großen Strafrechtskommis-
B. Teilnahme nur bei vorsätzlicher Tat sion stattgefunden haben, drehte sich die Akzessorietätsdebatte so eindeutig
um das Erfordernis vorsätzlicher Haupttat, daß für die Annahme, der
Die zweite ins Gewicht fallende Klarstellung des neuen Gesetzes besteht Gesetzgeber könnte etwas anderes gemeint haben, als sich aus dem Wortsinn
darin, daß §§26, 27 StGB Anstiftung und Beihilfe nunmehr expressis verbis seiner Aussage ergibt, nicht der geringste Anhaltspunkt vorliegt. Auch der
nur noch bei „vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat" zulassen. Damit hat von Schmidhäuser behauptete systematische Widerspruch zwischen §§ 26, 27
der Gesetzgeber im Sinne der jüngeren Rechtsprechung 25 grundsätzlich dahin und dem in §29 ausgesprochenen Grundsatz der limitierten Akzessorietät
entschieden, daß eine Teilnahme an unvorsätzlicher Tat ausgeschlossen ist. besteht selbst dann nicht, wenn man mit Schmidhäuser den Vorsatz nicht
Das widerspricht der in diesem Buch 26 und auch sonst vielfach in der Wissen- zum Unrecht zählen, sondern als „Schuldmoment" betrachten wollte. 28 Denn
schaft und in der älteren Rechtsprechung ebenso wie im Alternativentwurf wenn nach §29 die Teilnahme von der Schuld des Täters unabhängig ist,
vertretenen Meinung, die durch die Lösung der Teilnahme vom Erfordernis schließt das keineswegs die Möglichkeit aus, sie von einem einzelnen Schuld-
vorsätzlicher Haupttat vor allem bei Sonderdelikten eine Bestrafung des moment (der Vorsätzlichkeit der Haupttat nach §§»26, 27) abhängig zu
nichtqualifizierten Hintermanns ermöglicht, wenn dieser den unmittelbar machen. Schmidhäusers Anregung, den Begriff der „vorsätzlichen Tat" im
Sinne eines die Begehungshandlung kennzeichnenden „gewollten Tuns" zu

23
Vgl. dazu die zahlreichen Nachweise im Register dieses Bandes.
24
Vgl. dazu die Nachweise im Sachregister sowie die ausführliche Analyse des Falles unten
27
Nr. 2, S. 563 ff. AT 1 , 1970, 14/87f.; ebenso wieder in StuB 2 , 1984, 10/22ff.; in AT 2 , 1975, 14/94, 97, 115, 134
25
Seit BGHSt 9, 370ff. Die gesetzgeberische Entscheidung ist jedoch gegen den Rat der Ver- hatte Schmidhäuser vorübergehend das von ihm als verfehlt angesehene Erfordernis einer
treter des Bundesjustizministeriums getroffen worden (Dreher, M D R 1976, 436). vorsätzlichen Haupttat akzeptiert.
26 28
Vgl. die eingehenden Nachweise im Register unter dem Stichwort „Teilnahme an unvorsätz- Vgl. dazu schon meine Stellungnahme in ZStW 83 (1971), 398ff.; im Sinne des Textes gegen
licher Haupttat". Schmidhäuser auch Bockelmann, Gallas-Festschrift, 1973, 263, Anm. 3.
554 555

verstehen, subsumiert unter diese Bezeichnung gerade auch unvorsätzliche als Tatbestandsvorsatz unberührt bleibt, der Vorsatz als Schuldform aber
Taten. Das kann nicht mehr als eine mögliche Auslegung anerkannt werden. ausgeschlossen wird. Eine andere, aber äquivalente Konstruktion wählt Je-
b) Mit Recht umstreitbar ist jedoch die Frage, wie nach nunmehr gelten- scheck,33 indem er beim Irrtum über Rechtfertigungsumstände grundsätz-
dem Recht der Fall zu behandeln ist, daß ein Außenstehender den Sonder- lich nicht den Vorsatz, sondern nur die Vorsatzstrafe mit der Wirkung aus-
pflichtigen über die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes täuscht. geschlossen sieht, daß eine Teilnahme des arglistigen Hintermannes trotz der
Als Paradebeispiel für diese Konstellation gilt der in der Rechtsprechung wie- Straflosigkeit des sich gerechtfertigt glaubenden Sonderpflichtigen möglich
derholt behandelte Sachverhalt, daß einem Arzt durch die Vortäuschung, er bleibt.34
sei von der Schweigepflicht entbunden, Informationen über die Krankheit Beide Auffassungen kommen jedenfalls darin überein, daß die „vorsätzlich
eines Patienten entlockt werden. 29 Stellt man sich die Frage, ob der Hinter- begangene rechtswidrige Tat" im Sinne der §§ 26, 27 StGB eine Handlung ist,
mann wegen Anstiftung zur Geheimnisoffenbarung nach §203 Abs. 1 Nr. 1 bei der der Täter die Merkmale des objektiven Leitbildtatbestandes mit Wis-
StGB zu bestrafen ist, wenn er einen Arzt durch die Vorspiegelung, der sen und Wollen verwirklicht; ein die Bestrafung aus dem Vorsatzdelikt hin-
Patient habe zugestimmt, zur Preisgabe von Auskünften über dessen Krank- dernder Rechtfertigungsirrtum des Täters berührt also bei Pflichtdelikten die
heit veranlaßt, so kann man die Antwort freilich von materiellrechtlichen Möglichkeit einer Teilnahme des die Lage übersehenden Extraneus nicht.
Entscheidungen außerhalb der Teilnahmelehre abhängig machen. Wenn man Dem ist trotz der konstruktiven Schwierigkeiten einer solchen Lösung aus
etwa die Entbindung von der Schweigepflicht (=Einwilligung in die Geheim- den Gründen zuzustimmen, die schon oben 35 ausführlich vorgetragen wor-
nisoffenbarung) als tatbestandsausschließend betrachtet, ist es klar, daß eine den sind und somit trotz des gesetzgeberischen Spruches auch für das neue
Anstiftung ausscheidet; nimmt man andererseits einen Rechtfertigungsgrund Recht ihre Bedeutung behalten. Es ergibt sich also, daß bei Pflichtdelikten -
an und vertritt gleichzeitig die strenge Schuldtheorie, für die ja auch das neue bei Herrschaftsdelikten handelt es sich ohnehin um eine mittelbare Täter-
Recht noch Raum läßt,30 so ist das Vorliegen einer Anstiftung wegen des schaft - die Teilnahme an einer im Sinne der eingeschränkten Schuldtheorie
danach eindeutig zu bejahenden Tätervorsatzes unproblematisch. unvorsätzlichen Tat im Bereiche der Rechtfertigungsirrtümer auch unter dem
Die herrschende Meinung wird aber auch künftig in Situationen solcher neuen Recht nach wie vor strafbar ist.
Art dem Arzt einen nach der eingeschränkten Schuldtheorie die Vorsatzstrafe Allerdings hilft diese Notlösung gerade bei den Fällen nicht weiter, für die
(und damit in der Regel die Strafbarkeit überhaupt) ausschließenden Irrtum sie am ehesten praktische Bedeutung haben könnte: für den Fall, daß der
zubilligen. O b der Hintermann als Anstifter bestraft werden kann, entschei- Täter (vor allem ein über Krankheiten des Patienten sich äußernder Arzt)
det sich dann allein danach, ob der Vorsatz, den §§26, 27 StGB verlangen, über die Einwilligung des Rechtsgutsträgers getäuscht wird. Denn die Einwil-
sich auf den Tatbestandsvorsatz im engeren Sinne beschränkt oder ob er auch ligung ist nach richtiger Auffassung kein Rechtfertigungs-, sondern ein Tatbe-
die Nichtannahme von Rechtfertigungsmerkmalen einschließt. Im ersten standsausschließungsgrund. 36 Der Arzt z.B., der von seiner Schweigepflicht
Falle ist trotz der Straflosigkeit des „Täters" eine Anstiftung möglich, im entbunden zu sein glaubt, will keine Geheimnisse des Patienten verletzen.
zweiten nicht. Die dadurch entstehende Problematik ist bisher vor allem von Ihm fehlt daher schon der auf eine tatbestandliche Rechtsgüterverletzung
Dreher behandelt worden, der den in §§26, 27 StGB geforderten Vorsatz des gerichtete Vorsatz, so daß insoweit eine Teilnahme auch dann nicht möglich
Täters u.a. gerade deswegen im Sinne des Tatbestandsvorsatzes deutet, weil ist, wenn man beim Täter nicht mehr als den Tatbestandsvorsatz verlangt. Die
auf diese Weise eine Bestrafung des täuschenden Hintermannes als Teilneh- entscheidenden Strafbarkeitslücken bleiben also bestehen. 37
mer ermöglicht wird. 31 Man muß dann im StGB mit einem doppelten Vor-
satzbegriff arbeiten derart, daß die fälschliche Annahme von Rechtfertigungs-
voraussetzungen zwar den Vorsatz im Sinne der Irrtumslehre (also nach § 16
StGB), nicht aber im Sinne der Teilnahmelehre (also nach §26, 27 StGB) aus-
schließt. Da der Gesetzgeber den Vorsatz Undefiniert gelassen hat, ist eine
solche Auffassung gesetzlich nicht ausgeschlossen, und Dreher versteht denn
auch den Irrtum über einen „Erlaubnistatbestand" so, 32 daß zwar der Vorsatz 33
Vgl. nur AT 5 , 1996, 464f.; anders freilich AT 2 , 1972, 348ff.
34
So ausdrücklich AT 5 , 1996, 465.
35
S. 367-379; zust. Rudolphi, SK 7 , 2002, § 16, Rn. 13; Schmidhäuser, StuB 2 , 1984, 10/22ff.;
Lackner/Kühl 2 5 , 2004, Rn. 9 vor § 25; a. A. die h. L., vgl. etwa Hoyer, SK 7 , 2000, vor § 26,
29
Vgl. BGHSt 4, 355ff.; O L G Köln, M D R 1962, 591 f.; dazu eingehend oben S. 367ff. Rn. 36f.; Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 53/107ff.; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001,
30
Vgl. dazu nur meinen Beitrag in Roxin/Stree/Zipf/Jung, Einführung in das neue Strafrecht, Rn. 32 vor § 25; Samson, StrafR I 7 , 1988, Fall 40, 220f.; O t t o , Grundkurs, AT 7 , 2004, § 22,
2. Aufl., 1975, 12ff. Rn.29ff.
31 36
Vgl. nur Dreher, Heinitz-Festschrift, 1972, 222; auch im Kommentar von Dreher/Tröndle Näher Roxin, AT/1 \ 2006, § 13, Rn. 12 ff., 24; § 14, Rn. 76.
37
und in der heutigen Kommentierung von Tröndle/Fischer (53. Aufl., 2006, § 16, Rn. 20) ist Es wird daher auch heute noch vielfach zu Recht betont, daß das Vorsatzerfordernis in
diese Auffassung noch enthalten. §§ 26, 27 ein rechtspolitischer Mißgriff sei; vgl. Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, vor § 25, Rn.
32
So heute noch Tröndle/Fischer 5 3 , 2006, § 16, Rn. 20. 29; Jakobs, AT 2 , 1991, 22/13 ff.
556 557

C. Die Beteiligung an vermeintlich vorsätzlicher Tat nach geltendem Recht noch für eine Teilnahmebestrafung in solchen Fällen
eintritt. Sie beruht darauf, daß der E 1962 eine Sondervorschrift enthalten
Die dritte Konstellation, deren Behandlung durch das neue Gesetz vorge- hatte, derzufolge „wie ein Anstifter" bestraft werden sollte, „wer vorsätzlich
zeichnet ist, betrifft den ebensoviel erörterten wie praktisch wenig bedeuten- einen anderen zu dessen rechtswidrig begangener Tat in der irrigen Annahme
den Fall der Beteiligung an einer nur vermeintlich vorsätzlichen Tat.38 Es geht bestimmt hat, der Täter werde bei der Begehung vorsätzlich handeln". Die
dabei um Fälle wie den, daß die Geliebte dem verheirateten Mann Gift zur Bestimmung ist in den Beratungen des Sonderausschusses einstimmig gestri-
Ermordung der Ehefrau besorgt und dabei davon ausgeht, daß der Mann ihre chen worden, nachdem Sturm für das Bundesjustizministerium dies angeregt
andeutenden Hinweise über die tödliche Wirkung der „Medizin" verstehen und - laut Protokoll 44 - ausgeführt hatte: „Die Entscheidung solcher Fälle sei
und die Ehefrau damit vorsätzlich umbringen werde. Der Mann hält das Gift in der Lehre heftig umstritten. In der Praxis spielten sie aber nur eine sehr
aber wirklich für Medizin und gibt es seiner Frau ahnungslos, kann also untergeordnete Rolle. Da der Entwurf 1962 mit §32 doch wohl zu sehr ins
höchstens wegen fahrlässiger Tötung zur Verantwortung gezogen werden. Detail gegangen sei, werde die Streichung dieser Vorschrift empfohlen." Mit
Die Geliebte kann bei dieser Sachlage nicht als mittelbare Täterin erfaßt wer- dem auf dieses Streichungsmotiv gestützten Hinweis, daß die Strafvorschrift
den, weil ihr das Bewußtsein, ein vorsatzloses Werkzeug zu steuern und „nur aus redaktionellen Gründen" nicht in das künftige Recht übernommen
damit die Tatherrschaft fehlt. Sie konnte aber nach früherem Recht wegen worden sei (Jescheck) und daß der Sonderausschuß damit nichts habe ent-
Anstiftung zum Mord bestraft werden, weil ihre Bewußtseinsverfassung die scheiden wollen (Lackner), wird auch heute noch die Möglichkeit verteidigt,
einer Teilnehmerin und das objektive Gewicht ihres Tatbeitrages wegen der das Gesetz im Sinne des §32 E 1962 auszulegen.
Ahnungslosigkeit des Ausführenden sogar noch stärker war als geplant.39 Diese Möglichkeit besteht jedoch nicht. Erstens steht es nicht in der Macht
Daß eine Bestrafung als Teilnehmer kriminalpolitisch wünschenswert ist, des Sonderausschusses, bestimmte Interpretationsmöglichkeiten gegen den
kann nicht ernstlich bezweifelt werden. Denn wenn der Hintermann objektiv eindeutigen Wortlaut des Gesetzes offenzuhalten. Zweitens aber hat der Aus-
die Verwirklichung des Tatbestandes herbeiführt und subjektiv alle Voraus- schuß sich auch keineswegs in dem Sinne geäußert, daß die zu streichende
setzungen der Anstiftung oder Beihilfe erfüllt, ist nicht einzusehen, warum er Bestimmung überflüssig sei, weil man durch Auslegung der übrigen Ge-
straflos bleiben (oder ggf. nur wegen versuchter Anstiftung zum Verbrechen setzesbestimmungen zu demselben Ergebnis kommen könne. Vielmehr ist
bestraft werden) soll. O b sich ein solches Ergebnis aber nach der Neufassung die Streichung wegen des sehr speziellen Charakters und der geringen prakti-
der §§26, 27 StGB noch vertreten läßt, ist schon heute sehr umstritten. Ich schen Bedeutung der Konstellation erfolgt. Es liegt also nahe, daß man um
habe von Anfang an die These verfochten, 40 daß eine Bestrafung jetzt nicht der Gesetzesvereinfachung willen auch diese geringe Lücke noch in Kauf
mehr möglich sei; denn wenn die Teilnahme eine vorsätzliche Haupttat vor- nehmen wollte, nachdem man durch das Vorsatzerfordernis weit größere
aussetzt, kann die irrtümliche Annahme eines in Wahrheit nicht vorhandenen Strafbarkeitslücken mit vollem Bewußtsein aufgerissen hatte. Aber wie auch
Vorsatzes dafür nicht ausreichen. Diese Meinung hat auch sonst im Schrift- immer: Der Wortlaut der §§26, 27 StGB läßt jedenfalls für einen Verzicht auf
tum eine Reihe von Anhängern gewonnen. 41 Doch hat sich unter anfänglicher das Erfordernis mindestens des Tatbestandsvorsatzes beim Haupttäter keinen
Anführung von Jescheck 42 eine Gegenauffassung herausgebildet, 43 die auch Raum, und daran könnte auch eine etwa abweichende (und im übrigen nir-
gends ausgesprochene) Meinung von Ausschußmitgliedern nichts ändern.
Der einzige interpretatorisch gangbare Weg zur Begründung einer Teil-
8
Darüber schon für das neue Recht umfassend Bockelmann, Gallas-Festschrift, 1973, 261 ff. nahmestrafbarkeit in solchen Fällen läge in einer analogen Anwendung der
9
Vgl. zu der sehr kontroversen Beurteilung dieser Situationen im Schrifttum und zur eigenen §§26, 27 StGB. Eine solche Analogie wäre, da es sich um Fälle echter Teil-
Meinung ausführlich oben § 26, S. 261 ff. („der Irrtum über Tätervoraussetzungen").
0 nahme handelt, 45 aus den in diesem Buch genannten Gründen teleologisch
Kriminalpolitik und Strafrechtssystem 1./2. Aufl. 1970/73, 20f., Anm. 46; Einführung in das
neue Strafrecht, 29. geboten; und aus dieser Sacheinsicht zieht wohl auch die hier verworfene
' Grundlegend: Bockelmann, Zur Problematik der Beteiligung an vermeintlich vorsätzlichen Gegenmeinung ihre Kraft. Da es sich jedoch bei der Teilnahme um tatbe-
. Taten, Gallas-Festschrift, 1973, 261; ferner v. a. Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 98; Cramer, standliche Strafausdehnungsgründe handelt, verschließt das Analogieverbot
Bockelmann-Festschrift, 1979, 399f.; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 76; Herzberg, Täterschaft
jede Möglichkeit einer Erstreckung der Strafbarkeit auf gesetzlich nicht
und Teilnahme, 1977, 46; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 139f.; vor § 26, Rn. 35; JakobsT AT 2 ,
1991, 22/18; Joecks, MK, 2003, vor §§ 26, 27, Rn. 19; Kindhäuser, StGB 2 , 2005, vor
§§ 25-31, Rn. 65; ders.; AT, 2005, § 39, Rn. 65f.; Köhler, AT, 1997, 529; Kretschmer, Jura
2003, 536; Krey, AT/2 2 , 2005, § 31, Rn. 226f.; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 88f.; Lackner/
43
Kühl 2 5 , 2004, vor § 25, Rn. 10; Maiwald, ZStW 88 (1976), 731 f.; Maurach/Gössel/Zipf, Sie wird vor allem von Baumann/Weber/Mitsch, AT 1 1 , 2003, § 30, Rn. 27 f.; Tröndle/
AT/2 7 , 1989, § 48, Rn. 26ff., § 53, Rn. 107ff.; O t t o , Grundkurs, AT 7 , 2004, § 22, Rn. 31; Fischer 49 , 1999, vor § 25, Rn. 10 (anders und wie hier nunmehr Tröndle/Fischer 5 3 , 2006, vor
Samson, StrafR I 7 , 1988, Fall 40, 221 f.; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, vor § 25, Rn. 30; § 25, Rn. 9); Eser, StrafR II 3 , 1980, Fall 41, Rn. 20, 22; Schöneborn, ZStW 87 (1975), 911,
Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 142; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 554. Anm. 38, vertreten.
44
Auch KG N J W 1977, 817, 819, m. Bespr. Schall, JuS 1979, 104, vertritt diese Auffassung. Protokolle des Sonderausschusses, S. 1829; ebenso der schriftliche Bericht des Ausschusses,
2
AT 2 , 499; aufgegeben in SchwZSt., Bd. 90, 1975, 32; anders jetzt auch Jescheck/Weigend, Bundestagsdrucksache V/4095, 13.
45
AT 5 , 1996,656. Vgl. oben S. 261 ff.
558 559

erfaßte Fälle.46 Wir werden uns also mit dem unbefriedigenden Ergebnis durch ihre beherrschende Stellung in der Wissenschaft und das gesetzliche
abfinden müssen. Es hätte sich freilich wie bei der Fallgruppe b) durch einen Votum gegen die extrem subjektive Theorie im neuen §25 (o. §42, 1.) nahe-
Verzicht auf die unverbrüchliche Notwendigkeit vorsätzlicher Haupttat in gelegt. Aber völlig unumstritten ist, wie wir schon sahen, für „Extremfälle"
§§26, 27 StGB leicht vermeiden lassen. Doch legitimiert das nur den Reform- nicht einmal der Ausschluß einer Teilnehmerbestrafung des unmittelbar Han-
wunsch nach einem befreienden „Federstrich" des Gesetzgebers, entbindet delnden. Aber auch wenn man diese Frage heute für praktisch entschieden
uns aber nicht von der Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem geltenden hält, wird man einräumen müssen, daß die Rechtsprechung jedenfalls außer-
Gesetz. In der Literatur der letzten Jahre wird denn auch die früher verbrei- halb der Situationen unmittelbar-eigenhändiger Tatbestandserfüllung noch
tete Gegenmeinung gegen die heute absolut herrschende Meinung allein noch mancherlei Auslegungsspielraum hat, zumal da auch die Tatherrschaftslehre
von Baumann/Weber/Mitsch vertreten. in mehreren Varianten auftritt, die sich in ihren Ergebnissen teilweise nicht
weit von der subjektiven Theorie entfernen und von der Rechtsprechung
(besonders in der Abwandlung des Tatherrschaftswillens) auch schon mit ihr
§ 43. Die Entwicklung der Lehre von Täterschaft kombiniert worden sind.50 Wenn also die Rechtsprechung, wie es zu hoffen
und Teilnahme in der Rechtsprechung ist, sich eines Tages der herrschenden Tatherrschaftslehre anschließen wird, so
wird dies doch voraussichtlich nicht in der Form eines abrupten Bruches mit
A. Die Urteile der Jahre 1962-2005 der bisherigen Judikatur geschehen; vielmehr ist zu erwarten, daß es unter
Fortentwicklung der Ansätze zu einer materiell-objektiven Täterkonzeption
Die Rechtsprechung ist seit dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches vor sich gehen wird, die vom BGH schon früher entwickelt worden waren.
zeitweilig wieder mehr auf die Linie der subjektiven Theorie eingeschwenkt. Die Urteile der Vergangenheit werden also mindestens wichtige Bausteine für
Man könnte sie also zum guten Teil als überholt ansehen und auf eine gründ- die Rechtsprechung der Zukunft liefern. Auch ist noch keine frühere Ent-
liche Analyse dieser Entwicklung verzichten, wenn die Judikatur sich nach scheidung des BGH zur Täterlehre von ihm ausdrücklich aufgegeben wor-
dem neuen Gesetzesstand eindeutig zur Tatherrschaftslehre bekannt hätte. den, und noch seine jüngsten Judikate zeigen wenigstens im Bereich der
Doch ist eine solche grundsätzliche Wendung bisher ausgeblieben. Zwar hat Mittäterschaft sehr starke Einflüsse der subjektiven Lehre in Gestalt der
dem Gesetzgeber bei der jetzt kodifizierten Regelung die Tatherrschaftslehre Interessentheorie. 51 Deshalb bedürfen die Entscheidungen der letzten drei-
vorgeschwebt; aber er wollte sich doch nicht einseitig auf sie festlegen. Schon undvierzig Jahre auch heute noch einer ins einzelne gehenden Analyse, die
im Jahre 1955 bemerkten die Sachbearbeiter des Justizministeriums bei Ein- überholte und vorwärtsweisende Gedankengänge voneinander zu trennen
reichung der ersten dem heutigen Gesetzeswortlaut entsprechenden Ent- hat. Dabei wird die nachstehende Übersicht, die zeitlich an den Text der Erst-
würfe: 47 „Die vorgeschlagene Beteiligtenregelung ist auf dem Tatherrschafts- auflage (oben S. 90-106) anschließt, in historischer Reihenfolge vorgehen. 52
gedanken ... aufgebaut, verzichtet aber auf eine nähere Ausgestaltung dieses
Gedankens im Gesetz, da der Gesetzgeber sich bei der Stellungnahme zu 1. Eine Entscheidung des 4. Senats vom 15.6.196253 ist für die in den letz-
solchen Fragen Zurückhaltung auferlegen und die weitere Klärung der ten 12 Jahren vor Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils wieder fort-
Rechtslehre und Rechtsprechung überlassen muß." Dementsprechend heißt schreitende, durch ein Urteil desselben Senats 54 ein Jahr zuvor eingeleitete
es noch in der Begründung des E 1962:48 „Der Entwurf gibt dem ... Gedan- Resubjektivierungstendenz besonders charakteristisch. Der (voll zurech-
ken der Tatherrschaft Raum. Er verzichtet jedoch darauf, ihn gesetzlich fest- nungsfähige) Angeklagte dieses Falles fuhr nach einem Tanzvergnügen, bei
zulegen." dem er und seine Freunde dem Alkohol reichlich zugesprochen hatten, mit
Auch im Schrifttum wird durchweg eine Hinwendung der Rechtsprechung vier weiteren Personen im Auto nach Hause; der Wagen wurde von seinem
zur Tatherrschaftslehre für wünschenswert gehalten. 49 Das wird nicht nur Arbeitskollegen K gesteuert. Dabei fuhr K in voller Fahrt auf einen Fuß-
durch die Aufgeschlossenheit des Gesetzgebers für diese Lehre, sondern auch gänger M auf, der hochgeschleudert wurde und dann kopfüber nach unten
stürzte, „wobei sich sein Fuß zwischen dem rechten Wagenvorderholm und
dem vorderen oberen Rahmen der rechten Tür, die sich bei dem Zusammen-
46
So treffend Bockelmann, Gallas-Festschrift, 1973, 271.
47
Niederschriften, Bd. 2, Anhang Nr. 16, U m d r u c k J 8, 41.
48
147/48. 50
Vgl. die Übersicht oben S. 90ff.
49
Roxin, in: Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. 1975, 29/30; Dreher bezeichnete es in 51
Vgl. dazu näher das Resümee B. unten S. 642ff.
der 91. Sitzung des Sonderausschusses (Protokolle, 1826) als „ein Unglück, wenn die Recht- 52
Eine kritische Gesamtübersicht und Würdigung der Abgrenzung von Täterschaft und Teil-
sprechung weiter mit der subjektiven animus-Formel arbeitete"; in M D R 1976, 436, sieht er nahme in der höchstrichterlichen Rechtsprechung liefert Roxin, BGH-Festgabe, 2000,
in dem vorliegenden Buch einen „Appell" an die Rechtsprechung: „weg von der subjektiven 177ff.
Teilnahmetheorie und mit dem neuen Gesetz hin zur Täterlehre Roxins!"; vgl. ferner Prei- 53
VRS, Bd. 23, 207ff. = G A 1963, 187.
sendanz, StGB 3 0 , 1978, vor § 25, 2, b, cc und Schöneborn, ZStW 87 (1975), 911. 54
B G H S t 16, 12 ff., vgl. oben S. 104 ff.
560 561

prall geöffnet hatte, verklemmte, während Oberkörper und Kopf des Verun- worden war und ihm damit einen Wunsch erfüllte. Wäre diese Deduktion
glückten auf dem unteren Ende des rechten vorderen Kotflügels lagen". richtig, so müßte jeder, der zu seiner Tat angestiftet worden ist, schon allein
Der Angeklagte und die übrigen Wageninsassen forderten, als sie den Fuß deshalb Gehilfe sein; indem er der Aufforderung des anderen nachkommt,
sahen, den Fahrer K auf, anzuhalten. K lehnte jedoch mit dem Bemerken ab, erfüllt er ja notwendig dessen Wunsch. Daß eine solche Interpretation mit
er wolle nichts mit der Polizei zu tun haben. Zum Angeklagten sagte K noch: Wortlaut und Sinn der §§25 Abs. 2, 26 StGB (§§47, 48 a.F.) schlechthin
„Gerd, tu ihn raus!" womit er den Fuß des Verunglückten meinte. Unter Mit- unvereinbar ist, liegt auf der Hand. Denn sie läßt, wenn man sie zu Ende
hilfe eines anderen Wageninsassen gelang es dem Angeklagten auch, den Ver- denkt, für eine Anstifter-Täter-Beziehung, von der unser Gesetzgeber aus-
unglückten auf die Straße zu werfen. Das Urteil fährt dann fort: „Bei seinem geht, keinen Raum mehr. Die Wendung, der Angeklagte habe seinen Tatbei-
Handeln war sich der Angeklagte bewußt, daß der Verunglückte durch das trag „nicht aus eigenem Entschluß geleistet, sondern er war von K dazu auf-
Abwerfen vom fahrenden PKW getötet werden konnte; er billigte diese mög- gefordert worden", läßt diese Begriffsverwirrung unmißverständlich hervor-
liche Folge. Nachdem der Körper des Verunglückten abgeworfen war, riefen treten. Diese Aufforderung, die nach der (sachlich auch allein vertretbaren)
der Angeklagte und die übrigen Mitfahrer, K solle weiterfahren. Dieser war Ansicht des Gesetzgebers den Tatentschluß hervorruft und den Täter zu seiner
dazu schon entschlossen, fühlte sich durch die Zurufe aber noch bestärkt und Tat bestimmt, soll nach den Vorstellungen des Urteils einen selbständigen
fuhr mit erhöhter Geschwindigkeit davon." Tatentschluß eo ipso verhindern! Dabei war es doch so, daß nicht der voll-
Nach den weiteren Sachverhaltsfeststellungen der Entscheidung handelt es kommen frei und ungenötigt handelnde Angeklagte von K abhängig war,
sich hier um einen klassischen Fall der oben 55 entwickelten funktionellen Tat- sondern daß umgekehrt der K, wenn er sich der Strafverfolgung entziehen
herrschaft. Der B G H stellt nämlich fest:56 „Es kann davon ausgegangen wer- wollte, auf die Mordtat des Angeklagten und die Erfüllung seines Wunsches
den, daß die Wageninsassen nicht annahmen, schon ein Herabfallen von dem durch ihn angewiesen war.
Kotflügel des stehenden Kraftwagens könne den Tod des Verunglückten her- Ist daher die „Willensunterordnung" hier keine andere als bei jedem auf
beiführen, daß sie vielmehr diesen Erfolg nur für den Sturz aus dem mit Grund einer Anstiftung handelnden Täter, so bleibt als einziges sachliches
hoher Geschwindigkeit fahrenden Wagen erwarteten. Der Fahrer des Kraft- Abgrenzungskriterium das Merkmal des Interesses, auf das der B G H denn
wagens war aber K. N u r das Zusammenwirken des K und des Angeklagten auch wiederholt ausdrücklich abhebt: Der „Badewannen-Fall" 57 feiert seine
war also ... geeignet, M zu töten." Eine solche Arbeitsteilung im Aus- Auferstehung! Selbst wenn nun eine so einseitig gehandhabte Interessenfor-
führungsstadium, bei der nur beide zusammen den Erfolg herbeiführen kön- mel nicht schon auf Grund der positivgesetzlichen Regelung und zwingender
nen, ist vom hier vertretenen Standpunkt aus unter allen Umständen ein mit- dogmatischer Gründe generell unbrauchbar wäre, 58 müßte sie doch, wie ge-
täterschaftsbegründendes „gemeinschaftliches Ausführen" i. S. des § 47 StGB rade unser Fall zeigt, an ihrer praktischen Undurchführbarkeit scheitern.
a. F. bzw. ein „gemeinschaftliches Begehen" nach dem geltenden §25 Abs. 2 Denn irgendein Interesse hat ein freiwillig handelnder Mörder immer an sei-
StGB, ohne daß es auf die „innere Einstellung" der Beteiligten noch irgend ner Tat. So ist in unserem Beispiel eigentlich nur dreierlei denkbar: Entweder
ankäme. So hatte auch das Schwurgericht den Angeklagten allein deshalb als glaubte der Angeklagte, auf Grund eines irregeleiteten Solidaritätsgefühls die
Täter angesehen, „weil er alle Tatbestandsvoraussetzungen in eigener Person Sache seines Zechkumpanen zu der seinen machen zu sollen. Dann wäre in
erfüllt habe". seinem Verhalten jener „einverständliche Eifer" zum Ausdruck gekommen,
Der B G H erklärt das für fehlerhaft. Er will den Angeklagten als Gehilfen den der B G H im gleich zu erörternden „Staschynskij-Fall" als das für die
betrachten und begründet das so: „Der Angeklagte hat seinen Tatbeitrag nicht Täterschaft entscheidende Merkmal bezeichnet hat. Oder er beging die
aus eigenem Entschluß geleistet, sondern er war von K dazu aufgefordert Mordtat, weil es ihm nützlich schien, sich die „Freundschaft" seines Arbeits-
worden. Allein in K's Interesse lag der Erfolg der Tat, da dieser es war, der kollegen K zu erwerben oder zu erhalten. Man wird schwerlich leugnen kön-
den Unfall schuldhaft verursacht hatte; der Angeklagte hatte von einer Auf- nen, daß jemand ein nachhaltiges Interesse daran haben kann, sich einen
klärung des Unfalls nichts zu befürchten. Mit der Erfüllung des Wunsches anderen auf solche Weise zu verpflichten. Oder der Angeklagte handelte des-
von K, der unter allen Umständen fliehen wollte, hat sich der Angeklagte des- halb, weil er es selbst eilig hatte, nach Hause zu kommen - der Vorfall hatte
sen Willen untergeordnet." sich um zwei Uhr nachts abgespielt - und weil er den Scherereien, die sich
Auch wenn wir unsere Kritik zunächst auf den konkreten Fall beschrän- auch für ihn aus einer Benachrichtigung der Polizei ergeben mußten, ent-
ken, zeigt das Urteil die Unhaltbarkeit der subjektiven Theorie mit beson- gehen wollte. Auch das wäre sicher ein von hinreichendem Eigeninteresse
derer Deutlichkeit. Denn die angebliche „Willensunterordnung" des Ange- geleitetes Motiv.
klagten wird allein daraus hergeleitet, daß er von K zu seiner Tat aufgefordert

57
55
S. 275 ff. RGSt 74, 85; vgl. dazu die Nachweise im Sachregister.
58
56
A . a . O . , 209. Vgl. nur oben S. 56 f. und Roxin, JZ 1966, 294 f.
562 563

Welcher dieser drei Beweggründe den Angeklagten zu seinem Tun veran- talität aber, mit welcher der Angeklagte unseres Falles (- wenn man ihm
laßt hat, läßt der B G H unerörtert; wahrscheinlich haben alle drei zusammen- schon einmal das Interesse abspricht - ) „für nichts" das Leben eines verletz-
gewirkt. Man darf annehmen, daß der BGH solche Interessen gegenüber dem ten Unfallopfers auslöscht, so wie man ein lästiges Ungeziefer aus dem
vorwiegenden Interesse des K für eine Begründung der Mittäterschaft von Wagen wirft, ist doch noch weit weniger ein Grund, ihn den Rechtsfolgen zu
vornherein nicht ausreichen lassen will. Das wird aber nicht gesagt; es ist auch entziehen, die" das Gesetz nun einmal an die eigene und ungenötigte Tat-
kaum je versucht worden, 59 Interessen, die den Täterwillen begründen kön- bestandsverwirklichung knüpft.
nen, von anderen abzugrenzen, denen diese Macht nicht zukommt. Ein sol-
cher Versuch wäre zudem nicht aussichtsreich. Er würde zu scholastischen 2. Gut vier Monate später, am 19.10.1962, wurde der inzwischen berühmt
Distinktionen führen, die im Gesetz keinen Anhalt finden und, da die Motiv- gewordene „Staschynskij-Fall" 61 vom 3. Senat des BGH mit dem Ergebnis
verflechtungen in der Psyche des Täters nachträglich kaum rekonstruierbar entschieden, daß der Angeklagte, der nach seiner unwiderlegten Einlassung
sind, die Feststellungsmöglichkeiten des Richters überfordern. Damit stehen im Auftrage eines ausländischen Geheimdienstes zwei Exilpolitiker in der
wir bei dem, was ich demonstrieren wollte: Die Ergebnisse, die sich mit Hilfe Bundesrepublik eigenhändig und ungenötigt mit einer Giftpistole getötet
der Interessenformel erzielen lassen, sind beliebig. O b man ein Interesse hatte, nur wegen Beihilfe zum Mord bestraft wurde. 62 Mit der im Leitsatz
bejaht, auf das sich der psychisch nicht vorfindbare „Täterwille" gründen ausgesprochenen Feststellung: „Wer eine Tötung eigenhändig begeht, ist im
läßt, ist Sache einer unüberprüfbaren Gefühlsentscheidung. 60 Das heißt: Die Regelfalle Täter", mißt das Urteil grundsätzlich der selbständigen Tat-
subjektive Theorie bietet mit ihrem Rückgriff auf das „Interesse" keine ausführung für die Begründung der Täterschaft größere Bedeutung bei, als es
inhaltlichen Kriterien; sie liefert nur Etiketten für einen direktionslosen rich- der 4. Senat in seiner vorstehend erörterten Entscheidung tut; nur „unter
terlichen Willensakt. Auf den methodologischen Aspekt dieses Befundes wird bestimmten, engen Umständen", heißt es hier, könne der eigenhändig Tö-
noch zurückzukommen sein. Daß aber die Willkürlichkeit solcher Lösungen tende „auch lediglich Gehilfe sein". In der Würdigung des konkreten Falles
zu rechtsstaatlichen Bedenken nötigt, dürfte auch so schon einleuchten. jedoch zeigt das Urteil einen so weitgehenden Subjektivismus, daß es zum
Eine zusätzliche Überlegung möge die kritische Analyse unseres „Zech- leading-case einer Regel und Ausnahme verkehrenden Gerichtspraxis bei den
kumpanen-Falles" abschließen: Auch wenn man dem B G H alle seine Prämis- NS-Gewaltverbrecher-Prozessen hat werden können. Das Unterscheidungs-
sen zugäbe und unbesehen annähme, daß der Angeklagte den M ohne jeg- merkmal ist denn auch rein innerpsychischer Art: Täter soll „regelmäßig"
liches persönliches Interesse allein dem K zuliebe ermordet hätte, ließe sich sein, wer „fremde verbrecherische Ziele zur Grundlage eigener Überzeugung
kein Argument dafür finden, warum dieser Umstand zu einer Privilegierung und eigenen Handelns macht ... oder wer ... anderweit einverständlichen
des Angeklagten führen sollte. Aus dem Gesetz, das nur ein „gemeinschaft- Eifer zeigt oder solchen staatlichen Mordterror für eigene Zwecke ausnutzt";
liches Begehen" verlangt, ergibt sich dafür kein Anhaltspunkt. Läßt man aber, dagegen soll es für den Teilnehmerwillen eigenhändig Tötender sprechen, daß
wie es die Rechtsprechung weitgehend tut, den Täter nach Schuld- und Straf- sie den Verbrechensbefehl mißbilligen, aber „den Mut zum Widerstand oder
würdigkeitsgesichtspunkten vom Richter „wertend ermitteln", so wäre auch die Intelligenz zur wirksamen Ausflucht nicht aufbringen, sei es auch, daß sie
unter diesem Aspekt die umgekehrte, den Angeklagten zum Täter machende ihr Gewissen vorübergehend durch politische Parolen zu beschwichtigen und
„Wertung" weit einleuchtender. Denn der aus interesselosem Wohlgefallen sich vor sich selber zu rechtfertigen suchen" 63.
handelnde „Gefälligkeitsmörder", der nach den Grundsätzen unserer Ent- Das Urteil verdient schon deshalb keinen Beifall, weil es die Abgrenzung
scheidung der Prototyp des milder zu bestrafenden Gehilfen sein soll, ist von Täterschaft und Teilnahme in die Strafzumessungslehre verschiebt; auf
sicher noch schlimmer und gefährlicher als der Autofahrer K, der sich aus dieses Grundproblem wird noch zurückzukommen sein. Hier genüge der
Angst vor der Polizei zu seiner Tat hinreißen läßt. Das leidenschaftsgetrie- Nachweis, daß die Kriterien, die es verwendet, bei aller scheinbaren Plausibi-
bene Interesse kann gewiß eine Tat nicht entschuldigen; die gefühlskalte Bru- lität praktisch unverwendbar sind. Hat nämlich der Handelnde für den Fall,
daß er die befohlene Tat nicht ausführt, eine Gefahr für Leib und Leben zu

61
Eine Ausnahme macht Baumann, N J W 1963, 561 ff. Seine auf die NS-Einsatzgruppen- B G H S t 18, 87 ff. Dazu Baumann, N J W 1963, 561; Sax, J Z 1963, 329; vgl. auch meinen Kom-
Morde zugeschnittenen Unterscheidungen geben aber für die Beurteilung unseres Falles mentar zum Fall Nr. 76 in Roxin, HRR-AT, 1998.
62
nichts her. Das Urteil konnte oben nur noch im Hinblick auf die mittelbare Täterschaft der Hinter-
In welchem Grade das der Fall ist, zeigt etwa ein Vergleich mit der Entscheidung desselben männer näher behandelt werden (S. 242ff.); mit der Täterschaft des unmittelbar Handeln-
(vierten) Senats vom 28.10.1954, M D R 1955, 244 (vgl. dazu oben S. 281): Hier soll im Falle den, die im Text nur noch kurz gestreift werden konnte (S. 105, Anm. 52, S. 128/29),
einer sexuellen Nötigung schon der anfeuernde Zuruf eines Außenstehenden, der zur Tat- beschäftigt sich ausführlich mein Aufsatz in G A 1963, 193 ff. („Straftaten im Rahmen orga-
ausführung keinen Beitrag leistet und keinerlei eigenen Vorteil davon hat, die Mittäterschaft nisatorischer Machtapparate"), auf den hier verwiesen sei. Zur neuesten Entwicklung der
begründen. N u r wenn man weiß, daß mit dem „Täterwillen" entgegengesetzte Ergebnisse Problematik in der Judikatur vgl. BGHSt 40, 218 (unten Nr. 38, S. 61 Off.); das Urteil be-
gleich mühelos begründbar sind, wird man solche Divergenzen ohne Verwunderung zur zeichnet einen entscheidenden Umschwung der Rechtsprechung.
63
Kenntnis nehmen. A . a . O . , 94f.
564 565

besorgen, so ist er ohnehin wegen Notstandes (§35 StGB) entschuldigt und Man wird zugeben müssen, daß eine Unterscheidung der Beteiligungsfor-
straffrei. Besteht objektiv eine solche Gefahr nicht, glaubt er aber irrig, ihr men, die bei ideologischen Indoktrinationen zwischen deliktsmotivierenden,
ausgesetzt zu sein, so liegt ein Putativnotstand vor, der nach §35 Abs. 2 zur für die Täterschaft aber nicht ausreichenden und davon unabhängigen „wirk-
Straflosigkeit oder mindestens zur Strafmilderung führt, jedenfalls aber einen lichen" Beeinflussungserfolgen differenziert, die ferner zwischen oberfläch-
Rückgriff auf den Beihilfestrafrahmen als überflüssig und fehlerhaft erschei- licher Überzeugung und einem täterschaftsindizierenden Glauben „im
nen läßt. Denn wenn der wirkliche Notstand nicht die Täterschaft, sondern Grunde" trennt, mit derartigen Distinktionen in den Bereich der reinen Spe-
nur die Schuld ausschließt,64 kann es beim vermeintlichen Notstand nicht kulation entgleitet. Wie soll z. B. in unserem Fall ein Gericht über den Seelen-
anders sein. Man muß also bei Konstellationen der vom B G H entschiedenen zustand des angeklagten Ausländers in den Jahren vor der Tat Kunde erhal-
Art, wenn die Annahme einer Beihilfe überhaupt praktische Bedeutung ten? Es ist klar, daß es sich bei Feststellungen, wie sie das Urteil trifft, stets
haben soll, davon ausgehen, daß der mit eigener Hand Mordende sich nicht nur um intuitive Wesensdeutungen handeln kann, die je nach der Person des
unmittelbar für gefährdet hält und weiß, daß er sich dem Befehl entziehen Beurteilers so oder anders ausfallen werden. Damit entscheidet über Täter-
kann (im „Staschynskij-Fall" z.B. durch Mitteilung an die Polizei der Bun- schaft und Teilnahme auch hier ein irrationales richterliches Ermessen, 66 das
desrepublik). Dann aber sind einige der vom B G H angeführten Merkmale zudem an dogmatisch durchaus ungeeigneten Gesichtspunkten orientiert ist.
von vornherein unpassend: Wer den „Mut zum Widerstand" nicht aufbringt Denn daß der Charakter des Angeklagten, wie er sich seit frühester Jugend
oder wegen mangelnder Intelligenz einen möglichen Ausweg nicht sieht, geformt hat, nach dem Willen des Gesetzgebers für die Abgrenzung von
glaubt, bei Nichtbefolgung des Befehls einer Leibes- oder gar Lebensgefahr Täterschaft und Teilnahme maßgebend sein sollte, ist ernstlich nicht zu ver-
ausgesetzt zu sein. Für Strafausschluß oder Strafmilderung ist hier die Not- treten. Die Begründung des BGH-Urteils läßt auch erkennen, daß die gün-
stands- und nicht die Teilnahmelehre zuständig. stige Persönlichkeitsbeurteilung, die das Gericht dem Angeklagten zuteil
Als Abgrenzungskriterium bleibt für die praktisch in Betracht kommenden werden läßt, durch die nachträgliche Reue St's motiviert ist, der unter dem
Fälle demnach nur die Unterscheidung übrig zwischen den „überzeugten, Einfluß seiner deutschen Frau sich später den Behörden der Bundesrepublik
willigen" Befehlsempfängern, die in einverständlichem Eifer fremde Ziele zur stellte. So sehr ein derartiges Verhalten den Angeklagten einer vorzeitigen
Grundlage eigenen Handelns machen, und anderen, die „aus menschlicher Begnadigung hätte würdig erscheinen lassen, so befremdlich ist es doch, daß
Schwäche" mißbilligte Befehle dennoch ausführen. Das aber ist kein brauch- persönlichkeitsformende Ereignisse, die sich nach der Deliktsbegehung abge-
bares Abschichtungsmerkmal. Denn wie sich Überzeugung und Mißbilli- spielt haben, über die Beteiligungsform entscheiden sollen.
gung, Einverständnis und Schwäche in der Seele des freiwillig Handelnden Wie austauschbar die Begründungen bei einer solchen Rechtsfindungs-
mischen, ist richterlicher Erforschung, die zudem meist erst lange nach der methode werden, zeigt ein Vergleich mit dem Urteil des LG Stuttgart 67 im
Tat einsetzen kann, unzugänglich. Von dieser praktischen Schwierigkeit abge- sog. „Hanke-Fall". Hier hatte ein Grenzpolizist der D D R auf den „dring-
sehen, ist die Differenzierung aber auch theoretisch kaum sinnvoll durchführ- lichen Befehl" eines Unterfeldwebels hin einen DDR-Flüchtling an der
bar. Handelt nämlich der den Mord oder Totschlag Ausführende nicht im Zonengrenze mit bedingtem Vorsatz erschossen. Das Gericht stützt sich auf
Putativnotstand, so stellt sich die Frage, warum er die Tat, wenn er sie mißbil- die Grundsätze des Staschynskij-Urteils, kommt hier aber zum entgegen-
ligte, überhaupt begangen hat. Der BGH versucht diesem Dilemma mit der gesetzten Ergebnis einer Täterschaft des Angeklagten. Das wird mit den Wor-
Hilfskonstruktion der „zeitweiligen Überzeugung" zu entkommen. Wenn ten begründet: „Der Auftrag, gegebenenfalls einen Flüchtling zu erschießen,
der Handelnde bei der Tatbegehung sein „Gewissen vorübergehend durch war ihm zwar persönlich nach längerer Überlegung als eine unangenehme,
politische Parolen beschwichtigt" habe, soll darin noch kein hinreichender notfalls aber bedingungslos zu erfüllende Pflicht erschienen, weil er aus
Täterwille liegen. Diese Lehre wird dann am Angeklagten des „Staschynskij- Gedankenlosigkeit einfach hinnahm, daß der Staat von ihm mit Rücksicht auf
Falles" ausführlich demonstriert, wenn es im Urteil 65 heißt, es sei nicht St's die angeblich in die Zukunft weisende politische Zielrichtung Handlungen
„eigener politischer Eingebung" entsprungen, die beiden von ihm heim- forderte, die ihm selbst noch als Unrecht erschienen"; auf diese Weise sei der
tückisch erschossenen Opfer als Feinde seines Landes anzusehen: „Solche Angeklagte „zum Prototyp des gedankenlosen, willigen Befehlsempfängers
Vorstellungen sind ihm, ohne daß sie ihm zur festen Maxime geworden wären geworden" 68. Aus dem „überzeugten" Befehlsempfänger des BGH wird hier
und sein Gewissen betäubt hätten, von Jugend auf ohne wirklichen Erfolg also der „gedankenlos" Gehorchende, dem freilich im selben Satz „längere
indoktriniert worden. Er hat ihnen im Grunde nie geglaubt, sondern sich im Überlegung" (!) zugebilligt wird. Während ihm sein Handeln einerseits „als
Tatzeitpunkt damit nur zeitweilig zu beschwichtigen gesucht." Unrecht erschienen" sein soll, wird im nächsten Satz gesagt, daß er es „des

66
M Vgl. dazu auch meine Darlegungen in GA 1963, 194-197.
Vgl. ausführlich oben S. 131 ff. 67
JZ 1964, 101 ff.
65
A.a.O., 95. 68
JZ 1964, 103.
566 567

staatlichen Interesses halber für gerechtfertigt" gehalten habe. Wenn das hatte, ließ der Angeklagte den Motor an und trat das Gaspedal durch, bis das
Urteil schließlich die Täterschaft bejaht, ist das, soweit man ein solches Ver- einströmende Kohlenoxyd ihm die Besinnung raubte. Am folgenden Morgen
halten überhaupt für strafbar hält,69 im Ergebnis gewiß richtig. Daß aber bei wurden beide bewußtlos, aber noch lebend aufgefunden, doch konnte nur der
einer so verquälten, durch und durch widersprüchlichen Begründung, wie sie Angeklagte gerettet werden.
hier unter dem Zwang der subjektiven Theorie zustande kam, die Bejahung Der B G H geht von der „gesicherten Rechtsprechung" aus, daß „der Tat-
einer Teilnahme genausogut möglich gewesen wäre, ist offensichtlich. Denn bestand des §216 StGB von der straflosen Beihilfe zur Selbsttötung nach den
es hätte sich mit demselben Grade an Plausibilität dartun lassen, daß der Grundsätzen der Teilnahmelehre abzugrenzen" sei. Doch sind diese Grund-
Täter Hanke nur „aus menschlicher Schwäche" und innerlich widerstrebend sätze für ihn nicht die der subjektiven Theorie. Die Bedenken, die gegen sie
den „dringlichen" Befehl ausgeführt habe. Wie schließlich die Entscheidung „in der allgemeinen Teilnahmelehre" geltend gemacht werden, will der BGH
ausgefallen wäre, wenn das Gericht sich im Anschluß an den BGH auf die freilich unerörtert lassen. Denn nach seiner Meinung „sind jedenfalls für den
Frage eingelassen hätte, ob der Handelnde sein Gewissen zeitweilig oder end- Sonderfall der tatbestandlichen Abgrenzung des §216 StGB gegenüber der
gültig beschwichtigt hatte und ob er „im Grunde" überzeugt war oder nicht, straflosen Beihilfe zur Selbsttötung subjektiv bestimmte Kriterien, ob näm-
ist vollends unabsehbar. lich der Handelnde die Tat als eigene wollte, ob er den Täterwillen, den Wil-
Es ist keine polemische Übertreibung, sondern eine für den Strafrechts- len zur Tatherrschaft oder ein eigenes Interesse an der Tat hatte, nicht geeig-
wissenschaftler ebenso schmerzliche wie unabweisbare Einsicht, daß die sub- net, sinnvolle Ergebnisse zu gewährleisten" 72 . Statt dessen könne es nur
jektive Theorie, wie diese Beispiele zeigen, an die Stelle wissenschaftlich darauf ankommen, „wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich
begründeter Ergebnisse ein richterliches „hoc volo, sie iubeo, sit pro ratione beherrscht" habe. 73
voluntas" setzt. Daß dieses Resultat nicht zufällig ist, sondern daß in der Pra- Seinem Wortlaut nach ist dieses Bekenntnis zur Tatherrschaftslehre also auf
xis durchgängig so verfahren wird, haben berufene Sachkenner seit Jahren den Tatbestand des §216 StGB beschränkt (sonst wäre eine Anrufung des
betont. 70 Es kann auch im Grunde nicht anders sein: Denn die Anwendung Großen Senats unvermeidbar gewesen). Doch geht die Bedeutung des Urteils
der Interessenformel auf staatlich angeordnete Verbrechen, die den „Täterwil- darüber hinaus. 74 Denn die Gründe, mit denen es die Unbrauchbarkeit der
len" davon abhängig macht, ob der Handelnde durch die ihm indoktrinierten subjektiven Theorie überzeugend dartut, gelten, wie ein Vergleich mit den
politischen Parolen überzeugt worden ist, leuchtet selbst unter Strafwürdig- vorher analysierten Urteilen zeigt, ganz allgemein. Das „ausdrückliche und
keitsgesichtspunkten nicht ein. Wer die verbrecherischen Ziele der Staats- ernstliche Verlangen des Getöteten" nämlich, von dem §216 spricht, ist nichts
führung durchschaut und ihre Anordnungen dennoch ungenötigt ausführt, anderes als eine recht nachhaltige Aufforderung (= Anstiftung), so daß man
verdient keine mildere Beurteilung als ein überzeugter Parteigänger, der sogar nach den Grundsätzen des Staschynskij-Urteils nunmehr untersuchen müßte,
umgekehrt seinen „Glauben" an die Staatsführung bisweilen als Milderungs- ob der Angeklagte den Wunsch der Gisela zur Grundlage eigenen Handelns
grund für sich geltend machen kann. gemacht und einverständlichen Eifer gezeigt, oder ob er sich ihm nur wider-
strebend gebeugt hat. Undenkbar wäre eine solche Differenzierung nicht,
3. In auffallendem Gegensatz zu den beiden geschilderten Urteilen steht zumal da gerade beim Doppelselbstmord sich ein Interesse des Überlebenden
eine Entscheidung des 2. Senats vom 14.8.1963. 71 Das läßt schon der Leitsatz am gemeinsamen Tode ebenfalls begründen ließe. Auch der BGH erwägt
erkennen, wo es heißt: „Beim einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbstmord diese Möglichkeit und meint, daß dann die Entscheidung davon abhängen
ist der Überlebende nach §216 StGB zu bestrafen, wenn er das zum Tode müsse, „mit welcher Intensität und Hartnäckigkeit der Lebensmüde oder der
führende Geschehen beherrscht hat (Tatherrschaft)." Der Fall lag so, daß Partner des Überlebenden den Freitodentschluß verfolgt hat und in welchem
zwei Liebende, deren Zusammenkommen durch die Eltern verhindert wurde, Maße sich der Überlebende dem Willen des Partners gebeugt und unterge-
sich (vornehmlich auf Betreiben des Mädchens) entschlossen hatten, in den ordnet hat" 75 . Das bemerkenswert Neue dieses Urteils besteht aber darin,
Tod zu gehen. Nachdem die Einnahme von Tabletten erfolglos geblieben war, daß der B G H den von ihm selbst aufgezeigten Weg bewußt nicht einschlägt,
kämen sie auf den Gedanken, sich durch die Auspuffgase ihres Kraftfahrzeu- weil er ihn als ungangbar erkennt.
ges zu vergiften. Der Angeklagte schloß den Schlauch an das Auspuffrohr an, Er führt zutreffend aus, daß das Gesetz solche Unterscheidungen nicht
führte ihn durch das Fenster in das Innere des Wagens, drehte das Fenster so gestatte, daß es „nicht erfindlich" sei, an welche Tatsachen die Annahme des
weit wie möglich zu und setzte sich auf den Fahrersitz. Nachdem seine
Freundin Gisela neben ihm Platz genommen und die Tür von innen verriegelt
72
A . a . O . , 138.
73
A . a . O . , 139.
74
Vgl. auch Dreher, M D R 1964, 337: „Dieser Ausweg, der in einem so grundlegenden Bereich
69
Vgl. dazu Grünwald, J Z 1966, 633 ff. der Teilnahmelehre je nach Paragraphen eine verschiedene Antwort bereithalten will,
70
Vgl. oben S. 110f., 118. erscheint mir ... schlechterdings ungangbar."
75
71
BGHSt 19, 135 ff. B G H S t 19, 139.
568 569

Täter- oder Teilnehmerwillens angesichts des gemeinsamen Entschlusses und hat, bloßer Anstifter zu sein", ist aber auch noch zu undifferenziert. Sie
der beiderseits geleisteten Tatbeiträge anknüpfen könnte, und daß das Ergeb- berücksichtigt zu wenig, daß bei Konstellationen der gegebenen Art das Vor-
nis „notwendigerweise willkürlich und unkontrollierbar" sei.76 liegen oder NichtVorliegen eines Selbstmordes über die Strafbarkeit des
Das sind genau die Einsichten, zu denen man auch in anderen Fällen kom- Außenstehenden entscheidet und daß die den §216 StGB ausschließende
men muß, wenn man den Auswirkungen der subjektiven Theorie nachgeht. Herrschaft über den eigenen Tod nicht ganz denselben Regeln folgt wie die
O b man dem Urteil einen über den konkreten Fall hinausreichenden Aus- Herrschaft über eine gemeinsame Deliktsausführung. Drehers Lösung führt
sagewillen unterlegen darf, stehe dahin; Dreher 7 7 deutet es allgemein im Sinne zwar in dem vom B G H entschiedenen Fall, weil das Mädchen über die bloße
einer „fast schroffen Ablehnung der subjektiven Theorie", und auch Bau- Anstiftung hinaus durch das Verriegeln der Tür an der Herbeiführung des
mann/Weber/Mitsch 78 nennen es eine „aus dem Rahmen fallende Entschei- Erfolges aktiv mitgewirkt hat, zum richtigen Ergebnis. Aber verallgemeinern
dung". Fest steht jedenfalls, daß noch kein Spruch des Bundesgerichtshofs die läßt sich das nicht. Denn die aktive Förderung, auf die Dreher abstellt, macht
praktischen Konsequenzen der subjektiven Lehre so schonungslos aufge- nicht unter allen Umständen das Opfer zum Selbstmörder. Wenn ein Lebens-
deckt hat. Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, daß hier - gewollt oder müder seinem Freund eine geladene Pistole mit der Bitte in die Hand drückt,
ungewollt - etwas generell Gültiges formuliert worden ist, könnte das Urteil, ihn zu erschießen, dann ist der Freund, sofern er diesem Wunsche entspricht,
wie man es schon von der Entscheidung BGHSt 8, 393 ff. vergeblich gehofft trotz der Förderung, die er durch den Getöteten erfahren hat, nach §216
hatte, für eine künftige Abkehr von der subjektiven Theorie den Anstoß StGB strafbar. Ebenso schließt umgekehrt das Fehlen einer aktiven Mitwir-
geben. kung den Selbstmord nicht notwendig aus. Wer einen anderen den Gashahn
Im Verhältnis zu der grundsätzlichen Bedeutung, die einer solch höchst- aufdrehen läßt, sich aber dem einströmenden Gase freiwillig bis zum Eintritt
richterlichen Kritik des extremen Subjektivismus zukommt, ist es wissen- der Bewußtlosigkeit aussetzt, hat sich selbst getötet, und der Außenstehende
schaftlich weniger belangvoll, ob die Entscheidung bei Anwendung der Tat- hat daran nur straflos mitgewirkt. Zutreffend stellt auch der BGH fest:81
herrschaftslehre im konkreten Fall zu einem dem §216 StGB gerecht „Soll ... der Beitrag eines Beteiligten ... nur die Ursachenreihe so in Gang
werdenden Ergebnis kommt. Der B G H spricht nämlich dem Angeklagten die setzen, daß nach seinem Vollzug dem anderen Beteiligten noch die volle Frei-
Tatherrschaft zu und bestraft ihn als Täter des §216 StGB. Jedoch sind die heit verbleibt, sich den Auswirkungen zu entziehen oder sie zu beenden, so
beiden Liebenden unseres Sachverhalts, selbst wenn man mit Dreher die für liegt nur Beihilfe zur Selbsttötung vor ..."
gemeinsame Straftaten geltenden Herrschaftskriterien ohne weiteres auf den Versucht man, aus diesen Beispielen einen juristisch allgemeingültigen, zur
Doppelselbstmord überträgt, im Hinblick auf den gemeinsam erstrebten Abgrenzung gegenüber §216 StGB geeigneten Freitod-Begriff zu gewinnen,
Erfolg Quasi-Mittäter: Sie haben im Ausführungsstadium zur Erreichung so läßt sich sagen: Selbstmord begeht, wer im kritischen Augenblick, jenseits
ihres Zieles arbeitsteilig zusammengewirkt. Es spricht vieles dafür, daß eine dessen ein Zurück nicht mehr möglich ist, die Entscheidung über sein Leben
solche Quasi-Mittäterschaft nach der teleologischen Struktur des §216 StGB in eigener Hand hält; wer die Grenzlinie, die beim Eintritt der Handlungs-
den Angeklagten nicht zum Täter dieses Tatbestandes machen konnte. Denn unfähigkeit liegt, selbst überschreitet. Um einen Fall des §216 StGB handelt
die Gisela war ja als „Mittäterin" immerhin noch „Täterin" ihres eigenen es sich dagegen, wenn das Opfer einem anderen den Vollzug des letzten, irre-
Todes. Das heißt, es liegt ein Freitod vor, an dem der Angeklagte nur straflos versiblen Geschehensaktes anvertraut, wenn er sich über die zum Tode
mitwirken konnte. 79 führende Schwelle von fremder Hand hinüberstoßen läßt.82 Wer sich also in
Die Annahme Drehers, 80 daß jedes Zusammenwirken zur Herbeiführung die Schlinge fallen läßt, wer ins Wasser springt, die Pistole auf sich abdrückt
des gemeinsamen Todes den §216 StGB ausschließe, „und zwar nicht des- oder den Giftbecher leert, hat sich immer selbst getötet. Der Gehilfe ist straf-
halb, weil der Tötende nicht mehr Täter ist, sondern weil das Opfer aufgehört los, auch wenn er eigens zu diesem Zweck die Schlinge geknüpft, das Bassin
gefüllt, die Pistole geladen oder das Gift gemischt hat. Dagegen ist stets nach
§216 StGB zu bestrafen, wer einem anderen auf sein Verlangen die tödliche
B G H S t 19,139. Spritze injiziert oder wer die erdrosselnde Schlinge zusammenzieht, mag auch
M D R 1964, 337. das Opfer die Spritze selbst gefüllt oder sich die Schlinge eigenhändig um den
A T " , 2003, § 29, Rn. 70; ähnlich Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 47/84, die das Urteil Hals gelegt haben. So fein danach der über die Strafbarkeit bestimmende
als eine „Kuriosität ... mitten in einer Periode extrem subjektiver Entscheidungen" bezeich-
nen.
Unterschied anmutet, so sinnvoll ist er doch: Denn viele haben sich die Pistole
Ebenso im Ergebnis Dreher, M D R 1964, 337f.; Paehler, M D R 1964, 647ff.; Bottke, Suizid schon an die Schläfe gesetzt, aber wenige haben den Mut gehabt abzu-
und Strafrecht, 1982, 239, Fn. 1196 a. Die umfangreiche Kommentar- und Lehrbuchliteratur
zur Abgrenzung von Tötung auf Verlangen von der Teilnahme am Suizid kann hier nicht im
einzelnen angeführt werden, weil es sich zum guten Teil um ein Problem des § 216 handelt. 81
A . a . O . , 140.
Vgl. mit weiteren Nachweisen Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 216, Rn. 11, w o die hier 82
Im Ergebnis weitgehend übereinstimmend Paehler, M D R 1964, 648 f; wie hier im Anschluß
befürwortete Lösung vertreten wird. an den Text vor allem Krey, Samson, Schönke/Schröder/Eser. Eine Verteidigung meines
M D R 1964,338. Standpunktes gegen seine Kritiker liefert mein Aufsatz in: Wolter (Hrsg.), 1993, 177ff.
570 571

drücken. Wer - die Zurechnungsfähigkeit vorausgesetzt - diesen letzten Ent- es weiter durchzutreten; 86 denn dann hätte er den Kausalverlauf nur in Gang
schluß durchsteht, muß seinen Tod selbst verantworten. Wenn jedoch ein gesetzt, ohne seinen Tatbeitrag „willensgesteuert fortdauern" zu lassen. Mit
Außenstehender dem Lebensmüden die unwiderrufliche Entscheidung, vor einer solchen Differenzierung werden die „Zufälligkeiten des Geschehensab-
deren Vollzug dieser vielleicht doch noch zurückgeschreckt wäre, abnimmt, laufs", die das Urteil gerade ausschalten will, für die Strafbarkeit maßgebend.
trägt er die Verantwortung für den Tod des Opfers und macht sich nach §216 Denn für die an sich auch vom B G H in den Vordergrund gerückte Frage, ob
strafbar. dem anderen „noch die volle Freiheit verbleibt, sich den Auswirkungen zu
Wendet man diese Gesichtspunkte auf unseren Fall an, so zeigt sich, daß entziehen oder sie zu beenden", sind die Modalitäten der Gaszuleitung gänz-
ein Freitod des Mädchens vorliegt.83 Denn sie konnte sich, wie auch der B G H lich bedeutungslos.
einräumt, der Einwirkung des Gases bis zum Eintritt der Bewußtlosigkeit O b Beihilfe zum Selbstmord oder Tötung auf Verlangen vorliegt, hängt
durch Verlassen des Wagens jederzeit entziehen. Indem sie, solange noch also von der Herrschaft über den todbringenden Moment ab. Die Tatherr-
Gelegenheit zur Rettung war, das Gas weiter einatmete und diesen Entschluß schaft, für die sonst eine (Mit-)Herrschaft im Ausführungsstadium genügt,
bis zuletzt durchhielt, ist sie den Weg durch die Todespforte selbst gegan- verengt sich somit beim Tatbestand des §216 auf die Herrschaft über den ent-
gen.84 Angesichts dieser eigenverantwortlichen, den §216 ausschließenden scheidenden Augenblick. Das muß wegen der den Freitod kennzeichnenden
Entscheidung ist es unerheblich, wer das Gas in den Wagen geleitet und die Identität von Täter und Opfer zwangsläufig so sein. Denn da der Getötete -
Türen verschlossen hat. Denn ob sie selbst oder ein anderer in diesem Zeit- anders als sonst - sein Leben bis zur kritischen Sekunde in der Hand behält,
punkt tätig wurde, ist für ihr Verhalten in der kritischen Situation irrelevant. können alle vorangehenden Tätigkeitsakte dem Beteiligten die Herrschaft
Ebenso gleichgültig ist es, wer von den beiden zuerst das Bewußtsein verlor; über Leben und Tod noch nicht verschaffen. Es ist daher nicht so, daß die
auf das Vorliegen eines Selbstmordes hat diese Frage keinen Einfluß. Schließ- Tatherrschaftslehre im Falle des §216 keine befriedigende Abgrenzung böte;
lich kann es aber auch auf den Umstand nicht ankommen, den der B G H zum das Herrschaftskriterium stellt sich lediglich wegen der singulären Tat-
Entscheidungskriterium erhebt: ob nämlich der Außenstehende die zum Tode bestandsstruktur des §216 (Zusammenwirken von Täter und Opfer) in einer
führende Kausalreihe nur angestoßen und dann ihrer eigenen Entwicklung von den übrigen Tötungsdelikten abweichenden Form dar. Daran ist nichts
überlassen oder ob er „die auf den beiderseitigen Tod abzielende Aus- Sonderbares; es ist nur ein Beweis für die oben 87 geschilderte legitime Tatbe-
führungshandlung bis zum Eintritt eigener Bewußtlosigkeit" fortgesetzt standsbezogenheit des Täterbegriffs, wonach dessen „Erscheinungsformen
hat.85 Wenn das Urteil im ersten Fall eine Beihilfe zum Selbstmord, im zwei- infolge der variierenden Tatbestandshandlungen ein immer anderes Gepräge
ten dagegen eine strafbare Tötung auf Verlangen annimmt und deren Vorlie- erhalten" 88 .
gen hier bejaht, weil der Angeklagte, bis er die Besinnung verlor, das Gaspe- Eine abweichende Lösung im Sinne einer unmodifizierten Anwendung der
dal durchgetreten hatte, so ist es unter teleologischen Gesichtspunkten nicht Tatherrschaftslehre hat Herzberg 89 entwickelt. Er folgt ausdrücklich meiner
verständlich, warum diese Tatsache über die Strafbarkeit entscheiden soll. Der These, daß der Angeklagte und das Mädchen „Mittäter" seien und daß das
BGH müßte zum entgegengesetzten Ergebnis kommen, wenn der Angeklagte Opfer dementsprechend einen Selbstmord begangen habe. Doch rechtfertige
das Pedal mit der Wirkung weiteren Gaszustromes festgestellt hätte, anstatt

86
Vgl. dazu auch Paehler, a. a. O., 648 unten, nach dessen Interpretation es für den B G H dar-
auf ankommt, „ob der Täter den Motor vor oder nach dem Einsteigen der Getöteten ange-
83
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die 16jährige Gisela wegen ihrer Jugend einer lassen hat".
87
selbstverantwortlichen Entscheidung überhaupt unfähig war. Das ist, wie bei der Delikts- S. 442.
88
fähigkeit Jugendlicher, eine Frage des Einzelfalles (vgl. oben S. 240 ff.), die hier aber - offen- In diesen Zusammenhang gehört auch ein Urteil des 1. Strafsenats vom 25.11.1986 (NStZ
bar auch nach Meinung des B G H - zu verneinen ist, weil das Mädchen nach den Feststel- 1987, 365), das freilich die Annahme einer Täterschaft als selbstverständlich ansieht und gar
lungen des Urteils „über sein Alter hinaus gereift" war. nicht erst problematisiert. Hier hatte sich ein alter, aber voll verantwortungsfähiger Arzt mit
84
Eine andere Auffassung in diesem Punkt vertritt Blei, Prüfe dein Wissen, Strafrecht, Bes. der Absicht der Selbsttötung ein Narkoanalgetikum eingespritzt. Sein angeklagter Neffe, der
Teil/I'°, 1996, Nr. 44, 35ff. Er meint: ,,,Über' den entscheidenden Augenblick hat das Opfer den Onkel bewußtlos vorgefunden hatte, hatte ihm auf G r u n d einer früheren Bitte noch
keine Herrschaft, weil dafür nach Eintritt von Bewußtlosigkeit, Bewußtseinstrübung oder eine weitere Spritze gegeben, die - wie man zu seinen Gunsten annehmen m u ß - das
Bewegungsstörungen kein Raum mehr ist und vorher das Opfer nicht weiß, daß gerade jetzt ohnehin nicht mehr zu rettende Leben des Onkels u m nur eine Stunde verkürzt hatte. Der
der entscheidende Augenblick herannaht." Mir leuchtet das nicht recht ein, da ja die B G H nimmt einen Fall des § 216 StGB an. Wenn man aber die nachhelfende Spritze nicht
Bewußtlosigkeit beim Einatmen des Gases nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, son- isoliert als selbständige Todesverursachung würdigt, sondern das gesamte zum Tode füh-
dern über verschiedene Stadien beginnender Übelkeit und Bewußtseinstrübung eintritt, so rende Geschehen als einheitlichen Vorgang beurteilt, liegt es nahe, eine in eigener Tatherr-
daß dem Opfer an einem bestimmten Punkt der Gedanke durch den Kopf schießen wird: schaft des Onkels vollzogene Selbsttötung anzunehmen und die nachhelfende Unterstüt-
„In diesem Moment könntest D u noch die Türe öffnen oder die Scheibe herunterdrehen zung des Angeklagten nur als straflose Beihilfe anzusehen. Näher in diesem Sinne Roxin,
und Dein Leben retten; tust D u das nicht, so ist es aus." Immerhin bezeichnet der Stand- N S t Z 1987, 345ff. Erwartungsgemäß polemisiert gegen eine solche Beurteilung heftig H e r z -
punkt Bleis keine Meinungsverschiedenheit im Bereich der Teilnahmelehre, sondern nur berg, JuS 1988, 771 ff. Wichtig zur Gesamtproblematik auch N e u m a n n , JA 1987, 244 ff. Vgl.
eine unterschiedliche Interpretation der konkreten Entscheidungslage. zum Fall B G H N S t Z 1987, 365, auch Jakobs, Tötung auf Verlangen, 1998, 31 f.
85 89
A . a . O . , 140. JuS 1975, 38.
572 573

dies, meint er, keinen Schluß auf die Straflosigkeit des Angeklagten. „Es gibt An dieser Entscheidung ist besonders bemerkenswert, daß der B G H nicht
keinen Rechtssatz des Inhalts, daß jede Art von Mitwirkung an einem Freitod der im Schrifttum überwiegenden Ansicht folgt, wonach die vorsätzliche
straflos sei. Dies gilt nur für die Teilnahme i. e. S., d. h. Anstiftung und Bei- Handlung eines Begehungstäters den Unterlassenden in allen Fällen nur als
hilfe, weil sie als Bezugstat eine strafbedrohte Handlung voraussetzen. Tritt Gehilfen erscheinen läßt.92 Er schließt sich vielmehr der vom selben Senat
die Mitwirkung als Mittäterschaft auf, so gelten keine Akzessorietätsregeln. erlassenen Entscheidung BGHSt 8, 393-99 93 an, die bei äußerem Festhalten
Die gemeinschaftliche Todesbewirkung ist für G Selbstmord, für A Tötung an der subjektiven Theorie einer mehr objektiven Abgrenzung zuneigte. Die
eines anderen Menschen und damit straf tatbestandsmäßig." Strafkammer mußte, wie der Senat meint, nicht „feststellen, daß die Ange-
Doch ist das schwerlich richtig. Denn aus der völlig unbestrittenen Straf- klagte die Taten der Mitangeklagten als eigene bewirken wollte ... Die Wil-
losigkeit der aktiven Teilnahme am Selbstmord muß im Gegensatz zur An- lensrichtung, die den Mittäter vom Gehilfen unterscheidet, ist keine einfach
nahme Herzbergs gefolgert werden, daß man in zurechenbarer Weise jeman- innere Tatsache, die sich feststellen ließe. Was der Beteiligte wollte, ist viel-
den nur töten kann, wenn er sich nicht selbst voll verantwortlich handelnd mehr auf Grund aller Umstände, die von seiner Vorstellung umfaßt waren,
getötet hat.90 Andernfalls müßte nicht nur bei Quasi-Mittäterschaft, sondern vom Gericht wertend zu ermitteln." Von den hier maßgebenden Umständen
auch bei Anstiftung und Beihilfe eine Totschlagsbestrafung des Außenstehen- werden unter Berufung auf BGHSt 2, 150 ff.94 „Willensrichtung, Tatherr-
den eintreten. Denn im technischen Sinn kann wegen der mangelnden Tatbe- schaft, Interesse am Taterfolg und Umfang der eigenen Tatbestandsverwirk-
standsmäßigkeit des Freitodes von Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe lichung" genannt.
gleichermaßen nicht die Rede sein; dagegen liegt in allen drei Fällen eine Obwohl hier der Täterwille als „innere Tatsache" ausdrücklich verabschie-
Todesverursachung im Sinne der Äquivalenztheorie vor, die zu einer Bestra- det wird, stützt dann aber der Senat die Mittäterschaft der Angeklagten ver-
fung nach §212 StGB führen könnte, wenn nicht der selbstverantwortliche wunderlicherweise doch allein auf subjektive Kriterien: „Sie billigte das Trei-
Freitod des Betroffenen einen strafbaren Totschlag durch Mitverursacher aus- ben der vier männlichen Täter und identifizierte sich mit ihnen, wie sie durch
schlösse. ihre Belustigung über deren Handlungsweise zu erkennen gab." Dadurch
bleibt das Ergebnis im Bereiche des Zufälligen und Unverbindlichen; denn es
4. Eine Entscheidung des 5. Strafsenats vom 5.7.1966 91 behandelt das hätten sich gewiß auch andere Gesichtspunkte finden lassen, die ein ent-
schwierige Thema der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei gegengesetztes Ergebnis gerechtfertigt hätten. Beispielsweise ist weder eine
Unterlassungen. Die Angeklagte dieses Falles war Inhaberin einer Gastwirt- Tatherrschaft noch ein eigenes Interesse oder ein „besonderer Umfang einer
schaft und duldete es, daß vier männliche Stammgäste in den Räumen der Tatbestandsverwirklichung" erkennbar. Warum dies alles zugunsten der täter-
Wirtschaft einer jungen Frau, die sich geweigert hatte, mit einem von ihnen schaftsbegründenden „Belustigung" der Angeklagten unberücksichtigt blei-
zum zweiten Male zu tanzen, gewaltsam das Haupthaar und einen Teil der ben soll, wird nicht gesagt. So trägt das Urteil also zu einer Klärung des ver-
Schamhaare abschnitten. Die Männer wurden wegen gefährlicher Körperver- worrenen Standes der Täterlehre wenig bei.
letzung, Nötigung und Beleidigung verurteilt, während die Angeklagte, die Bemerkenswert bleibt aber immerhin, daß die Entscheidung im Ergebnis
nach Meinung des BGH eine Erfolgsabwendungspflicht hatte, als Mittäterin auf die oben 95 vertretene Lehre hinausläuft, daß die besondere Pflichtenstel-
durch Unterlassen in derselben Weise zur Verantwortung gezogen wurde. lung den Unterlassenden mindestens bei Verursachungstatbeständen schon
ohne weiteres zum Täter macht. Diese Auffassung, die in Fällen der vorlie-
genden Art mit den Lehren von Armin Kaufmann und Grünwald überein-
stimmt, denen zufolge bei Unterlassungen eine Differenzierung zwischen
90
Herzberg bestreitet dies wohl vor allem deshalb, weil er die gesetzgeberische Enthaltsamkeit Täterschaft und Teilnahme überhaupt nicht möglich sein soll,96 hat unter dem
bei der Bestrafung von Selbstmordverursachungen nicht billigt. Denn er betont ausdrück- neuen Recht größere Durchsetzungschancen als bisher. Denn §13 StGB, der
lich, seine Lösung sei „auch rechtspolitisch und vom Rechtsgefühl her billigenswert. Wer erstmals die Unterlassungsstrafbarkeit gesetzlich regelt, hat auf die noch im E
.auf den Tod eines unglücklich verliebten Mädchens hinwirkt, tut etwas zutiefst Verwerf- 1962 enthaltene Wendung, daß der Unterlassungsdelinquent „als Täter oder
liches und sollte durch Strafdrohungen davon abgeschreckt werden." Aber dabei wird unbe-
achtet gelassen, daß der Gesetzgeber dies, wie die Straflosigkeit der Anstiftung beweist", nun
Teilnehmer" strafbar sei, nach der Begründung des Sonderausschusses 97 nur
einmal nicht getan hat. Auch ist mir nicht zweifelhaft, daß der (zufällig) Überlebende eines deshalb verzichtet, „um nicht in den dogmatischen Streit um die Frage einzu-
Doppelselbstmordes (der zudem im vorliegenden Falle noch nicht einmal der treibende Teil
gewesen war) weit weniger strafwürdig ist als ein durch die Tragik des Geschehens un-
berührter Anstifter, der trotzdem straflos bleibt. Gerade bei Doppelselbstmördern in Fällen
92
der vorliegenden Art ist die präventive Wirkung einer Strafdrohung gleich Null, so daß Vgl. oben S. 496 ff.
93
schon aus diesem Grunde Herzbergs Argument ins Leere geht. In Täterschaft und Teil- Vgl. ausführlich oben S. 96ff.
94
nahme, 1977, 76 ff., hat Herzberg in Auseinandersetzung mit meiner Kritik seine Argumen- O b e n S . 91 f, 490.
95
tation teilweise modifiziert, hält aber in temperamentvollen Ausführungen an seinem die S. 458 ff.; zur neueren wissenschaftlichen Entwicklung vgl. näher unten S. 750 ff.
96
Strafbarkeit überdehnenden Standpunkt fest. Vgl. oben S. 467 ff.
97
91
N J W 1966, 1763. Bundestagsdrucksache V/4095, 8.
574 575

greifen, ob bei den Unterlassungsdelikten überhaupt eine Unterscheidung begründet, ohne daß seine „innere Einstellung" oder sein „Interesse" dabei
zwischen Täterschaft und Teilnahme möglich ist". Da der Gesetzgeber gleich- irgendeine Rolle spielen können. Die Stellung des Richters nach dem GVG ist
zeitig in Abweichung vom E 1962 für die Unterlassungstäterschaft die schon für dieses Ergebnis nur insoweit von Bedeutung, als sie dem einzelnen Rich-
oben 98 dringend geforderte fakultative Strafmilderung eingeführt hat (§13 ter die Funktion zuerteilt, deren Erfüllung ihn nach allgemeinen Grundsätzen
Abs. 2 StGB), sind alle Schwierigkeiten, die dem im Text entwickelten der Tatherrscfiaftslehre zum Täter macht. Wenn der BGH von der Annahme
Lösungsvorschlag vom positiven Gesetz her entgegenstanden, nunmehr aus- einer Mittäterschaft absieht und die jeweiligen Richter zu Einzeltätern macht,
geräumt. Es wäre also denkbar, daß die Rechtsprechung bei Unterlassungen, so beruht das auf dem von der Rechtsprechung angenommenen Exklusi-
für die das Tatherrschaftsprinzip schlechterdings nicht paßt, künftig zu einer vitätsverhältnis von Mord und Totschlag, das eine Mittäterschaft ausschließen
völlig neuartigen Bestimmung des Täterbegriffs käme. Das wird abzuwarten soll. Nun liegen freilich auch von diesem - verfehlten - Ansatz her die Vor-
sein. Vom Standpunkt der hier entwickelten Lehre aus wäre die Verurteilung aussetzungen vollendeter Täterschaft vor, wenn jeder Richter durch sein
der Gastwirtin als Unterlassungsta£en/z dann jedenfalls im Ergebnis zu Recht Votum den Tod (mit-)verursacht hat. Denkt man den Fall unter diesem
erfolgt, wenn ihr auch nunmehr - und mit Recht! - die Milderungsmöglich- Aspekt zu Ende, so entstehen aber schwierige Kausalprobleme, wenn man
keit des § 13 Abs. 2 StGB zugute kommen müßte. einmal annimmt, daß schon die übrigen Stimmen für ein Todesurteil ausreich-
ten, die Ursächlichkeit des isoliert gesehenen Einzelvotums also nicht erweis-
5. Eine besondere Konstellation, die den BGH zu einer Abweichung von lich ist. Das Urteil des BGH hat sich gehütet, solche Erwägungen anzustellen,
seiner sonst gehandhabten subjektiven Teilnahmelehre veranlaßte, lag auch und auch hier besteht keine Veranlassung, ihnen weiter nachzugehen. Die
einer Entscheidung des 5. Strafsenats vom 30.4.1968" zugrunde. Der Ange- angedeutete Aporie zeigt nur, daß es jedenfalls richtiger wäre, den Mord als
klagte war vom Schwurgericht wegen Beihilfe zum Mord verurteilt worden, qualifizierten Totschlag zu beurteilen und auf dieser Grundlage die Mittäter-
weil er als berufsrichterlicher Beisitzer des Volksgerichtshofs in sieben Fällen schaftskriterien der Tatherrschaftslehre heranzuziehen. Doch bleibt es bemer-
der Todesstrafe zugestimmt hatte, die Freisler als Vorsitzender des Senats kenswert, daß der B G H diese Lösung wenigstens im Ergebnis ansteuert und
jeweils vorgeschlagen hatte. Der BGH nahm eine Täterschaft an und meinte, die Unbrauchbarkeit der subjektiven Theorie erkannt hat.
eine Gehilfenbestrafung werde der „rechtlichen Stellung eines Berufsrichters Sieht man auf den Tatbestand der Rechtsbeugung, der freilich nicht Gegen-
nicht gerecht. Diese folgt und folgte auch zur Tatzeit unmittelbar aus § 1 stand des Urteils war, so bestätigen die Darlegungen des BGH über den
GVG. Sie kann und konnte nicht durch irgendwelche tatsächlichen Verhält- „höchstpersönlichen" Charakter des rechtsbeugenden Richtervotums die
nisse in dem Maße geändert werden, wie das SchwurG annimmt. Als Mitglied oben 100 entwickelte Theorie, daß es sich hier um ein eigenhändiges Delikt
eines Kollegialgerichts war der Angeklagte bei der Abstimmung nach dem handelt. Doch bedarf es in diesem Zusammenhang keiner näheren Analyse
auch damals geltenden Recht unabhängig, gleichberechtigt, nur dem Gesetz der damit verbundenen Fragen.
unterworfen und seinem Gewissen verantwortlich.
Seine Pflicht forderte, allein der eigenen Rechtsüberzeugung zu folgen. Das 6. Die folgenden Urteile bewegen sich wieder ganz in den Bahnen der sub-
konnte ihm kein anderer, auch kein Vorsitzender von der Art Freislers, jektiven Teilnahmelehre. Eine Entscheidung des 4. Senats vom 3.10.1972 101
abnehmen. Falls also der Angeklagte bewußt gegen seine richterliche Über- beschäftigt sich mit den Voraussetzungen der Mittäterschaft bei der Verge-
zeugung von der Rechtslage für das Todesurteil stimmte, so leistete er einen waltigung, verneint in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtspre-
höchstpersönlichen Beitrag und konnte, wenn das Urteil rechtswidrig war, chung 102 die Eigenhändigkeit dieses Delikts und folgert daraus für den Fall
nur Täter, nicht Gehilfe eines Tötungsverbrechens sein." der Mitwirkung an der Nötigungshandlung: „Täter (Mittäter) der Notzucht
An dem Urteil fällt auf, in welchem Maße die Täterbeurteilung normati- kann daher auch sein, wer eine Frau dazu nötigt, den Beischlaf mit einem
viert wird. Das Ergebnis ist sicher richtig, doch wird man bei der Begründung Dritten zu dulden. Wenn sich - wie im vorliegenden Fall bei B - der Tatbei-
unterscheiden müssen. Soweit es um ein vorsätzliches Tötungsdelikt geht, trag des Teilnehmers auf die Nötigungshandlung beschränkt, ist es aber gebo-
haben die Richter, wenn man den „Urteilsspruch" als Mord oder Totschlag ten, die innere Tatseite sorgfältig zu prüfen ... Es muß geklärt werden, ob der
betrachtet, im Ausführungsstadium - denn die „Verurteilung" stellt sich-als Betreffende die Nötigungshandlung als eigene gewollt hat. In der Regel kann
beendeter Versuch dar - einverständlich zusammengewirkt, indem jedes für die Tatsache, daß ein Beteiligter selbst an dem Opfer geschlechtliche Befriedi-
den Tod stimmende Gerichtsmitglied einen Tatbeitrag leistete, deren Zusam- gung suchen möchte, als Anzeichen dafür gewertet werden, daß er durch sei-
menwirken den Erfolg herbeiführte. Es liegt also eine gemeinsame Tatherr- ne Mitwirkung an der Tat sein eigenes Vorhaben fördern will ... Fehlt es aber
schaft vor, die für jeden, der das Todesvotum mitträgt, die Täterschaft

100
98 S. 428 ff.
S. 501 ff. 101
Bei Dallinger, MDR 1973, 17.
99
NJW 1968, 1339 f. 102 Yg] J a z u | m einzelnen oben S. 416ff.
576 577

an solchen Anzeichen, so bedarf es einer näheren Begründung, inwiefern sich A hatte sich an einem Überfall auf die Zweigstelle einer Sparkasse beteiligt, in
aus dem Tatbeitrag der Täterwille und damit die Mittäterschaft ergibt. Im dessen Verlauf der Mittäter B durch Drohung mit einem geladenen Gewehr
gegebenen Fall blieb die Möglichkeit offen, daß B nur seinem Bekannten A die Herausgabe von über 22000 DM erzwang. A hatte bei der Vorbereitung
helfen wollte, ... zu dem Geschlechtsverkehr mit Frau C zu kommen. In die- der Tat intensiv mitgewirkt. „Bei der Ausführung der Tat gab er sich zwar
sem Fall hat B die Nötigung nicht in seinem Interesse als eigene Handlung nicht als Beteiligter zu erkennen, lieferte aber dadurch einen wichtigen Bei-
gewollt; er kann nicht als Täter, sondern nur wegen Beihilfe zur ... Notzucht trag, daß er gemäß vorheriger Absprache durch sein Verhalten in der Schal-
bestraft werden." terhalle dem Mittäter das Fehlen besonderer Hindernisse anzeigte."
Diese Begründung verdiente schon nach der früheren Tatbestandsfassung Der BGH meint, A könne nur dann als Mittäter bestraft werden, wenn er
des §177 StGB keinen Beifall. Denn mit der Nötigungshandlung verwirk- den „Täterwillen" gehabt habe, der hier ganz mit dem „Interesse" gleichge-
lichte der B eigenhändig eine Tatbestandshandlung und erfüllte in „arbeits"- setzt wird. Dabei lag das Problem darin, daß A nichts von den 22000 DM
teiligem Zusammenwirken mit dem „Beischläfer" den Tatbestand des §177 erhalten, sondern nur an einem Autoverleihunternehmen beteiligt werden
StGB in gemeinsamer Tatherrschaft. Damit liegt eine Mittäterschaft vor, ohne sollte, das die beiden mit dem gestohlenen Geld des B und dem legal erwor-
daß es auf irgendein Interesse oder einen „Täterwillen" noch ankäme. Die benen Kapital des A kaufen wollten. Dazu heißt es im Urteil: „Der Annahme
Beliebigkeit der vom B G H verwendeten subjektiven Formeln, die dem der Mittäterschaft steht nicht entgegen, daß die Beute der Tat selbst nur dem
Gericht im konkreten Fall im Gegensatz zur hier vertretenen Meinung eine Mittäter zugute kommen sollte. Denn Erpressung kann auch begehen, wer in
Beihilfe als näherliegend erscheinen lassen, zeigt ein Vergleich mit dem Urteil der Absicht handelt, einen Dritten zu Unrecht zu bereichern (§253 StGB).
desselben Senats,103 wo schon eine gänzlich tatbestandsirrelevante Begleit- Daß der Dritte sich hier als Mittäter an der Tat beteiligte, ändert daran nichts.
handlung (ein anfeuernder Zuruf) als für eine Mittäterschaft bei der sexuellen Entscheidend für die Frage der Mittäterschaft des A ist allein, daß dieser mit-
Nötigung (§17.7 n. F. StGB) ausreichend angesehen wurde. Hier hatte das telbar auch ein eigenes Ziel verfolgte, nämlich den Erwerb des Autoverleih-
Gericht einfach aus dem „anfeuernden Zuruf geschlossen", daß der Ange- unternehmens."
klagte „das unsittliche Verhalten der anderen ... als seine eigene Tat gewollt" Vom hier vertretenen Standpunkt aus war eine Mittäterschaft allein auf
habe. Es war also nicht die Rede davon gewesen, daß der fehlende Wunsch Grund des Umstandes anzunehmen, daß A und B im Ausführungsstadium
nach eigener sexueller Betätigung gegen einen Täterwillen spreche. Diese von arbeitsteilig zusammenwirkten, indem B das Geld an sich nahm und A diese
jeder Tatherrschaft absehende Bejahung der Täterschaft war freilich genauso Tathandlung von der Schalterhalle aus absicherte. 105 Denn schon dadurch
verfehlt, wie es im vorliegenden Fall die Annahme einer Beihilfe trotz eigen- begingen die beiden „die Straftat gemeinschaftlich" i. S. des § 25 Abs. 2 StGB,
händiger Nötigung wäre. Auf die Frage, ob der Handelnde persönlich sexuelle weil beide die Tatherrschaft innehatten. Dagegen kommt es weder auf die
Befriedigung sucht oder nicht, kann es für die Abgrenzung von Täterschaft Tätigkeit des A im Vorbereitungsstadium noch darauf an, ob er mit der Tat -
und Teilnahme schon deswegen nicht ankommen, weil für die Beeinträchti- sei es auch nur mittelbar - „auch ein eigenes Ziel verfolgte". Es ist nicht ein-
gung des durch § 177 StGB geschützten Rechtsgutes die Vornahme der Nöti- zusehen, wieso die Art der späteren Beuteverwertung die Rolle des A bei der
gung von durchaus gleichrangiger Bedeutung ist. Tatausführung beeinflussen sollte. Schon der Wortlaut des §253 StGB („um
Den Folgerungen, die sich aus der hier vertretenen Auffassung für die ... einen Dritten zu Unrecht zu bereichern") zeigt doch deutlich genug, daß
Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei §177 StGB schon nach bis- nach dem Willen des Gesetzgebers auch „altruistische" Handlungen den Tat-
herigem Recht ergaben, hat sich der Gesetzgeber jetzt bei der Neuformulie- bestand erfüllen und damit die Täterschaft begründen sollen. Es wird über-
rung des Tatbestandes offensichtlich angeschlossen. Wenn es nunmehr heißt: haupt schwerlich irgendeine Tatbeteiligung geben, bei der sich nicht nach
„Wer eine andere Person ... nötigt" (§ 177 Abs. 1 StGB), so wird ganz deut- Belieben ein „mittelbar eigenes" Ziel konstruieren ließe. Deshalb wäre es
lich, daß der eigenhändig Nötigende den vollen Tatbestand auch dann erfüllt, wünschenswert, wenn die Rechtsprechung sich in Zukunft von solchen vagen
wenn er nur den Beischlaf zugunsten eines Dritten erzwingen will. In einem subjektivistischen Formeln lösen könnte. Im Ergebnis verdient das vorlie-
Fall wie dem vorliegenden müßte deshalb nun schon auf Grund des §25 gende Urteil aber immerhin Beifall.
Abs. 1 StGB („wer die Tat selbst begeht") ohne Rücksicht auf die „innere Tat-
bestandsseite" eine Täterschaft des B angenommen werden. 8. Ein Urteil des 1. Senats vom 12.3.1974 106 macht sich noch einmal die
extrem subjektive Theorie mit allen Konsequenzen zu eigen. Es ging um
7. Um Probleme der Mittäterschaft ging es auch in einem Urteil des einen Fall der (sukzessiven) Mittäterschaft beim Mord. A und B hatten den X
2. Strafsenats vom 4.4.1973 104 zum Tatbestand der räuberischen Erpressung.

105
Zur Mittäterschaft als „funktioneller Tatherrschaft" vgl. im einzelnen oben S. 277ff.
106
Vgl. dazu näher oben S. 281. Bei Dallinger, M D R 1974, 547; ausführliche Kritik bei Schöneborn, ZStW 87 (1975), 902 ff.
B G H bei Dallinger, M D R 1973, 729. (904 ff.).
578 579

mit Schlägen auf den Kopf, Messerstichen und Fußtritten mißhandelt, kung im Ausführungsstadium, sondern „lediglich ein die Tatbestandsver-
während der C, der Angeklagte des vorliegenden Falles, sich zunächst fernge- wirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unter-
halten hatte. Erst als B dem C ein Messer mit den Worten in die Hand drückte stützungshandlung beschränken kann". Der Angeklagte sei daher auf Grund
„Sei kein Feigling, komm stich auch", stieß dieser dem bereits zu Boden seiner Tatbeiträge Mittäter, „wenn er die Tat als eigene wollte". Dieser Täter-
gegangenen Opfer die Messerklinge in den Bauch und ließ sie dort stecken. wille jedoch "soll im Anschluß an eine ebenfalls schon gefestigte Rechtspre-
In der Frage der Mittäterschaft stellt der BGH in ganz konventioneller chungstradition „auf Grund aller Umstände ... in wertender Betrachtung"
Weise auf die „innere Willensrichtung" ab und meint zunächst: „Ob ein ermittelt werden. Für die danach vorzunehmende Wertung besagten „die
Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat wünscht, ist nach den gesamten Erklärungen des Angekl. über seine inneren Vorbehalte und Distanzierungen
Umständen zu beurteilen"; dabei werden auch „der Umfang der Tatbeteili- kaum etwas". Maßgebend sei vielmehr das eigene „Interesse an der Tat"
gung und die Tatherrschaft" genannt. Doch soll es darauf nicht entscheidend sowie die „Mitbeherrschung des O b und Wie des Geschehensablaufs".
ankommen: „Die eigenhändige Ausführung kann zwar für die Annahme Im Gegensatz zu der unter Nr. 8 behandelten Entscheidung werden hier
einer Täterschaft oder Mittäterschaft sprechen. Doch gilt dies nicht schlecht- also „innere Vorbehalte und Distanzierungen" als (fast) belanglos beurteilt.
hin; denn wer selbst alle Tatbestandsmerkmale in seiner Person erfüllt, kann Als wirkliche Täterkriterien erscheinen das Interesse und die Teilhabe an der
als bloßer Gehilfe angesehen werden, sofern sein Wille dahin ging, nur eine Tatherrschaft. Da der BGH beide als gegeben ansieht, muß er ohne weiteres
fremde Tat zu unterstützen ... Das eigenhändige Zustechen in dem Bestreben, zur Annahme der Mittäterschaft kommen. Dem kann man im Ergebnis auch
nicht als Feigling in den Augen der anderen zu erscheinen, spricht eher dafür, vom hier vertretenen Standpunkt aus zustimmen. Allerdings gründet sich
daß er sich deren Willen untergeordnet hat. Auch die Anwesenheit am Tatort danach die Mittäterschaft allein auf die Ermöglichung der Flucht durch den
und die bloße Kenntnis des Vorgehens der anderen, selbst die nachträgliche Angeklagten; dieser vor der Tat zugesagte und vor ihrer materiellen Beendi-
Billigung genügen nicht zur Annahme der Mittäterschaft." gung (also noch im Ausführungsstadium) geleistete Beitrag war für das
Diese Thesen gehen in Wirklichkeit noch weit über das Staschynskij-Urteil Gelingen des Verbrechens wesentlich und verschaffte dem Angekl. die funk-
hinaus. Denn während dort immerhin eine nötigungsähnliche Lage bestand, tionelle Tatherrschaft. Die Lieferung von Hilfsmitteln für die Ausführung
kann das hier vorliegende nichtige Motiv, in den Augen von Mördern nicht (Auto, Flinte) würde dagegen (entsprechend der Lieferung von Einbruchs-
als „Feigling" zu erscheinen, kaum auch nur bei der Strafzumessung zugun- werkzeugen) nur eine Beihilfe begründen. Auch das eigene Interesse des
sten des Handelnden ins Gewicht fallen. N u n aber soll es über die Annahme Angekl. könnte daraus keine Mittäterschaft machen; daß Gehilfen mit einem
der Beihilfe zu obligatorischer Strafmilderung führen! Es ist klar, daß ein Beuteanteil bezahlt werden, ist üblich und kann die Beteiligungsverhältnisse
Urteil wie dieses nach dem neuen §25 Abs. 1 StGB nicht mehr möglich sein nicht beeinflussen.
kann.
10. Ein weiteres Urteil des 1. Strafsenats vom 7.6.1977 108 behandelt die
9. Unter der Geltung des neuen §25 StGB hat der 1. Senat in einem Urteil Mittäterschaft bei der Vergewaltigung und kommt dabei zu einer Lösung, die
vom 17.3.1977 l07 die Akzente etwas anders gesetzt. Es ging hier - der Sach- von der extrem subjektiven Theorie, die derselbe Senat noch im Jahre 1974
verhalt wird nicht mitgeteilt - anscheinend um einen Raub, anläßlich dessen vertreten hatte (oben Nr. 8, S. 577), radikal abweicht. Der Fall lag so, daß der
der BGH sich noch einmal grundsätzlich zur Abgrenzung von Mittäterschaft Angekl. bei einer Vergewaltigung „lediglich ein Bein des Opfers festhielt, um
und Beihilfe äußert. Der Angeklagte hatte weder Gewalt angewendet noch dem Mitangeklagten den Geschlechtsverkehr zu ermöglichen", den er selbst
die Beute selbst weggenommen. Er hatte aber „eine Reihe fördernder Bei- „weder vollzog noch vollziehen wollte". Der Senat nimmt ohne weiteres eine
träge erbracht, ohne welche die Tat nicht oder doch nicht so hätte begangen Mittäterschaft an und stützt sich dabei auf den durch das 4. Strafrechts-
werden können. Er wirkte als Mittäter bei der Wegnahme des Fahrzeugs mit, reformgesetz geänderten Wortlaut des § 177 StGB (zum heutigen, schon wie-
mit dem der Komplize zum Tatort fuhr und in dem er sich nach dem Überfall der geänderten Wortlaut vgl. oben Nr. 6, S. 575), wonach den Tatbestand
aus der unmittelbaren Nähe des Tatortes entfernte; er stellte seinen PKW als erfüllt, „wer eine Frau zum außerehelichen Beischlaf mit ihm oder einem
Fluchtauto bereit und steuerte ihn; er erhöhte die Gefährlichkeit der Tatwaffe Dritten nötigt". Der BGH folgert:109 „Was aber für die Alleintäterschaft
(einer Schrotflinte) durch Absägen des Laufes." Außerdem erhielt er abrede- genügt, reicht auch für die Mittäterschaft aus: Eine Vergewaltigung begeht
gemäß einen Teil der Beute. auch der Tatgenosse, dessen Tatbeitrag auf das Nötigen beschränkt sein soll
Die Strafkammer hatte den Angeklagten nur als Gehilfen verurteilt. Dem- und beschränkt bleibt. Auf zusätzliche Erfordernisse (wie ein eigenes Tat-
gegenüber stellt der BGH in Übereinstimmung mit der bisherigen Rspr. noch interesse oder das Wollen der Tat als eigene) kommt es ebensowenig wie beim
einmal fest, objektive Voraussetzung der Mittäterschaft sei nicht eine Mitwir- Alleintäter an."

108
BGHSt27,205ff.
107 109
GA 1977,306. A.a.O., 206f.
580 581

Das verdient im Ergebnis wie in der Begründung uneingeschränkten Bei- Beiträge weiterwirkten und von ihm nicht rückgängig gemacht worden
fall. Der Angekl. war Mitträger der Tatherrschaft, weil er durch das Festhal- waren.
ten des Opfers einen wesentlichen Beitrag im Ausführungsstadium geleistet Bei der Frage, ob der Angekl. als Mittäter oder Gehilfe des vollendeten
hatte. Wenn der B G H meint, daß das eigene Interesse oder das Wollen der Tat Raubes zu beurteilen sei, stand das Gericht vor dem Problem, daß ein Inter-
als eigene irrelevant seien, so ist das eine völlig zutreffende Aussage. Sie esse des Angekl. zu bejahen, eine Tatherrschaft aber zu verneinen war: „Für
basiert aber auf der Prämisse, daß derjenige, der eigenhändig den Tatbestand die Beurteilung fallen ... einerseits das eigene, zur Tat drängende Interesse des
erfüllt, immer Täter sei! Diese Annahme ist richtig, aber sie steht in diametra- Angeklagten (der Geld zur Schuldentilgung und zur Deckung des Lebens-
lem Widerspruch zu der Entscheidung desselben Senats vom 12.3.1974 (oben bedarfs benötigte) und andererseits der Umstand, daß der Angeklagte das
Nr. 8), wonach bei fehlendem Täterwillen auch der nur Gehilfe ist, der „selbst O b und Wie des eigentlichen Geschehensablaufs nicht mehr beherrschte,
alle Tatbestandsmerkmale in seiner Person erfüllt". Ich habe oben (S. 578) besonders ins Gewicht." 112 Bei der Abwägung der beiden widerstreitenden
vermerkt, daß eine solche Auffassung „nach dem neuen §25 Abs. 1 StGB Gesichtspunkte neigt der B G H im vorliegenden Fall zur Annahme einer
nicht mehr möglich" sei, und es ist denkbar, daß der Meinungsumschwung bloßen Beihilfe. Zwar könne die fehlende Tatherrschaft des Angekl. „nichts
des 1. Senats tatsächlich auf dem Wortlaut des neuen §25 Abs. 1 StGB beruht an der inneren Einstellung ändern, mit welcher er seine Tatbeiträge erbrachte.
(„Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst ... begeht"). Dann hätten wir Da sie für die wertende Betrachtung aber nur ein Gesichtspunkt neben ande-
in diesem Urteil die Abkehr von der extrem-subjektiven Theorie, die in der ren ist ..., entscheidet sich die Frage, ob der Angeklagte Mittäter oder Gehilfe
Tat gesetzlich geboten ist (vgl. oben S. 546 ff.) und die inzwischen auch das war, nicht schon und nicht allein auf Grund dieser, das Stadium der Vorberei-
O L G Stuttgart 110 und die spätere BGH-Rechtsprechung ausdrücklich voll- tung nicht überdauernden Einstellung."
zogen haben (vgl. die Nachweise oben S. 547). O b der B G H schon im vorlie- Das Urteil ist nach den Maßstäben der Tatherrschaftslehre im Ergebnis
genden Urteil eine so grundsätzliche Entscheidung treffen wollte, ist jedoch völlig zutreffend. Es bedeutet, wie später auch der Beschluß des 1. Senats
zweifelhaft, weil die Gründe des Urteils auf den Vergewaltigungstatbestand vom 25.3.1982 (unten Nr. 64.5, S. 629), einen deutlichen Schritt auf die Tat-
zugeschnitten sind und den §25 I StGB nicht einmal erwähnen. Es bleibt herrschaftslehre zu. Zwar ist das „Interesse" als Täterkriterium nicht, wie es
daher undeutlich, welche Tragweite der Entscheidung nach Meinung des geboten wäre, verabschiedet worden. Aber es erfährt doch eine erhebliche
BGH zukommen soll. Relativierung, indem es trotz vielfältiger Beiträge im Vorbereitungsstadium
bei gänzlich fehlender Tatherrschaft als zur Begründung der Täterschaft nicht
11. Ein Urteil des 1. Strafsenats vom 13.3.1979 111 betrifft einen Sachver- ausreichend angesehen wird.
halt, in dem der Angekl. zusammen mit zwei Frauen einen Banküberfall ver-
abredet und dabei eine wesentliche Funktion übernommen hatte: Er sollte 12. Ein Urteil des 2. Strafsenats vom 4.3.1981 1 1 3 behandelt den Fall einer
sich das Geld in eine Plastiktüte füllen lassen, während die beiden Frauen mit Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft durch die Verursachung der
ihrer Pistole das Personal und etwaige Kunden der Bank in Schach halten Selbstschädigung eines Unzurechnungsfähigen. Der Angeklagte hatte einem
sollten. Außerdem hatte der Angekl. Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium anscheinend Geisteskranken ins Krankenhaus Schnapsflaschen mitgebracht
geleistet (psychische Unterstützung, Diebstahl eines zur Tat benutzten Fahr- und ihn dadurch mehrfach in Volltrunkenheit versetzt. „Wem ... im Hinblick
rades, Auskundschaften des Tatortes). Ferner hatte er Interesse an dem Geld, auf Recht oder Unrecht das Hemmungsvermögen gänzlich fehlt, dem wird
das er zur Tilgung von Schulden und zur Deckung seines Lebensbedarfes man es auch im Hinblick auf den Wert der Erhaltung der eigenen Gesundheit
benötigte. nicht zusprechen können", meint der BGH. 114 Das ist freilich nur eine Erfah-
Wenn der Plan in der vorbereiteten Form zur Ausführung gekommen rungsregel, die im konkreten Fall überprüft und bestätigt werden muß. 115
wäre, wäre der Angekl. unter jedem denkbaren Gesichtspunkt Mittäter gewe- Abgesehen davon stimmt die von jeder Bezugnahme auf subjektive Kriterien
sen. Die Besonderheit des Falles liegt aber darin, daß der Angekl. auf dem freie Entscheidung mit der Konzeption der Tatherrschaftslehre durchaus über-
Wege zur Bank - also noch im Vorbereitungsstadium - Bedenken bekam. Er ein. Im Bereich der mittelbaren Täterschaft dürfte die Tatherrschaft als ent-
entfernte sich, während die beiden Frauen den Bankraub allein ausführten? Er scheidendes Kriterium auch in der Rechtsprechung anerkannt sein.116
erhielt an der Beute insofern einen Anteil, als eine der beiden Frauen mit ihm
zusammenlebte, so daß das auf sie entfallende Geld auch zur Befriedigung
seiner Bedürfnisse diente. Ein strafbefreiender Rücktritt des Angekl. kam bei
dieser Sachlage nicht in Frage, weil seine im Vorbereitungsstadium geleisteten 112
Hier und im folgenden a. a. O., 349.
113
BGH,beiHoltz,MDR1981,631f.
1.4
Unter wörtlicher Bezugnahme auf meine Darlegungen in L K " , 1993, § 25, Rn. 127.
1.5
110
Vgl. oben S. 236 f.
N J W 1978, 715. 116
Das wird von den nachfolgenden Urteilen (Nr. 16, S. 585 ff., Nr. 29, S. 602 ff.) eindeutig
111
BGHSt28,346ff. (348 f.). bestätigt.
582 583

13. Um die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe geht es Täterschaft in der gegebenen Situation jeweils schon ein Versuch oder noch
schließlich wieder in einem Urteil des 5. Strafsenats vom 15.9.1981." 7 Der eine Vorbereitung vorlag, ist ein zweites, noch schwierigeres Problem, das
Angekl. hatte mit einer Gruppe von Glaubensgenossen zu den sog. Moschee- aber in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden kann. 119 Auch der
Leuten gehört und mit ihnen einen gewalttätigen Angriff auf die Leute vom unbestreitbare Umstand, daß bei durchgeführter Tat eine Anstiftung zum
Arbeiterverein ausgeführt. Es steht fest, daß er mit einem Messer bewaffnet Raub (im ersten Fall) und zu einer Körperverletzung (in beiden Fällen) vor-
auf die gegnerische Gruppe losgestürmt war; doch ließ sich nicht nachweisen, gelegen hätte, bedarf keiner näheren Erörterung.
daß er wirklich zugestochen oder sonst mit eigener Hand Verletzungen zuge- Der B G H nimmt eine mittelbare Täterschaft an, die nach seiner Meinung
fügt hatte. Freilich war er von vornherein als einer der Führer der Angreifer u. a. dann vorliegt, „wenn der Tatmittler infolge eines vom mittelbaren Täter
aufgetreten; er „erteilte den Moschee-Leuten noch gegen Ende der Zusam- erregten oder ausgenutzten Irrtums nicht vorsätzlich handelt, aber auch,
menstöße Befehle, die befolgt wurden". Der B G H verurteilt den Angeklagten wenn der Tatmittler infolge des Irrtums glaubt, eine minder schwere Straftat
als Mittäter: „Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann auch bestraft zu begehen (vgl. Roxin in LK10, 1978, §25, Rn. 59, 78)" 120 . So liegt der Fall
werden, wer die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt, jedoch auf hier. „Der Angeklagte täuschte die von ihm ausgewählten Tatmittler zwar
Grund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherr- nicht darüber, daß sie eine strafbare Handlung begehen sollten. Er verheim-
schaft zum Verletzungserfolg beiträgt." Diese Voraussetzungen täterschaft- lichte ihnen aber Tatumstände, die den Tatbestand einer schwereren Straftat
licher Mitwirkung sieht der BGH hier als gegeben an. begründeten, als die Tatmittler sie sich vorstellten."
Das Urteil verdient Zustimmung. Das Verhalten des Angeklagten ist ein Die Entscheidung verdient vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus
geradezu klassischer Fall von Mittäterschaft; indem er am Tatort das Gesche- vollen Beifall. Denn im Hinblick auf die geplante Tötung des Opfers sollten
hen leitete, hatte er bei Ausführung der Körperverletzungen eine zentrale alle vom Angeklagten aufgeforderten Mittler nur als vorsatzlose „Werk-
Funktion inne. Bemerkenswert ist, daß der B G H als Täterkriterium neben zeuge" eingesetzt werden. Daß sie hinsichtlich eines Raubes bzw. einer Kör-
dem gemeinschaftlichen Tatentschluß allein den „Willen zur Tatherrschaft" perverletzung vorsätzlich handeln sollten und insoweit nur angestiftet wer-
nennt. Man darf annehmen, daß damit eine - hier ja auch vorliegende - reale den konnten, ändert nichts an der mittelbaren Täterschaft bei der Tötung.
Tatherrschaft gemeint ist und das Abstellen auf den „Willen zur Tatherr- Denn die Tatherrschaft ist „Tatbestandsherrschaft" und damit tatbestandsbe-
schaft" eine Konzession darstellt, die das Urteil in Übereinstimmung mit der zogen: Die Irrtumsherrschaft des Hintermannes bezog sich nach dem Tatplan
subjektiven Teilnahmetheorie halten soll. nur auf die Tötung, nicht auf die sonst zu begehenden Delikte, so daß auch
nur insoweit eine mittelbare Täterschaft angenommen werden kann.
14. Das Urteil des 4. Strafsenats vom 26.1.1982 " 8 ist die erste von drei Trotz dieser ziemlich eindeutigen Rechtslage ist um das Urteil eine heftige
richtungweisenden Entscheidungen zur mittelbaren Täterschaft (neben unten Polemik entbrannt. Sippel121 hat die Meinung vertreten, daß nur eine Straf-
Nr. 16, S. 585 ff., und Nr. 29, S. 602 ff.). Der Angeklagte hatte seinen Neben- barkeit wegen versuchter Anstiftung zum Raub (§§249, 250, 30 Abs.l StGB)
buhler töten wollen. Zu diesem Zweck überredete er G., C. und Ü. durch das in Betracht komme und ist damit bei Spiegel122 und Teubner 123 auf berechtig-
Versprechen hoher Beute zu einem Raubüberfall auf das Opfer. Zur Durch- ten und energischen Widerspruch gestoßen. Sippel lehnt eine Tatherrschaft
führung der Tat gab er ihnen eine Plastikflasche mit, die angeblich ein dem des Hintermannes in beiden Fällen ab, weil die Aufgeforderten sich bewußt
Opfer einzuflößendes Schlafmittel, in Wirklichkeit aber tödlich wirkende waren, eine schwere Straftat zu begehen. Sie konnten sich - um es am ersten
Salzsäure enthielt. Die Mittelsmänner öffneten unterwegs aus Neugier die Sachverhalt zu verdeutlichen 124 - „völlig frei zur Begehung des angesonnenen
Flasche, stellten fest, daß sie eine gefährliche Säure enthielt und nahmen dar- Raubes entschließen ... Wenn auch ... den /Tätmittlern' nicht bewußt gewe-
aufhin von der Tat Abstand. Der Angeklagte versuchte nunmehr, die Tat auf sen ist, daß durch ihr Verhalten J. zu Tode kommen sollte, so mußten sie doch
anderem Wege durchzuführen. Er übergab A eine Flasche, die angeblich ihre Hemmungen überwinden, einen schweren Raub zu begehen."
essigsaure Tonerde, in Wahrheit aber tödliches Gift enthielt. A sollte mit die- Hier wird die Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs verkannt: 125 Täter-
ser Flüssigkeit das Opfer anspritzen und es so veranlassen, vorübergehend ein schaft ist immer Tatbestandsverwirklichung (vgl. S. 650ff.), so daß bei einer
Krankenhaus aufzusuchen, damit der Angeklagte seine Wohnung ausraifben
könne. A durchschaute den Plan jedoch und übergab die Flasche der Polizei.
Das für die Täterlehre interessante Problem liegt darin, ob in beiden Fällen 1,9
Wie der B G H für Versuch Roxin, HRR-AT, 1998, 187, zu Fall Nr. 52, sowie in Roxin,
ein Mord in mittelbarer Täterschaft vorliegen würde, wenn die Tat wie AT/2,2003, § 2 9 , Rn. 242 ff.
120
geplant zur Ausführung gekommen wäre. O b bei Annahme einer mittelbaren Hier und im folgenden a. a. O., 365.
121
N J W 1983, 2226 ff.; ders., N J W 1984, 1866; ders., JA 1984, 480 f.
122
N J W 1984, 110; ders., N J W 1984, 1867.
123
J A 1984, 144 f.
117 124
NStZ 1982,27. N J W 1983, 2227f.
118 125
BGHSt 30, 363-366. Richtig Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 291 bei und in Anm. 17.
584 585

Tötung eine mittelbare Täterschaft mit Hilfe eines unvorsätzlichen Tatmitt- zipielles Interesse des Angeklagten am Gelingen der Diebstähle, von dem sein
lers nicht mit Erwägungen abgelehnt werden kann, die sich auf einen ganz Erwerb abhing, nicht leugnen können, zumal er auch bestimmte Beutestücke
anderen Tatbestand beziehen. Doch ist Sippeis Mißverständnis insofern verlangte (was der BGH ganz außer Betracht läßt). Überhaupt leuchtet es
fruchtbar, als es die Gefährlichkeit zweier in der Literatur verbreiteter Thesen nicht ein, daß nicht der Anteil an der Tatherrschaft, sondern die Art und
zeigt: der grundsätzlichen Ablehnung des „Täters hinter dem Täter" und der Weise der Belohnung über die Täterschaft entscheiden soll. Das weitere
Übertragung des von mir nur für die Nötigungsfälle entwickelten Verantwor- Monitum des BGH, daß Hinweise auf „Planung, Vorbereitung und Durch-
tungsprinzips auf die Fälle der Willensherrschaft kraft Irrtums (näher dazu führung der Tat" im Hinblick auf den Angeklagten fehlten, kann dessen Mit-
unten S. 696 ff.). Denn wenn man die Tatsache allein, daß der Aufgeforderte täterschaft ebenfalls nicht in Frage stellen. Denn auf jeden Fall ist der Ange-
vorsätzlich-schuldhafter und damit verantwortlicher Täter einer Straftat ist, klagte in die Planung eingetreten, und das genügt für eine Mittäterschaft. Und
der aus den ihm bekannten Umständen genügend Hemmungsmotive schöp- sein maßgeblicher Anteil an der Durchführung der Taten liegt ebenfalls klar
fen könnte, zur Ablehnung einer mittelbaren Täterschaft genügen lassen zutage, so daß es insoweit keiner weiteren Feststellungen bedarf.
wollte, könnte man in der Tat zu einer bloßen Anstiftung kommen. Aber sol-
che Konstruktionen widerlegen sich schon vom Ergebnis her. Man würde 16. Einen der seltsamsten Fälle der höchstrichterlichen Rechtsprechung
unter dem Gesichtspunkt der Tötung immer dann straflos bleiben, wenn man hat der 1. Strafsenat in einem Urteil vom 5.7.1983 127 entschieden. In diesem
sich dazu eines im Hinblick auf die Tötung ahnungslosen Tatmittlers bedient, sog. „Sirius-Fall" ging es um die Abgrenzung mittelbarer Tötungstäterschaft
dem man vorspiegelt, er solle ein anderes, noch so geringfügiges Delikt (z. B. von der straflosen Selbsttötungsteilnahme. Der Angeklagte hatte einer jungen
eine Sachbeschädigung) begehen. Das wäre kein diskutabler Lösungsansatz. Frau vorgeschwindelt, er sei ein Bewohner des Sternes Sirius und könne ihr
zu einem neuen und höheren Leben verhelfen, wenn sie sich von ihrem alten
15. In einem Beschluß des 1. Strafsenats vom 19.5.1983 126 ging es um die Körper trenne. Sie solle sich in eine Badewanne setzen und einen eingeschal-
Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe bei Diebstählen. Der Angeklagte teten Fön in das Badewasser fallen lassen. In einem roten Raum am Genfer
war für verschiedene Komplizen „als Fahrer zu umfangreichen Diebestouren See stehe für sie ein neuer Körper bereit; in diesem Körper werde sie nach
tätig. Es war eine Arbeitsteilung in der Weise vereinbart, daß der Angekl. als ihrem scheinbaren Unfalltod erwachen. Allerdings brauche sie in ihrem
Fahrer und als Transporteur der Diebesbeute tätig war", während seine Kom- neuen Leben Geld; daher solle sie eine Lebensversicherung abschließen, die
plizen die Diebstähle ausübten und die Diebesbeute jeweils zum Fahrzeug bei Unfalltod 500000 DM zahle und ihn, den Angeklagten, als Bezugsberech-
brachten. Der Angeklagte erhielt für jede Fahrt mindestens 100 DM und tigten bestimme. Er werde ihr dann die Summe nach Genf bringen.
anstatt Bargeld oft auch Ware aus der Diebesbeute. Dabei äußerte er häufig Die junge Frau glaubte dies alles. Sie ließ den Fön in der Hoffnung ins
vor Beginn der Diebestouren, welche Gegenstände er erhalten wolle. Wasser fallen, sofort in einem neuen Körper zu erwachen. Der Gedanke an
Der B G H beurteilt das Verhalten des Angeklagten nur als Beihilfe und einen „Selbstmord im eigentlichen Sinn", durch den „ihr Leben für immer
stützt sich dabei auf seine normative Kombinationstheorie, die - bei unklarer beendet würde", kam ihr dabei nicht. Sie lehnte eine Selbsttötung ab. Der
Gewichtung - auf das Eigeninteresse, den Umfang der Tatbeteiligung und die Mensch habe dazu kein Recht.
Tatherrschaft abstellt. Dabei soll eine Beihilfe deshalb vorliegen, weil „das Der von dem Angeklagten eingefädelte Plan scheiterte schließlich, weil der
Fixum von 100 DM ... ohne Rücksicht auf den Erfolg der Diebestaten ... ein Fön nicht richtig funktionierte. Der Angeklagte telefonierte bei der jungen
distanzierteres Verhältnis zu den Diebstählen erkennen" lasse, „als es üb- Frau an und war erstaunt, daß sie noch lebte. Er gab ihr dann in etwa zehn
licherweise der Täter solcher Straftaten hat". Auch vermißt der B G H Hin- Telefongesprächen Anweisungen zur Fortführung ihrer Selbsttötungs-
weise darauf, „welchen Einfluß der Angekl. auf die Planung, Vorbereitung bemühungen, bevor er dies als aussichtslos aufgab.
und Durchführung der Taten hatte". Der BGH hält den Angeklagten eines versuchten Mordes in mittelbarer
Der Beschluß verdient keine Zustimmung. Denn der Angeklagte hat in Täterschaft für schuldig. Es handele sich hier um einen Fall, in dem „der-
Arbeitsteilung mit seinen Komplizen im Ausführungsstadium einen wesent- jenige, der unter dem Einfluß ... eines anderen Hand,an sich legt, weder einen
lichen Tatbeitrag geleistet und damit einen gleichwertigen Anteil an der-Tat-
herrschaft gehabt. Wenn der BGH ein anderes Ergebnis aus der Zusage eines
Fixums herleiten will, so soll dies anscheinend ein fehlendes Interesse am BGHSt 32, 38—43. Im wesentlichen zustimmend die Anmerkungen von Neumann, JuS
1985, 677, Roxin, NStZ 1984, 73, und Schmidhäuser, JZ 1984, 195. Die Anm. Sippel (NStZ
Gelingen der Diebstähle („ein distanzierteres Verhältnis zu den Diebstählen")
1984, 357) kommt zur mittelbaren Täterschaft durch eine dem Urteil widersprechende
begründen. Aber abgesehen davon, daß ein fehlendes Interesse bei vorhande- Annahme „partieller psychischer Störung des Werkzeuges", während Hassemer (JuS 1984,
ner Mitherrschaft die Täterschaft nicht ausschließen kann, wird man ein prin- 148) und Geilen (JK, StGB § 25 1/1) keine klare eigene Stellungnahme erkennen lassen. Zu
der Entscheidung vgl. außerdem meinen Kommentar in Roxin, HRR-AT, 1998, 205, zu Fall
Nr. 80, sowie in Roxin, AT/2, 2003, § 25, Rn. 70. Klinger, Die Strafbarkeit der Beteiligung
usw., 1995, 149 ff. (154), lehnt eine mittelbare Täterschaft oder eine sonstige Strafbarkeit des
StrV 1983, 501; abweichend wird das Urteil bei Küpper, G A 1986, 440, interpretiert. Hintermannes ab und spricht von einer „Strafbarkeitslücke".
586 587

der psychischen Zustände aufweist, die §20 StGB nennt, noch sich in einer Leben nach dem Tode eintreten werde, das sie nicht in Fortsetzung ihrer (nur
Notstandslage im Sinne von §35 StGB befindet, sondern durch Täuschung mehr oder weniger modifizierten) Individualität, sondern als ein anderes
zur Vornahme der Tötungshandlung bewogen wird ..." I 2 8 . Inwieweit eine (höheres) Wesen zu führen habe, bestünde die Verurteilung zu Recht. Es
durch Täuschung bewirkte Selbsttötung eine mittelbare Täterschaft be- ginge auch dann nicht darum, ob eine Täuschung über den „konkreten Hand-
gründe, hänge „von Art und Tragweite des Irrtums ab. Verschleiert er dem lungssinn" oder ein bloßer Motivirrtum vorliege und ob ein solcher Irrtum
sich selbst ans Leben Gehenden die Tatsache, daß er eine Ursache für den ausreiche, um eine „Tatherrschaft" des Angeklagten zu begründen. „Der Täu-
eigenen Tod setzt, ist derjenige, der den Irrtum hervorgerufen und mit Hilfe schung über den »konkreten Handlungssinn' wäre die Vorspiegelung imma-
des Irrtums das Geschehen, das zum Tod des Getäuschten führt oder führen nent, daß der Tod nichts anderes als der Beginn neuen Lebens sei Der darauf
soll, bewußt ausgelöst hat, Täter eines (versuchten oder vollendeten) beruhende Irrtum hätte das Gewicht des Irrtums über den Nichteintritt des
Tötungsdelikts kraft überlegenen Wissens, durch das er den Irrenden lenkt, Todes. Nicht weniger als dieser hätte jener das Opfer ausschlaggebend moti-
zum Werkzeug gegen sich selbst macht ..." So liege es hier: „Was Frau T viert und dem Angeklagten Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens einge-
nicht ahnte und wollte, erstrebte der Angeklagte: Der - von beiden als sicher räumt."
erwartete - Stromstoß sollte dem Leben der Getäuschten ein Ende setzen und Hier werden nun die Begriffe der Tatherrschaft und der Terminus des kon-
dem Angeklagten die Versicherungssumme verschaffen, von der sein Opfer kreten Handlungssinnes, der oben (S. 212-231) erstmals entwickelt worden
annahm, sie sei die wirtschaftliche Grundlage des neuen Lebensabschnitts. ist, ausdrücklich aufgenommen. Während die Tatherrschaft eindeutig als
Der Angeklagte, der auch das eigentliche Tatgeschehen durch stundenlang maßgeblich erklärt wird, läßt der B G H die Frage, ob und wann eine Täu-
erteilte Anweisungen maßgeblich steuerte", sei infolgedessen mittelbarer schung über den konkreten Handlungssinn eine mittelbare Täterschaft
Täter. begründet, in der Schwebe. Tatsächlich wird damit einer der strittigsten
Dem ist zuzustimmen. Das Urteil gründet die mittelbare Täterschaft ein- Punkte der gegenwärtigen Diskussion angesprochen. Wenn man den in die-
deutig auf die Tatherrschaft des Hintermannes, obwohl es diesen Begriff in sem Buch (S. 225-230) 132 vorgetragenen Argumenten folgt, wäre - im Ergeb-
den entscheidenden Passagen nicht ausdrücklich benutzt (und statt dessen nis mit dem B G H - auch in dem hypothetisch zugrunde gelegten zweiten
von „lenken" und „steuern" spricht). Indem es die mittelbare Täterschaft bei Sachverhalt eine mittelbare Täterschaft anzunehmen: Denn die Frau würde
der Selbstmordbewirkung auf eine entsprechende Anwendung der §§20, 35 um den Sinn ihres Todes auch dann betrogen worden sein, wenn sie um eines
und 16 StGB gründet, beruft es sich auf jene drei gesicherten Fälle, die auch jenseitigen Lebens willen in den Tod gegangen wäre. Allerdings neige ich
in meiner Kommentierung im Leipziger Kommentar aufgeführt werden. 129 In inzwischen der Ansicht zu, daß sich mit Hilfe dieses nur subjektiv zu bestim-
der Tat ist eine Herrschaft des Hintermannes im vorliegenden Fall unbestreit- menden Sinn-Kriteriums keine klare Abgrenzung gegenüber bloßen Motiv-
bar, wenn dem Opfer verschleiert worden ist, daß es zu Tode kommen irrtümern des Suizidenten gewinnen läßt, die seine Selbstverantwortung und
würde. Dies nimmt der B G H mit guten Gründen an, weil die Frau in der eigene Herrschaft über das Geschehen unangetastet lassen. Wer (um welcher
„Überzeugung, daß ihre physisch-psychische Identität und Individualität Ziele willen auch immer) in verantwortungsfähigem Zustande freiwillig in
lediglich Modifikationen erfahre", zunächst auf dieser Erde (nämlich in Genf) den Tod geht, hat nach dieser neueren Auffassung 133 selbst die Herrschaft
weiterzuleben erwartete. 130 über das Geschehen, so daß ein Außenstehender lediglich Teilnehmer am
Sehr viel schwieriger wird die Beurteilung des Falles, wenn man den Sach- Suizid sein kann.
verhalt so deutet, daß die Frau geglaubt habe, sie würde in der Badewanne Daran möchte ich auch hier festhalten. Um das Argument auf den konkre-
sterben und hinfort nur noch ein „höheres Leben" nach dem Tode führen. ten Fall zuzuspitzen: Wenn das Opfer nicht über seinen irdischen Tod, son-
Obwohl eine solche Interpretation der festgestellten Tatsachen vom B G H dern über sein Schicksal im Jenseits geirrt hätte, so wäre der Angeklagte nur
verworfen wird, unterwirft er - hypothetisch - auch sie einer rechtlichen ein strafloser Anstifter zum Selbstmord gewesen. Denn dieser Irrtum hätte
Beurteilung und kommt ebenfalls zur Bejahung einer mittelbaren Täter- sich nicht auf das Rechtsgut des irdischen Lebens bezogen, das allein in den
schaft.131 Auch wenn Frau T. angenommen hätte, daß dem „Erwachen" in §§211 ff. StGB geschützt wird, sondern auf Gegebenheiten, die außerhalb der
einem roten Raum am Genfer See ihr Tod vorausgehen müsse, daß sie in 'ein Schutzinteressen des Strafrechts liegen. Das zeigt auch der Parallelfall der
Veranlassung zu einer Straftat: Wird jemand zur Ermordung eines politischen
Gegners durch die Vorspiegelung veranlaßt, er werde für diese „Heldentat" in
128
Hier und im folgenden a. a. O., 41 f.
den Himmel (oder auf den Stern Sirius) kommen, so hindert das nicht, daß er
129
L K " , 1993, § 25, Rn. 106; der B G H zitiert diese Stelle auch. Dagegen war ich mit der für den von ihm begangenen Mord voll verantwortlich und der Hintermann
Annahme der mittelbaren Täterschaft im vorliegenden Buch (S. 225-230) weitergegangen.
Darüber gleich unten im Text.
130
Näher dazu Roxin und Schmidhäuser, wie Anm. 127. Eine abweichende Deutung liefert
132
jetzt Merkel, JZ 1999, 503 ff. Dieser Auffassung steht sehr nahe M.-K. Meyer, Autonomie, 1984, 227ff.
133
131
A.a.O., 43. Vgl. Roxin, LK 1 1 , 1993, § 25, Rn. 106ff., und N S t Z 1984, 72.
588 589

nur Anstifter ist. Das kann beim Suizid nicht anders sein. Auf einem anderen überflüssig zu machen. Da der B G H jedoch anscheinend der Ansicht zuneigt,
Blatt steht die Strafwürdigkeit auch einer Anstiftung zum Selbstmord in sol- daß bei § 125 zwar eine Teilnahme, nicht aber eine Täterschaft die Anwesen-
chen Fällen. Ihr könnte durch eine Vorschrift nach Art von Art. 115 des heit am Tatort voraussetzt, ließ sich das vom Gericht bejahte Strafbedürfnis
SchweizStGB Rechnung getragen werden, wo die Verleitung oder Beihilfe durch Annahme einer Täterschaft leichter befriedigen. Dagegen wird im
zum Selbstmord „aus selbstsüchtigen Beweggründen" unter Strafe gestellt Schrifttum vielfach angenommen, daß nur Mitglieder der Menge Täter nach
wird. §125 Abs. 1 sein können, so daß dann die vom B G H gewählte Lösung schon
aus diesem Grunde abgelehnt werden müßte.
17. Täterschaft und Teilnahme beim Tatbestand des Landfriedensbruchs
(§ 125 StGB) haben den 3. Strafsenat des B G H in seinem Urteil vom 23.11. 18. Um die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe beim Mord dreht
1983134 beschäftigt. Der Angeklagte hatte zu einer Blockade des Frankfurter sich ein Beschluß des 1. Senats vom 9.2.1984. 138 Die Vorinstanz hatte die bei-
Flughafens aufgerufen; der B G H beurteilte ihn als Täter eines Landfriedens- den Angeklagten wegen mittäterschaftlichen Mordes an einer Frau S. verur-
bruches, obwohl er sich persönlich an der Blockade nicht beteiligt hatte. teilt. Wer von beiden die tödlichen Schüsse abgegeben hatte, konnte ebenso-
Auch der ortsabwesende Befehlsgeber, Organisator oder geistige Anführer sei wenig wie das Motiv der Tat geklärt werden.
Täter, wenn, wie hier, „die aus der Menge verübten Gewalttätigkeiten oder Der B G H stützt sich auf seine normative Kombinationstheorie, die die
Bedrohungen seinem Täterwillen entsprechen und unter seiner Tatherrschaft Frage nach der Täterschaft unter Berücksichtigung des Interesses, des Um-
begangen werden, ihm also nach allgemeinen Grundsätzen als eigene Tat fanges der Tatbeteiligung, der Tatherrschaft (oder des Willens dazu) „in wer-
zuzurechnen" seien. tender Betrachtung" ermittelt. Danach wurde der erste Angeklagte nur als
Das Urteil stützt sich auf „Täterwillen" und „Tatherrschaft" gleicher- Gehilfe beurteilt, weil ihm die Abgabe der tödlichen Schüsse nicht nach-
maßen, verlangt aber jedenfalls auch die Tatherrschaft. Es versteht aber den gewiesen werden konnte und der erwiesene Tatbeitrag „relativ gering" wog.
Begriff der Tatherrschaft anders, als es in diesem Buche geschieht, indem es Der zweite Angeklagte habe zwar „gewichtigere Tatbeiträge geleistet" und
den „geistigen Anführer" auch dann als mittelbaren Täter ansieht, wenn er die Tat „auch wesentlich gesteuert". Da aber die Tat „nicht in Mittäterschaft
seinen Willen weder durch Nötigung noch mit Hilfe eines organisatorischen begangen worden" sei, könne er nur als Täter verurteilt werden „wenn er
Machtapparates durchgesetzt hat. Das ist mit Recht als eine etwas gewaltsame selbst alle Tatbestandsmerkmale des §211 StGB erfüllt, insbesondere also die
Anpassung der Tatherrschaftslehre an die subjektive Theorie kritisiert wor- tödlichen Schüsse abgegeben hätte"; da auch dies nicht nachweisbar sei, könne
den. Lenckner 135 meint, es sei „zu weitgehend und ein Rückfall in eine extrem er ebenfalls nur als Gehilfe verurteilt werden.
subjektive Täterlehre ..., wenn schon die öffentliche Aufforderung, am fol- Die Entscheidung ist wegen der unklaren Beweissituation wenig ergiebig;
genden Tage einem Flughafen ,einen Besuch abzustatten' und ,ihn dicht zu auch ist nicht recht ersichtlich, warum der zweite Angeklagte nicht sollte als
machen', Täterschaft für die dabei begangenen Gewalttaten begründen soll". Täter verurteilt werden können, wenn seine Tatherrschaft auch unabhängig
Arzt, der als Vertreter der Baumann-Schule zu den wenigen verbliebenen von der Abgabe der tödlichen Schüsse nachweisbar wäre. Aber im Ergebnis
Anhängern der subjektiven Theorie gehört, 136 begrüßt es „angesichts des vertritt die Entscheidung doch eine weitgehend der Tatherrschaftslehre ent-
Siegeszuges der Tatherrschaftstheorie im Schrifttum" ausdrücklich, daß das sprechende Abgrenzung. Denn in der Tat ist die Abgabe der tödlichen
Urteil im Ergebnis auf eine „Bestätigung der subjektiven Theorie" hinaus- Schüsse vermutlich die einzige wesentliche Handlung im Ausführungssta-
laufe,137 aber er interpretiert die Tatherrschaftslehre richtig, indem er sagt: dium gewesen; da keinem der beiden Angeklagten diese Handlung nachweis-
„Wenn ,Tatherrschaft' als ein Rechtssicherheit gewährleistendes Kriterium bar war, ist es richtig, daraus nach dem Grundsatz in dubio pro reo auf eine
funktionieren soll, muß sie als Tatausführungsherrschaft verstanden werden bloße Gehilfenschaft zu schließen und das Fehlen der Tatherrschaft nicht
... Bejaht man bei einem bloß geistigen Anführer die Tatherrschaft, verwen- durch vorbereitende Aktivitäten und subjektive Kriterien zu überspielen.
det man das Etikett der materiell-objektiven Theorie als eine Art Trost-
pflaster." Der B G H übersieht hier, daß der Anstifter sehr oft der spiritus rec- 19. Das Urteil des 3. Strafsenats vom 4.7.1984 in dem berühmt geworde-
tor einer Deliktsbegehung ist, ohne doch deshalb Täter zu sein. nen Fall Wittig 139 betrifft die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Voll verständlich wird das Urteil allerdings nur auf dem Hintergrund der schon öfters 140 behandelte Frage, ob die unterlassene Selbstmordhinderung
besonderen Tatbestandsstruktur des § 125 StGB. Der Abs. 1 dieser Vorschrift durch eine prinzipiell garantenpflichtige Person als Suizidteilnahme straflos
stellt Täter und Teilnehmer gleich, scheint eine besondere Abgrenzung also oder als Unterlassungstäterschaft strafbar ist. Die Entscheidung hat umfang-

134 138
BGHSt 32, 165-183, m. Anm. Arzt, JZ 1984, 428-430. GA 1984, 287f.
135
Sch/Sch/Lenckner26, 2001, § 125, Rn. 14. 139
BGHSt 32, 367-381.
136 140
Vgl. näher S. 655, Anm. 314 m. w. N. Vgl. oben zu BGHSt 2, 150 (S. 91 f.); BGHSt 13, 162 (S. 101 f.); MDR 1960, 939f. (oben
137
Hier und im folgenden JZ 1984, 429. S. 103 f.).
590 591

reiche Stellungnahmen hervorgerufen 141 und reicht in ihrer Bedeutung über geblieben wären, sei die Gewissensentscheidung, auf Grund deren der Arzt in
das Problem der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme hinaus, vor dieser „Grenzsituation" untätig geblieben sei, „nicht von Rechts wegen ...
allem in den Bereich der Unterlassungsdogmatik und der kriminalpolitischen unvertretbar" (a.a.O., 380/81). Trotz dieses Einlenkens in seltenen Extrem-
Beurteilung der Suizidmitwirkung hinein. Hier ist eine verhältnismäßig fällen ist das Urteil, weil es das Selbstbestimmungsrecht des voll verantwort-
knappe Stellungnahme möglich, weil die Entscheidung die erwartete Wen- lichen Sterßewilligen nicht anerkennt, durchweg mit Recht auf Ablehnung
dung in der Rechtsprechung nicht gebracht hat und zu einer Änderung der gestoßen. 143 Die Kritik hat ihren Eindruck auf den BGH anscheinend nicht
oben (S. 473-476) begründeten Auffassung keinen Anlaß gibt.142 verfehlt. Denn in einem Beschluß vom 8.7.1987 144 weist der 2. Strafsenat dar-
Dem Angeklagten war eine Tötung auf Verlangen (§216 StGB) durch auf hin, daß er „dazu neigt, einem ernsthaften, freiverantwortlich gefaßten
Unterlassen zur Last gelegt worden, weil er als Arzt den Selbstmord einer Selbsttötungsentschluß eine stärkere rechtliche Bedeutung beizumessen, als
alten Frau nicht verhindert hatte. Die kranke und lebensmüde Frau hatte - in dies in dem ... Urteil des 3. Strafsenates (BGHSt 32, 367ff.) geschehen ist".
vollverantwortlichem Zustand - eine Überdosis von Medikamenten einge- Das letzte Wort ist also auch für die Judikatur in dieser Frage noch nicht
nommen, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Der Arzt, der sie in bewußt- gesprochen.
losem Zustand angetroffen hatte, hatte sie nicht ins Krankenhaus eingewie- Nach der hier vertretenen Auffassung ist bei einem Pflichtdelikt, wie es die
sen, weil sie sich dies durch mündliche und schriftliche Erklärungen strikt Unterlassungsstraftat darstellt, die Tatherrschaft kein relevantes Abgren-
verbeten hatte. Er blieb statt dessen in der Wohnung, bis er am nächsten Mor- zungskriterium (vgl. S. 462 ff.). Unbeschadet dessen verlangt der BGH bei
gen den Tod der Frau feststellen konnte. Unterlassungsdelikten neben der Garantenstellung die Tatherrschaft bzw. den
Da nach der hier vertretenen Lehre die Unterlassungsdelikte als Pflicht- Täterwillen und bejaht diese auch beim Angeklagten unseres Falles. Denn der
delikte anzusehen sind (S. 459 ff.), so daß im Regelfall die Garantenstellung Selbstmörder habe die Tatherrschaft nur bis zum Eintritt der Bewußtlosig-
allein die Unterlassungstäterschaft begründet, hängt die Entscheidung des keit. Danach „hat dann nicht mehr der Selbstmörder, sondern nur noch der
Falles davon ab, ob den Arzt eine Erfolgsabwendungspflicht traf. Denn die Garant die Tatherrschaft und, wenn er die Abhängigkeit des weiteren Ver-
aus der vertraglichen Beziehung zwischen Arzt und Patienten begründete laufs von seiner Entscheidung in seine Vorstellung aufgenommen hat, auch
Garantenstellung reicht nur so weit wie der Wille des Patienten, behandelt zu den Täterwillen. Daß der Garant durch sein Verhalten den früher geäußerten
werden. Da die Frau sich ein ärztliches Eingreifen ausdrücklich verbeten Wunsch des Sterbenden erfüllen will, ändert daran nichts" (a. a. O., 374).
hatte, war dies zu respektieren. Diese Meinung hatte in unserem Fall auch der Richtigerweise sind aber weder Tatherrschaft noch Täterwille zu bejahen.
Generalbundesanwalt vertreten (a. a. O., 377). Nicht so der BGH. Für ihn ist Denn jemand, der sich völlig passiv verhält, hat nie die Tatherrschaft, die man
„das Arzt-Patienten-Verhältnis ... keine nur rechtsgeschäftliche, ausschließ- nur durch aktives Handeln erlangen kann. Er hat lediglich eine Erfolgs-
lich von dem Willen der beiden Vertragsparteien bestimmte Beziehung" abwendungsmöglichkeit, die aber eine begriffliche Voraussetzung des Unter-
(a.a.O., 378). Daher sei es „grundsätzlich unzulässig", daß ein Arzt sich lassens ist und schon deshalb nicht zur Abgrenzung von Täterschaft und Teil-
„dem Todeswunsch des Patienten beugen" dürfe (a.a.O., 380). Dem ist der nahme beim Unterlassen dienen kann. Der BGH schiebt zur Stützung seiner
völlig unbestrittene Grundsatz entgegenzuhalten, daß unsere Rechtsordnung Auffassung noch die kriminalpolitische Begründung nach, daß auch „ein
kein Recht zur Zwangsbehandlung kennt. Die These, daß dieser Grundsatz ursprünglich durchaus ernsthafter Selbsttötungswille" nach Beendigung des
für Selbstmörder nicht gelte, will auch der BGH nicht ausdrücklich vertreten Suizidversuchs häufig „verfalle", so daß der Suizident dann doch auf Rettung
(a. a. O., 378). Warum aber „jedenfalls" für den bewußtlosen Patienten etwas hoffe (a.a.O., 376). Aber erstens könnte ein solcher „Verfall" des Selbst-
anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. tötungswillens keine Tatherrschaft, sondern nur ein Wiederaufleben der
Der BGH ist im konkreten Fall gleichwohl zur Ablehnung einer Erfolgs- Erfolgsabwendungspflicht des Arztes begründen. Und zweitens beweist das
abwendungspflicht gekommen, weil „es keine Rechtspflicht zur Erhaltung Argument kriminalpolitisch nichts für einen Fall wie den vorliegenden, in
eines verlöschenden Lebens um jeden Preis" gebe (a. a. O., 379). Da bei der dem mit Sicherheit vom Fortbestehen des Selbsttötungswillens ausgegangen
Patientin im Falle ihrer „Rettung" irreversible Gesundheitsschäden übrig- werden konnte.
Nicht einmal ein Täterwille des Unterlassenden, der ohnehin ein ganz
untaugliches Abgrenzungsmerkmal darstellen würde (S. 489 ff.), läßt sich in
141 unserem Falle dartun. Denn wenn es überhaupt eine Tat gibt, die jemand
Die wichtigsten Beiträge liefern R. Schmitt, JZ 1984, 866-869; Eser, MedR 1985, 6-12;
G r o p p , N S t Z 1985, 97-103; Sowada, Jura 1985, 75-88; Ranft, JZ 1987, 911-914; Herzberg, nicht „als eigene", sondern „als fremde" wollen kann, dann ist es doch wohl
JA 1985, 131-138, 177-185, 265-272; JZ 1986, 1021-1028; 1988, 182-189; Neumann, JA
1987, 244-256; Verrel, JZ 1996, 224-231. Vgl. außerdem meinen Kommentar in Roxin,
HRR-AT, 1998, 209 zu Fall Nr. 87, sowie in Roxin, AT/2, 2003, § 31, Rn. 130ff.
142 143
Eine nähere Begründung der hier vertretenen Auffassung liefert auch mein Beitrag in der Eine Ausnahme macht der Ansatz von Herzberg, wie Anm. 141, der die Strafbarkeit der
Dreher-Festschrift, 1977, 331-335, sowie die Habilitationsschrift meines Schülers Bottke, Suizidmitwirkung hier, wie auch sonst (vgl. oben S. 571) wesentlich ausweiten möchte.
144
Suizid und Straf recht, 1982. NStZ 1988, 127.
592 593

der Selbstmord eines anderen, den man nur aus Respekt vor der verantwort- 21. Die Problematik der sukzessiven Mittäterschaft bildet auch den
lichen Entscheidung des Suizidenten geschehen läßt. Wie man mit dem BGH Gegenstand eines Beschlusses, den der 4. Strafsenat am 2.10.1984 erlassen
einen „Täterwillen" auch dort noch annehmen kann, wo jemand sich ohne hat.150 Hier hatten R. und F. eine Frau zweimal vergewaltigt. Als das Opfer
jedes Eigeninteresse dem Sterbewillen des Suizidenten unterordnet, ist unver- daraufhin apathisch dalag, kam der Angeklagte in das Zimmer und führte mit
ständlich. der Frau ohne Anwendung von Gewalt, aber unter Ausnutzung ihres teil-
nahmslosen Zustandes, ebenfalls den Geschlechtsverkehr aus. Für den BGH
20. Um die Voraussetzungen der sukzessiven Mittäterschaft geht es in stellte sich die Frage, ob dies eine Vergewaltigung in sukzessiver Mittäter-
einem Urteil des 1. Strafsenats vom 7.8.1984. 145 Zwei andere Täter hatten schaft war.
dem Opfer bereits die Verletzungen zugefügt, die später zu seinem Tode Das wurde im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Denn selbst wenn man - ent-
führten. Erst danach kam der Angeklagte hinzu und versetzte dem Opfer gegen der hier vertretenen Meinung - eine Ausnutzung bereits vollzogener
ebenfalls Schläge, die aber für dessen Tod nicht ursächlich waren. Gewalt für deren mittäterschaftliche Zurechnung genügen lassen wollte, 151
Die Frage ging dahin, ob der Angeklagte außer wegen Nötigung und Kör- kann dies doch dann nicht mehr in Betracht kommen, wenn die Vergewalti-
perverletzung auch wegen einer in sukzessiver Mittäterschaft begangenen gung schon abgeschlossen war, als der Angeklagte sich die Lage zunutze
Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB a. F.) zu bestrafen sei. Das Pro- machte. Das sieht auch der BGH: „Ist der Eintritt des Angekl. erst nach Voll-
blem konnte nur auftreten, weil der B G H die mittäterschaftliche Zurechnung endung der Vergewaltigung durch die anderen Mitangekl. erfolgt, kommt
bereits verwirklichter Erschwernisgründe für grundsätzlich möglich erklärt eine mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Aus-
hat.146 Die Gegenmeinung, die oben (S. 289-292) näher begründet worden ist nutzung der durch die anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht." Dies
und damals auch die fast einhellige Literaturmeinung gegen sich hatte, ist soll freilich dann nicht gelten, wenn der Angeklagte die vorangegangene Ver-
inzwischen zur herrschenden Ansicht aufgestiegen147 und hat den B G H zwar gewaltigung „als eigene gewollt und als Nötigungsmittel angesehen hat, das
nicht zu einer Aufgabe,148 wohl aber zu einer einschränkenden Präzisierung auch die von ihm beabsichtigte Ausführung des Beischlafs ermöglichen
seiner Auffassung veranlaßt. sollte". Aber dann hätte ein gemeinsamer Tatentschluß die verschiedenen Ver-
Der Senat meint nun vorsichtig: „Ob Kenntnis und Billigung und mittäter- gewaltigungen zu einem einheitlichen Tatgeschehen zusammenschließen müs-
schaftliches Eingreifen dazu führen, daß dem Eingreifenden auch bereits ver- sen, an dem dann auch der Angeklagte im Ausführungsstadium wesentlichen
wirklichte Tatumstände zuzurechnen sind, ist umstritten ... Eine solche Anteil gehabt hätte. Da der festgestellte Sachverhalt eine solche Interpretation
Zurechnung ist jedenfalls nur dann möglich, wenn der Hinzutretende selbst wohl nicht ermöglicht, ist es richtig, wenn der BGH für die Strafbarkeit des
einen für die Tatbestandsverwirklichung ursächlichen Beitrag ... leistet. Kann Angeklagten auf § 179 StGB verweist. Nach der Neufassung des § 177 StGB
der Hinzutretende die weitere Tatausführung dagegen gar nicht mehr för- durch das 33. StAG würde heute freilich eine selbständige Täterschaft nach
dern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht kommen.
getan ist und weil das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des tat-
bestandsmäßigen Geschehens ohne Einfluß bleibt, kommt mittäterschaftliche 22. Ein ähnlicher, aber im entscheidenden Punkt vielleicht anders gelager-
Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen ande- ter Fall liegt auch einem Urteil des 3. Senats vom 10.10.1984 zugrunde. 152
ren geschaffenen Lage nicht in Betracht ..." 149 Hier hatte Y. eine Frau K. verprügelt, um sie zum Geschlechtsverkehr mit
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn eine Mittäterschaft ohne dem Angeklagten zu veranlassen. Unter dem Eindruck der vorangegangenen
jeden Tatbeitrag ist nicht denkbar; ihre Begründung durch einen nachträg- Gewalt hatte sich Frau K. dann auch dem Angeklagten nicht widersetzt,
lichen „Täterwillen" liefe auf einen reinen dolus subsequens hinaus. Man obwohl „ihr eigentlicher Wille einem Geschlechtsverkehr mit ihm nach wie
wird freilich weitergehen und auch eine nachträgliche „Förderung" nicht vor entgegenstand". Unklar blieb, ob der Angeklagte sich bei Ausübung des
genügen lassen dürfen. Wenn Mittäterschaft Mitherrschaft ist, muß der Mit- Geschlechtsverkehrs bewußt war, daß Frau K. diesen nur unter dem Ein-
täter die Herbeiführung eines erschwerenden Umstandes, der ihm zugerech- druck der vorangegangenen Gewalt duldete.
net werden soll, im Stadium seiner Verwirklichung mitbeherrscht haben. Der BGH will unter zwei Voraussetzungen eine mittäterschaftliche Ver-
gewaltigung bejahen: „Hat der Angekl. T. entweder die von Y. ausgeübte
Gewalt zumindest psychisch unterstützt oder hat er sie später im Bewußtsein
145
NStZ 1984,548. ihrer Bedeutung für die Gewährung des Geschlechtsverkehrs durch Frau K.
146
BGHSt 2, 344 (oben S. 290); G A 1966, 210; M D R 1969, 533; JZ 1981, 596.
147
Vgl. die Nachweise S. 737, Anm. 740.
148
Dagegen hat das O L G Frankfurt, N J W 1969, 1915, sich der hier vertretenen Auffassung
angeschlossen. NStZ 1985, 70 m. A n m . O t t o , JK, StGB § 25 II/2.
149
Der letzte Satz findet sich fast wörtlich auch im Leitsatz eines Beschlusses des 4. Senats Vgl. B G H , JZ 1981, 596, und den kritischen Aufsatz von Küper, JZ 1981, 568ff.
vom 8.11.1984, der in NStZ 1985, 215 ohne Begründung abgedruckt ist. N S t Z 1985, 71 m. Anm. O t t o , JK, StGB, § 25 II/2.
594 595

ausgenutzt, dann genügt die vorangegangene vom Angekl. Y. ausgeübte durch Bevorzugung dieses oder jenes Kriteriums Täterschaft oder Teilnahme
Gewalt zur Erfüllung des §177 StGB auch durch ihn, da sie der Herbei- annehmen will. Das bestätigt der Schlußsatz des Urteils, in dem es lakonisch
führung des Geschlechtsverkehrs dienen sollte und dann tatsächlich auch heißt: „Die Feststellungen der StrK ließen die Wertung zu, der Angekl. ...
gedient hat ..." habe sich lediglich als Gehilfe beteiligt, mag auch eine andere tatrichterliche
Richtigerweise wird man zwischen den beiden Fällen unterscheiden müs- Beurteilung möglich gewesen sein." Die Abgrenzung von Täterschaft und
sen. Wenn das Gesamtgeschehen zwischen dem Angeklagten und dem Y. von Teilnahme wird hier also nicht als Rechtsfrage, sondern als richterliche
vornherein verabredet war (sei es selbst in Form eines stillschweigenden Ein- Ermessungsentscheidung behandelt.
verständnisses über den Tatplan), so wären beide Mittäter. Es läge dann der
klassische Fall einer Arbeitsteilung im Ausführungsstadium vor (der eine 24. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme durch Unterlassen
hätte die Gewalt, der andere den Beischlaf ausgeübt). Wenn dagegen der war das Problem eines Urteils des 3. Strafsenats vom 23.10.1985. 154 Der
Angeklagte erst nach der Gewaltausübung durch Y die Situation erkannt und Angeklagte hatte mit einem gewissen F. einen Rentner ohne Tötungsvorsatz
ausgenutzt hätte, so könnte - entgegen dem BGH - von einer mittäterschaft- schwer mißhandelt. Er hatte dann von dem Opfer abgelassen, während F. mit
lichen Gewaltausübung nicht mehr die Rede sein; nach der neuesten Geset- den Mißhandlungen fortfuhr. Der Angeklagte hatte dem „lachend" zuge-
zesfassung wäre freilich § 177 I Nr. 3 StGB in Betracht zu ziehen. sehen, ihm schließlich aber zugerufen, „er solle aufhören". Gleichwohl hatte
er dann „untätig" zugesehen, wie F. einen 9,3 kg schweren „Eisenpolier" auf
23. Ein Urteil des 1. Strafsenats vom 6.11.1984 l53 behandelt die Abgren- den Kopf des Rentners fallen ließ, der dessen Tod herbeiführte. Er hatte den
zung von Mittäterschaft und Beihilfe beim Raub. Die grundsätzlichen Aus- bedingten Tötungsvorsatz des F. erkannt und nichts unternommen, obwohl
führungen des Urteils bringen nichts Neues. Es wird betont, daß auch „eine er wußte, daß es ihm möglich war, die Tat zu verhindern.
Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung" Mittäterschaft begründe, Der B G H leitet - was hier nicht problematisiert werden soll - eine
wenn der Handelnde „die Tat als eigene wollte". Dieser Täterwille soll „in „Garantenpflicht zur Erfolgsabwendung" beim Angeklagten aus „der ge-
wertender Betrachtung" unter Würdigung aller wesentlichen „Anhalts- meinsamen vorausgegangenen Mißhandlung" her. Zum ersten Mal seit
punkte" (Interesse, Umfang der Tatbeteiligung, Tatherrschaft oder Tatherr- 1966155 wendet sich der B G H dann wieder der Problematik von Täterschaft
schaftswille) ermittelt werden. und Teilnahme bei Unterlassungen zu. Die Chance einer vertieften Behand-
Auffallend ist aber das Ergebnis der „wertenden Betrachtung" im konkre- lung der sehr schwierigen und umstrittenen Frage 156 wird aber nicht genutzt.
ten Fall. Der BGH bestätigt nämlich die Verurteilung des Angeklagten als Vielmehr stellt der B G H ohne Auseinandersetzung mit dem kontroversen
eines bloßen Gehilfen, obwohl er im Ausführungsstadium sehr wesentliche Meinungsstand allein darauf ab, „ob das Nichteinschreiten vom Gehilfen-
Tatbeiträge erbracht hatte: „Er stellte sein Fahrzeug zur Verfügung und fun- oder Tätervorsatz getragen war ... Abgrenzungskriterium ist weder die
gierte auch als Fahrer; er postierte sich am Tatort und übernahm dort die Rechtspflichtverletzung zur Erfolgsabwendung noch die Billigung der durch
Aufgabe, am Pkw des Geldboten den Zündschlüssel abzuziehen und diesen den anderen vollzogenen Tötung; denn beides ist auch für die Annahme einer
einzustecken sowie dessen Begleiterin mit der Gaspistole in Schach zu halten; Beihilfe durch Unterlassen erforderlich ... Vielmehr entscheidet die innere
schließlich schoß er aus dieser Pistole eine Tränengaspatrone auf den Beraub- Haltung des Unterlassenden zu der Begehungstat des anderen und zu dem
ten ab, um diesen von der weiteren Verfolgung abzuhalten." Auch wenn der Taterfolg darüber, ob das pflichtwidrige Untätigbleiben als Beihilfe oder
Komplize noch bedeutendere Beiträge geleistet (nämlich dem Leiter des Täterschaft zu werten ist (BGH NJW 1966, 1763 ...)." Ohne weitere Begrün-
Supermarktes die Geldtasche weggenommen und auf ihn geschossen) hatte, dung schließt sich der B G H dann der „Bewertung" des LG an, es habe eine
leugnet der BGH nicht die Mitherrschaft des Angeklagten bei der Aus- „Täterschaft durch Unterlassen" vorgelegen.
führung, indem er betont, daß ohne ihn „die Tat nicht oder doch nicht so Das entspricht im Ergebnis der hier vertretenen Meinung, die die Unter-
hätte begangen werden können". Die Gehilfenschaft wird vielmehr darauf lassungsdelikte als Pflichtdelikte ansieht und die Täterschaft beim Fehlen
gestützt, daß der Angeklagte sich nur „auf nachhaltiges Drängen" seines sonstiger Tatbestandsvoraussetzungen allein aus der Erfolgsabwendungs-
Komplizen und ohne „starkes Interesse" zur Mitwirkung bereitgefunden pflicht herleitet (vgl. S. 499 ff. und zu BGH, NJW 1966, 1763, oben S. 572 ff.).
habe. Aber diese Auffassung lehnt der B G H gerade ab. Auch die sonst gern heran-
Hier wird also - anders als in manchen anderen Urteilen - das „Interesse" gezogene „wertende" Kombination verschiedener Umstände hilft hier nicht
als Kriterium zur Bestimmung der Täterschaft der „Tatherrschaft" deutlich
vorgezogen. Daran zeigt sich erneut die Unbestimmtheit der normativen
154
Kombinationstheorie, die es mehr oder weniger dem Richter überläßt, ob er StrV 1986, 59 m. Anm. Arzt, StrV 1986, 337.
155
O b e n Nr. 4, S. 572 ff.; die Entscheidung im Fall Wittig (oben Nr. 19., S. 589 ff.) kann für die
Problematik nur bedingt in Anspruch genommen werden, weil dort die Sonderfragen der
Suizidteilnahme und der Garantenpflicht im Vordergrund standen.
153 156
NStZ 1985, 165. Vgl. ausführlich oben S. 458 ff., 489ff. und unten S. 750 ff.
596 597

weiter, weil für deren objektive „Anhaltspunkte" wie „Tatherrschaft" und meint vielmehr, eine Täterschaft und damit die mittelbare Täterschaft der
„Umfang der Tatbeteiligung" von vornherein kein Raum ist, wenn jemand in Angeklagten unabhängig von der Irrtumserregung daraus begründen zu kön-
vollkommener Untätigkeit verharrt. So bleibt nur der Rückzug auf das radi- nen, daß sie „zugleich auch die Herrschaft über den von ihr geplanten
kal subjektive Kriterium der „inneren Haltung". Geschehensablauf fest in der Hand behalten wollte und behalten hat". Sie
Aber daß dies keine Lösung ist, zeigt gerade auch unser Fall. Denn wie die habe „den lang anhaltenden deprimierten Zustand ihres Ehemannes" ausge-
täterschaftsbegründende „innere Haltung", für die eine Billigung noch nicht nutzt, das Gift gemischt, ihren Plan innerhalb weniger Stunden „zügig"
einmal genügen soll, beschaffen sein muß und festgestellt werden kann, bleibt durchgesetzt, ihn nicht mehr „zum ruhigen Überdenken ihres Vorschlages"
völlig im dunkeln. 157 Eher verwundert es, daß die „innere Haltung" des kommen lassen, die Ausführung in allen Einzelheiten bestimmt und ihrem
Angeklagten im Sinne einer Täterschaft gewürdigt wird. Denn soweit sein Mann auch noch „einen letzten Geschlechtsverkehr" versprochen.
„Lachen" eine Billigung des Verhaltens von F. darstellt, soll diese nach der Alle diese Umstände können aber eine Tatherrschaft der Angeklagten nicht
ausdrücklichen Feststellung des B G H nicht ausreichen. Es könnte also nur begründen. Eine Tatherrschaft, die ohne weiteres eine Bestrafung wegen mit-
ein im Lachen zum Ausdruck gekommener überschießender Gesinnungs- telbarer Täterschaft tragen würde, läge allerdings dann vor, wenn der Ehe-
unwert den Ausschlag gegeben haben. Aber das wäre äußerst bedenklich, mann unter einer seine Verantwortlichkeit für den Suizid ausschließenden
weil die Täterschaft eine Frage des Tatbestandes, die Gesinnung aber gemäß endogenen Depression gelitten hätte. Nach der Sachverhaltsschilderung liegt
§ 46 Abs. 2 StGB nur ein strafzumessungsrelevanter Umstand ist. Außerdem eine solche Möglichkeit nicht ganz fern; es ist daher ein wenig verwunderlich,
bliebe dabei ganz unberücksichtigt, daß das „Lachen" sich nur auf die vorher- daß diese Frage offenbar nicht tiefergehend untersucht worden ist. Nimmt
gehende Körperverletzung, nicht auf die Tötungshandlung, bezog und daß man aber, wie es das Urteil ersichtlich tut, einmal an, daß der „deprimierte
dazwischen die Aufforderung des Angeklagten zum „Aufhören" lag. Die Zustand" des Ehemannes seine Verantwortlichkeit nicht aufhob, so reichen
Anwendung der ohnehin verfehlten subjektiven Theorie auf Unterlassungen die übrigen Umstände dafür erst recht nicht aus. Mag die Angeklagte noch so
führt also zu Gefühlsentscheidungen, die nach objektiven Maßstäben nicht energisch und „zügig" vorgegangen sein, können die von ihr eingesetzten
mehr überprüfbar sind. Wie gesagt: Nicht das Ergebnis ist verfehlt (im Mittel doch nicht einmal eine schlichte Nötigung begründen, geschweige
Gegenteil!), aber die Begründung trägt nicht. Es wäre an der Zeit, die subjek- denn seine Verantwortlichkeit für seine Entschließungen aufheben.
tive Theorie gerade auch bei Unterlassungen zu verabschieden. Eine Tatherrschaft der Angeklagten könnte sich also nur aus ihrer Täu-
schung ergeben. Nach der in diesem Buch (oben S. 225-230) näher begründe-
25. Einen vom Sachverhalt her hochinteressanten Fall eines vorgetäuschten ten Auffassung liegt bei der Vorspiegelung eines Doppelselbstmordes eine
Doppelselbstmordes behandelt ein Urteil des 5. Strafsenats vom 3.12.1985. 158 Täuschung über den „konkreten Handlungssinn" („Tatherrschaft vierter
Die Angeklagte, die ein ehebrecherisches Verhältnis unterhielt, entledigte sich Stufe") vor, die zur mittelbaren Täterschaft führt. Der Ehemann ist um den
ihres Ehemannes, indem sie ein Gift mischte und ihm einen gemeinsamen subjektiven Sinn seines Todes (das gemeinsame Sterben mit der Ehefrau)
Selbstmord vorschlug. Dabei war sie von vornherein entschlossen, von dem betrogen worden; es handelt sich beim Selbstmord um einen existentiellen
Gift nicht zu trinken. Der Ehemann stimmte dem Vorschlag des Doppel- Akt, der seinen Sinn allein aus der individuellen Motivation des Handelnden
selbstmordes mit der Bemerkung zu, „dann bleiben wir für immer zusam- erhält. Was für Irrtümer bei Deliktsbegehungen gilt (daß sich nämlich der
men". Die Angeklagte fuhr ihren Mann dann abends gegen 22.00 Uhr nach Tatmittler über deliktsrelevante Umstände geirrt haben muß), läßt sich nach
einem menschenleeren Großparkplatz. Der Mann nahm einen kräftigen - dieser Lehre auf tatbestandslose Handlungen wie den Suizid nicht übertra-
bereits tödlichen - Schluck der giftigen Mischung. Als er daraufhin der Ange- gen, so daß hier eine täuschungsbedingte mittelbare Täterschaft eher anzu-
klagten die Flasche reichte, schüttelte sie heftig mit dem Kopf. Der Ehemann nehmen ist als bei der Verleitung zu Straftaten. Diese Konzeption ist später
erkannte jetzt die Täuschung und nahm noch einen weiteren Schluck aus der vor allem von Neumann 1 5 9 aufgenommen und weiterentwickelt worden, der
Flasche. Er starb in derselben Nacht an dem Gift. ebenfalls die Täuschung über selbstmordrelevante Umstände den Wertungen
Der heftig umstrittenen Frage, ob die Vortäuschung eines Doppelselbst- „eines partiell eigenständigen Regelsystems" unterwerfen und „die Täterver-
mordes eine mittelbare Täterschaft des Täuschenden begründet, ist der Senat antwortlichkeit des Hintermannes bei der Mitwirkung an einer Selbsttötung
leider ausgewichen. Er „läßt offen, ob eine derartige Irrtumserregung allein in weiterem Umfang" bejahen will „als bei der Mitwirkung an der Tötung
ausreicht, um die Täterschaft des arglistig Täuschenden zu begründen". Er eines Dritten" 160 .

157
Trotzdem meint Arzt, der zu den letzten Verteidigern der subjektiven Theorie gehört,
unverdrossen, die subjektive Teilnahmetheorie könne „ohne weiteres auf die Unterlas-
159
sungsdelikte übertragen werden" (StrV 1986, 338). Wie Anm. 158, S. 249ff. (251, 253).
158 160
GA 1986, 508f. Dazu Charalambakis, G A 1986, 485-507; Brandts/Schlehofer, JZ 1987, Ähnlich auch M.-K. Meyer, Autonomie, 1984, 227ff.; im Ergebnis auch Brandts/Schle-
442-448; Neumann, JA 1987, 244-256. hofer, wie Anm. 158; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 40f.
598 599

Von dieser weitgehenden Annahme mittelbarer Täterschaft bei täuschungs- Selbstmordentschluß des Mannes vermutlich wichtiger als der Tod seiner
bedingtem Suizid bin ich inzwischen abgerückt. 161 Denn es ist auch beim Frau. Dafür könnte auch sprechen, daß er nach der Entdeckung seines Irr-
Selbstmord nicht angemessen, die Hervorrufung jeglichen motivationsrele- tums nicht eine sofortige Einlieferung ins Krankenhaus verlangte, sondern
vanten Irrtums als mittelbare Täterschaft zu beurteilen. Wenn jemand einen einen zweiten Schluck zu sich nahm, der seinen Tod endgültig besiegeln
anderen durch die erfundene Mitteilung über eine entscheidende Niederlage sollte.
seines Fußballclubs, 162 über eine angeblich ungünstige Entwicklung der wirt- Es hat also einen guten Grund, wenn der BGH sich nicht ohne weiteres zu
schaftlichen und politischen Verhältnisse o.a. oder durch die Behauptung, daß der Ansicht bekennen mochte, daß „eine derartige Irrtumserregung allein
die Lebensversicherung auch in Suizid-Fällen ausgezahlt werde, 163 zu einem ausreicht, um die Täterschaft des arglistig Täuschenden zu begründen".
Selbstmord veranlaßt, ändert ein solcher Irrtum nichts an der freien Entschei- Andererseits ist es auch verständlich, wenn der B G H auf andere - allerdings
dung des Opfers für den Suizid, auf die es doch für die Tatherrschaft des Hin- nicht überzeugende Weise - versucht hat, eine Täterschaft des Hintermannes
termannes allein ankommen kann. Es ist auch bisher kein überzeugendes zu begründen. Denn es läßt sich schwerlich bestreiten, daß das Verhalten der
Kriterium gefunden worden, um in den Selbstmordfällen unbeachtliche Frau Strafe verdient (und zwar nicht einmal nur wegen der besonders
Motivirrtümer von den eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes be- abscheulichen Begleitumstände der Tat). Nur die Schaffung eines Sondertat-
gründenden Irrtümern über den konkreten Handlungssinn abzugrenzen. So bestandes, der die Mitwirkung am Selbstmord aus selbstsüchtigen Beweg-
muß z. B. auch Neumann 164 einräumen, daß die Entscheidung davon abhänge, gründen unter Strafe stellt (vgl. oben Nr. 16, S. 588), würde hier jedoch eine
„welches Gewicht man den einzelnen Faktoren zuerkennt; allgemeingültige Lösung bieten, die dogmatisch und kriminalpolitisch gleichermaßen befriedi-
Regeln dafür lassen sich ... nicht formulieren". Angesichts dieser Unklarheit gend wäre.
und Unabgrenzbarkeit neige ich heute mehr der Meinung zu, daß eine mittel-
bare Täterschaft erst dann vorliegt, wenn der Irrtum des Suizidenten sich auf 26. Die Abgrenzung von Mittäterschaft und Anstiftung beim Diebstahl
das Rechtsgut seines Lebens bezieht, wie es in der Sirius-Entscheidung (oben behandelt ein Urteil des 1. Strafsenats vom 20.5.1986. 167 Der Angeklagte war
Nr. 16, S. 585 ff.) der Fall war.165 Diese Ansicht ist in Auseinandersetzung mit Mitglied eines Münzvereins und wollte in den Besitz der Sammlung eines
dem vorliegenden Urteil von Charalambakis 166 näher entwickelt worden. Sie Kollegen kommen. Zu diesem Zweck veranlaßte er den Mitangeklagten (hier
führt im vorliegenden Fall zur Annahme einer bloßen Anstiftung und Beihilfe X genannt), beim Opfer einzubrechen; auch eine etwa notwendige Gewalt-
zum Selbstmord. anwendung gegen dessen Ehefrau war in seinen Tatplan einbezogen. Er stellte
Für diese Lösung spricht auch, daß in Fällen, wo der Irrtum des „Suiziden- dem X für die „Lieferung der Münzsammlung", die etwa 20000 DM wert
ten" sich nicht auf seinen eigenen Tod (oder allenfalls noch auf seine krank- war, eine Zahlung von 8000-10000 DM in Aussicht. Außerdem informierte
heitsbedingte Todesnähe), sondern auf irgendwelche anderen Umstände er den X eingehend über die Räumlichkeiten im Hause des Opfers und über
bezieht, oft schwer feststellbar ist, in welchem Maße die Täuschung über- die Zeitpunkte, in denen der Eigentümer abwesend zu sein pflegte.
haupt motivationsrelevant war. Das gilt gerade für den Doppelselbstmord. Im Der BGH lehnt eine Mittäterschaft des Angeklagten beim Raube ab. Die-
berühmtesten Fall dieser Art, dem Selbstmord Kleists, war der Dichter ser sei zwar „weit über die bloße Anstiftung hinausgegangen, indem er sich
ohnehin aus Gründen zum Suizid entschlossen, die vom Tode seiner Part- nachhaltig an der Planung des Einbruchs beteiligte. Es kann auch nicht über-
nerin unabhängig waren. Auch eine Täuschung durch sie hätte am Sinn seines sehen werden, daß er ein erhebliches eigenes Interesse an der Tat hatte. Das
Selbstmordes nichts ändern können. Und auch in dem vom BGH entschiede- allein macht ihn jedoch nicht zum Mittäter." Die Ablehnung der Mittäter-
nen Fall ist sehr fraglich, ob der Vorschlag der Frau nicht mehr der momen- schaft wird dann nicht auf die fehlende Tatherrschaft, sondern auf die feh-
tane Anlaß als die eigentliche Ursache für den Selbstmord des Mannes war. lende Zueignungsabsicht des Angeklagten gestützt. „Mittäter beim Diebstahl
Der Umstand, daß die Frau sich einem anderen zugewandt hatte, war für den oder Raub kann nur sein, wer die Sache sich zueignen will. Dabei genügt es
zwar, daß der wirtschaftliche Wert der erlangten Beute auch ihm zufließen
soll ..., die Vereinbarung, nach der Tat die Beute ankaufen ... zu wollen,
161
L K " , 1993, § 25, Rn. 106; N S t Z 1984, 73. Vgl. dazu auch schon meine entsprechenden Aus- reicht dagegen nicht aus ... Der Hehler unterscheidet sich vom Mittäter beim
162
führungen zum „Sirius-Fall" (oben Nr. 16, S. 585 ff.). Diebstahl dadurch, daß er nicht unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg der
Beispiel von Charalambakis; wie Anm. 158, S. 502. Tat ... teilhat, sein Interesse vielmehr dahin geht, sich diesen Erfolg durch
163
Für mittelbare Täterschaft in diesem Fall M.-K. Meyer, Autonomie, 1984, 235.
164
Wie Anm. 158,254. eine freiwillige Verfügung des Täters zu verschaffen ..."
""5 Eine Rechtsgutsbezogenheit des Irrtums verlangen auch Brandts/Schlehofer, wie Anm. 158, Die Entscheidung verdient Beifall und entspricht der oben (S. 338-352)
nehmen aber an, daß diese im Falle des vorgetäuschten Doppelselbstmordes gegeben sei, entwickelten Konzeption über die Täterschaftsproblematik bei Zueignungs-
weil das Opfer „unter sozialinadäquaten Entscheidungsdruck" gesetzt werde. Aber ein
bloßer Vorschlag begründet keinen besonderen „Entscheidungsdruck" und auch keine
Rechtsgutsbezogenheit des suizidauslösenden Irrtums.
166 167
Wie Anm. 158. StrV 1986, 475 f.
600 601

delikten. Im vorliegenden Fall lag die Tatherrschaft (nämlich die Ausführung) Die Entscheidung ist als Absage an die extrem subjektive Theorie uneinge-
eindeutig bei X, mag auch der Angeklagte bei der Vorbereitung noch so schränkt zu begrüßen. Der Hinweis auf „extreme Ausnahmefälle", in denen
intensiv mitgewirkt haben. Diese Tatherrschaft begründet nach der hier ver- es vielleicht anders liegen könne, ist kaum geeignet, die Eindeutigkeit zu rela-
tretenen Auffassung ohne weiteres die Zueignungsabsicht. Dem müßte auf tivieren, mit der sich der B G H hier zur täterschaftsbegründenden Kraft der
der Grundlage des vorliegenden Urteils eigentlich auch der BGH zustimmen. Eigenhändigkeit bekennt. Denn welche Fälle dies sein könnten, wird nicht
Denn wenn jemand bei der Ausführung die Tatherrschaft innehat, ist die Wei- gesagt. Indem das Urteil sich unmittelbar auf BGHSt 8, 393 bezieht und auf
tergabe der Beute an einen Auftraggeber immer eine „freiwillige Verfügung" den „Staschynskij-Fall" wie die nachfolgende Entwicklung nicht Bezug
des Ausführenden, in der seine angemaßte Eigentümerstellung und damit nimmt, läßt es erkennen, daß es jedenfalls in BGHSt 18, 87; MDR 1974, 547
seine Zueignungsabsicht manifest wird. Es liegt in der Konsequenz dieses und ähnlichen Entscheidungen keine derartigen Ausnahmefälle sieht. Darin
Gedankenganges, daß dies auch dann gelten müßte, wenn der Ausführende liegt eine wesentliche Einschränkung der Interessentheorie und ein wichtiger
ohne eigenes wirtschaftliches Interesse die Tat nur aus Gefälligkeit für einen Schritt hin zur Tatherrschaftslehre.
Anstifter beginge; denn eine „freiwillige Verfügung" bliebe die Weitergabe
der Beute auch dann. Damit könnte die der Tatherrschaftslehre widerstrei- 28. Die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe betrifft ein Urteil des
tende Figur des „absichtslosen dolosen Werkzeuges" verabschiedet werden. 168 2. Strafsenats vom 6.2.1987. 171 Der Angeklagte und sein Komplize W. hatten
„einen Raubüberfall auf die Sozialstation in Frankfurt" geplant und waren
27. Ein Urteil des 3. Strafsenats vom 26.11.1986 169 beschäftigt sich seit davon ausgegangen, daß die erwartete Beute von mindestens 30000 DM
längerer Zeit erstmals wieder mit der grundsätzlichen Frage, ob die eigenhän- geteilt werden sollte. W sollte unter Benutzung einer Waffe das Geld an sich
dige Tatbestandserfüllung notwendig täterschaftsbegründend wirkt. 170 Die bringen, während der Angeklagte mit hineingehen und W absichern sollte.
mit der Tatherrschaftslehre sympathisierende Entscheidung BGHSt 8, 393 Wenige Meter vor dem Eingang verließ den Angeklagten jedoch der Mut, und
hatte in diese Richtung gedeutet (vgl. oben S. 96-98). Das Urteil im „Sta- er erklärte: „Ich kann nicht mit hoch, wir sollten es lassen." Daraufhin führte
schynskij-Fall" (BGHSt 18, 87) war davon wieder abgerückt (oben S. 563 ff.), W. die Tat alleine durch. Nach gelungener Tat schloß sich der Angeklagte dem
und nachfolgende Entscheidungen (vor allem das Urteil bei Dallinger, MDR W. wieder an. Beide fuhren gemeinsam mit einer Straßenbahn in die Innen-
1974, 547, oben S. 577) hatten sich noch weitergehend in diesem Punkt wie- stadt.
der zur extrem-subjektiven Theorie im Sinne des „Badewannen-Falles" Der BGH sah den Tatbeitrag des Angeklagten nur als den eines Gehilfen
(RGSt 74, 85) bekannt. Demgegenüber schlägt der 3. Senat wieder eine an. Der Angeklagte habe „auf der Grundlage gemeinsamen Wollens und in
wesentlich objektivere Linie ein. Es ging um einen Fall, in dem der Ange- der Erwartung, die Hälfte der Beute zu erhalten, vor Beginn des tatbestands-
klagte „als Steuerschuldner und nach außen in Erscheinung tretender Firmen- mäßigen Geschehens Tatbeiträge erbracht, die die Tatbestandsverwirklichung
inhaber ... die falschen Steuererklärungen und Arbeitnehmeranmeldungen förderten, nicht zurückgenommen wurden und bei der Tatausübung fort-
selbst unterzeichnet und damit in eigener Person die Tatbestände der Steuer- wirkten". Mit Recht habe aber die Vorinstanz „dem zur Tat drängenden
hinterziehung ... und des (vollendeten oder versuchten) Betrugs ... vollstän- Interesse des Angekl. an der Erlangung der Beute den Gesichtspunkt gegen-
dig erfüllt hat". Die Vorinstanz hatte ihn trotzdem nur wegen Beihilfe übergestellt, daß der Angekl. das O b und Wie des tatbestandsmäßigen
bestraft. Geschehens weder beherrscht noch beeinflußt" habe. Wenn das Tatgericht
Dagegen wendet sich der BGH. Er spricht von „einer im Schrifttum ver- „im Hinblick auf diesen sehr gewichtigen Umstand" bei seiner Abwägung zu
breiteten Auffassung", wonach die eigenhändige Tatbestandserfüllung immer dem Ergebnis gekommen sei, die Tatbeiträge des Angeklagten nur als die
die Täterschaft begründe. Der Senat lehnt diese Auffassung, obwohl der eines Gehilfen zu bewerten, so sei das nicht zu beanstanden.
BGH sie „so bisher nicht vertreten" habe, nicht ab, sondern läßt sie dahinge- Das Urteil ist ein begrüßenswerter Schritt hin zur Tatherrschaftslehre.
stellt. Denn auch wenn man „in extremen Ausnahmefällen" eine andere Beur- Denn es stützt die Ablehnung der Mittäterschaft ausschließlich darauf, daß
teilung zulasse, sei doch ein solcher Fall hier nicht gegeben. Der Senat ver- der Angeklagte im Ausführungsstadium keinen Tatbeitrag geleistet, die Aus-
weist dann auf BGHSt 8, 393, wo schon „vor der Einführung des §25 I StGB führung also nicht mitbeherrscht habe. Zwar fußt auch diese Entscheidung
1969 entschieden" worden sei, „daß grundsätzlich Täter ist, wer mit eigener auf der normativen Kombinationstheorie, derzufolge die bekannten „An-
Hand einen Menschen tötet, selbst wenn er es unter dem Einfluß und in haltspunkte" in „wertender Betrachtung" gegeneinander abzuwägen sind.
Gegenwart eines anderen nur in dessen Interesse tut ...". Aber indem die Mitbeherrschung der Ausführung als „sehr gewichtiger Um-
stand" bezeichnet und dem Interessenkriterium übergeordnet wird, gewinnt
die Tatherrschaft doch ausschlaggebende Bedeutung.
168
Vgl. zum jüngsten Streitstand unten S. 718 f.
169
NStZl987,224f. 171
170
Vgl. dazu schon oben S. 546 ff. NStZ 1987,364.
602 603

29. Der bedeutsame und wunderliche Fall, über den nachstehend zu dele und daß weder der Gesetzeswortlaut noch die systematische Stellung der
berichten ist, wird als „Katzenkönigs-Fall" in die Rechtsgeschichte eingehen. mittelbaren Täterschaft eine der konkurrierenden Lösungen zwingend ge-
Es handelt sich um ein Urteil des 4. Strafsenats vom 15.9.1988, 172 das einen biete (a. a. O., 353). Dann aber folgt die entscheidende Wendung, indem der
singulären Sachverhalt behandelt und für die Abgrenzung von mittelbarer BGH in Übereinstimmung mit der in diesem Buch vertretenen Lehre
Täterschaft und Anstiftung als bahnbrechend bezeichnet werden muß. die Übertragung des von mir für die Nötigungsfälle entwickelten und
Der Angeklagte R. lebte mit den Angeklagten H. und P. in einem von dort inzwischen weitgehend anerkannten „Verantwortungsprinzips" (oben
„Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben" geprägten „neurotischen S. 147ff.) auf die Irrtumsfälle ablehnt: „§25 Abs. 1 StGB erfordert jedenfalls
Beziehungsgeflecht" zusammen. Der H. gelang es im Zusammenwirken mit nicht ein derart enges Verständnis des Begriffs der mittelbaren Täterschaft,
R, dem R. die Existenz des „Katzenkönigs" vorzuspiegeln, der „seit Jahrtau- wie es aus dem Verantwortungsprinzip hergeleitet wird" (a. a. O., 353). Zur
senden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe". Die H . beschloß schließ- Unterstützung dieser Auffassung zieht der B G H den Parallelfall der mittel-
lich, die Frau (N.) ihres früheren Freundes aus Haß und Eifersucht umzu- baren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate (dazu oben S. 242 ff.)
bringen; zur Ausführung wollte sie sich des R. unter Ausnützung seines heran, der meist auch von denen anerkannt werde, die beim vermeidbaren
Aberglaubens bedienen. Sie spiegelte dem R. vor, der Katzenkönig verlange Verbotsirrtum des Ausführenden die Möglichkeit einer mittelbaren Täter-
ein Menschenopfer in Gestalt der Frau N . Wenn er die Frau N . nicht binnen schaft unter Berufung auf das Verantwortungsprinzip ablehnten. „Daß mit
kurzem töte, würden Millionen von Menschen vom Katzenkönig vernichtet. Hilfe des Verantwortungsprinzips allein nicht stets eine scharfe Grenzzie-
Der R., der keinen Mord begehen wollte, suchte vergeblich nach einem Aus- hung möglich ist, wird von Vertretern dieser Lehre selbst eingeräumt, indem
weg. H. und P. erklärten ihm, daß das Tötungsverbot für sie nicht gelte, „da sie für die Fälle des durch einen Machtapparat organisierten Verbrechens
es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten". Den R. ohne Rücksicht auf die volle rechtliche Verantwortbarkeit des Handelnden
plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die „Gefahr für Millionen Menschen eine /Täterschaft hinter dem Täter' anerkennen ..." (a. a. O., 353).
ab", die er „durch das Opfern von Frau N . retten könne" und entschloß sich Der Auffassung, daß die Tatherrschaft ohne Rücksicht auf die realen
zur Tat, die im Versuchsstadium scheiterte. Dominanzverhältnisse allein auf Grund der - verminderten - Verantwortlich-
Der BGH nahm an, R. habe einen versuchten Mord begangen. Obwohl er keit des Ausführenden abgelehnt werden könne, wird dann eine klare Absage
in „Wahngewißheiten" gelebt habe, sei er nicht unzurechnungsfähig gewesen. erteilt: „Ein wertender Vergleich der Fälle des unvermeidbaren Verbotsirr-
Mit Recht habe das Tatgericht seine Wahnideen nur „durch Anwendung des tums - hier ist unbestritten mittelbare Täterschaft möglich - mit denen des
§21 StGB berücksichtigt". Auch ein Irrtum über die Voraussetzungen der vermeidbaren Verbotsirrtums zeigt, daß allein die Vermeidbarkeit des Irrtums
Notwehr, des rechtfertigenden, des entschuldigenden Notstandes (§35 StGB) kein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Auch dem in einem solchen Irrtum
oder eines übergesetzlichen entschuldigenden Notstandes liege nicht vor. handelnden Täter fehlt zur Tatzeit die Unrechtseinsicht. Daß er Kenntnisse
Vielmehr habe der R. in vermeidbarem Verbotsirrtum (§ 17 StGB) gehandelt, hätte haben können, die er im konkreten Fall nicht hatte, braucht an der Tat-
indem er den in seinen Augen bestehenden Interessenkonflikt „fehlerhaft herrschaft des die Erlaubtheit vorspiegelnden Hintermannes nichts zu
abgewogen" habe und dadurch zu dem Ergebnis gekommen sei, eine Tötung ändern" (a. a. O., 353). Ein Vergleich dieses Zitates mit meinen eigenen Aus-
der Frau N . sei gerechtfertigt. Diese Annahmen des B G H - die Strafbarkeit führungen 174 zeigt die völlige Übereinstimmung: „Der Bewußtseinszustand
des R. wegen versuchten Mordes und sein Handeln in vermeidbarem Ver- des Tatmittlers ist ceteris paribus bei vermeidbarem und unvermeidbarem
botsirrtum - seien im folgenden zugrunde gelegt; sie sind die Prämissen, auf Verbotsirrtum derselbe; infolgedessen ändert sich am Einfluß des Hinter-
denen die hier in erster Linie interessierenden Ausführungen des B G H über mannes (d.h. an seiner Herrschaftsausübung) nicht das geringste dadurch,
eine mittelbare Täterschaft von H. und P. aufbauen. daß der Ausführende Kenntnisse hätte haben können, die er actualiter nicht
Der B G H stellt sofort die entscheidende Frage, „ob der Hintermann eines hatte."
schuldhaft handelnden Täters mittelbarer Täter sein kann" (a.a.O., 351). Der Senat zieht - auch insoweit ganz ähnlich, wie es in diesem Buch ge-
Nach der Feststellung, daß diese Frage „höchstrichterlich noch nicht ent- schieht - aus seinen Überlegungen nicht die Konsequenz, daß jeder Verbots-
schieden" sei, wird der wissenschaftliche Meinungsstand 173 sorgfältig darge- irrtum des Ausführenden eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes
stellt mit dem Ergebnis, daß es sich um ein „offenes Wertungsproblem" han- begründe: „Die Abgrenzung hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des
Irrtums und der Intensität der Einwirkung des Hintermannes ab ... Mittel-
barer Täter ... ist jedenfalls derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewußt her-
B G H S t 35, 347ff., vgl. dazu Schaffstein, N S t Z 1989, 153-158; Küper, J Z 1989, 617-628, vorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, so daß der
935-949; Herzberg, Jura 1990, 16-26; Schumann, NStZ 1990, 32. Zu der Entscheidung vgl. Irrende bei wertender Betrachtung als ein - wenn auch (noch) schuldhaft
außerdem meinen Kommentar in Roxin, HRR.-AT, 1998, 205, zu Fall Nr. 81, sowie in
Roxin, AT/2, 2003, § 25, Rn. 76ff.
Vgl. oben S. 193-205, unten S. 697ff., sowie meinen Beitrag in der Lange-Festschrift, 1976,
178-183. 174
Lange-Festschrift, 1976, 179.
604 605
handelndes - Werkzeug anzusehen ist" (a.a.O., 354). Ein solcher Fall der das geringe Gehalt und die fehlende Gewinnbeteiligung an. Aber bemerkens-
mittelbaren Täterschaft liege hier vor. Wie nach der „Art und Tragweite des wert ist doch, daß der entscheidende Begründungsansatz auf den Mangel an
Irrtums" und der „Intensität der Einwirkung" in anderen Fällen differenziert Tatherrschaft abstellt, der wiederum daraus abgeleitet wird, daß der Ange-
werden könnte, führt der Senat nicht näher aus. Doch könnten die Andeu- klagte „zum tatbestandlichen Handeln ... unmittelbar keinen Beitrag ge-
tungen des BGH einen Anknüpfungspunkt für die in diesem Buch getroffene leistet" habe. Es wird also der Tatherrschaft zentrale Bedeutung beigemessen,
Unterscheidung bilden, wonach es darauf ankommt, ob der Ausführende und es wird in Abweichung von der sonstigen Linie der Rechtsprechung auch
über das materielle Unrecht seines Verhaltens (die Sozialschädlichkeit seines richtig gesehen, daß die Mitwirkung an Vorbereitungshandlungen keine Tat-
Tuns) oder nur über das formelle Verbot irrt. Kennt er das materielle Unrecht herrschaft begründet.
seines Handelns, so ist sein Irrtum nur von geringer „Tragweite" und wird
aus diesem Grunde auch seine Schuld kaum mindern. Der Einfluß des 31. In einem Beschluß des 3. Strafsenats vom 6.10.1989 176 geht es um die
Hintermannes ist in einem solchen Falle von weit schwächerer „Intensität", Frage der Mittäterschaft bei Steuerhinterziehungen. Der Angeklagte hatte
als wenn der Ausführende seine Tat für vollkommen angemessen oder gar unzutreffende Umsatz- und Lohnsteuervoranmeldungen unterschrieben, die
verdienstvoll hält. Es liegt also nahe, hier eine mittelbare Täterschaft abzuleh- der Betriebsinhaber, wie er wußte, später dazu benutzte, in seinen Einkom-
nen. Im Katzenkönigs-Fall dagegen glaubte der Ausführende - wenn auch mensteuererklärungen seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu niedrig anzu-
auf Grund wahnhafter Vorstellungen - der Menschheit einen Dienst zu tun. setzen. Die Vorinstanz hatte ihn als Mittäter einer Steuerhinterziehung verur-
Wenn der B G H die Herbeiführung eines solchen Irrtums für tatherrschafts- teilt.
begründend hält, verdient das uneingeschränkten Beifall. Der BGH betont, daß die Steuerhinterziehung kein Sonderdelikt, eine Mit-
Eine Auseinandersetzung mit den teilweise abweichenden Meinungen der täterschaft zwischen Steuerpflichtigen und nicht Pflichtigen daher möglich
Literatur soll an anderer Stelle (unten S. 697 ff.) erfolgen. Hier bleibt festzu- sei. Er führt weiter aus, daß die allgemeinen Regeln der Abgrenzung von Mit-
halten, daß das in seiner Bedeutung kaum zu überschätzende Urteil nicht nur täterschaft und Beihilfe „auch für den Bereich der Steuerdelikte" gelten. Die
der Tatherrschaftslehre im Bereiche der mittelbaren Täterschaft zur endgülti- von der Vorinstanz angenommene Mittäterschaft hält er für nicht ausreichend
gen Durchsetzung verholfen, sondern auch das Problem des „Täters hinter begründet. „Eine maßgebliche Einflußnahme des Angeklagten auf die ... ein-
dem Täter", das selbst unter den Vertretern der Tatherrschaftslehre auf das kommenssteuerlichen Erklärungen des Steuerpflichtigen" ist ihm nicht ersicht-
heftigste umstritten ist, in wichtigen Teilbereichen einer dogmatisch fundier- lich. „Darüber hinausgehende Feststellungen, aus denen sich Rückschlüsse auf
ten Klärung zugeführt hat. eine Tatherrschaft des Angeklagten ziehen lassen könnten, sind dem Urteil
nicht zu entnehmen." Der BGH gibt dem Untergericht daher die Prüfung der
30. Ein Beschluß des 2. Strafsenats vom 16.6.1989 175 behandelt die Ab- Frage auf, ob nicht nur eine Beihilfe vorliegt.
grenzung von Mittäterschaft und Beihilfe in einem Fall, in dem der Angeklagte Das alles ist zutreffend. Auffallend ist hierbei - wie bei der Entscheidung
als Buchhalter bei einer Kapitalanlagegesellschaft tätig war, deren gesamter Nr. 30 -, daß die Begründung sich allein auf die fehlende Tatherrschaft des
Betrieb, wie er bald erkannte, auf den durch „Telefonverkäufe" bewirkten Angeklagten stützt. Das Interesse, das er daran hatte, sich das Wohlwollen
Betrug der Kunden abzielte. Der BGH beruft sich auf seine inzwischen in des Betriebsinhabers und eine Einnahmequelle zu erhalten, wird nicht als ein
stehenden Wendungen ständig wiederholte normative Kombinationstheorie für die Abgrenzung relevanter Gesichtspunkt angesehen. Die Entscheidung
(vgl: zuletzt etwa Nr. 23, S.594, Nr. 28, S.601), betont, daß der Angeklagte tendiert daher deutlich zur Tatherrschaftslehre.
an den betrügerisch erlangten Gewinnen nicht beteiligt werden, sondern
lediglich seinen gering bezahlten Arbeitsplatz nicht verlieren wollte und 32. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.12.1989 177 betrifft das Pro-
kommt dann auf seine Tatbeiträge zu sprechen. „Zum tatbestandlichen Han- blem einer Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft bei indirekten
deln der Telefonverkäufer hat er unmittelbar keinen Beitrag geleistet. Er hat Parteispenden. Die Quintessenz des gerade in strafrechtlicher Hinsicht aus-
deren Tätigkeit nur dadurch gefördert, daß er durch die Erfüllung seiner Auf- führlich begründeten, Literatur und Gesetzesmaterialien sorgfältig aus-
gaben als Buchhalter zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Firma wertenden Urteils ist die, „daß die Verantwortlichen der Staatsbürgerlichen
... beitrug. Das vermag auch die Annahme von Tatherrschaft oder den Willen Vereinigung den weiteren Geschehensablauf nach Hingabe der Spenden-
hierzu nicht zu begründen." bescheinigung und damit den Ablauf des Gesamtgeschehens nicht mehr im
Das Ergebnis - bloße Beihilfe - ist sicher richtig. Es hätte sich leicht allein Sinne der Tatherrschaftstheorie zur mittelbaren Täterschaft beherrschen
mit den Formeln der subjektiven Theorie (fehlendes Eigeninteresse, Willens-
unterordnung) begründen lassen; darauf spielen wohl auch die Hinweise auf
N S t Z 1990,80.
N J W 1990, 1253; allgemein zur Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft in Partei-
wistra 1989, 346. spendenfällen Wüllenkämper, wistra 1989, 46.
606 607

konnten". Wenngleich am Anfang der theoretischen Darlegungen noch die Fall einer psychischen Beihilfe, die selbst schon am Rande der Strafwürdig-
formelhafte Wendung auftritt: „Der mittelbare Täter muß ... mit Täterwillen keit liegt.179 Wieso ein solcher Beitrag hier zur Mittäterschaft führen soll,
handeln, d.h. die Tat als seine eigene wollen", stützt sich die nachfolgende bleibt unbegründet. Man kann sogar mit Sicherheit sagen, daß eine „konklu-
Begründung dann ausschließlich auf die Tatherrschaftslehre. Das bestätigt die dente Verabredung" als solche keine Mittäterschaft begründen kann, auch
auch sonst in der Rechtsprechung immer deutlicher hervortretende Tendenz, wenn man davon ausgeht, daß andere vorbereitende Akte dies können. Denn
die mittelbare Täterschaft allein aus der Tatherrschaft abzuleiten. eine derartige „Verabredung" ist nichts anderes als der „gemeinsame Tatent-
schluß", zu dem unbestrittenermaßen bei jeder Mittäterschaft eine „gemein-
33. Dagegen bedeutet ein Urteil des 5. Strafsenats vom 15.1.1991 178 in der schaftliche Ausführung" hinzukommen muß. Wenn man, wie es das Urteil
Frage der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe der Sache nach, wenn tut, die „gemeinschaftliche Ausführung" schon in der „Verabredung" sieht,
auch nicht terminologisch, eine weitgehende Rückkehr zur älteren subjekti- bedeutet das in Wirklichkeit einen Verzicht auf die gemeinschaftliche Aus-
ven Theorie. Nach dem Sachverhalt war der aus der Strafhaft entwichene führung. Das ist eine unhaltbare Annahme.
Angeklagte von dem aus dem gleichen Grunde von der Polizei gesuchten D Es ist deshalb verständlich, daß das Urteil im folgenden die Tatherrschaft
aufgenommen sowie mit 20000 DM und einem Revolver ausgestattet wor- wie den Täterwillen des Angeklagten auch aus seinem Verhalten bei der Tat
den. Der D war entschlossen, im Falle einer drohenden Verhaftung sich die herzuleiten versucht. Danach hatte der Angeklagte „die Tatherrschaft. Jeden-
Flucht unter Inkaufnahme der Tötung von Polizeibeamten freizuschießen. Er falls vor dem ersten tödlichen Schuß hat er ... seine psychische Unterstüt-
ging, wie der Angeklagte wußte, davon aus, auch der Angeklagte werde ggf. zung durch seine Präsenz als solche und das ständige Tragen einer Schuß-
mindestens mit bedingtem Vorsatz von der Waffe Gebrauch machen. Der waffe nicht aufgegeben, obwohl er die Polizeibeamten ... erkannt hatte und
BGH folgert aus den gegebenen Umständen - was nicht sehr einleuchtend ist, D noch hätte auffordern können, entgegen der Abrede nicht zu schießen"
hier aber zugrunde gelegt sei -, daß zwischen D und dem Angeklagten eine (S. 293). Diese Beiträge hätten „während des gesamten Tatgeschehens" fort-
stillschweigende („konkludente") Vereinbarung bestanden habe, sich bei gewirkt, so daß er bei allen vier von D abgegebenen Schüssen Mittäter sei.
einer Entdeckung durch die Polizei Schützenhilfe zu leisten. Tatsächlich wur- Auf diese Weise läßt sich aber eine Tatherrschaft nicht begründen. Denn
den die beiden bald darauf von vier Polizeibeamten gestellt. D erschoß zwei die psychische Unterstützung hätte allenfalls die Annahme einer Beihilfe
von ihnen und gab auch auf die beiden überlebenden Polizisten mit direktem rechtfertigen können; eine „Herrschaft" kann sich daraus selbstverständlich
Tötungsvorsatz Schüsse ab, die aber nicht trafen. Der Angeklagte hatte von nicht ergeben. Die Möglichkeit, den D zum „Nichtschießen" aufzufordern,
vornherein seine Waffe nicht gezogen. Statt dessen hatte er nach dem ersten gestattet ebensowenig die Annahme einer Tatherrschaft. Denn da es bei D
Schuß des D „zum Zeichen der Aufgabe" die Arme gehoben und sich gestanden hätte, einer solchen Aufforderung zu folgen oder nicht (er wäre ihr
schließlich auf den Boden fallen lassen; nach der Erschießung des zweiten sicher nicht gefolgt), lag die Herrschaft über das Geschehen allein bei ihm.
Polizisten war er weggelaufen. Der D hatte bis zum Schluß weder das Sich- Selbst wenn aber der Angeklagte die Schüsse hätte verhindern können, würde
Fallen-Lassen noch das Weglaufen des Angeklagten bemerkt. auch dies noch nicht die Annahme von Tatherrschaft gestatten. Denn die
Der BGH beurteilt den Angeklagten als Mittäter zweier vollendeter und Möglichkeit zur Tatverhinderung haben viele Gehilfen und selbst an der Tat
zweier versuchter Morde. Zur Begründung zitiert er wieder die vier Elemente Unbeteiligte; nicht diese Möglichkeit, sondern die aktive Steuerung des
der normativen Kombinationstheorie, von denen später aber nur noch die Geschehens bedeutet Tatherrschaft.180
„Tatherrschaft" und das „Interesse" als täterschaftsbegründend herangezogen Das Urteil schiebt in einem Satz noch eine „subjektive" Begründung nach:
werden. „Dabei handelte er aus eigenem Interesse am Taterfolg, da er wie D auf der
Das Urteil beruft sich zunächst darauf, daß nach ständiger Rechtsprechung Flucht und daran interessiert war, frei zu bleiben, um nicht eine empfindliche
auch Vorbereitungshandlungen, „durch die der Mittäter den tatausführenden Haftstrafe auf sich nehmen zu müssen." Das ist eine recht kühne Unterstel-
Genossen in dessen Tatentschluß bestärkt", für eine gemeinschaftliche Tatbe- lung. Denn aus dem Umstand, daß der Angeklagte nicht schoß und nicht ein-
gehüng i.S. des §25 II ausreichen könnten. Eine solche Bestärkung liege hier mal seine Waffe zog, ist - in dubio pro reo - weit eher zu schließen, daß er an
in „der konkludenten Verabredung des Waffengebrauchs zur Verhinderung einer Erschießung von Polizisten nicht interessiert war; sei es, daß er bei
drohender Festnahme ..." (S. 292). Das ist in mehrfacher Beziehung unrich- einem Schußwechsel um sein eigenes Leben fürchtete (er hatte später dem D
tig. Denn auch wenn man davon absieht, daß nach der in diesem Buch von seiner „tierischen Angst" berichtet), sei es, daß er das Risiko einer lebens-
(S. 292 ff.; 725 ff.) eingehend begründeten Lehre die Mitwirkung bei der Vor- länglichen Strafe nicht eingehen wollte. Das täterschaftsbegründende Inter-
bereitung prinzipiell für eine Mittäterschaft nicht ausreicht, bildet doch auch
nach der Gegenansicht eine Bestärkung des Tatentschlusses den typischen
Näher Roxin, LK " , 1993, § 27, Rn. 41 ff.
Der hier gerügte Denkfehler ist der Rechtsprechung auch sonst schon gelegentlich unter-
178
BGHSt37,289. laufen; vgl. oben S. 311 f. zu B G H S t 11, 268.
608 609

esse wird also im Urteil nicht beweiskräftig festgestellt, sondern dem Ange- 35. Ein Urteil des 2. Strafsenats vom 3.11.1993 183 behandelt die vorsätz-
klagten zugeschrieben. Daran zeigt sich einmal mehr, wie jede subjektive liche fehlerhafte Genehmigung zur Umlagerung von Abfällen durch einen
Theorie die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme zum Gegenstand Amtsträger. Je nachdem, ob diejenigen, die die umweltgefährdende Abfallbe-
einer recht beliebigen richterlichen Wertung macht. seitigung (§326 Abs. 1 StGB) daraufhin unmittelbar handelnd vornahmen,
Aber auch das Kriterium der Tatherrschaft wird in der vorliegenden Ent- bös- oder gutgläubig waren, wird der Amtsträger als Mittäter oder mittel-
scheidung nur noch als Leerformel benutzt; keine ihrer Voraussetzungen ist barer Täter beurteilt.
auch nur annähernd erfüllt. Das Urteil hat daher in der Literatur einhellige Dabei wird die Mittäterschaft auf die stehenden Formeln der normativen
Ablehnung gefunden.181 Kombinationstheorie gegründet, die, wie eigens betont wird, auch Vorberei-
tungshandlungen genügen lasse. Der Sache nach stützt sich die Annahme der
34. Ein Urteil des 3. Strafsenats vom 8.1.1992 182 betrifft die Mittäterschaft Mittäterschaft auf die „entscheidende Bedeutung" der die Tat erst ermög-
beim Betrug und bekräftigt die These der Rechtsprechung, daß auch die Mit- lichenden Genehmigung und auf das Interesse des Angeklagten, seinem Ruf
wirkung bei der Vorbereitung eine Mittäterschaft begründen kann. Es ging als effizienter „Abfallmanager" gerecht zu werden. Vom hier vertretenen
um den betrügerischen Betrieb eines Scheinunternehmens. Der Angeklagte Standpunkt aus liegt eine Beihilfe vor, weil auch ein notwendiger Tatbeitrag
war „gleichgeordneter Mitträger des Tatplans", sollte „den gleichen Anteil am im Vorbereitungsstadium und erst recht das Bestreben nach Aufrechterhal-
Gewinn" erhalten und leistete, vor allem durch die Beschaffung gefälschter tung eines bestimmten Rufes noch keine Tatherrschaft begründen.
Ausweispapiere, wichtige Beiträge im Vorbereitungsstadium. „Entsprechend Interessant ist die Herleitung der mittelbaren Täterschaft. Sie wird damit
groß war sein Interesse am möglichst erfolgreichen Gelingen der Tat." begründet, daß der Amtsträger „vorsätzlich unter Verstoß gegen das Um-
Der BGH beruft sich auch hier auf seine normative Kombinationstheorie weltrecht die Tatbestandsverwirklichung durch einen gutgläubigen Unterneh-
und erklärt die vom Landgericht vorgenommene „Bewertung, daß Ausgang mer freigibt'. Denn dadurch stellt sich aus der Sicht des Amtsträgers und
und Durchführung der einzelnen Betrugshandlungen im Sinne von Mittäter- auch objektiv der in Gang gesetzte Umweltverstoß als ,sein Werk' dar; er ist
schaft maßgeblich vom Willen des Angeklagten abhingen", für gerechtfertigt. zwar nicht unbedingt die treibende Kraft, aber infolge seines tatsächlichen
Die mangelnde Beteiligung an den eigentlichen Betrugshandlungen trete „bei und rechtlichen Überblicks über das Geschehen dessen Zentralgestalt"
einer wertenden Gesamtbetrachtung der Rolle des Angeklagten in den Hin- (a. a. O., 389). Hier wird nicht nur der in diesem Buch geprägte Begriff der
tergrund" und schließe „die Annahme von Mittäterschaft nicht aus". „Zentralgestalt" als des Oberbegriffs für alle Erscheinungsformen der Täter-
Das Urteil liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, zeigt aber schaft aufgenommen. Es wird auch erkannt, daß der mittelbare Täter, der als
auch wieder die Abgrenzungsunsicherheit, zu der sie führt. Der Generalbun- einziger die Sach- und Rechtslage durchschaut, nicht notwendig den Anstoß
desanwalt hatte nur eine Beihilfe annehmen wollen; und auch der BGH geben, die „treibende Kraft" sein muß.
bemerkt lediglich, daß das Tatgericht die Rolle des Angeklagten als die eines
Mittäters beurteilen „durfte", hätte also eine entgegengesetzte Wertung wohl 36. Ein Beschluß des 1. Strafsenats vom 23.11.1993 184 beschäftigt sich mit
ebenfalls akzeptiert. Wenn es im Urteil heißt: „Bereits eine ... Beteiligung an der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe bei einer Brandstiftung. Der
Handlungen im Vorfeld der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung kann Angeklagte hatte sich darauf beschränkt, den Täter „auf dessen Verlangen ein
ausreichen, um Mittäterschaft zu begründen, sofern sich diese Mitwirkung Feuerzeug zu übergeben in Kenntnis, daß mit dessen Hilfe der Brand gelegt
nach der Willensrichtung der sich Beteiligenden nicht als bloße Förderung werden sollte". Auch hier zitiert der BGH zunächst in wörtlicher Überein-
fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt", zeigt sich in die- stimmung mit früheren Entscheidungen die Kriterien der normativen Kombi-
sen Formeln deutlich, daß die Abgrenzung dem richterlichen Ermessen über- nationstheorie. Seine Bedenken gegen die vom LG angenommene Mittäter-
antwortet wird. Denn die Frage, was eine „Förderung fremden Tuns" und schaft resultieren dann aber allein daraus, daß der Angeklagte „weder die
was „ein Teil der Tätigkeit aller" ist, wird allein mit dem Hinweis auf die Tatherrschaft besaß noch den Willen dazu hatte; seine Tatbeteiligung an der
„Willensrichtung" der sich Beteiligenden beantwortet, die wiederum keine Brandstiftung war, wenn auch wichtig, so doch gering". Der BGH hat die
innere Tatsache sein, sondern sich nur wertender Betrachtung erschließen Sache zurückverwiesen zur genaueren Prüfung, ob „Durchführung und Aus-
soll. Eine klare, rechtsstaatlich überzeugende Abgrenzung läßt sich auf diese gang ... maßgeblich vom Willen des Angeklagten abhingen". Demgegenüber
Weise nicht erreichen. liegt vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus ein eindeutiger Fall bloßer
Beihilfe vor, zu der hier wohl auch der BGH tendiert.
181
Roxin, JR 1991, 206; Puppe, NStZ 1991, 571; dies., AT/2, 2005, § 39, Rn. 10ff.; Herzberg,
JZ 1991, 856; Erb, JuS 1992, 197; Stein, StrV 1993, 411; Häuf, NStZ 1994, 263. Zu der Ent-
scheidung vgl. außerdem meinen Kommentar in Roxin, HRR-AT, 1998, 204, zu Fall Nr. 79,
183
sowie in Roxin, AT/2, 2003, § 25, Rn. 201 ff. BGHSt39,381.
182 184
w i s t r a l 9 9 2 , 181. StrV 1994,241.
610 611

37. Ein Urteil des 1. Strafsenats vom 18.1.1994 185 betrifft wiederum die nutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst." ... Er ist
Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, aber in dem Sonderfall einer „Täter in der Form mittelbarer Täterschaft. Er besitzt die Tatherrschaft." Die
bloßen Mitwirkung an der Planung. Vier Rechtsradikale hatten gemeinsam große dogmatische Bedeutung des Urteils besteht darin, daß es die Tatherr-
den Plan entwickelt, daß je zwei von ihnen ein Asylbewerberheim in Brand schaftslehre im Bereich der mittelbaren Täterschaft endgültig durchsetzt, daß
setzen und einen jüdischen Friedhof verwüsten sollten. Das Problem liegt die Organisationsherrschaft neben der Nötigungs- und der Irrtumsherrschaft
darin, ob jeder Beteiligte nicht nur Mittäter seiner eigenen, sondern auch der als dritte, selbständige Form der mittelbaren Täterschaft beurteilt und daß der
Tat der beiden anderen ist. Der B G H hält das für möglich und beruft sich Täter hinter dem Täter über den Fall der Ausnutzung eines Verbotsirrtums
dafür auf BGHSt 37, 289 (oben Nr. 33, S.609ff.). Für die Mittäterschaft ge- hinaus auch bei voll verantwortlichem Tatmittler als möglich anerkannt wird.
nüge es, daß ein Mittäter den anderen „in dessen Tatentschluß bestärkt". Diese Das alles entspricht der in diesem Buch entwickelten Konzeption und ist
Voraussetzung könne „auch eine Absprache über die Durchführung mehrerer uneingeschränkt zu begrüßen. 187
Taten erfüllen. O b darin Mittäterschaft oder Beihilfe liegt, hat der Tatrichter in Freilich verdient die Begründung des Urteils nicht in allen Punkten Beifall.
wertender Betrachtung zu entscheiden". So will der B G H die mittelbare Täterschaft des Hintermannes auch darauf
Das Urteil setzt zwei sehr bedenkliche Tendenzen der neueren Rechtspre- stützen, daß er „die unbedingte Bereitschaft des unmittelbar Handelnden,
chung fort. Die eine liegt darin, schon die Beteiligung am bloßen Tatent- den Tatbestand zu erfüllen", ausnutze und „den Erfolg als Ergebnis seines
schluß ohne jede weitere, sei es selbst vorbereitende, Mitwirkung für eine eigenen Handelns" wolle (a. a. O., 236). Die Annahme, daß die unbedingte
Mittäterschaft ausreichen zu lassen (zur Kritik vgl. näher oben Nr. 33, Tatbereitschaft des unmittelbar Handelnden eine Tatherrschaft begründen
S. 606 f.). Die andere zeigt sich im Verweis auf die „wertende Betrachtung" könne, stützt sich auf Fr.-Chr. Schroeder, der diese Theorie zuerst aufgestellt
des Tatrichters, die auf jede klare rechtliche Abgrenzung beider Beteiligungs- hat.188 Sie ist aber schwerlich haltbar. Denn der klassische Fall einer Tatbereit-
formen verzichtet und sie zu einer Ermessensentscheidung des Tatrichters schaft ist das Sich-Erbieten, von dem § 30 II StGB als einer Erscheinungsform
macht (vgl. dazu besonders noch Nr. 50, S. 619). der Bereiterklärung spricht. Es steht aber völlig außer Zweifel, daß die
„Annahme eines Erbietens" eine Anstiftung und keine mittelbare Täterschaft
38. Ein Urteil des 5. Strafsenats vom 26.7.1994 186 hat, wie vorher nur der ist. Auch hängt die durch die Strukturen der Organisation vermittelte Tat-
„Katzenkönigs-Fall" (oben Nr. 29, S. 602 ff.), in der Rechtsprechung zur herrschaft des Hintermannes gerade nicht davon ab, daß der jeweils Aus-
mittelbaren Täterschaft bahnbrechend gewirkt, indem er die in diesem Buch führende „unbedingt tatbereit" ist. Denn auch wenn er es nicht ist und sich
(oben §24, S. 242 ff.) erstmals entwickelte Rechtsfigur der „Willensherrschaft dem Befehl zu entziehen weiß, kann der Hintermann davon ausgehen, daß
kraft organisatorischer Machtapparate" anerkannt hat. Die Mitglieder des seine Anordnungen ausgeführt werden, weil sogleich ein anderer an die Stelle
„Nationalen Verteidigungsrates" der ehemaligen DDR, die die Schüsse der des Befehlsverweigerers oder Deserteurs tritt. Wenn der B G H die Bemer-
Grenzsoldaten an der Mauer und deren Verminung durch tödliche Explosiv- kung anschließt, daß der Hintermann „den Erfolg als Ergebnis seines eigenen
stoffe angeordnet hatten, beherrschten das Geschehen mittels des von ihnen Handelns wolle", so ist das eine Reminiszenz an die subjektive Theorie ohne
gesteuerten Machtapparates, selbst wenn die unmittelbar Ausführenden an eigene Aussagekraft; denn auch der Anstifter will natürlich den Erfolg als
der Grenze ebenfalls als schuldhaft handelnde Täter verantwortlich waren. Ergebnis seines Handelns. Wenn man nicht die unmittelbar ausführende Ein-
Sie wurden daher als mittelbare Täter hinter dem (verantwortlichen) Täter zelperson, sondern den „organisatorischen Machtapparat" als „Werkzeug"
verurteilt. ansieht, läßt sich freilich der Gedanke der „unbedingten Tatbereitschaft" als
Es heißt dazu oben (S. 245): „Eine solche Organisation nämlich entfaltet Element der Tatherrschaft fruchtbar machen (näher dazu S. 706 f.).
ein Leben, das vom wechselnden Bestände ihrer Mitglieder unabhängig ist. Bedenklich scheint mir auch die Reichweite, die der BGH der Organisa-
Sie funktioniert, ohne daß es auf die individuelle Person des Ausführenden tionsherrschaft geben will. Zustimmen kann man dem Urteil, wenn es sagt
ankommt, gleichsam ,automatisch'." Diese Begründung für die Tatherrschaft (a. a. O., 237): „Eine so verstandene mittelbare Täterschaft wird nicht nur
des Hintermannes nimmt jetzt der B G H in den zentralen Formulierungen beim Mißbrauch staatlicher Machtbefugnisse, sondern auch in Fällen mafia-
seines Urteils auf (BGHSt 40, 236): „Es gibt ... Fallgruppen, bei denen trotz ähnlich organisierten Verbrechens in Betracht kommen ..." Dem entspricht
eines uneingeschränkt verantwortlich handelnden Tatmittlers der Beitrag des es, wenn oben (S. 250) eine Organisationsherrschaft bei Taten angenommen
Hintermannes nahezu automatisch zu der von diesem Hintermann erstrebten wird, „die im Rahmen von Untergrundbewegungen, Geheimorganisationen,
Tatbestandsverwirklichung führt. Solches kann vorliegen, wenn der Hinter-
mann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen aus-
Vgl. zu dem Urteil näher Roxin, JZ 1995, 49ff.; Grünwald-Festschrift, 1999, 549ff.; ders.,
NJW-Sonderheft Schäfer, 2002, 52 ff; ders., Festschrift für Fr.-Chr. Schroeder, 2006, 385ff.
Zur Aufnahme des Urteils in der Literatur vgl. unten S. 704 ff.
185 In seinem Buch „Der Täter hinter dem Täter", 1965, 143ff.; näher dazu Roxin, ZStW 78
NStZ 1995, 122.
186 (1966), 222ff.,227ff.
BGHSt 40, 218.
612 613

Verbrecherbanden und ähnlicher Zusammenschlüsse begangen werden". Zu Der BGH sieht das Problem, meint aber (a.a.O., 267), es könne darauf
weit geht es aber, wenn der BGH sagt (a. a. O., 237): „Auch das Problem der „nicht entscheidend ankommen. Maßgebend bleibt vielmehr auch hier, ob die
Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen läßt sich so Angeklagten mit Täterwillen und Tatherrschaft handelten." Angesichts der
lösen." Denn Voraussetzung dafür, daß die Organisationsstrukturen „regel- von ihnen in Anspruch genommenen „Anordnungsbefugnis einerseits wie
hafte Abläufe" auslösen und „nahezu automatisch" den Erfolg herbeiführen, auch der untergeordneten, grundsätzlich weisungsgebundenen Rolle der ein-
ist der Umstand, daß der Machtapparat sich wenigstens für den konkreten geschalteten Hilfskräfte andererseits" könne „an dem subjektiven Kriterium
Fall als ganzer vom Recht gelöst hat. Anderenfalls ist vom unmittelbar Han- des Täterwillens und der objektiven Voraussetzung der Tatherrschaft beider
delnden zu erwarten, daß er die Ausführung einer rechtswidrigen Anordnung Angeklagter kein Zweifel bestehen" (a. a. O., 268).
verweigert.' 89 Wenn also z. B. ein Abteilungsleiter in einem in den Bahnen des Dem ist jedoch nicht zu folgen. Wir haben hier einen Fall der Überdeh-
Rechts arbeitenden Wirtschaftsunternehmen einen Angestellten zu einer nung der mittelbaren Täterschaft vor uns, wie sie schon die Annahme von
Urkundenfälschung auffordert, ist er im Begehensfalle Anstifter und nicht BGHSt 40, 218 (oben Nr. 38, S. 611 f.) kennzeichnet, das „Problem der Ver-
mittelbarer Täter. Nicht die Hierarchie und die prinzipielle Weisungsbefug- antwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen" mit Hilfe der
nis, sondern die Austauschbarkeit der Handlanger begründet die mittelbare Konstruktion einer Organisationsherrschaft lösen zu können. Da ein Kran-
Täterschaft. In diesem Punkt neigt der BGH, wie auch nachfolgende Ent- kenhaus in den Bahnen des geltenden Rechts und mit dem Ziel der Lebens-
scheidungen zeigen (Nr. 39, S. 612, Nr. 48, S. 618, Nr. 49, S. 618 f.), zu einer erhaltung arbeitet, der „Apparat" sich also keineswegs vom Recht gelöst hat,
Überdehnung der mittelbaren Täterschaft (vgl. dazu näher unten S. 715 ff.). war eine auf Tötung zielende rechtswidrige Anweisung keineswegs geeignet,
„regelhafte Abläufe" auszulösen und „nahezu automatisch" den erstrebten
39. Der „Behandlungsabbruchsfall", ein Urteil des 1. Strafsenats vom 13.9. Todeserfolg herbeizuführen. Das zeigt schlagend gerade der vom BGH ent-
1994,190 hat herausragende Bedeutung für die - hier nicht weiter interessie- schiedene Sachverhalt. Denn der Pflegedienstleiter hatte Bedenken gegen die
rende - strafrechtliche Beurteilung der Sterbehilfe, setzt aber auch die durch Zulässigkeit der Anordnung, führte sie nicht aus und wandte sich an das Vor-
BGHSt 40, 218 (oben Nr. 38, S. 610 ff.) eingeleitete Rechtsprechung zur mundschaftsgericht, das die Nahrungsumstellung untersagte. Deutlicher
mittelbaren Täterschaft fort. Es ging um eine alte Frau, die seit mehr als konnte nicht demonstriert werden, daß die Tatherrschaft gerade nicht bei den
zwei Jahren „schwerst cerebralgeschädigt", ohne Bewußtsein, geh- und steh- Hintermännern lag. Wenn der BGH sich für die gegenteilige Annahme auf
unfähig ohne Aussicht auf Besserung durch künstliche Ernährung am Leben die „grundsätzlich weisungsgebundene Rolle" der Hilfskräfte beruft, so ist
erhalten wurde. Die beiden Angeklagten, ihr Arzt und ihr Sohn, gaben dem das kein taugliches Argument, weil die Weisungsgebundenheit gerade nicht
Pflegepersonal die Anweisung, die Ernährung auf Tee umzustellen und auf bei rechtswidrigen Anordnungen besteht. Der vom BGH daneben in An-
diese Weise den schmerzlosen Tod der Frau herbeizuführen. Sie gingen davon spruch genommene „Täterwille", der eine Anleihe bei der subjektiven Theo-
aus, daß dies rechtlich zulässig sei, während der B G H die Beteiligungsver- rie darstellt, ermöglicht beim Fehlen der Tatherrschaft keine Abgrenzung von
hältnisse unter der Prämisse erörtert, daß die Befolgung der Anordnung sich Anstiftung und mittelbarer Täterschaft. Richtigerweise wäre im vorliegenden
als strafbarer Totschlag darstellt. Fall also - unter der Prämisse, daß das Geplante als strafbare Tötung zu beur-
Der B G H will die beiden Angeklagten als mittelbare Täter beurteilen und teilen war - eine versuchte Anstiftung der Hintermänner (§ 30 I StGB) anzu-
greift zur Begründung zunächst auf die mittelbare Täterschaft durch Benut- nehmen gewesen.
zung eines im Verbotsirrtum handelnden Werkzeugs zurück, wie sie zuerst
im „Katzenkönigs-Fall" (BGHSt 35, 347 ff., oben Nr. 29, S. 602 ff.) angenom- 40. Ein Urteil des 4. Strafsenats vom 25.10.1994 191 bestätigt die ständige
men worden war. Einer Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorlie- Rechtsprechung, wonach Vorbereitungshandlungen für die Mittäterschaft
genden Fall steht jedoch im Wege, daß die Angeklagten nicht einen Verbots- ausreichen können, in einem Betrugsfall. Der Angeklagte hatte einen nach
irrtum herbeiführen oder ausnutzen wollten, sondern sich selbst im seiner Vorstellung fingierten Raubüberfall verübt, der die Voraussetzung für
Verbotsirrtum befanden. Da die mittelbare Täterschaft sich bei einem Ver- einen Betrug des vermeintlich Überfallenen gegenüber einer Versicherung bil-
botsirrtum des Ausführenden nur auf die Gestaltungsmacht stützen kann, die den sollte. Der B G H sieht darin eine Mittäterschaft beim Betrug, obwohl der
dem Hintermann aus seiner überlegenen Rechtskenntnis erwächst, muß eine Angeklagte an diesem nicht interessiert, sondern für seinen Beitrag schon
derartige Begründung in unserem Fall von vornherein ausscheiden. anderweitig entlohnt worden war (was sonst in der Rechtsprechung als man-
gelndes Eigeninteresse und damit als ein gegen Mittäterschaft sprechendes
Indiz gedeutet wird, vgl. unten Nr. 50, S. 619 f.).
189
Vgl. dazu näher Roxin, Grünwald-Festschrift, 1999, 556 ff. Entschieden gegen die Übertra-
gung dieser Art von mittelbarer Täterschaft auf wirtschaftliche Organisationsstrukturen
R o t s c h . N S t Z 1998, 491.
190 191
BGHSt 40, 257; dazu Brammsen, N S t Z 2000, 337ff. B G H S t 40, 299.
614 615

Das Urteil überdehnt die Mittäterschaft zu Lasten der Beihilfe bei weitem. uneingeschränkt verantwortlichem Tatmittler auf Wahlfälschungsdelikte ...
Denn es kann nicht einmal mit der normativen Kombinationstheorie begrün- übertragen werden können" (a.a.O., 317). Denn dem Angeklagten habe die
det werden. Der Angeklagte war bei dem Betrug - wie er sich nach seiner nach dem StGB der D D R erforderliche täterschaftsbegründende Pflichten-
Vorstellung abspielen sollte - nicht beteiligt, hatte also keinerlei Tatherrschaft. stellung gefehlt, so daß er auch bei bestehender „Organisationsherrschaft"
Da auch kein Eigeninteresse an der Betrugstat bestand, fehlen also die beiden nur als Teilnehmer bestraft werden könne. Daran ist natürlich richtig, daß bei
zentralen Kriterien, von denen die Rechtsprechung sonst wenigstens eines für Pflichtdelikten die Täterschaft nicht nach der Tatherrschaft, sondern nach der
die Annahme von Mittäterschaft verlangt. Der B G H meint, auf das Interesse Pflichtenstellung bestimmt werden muß (vgl. oben §34, S. 352 ff.). Warum
könne es beim Betrug nicht ankommen, da „der Tatbestand des Betruges auch aber die grundsätzliche Übertragbarkeit der Rechtsfigur der Organisations-
bei fremdnützigem Handeln erfüllt" sei (a.a.O., 300).192 Es fragt sich nur, herrschaft auf Wahlfälschungsdelikte und andere Straftaten zweifelhaft sein
woraus die Mittäterschaft überhaupt noch abgeleitet werden soll, wenn kei- sollte, ist nicht ersichtlich. Denn die Herrschaftsstruktur ist von der Art des
ner der für sie wesentlichen „Anhaltspunkte" vorliegt. Daß der Raubüberfall Delikts unabhängig. Der BGH ist hier also unnötig zurückhaltend, so wie er
eine unerläßliche Voraussetzung für den späteren Betrug war, kann dafür umgekehrt mit der Anwendung der Organisationsherrschaft auf rechts-
nicht ausreichen. Denn das Setzen einer notwendigen Bedingung, die früher konform arbeitende Hierarchien in Wirtschaftsunternehmen (oben Nr. 38,
sog. Hauptgehilfenschaft, wird heute nirgends mehr als ein für die Täterschaft S. 612) und Krankenhäusern (oben Nr. 39, S. 612) zu großzügig verfährt.
entscheidendes Kriterium angesehen.
42. Ein Urteil des 2. Senats vom 15.2.1995 195 betrifft die Abgrenzung von
41. Mit der mittelbaren Täterschaft hat es auch ein Urteil des 3. Strafsenats Mittäterschaft und Beihilfe bei einem Mordversuch. Der B G H verurteilt die
vom 3.11.1994 193 zu tun, bei dem es um Wahlfälschungen im Auftrag der beiden Angeklagten als Mittäter, obwohl sie nicht selber von der Schußwaffe
Parteiführung in der ehemaligen DDR ging. Der Angeklagte war 1. Sekretär Gebrauch gemacht hatten und sich auch nicht unmittelbar am Tatort befan-
der SED-Bezirksleitung Dresden gewesen. Er hatte im Auftrag der Partei- den. Die Mittäterschaft wurde auf die Mitwirkung bei der Planung und Auf-
führung an Wahlfälschungen mitgewirkt. Der BGH erwägt, ob sein Tatbei- forderungen zum Schießen gestützt und mit den Formeln der normativen
trag als „Organisationsherrschaft" im Sinne mittelbarer Täterschaft gewürdigt Kombinationstheorie begründet. Dies entspricht der ständigen Rechtspre-
werden kann. Er wiederholt die in BGHSt 40, 218 (oben Nr. 38, S. 610 ff.) chung, die eine Mitwirkung im Vorbereitungsstadium für eine Mittäterschaft
gewählten Formulierungen und kennzeichnet die Position des Angeklagten genügen läßt. Ungesagt bleibt freilich, welche der immer wieder genannten
so, daß zwar „die eigentlichen Hintermänner in Berlin" gesessen hätten, daß „Anhaltspunkte" für eine Mittäterschaft erfüllt sein sollen. Es kommt nur ein
er sich aber „voll in die Befehlshierarchie einbinden" ließ, „so daß er in der einseitiges Abstellen auf das Interesse in Frage. Denn eine Tatherrschaft kann
Weisungskette von Berlin zu den einzelnen Wahlkreiskommissionen als dem weder durch eine Beteiligung an der Planung noch durch anstiftungsartige
Politbüro nachgeordneter Befehlsgeber für den Bezirk angesehen werden Aufforderungen begründet werden. Richtigerweise wäre daher eine Teil-
könnte" (BGHSt 40, 317). nahme anzunehmen gewesen.
In der Tat könnte darin eine mittelbare Täterschaft erblickt werden. In die-
sem Buch wurde von Anfang an hervorgehoben, es sei für die Organisations- 43. Ein Urteil des 2. Strafsenats vom 19.7.1995 1 % befaßt sich mit der
herrschaft „unerheblich", ob der Hintermann „auf eigene Initiative oder im Beteiligtenposition von Mitgliedern der Leitungsebene eines Unternehmens
Interesse oder Auftrag höherer Instanzen handelt" 194. „Denn für seine Täter- beim Vertrieb schadenstiftender Produkte. „Zurechnung zur Täterschaft
schaft entscheidend ist allein der Umstand, daß er den ihm unterstellten Teil erfordert nicht die eigenhändige Verwirklichung des Straftatbestandes. Mit-
der Organisation lenken kann ..." Ein Angeklagter kann also auch mittel- glieder der Leitungsebene eines Unternehmens können für den Vertrieb eines
barer Täter im Rahmen organisatorischer Machtapparate sein, wenn er schadenstiftenden Produktes auch dann strafrechtlich einzustehen haben,
„weder am Beginn noch am Ende der Tat mitwirkt und seine Beteiligung sich wenn sie das Produkt in Kenntnis des Mangels weiter vertreiben." Eigen-
auf 'das dazwischen liegende Stück beschränkt", so daß ggf. eine Kette von artigerweise wird nicht gesagt, ob die - ihrerseits mittäterschaftlich handeln-
Tätern hinter dem Täter entstehen kann. den - Personen der Leitungsebene im Verhältnis zu den ihnen nachgeord-
Es ist zu begrüßen, daß der BGH sich diesen Überlegungen aufgeschlossen neten Vertreibern des gepantschten Weines mittelbare Täter oder Mittäter
zeigt. Er läßt aber schließlich dahingestellt, „ob die vom 5. Senat ... für sein sollen. Da gegen sie der Vorwurf des Betruges erhoben wurde, käme
Tötungsdelikte entwickelten Grundsätze über mittelbare Täterschaft trotz sogar eine unmittelbare Täterschaft in Frage. Denn in falschen Erklärungen
der Firmenleitung gegenüber den Kunden könnte eine direkte Täuschung
192
Das steht im Widerspruch zur Argumentation desselben Senats in seinem späteren
Beschluß vom 9.1.1997 (unten Nr. 46, S. 617).
193 195
BGHSt 40, 307. N S t Z 1995,285.
194 196
Hier und im folgenden oben S. 248. N J W 1995,2933.
616 617

erblickt werden. Die kargen Ausführungen des Urteils lassen eine konkretere 46. Ein Beschluß des 4. Strafsenats vom 9.1.1997'" behandelt einen Fall,
Würdigung nicht zu. Bemerkenswert ist aber, daß der Gedanke einer mittel- in dem der Angeklagte als Busfahrer einen fingierten Verkehrsunfall mit
baren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, den der BGH sonst neuer- einem Pkw herbeiführte, um dessen Halter - ohne eigenes Bereicherungs-
dings für die Verantwortlichkeit in Wirtschaftsunternehmen fruchtbar zu interesse - zu unberechtigten Versicherungsleistungen zu verhelfen. Hier
machen versucht (vgl. oben Nr. 38, S. 612), hier noch keinen Widerhall gefun- lehnt der BGH" die von der Vorinstanz angenommene Mittäterschaft beim
den hat. Betrug ab. Zwar könnten Vorbereitungshandlungen des Betruges, wie die
Herbeiführung des Unfalls, an sich eine Mittäterschaft begründen. Dies sei
44. Ein Urteil des 5. Strafsenats vom 4.3.1996 197 behandelt wiederum (wie aber nicht der Fall, wenn der Angeklagte, wie hier, weder die Tatherrschaft
schon Nr. 41, S. 614 f.) die mittelbare Täterschaft einzelner „Glieder" in der beim Betrug noch ein eigenes Interesse daran gehabt habe. Der Beschluß
Weisungskette eines rechtsgelösten organisatorischen Machtapparates. Es bestätigt die aus der Entwicklung der Rechtsprechung ablesbare Erkenntnis,
ging hier um die Verantwortlichkeit eines Regimentskommandeurs für die daß sich hinter der für die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe ver-
von seinen Soldaten an der innerdeutschen Grenze abgefeuerten tödlichen wendeten normativen Kombinationstheorie der Sache nach die beiden Krite-
Schüsse. Der BGH will es „offen lassen, ob der Angekl. bereits nach den rien der Tatherrschaft und des Eigeninteresses verbergen und daß sie zu einer
Grundsätzen der Entscheidung BGHSt 40, 218 [oben Nr. 38, S. 610 ff.] als Ablehnung der Mittäterschaft führen, wenn sie beide nicht vorliegen. Vom
mittelbarer Täter angesehen werden müßte. Es liegt nahe, daß der Komman- Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus muß allein das aus der nur vorberei-
deur eines Grenzregiments bei der Umsetzung des von der obersten militäri- tenden Mitwirkung sich ergebende Fehlen der Tatherrschaft zur Annahme
schen Führung vorgegebenen Grenzregimes Zwischenglied einer Befehls- einer Beihilfe führen. Das Eigeninteresse sollte schon deshalb keine Rolle
hierarchie ist und dabei durch eigene Tatbeiträge unter Ausnutzung seiner spielen, weil der Betrugstatbestand die Absicht der Drittbereicherung der-
Befehlsgewalt zur Tatbestandsverwirklichung führende regelhafte Abläufe jenigen der Eigenbereicherung gleichstellt.
auslöst." Jedenfalls habe der Kommandeur im konkreten Fall durch die
Abgabe eigener gezielter Schüsse seinen Untergebenen einen „konkludenten" 47. Ein Urteil des 2. Senats vom 19.2.1997 200 behandelt die Abgrenzung
Schießbefehl erteilt, der für eine mittelbare Täterschaft ausreiche. von Mittäterschaft und Beihilfe in einer Weise, die trotz einer Bezugnahme
Dem ist zuzustimmen. Die Stellung als Kommandeur machte den Ange- auf die Tatherrschaft der Sache nach einer sehr weit gefaßten subjektiven
klagten zum mittelbaren Täter, wenn er selbst (sei es auch auf Weisung) sich Theorie entspricht. Der Angeklagte hatte mit seinem Komplizen beschlossen,
des Apparates zur Tötung bediente. Das kann schon durch einen vom kon- einen Kiosk auszurauben. Er gab ihm Tips, ließ sich die Hälfte der Beute ver-
kreten Fall gelösten Schießbefehl geschehen (worüber der B G H Feststellun- sprechen, beteiligte sich aber verabredungsgemäß an der Ausführung der Tat
gen im Urteil vermißt). Ein solcher Einsatz des Apparates liegt aber jedenfalls nicht. Mit dem Plan des Komplizen, den Kioskbesitzer bei dem Überfall zu
in der unmittelbaren Aufforderung zum Schießen. erstechen, erklärte er sich nur widerstrebend einverstanden.
Der B G H nimmt eine Mittäterschaft des Angeklagten nicht nur beim
45. Ein knapper Beschluß des 4. Senats vom 4.6.1996 198 zeigt den B G H Raub, sondern auch beim Mord an. Das wird zunächst mit den stereotypen
bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe wieder überwiegend in Formeln der normativen Kombinationstheorie begründet, wobei das Eigen-
den Spuren der subjektiven Theorie. Der Angeklagte wurde hier als Mittäter interesse (wegen der Beteiligung an der Beute) im Vordergrund steht. Der
eines Diebstahls bestraft, weil er „zum einen das Diebstahlsobjekt ausgesucht B G H meint aber, der Angeklagte habe auch die Tatherrschaft oder „wenig-
und zum anderen die Einzelheiten der Wegnahme- und Verwertungshand- stens" den Willen zur Tatherrschaft gehabt. Das wird aus der gemeinsamen
lung geplant" hatte. Die Tatherrschaft verschafft ihm dies alles nicht. Der Planung abgeleitet. „Persönliche Anwesenheit bei der Tat" sei nicht erforder-
BGH erwähnt auch dieses Kriterium nicht, sondern begnügt sich mit der lich; die Tat müsse auch nicht „in allen Einzelheiten abgesprochen sein".
Feststellung, daß der Angeklagte „mit Täterwillen und um sich eine zusätz- Maßgebend sei „der gemeinsame Wille, die gemeinsame Herrschaft über die
liche Einnahmequelle ... zu verschaffen handelte". Das sind die Merkmale Tat und irgendeine Förderung". Es dränge sich auf, daß der Angeklagte „die
der Dolus- und Interessentheorie, wie sie schon die Rspr. des RG bestimmt Tat als eigene wollte".
haben. Unter dem Gesichtspunkt der Tatherrschaftslehre liegt jedenfalls nur Hier wird unter Tatherrschaft nichts anderes als der „Täterwille" der
eine Teilnahme vor, wobei nach dem mitgeteilten Sachverhalt durchaus auch ursprünglichen subjektiven Theorie verstanden. Die „Willensbestärkung" des
eine Anstiftung in Betracht kommt. unmittelbar Ausführenden und die Mitwirkung an der Planung, mit denen

199
StrV 1997,411.
197 200
StrV 1996, 479. B G H R § 25 Abs. 2 Tatinteresse 5. Der Sachverhalt wird bei Puppe, AT/2, 2005, § 39, Rn. 5,
198
StrV 1997, 247. mitgeteilt, die das Urteil einer berechtigt herben Kritik unterzieht.
618 619

der BGH die Tatherrschaft begründen will, sind typische Beihilfehandlungen. Der BGH beschränkt aber die mittelbare Täterschaft nicht, wie es der
Die Entscheidung trägt also zu einer erheblichen begrifflichen Verunklarung 2. Senat noch vor einigen Jahren getan hatte (vgl. oben Nr. 35, S. 609), auf
der Rechtsprechung zur Täterlehre bei. vorsatzlose Werkzeuge. Vielmehr nimmt er nun unter Berufung auf BGHSt
40, 218 (oben Nr. 38, S. 610 ff.) auch dann eine mittelbare Täterschaft an,
48. Ein Urteil des 2. Senats vom 6.6.1997 201 beschäftigt sich mit der Ver- wenn die Besteller der Waren selbst vollverantwortliche Täter eines Betruges
antwortung von GmbH-Geschäftsführern für eine umweltgefährdende Ab- waren. Sie soll vorliegen, obwohl „keine konkrete Einwirkung oder auch nur
fallbeseitigung (§326 StGB). Sie waren dafür verantwortlich, daß die Abfälle aktuelle Kenntnis der Angeklagten in bezug auf die einzelnen Warenbestel-
an Abnehmer überlassen wurden, die nicht über die Möglichkeiten einer lungen festgestellt" werden konnte (wistra 1998, 150). Sie hatten lediglich
geordneten Abfallbeseitigung verfügten. Anders als noch im Urteil desselben angenommen, daß Bestellungen im bisherigen Umfang getätigt werden wür-
Senats vom 3.11.1993 (oben Nr. 35, S. 609) wird jetzt bei eigener Strafbar- den. Wie bei dieser Sachlage, bei der schon eine „konkludente" Anstiftung
keit des unmittelbaren Täters nicht mehr Mittäterschaft, sondern unter Beru- nicht leicht zu begründen ist, eine Tatherrschaft bejaht werden kann, bleibt
fung auf BGHSt 40, 218; 35, 347 (oben Nr. 38, S. 610 und Nr. 29, S. 602 ff.) undeutlich. Der B G H weist lediglich darauf hin, daß nach BGHSt 40, 236 die
eine mittelbare Täterschaft angenommen. Entscheidend sei, ob der Hinter- Rechtsfigur der Organisationsherrschaft „auch für unternehmerische Betäti-
mann „nicht nur Tatinteresse, sondern auch vom Täterwillen getragene Tat- gungen" gelte. Es hat danach beinahe den Anschein, als sollte der Unterneh-
herrschaft hat". Das sei hier „nicht zweifelhaft". Denn die Angeklagten hätten mer für alles, was in seinem Betrieb geschieht und von seinem Wissen und
„den Weg dahin eröffnet und vorgezeichnet, daß die Abfälle illegal entsorgt Wollen auch nur in sehr allgemeiner Form umfaßt ist, als mittelbarer Täter
wurden". zur Verantwortung gezogen werden. Eine solche, die Beweisführung wesent-
Das Urteil zeigt, wie die Rechtsprechung bei der mittelbaren Täterschaft lich vereinfachende Patentlösung läßt sich aber aus dem Tatherrschaftsprinzip
mehr und mehr auf die Tatherrschaft abstellt, aber auch, wie zunehmend nicht herleiten.
sorglos und ungenau sie mit diesem Begriff umgeht. Denn die Voraussetzun-
gen der in Bezug genommenen Präjudize lagen hier nicht vor, weil die zur 50. Ein Urteil des 5. Strafsenats vom 20.1.1998 203 betrifft einen Gehilfen-
Abfallbeseitigung herangezogenen Unternehmen nicht in die Organisations- beitrag im Rahmen der weithin bekannt gewordenen Reemtsma-Entführung.
struktur der eigenen Firma eingebunden waren und sich auch nicht in einem Das LG hatte eine Mittäterschaft des Angeklagten abgelehnt, weil dieser „zu
Verbotsirrtum befanden. Wer, ohne bei der Tatbestandserfüllung selbst mit- keinem Zeitpunkt das O b und Wie des tatbestandsmäßigen Geschehens
zuwirken, „den Weg dahin eröffnet und vorzeichnet", hat deshalb noch nicht beherrscht" habe. Der B G H läßt die tatrichterliche Würdigung mit bemer-
die Tatherrschaft. Vielmehr handelt es sich um ein typisches Anstifterverhal- kenswerter Begründung unbeanstandet. Er zitiert die immer wieder genann-
ten. Das Urteil zeigt die Gefahr, daß die Rechtsprechung nach der Anerken- ten „wesentlichen Anhaltspunkte" der normativen Kombinationstheorie und
nung des Täters hinter dem Täter über die in den Leitentscheidungen (oben fährt dann fort: „In Grenzfällen hat der BGH dem Tatrichter für die ihm
Nr. 38, S. 610; Nr. 29, S. 602) formulierten Einschränkungen hinweggehen obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das ange-
und die Bestimmung zur Tat entgegen der eindeutigen Regelung des §26 fochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt
StGB mehr und mehr als mittelbare Täterschaft beurteilen könnte. Dem sollte und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergeb-
Einhalt geboten werden. nis auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine an-
dere tatrichterliche Würdigung möglich gewesen wäre." Gegen eine Mittäter-
49. Auch ein Urteil des 4. Senats vom 11.12.1997 202 schreitet auf der Bahn schaft spreche auch, daß der Angeklagte sich für seine Beiträge unabhängig
einer raschen Bejahung der mittelbaren Täterschaft fort. Die Angeklagten vom Erfolg habe entlohnen lassen. „Wer einen Tatbeitrag ohne Rücksicht auf
hatten als die faktischen Geschäftsführer einer G m b H den Betrieb trotz Zah- einen erfolgreichen Ausgang der Tat erbringt, hat regelmäßig kein primäres
lungsunfähigkeit weitergeführt und dadurch eine betrügerische Schädigung Interesse am Taterfolg ..."
von Lieferanten bewirkt. Der BGH sieht das als eine mittelbare Täterschaft Das Urteil bestätigt die bedenkliche Tendenz der neueren Rechtsprechung,
beim Betrug an. Dem ist ohne weiteres zuzustimmen, wenn die Angestellten, die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe immer weiter von klaren
die die Warenbestellungen aufgaben, gutgläubig waren, also die Zahlungs- begrifflichen Vorgaben zu lösen und sie einer unüberprüfbaren Beurteilung
unfähigkeit nicht kannten. Denn dann handelten die Geschäftsführer als mit- des Tatrichters zu überlassen. Es ist nicht zu verkennen, daß dies der Rechts-
telbare Täter durch vorsatzlose „Werkzeuge". sicherheit äußerst abträglich ist und die Beteiligungsformen entgegen dem
Willen des Gesetzes bloßen Strafzumessungsregeln annähert. Bemerkenswert

201
NStZ 1997, 544.
202 203
wistra 1998, 148. StrV 1998,540.
620 621

ist, welches Gewicht der BGH bei der danach erforderlichen Abwägung auch gern heranzieht, hier nicht zurückgreift. Deren Annahme wäre auch verfehlt
hier wieder dem Kriterium des Interesses zumißt. gewesen. Aber eine Mittäterschaft läßt sich auch mit der normativen Kombi-
Weitere Entscheidungen der Jahre 1998 und 1999 setzen diese Rechtspre- nationstheorie des B G H nicht einmal begründen. So bestätigt der Beschluß
chung fort. Ein Beschluß des 4. Senats vom 15.12.1998 204 bestraft als Mittäter einmal mehr das in der Rechtsprechung nicht selten anzutreffende Strafwür-
eines Betruges einen Angeklagten, der an den Verhandlungen mit der betro- digkeitsgefühl als Kriterium der Abgrenzung.
genen Versicherungsgesellschaft nicht beteiligt war, durch einen vorgetäusch-
ten Unfall aber eine Voraussetzung dafür geschaffen hatte. Zur Begründung 53. Ein Urteil des 1. Senats vom 13.2.2001 210 stützt eine Mittäterschaft des
wird das eigene Tatinteresse des Angeklagten angeführt. Ein Urteil des Angeklagten beim Betrug außer auf sein Interesse an der Tatverwirklichung
5. Senats vom 21.4.1999 205 nimmt unter Berufung auf den oben geschilderten auch auf das hier zutreffend interpretierte Kriterium der Tatherrschaft. Der
Entführungsfall eine Mittäterschaft am Mord an; diese erfordere „nicht zwin- Angeklagte hatte mit zwei Komplizen eine von vornherein auf Betrug ange-
gend eine Mitwirkung am Kerngeschehen". Ein weiteres Urteil desselben legte G m b H betrieben und selbst auch betrügerische Handlungen vorgenom-
Senats vom 15.7.1999 206 betont, für eine Mittäterschaft reiche „ein auf der men. „Somit hatte er Tatherrschaft inne", sagt der B G H mit Recht (a. a. O.,
Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder 218). Daß ihm auch die Betrugshandlungen seiner Komplizen zugerechnet
Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung wurden, ergibt sich, wie der B G H zutreffend sieht, daraus, daß die „Mittäter-
beschränken kann". In einem Urteil des 4. Senats vom 22.7.1999 207 werden schaft auf dem Prinzip des arbeitsteiligen Handelns beruht", das eine wech-
die Angeklagten auf Grund der formelhaften Wendungen der normativen selseitige Zurechnung der Tatbeiträge ermöglicht.
Kombinationstheorie als Mittäter einer Brandstiftung beurteilt, obwohl sie Auch zwei weitere Entscheidungen desselben Jahres befassen sich mit der
nicht an dieser selbst, sondern nur „an der Herstellung und dem Transport Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme beim Betrug. Ein Beschluß
des Brandsatzes sowie an der Auswahl des Angriffsortes beteiligt" waren. des 1. Senats vom 7.11.2001 2 U beurteilt Scheckfälscher nur als Gehilfen der
von ihren Auftraggebern mit den gefälschten Schecks begangenen Betrüge-
51. Ein Urteil des 5. Strafsenats vom 8.11.1999 208 bejaht im Anschluß an reien, weil sie auf die mit ihnen nicht im einzelnen abgesprochenen Betrugs-
BGHSt 40, 218 (oben Nr. 38, S. 610 ff.) eine mittelbare Täterschaft von Mit- taten keinen Einfluß hatten. Der B G H begründet das nicht mit der fehlenden
gliedern des Politbüros der DDR für die vorsätzliche Tötung von Flüchtlin- Tatherrschaft der Scheckfälscher, sondern - was im Ergebnis auf dasselbe hin-
gen durch Grenzsoldaten der DDR. Die Entscheidung folgt in den entschei- ausläuft - auf ihre „untergeordnete Rolle", betont aber gleichwohl, daß
denden Punkten ihrer Vorgängerin fast wörtlich, bringt also nichts substantiell grundsätzlich auch eine Beteiligung an Vorbereitungshandlungen Mittäter-
Neues. Insbesondere wiederholt sie auch die problematische These, daß die schaft begründen könne. Auf derselben Linie liegt ein Beschluß des 3. Senats
Rechtsfigur der Organisationsherrschaft auch bei „unternehmerischen oder vom 14.11.2001. 212 Er wiederholt die stehenden Wendungen der normativen
geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen" in Betracht komme (a.a.O., Kombinationstheorie, betont (wie BGH NJW 1999, 2449), daß „Mittäter-
296). schaft nicht zwingend auch eine Beteiligung am Kerngeschehen" erfordere,
will dann aber eine bloße Absatzzusage für ihre Annahme auch nicht ausrei-
52. Ein Beschluß des 1. Senats vom 28.3.2000 209 läßt schon das bewußte chen lassen. Beide Beschlüsse lassen - in dem durch die bisherige Rechtspre-
„Bestärken des Tatwillens des die Tat ausführenden anderen" für eine Mit- chung vorgegebenen Rahmen - bei der Bejahung von Mittäterschaft wieder
täterschaft beim Betrug genügen. Natürlich kann hier von Tatherrschaft, Tat- eine etwas restriktivere Tendenz erkennen. Diese setzt sich fort in einem
herrschaftswillen oder auch nur einem nennenswerten Umfang der Tatbeteili- Beschluß des 3. Senats vom 3.4.2002, 213 wonach die Mitwirkung als „Tele-
gung nicht die Rede sein. Aber es war nicht einmal ein Eigeninteresse fonist" in einer zu betrügerischen Zwecken eingerichteten Telefonstube für
gegeben, weil beide „Mittäter" „zum Vorteil des gemeinsamen Arbeitgebers" die Annahme von Mittäterschaft bei den Betrügereien nicht ausreichen soll.
handelten. Der für den BGH entscheidende Gesichtspunkt war anscheinend
derj daß der Angeklagte der Vorgesetzte des unmittelbar Handelnden war. 54. Auch ein Urteil des 5. Senats vom 26.6.2001 2 H stützt eine Mittäter-
Dabei ist bemerkenswert, daß der BGH auf die mittelbare Täterschaft, die er schaft des Angeklagten beim versuchten Betrug vornehmlich auf die Tatherr-
bei hierarchischen Verhältnissen sonst seit BGHSt 40, 218 (Nr. 38, S. 610 ff.) schaft. Der Angeklagte hatte als Anwalt für den (unrechtmäßigen) Besitzer
ein Steinmosaik aus dem „Bernsteinzimmer" verkaufen sollen. Da er die Tat

204
StrV 1999,317.
205 2.0
N J W 1999,2449. wistra 2001, 217f.
206 2.1
NStZ 1999,609. N S t Z 2 0 0 2 , 145 f.
212
207 N W j 1999, 3 i 3 i (3132). NStZ2002,280f.
208 2,3
BGHSt 45, 270ff. (293 ff.). NStZ 2002, 482.
209 214
wistra 2000, 270 (272). wistra 2001, 420 (421).
622 623

„eigenhändig geplant, vorbereitet und ... konkret angebahnt" hatte, lag „die ihm von der neueren Rechtsprechung zugebilligten Beurteilungsspielraum
Tatherrschaft nahezu ausschließlich beim Angeklagten". Daneben komme überschritten habe. Er begründet dann die Annahme der Mittäterschaft da-
dem eigenen Tatinteresse „allenfalls eine marginale indizielle Bedeutung zu". mit, daß der Angeklagte sich sehr um die Ukrainer gekümmert (Abholung,
Das Urteil ist ein erfreuliches Beispiel für das Vordringen des Tatherrschafts- Bezahlung .einer Unterkunft, Abschluß einer Krankenversicherung, Kauf
gedankens auch bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe in der eines Gebrauchtwagens) und auch einige Einzelheiten der Ausführung mit
Rechtsprechung. Aber eine deutliche Tendenz läßt sich daraus nicht ableiten, ihnen besprochen habe. Das alles hat aber mit einer gemeinschaftlichen Aus-
solange in anderen Entscheidungen das Tatinteresse zum entscheidenden Mit- führung nichts zu tun. Tatsächlich ist wohl das besondere Eigeninteresse des
täterschaftskriterium erhoben wird. Angeklagten für die Bejahung seiner Mittäterschaft ausschlaggebend gewesen.
Der Fall zeigt, daß der BGH von einer Verabschiedung der Interessentheorie
55. In einem Urteil des 2. Senats vom 31.10.2001 215 ging es um Mittäter- immer noch weit entfernt ist.
schaft oder Beihilfe bei einem Banküberfall. Der BGH operiert mit den her-
gebrachten Formeln und der auch aus anderen Entscheidungen übernomme- 58. Ein Urteil des 5. Senats vom 24.10.2002 218 gründet die Mittäterschaft
nen These, daß eine „Mitwirkung am Kerngeschehen" für eine Mittäterschaft des Angeklagten bei einem von einer Organisation betriebenen Alkohol-
nicht zwingend erforderlich sei, läßt dann aber die Annahme des LG, es liege schmuggel unter Heranziehung der üblichen Formeln auf Interesse und Tat-
nur Beihilfe vor, unbeanstandet, weil der Angeklagte bei der geplanten Tat herrschaft gleichermaßen. Der Angeklagte habe, was sein „erhebliches Eigen-
kein wesentliches Mitspracherecht gehabt habe. Bemerkenswert ist die hier interesse" begründe, aus dem Schmuggel eine Einnahmequelle gemacht. Er
wie schon in anderen neueren Urteilen hervortretende Tendenz, dem Tatrich- habe aber auch „die Tatherrschaft ... über einen wichtigen Teil des Gesamtge-
ter einen Beurteilungsspielraum bei der Abgrenzung von Täterschaft und schehens" innegehabt. Schon der letztgenannte Umstand hätte zur Begrün-
Teilnahme einzuräumen. „Daß eine andere tatrichterliche Beurteilung mög- dung seiner Täterschaft ausgereicht, weil der Angeklagte zur Ausführung der
lich gewesen wäre, macht das gefundene Ergebnis nicht rechtsfehlerhaft." Schmuggelei wesentliche Beiträge geleistet hatte.

56. Ein Beschluß des 1. Senats vom 26.6.2002 216 lehnt die Annahme einer 59. Ein Urteil des 5. Senats vom 6.11.2002 219 setzt die Rechtsprechung zur
Mittäterschaft bei einem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer (§316 a) mit mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft fort (im Anschluß an
Recht ab. Der Angeklagte war bei der Tat anwesend und hatte sie gebilligt. Es BGHSt 40, 218 und BGHSt 45, 270, oben Nr. 38, 51). In dieser Entscheidung
ließ sich aber weder eine - sei es auch konkludente - Tatvereinbarung noch werden Mitglieder des Politbüros des Zentralkomitees der SED für die vor-
eine psychische Bestärkung des Täters durch den Angeklagten feststellen. Die sätzliche Tötung von Flüchtlingen durch Grenzsoldaten der D D R als mittel-
Entscheidung ist richtig, trägt aber zur Abgrenzung von Mittäterschaft und bare Täter durch Unterlassen bestraft, weil sie gegen die Tötungen an der
Beihilfe nichts bei. Die Mittäterschaft scheitert am Fehlen eines gemeinsamen Mauer nicht eingeschritten waren.
Tatentschlusses. Aber nicht einmal eine Beihilfe läßt sich begründen, wenn Das Urteil wirft hinsichtlich der Kausalität und der Garantenstellung der
keine Bestärkung des Tatentschlusses durch den Angeklagten feststellbar ist. Angeklagten schwierige Fragen auf, die aber außerhalb der hier allein zu
behandelnden Probleme von Täterschaft und Teilnahme liegen. Geht man
57. Die Abgrenzung zwischen Anstiftung und Mittäterschaft erörtert ein davon aus, daß die Angeklagten für die Nichtverhinderung der Tötungshand-
Urteil des 3. Senats vom 17.10.2002. 217 Der Angeklagte wollte den „Hallen- lungen kausal waren und für die Abwendung solcher Taten auch als Garanten
komplex" eines ihm gehörenden Grundstücks zerstören und hatte für die einzustehen hatten, so waren sie allerdings Tötungstäter durch Unterlassen.
dazu erforderlichen Taten (Sprengstoffexplosion und Brandstiftung) zwei Eine Tatherrschaft und eine mittelbare Täterschaft kann man ihnen aber im
Ukrainer angeworben. Die Vorinstanz hatte - zutreffend - eine Anstiftung Gegensatz zur Auffassung des BGH nicht zusprechen. Denn durch Unter-
angenommen und das damit begründet, daß der Angeklagte zwar ein über- lassen kann man keine Kausalverläufe steuern und keine Tatausführungen
wiegendes Interesse an der Tat gehabt habe, an der Tatausführung aber nicht beherrschen. Die Täterschaft der Angeklagten ergibt sich vielmehr daraus,
beteiligt gewesen und auf sie auch keinen ausschlaggebenden Einfluß aus- daß Unterlassungstaten Pflichtdelikte sind, bei denen die Garantenstellung
geübt habe. allein die Täterschaft begründet. Insoweit sei auf die eingehenden Darlegun-
Der BGH stützt demgegenüber die Annahme von Mittäterschaft auf seine gen an anderer Stelle dieses Buches verwiesen (S. 458 ff., S. 750 ff.). Wenn aber
normative Kombinationstheorie, bei deren Anwendung das Tatgericht den die Täterschaft der Angeklagten auf ihrer Pflichtenstellung und nicht auf

2,5 218
StrV2002, 421 f. wistra2003, 100(102).
216 219
NStZ2003, 85. BGHSt 48, 77; dazu Knauer, NJW 2003, 3101; Ranft, JZ 2003, 582; Otto, JK 9/03, StGB
217
NStZ2003,253f. § 13/34.
624 625

einer vom BGH unterstellten Tatherrschaft beruhte, lag eine unmittelbare Der BGH will hier eine fahrlässige Tötung durch Z annehmen. Er prüft
Unterlassungstäterschaft und nicht eine mittelbare Täterschaft vor. Der BGH eine eventuelle Straflosigkeit unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung
hat das Problem gesehen, sich aber nicht zu einer entschiedenen Stellung- bzw. der einverständlichen Fremdgefährdung, lehnt dies aber ab, indem er
nahme herausgefordert gefühlt. Denn er sagt unter Bezugnahme auf die von dem Angeklagten die Tatherrschaft zuspricht. „Der Angekl. hat seine Gefähr-
mir vertretene Meinung nur (a.a.O., 98f.): „Manche ... Autoren nehmen statt dungshandlungen bewußt vorgenommen und dabei in extremer Weise im
mittelbarer Täterschaft .unmittelbare Unterlassungstäterschaft' an ..., was für Widerspruch zu jedem medizinischen Alltagswissen gehandelt ... Auch die
die Praxis auf ein gleichwertiges Ergebnis hinausläuft." Hier ist also vielleicht Vorspiegelung des Lebensmüden, von einem (unbekannten) Dritten am
auch in der Rechtsprechung das letzte Wort noch nicht gesprochen. Nachmittag gerettet zu werden, begründet keinen die Tatherrschaft des
Angekl. in Frage stellenden Irrtum."
60. Ein Urteil des 4. Senats vom 20.3.2003 220 betrifft einen zwischen K Das ist aber irrig. Denn da der B G H einen Tötungsvorsatz des Z nicht in
und W verabredeten Raub. „Über Schläge hatten beide nicht gesprochen." K Erwägung zieht, kann seine noch so erhebliche Fahrlässigkeit nichts daran
brachte dabei dem Opfer durch Schläge ins Gesicht und Fußtritte gegen den ändern, daß das Opfer einen Suizid in mittelbarer Täterschaft begangen hat:
Körper eine gefährliche Körperverletzung bei (§ 224). Der W „stand in einer Er hat vorsätzlich seinen Tod mit Hilfe eines unvorsätzlich handelnden
Entfernung von einigen Metern wie unbeteiligt dabei", weil er anscheinend Werkzeugs verwirklicht. Die fahrlässige Förderung eines Selbstmordes, wie
meinte, daß K seine Unterstützung nicht brauche. sie danach allein übrigbleibt, ist aber straflos; das ist auch in der Recht-
Der BGH will den W als Mittäter der gefährlichen Körperverletzung ver- sprechung anerkannt (BGHSt 24, 342). Der B G H bestreitet zwar, daß „der
urteilt sehen, weil er sich „von den tätlichen Angriffen des Mitangeklagten, Lebensmüde den Angekl. über das zum Tode führende Geschehen ge-
die dem gemeinsamen Ziel der Beuteerlangung dienten, in keiner Weise täuscht und ihn mit Hilfe des hervorgerufenen Irrtums zum Werkzeug
distanziert hat". Das geht aber entschieden zu weit und steht auch in Wider- gegen sich selbst gemacht" hat. Das ist aber nach den Sachverhalts-
spruch zu der ein Jahr zuvor ergangenen Entscheidung des 1. Senats (oben feststellungen unbestreitbar: Denn ein vorsätzlich Handelnder, der sich
Nr. 56, S. 622), wonach die bloße Anwesenheit am Tatort und die Billigung eines fahrlässigen unmittelbar Handelnden bedient, ist immer mittelbarer
der Tat für eine Mittäterschaft nicht ausreichen. Der B G H will den gemein- Täter.222
samen Tatentschluß auf ein „stillschweigend vereinbartes" Einverständnis
stützen; eine solche konkludente Vereinbarung ist aber ein „positives Tun", 62. Die Abgrenzung von Anstiftung und Mittäterschaft beim Mord ist
das nicht schon aus einem unbeteiligten Dabeistehen gefolgert werden kann. Gegenstand eines Urteils des 2. Senats vom 15.10.2003. 223 Die Angeklagte
Erst recht fehlt es an jeglicher Mitwirkung bei der Ausführung, sei es auch und ihr Liebhaber (K) beschlossen, den früheren Partner der Angeklagten
nur im Stadium der Vorbereitung. Das Urteil vermeidet denn auch jede Beru- (N) zu erschießen, weil dieser sie nicht freigeben wollte. Bei einer Aussprache
fung auf die sonst stets herbeizitierte normative Kombinationstheorie der der drei im Auto des N erschoß K den N . Die Angeklagte war daran nicht
Rechtsprechung, weil nicht einmal diese zur Begründung einer Mittäterschaft unmittelbar beteiligt.
getaugt hätte. Trotzdem beurteilt der B G H sie unter Heranziehung der normativen
Kombinationstheorie als Mittäterin. Er stützt sich dabei einerseits auf ihr
61. Der verkappte Fall einer mittelbaren Täterschaft war Gegenstand eines „eigenes starkes Interesse" („da sie sich durch N erheblich belästigt fühlte").
Urteils des 5. Senats vom 20.5.2003. 221 In diesem Fall hatte ein Schwerst- Danach sei die Annahme des LG, „die Angekl. ... habe die Tötung des N
behinderter, der seinen dringenden Suizidwunsch wegen völliger körperlicher nicht als eigene gewollt, nicht nachzuvollziehen". Außerdem habe die Ange-
Lähmung nicht mit eigener Hand verwirklichen konnte, einen Zivildienst- klagte auch insoweit Tatherrschaft gehabt, „als sie die Tötung durch ... K
leistenden (Z) veranlaßt, „ihn in Müllsäcke verpackt in einen Müllcontainer unschwer hätte verhindern können". Das ist jedoch ein fehlgehendes Argu-
zu legen. Auf Nachfragen des Z versicherte er, dies schon öfter gemacht zu ment. Denn die Möglichkeit der Tatverhinderung begründet keineswegs eine
haben, und daß seine Bergung aus dem Container am Nachmittag sicher sei. Tatherrschaft; auch ein Gehilfe und selbst ein überhaupt nicht beteiligter
Der Angeklagte erfüllte in dem Bestreben, dem ihm anvertrauten Schwefst-
behinderten so gut wie möglich zu helfen, alle ... Anweisungen, ohne sie kri-
tisch zu hinterfragen." Der Behinderte kam dabei durch Ersticken zu Tode, 222
Vgl. in diesem Fall auch Roxin, A T / 1 4 , 2006, § 11, Rn. 126ff. Einen ähnlichen Sachverhalt
wie er es geplant hatte. hat auch das O L G N ü r n b e r g (JZ 2003, 745 m. abl. Anm. Engländer) entschieden: Hier
hatte ein Mann sich in Selbsttötungsabsicht von seiner Frau erschießen lassen, indem er ihr
vorgespiegelt hatte, die Pistole sei ungeladen. Auch dies war ein klarer Fall von Selbstmord
in mittelbarer Täterschaft, an dem die Frau fahrlässig mitgewirkt hatte. Für den B G H und
das O L G Nürnberg jedoch Herzberg, N S t Z 2004, 1 (6); ders., Jura 2004, 670; dagegen
220 Engländer, Jura 2004, 234 (237f.).
N S t Z 2 0 0 3 , 662 f. 223
221
NStZ 2003, 537. NStZ-RR2004,40f.
626 627

Außenstehender kann sie haben. 224 So bleibt der vom BGH im Sinne der Umsatz gerichtete Tätigkeit, auch die nur gelegentliche oder einmalige, auch
Interessentheorie interpretierte Wille, die Tat „als eigene" zu begehen, als ent- die bloß vermittelnde" 227 . Es treibt also auch derjenige Handel, der selbst
scheidendes Kriterium übrig (ähnlich wie in der in Nr. 57, S. 622 f., behan- keine Umsatzgeschäfte tätigen, sondern nur fremde Geschäfte fördern will;
delten Entscheidung). Die dem B G H oft bescheinigte Annäherung an die auch ist es nicht nötig, daß der erstrebte Umsatz tatsächlich erreicht wird.
Tatherrschaftslehre ist, wie dieser Fall wieder zeigt, gerade bei Bejahung der Das ist eine Auslegung, die bei eigennützigem Handeln jede noch so entfernte
Mittäterschaft nicht substantieller, sondern nur formelhafter Art. Mitwirkung als unmittelbar tatbestandserfüllend beurteilt und daher, wenn
man die eigenhändige Tatbestandserfüllung als täterschaftsbegründend an-
63. Zwei weitere Entscheidungen behandeln die Täterschaft bei der sieht, praktisch zum Einheitstäterbegriff führen müßte. Um dies zu vermei-
Untreue (§266), einem Delikt also, das in diesem Buch (S. 352 ff., 355 ff.) als den, schränkt die Rechtsprechung die Täterschaft wieder ein, indem sie mit
eines der Hauptbeispiele für ein „Pflichtdelikt" angeführt wird, bei dem nach Hilfe der von ihr zur Täterschaftsermittlung auch sonst verwendeten subjek-
meiner Auffassung nicht die Tatherrschaft, sondern allein die Verletzung der tiven und objektiven Kriterien teils Täterschaft, teils Teilnahme bejaht. Das
tatbestandsspezifischen Sonderpflicht die Täterschaft begründet. sieht wie eine Rückkehr zur extrem-subjektiven Theorie aus, indem es die
Ein Beschluß des 4. Senats vom 25.11.2003 225 hatte den Fall zu entschei- Möglichkeit bloßer Beihilfe trotz eigenhändiger Tatbestandserfüllung impli-
den, daß ein „Vertragsarzt der sozialen Krankenversicherung" einem Patien- ziert. Doch geht es dabei wohl mehr um die Korrektur einer zu weiten Tat-
ten „nicht notwendige Mengen eines Arzneimittels" verschrieben hatte, um bestandsausdehnung. Wenn man das Handeltreiben als das Tätigen eigener
dem Patienten eine „Verwertung der nicht benötigten Übermenge" zu er- Umsatzgeschäfte definieren würde, würden dieselben Täterkriterien die Aus-
möglichen. Der BGH will den Arzt als Täter einer Untreue bestraft sehen, dehnung der Mittäterschaft über die Fälle persönlicher Tatbestandserfüllung
lehnt aber eine Mittäterschaft des Patienten „mangels eigener Pflichtenstel- hinaus begründen können. Es werden daher im folgenden aus den Aus-
lung" ab. Achenbach sieht darin (a. a. O.) eine Anerkennung der Lehre von legungsschwierigkeiten, die § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG der Rechtsprechung be-
den Pflichtdelikten. Das ist im Hinblick auf das Ergebnis der vorliegenden reitet, keine Rückschlüsse auf das Eigenhändigkeitsproblem gezogen; auch
Entscheidung sicher richtig. Inwieweit auch die Begründung dieser Lehre die Rechtsprechung hat das nicht getan. Im übrigen ergibt sich das nach-
folgt, läßt sich den mitgeteilten Beschlußauszügen nicht entnehmen. stehende Bild.
Nach einem Urteil des 5. Senats vom 13.5.2004 226 können die Vorstands-
mitglieder einer Konzerngesellschaft der Untreue zum Nachteil abhängiger 64.1. In einem Urteil des 3. Strafsenats vom 4.10.1978 228 ging es um die
Tochtergesellschaften schuldig sein. Auf Grund ihrer „Leitungsmacht im Tätigkeit eines Kuriers, der gegen Entgelt Rauschgift von Amsterdam nach
Konzern" liege „die Annahme einer mittelbaren Täterschaft kraft Organisa- Düsseldorf transportiert hatte. O b er Täter oder Teilnehmer des „Handeltrei-
tionsherrschaft nahe" (a.a.O., 163). Das Urteil reiht sich also in die Kette der bens" war, will der BGH nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien ent-
Entscheidungen ein, die die Rechtsfigur der Organisationsherrschaft auf scheiden: „Wesentliche Anhaltspunkte können hierbei der Grad des eigenen
Wirtschaftsunternehmen übertragen (vgl. oben Nr. 48, S. 618; Nr. 49, S. 618) Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft
und ist den dagegen zu erhebenden Einwänden ausgesetzt (näher unten des Beschuldigten sein." Wegen der selbständigen „Gestaltung des Trans-
S. 715 ff.). Der richtige Begründungsansatz hätte auch hier (wie im Fall Nr. ports" und der Belohnung, die dem Angekl. versprochen worden war, nimmt
59, S.. 623 f.) in der Lehre von den Pflichtdelikten gelegen. Denn wenn die der BGH eine Täterschaft an. Dem wird man im Ergebnis zustimmen kön-
Angeklagten ihre Vermögensbetreuungspflicht verletzt haben, macht schon nen. Denn auch wenn man als in eigener Person Handeltreibende nur die bei-
dieser Umstand allein sie zum Täter einer Untreue, ohne daß es auf ihre Tat- den Partner des Geschäftes ansieht, erfüllt der Angeklagte doch durch seine
herrschaft ankäme. selbständige Kuriertätigkeit eine wesentliche Funktion beim Zustandekom-
men der Transaktion und war deshalb Mittäter.
64. Eine Reihe von Entscheidungen, die wegen ihrer thematischen Zusam-
mengehörigkeit hier geschlossen behandelt werden sollen, beschäftigt sich 64.2. Ein Beschluß des 2. Strafsenats vom 25.3.1981 2 2 9 bemängelt, daß das
mit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei der Einfuhr von bzw. Instanzgericht bei den Einzelakten eines fortgesetzten „Handeltreibens"
beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Die nicht jeweils genau untersucht habe, ob Mittäterschaft oder Beihilfe vorliege.
Rechtsprechung bevorzugt „eine weite Auslegung des Begriffs des Handel- Bei der Mittäterschaft müsse jeder „seinen Tatbeitrag als Teil der Tätigkeit des
treibens"; danach „versteht man unter Handeltreiben jede eigennützige, auf anderen und umgekehrt die Tätigkeit des anderen als Ergänzung seines eige-

224
Schon BGHSt 11, 268 ff. (oben S. 100f.) und BGHSt 37, 289 (oben Nr. 33, S. 606 ff.) waren
227
diesem Irrtum erlegen; vgl. dazu näher oben S. 310ff. BGH NJW 1979, 1259.
225 228
Mitgeteilt von Achenbach, NStZ 2004, 551. NJW 1979, 1259.
226 229
BGHSt 49, 147ff. StrV1981,275f.
628 629

nen Tatanteils wollen". O b jemand „dieses enge Verhältnis zur Tat haben" 64.5. Dieselben Formeln (Interesse, Umfang der Tatbeteiligung, Tatherr-
wolle, sei „nach den gesamten Umständen ... in wertender Betrachtung zu schaft oder wenigstens Wille zur Tatherrschaft) werden auch vom 1. Straf-
beurteilen". Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung könnten gefunden senat in einem Beschluß vom 25.3.1982 232 übernommen. Überraschend ist
werden „im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der aber, daß die Entscheidung im Ergebnis eine andere Tendenz aufweist als der
Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tat- Beschluß desselben Senats vom 21.7.1981 (oben Nr. 64.3, S. 628). Der Ange-
herrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Wil- klagte hatte auf Drängen anderer einen Rauschgifthändler „angerufen und ...
len des Angeklagten abhängen". gefragt, ob er Heroin bringen könne". Bei dem weiteren Geschehen war er
Dabei wird nicht ganz klar, wodurch sich der „Umfang der Tatbeteili- zwar dabei, „schaltete sich jedoch nicht aktiv ein". Ihm war auch nicht nach-
gung", die „Tatherrschaft" und der „Wille zur Tatherrschaft" voneinander zuweisen, daß er an dem Geschäft etwas verdient hatte. Er hatte aber insofern
unterscheiden sollen. Aus dem abschließenden Konsekutivsatz ist jedoch zu eigennützig gehandelt, als er erhebliche Schulden bei einem Mitangeklagten
entnehmen, daß alle drei Kriterien am Ende auf die Tatherrschaft hinauslau- hatte; er konnte sie durch seine Vermittlung entweder abtragen oder doch
fen, so daß diese also - wie im Falle 64.1 - neben dem Eigeninteresse als das erreichen, „daß sein Gläubiger mit der Darlehensrückzahlung nicht mehr
Hauptmerkmal der Täterschaft erscheint. Die bei vielen Sachgestaltungen drängen würde".
entscheidende Frage, ob Täterschaft anzunehmen ist, wenn bei einem Betei- Der Angeklagte war von der Strafkammer allein wegen dieses Eigeninter-
ligten zwar ein Eigeninteresse, aber keine Tatherrschaft, oder die Tatherr- esses als Mittäter verurteilt worden. Der B G H änderte den Schuldspruch und
schaft, aber kein Eigeninteresse vorliegt, bleibt offen. nahm nur eine Beihilfe an. Das Landgericht habe „allein auf mögliche finan-
zielle Vorteile des Angekl. ... abgestellt. Das genügt nicht." Hier soll also die
64.3. Zu dieser Frage äußert sich der 1. Strafsenat in einem Beschluß vom Tatsache, daß der Angeklagte nur im Vorbereitungsstadium mitgewirkt hatte
21.7.1981. 230 In diesem Fall gehörte der Angeklagte nicht selbst zu den Part- und beim Geschäftsabschluß selbst nicht beteiligt war, seine Täterschaft aus-
nern des Heroingeschäftes, sondern war „zwischen dem sich im Hintergrund schließen. Der darin sichtbar werdende Grundsatz, daß die mangelnde Teil-
haltenden Heroinbesitzer und dem in Aussicht genommenen Käufer" als habe an der Tatherrschaft - das Fehlen einer wesentlichen Funktion im Aus-
Überbringer von Heroinproben und Geldscheinen hin- und hergefahren. führungsstadium - eine Mittäterschaft auch bei vorhandenem Eigeninteresse
Seine Tätigkeit war „für das angestrebte Geschäft unabdingbar", so daß er bei ausschließt, ist vom hier vertretenen Standpunkt aus völlig zutreffend. Die
dessen Zustandekommen als Mitträger der funktionellen Tatherrschaft in Entscheidung steht aber in merkwürdigem Widerspruch zum Beschluß vom
Erscheinung trat; er hatte in „zähen, rund 5stündigen Verhandlungen" 21.7.1981, wonach gerade das Interesse des Angekl. am Abschluß des
wesentlichen Einfluß auf den Geschäftsabschluß genommen. Gleichwohl Geschäfts „wesentliche Bedeutung" für seine Täterschaft haben soll. Ermög-
meint der BGH, daß dies für eine Bejahung der Täterschaft noch nicht ge- licht werden solche gegenläufigen Entscheidungen dadurch, daß die Recht-
nüge. Vielmehr sei das von der Strafkammer nicht geprüfte „Interesse des sprechung es vermeidet, für die wertende Gewichtung der verschiedenen
Angekl. am Abschluß des Geschäfts von wesentlicher Bedeutung". Das Anhaltspunkte verbindliche Regeln aufzustellen.
erweckt den Anschein, als ob das Interesse ein gegenüber der Tatherrschaft
vorrangiges Kriterium der Täterschaft sein solle. Allerdings wird die Aus- 64.6. Zu einer Ablehnung der Mittäterschaft führt auch eine Entscheidung
sagekraft der Entscheidung dadurch gemindert, daß nicht deutlich wird, ob des 3. Strafsenats vom 6.7.1983. 233 Der Angeklagte war an der Einfuhr von
mit dem geforderten Interesse ein generelles Täterschaftskriterium oder ein in Haschisch weder persönlich noch wirtschaftlich interessiert und hatte sich
den Begriff des „Handeltreibens" hineininterpretiertes und auf §29 Abs. 1 auch geweigert, „selbst eine Haschischplatte über die Grenze zu tragen". Er
Nr. 1 BtMG beschränktes subjektives Tätermerkmal der „Eigennützigkeit" hatte sich aber auf Bitten seiner Begleiter (u. a. seines Bruders) bereit erklärt,
gemeint ist. „die Grenze als Vorläufer zu überschreiten" und „ein Zeichen zu geben, falls
die Gefahr der Entdeckung drohe".
64.4. Ein Beschluß des 2. Senats vom 18.9.1981 231 betont noch einmal die Der BGH stützt seine Ablehnung einer Mittäterschaft auf die subjektive
Übereinstimmung mit dem Beschluß desselben Senats vom 25.3.1981 (oben Theorie. Weil der Angeklagte kein Interesse an der Tat gehabt habe und zu
Nr. 64.2, S. 627), daß auch bei fortgesetztem Handeltreiben für jeden Einzel- seinem Beitrag erst habe überredet werden müssen, liege es nahe anzuneh-
akt geprüft werden muß, ob Mittäterschaft oder Beihilfe vorliege. Dabei wer- men, daß er „mit seinem Tatbeitrag lediglich die Tat seiner Begleiter fördern
den die in dem vorhergehenden Beschluß für die Abgrenzung beider Beteili- wollte und ihn nicht als eigene, vom Täterwillen getragene Handlung ansah".
gungsformen benutzten Wendungen wörtlich wiederholt. Gegenüber diesen extrem subjektiven Formulierungen wäre vom Standpunkt

230 232
NStZ 1981, 394. NStZ 1982, 243.
231 233
StrV1982, 17. StrV 1983, 461.
630 631

der Tatherrschaftslehre darauf abzustellen, ob die Tätigkeit als „Vorläufer" Der B G H geht von einem subjektiven Ausgangspunkt aus („so ist er als
beim unentdeckten Überschreiten der Grenze eine wesentliche Rolle spielte. Mittäter anzusehen, wenn er die Tat als eigene wollte"), will diesen Täterwil-
Das ist Tatfrage, aber eher zu bejahen, so daß durchaus eine Mittäterschaft in len aber in „wertender Betrachtung" ermitteln, für die im wesentlichen die
Betracht kam. Der Umstand, daß der Angeklagte sich zum „Mitmachen" erst Kriterien des Interesses und der Tatherrschaft maßgeblich sein sollen. Inso-
überreden lassen mußte, wäre dann bei der Strafzumessung zu berücksich- weit bringt das Urteil nichts Neues. Es neigt sich aber eindeutig der Tatherr-
tigen. schaftslehre zu, indem es das erhebliche finanzielle Interesse des Angeklagten
zur Bejahung der Mittäterschaft nicht ausreichen läßt, sondern statt dessen
64.7. Um die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe bei der uner- auf den Anteil an der Beherrschung des Geschehens abstellt. „Es kann als ein
laubten Einfuhr von Betäubungsmitteln geht es auch in einem Beschluß des ausschlaggebender Umstand angesehen werden, daß der Angekl. auf die
2. Strafsenats vom 25.1.1984. 234 Hier hatten die beiden Angeklagten St. und Abwicklung der Haschischgeschäfte selbst keinen Einfluß hatte ..." Auch die
H. in Amsterdam jeweils für ihren Eigenbedarf Heroin eingekauft, an ihrem Reduzierung der Täterschaft auf eine Tätigkeit im „Kernbereich der
Körper versteckt und in einem Auto über die Grenze gefahren, das dem H. Haschischgeschäfte" trifft sich mit dem Kriterium der Tatherrschaftslehre,
gehörte und von St. gesteuert wurde. Die Vorinstanz hatte Mittäterschaft hin- wonach der Täter die „Zentralgestalt" oder die „Schlüsselfigur" des Hand-
sichtlich der gesamten eingeschmuggelten Heroinmenge angenommen und lungsgeschehens ist. Wenn der BGH weiter meint, die Begleitung durch M.
sich dafür ganz auf die gemeinsame Tatherrschaft beider gestützt. Jeder der sei geeignet, „auch in der Transportphase die Tatherrschaft des Angekl. in
beiden Angeklagten habe gewollt, daß sein Tatbeitrag als Teil der Tätigkeit Frage zu stellen", zeigt das deutlich die Neigung des Urteils zu einer mate-
des anderen und die Tätigkeit des anderen als Ergänzung seines Tatanteils riell-objektiven Abgrenzung. Das gilt ebenso für die These „Mittäterschaft
wirke; das Gelingen der Tat sei jeweils vom Tatbeitrag des anderen abhängig kommt vor allem in Betracht, wenn der Beteiligte in der Rolle eines gleich-
gewesen. Dies wird näher damit begründet, daß der eine sein Auto zur Verfü- berechtigten Partners mitgewirkt hat".
gung gestellt und der andere es gesteuert habe und daß die falsche Beantwor-
tung der Frage des Zollbeamten nach zollpflichtigen Waren für das Gelingen 64.9. Ein Beschluß des 1. Strafsenats vom 5.7.1984 236 wendet sich wieder-
des Gesamtunternehmens wichtig gewesen ist. um gegen die Annahme einer Mittäterschaft beim Handeltreiben mit Betäu-
Demgegenüber neigt der B G H hinsichtlich der Einfuhr des jeweils anderen bungsmitteln. Der Angeklagte hatte sich erboten, eingeschmuggeltes Heroin-
mehr zur Annahme einer Beihilfe. Er begründet das damit, daß das Interesse gemisch als Kurier zu übernehmen und einem anderen zu übergeben. Wegen
„einen der wesentlichsten Gesichtspunkte" bei der Annahme der Mittäter- des Eingreifens der Polizei kam es dazu nicht. Es ergab sich aber die Frage,
schaft abgebe. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern der eine Angeklagte „an der ob nicht schon in der Zusage späterer Übernahme eine Mittäterschaft beim
Menge des vom Mitangekl. erworbenen und in dessen alleinigen Besitz Handeltreiben lag. Der BGH lehnt eine solche Annahme ab, da nicht einmal
befindlichen Heroins interessiert gewesen sein soll". Dieser Rückfall in die nachgewiesen worden sei, daß der Angeklagte „wenigstens bei der Planung
Interessentheorie verdient keinen Beifall. Auch wer Heroin ausschließlich und Organisation" des Geschäfts beteiligt gewesen sei; der in der Zusage lie-
einem anderen zu Gefallen über die Grenze schmuggelt, ist Täter einer uner- gende Tatbeitrag des Angeklagten könne nur „als bloße Förderung fremden
laubten Betäubungsmitteleinfuhr. Dann kann es hier nicht anders sein, wo Tuns angesehen werden".
beide neben eigenen auch fremde Interessen verfolgten. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Nur eine Mitwirkung beim Geschäft
selbst hätte den Angeklagten zum Mittäter machen können. Der BGH will
64.8. Ein Urteil des 1. Strafsenats vom 15.5.1984 235 beschäftigt sich wie- sich zwar mit einer Beteiligung bei der vorbereitenden Planung begnügen,
derum mit der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe beim Handeltrei- was vom hier vertretenen Standpunkt aus für eine Mitherrschaft nicht ge-
ben mit Betäubungsmitteln und bestätigt in einem „Grenzfall" die Annahme nügen würde (vgl. S. 292 ff.). Doch enthält der Beschluß immerhin insofern
einer bloßen Beihilfe. Der Angeklagte hatte unter der Regie und in Begleitung eine Absage an einen zu weit getriebenen Subjektivismus, als er eine bloße
des eigentlichen Initiators M. die Betäubungsmittel von Amsterdam nach Bestärkung des Tatentschlusses beim Ausführenden für eine Mittäterschaft
Basel gefahren und damit „eine wesentliche Voraussetzung für den Weiterver- nicht genügen läßt.
kauf" in Basel geschaffen. Er war beim Weiterverkauf aber nicht beteiligt
gewesen. M. „hielt den Angekl. von dem Kernbereich der Haschischgeschäfte 64.10. Um einen massiveren Fall vorbereitender Mitwirkung bei der Ein-
bewußt fern". fuhr von Betäubungsmitteln ging es in einem Beschluß des 3. Strafsenats vom
26.10.1984. 237 Der Angeklagte hatte Heroin von Bangkok nach Brüssel trans-

234 236
StrV 1984,286. StrV 1985, 14.
235 237
NStZ 1984, 413. StrV 1985, 106 m. Anm. Roxin, StrV 1985, 278.
632 633

portiert. An der nachfolgenden Einfuhr des Stoffes in die Bundesrepublik genügt die psychische Beeinflussung eines der Tatgenossen, so daß den Tat-
war er persönlich nicht beteiligt. Sie war aber von vornherein beabsichtigt bestand des §30 BtMG auch derjenige erfüllen kann, der bewirkt, daß das
und ihm bekannt gewesen; er hatte sie durch die Überführung des Heroins Rauschgift durch einen anderen über die Grenze transportiert wird" (BGH
nach Brüssel ermöglichen wollen und hat sie auch tatsächlich ermöglicht. StrV 1985, 106 f.). Die zusätzliche Bemerkung „Diese Tätigkeit lag auch im
Die Entscheidung dreht sich um die Frage, ob das Verhalten des Angeklag- persönlichen Interesse des Angeklagten" bestätigt die vollumfängliche Rück-
ten als Mittäterschaft oder als Beihilfe bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln kehr dieses Urteils zu einer alle Einflüsse der Tatherrschaftslehre abweisen-
zu beurteilen sei. Der Senat betont zunächst in Übereinstimmung mit der bis- den subjektiven Theorie älterer Prägung. Die Bejahung einer Mittäterschaft
herigen Rechtsprechung, Mittäter könne auch sein, wer lediglich im Vorberei- durch das Urteil steht in deutlichem Widerspruch zu der vorhergehenden
tungsstadium „einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag Entscheidung BGH StrV 1985, S. 106.
leistet". Dann jedoch folgt eine überraschende Wendung: Notwendig sei
„aber stets, daß dies auf der Grundlage gemeinsamen Wollens geschieht, daß 64.12. Im Urteil des 5. Strafsenats vom 24.6.1986 240 ging es nicht um die
also eine gemeinschaftlich begangene Tat vorliegt ... Es genügt dafür, daß der Einfuhr von, sondern um das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Der
einzelne Mittäter bei der Ausführung in Übereinstimmung mit dem oder den BGH betont (wie es schon oben S. 626/627, hervorgehoben worden war), daß
anderen im Sinne eines Planes handelt und ihn dadurch zu einem gemein- die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben „mit-
samen macht ..." An dieser Voraussetzung fehle es beim Angeklagten: „Er unter schwierig sein" könne, weil dieser Begriff „weit ausgelegt wird und
war lediglich mit dem Vorbereitungsakt des Transports des Rauschgifts nach jede eigennützige, den Umsatz fördernde Tätigkeit erfaßt, selbst wenn es sich
Brüssel beauftragt. Das weitere Geschehen war seinem Einfluß entzogen." nur um eine gelegentliche, einmalige und vermittelnde Tätigkeit handelt". Der
Daher sei der Angeklagte nur Gehilfe: „Dafür reicht es aus, daß er die Tat- BGH versucht dann eine Einschränkung durch die bekannte Verbindung ver-
handlung der Einfuhr im Vorbereitungsstadium unterstützt hat." schiedener Kriterien (Interesse; Umfang der Tatbeteiligung; Wille, Durch-
Die Entscheidung verdient im Ergebnis vollen Beifall. Sie bedarf sogar führung und Ausgang der Tat maßgeblich zu bestimmen) und nähert sich der
besonderer Beachtung, weil es sich um den bisher einzigen Fall in der Recht- Tatherrschaftslehre noch weiter durch die These: „Mittäterschaft kommt vor
sprechung des BGH handelt, in dem die Mittäterschaft der Sache nach von allem in Betracht, wenn der Beteiligte in der Rolle eines gleichberechtigten
einer Mitwirkung im Ausführungsstadium abhängig gemacht wird. Die Partners mitgewirkt hat ..." Doch tragen diese in die richtige Richtung zielen-
Bejahung einer bloßen Beihilfe mit dem Satz: „Das weitere Geschehen war den Ausführungen das Urteil am Ende nicht, weil sich eine Mittäterschaft des
seinem Einfluß entzogen", liegt ganz auf der Linie der Tatherrschaftslehre. Die Angeklagten schon durch Verneinung seiner Eigennützigkeit ablehnen ließ.
Bedeutung des Beschlusses wird allerdings dadurch verdunkelt, daß der Senat
in Widerspruch zu seinen fallbezogenen Aussagen formal an der bisherigen 64.13. Ein Beschluß des 1. Strafsenats vom 22.1.1987 241 beschäftigt sich
Rechtsprechung festhält und das Zusammenwirken „bei der Ausführung" in wieder mit der Einfuhr von Betäubungsmitteln und kehrt zu einer objekti-
schwer nachvollziehbarer Weise nicht zur Voraussetzung des mittäterschaft- veren Abgrenzung zurück. Der Angeklagte hatte Haschisch in den Nieder-
lichen Begehens, sondern des gemeinsamen Tatentschlusses macht.238 landen telefonisch bestellt. Der Verkäufer schickte dann die Ware durch einen
Kurier in die Bundesrepublik, wo der Angeklagte sie auf einem Bahnhof in
64.11. Ein Urteil des 2. Senats vom 29.1.1986 239 entscheidet denn auch in Empfang nahm.
entgegengesetztem Sinne. Hier hatten die Angeklagten in Holland Haschisch Bei diesem Sachverhalt kommt der Senat zur Annahme einer bloßen Bei-
gekauft. Weil sie aber „Angst davor hatten, das Rauschgift selbst über die hilfe. Er nennt als „wesentliche Anhaltspunkte" die übliche Kombination
Grenze zu bringen", vereinbarten sie mit dem Lieferanten, daß dieser gegen subjektiver und objektiver Merkmale (vgl. zuletzt oben Nr. 64.12, S. 633),
einen Aufpreis den Transport des Stoffes über die Grenze übernehme. Die beruft sich für die Ablehnung der Mittäterschaft schließlich aber allein auf
Ware wurde dann auf einem Autobahnrastplatz in der Bundesrepublik über- den Mangel jeder Mitwirkung bei der Ausführung: „Er beschränkte sich auf
geben. die Bestellung und überließ es völlig dem Verkäufer und den von diesem
Auch hier fehlt es an jeder Mitwirkung der Angeklagten bei der Einfuhr, "so beauftragten Kurieren, das Betäubungsmittel nach Deutschland zu bringen."
daß eine Mittäterschaft hätte abgelehnt werden müssen, wenn das Gericht mit Das bedeutende Eigeninteresse des Angeklagten bleibt außer Betracht.
dem 3. Strafsenat (oben Nr. 64.10, S. 631) ein Handeln „bei der Ausführung" Das entspricht der Tatherrschaftslehre und verdient im Ergebnis uneinge-
verlangt hätte. Doch beruft sich der 2. Senat auf diese Entscheidung nur inso- schränkte Zustimmung. Es ist aber mit der Entscheidung BGH StrV 1986,
weit, als sie sich formal an die ältere Judikatur anschließt: „Als Täterbeitrag 384 (oben Nr. 64.11, S. 632) so wenig zu vereinbaren wie dieses Urteil mit

238 B G H S t 34, 124-127.


Näher dazu meine Anmerkung in StrV 1985, 278.
239 NStZ 1987,233.
StrV 1986, 384 m. abl. Anm. Roxin; ebenfalls abl. O t t o , JK, StGB § 25 II/3.
634 635

dem Beschluß B G H StrV 1985, 106 (oben Nr. 64.10, S. 631). Denn während Der BGH nimmt in Anwendung der normativen Kombinationstheorie
im Fall 64.11 das Interesse die fehlende Mitwirkung ersetzen sollte, wird dies eine Mittäterschaft an, indem er „Sachherrschaft und Tatinteresse des Ange-
hier mit Recht gerade nicht für möglich gehalten. Auch der BGH sieht den klagten" bejaht. Dem läßt sich vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus
Widerspruch und versucht ihm durch folgende Erwägung zu entgehen: „Für auch unter Absehung vom „Interesse" zustimmen. Denn wenn man unter
mittäterschaftliche Einfuhr hat die Rechtsprechung zwar schon ,die psychi- „Einfuhr" nicht nur den Moment des Grenzübertritts, sondern den Gesamt-
sche Beeinflussung eines Tatgenossen' genügen lassen (BGH, StrV 1986, 384), vorgang der Verbringung des Rauschgiftes von Holland in die Bundesrepu-
doch unterschied sich jener Fall von dem vorliegend zu beurteilenden jeden- blik versteht, lag ein klassischer Fall der Arbeitsteilung im Ausführungssta-
falls dadurch, daß die Angekl. das Betäubungsmittel schon in den Niederlan- dium vor: Die Komplizen brachten das Rauschgift zu Fuß über die grüne
den erworben und beim Erwerbsakt den - vom Verkäufer durchzuführenden Grenze, und der Angeklagte sorgte für den zügigen An- und Abtransport.
- Transport nach Deutschland vereinbarten." Aber dieser Unterschied ändert
nichts daran, daß auch dort von einer Mitwirkung bei der Einfuhr selbst nicht 64.16. Ein Beschluß des 1. Strafsenats vom 11.7.1991 244 nimmt eine mit-
die Rede sein konnte und daß die Entscheidung über Mittäterschaft und Bei- täterschaftliche Einfuhr nach §30 I Nr. 4 BtMG in einem Fall an, in dem der
hilfe vernünftigerweise nicht davon abhängen kann, ob die notwendigen Ver- Angeklagte in Tanger 15 kg Haschisch erworben und den Stoff dann einem
einbarungen telefonisch oder bei einem persönlichen Gespräch in Holland Kurier übergeben hatte, der ihn „auf der Rückfahrt mit einem Reisebus in
getroffen werden. die Bundesrepublik verbringen sollte". 245 Die Mittäterschaft wird wieder mit
der normativen Kombinationstheorie begründet, wobei der BGH auf die
64.14. Ein Beschluß des 2. Strafsenats vom 1.7.1988 242 betrifft das Han- „wesentlichen Tatbeiträge" des Angeklagten und den von ihm erhofften
deltreiben mit Betäubungsmitteln. Hier hatte der Angeklagte nur nebensäch- „finanziellen Vorteil" abstellt. Mit der Tatherrschaftslehre, die der B G H auch
liche Handlungen (Mithilfe beim Ein- und Auspacken eines Heroinklumpens bei seiner „wertenden Betrachtung" unerwähnt läßt, ist das nicht zu verein-
u. ä.) vorgenommen, und der BGH neigt dazu, dies nur als Beihilfe zu würdi- baren; denn an der Tatbestandshandlung, der Einfuhr, war der Angeklagte
gen. Er nennt die stehenden Wendungen seiner normativen Kombinations- unbeteiligt. Er hätte wegen Anstiftung zur Einfuhr verurteilt werden müssen.
theorie, beruft sich vor allem aber auf zwei zusätzliche Gesichtspunkte, die Die Mittäterschaftskonstruktion des B G H ist nur auf der Grundlage der sub-
eine weitere Annäherung an die Tatherrschaftslehre erkennen lassen. Erstens jektiven Theorie möglich. Das zeigt wieder einmal, daß sich mit der „Kombi-
sei es für den Mittäter charakteristisch, meint der Senat, daß „sein Beitrag Teil nationstheorie" die Ergebnisse der Tatherrschaftslehre und der animus-Theo-
einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein sollte, die eigenen Handlungen also rie gleichermaßen begründen lassen; es beweist aber auch, daß mit ihr eine
als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung befriedigende Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme noch nicht gefun-
des eigenen Tatbeitrags gedacht und gewollt waren". Das ist eine subjektive den ist.
Umformulierung jenes „arbeitsteiligen Zusammenwirkens im Ausführungs-
stadium", auf das die hier vertretene Tatherrschaftslehre abstellt. Und wenn 64.17. Demgegenüber beruft sich ein Beschluß des 4. Strafsenats vom 31.3.
der BGH weiterhin betont, „daß eine ganz untergeordnete Tätigkeit in aller 1992246 für die Ablehnung mittäterschaftlicher Einfuhr gerade auf das Fehlen
Regel nicht genügt", so entspricht das dem von der Tatherrschaftslehre aufge- der Tatherrschaft beim Angeklagten: „Wer sich an einem Rauschgiftgeschäft
stellten Erfordernis, daß es sich um eine wesentliche Mitwirkung im Aus- lediglich in der Weise beteiligt, daß er für den Erwerb von Betäubungsmitteln
führungsstadium handeln muß. im Ausland Geld zur Verfügung stellt und nur darauf wartet, daß ein anderer
ihm eingeschmuggeltes Rauschgift bringt, sonst aber überhaupt keinen Ein-
64.15. Ein Urteil des 4. Strafsenats vom 16.10.1990 243 behandelt die Mit- fluß auf den Einfuhrvorgang hat, ist grundsätzlich nicht Mittäter der Ein-
täterschaft bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln (§ 30 I Nr. 4 BtMG). Der fuhr." Obwohl der B G H auch hier die vier Kriterien der Kombinations-
Angeklagte hatte mit verschiedenen Beteiligten, die kein Fahrzeug und keine theorie anführt, läßt er das auch von ihm bejahte „besondere Interesse" des
zum Grenzübertritt erforderlichen Papiere besaßen, in Amsterdam Heroin Angeklagten und den immerhin wichtigen Tatbeitrag, der in der Finanzierung
eingekauft. Die Komplizen waren von ihm jeweils an die „grüne Grenze" sämtlicher Fahrten bestand, zur Begründung der Mittäterschaft nicht aus-
gefahren worden, hatten diese zu Fuß überschritten - auf dem Rückweg reichen.
unter Mitnahme des Heroins - und waren jenseits der Grenze im Wagen wie- Das ist vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre auch völlig richtig. Doch
der aufgenommen worden. Der Erlös sollte unter allen Beteiligten gleich- ist nicht recht ersichtlich, ob und warum die normative Kombinationstheorie
mäßig verteilt werden.
244
B G H S t 38, 32; dazu Eschenbach,Jura 1992, 637ff.
245
Die Kausalabweichungsprobleme, die sich daraus ergeben, daß das Haschisch dem Kurier
242
NStZ 1988, 507. gestohlen und vom Dieb nach Deutschland verbracht wurde, bleiben hier außer Betracht.
243 246
NStZ 1991,91. StrV 1992,579.
636 637

mit ihrer „wertenden Betrachtung" nicht auch zu einer Mittäterschaft hätte Der Angeklagte habe „eigenhändig alle Tatbestandsmerkmale ... verwirklicht,
kommen können, wie sie die Vorinstanz angenommen hatte. Wie unsicher die indem er, wenn auch nach nur kurzer Überlegungsfrist und überrumpelt
Abgrenzung nach der Rechtsprechung ist, zeigt sich daran, daß der B G H durch den Mittäter ... rechtswidrig und schuldhaft das in dem Wagen befind-
eigens betont, der Angeklagte habe keinen Kontakt zu den Lieferanten liche Kilogramm Haschisch über die Hoheitsgrenze fuhr. Entgegen den Aus-
gehabt, sei an der Anmietung der Transportfahrzeuge nicht beteiligt gewesen führungen des Landgerichts hatte er die Tatherrschaft; auch in Sichtweite der
und habe auch auf die Transportwege keinen Einfluß genommen. Anschei- Grenze hätte er umkehren können." Es folgt dann ein Satz, der wohl eine
nend soll schon das Vorliegen einer dieser zusätzlichen Voraussetzungen Konzession an die subjektive Theorie bedeuten soll, ohne daß seine Funktion
(oder deren mehrerer?) die Annahme einer Mittäterschaft ermöglichen. Doch weiter erläutert würde: „Er hatte auch den Willen, diese Tat so zu begehen,
hätten auch diese Umstände dem Angeklagten die Tatherrschaft nicht ver- zumal er den ,Risikozuschlag' von 400 DM verdienen konnte."
schaffen können, so daß die wirklichen Abgrenzungsmaßstäbe weiterhin im Ab gesehen von dieser etwas dunklen, zur Begründung der Täterschaft
dunkeln bleiben. nicht beitragenden Schlußwendung bedeutet das Urteil wohl den endgültigen
Abschied von der Auffassung, daß trotz eigenhändig-schuldhafter Tatbe-
64.18. Ein Urteil des 3. Strafsenats vom 22.7.1992 247 beschäftigt sich zum standsverwirklichung ggf. nur eine Beihilfe vorliegen könne. O b der B G H
ersten Mal in der Betäubungsmittel-Rechtsprechung mit der Frage, ob das auch nur für „extreme Ausnahmefälle" eine andere Lösung erwägen will,
eigenhändige Verbringen von Betäubungsmitteln über die Grenze auch dann bleibt offen; denn er referiert nur eine Wendung aus den Materialien, ohne sie
eine täterschaftliche Einfuhr i. S. des § 30 I Nr. 4 BtMG ist, wenn der Ange- sich zu eigen zu machen. Die Frage ist auch ohne praktische Bedeutung,
klagte im übrigen, (hier: als Chauffeur) nur eine untergeordnete Tätigkeit solange kein solcher „Ausnahmefall" bejaht wird. Es hat sich also im Bereich
ausübte. Diese Frage wird bejaht. der Eigenhändigkeit nunmehr die Tatherrschaftslehre ohne die Unsicherhei-
Der Fall lag so, daß der „Haupttäter" das Haschisch im Wagen des An- ten der zwischen verschiedenen Kriterien schwankenden Kombinationstheo-
geklagten bei sich hatte, ohne daß dieser davon wußte. Erst kurz vor der rie durchgesetzt.
Grenze erfuhr der Angeklagte davon. „Der Haupttäter forderte den Ange-
klagten auf, die Grenzstelle zu passieren, und bot ihm zusätzlich 400 DM als 64.19. Schon das nächste Urteil, eine Entscheidung des 1. Strafsenats vom
,Risikozuschlag' an. Angesichts des Zollgebäudes entschloß sich der Ange- 13.10.1992 249 läuft aber wieder in eine von der Tatherrschaftslehre weg-
klagte aus Angst vor einem auffälligen Wendemanöver, ohne anzuhalten führende Richtung, indem eine mittäterschaftliche Einfuhr von Betäubungs-
durchzufahren und nicht umzudrehen." mitteln trotz fehlender Tatherrschaft bejaht wird. Die Angeklagten A und K
Der B G H stützt die Annahme der Täterschaft auf den Gesetzes Wortlaut, waren zwar beim „Einfuhrvorgang" selbst nicht beteiligt gewesen, hatten
auf die Materialien und auch auf die neuere Rechtsprechung. Wer „selbst alle aber auf die Planung und Durchführung des von ihnen finanzierten Trans-
Tatbestandsmerkmale rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht", sei auch als portes eingewirkt. Während also die bloße Finanzierung der Einfuhr für die
Mittäter „unmittelbarer Täter im Sinn des §25 Abs. 1 StGB" (S. 316). Außer- Annahme einer Mittäterschaft nicht genügen soll (oben Nr. 64.17, S. 635),
dem sollte, wie ausdrücklich betont wird, nach den Materialien „ - mit denk- werden weitergehende Aktivitäten als dafür ausreichend angesehen.
baren Abweichungen in extremen Ausnahmefällen 248 - durch die Fassung der Der BGH erklärt es für „fehlerhaft, nur auf die objektive Tatherrschaft bei
Vorschrift des § 25 Abs. 1 StGB der Tendenz entgegengewirkt werden, eigen- dem Einfuhrvorgang selbst abzustellen. Die Planungen und Hilfeleistungen
händige Tatbestandsverwirklichungen unter Berufung lediglich auf den bei der Durchführung des Transports ... deuten auf Tatherrschaft, jedenfalls
angeblich fehlenden Täterwillen zu bloßer Teilnahme abzuwerten". Schließ- auf den Willen hierzu." Demgegenüber wird man sagen müssen, daß Planun-
lich bezieht sich das Urteil auf eine Entscheidung desselben Senats vom gen und Hilfeleistungen bei der Vorbereitung einer Einfuhr auch eine „subjek-
26.11.1986 (NStZ 1987, S. 224f., oben Nr. 27, S. 600), die im Anschluß an tive" Tatherrschaft nicht begründen können. Denn wenn der Wille der Ange-
BGHSt 8, 393 (oben S. 96-98) und unter Übergehung der vor allem durch das klagten nicht auf eine „objektive Tatherrschaft" gerichtet war, kann er nicht
Staschynskij-Urteil (BGHSt 18, 87ff., oben Nr. 2, S. 563 ff.) eingeleiteten ge- gut als „Wille zur Tatherrschaft" bezeichnet werden., Der B G H geht denn
genläufigen Entwicklung sich wieder von der extrem-subjektiven Theorie ge- auch über diesen dunklen Punkt rasch hinweg und benennt das für ihn eigent-
löst und die täterschaftsbegründende Wirkung der eigenhändigen Tatbestands- lich entscheidende Kriterium: „Insbesondere hatte das LG in eine ,wertende
erfüllung klargestellt hatte. Betrachtung' einbeziehen müssen, daß die Angeklagten ... ein ganz erheb-
Das Urteil verzichtet auf die sonst obligaten Formeln der Kombinations- liches Eigeninteresse an der Einfuhr ... hatten." Hier hat sich also wieder die
theorie und stützt sich praktisch allein auf die Tatherrschaftslehre (S. 318): Interessentheorie durchgesetzt, während die Ausführungen zur Tatherrschaft
formelhaftes und in der Sache nicht überzeugendes Beiwerk bleiben.

247
BGHSt 38,315; dazu Wiegmann, JuS 1993, 1003 ff.
248
Dazu ausführlich oben S. 547ff. NStZ 1993, 137.
638 639

64.20. Ein Urteil des 3. Strafsenats vom 14.10.1992 250 bekräftigt dem- beim Verbringen über die Grenze verlangen müssen. Alles andere ist Anstif-
gegenüber im Anschluß an BGHSt 38, 315 (oben Nr. 64.18, S. 636 f.) den tung oder Beihilfe zur Einfuhr.
täterschaftsbegründenden Charakter der eigenhändigen Einfuhr. Der Ange-
klagte hatte bei der Rückfahrt von Amsterdam nach Deutschland eine Frau 64.22. Eine ganze Reihe von Entscheidungen verweisen untergeordnete
aus Gefälligkeit im Auto mitgenommen. Während der Rückreise teilte sie Tätigkeiten beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in den Bereich der
ihm mit, daß sie Heroin und Kokain bei sich führte und bat ihn deshalb, die Beihilfe. Nach einem Beschluß des 4. Senats vom 4.3.1993 252 ist das bloße
Grenze an einem „kleinen Grenzübergang" zu überqueren. Er entsprach die- Transportieren des Rauschgifts, bei dem der „Kurier" mit dem An- und Ver-
sem Wunsch aus Gefälligkeit. kauf nichts zu tun hat, ein bloßer Gehilfenbeitrag. In ähnlicher Weise läßt der
Mit Recht nimmt der BGH eine täterschaftliche Einfuhr an und stützt sie, 3. Senat in einem Beschluß vom 23.4.1993 253 ein „Transportieren" des Stoffes
wie schon in BGHSt 38, 315, allein auf die Tatherrschaft des Angeklagten. nicht für ein täterschaftliches Handeltreiben ausreichen, solange der Trans-
„Der Angeklagte hat in seiner Person alle Tatbestandsmerkmale der uner- porteur nicht, „wie etwa bei dem Einsammeln oder der Übermittlung des
laubten Einfuhr von Betäubungsmitteln verwirklicht, indem er als Fahrer sei- Geldbetrages für das Betäubungsmittel an den Lieferanten, unmittelbar in das
nes Pkw das Rauschgift über die deutsche Hoheitsgrenze in die Bundesrepu- Rauschgiftgeschäft eingebunden ist". Ein Beschluß des 2. Senats vom 21.7.
blik ... verbracht hat. Zutreffend hat das LG ausgeführt, daß er Tatherrschaft 1993 254 zieht Mittäterschaft vor allem in Betracht, wenn „der Beteiligte in der
hatte, weil es von ihm abhing, ob das Rauschgift mit seinem Pkw über die Rolle eines gleichberechtigten Partners mitgewirkt hat". Daran fehle es, wenn
Grenze gebracht wurde oder nicht." Das Kriterium des Eigeninteresses wird jemand nur die zur Rauschgiftherstellung nötigen Chemikalien liefere. Er sei
souverän beiseite geschoben: „Das Merkmal der Eigennützigkeit gehört nicht dann an der Herstellung und Veräußerung der Drogen nicht beteiligt, habe
zum Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln." So richtig „keinerlei Tatherrschaft" und sei „nicht in der Lage, wesentliche Aspekte des
das ist, fragt man sich doch, warum es die Rechtsprechung dann in Fällen der Tatgeschehens zu steuern oder darauf auch nur einzuwirken". Ein Beschluß
Nichteigenhändigkeit immer noch so oft zur Begründung der (Mit-)Täter- des 4. Senats vom 29.11.1994 255 spricht aus, daß die Besorgung eines Aufbe-
schaft und damit der Tatbestandserfüllung heranzieht. Denn Täterschaft ist wahrungsortes für das Rauschgift, die Begleitung des Verkäufers beim Absatz
nichts anderes als Tatbestandsverwirklichung. und ein einmaliges Helfen beim Abwiegen auch dann noch kein täterschaft-
liches Handeltreiben ist, wenn der Mitwirkende sich dafür bezahlen läßt.
64.21. Drei Entscheidungen des 4., des 1. und des 3. Strafsenats vom 18.8. Gegen die Täterschaft führt der Senat ins Feld, daß „der Angekl. darüber hin-
1992, 25.2.1993 und 30.3.1994 251 betreffen die Abgrenzung von Mittäter- aus weder mit der Beschaffung des Heroins noch mit den Verkaufsgeschäften
schaft und Beihilfe bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln. Alle drei be- als solchen irgend etwas zu tun hatte". Auch eine bloße „Absicherung" des
mühen sich um eine Einschränkung mittäterschaftlichen Handelns. Es sei Verkaufsgeschäftes durch die Feststellung möglicher polizeilicher Observa-
zwar kein eigenhändiges Verbringen des Rauschgifts über die Grenze erfor- tion und die Weiterleitung von Nachrichten durch einen Beteiligten, der nicht
derlich. Aber die Veranlassung der Einfuhr genüge noch nicht; hinzukom- „Herr des Geschäfts" ist, wird in einem Beschluß des 1. Senats vom 15.12.
men müsse außer einem Eigeninteresse eine Beteiligung an der Tatherrschaft 1994 256 j e n ))U ntergeordneten Hilfsdiensten" zugeordnet und als bloßer
oder wenigstens der „Wille zur Tatherrschaft" (so der 4. Senat). Auch das Gehilfenbeitrag beurteilt. Ein Urteil desselben (1.) Senats vom 4.7.1995 257
Wissen von der Tat oder ein Interesse daran genüge nicht, solange nicht ein leitet Bedenken gegen eine Mittäterschaft beim Handeltreiben daraus her,
„irgendwie gearteter Beitrag zur Förderung der Tat" hinzukomme; wer nur daß der Angekl. „kaum gewichtige Tatbeiträge zu dem Rauschgifthandel er-
die eingeführte Ware in Deutschland verkaufen will, ist noch kein Mittäter brachte. So war er nicht damit befaßt, den Einkauf, den Transport oder den
bei der Einfuhr (so der 1. Senat). Wenn jemand seine Mitwirkung darauf Absatz des Rauschgifts zu organisieren oder etwa für die Finanzen zu sor-
beschränkt, einem Mitangeklagten „durch seine Begleitung das Gefühl der gen." Es fehle auch „ein arbeitsteiliges Zusammenwirken, wie es die Mittäter-
Sicherheit" zu vermitteln, so ist das, auch wenn „ein materieller Vorteil für schaft kennzeichnet".
die Begleitung versprochen war", noch kein mittäterschaftlicher Beitrag (so Alle genannten Entscheidungen - und das rechtfertigt ihre gemeinsame
der 3. Senat). Behandlung - bemühen sich darum, die Mittäterschart beim Tatbestand des
Das entspricht den Vorgaben der normativen Kombinationstheorie mit der Handeltreibens zugunsten der Beihilfe zurückzudrängen. Sie vertreten zwar
begrüßenswerten Variante, daß das Interesse allein überhaupt noch nicht als
mittäterschaftsbegründend angesehen wird. Folgt man der hier vertretenen
Tatherrschaftskonzeption, wird man freilich eine wesentliche Mitwirkung 252
StrV 1993,474.
253
N S t Z 1993,444.
254
N S t Z 1994,92.
255
StrV 1995, 197.
250 256
NStZ 1993, 138. StrV 1995, 198.
251 257
Die ersten beiden in StrV 1994, 22; die dritte in StrV 1994, 422. StrV 1995,624.
640 641

nicht die Tatherrschaftslehre, sondern fußen, soweit sie überhaupt grundsätz- deren zwingende Voraussetzung. Derselbe Senat nimmt in einem Urteil vom
liche Ausführungen zur Abgrenzung enthalten, auf der von der Rechtspre- 10.5.2000 265 auch bei schlichter Kuriertätigkeit eine Mittäterschaft an, weil
chung inzwischen unisono vertretenen normativen Kombinationstheorie. Sie die Rolle des Kuriers nicht nur ganz untergeordnet gewesen sei. Die verschie-
nähern sich der Tatherrschaftslehre aber immerhin an, indem sie ein bloßes denen „Kurier-Entscheidungen" stimmen zwar in der Abgrenzungsrichtlinie
Vorteilsinteresse für die Mittäterschaft nicht genügen lassen, sondern objektiv überein, setzen aber in der Beurteilung der Frage, was eine ganz untergeord-
gewichtige Beiträge fordern und sich dabei nicht selten auch auf Gesichts- nete Tätigkeit sei, manchmal unterschiedliche Akzente.
punkte wie „Tatherrschaft", „gleichberechtigte Partnerschaft" und „Arbeits-
teilung" beziehen. 64.25. Zwei Entscheidungen behandeln die Frage, ob der Täter einer Ein-
fuhr von Betäubungsmitteln bei einem späteren Handeltreiben damit eventuell
64.23. Seit der Vorauflage hat der B G H sich wiederholt mit der Frage zu nur Gehilfe sein kann. Der 1. Senat bejaht das in einem Beschluß vom 27.8.
befassen gehabt, ob das entgeltliche Aufbewahren von Rauschgift für einen 1998266 im Anschluß an die vorhergehende Rechtsprechung, doch müsse seine
Dritten mittäterschaftliches Handeltreiben sein kann. Nach einem Beschluß Rolle dabei ganz untergeordnet sein, was im konkreten Fall verneint wurde.
des 1. Senats vom 2.5.2000 25S reicht das Verbringen von zwei Päckchen In einem Urteil desselben Senats vom 21.11.2000 267 wird diese Rechtspre-
Kokain in ein vom Angeklagten bewohntes Zimmer und ein Verbergen des chung bestätigt. Beide Entscheidungen betonen den tatrichterlichen Ermes-
Rauschgifts dort für eine Mittäterschaft nicht aus. Im selben Sinne entschied sensspielraum, der revisionsrechtlicher Kontrolle nur begrenzt zugänglich sei.
der 2. Senat in einem Beschluß vom 4.6.2003; 259 auch wenn der Angeklagte
100 Gramm Haschisch zur Belohnung erhalten habe, begründe das noch 64.26. Die weiteren Entscheidungen der letzten Jahre, die sich der Ab-
keine Mittäterschaft, wenn er sonst an den Drogengeschäften nicht beteiligt grenzung von Mittäterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben widmen,
gewesen sei. Ein weiterer Beschluß desselben Senats vom 13.2.2004 260 betreffen unterschiedliche Sachverhalte, arbeiten mit der auch im Betäu-
bestätigt diese Rechtsprechung. Auch ein Entgelt von 100 Euro kann nach bungsmittelrecht zur ständigen Rechtsprechung gewordenen normativen
einem weiteren Beschluß des 2. Senats vom 15.7.2005 261 das Aufbewahren Kombinationstheorie und laufen in der Sache darauf hinaus, untergeordnete
des Rauschgifts für einen Dritten noch nicht zu einem mittäterschaftlichen Tatbeiträge als Beihilfe, partnerschaftliche oder doch gewichtigere Mitwir-
Handeltreiben machen. Die um eine Einschränkung der Mittäterschaft kung dagegen als Mittäterschaft einzustufen.
bemühten, auf die normative Kombinationstheorie der Rechtsprechung Ein Beschluß des 1. Senats vom 29.2.2000 268 betont die Eigennützigkeit
gestützten Entscheidungen verdienen auch vom Standpunkt der Tatherr- als Tätervoraussetzung unerlaubten Handeltreibens. Der Angeklagte hatte
schaftslehre aus Beifall. Heroin verkauft, den Erlös aber vollständig an seinen Auftraggeber weiterge-
leitet. Die Tatherrschaft beim Verkauf reicht zur Begründung von Täterschaft
64.24. Vier weitere Entscheidungen beschäftigen sich mit der Würdigung nicht aus, weil das Gewinnstreben eine notwendige Voraussetzung des Han-
einer Kuriertätigkeit. Ein Beschluß des 4. Senats vom 27.4.1999 262 behandelt deltreibens ist.
einen Sachverhalt, bei dem die Angeklagte „nur als Kurierin" tätig geworden Nach einem Urteil des 1. Senats vom 9.10.2002 269 wird, wenn mehrere
war und sich zwar einen finanziellen Vorteil versprochen, sonst aber auf die Personen ein größere Menge Betäubungsmittel gemeinsam erwerben, die
Geschäfte keinen Einfluß gehabt hatte. Dies begründet nur eine Beihilfe, weil gesamte Handelsmenge jedem Mittäter zugerechnet; daß der einzelne nur mit
die Angeklagte keine „Partnerin" der „Hintermänner" gewesen sei. Ebenso dem auf ihn entfallenden Anteil Handel treiben will, ändert daran nichts. Das
äußert sich der 1. Senat in einem Beschluß vom 24.3.1999; 263 die mit 500 DM ist auch vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus richtig.
entlohnten Kurierdienste hätten sich in „untergeordneten Hilfsdiensten er- Eine bloße Beihilfe nimmt der 4. Senat in einem Beschluß vom 22.6.
schöpft". Nach einem Urteil des 3. Senats vom 26.4.2000 264 soll es jedoch 2004 270 an, weil der Angeklagte stets nur auf Weisung eines anderen „eng
anders liegen bei einem Beteiligten, der dem Drogenkurier übergeordnet ist, umgrenzte Aufgaben" zu erfüllen hatte und dabei an dessen Vorgaben gebun-
ihn anleitet, überwacht und den Transport aus dem Hintergrund lenkt. Eine den war. Derselbe Senat beurteilt in einem Urteil vom 28.10.2004 271 auch das
gleichberechtigte Partnerschaft spreche zwar für Mittäterschaft, sei aber nicht Anmieten eines Autos für den Drogentransport als bloße Beihilfe.

265
258
NStZ-RR 2000, 312. NStZ2000,482f.
26
259
NStZ-RR 2003, 309. * NStZ-RR1999,24.
260 267
StrV 2004, 604. NStZ-RR2001, 148 f.
268
261
StrV 2005, 555. StrV 2000, 619.
269
262
NStZ 1999,451. NStZ-RR 2003, 586.
270
263
StrV 1999, 429. NStZ 2005, 228.
271
264
NStZ-RR2000, 278 f. NStZ 2005, 229 f.
642 643

64.27. Vier weitere Entscheidungen bemühen sich um die Abgrenzung von Einsickern der von der Tatherrschaftslehre entwickelten Kriterien in die Judi-
Täterschaft und Teilnahme bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln. Der kate des Bundesgerichtshofs. 276 Küpper meinte schon 1986,277 in der Recht-
3. Senat hatte in einem Urteil vom 12.8.1998 272 den Fall zu beurteilen, daß sprechung seien nur noch Tatinteresse und Tatherrschaft als maßgebliche
jemand „aus Gefälligkeit und ohne Lohn" ein Paket Heroin über die Grenze Wertungskriterien übrig geblieben. „Aber auch diese Elemente stehen nicht
gebracht hatte. Der Senat sieht das mit Recht als Täterschaft an, „weil er alle mehr gleichrangig nebeneinander, vielmehr weist die Entwicklung der Recht-
Tatbestandsmerkmale in seiner Person verwirklicht ... Denn er hatte die Tat- sprechung einen zunehmenden Rückzug des Interesses nebst einem Vor-
herrschaft ... Unerheblich ist, daß der Angeklagte als Chauffeur bezogen auf marsch des Tatherrschaftsgedankens auf."278 Im Hinblick darauf neigt er
die Heroineinfuhr nur eine untergeordnete Tätigkeit ausübte." Das Urteil sogar der Meinung zu, daß man Abschied nehmen sollte von einem „über-
bestätigt die auch sonst allgemein anerkannte und in der neueren Rechtspre- kommenen Theorienstreit" 279 .
chung durchgesetzte Auffassung, daß die eigenhändige Tatbestandserfüllung Aber dafür ist es noch zu früh. Die drei Formen der Täterschaft (unmittel-
immer zur Täterschaft führt (vgl. dazu näher oben S. 546 ff.). bare Täterschaft, mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft) haben in der
Ein Beschluß des 2. Senats vom 14.8.2002 27i erörtert Abgrenzungsfragen Rechtsprechung eine jeweils selbständige Entwicklung genommen und sich
bei der Einfuhr gemeinsam erworbenen Rauschgifts. „Wurden die Gesamt- dem Tatherrschaftsprinzip in unterschiedlichem Maße angenähert, so daß nur
mengen ... ungeteilt eingeführt, sind die Angeklagten Mittäter der Einfuhr ein differenzierender Befund der Praxis gerecht werden kann.
der ... Gesamtmenge", auch wenn diese später aufgeteilt werden sollte.
Erfolgte die Aufteilung dagegen schon vor der Einfuhr (im Ausland), ist jeder 1. Bei der Handlungsherrschaft läßt sich feststellen, daß der B G H inzwi-
Täter der Einfuhr nur hinsichtlich der auf ihn entfallenden Teilmenge, schen die Täterschaft dessen, der eigenhändig den Tatbestand erfüllt, aus-
während im übrigen nur Beihilfe in Betracht kommt. nahmslos anerkennt und dies auch durchweg mit der Tatherrschaft des Aus-
Mittäter (und nicht nur Anstifter) bei der Einfuhr ist nach einem Beschluß führenden begründet (vgl. näher oben Nr. 27, S. 600, Nr. 64.18, S. 636, Nr.
des 3. Senats vom 22.9.2003 274 auch derjenige, der Betäubungsmittel von 64.20, S. 638). Zwar soll nach einigen älteren Judikaten dahingestellt bleiben,
anderen Personen über die Grenze bringen läßt, wenn er den Einkauf finan- ob nicht in „extremen Ausnahmefällen" ein Ausführender auch nur Gehilfe
ziert, das Schmuggelfahrzeug zur Verfügung stellt und die Einfuhr in seinem sein könne. Aber ein solcher Fall ist nicht vorgekommen.
Interesse erfolgt. Nach den Regeln der Tatherrschaftslehre würde dies alles Im Gegenteil ist die einzige bei den Beratungen des Sonderausschusses als
freilich nur eine Anstiftung begründen. möglicher Fall einer Beihilfe genannte Konstellation, die Tötung auf Befehl
Ein Beschluß des 2. Senats vom 1.9.2004 275 betrifft einen Fall, in dem der (vgl. oben S. 550 f.), vom BGH im Sinne einer Täterschaft der ausführenden
Angeklagte in Holland mit zwei Bekannten Drogen für den Eigenkonsum „Mauerschützen" entschieden worden (vgl. oben Nr. 38, S. 610 ff., Nr. 44,
erworben hatte. Jeder hatte die von ihm erworbene Menge bei sich. Im Auto, S. 616), ohne daß die Möglichkeit einer Beihilfe auch nur in Erwägung ge-
das von einem der Bekannten gesteuert wurde, fuhren sie gemeinsam nach zogen worden wäre. Die Anerkennung der Organisationsherrschaft in der
Deutschland zurück. Der BGH nimmt zutreffend an, daß der Angeklagte neueren Rechtsprechung beruht geradezu auf der Prämisse einer verantwort-
Täter der Einfuhr nur hinsichtlich der von ihm selbst erworbenen Drogen lichen Täterschaft des unmittelbar Handelnden. Insofern hat sich also die Tat-
war. Selbst eine Beihilfe zur Einfuhr der anderen komme nur in Betracht, herrschaftslehre praktisch ohne Einschränkungen durchgesetzt.
soweit er deren Tat gefördert habe (z. B. durch gemeinsames Zahlen der Ben-
zinkösten). 2. Ähnliches gilt für die mittelbare Täterschaft. Der BGH stützt sich bei
seinen verhältnismäßig zahlreichen einschlägigen Entscheidungen 280 fast aus-
schließlich auf das Kriterium der Tatherrschaft. Die beiden grundlegenden
B. Resümee Entscheidungen zum „Täter hinter dem Täter", der „Katzenkönigs-Fall"
(oben Nr. 29, S. 602 ff.) und der Fall des „Nationalen Verteidigungsrates"
Die vorstehende Darstellung und Analyse aller einigermaßen aussagekräfti- (oben Nr. 38, S. 610 ff.), haben bahnbrechend gewirkt, iqdem sie zur Struktu-
gen Entscheidungen zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, die der
BGH seit dem Erscheinen der Erstausgabe dieses Buches, also seit 43 Jahren,
erlassen hat, zeigt eine zunehmende Abwendung von einer rein subjektiven, 276
Auch Otto, Jura 1987, 249, stellt eine „deutlich erkennbare Gesamttendenz von der subjek-
allein auf den Täterwillen abstellenden Unterscheidung und ein allmähliches tiven Theorie zur Tatherrschaftslehre" fest.
277
GA 1986, 437-449.
278
GA 1986,440.
272 279
Mitgeteilt bei Winkler, NStZ 1999, 234; auch in BGHR BtMG § 29 I, 1, Einfuhr 36. G A 1986, 449.
273 280
NStZ 2003, 90f. Oben Nr. 14, S. 582; Nr. 16, S. 585; Nr. 17, S. 588; Nr. 25, S. 596; Nr. 29, S. 602; Nr. 35,
274 S. 609; Nr. 38, S. 610; Nr. 39, S. 612; Nr. 41, S. 614; Nr. 44, S. 616; Nr. 48,
NStZ-RR2004,25f.
275
NStZ 2005, 229. S. 618; Nr. 49, S. 618; Nr. 51, S. 620; Nr. 59, S. 623; Nr. 61, S. 624.
644 645

rierung des Tatherrschaftsbegriffs im Bereich der mittelbaren Täterschaft ent- esse gelegt wird; 285 bei einer Unterlassungstat wird mit der „inneren Hal-
scheidend beigetragen haben; sie imponieren auch durch die Sorgfalt ihrer tung" ein extrem subjektives Element als täterschaftsbegründend beurteilt
Auseinandersetzung mit der Literatur. (oben Nr. 24, S. 595).
Andererseits ist nicht zu verkennen, daß manche Entscheidungen eine mit- Eine Tendenz zur Bevorzugung des einen oder des anderen Kriteriums läßt
telbare Täterschaft des Hintermannes ohne ausreichende Begründung und sich nicht ausmachen. Statt dessen scheint der BGH die Entscheidung zwi-
auch im Ergebnis zu Unrecht bejahen.281 Es scheint, daß BGHSt 40, 218 schen Mittäterschaft und Beihilfe bis zu einem gewissen Grade einer revi-
(oben Nr. 38, S. 610 ff.) eine Entwicklung eingeleitet hat, wonach „das Pro- sionsrechtlich unüberprüfbaren tatrichterlichen Beurteilung überlassen zu
blem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen" wollen (besonders deutlich oben Nr. 50, S. 619; Nr. 55, S. 622; Nr. 57, S. 622;
grundsätzlich im Sinne einer mittelbaren Täterschaft der „Leitungsebene" Nr. 64.25, S. 641). Das entfernt sich weit von den Maßstäben der Tatherr-
gelöst werden soll, so daß die höhere Position in einer Unternehmenshierar- schaftslehre, die lange Zeit auch bei Bestimmung der Mittäterschaft im Vor-
chie ohne weiteres mit „Tatherrschaft" gleichgesetzt wird. Das wäre ein Irr- dringen zu sein schien. Eher hat die Bedeutung der Tatherrschaft für die Mit-
weg, der im Bereich der Unternehmenskriminalität weitgehend zur subjek- täterschaft in der Rechtsprechung der letzten Jahre sogar abgenommen. So
tiven Theorie zurückführt, indem die Weisung den Täterwillen und liegt es wenigstens bei den Entscheidungen, die eine Mitwirkung bei der Pla-
vermeintlich auch schon die Tatherrschaft begründet. So wird denn auch in nung allein für eine Mittäterschaft genügen lassen (vgl. oben Nr. 37, S. 610;
einer einschlägigen Entscheidung (oben Nr. 48, S. 618) bei Begründung der Nr. 42, S. 615; Nr. 45, S. 616; Nr. 47, S. 617). Es zeigt sich tendenziell ebenso
mittelbaren Täterschaft neben der Tatherrschaft wieder auf den „Täterwillen" in der von fast allen Entscheidungen wiederholten Versicherung, daß auch
und das „Tatinteresse" Bezug genommen. Das droht die Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen eine Mittäterschaft begründen könnten. Denn auch
mittelbarer Täterschaft und Anstiftung zu verwischen. Es bleibt also zu wün- wenn man für eine Mittäterschaft nicht, wie es in diesem Buche geschieht,
schen, daß die nachfolgende Rechtsprechung den an sich so fruchtbaren ausschließlich wesentliche Tatbeiträge im Ausführungsstadium genügen läßt,
Begriff der Organisationsherrschaft restriktiv handhabt. würde eine zur Tatherrschaftslehre tendierende Interpretation doch weit
mehr auf die täterschaftsbegründende Relevanz einer nachhaltigen Mitwir-
3. Verhältnismäßig am wenigsten hat sich der Tatherrschaftsgedanke bisher kung bei der Ausführung hinweisen, anstatt vorbereitende Beiträge quasi
bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe durchgesetzt. Hier wird zum Prototyp der Mittäterschaft zu erheben. Auch wird das Kriterium der
die inzwischen ständige Rechtsprechung, deren Konzeption ich mit einem Tatherrschaft öfter in einem Sinne verwendet, der der Bedeutung dieses
sich allmählich einbürgernden Ausdruck als „normative Kombinations- Begriffs nicht gerecht wird (vgl. zuletzt etwa Nr. 47, S. 617; Nr. 62, S. 625).
theorie" 282 bezeichnet habe, von einer Auffassung beherrscht, die auf eine Eine eher gegenläufige Tendenz zeigt in den letzten Jahren allein die Recht-
„wertende Gesamtbetrachtung" abstellt, bei der das Tatinteresse, der Umfang sprechung zum Betäubungsmittelrecht (oben Nr. 64, S. 626 ff.), indem sie für
der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherr- die Mittäterschaft zwar keine Tatherrschaft bei der Einfuhr oder beim Han-
schaft als „wesentliche Anhaltspunkte" für die Abgrenzung angesehen wer- deltreiben voraussetzt, ihr aber durch das Erfordernis umfang- und ein-
den. Da der „Wille zur Tatherrschaft" und der „Umfang der Tatbeteiligung" flußreicherer Mitwirkungshandlungen doch einen erheblich größeren Stellen-
eigentlich nur Voraussetzungen der Tatherrschaft sind, bilden „Interesse" und wert zuweist. Jedenfalls ergeben die vorstehenden Urteilsanalysen, daß der
„Tatherrschaft" die beiden zentralen Kriterien der heutigen Rechtsprechung. BGH der Neigung der Instanzgerichte entgegenzuwirken versucht, auch bei
Die große Schwäche dieser „Theorie" liegt nach wie vor darin, daß unklar geringen Tatbeiträgen schon eine Mittäterschaft zu bejahen. Allerdings hat
bleibt, welches Merkmal den Ausschlag geben soll, wenn Interesse und Tat- diese Sonderentwicklung ihre Ursache wohl nicht in einer abweichenden
herrschaft auseinander fallen. Neben Entscheidungen, die mehr auf die Tat- Auffassung über Täterschaft und Teilnahme, sondern in der außerordentlich
herrschaft 283 (vor allem das Ausmaß der Mitwirkung im Ausführungsstadium) weiten Ausdehnung, die der Tatbestand des „Handeltreibens" in der Recht-
abstellen,284 stehen andere, bei denen das größere Gewicht auf das Eigeninter- sprechung gefunden hat (vgl. oben Nr. 64, S. 627). Diese Ausdehnung fordert
eine wenigstens die Täterschaft einschränkende Reaktion heraus, die sich
dann auch beim Merkmal der Einfuhr auswirkt.
O b e n Nr. 17, S. 588; Nr. 25, S. 596; Nr. 39, S. 612; Nr. 48, S. 618; Nr. 49, S. 618; Nr. 59, Das nach wie vor bestehende Nebeneinander von Tatherrschaft und Tat-
S. 623; Nr. 61, S. 624 (hier wird das Vorliegen einer mittelbaren Täterschaft übersehen).
Die normative Kombinationstheorie wird außer in den im Text analysierten Entscheidun-
interesse und die Konkurrenz beider Merkmale in der Rechtsprechung wird
gen auch noch in anderen vertreten, denen wegen der immer gleichen Formulierungen hier oft als eine Art Kompromiß zwischen den objektiven und subjektiven Ten-
keine eigene Besprechung gewidmet ist; ich weise nur auf B G H R StGB § 25 Abs. 2, Mit-
täter Nr. 16, 18, 19, 28 und Tatinteresse Nr. 5 hin.
O b e n Nr. 18, S. 589; Nr. 26, S. 599; Nr. 27, S. 600; Nr. 28, S. 601; Nr. 30, S. 604; Nr. 31, ist in den vorstehenden Rechtsprechungsüberblick nicht aufgenommen worden, weil bei
S. 605; Nr. 36, S. 609; Nr. 50, S. 619. Holtz nur ein kurzer Auszug abgedruckt ist.
Dazu gehört auch B G H , 4. Strafsenat, v. 29.3.1984, bei Holtz, M D R 1984, 626, wo es O b e n Nr. 15, S. 584; Nr. 17, S. 588; Nr. 23, S. 594; Nr. 24, S. 595; Nr. 37, S. 610; Nr. 42,
heißt: „Der Gehilfe unterstützt die Tat eines anderen, der die Tatherrschaft hat." Das Urteil S. 615; Nr. 45, S. 616; Nr. 47, S. 617; Nr. 50, S. 619; Nr. 60, S. 624; Nr. 62, S. 625.
646 647

denzen der Täterlehre empfunden. So meint Jescheck: 286 „Durch diese An- Wenn man sich fragt, warum eine Lehre, die dem Richter bei Bestimmung
näherung dürfte im praktischen Ergebnis für die große Mehrzahl der Fälle der Beteiligungsformen weitgehend freie Hand läßt, in der Praxis gern und kri-
Übereinstimmung erzielt sein." Lackner/Kühl 287 urteilen, es hätten „sich die tiklos aufgegriffen wurde, so stößt man auf rechtspolitische Gesichtspunkte,
Gegensätze infolge der Annäherung der Rechtsprechung an die Prinzipien die ihre Wurzel außerhalb der Teilnahmelehre haben. Ein Schwerpunkt der
der Tatherrschaftslehre erheblich verringert". Die nähere Analyse zeigt Problematik lag"lange - schon wegen der Vielzahl der gegen NS-Gewaltver-
jedoch, daß dies wenigstens bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Bei- brecher schwebenden Prozesse - bei den Tötungsdelikten, und zwar vor-
hilfe nicht ganz zutrifft. Die Abgrenzungsmaßstäbe sind uneinheitlich wie eh nehmlich beim Tatbestand des Mordes. Die absolute Strafdrohung des §211
und je, und die Ergebnisse sind durch Einräumung eines richterlichen „Beur- StGB aber sieht für den Täter als einzige Strafe lebenslange Freiheitsstrafe
teilungsspielraums" ebenso unvorhersehbar wie zu den Zeiten, da Täter- und vor, eine Sanktion, die beim Vorliegen mildernder Umstände manchem Rich-
Teilnehmerwille das einzige Abgrenzungsmerkmal abgaben. ter als zu hart erscheint. Das gilt bei einer Rechtsprechung, die mit der Ver-
Man kann nur hoffen, daß die Rechtsprechung in Zukunft doch noch die hängung von Freiheitsstrafen in allen Bereichen der Kriminaljustiz zuneh-
Mittäterschaft stärker an die Tatbestandshandlung und damit an das Aus- mend milder verfährt, für Tötungsdelikte ganz allgemein;289 es traf aber, wie
führungsstadium bindet. Sie würde dadurch auch in diesem Bereich engeren jeder Sachkundige weiß, auf die Bestrafung der NS-Verbrechen in besonde-
Anschluß an die Tatherrschaftslehre gewinnen. Das ist schon deshalb wün- rem Maße zu. In einer solchen Situation lag es nahe, daß die Praxis die Milde-
schenswert, weil sich im Bereich der unmittelbaren und der mittelbaren rung, die der Gesetzgeber bei der Gehilfenschaft vorgesehen hat, für eine
Täterschaft die Tatherrschaft als Abgrenzungskriterium eindeutig durchge- generelle Relativierung der rigorosen Strafdrohung des §211 StGB benutzte.
setzt hat. Angesichts dessen ist es widersprüchlich, sich bei der Mittäterschaft Das heißt: Die Gehilfenschaft wurde als Ersatz für eine gesetzlich nicht vor-
mit dem Formelkompromiß der normativen Kombinationstheorie zu begnü- gesehene Milderungsklausel verwendet. §27 StGB (§49 a. F.) wurde - bei-
gen, der jeden eindeutigen Maßstab preisgibt und unter dem Anschein einer spielsweise im Hinblick auf den Mordtatbestand - gelesen, wie wenn er als
Annäherung an die Tatherrschaftslehre fast alles beim alten läßt. §211 Abs. 3 StGB im Gesetz stünde und lautete: „Beim Vorliegen mildernder
Umstände tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren (§49 Abs. 1 Nr. 1 StGB)
ein." Hanack hat diese Rechtsprechung zutreffend als eine vornehmlich auf
C. Rechtspolitische, systematische und dogmatische die prozessuale „Bewältigung" der NS-Gewaltverbrechen zugeschnittene
Hintergründe der neueren Rechtsprechung „Rechtsschöpfung" gekennzeichnet. 290 Es ist heute allgemein anerkannt, daß
hier ein wesentlicher Grund für das zähe Festhalten der Nachkriegsrechtspre-
1. Unser Überblick läßt erkennen, daß die widerstreitenden Positionen und chung an der subjektiven Theorie gelegen hat.291 Die Notwendigkeit, sich von
die Unsicherheit, die unsere Teilnahmelehre in den letzten Jahrzehnten ge- dieser Lehre zu lösen, wird dadurch aber nur um so dringlicher.
kennzeichnet haben, durch strafrechtsdogmatische Differenzen allein nicht Das Staschynskij-Urteil des BGH bietet für die geschilderte Umwandlung
erklärbar sind. Vielmehr finden darin, wie die subjektive Theorie und die Tat- der Teilnahmeformen in Strafzumessungsgründe ein vortreffliches Beispiel.
herrschaftslehre lange Zeit einander gegenübergestanden haben, zwei grund- Denn wenn es dort heißt: 292 „Unter besonderen Umständen mögen staatliche
sätzlich verschiedene Auffassungen über die Stellung des Richters zum Verbrechensbefehle allerdings Strafmilderungsgründe abgeben", und wenn im
Gesetz ihren Ausdruck: Die subjektive Theorie gibt die Abgrenzung der folgenden diese „besonderen Gründe" als Beihilfekriterien genannt werden,
Beteiligungsformen fast ganz in das unüberprüfbare Ermessen des Richters, dann kann man die Einführung einer außergesetzlichen Strafrahmenreduk-
der seine Entscheidung nachträglich mit beliebig ausfüllbaren formelhaften tion kaum unverhüllter aussprechen. Überhaupt läßt sich die weitgehende
Wendungen umkleidet; die Vertreter der Tatherrschaftslehre dagegen sind,
wie auch das vorliegende Buch beweist, in zunehmendem Maße darum
289
bemüht, durch eine möglichst präzise Umschreibung der Beteiligungsformen So liegt es z. B. nahe, daß die oben unter Nr. 2, S. 563 f., erörterte Entscheidung in Wahrheit
durch das Bestreben motiviert war, dem Täter die lebenslängliche Strafe zu ersparen, die
die ,',rechtsgefühlsgeleitete Entscheidungsfreiheit" 288 des Richters einzuengen. dem Gericht bei der Einstellung, die den Angeklagten beherrschte, doch nicht ganz ange-
Dem entspricht es, daß in der Praxis - namentlich der Instanzgerichte - vor- messen erschienen sein mag.
290
zugsweise mit dem fiktiven Täter- oder Teilnehmerwillen gearbeitet wird, Zur Problematik der gerechten Bestrafung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen, 1967,
während im wissenschaftlichen Schrifttum umgekehrt die Tatherrschaftslehre 35.
291
So objektive Beurteiler wie Jescheck/Weigend (AT 5 , 1996, 654) schreiben: „In der Recht-
zur absolut herrschenden Auffassung geworden ist. sprechung des B G H herrschte bisher die subjektive Theorie ... Für ihre weitere An-
wendung ist nach dem zweiten Weltkrieg die Problematik der NS-Gewaltverbrechen von
Einfluß gewesen. Bei der Aburteilung von befohlenen Mordtaten im Rahmen von Organi-
sationen haben sich die Gerichte in der Regel gescheut, Täterschaft anzunehmen, wenn die
286
Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 654. Ausführenden im Machtbereich der Befehlsgeber lebten, und sind statt dessen im Wege der
287
Lackner/Kühl 2 5 , 2004, vor § 25, Rn. 6. subjektiven Teilnahmetheorie auf Beihilfe ausgewichen."
288 292
Blei, NTW 1965, 1218. BGHStl8,94.
648 649

Berücksichtigung der vom Angeklagten durch sein Verhalten nach der Tat Beteiligung abstellende Gesetzeswortlaut eine derartige Interpretation als
geleisteten „Sühne" nur unter dem Aspekt der Strafzumessung sinnvoll ein- wissenschaftlich indiskutabel erscheinen.
ordnen. Gleichzeitig wird von dieser „Umfunktionierung" der Teilnahme- Die Auffassung, daß „Beihilfe" ein Synonym für „mildernde Umstände"
lehre her verständlich, daß sie dogmatisch auf eine „Theorie" angewiesen ist, sei, ist denn auch in dem der subjektiven Theorie anhängenden wissenschaft-
die sich von allen objektiven Kriterien löst und dem richterlichen Ermessen lichen Schrifttum ebenso wie in der Rechtsprechung noch nie ausdrücklich
bei Bestimmung der Rechtsfolgen einen fast unbegrenzten Spielraum läßt. vertreten worden. Wie wenig aber die subjektive Lehre sich angesichts der
Allein eine extrem subjektive Teilnahmelehre kann, wenn man sie so verwen- Ausweitung, die sie bisweilen erfahren hat, gegenüber solchen gesetzwidrigen
det, wie es in den oben analysierten Urteilen geschehen ist, eine derartige Konsequenzen abgrenzen kann, zeigt die Stellungnahme eines um die Rechts-
Aufgabe erfüllen. Deshalb ist zu befürchten, daß sie, solange die geschilderte staatlichkeit unseres Strafrechts so verdienten Autors wie Baumann, eines
Strafzumessungspraxis geübt wird, aller Kritik und sogar des neuen §25 Hauptvertreters der subjektiven Theorie. Er schreibt: 296 „Die Teilnahmefrage
Abs. 1 StGB ungeachtet, das Feld behaupten kann. 293 muß für sich gelöst werden, und erst dann, wenn Beihilfe (und nicht Täter-
Es liegt außerhalb des dieser Darstellung gesetzten Zieles, den Ursachen schaft mit der Folge der absoluten Strafdrohung der lebenslangen Zuchthaus-
nachzuspüren, die - namentlich beim Mord - den Wunsch nach einer außer- strafe297) wirklich vorliegt, ist innerhalb des für die Beihilfe gegebenen Straf-
gesetzlichen Strafmilderung so durchschlagskräftig gemacht haben. Nur eine rahmens die gerechte Strafe zu finden. Insofern ist Roxin recht zu geben, daß
die soziologischen Hintergründe aufhellende Studie könnte hier legitime und nicht Strafzumessungserwägungen die Frage der Täterschaft oder Beihilfe
fragwürdige Argumente voneinander trennen. 294 In diesem Zusammenhang bestimmen dürfen." Darauf folgt jedoch eine Anmerkung, in der es heißt:
muß die ernstlich nicht bestreitbare Erkenntnis genügen, daß jedenfalls die „Nicht recht zu geben ist ihm insoweit, als die Abgrenzung ... nach der ver-
Bemühungen, solche Wünsche durch eine Auflösung der Teilnahmelehre zu brecherischen Willensrichtung erfolgen muß, daß also auch die Stärke des
verwirklichen, mit dem Gesetz unvereinbar sind.295 Denn der Gesetzgeber verbrecherischen Willens ... von Bedeutung sein muß, ja die Abgrenzung
hätte auf die in zahlreichen Bestimmungen für den Fall mildernder Umstände zwischen Mittäterschaft und Beihilfe überhaupt erst sinnvoll macht." Hier
ausdrücklich vorgesehene Herabsetzung der Mindeststrafe verzichten können wird das im Vordersatz als richtig Erkannte in der Anmerkung wieder
und müssen, wenn diese Frage bereits durch die Rechtsfigur der Beihilfe ihre zurückgenommen. Denn die „Stärke des verbrecherischen Willens" bezeich-
Lösung gefunden hätte. Außerdem läßt schon der eindeutig auf die Art der net keine meßbare Größe, sondern einen unbestimmten Würdigungsbe-
griff.298 Will man mit ihm überhaupt einen greifbaren Sinn verbinden, so kann
damit nichts anderes gemeint sein, als daß man beim Vorliegen mildernder
Es ist bemerkenswert, daß die oben (S. 549 ff.) berichtete Diskussion im Sonderausschuß Umstände einen weniger starken und bei ihrem Fehlen einen intensiveren
über die Frage, ob nicht auch nach dem neuen § 25 Abs. 1 StGB in „Extremfällen" der
eigenhändig Ausführende doch nur Gehilfe sein könne, sich ausschließlich um das Beispiel
verbrecherischen Willen annimmt. Damit aber strömen sämtliche Strafzumes-
eines NS-Gewaltverbrechens (Erschießungskommando) drehte. sungserwägungen, die auch Baumann aus der Teilnahmelehre verbannen will,
Immerhin sei darauf hingewiesen, daß niedrige Strafen bei der Ahndung von NS-Gewalt- ungehindert wieder in sie ein. Sie alle sollen ja das Ausmaß der Schuld und
verbrechen neben der Zustimmung einer breiten, aber meist anonymen Öffentlichkeit viel- damit die Größe der verbrecherischen Energie bestimmen helfen.
fach auch lebhafte Kritik gefunden haben (vgl. die Nachweise in dem wichtigen, von
Henkys herausgegebenen Buch über „Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen"). In Es ergibt sich also, daß die subjektive Theorie einer rechtspolitisch aus
der. schon vor Jahrzehnten (JZ 1966, 714ff. = N J W 1966, 2049) veröffentlichten Ent- mancherlei Ursachen erklärbaren, mit dem Gesetz aber nicht zu vereinbaren-
schließung einer von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages einberufenen
den und auch von ihren eigenen Anhängern abgelehnten Tendenz zur
Sachverständigenkommission heißt es wörtlich: „Die Kommission hat mit Besorgnis von
Urteilen Kenntnis genommen, in denen NS-Gewaltverbrechen ... mit auffallend niedrigen Umdeutung der Teilnahmeformen in Strafzumessungsgründe Vorschub lei-
Strafen geahndet worden sind. In einem wesentlichen Teil dieser Fälle beruht das darauf, stet. Es ist zu hoffen, daß die neue Gesetzeslage, wie sie oben (S. 546 ff.) inter-
daß Täter des Mordes als Gehilfen verurteilt worden sind." Eindrucksvolles dokumentari- pretiert wurde und das durch den Zeitablauf vorgezeichnete Ende der Pro-
sches Material über die Teilnahmerechtsprechung bei NS-Gewaltverbrechen und über die
zesse gegen Straftäter aus der NS-Zeit diesen Tendenzen im Laufe der Jahre
Yorgeschichte jener „Sachverständigenkommission", der auch der Verfasser dieses Buches
angehört hat, liefern die Staatsanwältin B. Just-Dahlmann und der Richter H . Just in ihrem ein Ende setzt. Schon die Rechtsprechung der letzten Jahre zeigt, daß der
Buch „Die Gehilfen", 1988. Bundesgerichtshof sich von einer subjektiven Theorie, wie sie etwa das
Im Ergebnis ebenso Hanack, a . a . O . , 36ff., mit der Wiedergabe auch unveröffentlichter Reichsgericht vertreten hatte, mehr und mehr distanziert. Aber die in der
Urteile 39 ff. Ferner heißt es in der oben in Anm. 294 zitierten Kommissionsentschließung: Judikatur heute vorherrschende „normative Kombinationstheorie" gibt dem
„Die Kommission hat nicht verkannt, daß in Fällen der Täterschaft, insbesondere bei H a n -
deln auf Befehl in notstandsähnlicher Konfliktslage, die Strafe lebenslangen Zuchthauses als
zu hart erscheinen kann. Ein Teil der Kommission hat die Meinung vertreten, daß für sol-
che aus einer außergewöhnlichen Lage entsprungenen Fälle ausnahmsweise ein übergesetz- Bei Henkys, Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, 2 1972, 317f., vor und in Anm.
licher Strafmilderungsgrund in Betracht gezogen werden könnte; andere Mitglieder wollen 162.
die Lösung dem Gesetzgeber oder der Gnadeninstanz überlassen." Daraus ergibt sich deut- Heute: Freiheitsstrafe.
lich, daß bei allen Divergenzen im übrigen vollkommene Übereinstimmung darin bestand, Über seine mangelnde Eignung für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme vgl.
daß die Annahme einer Beihilfe kein gangbarer Weg zur Lösung dieser Probleme sei. schon oben S. 30f. und passim.
650 651

Richter bei der „wertenden" Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme Täterlehre betrachtet. Sogar die mit einer subjektiven Auffassung sympathi-
doch immer noch einen strafzumessungsähnlichen Beurteilungsspielraum sierenden Autoren tasten diesen Grundsatz in der Regel nicht an. Schon
(vgl. oben S. 644 f.). Ein endgültiger Umschwung ist daher nur dann zu er- v. Buri, auf den die Übernahme der subjektiven Theorie durch das RG
warten, wenn sich auch in dogmatischer Hinsicht in der Rechtsprechung zurückgeht, hatte immer wieder ausdrücklich betont, daß eine eigenhändige
die Erkenntnis durchsetzt, die der materiell-objektiven Theorie das Funda- Tatbestandserfüllung in jedem Falle die Täterschaft begründe; 299 und der neue
ment gibt: daß nämlich Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe Erscheinungsfor- §25 Abs. 1 StGB beruht nunmehr ausdrücklich auf dieser Grundlage. Den-
men tatbestandlichen Unrechts sind, auf die davon abgelöste Schuld- und noch bedarf diese scheinbare Banalität der Betonung, weil die subjektive
Strafzumessungserwägungen keinen Einfluß haben. Theorie sich dogmatisch überhaupt nur dann begründen ließe, wenn man die
Eine außerhalb der Teilnahmelehre liegende Entwicklung könnte es der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme als ein Schuldproblem betrach-
Rechtsprechung künftig erleichtern, auf den außergesetzlichen Strafmilde- tete. Die Beihilfe wäre dann ein Schuldminderungsgrund, dessen Zubilligung
rungsgrund einer Umdeutung von Täterschaft in Beihilfe zu verzichten. konsequenterweise von der inneren Einstellung des Handelnden abhängig
BGHSt 30, 105 (119) hat im Anschluß an BVerfGE 45, 187 nunmehr aner- gemacht werden könnte. Hanack 300 hat mit Recht über das Staschynskij-
kannt, daß es beim Tatbestand des Mordes Fälle geben kann, bei denen „die Urteil gesagt, hier werde sichtbar, daß der BGH „die Abgrenzung von Täter-
Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestands- schaft und Teilnahme als eine Frage ... der gerechten Bewertung von Schuld
mäßigen Unrechts unverhältnismäßig wäre, so daß die Strafe nach § 49 Abs. 1 ansieht".
Nr. 1 gemildert werden muß". Damit ist beim Tatbestand des Mordes nun Eine solche theoretische Grundlage ist jedoch nicht tragfähig. Richtig ist
endlich im Wege verfassungskonformer richterlicher Rechtsschöpfung der vielmehr allein die Zuordnung der Täterlehre zum Tatbestand (exakter: zum
„übergesetzliche Strafmilderungsgrund" geschaffen, wie er in der Diskussion tatbestandlichen Unrecht). Die durchaus objektive Formulierung des Geset-
um die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe im Rahmen des §211 StGB zes, der Schluß von der zweifelsfreien Täterschaft des den Tatbestand ver-
schon so oft gefordert worden war. Der jetzt vom B G H herangezogene Mil- wirklichenden einzelnen auf die generell täterschaftsbegründende Wirkung
derungsschlüssel des §49 Abs. 1 ist bemerkenswerterweise genau derselbe, der eigenhändigen Tatbestandserfüllung und die durch die Einführung der
der sich nach §27 Abs. 2 bei Anwendung des Beihilfestrafrahmens ergibt. limitierten Akzessorietät endgültig klargestellte Schuldindifferenz von Täter-
Freilich hat der Große Senat für Strafsachen seine bahnbrechende Entschei- schaft und Teilnahme treten an Bedeutung für diese Konzeption sogar zurück
dung bisher auf das Tatbestandsmerkmal der Heimtücke beschränkt; aber es hinter dem rechtsstaatlichen Fundamentalsatz, daß wir ein Tat- und kein
liegt in der Natur der Sache, daß die Milderungsmöglichkeit für alle Fälle des Gesinnungsstrafrecht haben und daß demzufolge allein die Begehung der Tat-
Mordes gelten muß, in denen eine lebenslange Strafe nach den Maßstäben der bestandshandlung die Täterstrafe auslösen kann. Wer bei der Tat eines ande-
Verfassung unverhältnismäßig wäre. Es besteht also auch unter dem Gesichts- ren zustimmend mit dem Kopfe nickt, wer einen Dietrich für den Einbruch
punkt der Billigkeit und Verhältnismäßigkeit künftig keine Veranlassung oder das Papier für die Urkundenfälschung zur Verfügung stellt, hat, mag
mehr, das Maß der Schuld Einfluß auf die Abgrenzung von Täterschaft und seine innere Einstellung noch so antisozial und unmoralisch sein, jedenfalls
Teilnahme gewinnen zu lassen. den Tatbestand nicht erfüllt. Er kann daher - nulla poena sine lege - nur straf-
Ebenso bedenklich wie die auch in der Rechtsprechung allmählich über- bar sein, soweit der Gesetzgeber das durch die Einführung besonderer Teil-
wundene Umdeutung von unmittelbarer Täterschaft in Beihilfe ist die, wie nahmeformen ausdrücklich anordnet. Umgekehrt ist, wer wissentlich und
obige Übersicht zeigt, auch heute noch vielfach anzutreffende Aufwertung willentlich den Tatbestand erfüllt, Täter und wird, wenn nicht seine Verant-
einer bloßen Mitwirkung bei der Entschlußfassung und Tatplanung eines wortung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, als solcher bestraft; seine
untätigen Dabeistehens oder geringfügiger Vorbereitungshandlungen zur etwa geringere Schuld wird im Rahmen der gesetzlichen Schuldminderungs-
Mittäterschaft. Denn das Eigeninteresse allein kann auch in einem materiellen gründe (§§ 17, 21 StGB) und bei der Strafzumessung berücksichtigt, ändert an
Sinne keine Tatbestandsverwirklichung begründen, sondern ist ein aus- seiner Täterschaft aber nicht das geringste.
schließlich schuldrelevanter Faktor. Der rechtsstaatliche Sinn dieser Regelung liegt darin, daß Gesinnung und
2. Damit stehen wir vor dem Grundproblem der gesamten Teilnahme- Gefährlichkeit des einzelnen staatliche Strafe nur insoweit auslösen sollen,
lehre, ihrer Zuordnung zum Tatbestand oder zur Schuld, einer Frage, die nur wie sie sich bei der Tatbestandserfüllung in äußeren Handlungen niederge-
aus der dogmatischen Funktion dieser Systemkategorien beantwortet werden schlagen haben. Dieser Intention entspricht es, daß weniger intensive, außer-
kann. Sie ist wissenschaftlich bisher nicht umfassend behandelt worden, weil halb des Tatbestandes und damit außerhalb der deliktischen Kernzone lie-
man es im allgemeinen für eine banale Selbstverständlichkeit hielt, daß Täter- gende Mitwirkungen geringer bestraft werden, und zwar je nach dem Maße
schaft nichts anderes als Tatbestandsverwirklichung bedeute. Auf dieser Prä-
misse ruhte die bis zum Beginn der dreißiger Jahre im Schrifttum durchaus
herrschende formal-objektive Theorie. Sie wird gegenwärtig auch von den Darüber ausführlich Sax, JZ 1963, 332 f.
Anhängern der materiell-objektiven Lehre meist ausdrücklich als Basis der Wie Anm. 290, S. 34.
652 653
der abnehmenden Tatnähe. Der Gesetzgeber trägt dem im Falle der Beihilfe Die subjektive Theorie jedoch verkehrt, wenn man sie so handhabt, wie
durch eine früher fakultative und heute nach § 27 Abs. 2 StGB sogar obligato- das teilweise in den oben analysierten Urteilen und auch sonst in der Praxis
rische Strafmilderung Rechnung. Für die Anstiftung ist zwar nach wie vor geschieht, diese einfache Erkenntnis in ihr Gegenteil. Sie ignoriert, indem sie
derselbe Strafrahmen wie für die Täterschaft vorgesehen (§26 StGB); das die Art des äußeren Tatbeitrages als irrelevant ansieht, in unzulässiger Weise
beruht aber nur auf der Annahme des Gesetzgebers, der geringeren Tatnähe die Tatbestandsfrage und verschiebt die Differenzierung in den Schuld- und
des Anstifters könne, wo sie nicht durch den zusätzlichen Unwert der Kor- Strafzumessungsbereich, obwohl dieser durch Schuldausschließungs- und
rumpierung des Aufgeforderten ausgeglichen werde, „bei der Zumessung der -minderungsgründe ebenso wie auch die gesetzliche Anführung mildernder
Strafe innerhalb des allgemeinen Strafrahmens genügend Rechnung getragen Umstände, besonders leichte und schwere Fälle und ähnliche Richtlinien
werden" 301 . Auch hier wird jedoch die Differenzierung nach der Tatnähe abschließend geregelt ist. Die Gesetzwidrigkeit dieser Umdeutung ist oben
schon aus dem Gesetz deutlich, wenn man ins Versuchsstadium zurückgeht. schon näher dargelegt worden. Sie bedarf aber von den dogmatischen
Die versuchte Täterschaft wird auch bei einem Teil der Vergehen, die ver- Grundlagen unseres Strafrechts her insofern noch weiterer Betrachtung, als
suchte Anstiftung nur bei Verbrechen und die versuchte Beihilfe überhaupt sie letzten Endes dazu führt, die Teilnahmeformen als selbständige rechtliche
nicht bestraft.302 Kategorien aus der Verbrechenslehre überhaupt zu entfernen und sie in allge-
Es ist für ein Tatstrafrecht im Grunde selbstverständlich, daß das Maß des meinen Strafwürdigkeitserwägungen untergehen zu lassen. Vom Bundes-
vom einzelnen geleisteten Tatbeitrages in der geschilderten Form berücksich- justizministerium wurde schon im Jahre 1964 unsere Teilnahmerechtspre-
tigt werden muß und daß die „innere Einstellung" des Täters, seine Gesin- chung folgendermaßen charakterisiert: 303 „Bleibt somit für die Abgrenzung
nung, die in äußeren Handlungen nicht manifestierte Stärke seines verbreche- von Täterschaft und Teilnahme nach wie vor die innere Einstellung des
rischen Willens usw. nur bei der Strafzumessung zur Geltung kommen Beschuldigten zur Tat maßgebend, so kommt es für die Abgrenzung im Ein-
können, soweit der nach objektiven Kriterien zu ermittelnde Täter-, Anstif- zelfall darauf an, aus welchen Indizien das Gericht den Schluß auf eigenen
ter- und Gehilfenstrafrahmen das zuläßt. Die Schwierigkeit, an der die for- Täterwillen des Angeklagten zieht. Die entsprechenden Feststellungen müs-
mal-objektive Theorie trotz ihres richtigen Ansatzes und trotz der imponie- sen in jedem Fall unter Würdigung aller Besonderheiten der einzelnen Tat
renden Zahl ihrer Anhänger schließlich gescheitert ist, hat ihren Grund allein getroffen werden." Wie sich ein solches, alle für die „innere Einstellung"
in der Erkenntnis, daß man den Begriff der Tatbestandsverwirklichung nicht bedeutsamen Faktoren berücksichtigendes Verfahren von der gewöhnlichen
in allen Fällen auf die eigenhändige Erfüllung der Merkmale einer Strafvor- Strafzumessung unterscheiden soll, ist nicht mehr ersichtlich. Wenn es näm-
schrift begrenzen kann, daß es vielmehr möglich ist, einen Tatbestand auch lich dem Gericht überlassen bleibt, aus welchen Indizien es den Schluß auf
dadurch zu erfüllen, daß man sich eines menschlichen „Werkzeugs" bedient den Täterwillen ziehen will und wenn alle rechtlichen Maßstäbe zugunsten
(mittelbare Täterschaft) oder sich in die Ausführung mit einem anderen teilt der „Besonderheiten des Einzelfalles" beiseitegeschoben werden, so entschei-
(Mittäterschaft). Die Notwendigkeit, auf diese Weise den formalen durch det über die Strafreduktion wegen Beihilfe ein tatrichterliches Ermessen, das
einen materiellen Tatbestands- und Täterbegriff zu erweitern, folgt jetzt konsequenterweise sogar der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen
schon positiv-rechtlich aus §25 StGB, dessen „Begehens"-Kriterium auf sein müßte (wie dies die jüngere Rechtsprechung des B G H denn auch tut,
einem solchen materiellen Begriff der Tatbestandserfüllung beruht. indem sie dem Tatrichter einen unüberprüfbaren „Beurteilungsspielraum"
Wie die Voraussetzungen der Täterschaft auf der Grundlage eines solchen zubilligt). Denn „alle Besonderheiten der einzelnen Tat" sind dem höheren
materiellen Tatbestandsbegriffs zu bestimmen sind, habe ich im vorliegenden Gericht nicht zugänglich, zumal da auch die Relevanz der Indizien Sache des
Buch dogmatisch und methodologisch eingehend zu begründen versucht. individuellen Falles sein soll. Dogmatisch würde diese Praxis auf die Etablie-
Gewiß werden manche Probleme noch weiterer Klärung bedürfen. Die rung des Einheitstäterbegriffs und die gleichzeitige Einführung einer allge-
Grundlage jedoch, auf der sich die Diskussion zu bewegen hat, sollte festste- meinen Strafmilderungsmöglichkeit nach §27 Abs. 2 StGB hinauslaufen.
hen: Es kann allemal nur darum gehen, die personalen Kriterien des tatbe- Eine solche Auffassung wäre kriminalpolitisch sinnvoll vom Standpunkt
stahdlichen Unrechts festzustellen. eines Täterstraf rechts aus, das jede beliebige, noch, so flüchtig geartete
Berührung mit dem Tatgeschehen - nach der (bisher jedenfalls nicht aus-
drücklich aufgegebenen) Rechtsprechung genügt für die Bejahung der Täter-
So die Begründung des Sonderausschusses, Bundestagsdrucksache V/4095, 13. Zu den schaft bekanntlich schon eine nicht einmal notwendig kausale „Bestärkung
Gründen für eine fakultative Strafmilderung bei der Anstiftung vgl. im einzelnen Fr.-Chr. des Tatentschlusses" - nur als Anknüpfungspunkt für eine der Strafe zu-
Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, 1965, 202 ff.
Das wäre ganz unverständlich, wenn es für die Abgrenzung auf die Stärke des verbrecheri-
grunde zu legende Persönlichkeitsbeurteilung wählen würde. Daß diese Kon-
schen Willens oder die innere Einstellung ankäme. Denn auf die tatbestandsgelöste
„Schuld" dessen, der einen anderen zu einem Vergehen auffordert, hat es keinen Einfluß,
wenn die Tat später ohne sein Zutun unterbleibt. Auch die Straflosigkeit etwa der versuch-
ten Beihilfe zum Mord ist nur aus der Tatbestandsferne dieses Verhaltens und nicht aus in der vom Ministerium herausgegebenen Broschüre „Die Verfolgung Nationalsozialisti-
Schulderwägungen plausibel zu machen. scher Straftaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland", 1964.
654
655
zeption jedoch mit dem geltenden Recht völlig unvereinbar ist, liegt auf der § 44. Die Entwicklung der Lehre von Täterschaft
Hand.
und Teilnahme in der Wissenschaft
Die verbreitete Praxis ist in der Rechtsprechung auch nie wissenschaftlich
begründet worden. Sie beruht dogmenhistorisch auf längst überholten Prä-
A. Grundsätzliches zur neueren Entwicklung der Täterlehre
missen.304 Die eine ihrer Wurzeln liegt in der gegen Ende des vergangenen
Jahrhunderts unter dem Einfluß naturwissenschaftlicher Vorstellungen ver-
I. Die Tatherrschaftslehre heute
breiteten Ansicht, daß unter den äußeren Tatgegebenheiten allein die kausale
Veränderung der Außenwelt Berücksichtigung verdiene, daß aber wegen der
Gleichheit aller Erfolgsbedingungen Differenzierungen nach objektiven Ge- In der Wissenschaft hat sich seit dem ersten Erscheinen dieses Buches die Tat-
sichtspunkten unmöglich seien, so daß die vom Gesetz vorgeschriebene herrschaftslehre zunächst zur absolut herrschenden Meinung entwickelt, die
Unterscheidung der Teilnahmeformen nur auf der subjektiven Tatseite ge- sich in den letzten zehn Jahren allerdings öfters zwar nicht mit einer Rück-
sucht werden könne. 305 Die zweite Wurzel wächst aus der ersten hervor: kehr zur subjektiven Theorie, wohl aber mit den Versuchen einzelner Auto-
Wenn die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme nur nach subjek- ren konfrontiert sieht, anderen Ansätzen zur Geltung zu verhelfen.
tiven Kriterien durchgeführt werden kann, und wenn ferner, wie man um die Zunächst zur Tatherrschaftslehre. Auch Autoren, die früher - wie Bockel-
Jahrhundertwende annahm, alle subjektiven Merkmale einer Handlung der mann 308 , Busch 309 oder Wessels310 - der subjektiven Theorie Sympathien
Schuld zuzurechnen sind, kann die Teilnahmelehre ebenfalls nur ein Schuld- bezeigt haben, haben später die Tatherrschaft zum Kriterium der Abgrenzung
problem sein: Täterschaft und Teilnahme werden zu lediglich quantitativ gemacht. 3 " Nachdem auch der Kommentar von Schönke/Schröder schon in
unterscheidbaren Schuldstufen.306 der 25. Aufl. (1997) im wesentlichen zur Tatherrschaftslehre übergegangen
war 312 und die Neubearbeitung von Heine in der 26. Aufl. (2001) bei den
Beide Voraussetzungen sind heute hinfällig und werden auch in der Judika-
Herrschaftsdelikten endgültig die Tatherrschaft zugrunde legt,313 dürfen
tur nicht mehr herangezogen, ohne daß freilich die subjektive Theorie je eine
heute Baumann und einige seiner Schüler 314 als alleinige und letzte Verfechter
andere Begründung erfahren hätte. Sie ist in der Rechtsprechung jahrzehnte-
einer subjektiven Auffassung gelten.
lang ohne Auseinandersetzung mit der in der Wissenschaft stets überwiegen-
den Gegenmeinung einfach als feststehend tradiert worden. Der Zeitpunkt, Die wissenschaftliche Vormachtstellung der Tatherrschaftslehre wird auch
sie auch in der Rechtsprechung endgültig zu verabschieden, ist spätestens seit darin deutlich, daß drei unserer vier Großkommentare die in diesem Buch
dem Inkrafttreten des neuen „Allgemeinen Teils" überfällig geworden. Es ist entwickelte Konzeption vertreten und daß der vierte ihr ebenfalls breiten
anzuerkennen, daß die Judikatur wesentliche Schritte in dieser Richtung seit Raum gewährt. In der 10. und 11. Auflage des Leipziger Kommentars (1978,
1975 immerhin unternommen hat. Denn der formal festgehaltene Terminus 1993) ist die Kommentierung der §§25 ff. von mir im Sinne der Tatherr-
des „Täterwillens" wird der Sache nach mehr und mehr durch das Kriterium schaftslehre völlig neugestaltet worden. Hoyer in der Neukommentierung
der Tatherrschaft ausgefüllt, das sich bei der Bestimmung der unmittelbaren des Systematischen Kommentars (2001) 315 und Joecks im Münchener Kom-
und der mittelbaren Täterschaft eindeutig durchgesetzt hat und nur bei der mentar (2003)316 folgen der Tatherrschaftslehre und entwickeln sie unter stän-
Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe durch das gleichrangig verwen-
dete Interessenkriterium relativiert wird. 307 N u r in diesem - freilich zentralen 308
O b e n S. 83 f.
309
- Bereich besteht heute noch jene richterliche Ermessensfreiheit, die früher O b e n S. 80.
die gesamte Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gekennzeichnet hat. 310 AT 4 , i974 5 89 (subjektive Abgrenzung auf objektiv-tatbestandlicher Grundlage).
3,1
Sie hat hier sogar durch die Einräumung eines richterlichen „Beurteilungs- Bockelmann, AT 3 , 1979, 177, ebenso Bockelmann/Volk, AT 4 , 1987, 177; Busch, LK 9 , 1970,
Rn. 13 vor § 47; Wessels/Beulke AT 2 8 , 1998, Rn. 517.
spielraumes" bei der Abgrenzung neue Aktualität erlangt. Alles, was gegen 312
Schönke/Schröder/Cramer, StGB 2 5 , 1997, Rn. 62ff. vor § 25; Cramer vertritt „die N o t w e n -
die subjektive Theorie älterer Prägung zu sagen war, gilt also gegenüber der digkeit einer Berücksichtigung subjektiver Momente innerhalb einer grundsätzlich am Tat-
„wertenden Gesamtbetrachtung" der normativen Kombinationstheorie auch herrschaftsgedanken orientierten Abgrenzungstheorie" (Rn. 80).
3.3
heute noch. Sch/Sch/Cramer/Heine, 26 2001, Rn. 71 vor § 25: „Anders als die 25. Aufl. wird ... der
Akzent in prinzipieller Übereinstimmung mit der vorherrschenden Lehre stärker auf
objektive bzw. objektivierbare Kriterien gelegt, welche die mit der Tatherrschaft verbun-
dene gesteigerte Verantwortung für das tatbestandliche Geschehen begründen ... Die
eigentliche Frage ist diejenige nach der Zurechnung auf der Grundlage des Leittopos Tat-
herrschaft."
3.4
Baumann/Weber/Mitsch, A T " , 2003, § 29, Rn. 59ff. Auch Baumanns Schüler Weber (Der
strafrechtliche Schutz des Urheberrechts, 1976, 296ff., 327ff.) und Arzt (JA 1980, 556ff.; JZ
Darüber eingehend und treffend Sax, JZ 1963, 329ff. 1981, 414) haben sich zur subjektiven Theorie bekannt, ohne freilich bisher mit gesonder-
Das ist schon oben, S. 4-7, geschildert worden. ten Abhandlungen zur Teilnahmelehre hervorgetreten zu sein.
Dazu besonders Sax, JZ 1963, 333-335, mit Nachweisen. 315
SK 7 , 2000, vor § 25, § 25.
Vgl. meine Analysen der Urteile seit 1975 S. 578ff., und das Resümee (S. 642 ff.). 316
Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 27ff., ders., Studienkommentar, 5 2004, § 25, Rn. 6.
656 657

diger Auseinandersetzung mit der hier verfochtenen Meinung in konstrukti- konforme Konkretisierung des §25 StGB" 331 . Stratenwerth/Kuhlen 332 sehen
ver Weise fort. Schild geht zwar im Nomos-Kommentar einen anderen Weg den Gedanken, daß es für die Täterschaft darauf ankomme, wer den tatbe-
(vgl. dazu VII, S. 669 f.), räumt aber ein, daß der historische Gesetzgeber „in standsmäßigen Geschehensablauf in den Händen hält, als von der Sache her
§25 eindeutig die Tatherrschaftslehre legalisieren wollte" 317 und hat ihr mit unmittelbar .einleuchtend an.333 Wessels/Beulke schließlich 334 verstehen die
allen ihren Varianten eine so gründliche Darstellung und Würdigung gewid- Täterschaft als „Synthese objektiver und subjektiver Kriterien" und halten
met, wie man sie sonst nirgends findet.318 „das Leitprinzip der Tatherrschaft" für „den besten und überzeugendsten
Unter den neueren Lehrbüchern basieren die Werke von Jakobs 319 , Weg zur Bewältigung dieser Aufgabe".
Kühl 320 , Gropp 3 2 1 , Stratenwerth/Kuhlen 322 , Wessels/Beulke 323 und Krey 324 Auf der Tatherrschaftslehre beruhen auch die Monographien von
auf der Tatherrschaftslehre. 325 Jakobs stimmt in zentralen Fragen mit den in Herzberg 335 , Bloy 336 , Bottke 337 , Murmann 338 , Schild339, Renzikowski 340 und
diesem Buch vertretenen Positionen überein. 326 Bei Kühl heißt es: 327 „Für ein Kutzner 341 . Auch Autoren, die, wie M.-K. Meyer 342 , die „Autonomie" oder,
Tatstrafrecht ist die objektive Tatbeherrschung das adäquate Kriterium zur wie Schumann 343 , das „Prinzip der Selbstverantwortung" in das Zentrum der
Bestimmung der Täterschaft." Er übernimmt auch die in diesem Buch ent- Abgrenzung rücken, stehen der Sache nach noch ganz eng bei der Tatherr-
wickelten Rechtsfiguren der Handlungsherrschaft, der Willensherrschaft und schaftslehre, weil es gerade die Autonomie oder die Selbstverantwortung
der funktionellen Tatherrschaft.328 Das tun auch Gropp 3 2 9 und Krey 330 . eines Ausführenden ist, die in der Regel andere Mitwirkende von der Tatherr-
Gropp führt auf diese Systematisierung sogar die „Attraktivität der Tatherr- schaft ausschließt. Renzikowski 344 will mit Hilfe des Autonomiegedankens
schaftslehre zurück". Krey beurteilt die Tatherrschaftslehre als „verfassungs- und der diesem verwandten Lehre vom Regreßverbot geradezu zu einer
„Reformulierung der Tatherrschaftslehre" kommen. Auch Heinrichs Ver-
such, die Täterschaft als „Entscheidungsträgerschaft" zu bestimmen, 345 ist der
Tatherrschaftslehre eng verwandt. Bolowich 346 bemängelt zwar auf der
317
N K , 2003, Vorbemerkungen zu §§ 25 ff., Rn. 136. Grundlage eines idealistischen Rechtsverständnisses an „der Roxinschen Tat-
318
Sie war in den fast 300 Seiten umfassenden „Vorbemerkungen" enthalten und ist in N K 2 , herrschaftslehre", daß der einzelne „nur funktional erfaßt" werde und daß
2005, aus Raumgründen weggefallen, kann aber unter „www.jura.uni-bielefeld/de/Lehr- „sein reflexives Verständnis außer acht" bleibe (a.a.O., 184). Er sieht in ihr
stuehle/Schild" weiterhin nachgelesen werden.
319 aber doch „wichtige Elemente zur sinnvollen Erfassung menschlicher Beteili-
AT 2 , 1991,21/35ff.
320
AT 5 , 2005, § 20, Rn. 29 und für die Täterschaftsformen Rn. 27ff.
321
AT 3 , 2005, § 1 0 , R n . 34ff.
331
322
AT 5 , 2004, § 1 2 , Rn. 15ff. AT/2 2 , 2005, § 2 6 , R n . 87.
332
323
AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 518. AT 5 , 2004, § 12, Rn. 16.
324 333
AT/2 2 , 2005, § 26, Rn. 86ff. Eine eindeutige Stellungnahme vermeidet Puppe, AT/2, 2005, § 38, der es nicht darum geht,
325
Auch im Ausland findet die Tatherrschaftslehre zunehmende Beachtung. Hingewiesen sei „den alten Streit der Täterlehren zu entscheiden oder gar eine neue zu entwickeln"
besonders auf die beiden umfangreichen Monographien von Diaz y Garcia, La autoria en (Rn. 15), die aber der Tatherrschaftslehre jedenfalls den Vorzug zuspricht, das zur Grund-
Derecho penal, Barcelona, 1991, und Herlitz, Parties to a Crime and the Notion of a C o m - lage der Täterschaft zu machen, „was der Täter zur Tatbestandsverwirklichung wirklich
plicity Object. A Comparative of the Alternatives provided by the Model penal Code, beigetragen hat, ... nicht irgendeine Gesinnung oder ein von seiner Tat unabhängiger Täter-
Swedish Law and Claus Roxin, 1992, die beide das vorliegende Buch umfassend referieren wille" (Rn. 10). Sie stimmt auch sonst, wie noch zu zeigen sein wird, in einigen zentralen
und diskutieren; Diaz y Garcia vertritt selbst die Tatherrschaftslehre (zu seiner Mittäter- Punkten mit der hier vertretenen Konzeption überein. Kindhäuser, AT, 2005, § 38,
schaftskonzeption vgl. unten S. 721). Die Professoren Cuello Contreras und Serrano G o n - Rn. 33 ff., schildert die verschiedenen Theorien ohne eigene Stellungnahme; ebenso ders.,
zalez de Murillo haben 1998 die 6. und 2000 die 7. Aufl. dieses Buches in die spanische StGB (Kommentar), 2 2005, vor §§ 25-31, Rn. 20 ff.
Sprache übertragen (im Verlag Pons, Madrid). Zwölf in der internationalen Diskussion ver- 334 AT 3 5 , 2005, § 1 3 , Rn. 518.
335
tretene Regelungsmodelle der Beteiligung erörtert Vogel, ZStW 114 (2002), 403 ff. Einen Täterschaft und Teilnahme, 1977.
336
umfassenden Vergleich der Beteiligungsmodelle in Deutschland, Dänemark, Schweden, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, Habilitationsschrift, Göttingen
Norwegen und Österreich unternimmt Hamdorf, Beteiligungsmodelle im Strafrecht, 2002; 1985.
337
dabei bildet für die Darstellung der Tatherrschaftslehre „Grundlage ... einzig die auch im Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, 1992.
338
Ausland bekannte Version von Roxin" ( a . a . O . , 125). Zur Tatherrschaftslehre im französi- Die Nebentäterschaft im Strafrecht. Ein Beitrag zu einer personalen Tatherrschaftslehre,
schen Recht Czepluch, 1994, 198. Viel internationales Material bringt auch der von 1993.
339
Eser/Huber/Cornils herausgegebene Band über „Einzelverantwortung und Mitverantwor- Täterschaft als Tatherrschaft, 1994.
340
tung im Strafrecht", 1998. Auch das Jugoslawien-Tribunal beschäftigt sich mit der Tatherr- Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, 1997.
341
schaftslehre (näher Ambos, Internationales Straf recht, 2006, § 7, Rn. 17). Rechtsfigur, 2004.
326 342
Zurückhaltender jetzt Jakobs, Lampe-Festschrift, 2003, 562, Fn. 8, aber nicht aus „Mißach- Der Ausschluß der Autonomie durch Irrtum. Ein Beitrag zur mittelbaren Täterschaft und
tung" der „bisherigen Ertragskraft" des Tatherrschaftsbegriffes, sondern wegen seiner Einwilligung, 1984.
343
Offenheit für verschiedenartige Erscheinungsformen. Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der A n J - ' » n .
327
AT 5 , 2005, § 20, Rn. 29. 1986.
328 344
AT 5 , 2005, § 20, Rn. 27. Wie Anm. 339, 34, 77.
329 345
AT 3 , 2005, § 10, Rn. 38. Rechtsgutszugriff, 2002.
330 346
AT/2 2 , 2005, § 26, Rn. 86. Urheberschaft und reflexives Verständnis, 1995.
658 659

gungsstrukturen" (a.a.O., 195) und will den Tatherrschaftsgedanken als auch andere strittige Einzelfragen werden in der nachfolgenden Darstellung
„Konkretisierungsparameter des eigenen Ansatzes" verwenden (a. a. O., 220). in den Zusammenhängen erörtert, in denen sie sich praktisch auswirken; das
In den Grundfragen der Abgrenzung herrscht also heute weit größere ist vor allem bei der mittelbaren Täterschaft der Fall.
Klarheit als ehedem. Es ist nicht mehr zutreffend, daß die Teilnahmelehre Bevor jedoch die einzelnen Erscheinungsformen der Täterschaft nach dem
„das dunkelste und verworrenste Kapitel der deutschen Strafrechtswissen- neuesten Stande der Diskussion dargestellt werden, ist eine kurze Auseinan-
schaft" ist, als das sie in der Einleitung dieses Buches 347 noch mit Recht apo- dersetzung mit den Lehren notwendig, die eine Abgrenzung von Täterschaft
strophiert werden durfte.348 So betont Stein 349 - obwohl er meine Auffassung und Teilnahme ohne den Leitgesichtspunkt der Tatherrschaft durchzuführen
bekämpft - , daß sich die „Grundlinien" der von mir vertretenen Lehre „im versuchen. Es sind dies die - auch untereinander völlig abweichenden - Kon-
Schrifttum weitgehend durchgesetzt haben". Auch Schöneborn 350 meint, es zeptionen von Schmidhäuser, Stein, Köhler/Klesczewski, Freund, Heinrich
sei dem vorliegenden Werk „eine Präzisierung des Begriffs der Tatherrschaft und Schild.
gelungen ..., die den Gerichten ... handfeste Richtlinien für die Rechts-
anwendung bieten könnte".
Freilich bedeutet dieser weitgehende Konsens über die Tatherrschaft als IL Schmidhäusers Ganzheitstheorie
grundlegendes Kriterium der Täterschaft nicht auch Einigkeit in allen Einzel-
fragen. Aber die Diskussion bewegt sich im großen und ganzen in einem Schmidhäuser 354 entwickelt eine „Ganzheitstheorie", bei der für die Täter-
durch die Tatherrschaftslehre vorgegebenen Rahmen und füllt die Interpreta- schaft „nie ein einzelnes Moment allein, sondern ... jedes einzelne Moment
tionsräume aus, die dieser Rahmen läßt. Es sind vor allem zwei Divergenzen, nur innerhalb dieses ganzheitlichen Zusammenhangs den Ausschlag geben"
aus denen sich unter den Autoren, die die Tatherrschaftslehre vertreten oder soll. Er nennt in nicht abschließender Aufzählung 16 solcher Momente, wie
ihr nahestehen, ein Meinungsstreit grundsätzlicher Art speist. Zunächst ste- etwa die Gegenwart am Tatort, das Maß der Beherrschung des Geschehens,
hen Vertreter eines normativ strukturierten Tatherrschaftsbegriffs anderen die Intensität der Tatvorbereitung, das Interesse an der Tat usw. Für die
Anhängern dieser Lehre gegenüber, die mehr auf die tatsächlichen Herr- Frage, ob Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe vorliegt, kann jedesmal „ein
schaftsverhältnisse abstellen. So sagt etwa Jakobs, 351 die Tatherrschaft werde anderer Einzelzug des Geschehens den Ausschlag geben".
„in der Literatur ... insgesamt zu naturalistisch (Herrschaft als Faktum) und Dem wird man nicht folgen können. 355 Denn auf diese Weise verschwimmt
zu wenig normativ (Herrschaft als Grund für Zuständigkeit) bestimmt", die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in unkontrollierbarer Belie-
während ihm Renzikowski 352 als Vertreter der Gegenposition entgegenhält: bigkeit, weil man nicht weiß, welcher „Einzelzug" im konkreten Fall „den
„Eine normative Strafrechtsdogmatik ohne Bezug auf Tatsachen hängt in der Ausschlag geben soll". Wie entschieden werden soll, wenn einzelne dieser
Luft." 353 Sodann besteht ein Gegensatz zwischen einer Meinungsgruppe, die „Momente" gegeben sind, andere aber nicht, bleibt unklar. Das wird dem
mit Hilfe des Autonomiegedankens den Täter hinter dem Täter weitgehend gesetzlichen Bestimmtheitsgrundsatz, der auch für die Beteiligungsformen
ablehnt, weil hinter einem selbstverantwortlichen Täter kein anderer die Tat- Gültigkeit hat, nicht gerecht.
herrschaft haben könne, während eine andere Lehre, die in diesem Buch ver- Der Autor hat später - vor allem auch in Auseinandersetzung mit der in
treten wird und die nunmehr auch die Rechtsprechung vertritt, verschiedene diesem Buch vertretenen Auffassung - die These entwickelt, auch die Vertre-
Erscheinungsformen der Tatherrschaft und die Möglichkeit ihres abgestuft ter der Tatherrschaftslehre folgten entgegen ihrem Selbstverständnis der von
gleichzeitigen Vorliegens anerkennt. Diese mehr prinzipiellen Probleme und Schmidhäuser entwickelten Methode, so daß „Tatherrschaft" nur ein „Deck-
name der ganzheitlichen Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im
Strafrecht" sei.356 Das kann nicht akzeptiert werden. Denn zwar ist die Tat-
347
348
O b e n S . 1. herrschaft kein abschließend definierbarer Begriff. Aber die hier verfolgte
Mir zustimmend Schild, Täterschaft, 1994, 5. Teilweise anders jetzt Schild, N K 2 , 2005, Vor- Methode, das Herrschaftsprinzip als leitenden Maßstab beim Durchgang
bemerkungen zu den §§ 25 ff., Rn. 1.
349
Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, 1988, 22; dort wird auch festgestellt, die in die- durch den Rechtsstoff sich entfalten zu lassen,357 läßt .doch klare Strukturen,
sem Buch vertretene Auffassung habe „den weitaus größten Einfluß" und liege „zahlrei-
chen Kommentierungen, Lehrdarstellungen und Abhandlungen zugrunde". Ähnlich Mur-
mann, Nebentäterschaft, 1993, 88: „Mit dieser Arbeit hat sich die Tatherrschaftslehre in der AT 2 , 1975, 14/152ff. (156ff.); hieraus das Zitat; StuB 2 , 1984, 10/163ff.
Wissenschaft durchgesetzt." Näher zur Kritik Roxin, ZStW 83 (1971), 394ff.; Antikritik bei Schmidhäuser, Stree/Wes-
350
ZStW87(1975),911. sels-Festschrift, 1993, 343 ff. (349 ff.). Nähere und ablehnende Stellungnahmen zu Schmid-
351
AT 2 , 1991, 21/33. Eine kritische Auseinandersetzung mit Jakobs liefert Kutzner, Rechts- häusers Lehre liefern auch Küpper, G A 1986, 443 f.; Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 307 ff.;
figur, 2004, 82 ff. Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 121 ff.; Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 39f.;
352
Restriktiver Täterbegriff, 1997,80. Kutzner, Rechtsfigur, 2004, 100ff.
353
U m eine kriminologische Fundierung der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme So der Titel seines Beitrages zur Stree/Wessels-Festschrift, 1993, 343 ff.
unter besonderer Berücksichtigung des Tatherrschaftsprinzips bemüht sich Lüderssen, Der Zur hier angewandten Methode vgl. zusammenfassend und rechtstheoretisch konkretisie-
Beitrag der Kriminologie zur Strafrechtsdogmatik usw., 1992, 465ff. rend oben S. 528 ff. sowie unten S. 670 ff.
660 661

wie die Begriffe der Handlungsherrschaft, der Willensherrschaft (mit der ohne den Tatbestand zu erfüllen. Der normativ-rechtspolitsche und verfas-
Untergliederung in Nötigungsherrschaft, Irrtumsherrschaft, Organisations- sungsrechtliche Hintergrund der Unterscheidung liegt im Tat(bestands-)straf-
herrschaft) hervortreten, an denen es der „Ganzheitstheorie" gerade fehlt. recht als einer Auswirkung des Grundsatzes nulluni crimen sine lege.
Auch zieht Schmidhäuser mit dem „unmittelbaren oder mittelbaren Interesse Demgegenüber will Stein auf der Grundlage einer allein am Handlungs-
an der Tat", der „Intensität der Tatvorbereitung" und ähnlichen Kriterien unwert orientierten Unrechtslehre zwischen Täter-, Anstifter- und Gehilfen-
Gesichtspunkte heran, die nach der Tatherrschaftslehre für die Täterschaft verhaltensnormen unterscheiden. 362 Diese Verhaltensnormen sollen von
von vornherein keine Rolle spielen dürfen. unterschiedlicher „Dringlichkeit" sein. Am dringlichsten sei die Täterverhal-
Größere Ähnlichkeit hat Schmidhäusers Methode mit der normativen tensnorm, während bei der Teilnahme die dem Vordermann auferlegte Pflicht
Kombinationstheorie der Rechtsprechung, auf die er sich denn auch am Ende einen relativ stabilen „Schutzwall" 363 für das Rechtsgutsobjekt errichte, „so
seines Beitrages beruft.358 Aber damit setzt er sich allen Einwendungen aus, daß es sicher auch vertretbar wäre, die Teilnehmerverhaltensnormen generell
die gegen dieses Verfahren einer „wertenden Betrachtung der gesamten mit einer geringeren Dringlichkeit auszustatten". Indessen habe der Gesetz-
Umstände" vorzubringen sind.359 Entsprechendes gilt für die Autoren, die geber der Anstiftungsverhaltensnorm die gleiche Dringlichkeit verliehen, weil
sich ohne selbständigen methodologischen Ansatz den Standpunkt der der Anstifter beim Vordermann die Motivationskraft zu pflichtmäßigem Ver-
Rechtsprechung mehr oder weniger zu eigen machen. 360 halten beeinträchtige und dadurch den vor dem Rechtsgutsobjekt errichteten
Schutzwall „durchlöchere" 364 . Dagegen habe die Gehilfenverhaltensnorm
eine „geringere Dringlichkeit", woraus sich auch die hier angeordnete Straf-
III. Steins Beteiligungsformenlehre rahmenreduzierung erkläre.
Es muß einer anderen Gelegenheit vorbehalten bleiben, diese verhaltens-
Eine völlig neuartige Konzeption entwickelt Stein in seiner gehaltvollen normbestimmte Herleitung der Beteiligungsformen so gründlich zu diskutie-
Schrift über „Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre" (1988). Er will die ren, wie sie es verdient. Sie weicht in den Ergebnissen nicht sehr weit von den
Beteiligungsformen auf die allgemeine Zurechnungslehre gründen und in ein in diesem Buch vertretenen Lösungen ab; darauf kann bei Erörterung der ver-
funktionales Straftatsystem einfügen, wie es in der neueren Dogmatik vor- schiedenen Täterschaftsformen eingegangen werden. Schon hier aber soll
herrscht. Den Anforderungen eines solchen teleologischen Systems genügt gesagt werden: Ich habe mich nicht davon überzeugen können, daß Stein ein
nach seiner Meinung die Tatherrschaftslehre nicht. Sie lebe „letztlich von besseres normatives Fundament der Beteiligungsformen gefunden hat.365 Pro-
ihrer im Vergleich zu den anderen Lehren relativen Stringenz und der Akzep- blematisch ist bereits die Abstufung von Verhaltenspflichten nach dem Maße
tanz ihrer Ergebnisse" 361 . Zwar bringe sie insofern „einen großen Fort- ihrer Dringlichkeit. Denn unrechtmäßiges Verhalten ist nicht mehr oder
schritt", „als ihr stark ausdifferenziertes Gedankengebäude die Auslegungser- weniger, sondern schlechthin verboten; nicht die Intensität des Verbots, son-
gebnisse schon recht genau vorzeichnet". Es fehle ihr aber „eine hinreichende dern das Ausmaß der Sanktionierung ist unterschiedlich. Wenn man, wie es
Fundierung im allgemeinen Verbrechensbegriff". „Erst diese normative Fun- Stein im Anschluß an Günther 366 tut, quantifizierende Strafwürdigkeitserwä-
dierung verspricht eine optimale, strafzweckorientierte Begründung der Ein- gungen in die Unrechtslehre hineinnimmt, birgt das die Gefahr in sich, daß
zelergebnisse." die Teilnahmeformen in allgemeine Strafzumessungserwägungen aufgelöst
Aber dem ist zu widersprechen. Die normative Fundierung sowohl des
Leitprinzips der Zentralgestalt wie auch seiner Ausdifferenzierung in die Ele-
Beteiligungsformenlehre, 1988, 238 ff.
mente der Tatherrschaft, der Pflichtverletzung und der Eigenhändigkeit liegt, Beteiligungsformenlehre, 1988, 241.
wie oben (S. 650 ff. und passim) in Auseinandersetzung mit der Rechtspre- Beteiligungsformenlehre, 1988, 242 f.
chung und der subjektiven Teilnahmetheorie ausführlich dargelegt worden Die bisher gründlichste Auseinandersetzung mit der Schrift von Stein liefert Küper, ZStW
ist, in der Tatbestandslehre: Täter ist, wer tatbestandsmäßig handelt, wem die 105 (1993), 445ff. Er k o m m t - bei aller (berechtigten!) Anerkennung des Scharfsinns und
Gedankenreichtums der Arbeit - zu einem ähnlichen Ergebnis (482): „Seinem .neuen Bild'
Tatbestandsverwirklichung allein oder mit anderen als sein Werk zugerechnet der Lehre von Täterschaft und Teilnahme fehlt ... weithin die Überzeugungskraft, und das
wird. Teilnehmer ist, wer einen akzessorischen Rechtsgutsangriff ausübt, ,neue System', das der Autor mit großer Eloquenz anbietet, leistet damit indirekt einen Bei-
trag zur Rehabilitierung des ,alten'. Dieser Befund weckt auch erhebliche Zweifel daran, ob
von der normtheoretischen Grundlage aus, auf der Stein seine Systematik aufbaut, das spe-
zifische Unrecht der Teilnahme an fremder Tat - und der Beteiligung allgemein - angemes-
358
Stree/Wessels-Festschrift, 1993, 362 f. sen erfaßt werden kann." Kritisch zur Beteiligungsformenlehre Steins auch Lesch, Das Pro-
359
Ausführlich dazu oben S. 644 ff. blem der sukzessiven Beihilfe, 1992, 224ff., der jedoch von einem normentheoretischen
360
Etwa Geerds, Jura 1990, 173ff. Für Geerds sind der „Beitrag zur Tatausführung", das Ausgangspunkt her (Strafunrecht als Normgeltungsschaden) der Tatherrschaft ebenfalls
„unmittelbare Interesse an der Tat oder ihrem Erfolg" und das „Verhältnis der an der Tat nur eine relative Bedeutung zuerkennt. Vgl. im übrigen Bottke, Gestaltungsherrschaft,
Beteiligten" (womit wesentliche Elemente der Tatherrschaft gemeint sind) die maßgeben- 1992, 43, sowie Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, 1997, 25 f. und Kutzner, Rechts-
den Kriterien für die Abgrenzung. figur, 2004, 91 ff.
361
Hier und im folgenden: Beteiligungsformenlehre, 1988, 22 f. Vgl. ferner 62 ff., 196ff. Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, 1983.
662 663

werden. Dem ist entgegenzutreten (vgl. oben S. 646 ff.); daß Stein selbst bei täterschaft aus und kommt so einer richtig verstandenen Tatherrschaftslehre
der Durchführung seines Konzeptes dieser Gefahr im wesentlichen nicht näher als manche ihrer Anhänger.
erlegen ist, ändert nichts an der tendenziellen Bedenklichkeit des Ansatzes. Er entwickelt aber eine ganz abweichende Vorstellung von mittelbarer
Auch kann die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht gut von Täterschaft, die er, Klesczewski und Noltenius 375 auf der Grundlage idealisti-
der Dringlichkeit der Verhaltensnorm abhängen, wenn diese bei Täterschaft scher Philosophie auf den Einsatz vorsatzloser und gerechtfertigter Tatmittler
und Anstiftung von gleicher Dringlichkeit ist; vielmehr muß der Unterschied reduzieren: „Mittelbarer Täter ist, wer seine Unrechtstat durch einen anderen
darin liegen, daß der Täter die Tat begeht, der Teilnehmer aber nicht. Stein, (Tat-,mittler') so verwirklicht, daß er ihm eine Faktenlage zu dessen an sich
der sich diesen Einwand selbst entgegenhält, 367 entgegnet darauf, dieser Ein- normgemäßem Handeln schafft oder vorstellt." Die Nötigung nach §35
wand beruhe auf der Denkweise des klassischen Unrechtsbegriffs, der der StGB, die Benutzung eines zurechnungsunfähigen Menschen oder eines Kin-
„Tat" und dem „Erfolg" wesentliche Bedeutung für das Unrecht beimesse, des, die Tatverwirklichung durch Hervorrufung eines (selbst unvermeid-
während er die „Verhaltenspflichtverletzung" in den Mittelpunkt stelle. Das baren) Verbotsirrtums beim Ausführenden und erst recht die Fälle der Orga-
mag sein; aber es widerlegt nicht die Einsicht, daß der Gesetzgeber der nisationsherrschaft gehören für ihn zur Anstiftung, 376 die ihrerseits im
Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ein anderes normatives Funda- wesentlichen als Tatherrschaft, nämlich als „Hinwirken auf den ausgeführten
ment gegeben hat, als es unserem Autor vorschwebt. Tatentschluß eines anderen durch maßgebende Macht über dessen außertat-
bestandliche Zweckverwirklichung" verstanden wird. 377
Man wird schwerlich sagen können, daß solche Ergebnisse sich aus dem
IV. Die idealistische Konzeption von Köhler und Klesczewski „Verhaltenszusammenhang zwischen freien Subjekten" ohne weiteres ablei-
ten lassen. Denn dieser idealistische Ansatz führt doch nur auf das auch von
Wiederum anders entwickelt Köhler 368 die Abgrenzung von Täterschaft und anderen Autoren schon reichlich strapazierte Autonomieprinzip. 378 Dieses
Teilnahme aus der seiner gesamten Strafrechtskonzeption zugrunde liegenden aber wird wenigstens bei Genötigten, Zurechnungsunfähigen, Kindern oder
idealistischen Philosophie. Es gelte, „auf die Besonderheiten des Verhaltens- unvermeidbar Irrenden durchweg gerade zur Begründung einer mittelbaren
zusammenhangs zwischen freien Subjekten Bedacht zu nehmen" 369 . Das Täterschaft wegen fehlender Autonomie des Tatmittlers benutzt. Köhler
führt ihn bei der unmittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft zu ganz kommt zum entgegengesetzten Ergebnis, indem er sich mit einer potentiellen
ähnlichen Ergebnissen wie die Tatherrschaftslehre. Es sei nunmehr gesetzlich Autonomie des unmittelbar Handelnden als Grund für eine Ablehnung mit-
„klargestellt, daß die vollständige eigenhändige Begehung zwingend Täter- telbarer Täterschaft begnügt. Der Genötigte z.B. sei „in der tatbezogenen
schaft begründet. Die frühere gegensätzliche Judikatur des Reichsgerichts Rechtsregelanwendung ... an sich selbstbestimmt, mag er sich auch in einer
und des Bundesgerichtshofs sollte damit ausgeschlossen sein." 370 Dem kann relativen Autonomiedifferenz zum anderen befinden" 379 ; daher werde der
man nur zustimmen. 371 Auch bei der Mittäterschaft kommt Köhler zu einer Gezwungene „nicht zum bloßen Mittel gesetzt" 380 . Auch die Hervorrufung
Lösung, die sich mit der Tatherrschaftslehre durchaus vereinbaren läßt, ob- eines unvermeidbaren Verbotsirrtums begründe keine mittelbare Täterschaft.
wohl er ihr von seinem subjektsbestimmten Standpunkt aus eine „beschrei- „Denn der Handelnde geht, wenn auch unverschuldet, selbst zur Unrechts-
bende Reduktion auf technisch-instrumentale Momente" 3 7 2 (also auf die Tat- maxime über." 381 Auch wer sich eines kleinen Kindes bedient (etwa zu einer
herr&chaft) vorwirft: „Mittäter ist, wer die Tat mit einem anderen gemeinsam, Brandlegung), bezieht sich, wie Köhler sagt, „auf ein überhaupt normreflek-
in wechselseitiger Bestimmung durch gleichgewichtige Tatbeiträge aus- tierendes Subjekt, er ist daher nicht mittelbarer Täter, sondern Anstifter".
führt." 373 Er will auch „am Tatausführungsbezug der Mittäterschaft" 374 fest- Man möge zwar in allen solchen Fällen in Analogie zu einem „gegenständ-
halten, scheidet also alle Vorbereitungshandlungen aus dem Bereich der Mit-
375
Noltenius, Kriterien der Abgrenzung usw., 2003, schließt sich mit vergleichbarer Argu-
mentation an Kant, Fichte und die Freiheitsphilosophie ihres Lehrers Zaczyk an: „Die bis-
367
Beteiligungsformenlehre, 1988, 246f. her als typische Formen der mittelbaren Täterschaft behandelten Fälle, wie der Nötigungs-
368
Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997. In engem Anschluß an seinen Lehrer Köhler hat Klesc- notstand, der Verbotsirrtum oder das Ausnutzen organisatorischer Machtapparate, sind
zewski in seiner Monographie über „Selbständigkeit und Akzessorietät der Beteiligung" solche der Anstiftung. Eine mittelbare Täterschaft kommt dagegen nur in Betracht, wenn
diese Konzeption vertieft Auf ähnlichen Grundlagen ruht auch die Dissertation von N o l - der Vordermann sich in einem Tatumstands- oder Erlaubnistatumstandsirrtum befindet,
tenius, Kriterien der Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft, 2003. Kri- sowie in den Fällen, in denen er aufgrund mangelnder Sachverhaltskenntnisse gerechtfertigt
tisch Kutzner, Rechtsfigur, 2004, 108 ff. handelt" ( a . a . O . , 325).
369 376
AT, 1997,488. AT, 1997,509-511.
370 377
AT, 1997, 505. AT, 1997,521.
371 378
Vgl. oben S. 547. Dazu näher bei der mittelbaren Täterschaft, unten S. 678 ff.
372 379
AT, 1997, 515. AT, 1997,506.
373 380
AT, 1997.513. AT, 1997, 510.
374 381
AT, 1997,516. AT, 1997, 509; auf dieser Seite befindet sich auch das folgende Zitat.
664 665

lichem Verwirklichungsprozeß" von „Tatherrschaft" über ein „Werkzeug" V. Die Wiederbelebung der formal-objektiven Theorie durch Freund
sprechen: „Aber dennoch ist der Tatmittler ein an sich freies Subjekt, das nur
in bestimmter Hinsicht seiner Regelkonzeption zum Mittel fremder Un- Als Vertreter einer tatbestandsbezogenen Sondermeinung bedarf Freund 386
rechtsmaxime werden kann." näherer Erörterung. Auch er greift - wie Köhler - auf einen sehr alten, wenn-
Das überzeugt aber nicht. Es ist nicht einzusehen, daß jemand nur deshalb gleich nicht philosophischen Ansatz zurück: die formal-objektive Theorie.
nicht „zum bloßen Mittel gesetzt" werden kann, weil er ein „an sich freies Diese wurde „ganz zu Unrecht als überholt angesehen" 387 , auch wenn sie „zu
Subjekt" ist, dem aber in concreto wegen kindlichen Alters, Zurechnungsun- Schwierigkeiten vor allem bei der Erfassung der mittelbaren Täterschaft
fähigkeit oder unvermeidbaren Verbotsirrtums der Gebrauch seiner Freiheit sowie gewisser Fälle des im Hintergrund bleibenden Bandenchefs" führe. Er
verwehrt ist. Auch müßte Köhler wohl konsequenterweise in Widerspruch will diese „Schwierigkeiten" durch eine „materiale Bestimmung des (täter-
zum Gesetz zur gänzlichen Ablehnung der mittelbaren Täterschaft kommen. schaftlichen) tatbestandsmäßigen Verhaltens" 388 überwinden.
Denn auch wer z.B. grob fahrlässig über Tatsachen irrt, bleibt doch ein Das verdient im Ansatz Zustimmung. Täterschaft ist Tatbestandserfüllung.
reflektierendes Subjekt und könnte sich der Degradierung „zum bloßen Mit- Dazu ist aber, wie schon der Wortlaut des §25 klarstellt, nicht notwendig
tel" (Werkzeug) durch etwas Nachdenken leicht entziehen, was den vorge- Eigenhändigkeit erforderlich, sondern es genügt eine materiale Verwirk-
nannten schuldlosen Werkzeugen versagt ist. Köhler selbst weist auf die lichung des Tatbestandes, die sich in der Regel in der „Tatherrschaft" aus-
Möglichkeit hin, „daß der .Tatmittler' eines vorläufigen Tatirrtums innezu- drückt. Den Tatbestand im materialen, substantiellen Sinne erfüllt auch der,
d en vermag « 382. der ihn nicht eigenhändig, sondern durch ein seiner Herrschaft unterliegendes
Gegen das Gesetz verstößt Köhlers Verständnis von mittelbarer Täter- Werkzeug beim Ausführungsgeschehen verwirklicht.
schaft aber auch dann, wenn man dieser den von ihm eingeräumten schmalen An diesem Punkt aber trennen sich die Wege. Freund meint, 389 bei „aller
Raum (beim Tatsachenirrtum des Mittlers) beläßt. Denn es steht außer Zwei- Beteuerung der Tatbestandsbezogenheit sei eine überzeugende Einordnung in
fel, daß der Gesetzgeber die Fälle des schuldlosen Tatmittlers als solche der den jeweiligen Deliktstatbestand ... bisher nicht geglückt und wohl auch
mittelbaren Täterschaft angesehen wissen wollte. In der Begründung des E nicht möglich". Er will statt dessen auf das „je spezifische tatbestandsmäßige
1962, auf den die heutige Gesetzesfassung zurückgeht, heißt es ausdrück- Verhalten" 390 abstellen. Das müßte konsequenterweise dazu führen, die
lich:383 „Wer sich in diebischer Absicht eine fremde Sache durch ein Kind Täterlehre aus dem Allgemeinen Teil zu verabschieden und als Problem einer
zutragen läßt, ist ebensogut ein Dieb, wie wenn er die Sache mit eigener Auslegung der einzelnen Tatbestände in den Besonderen Teil zu verlagern.
Hand weggenommen ... oder sie sich durch einen Hund hätte bringen las- Ganz so weit geht Freund aber nicht.
sen." Auch wird expressis verbis darauf hingewiesen, daß mittelbare Täter- Bei der mittelbaren Täterschaft etwa warnt er zwar zunächst vor der Bil-
schaft vorliege, „wenn der Täter durch eine schuldunfähige ... oder durch dung von „Fallgruppen" (tatbestandslos, rechtmäßig, vorsatzlos, schuldlos
eine in einer entschuldigenden Notstandslage handelnde Person ... eine handelnde Tatmittler), 391 bei denen stets eine mittelbare Täterschaft vorliegen
Straftat begeht". Eine frühere Fassung,384 in der die Schuldlosigkeit des Tat- solle. Er selbst nennt dann aber auch 392 das vorsatzlose Werkzeug, die Veran-
mittlers als Fall der mittelbaren Täterschaft genannt wurde, ist nur deshalb lassung von Schuldunfähigen (Kindern und Geisteskranken), den in unver-
nicht Gesetz geworden, weil der Gesetzgeber auch die Möglichkeit einer mit- meidbarem Verbotsirrtum oder entschuldigendem Notstand handelnden Tat-
telbaren Täterschaft trotz „vollverantwortlichen Tatmittlers" offenhalten mittler, ebenso jedoch denjenigen, der in einem vermeidbaren Verbotsirrtum
wollte. 385 Man stellt die legislatorischen Intentionen auf den Kopf, wenn man handelt. Das alles entspricht völlig den von der Tatherrschaftslehre entwickel-
nun sogar zahlreiche vom Gesetzgeber zweifelsfrei der mittelbaren Täter- ten Ergebnissen, und man fragt sich vergeblich, was „das je spezifische tatbe-
schaft zugeordnete Fälle der Anstiftung zuschlägt. Daran zeigt sich aber auch, standsmäßige Verhalten" zu diesen Lösungen beitragen soll.
daß allein die Tatherrschaftslehre dem gesetzlichen Regelungswillen gerecht Zur Widerlegung der Tatherrschaftslehre beruft er sich 393 auf den „E-605-
wird. Fall" 394 in dem der B G H ohne weiteres eine Tatherrschaft der den Ehemann
zum Selbstmord veranlassenden Frau angenommen habe, obwohl diese sich

3W
' Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1998.
387
AT, 1998, § 10, Rn. 35.
388
AT, 1998, § 1 0 , Rn. 36.
389
AT, 1998, § 10, Rn. 45.
390
AT, 1998, § 1 0 , Rn. 51.
391
382
AT, 1997,507. AT, 1998, § 10, Rn. 55.
383 392
Bundestags-Drucksache IV/650, 149. AT, 1998, in der Reihenfolge der Aufzählung § 10, Rn. 57f., 77f., 79, 89
384 393
§ 28 II des Entwurfs 1958; vgl. dazu oben S. 540 dieses Buches. AT, 1998, § 1 0 , Rn. 63-68.
394
385
Bundestags-Drucksache IV/650, 149. G A 1986, 508 f.
666 667

allenfalls auf eine vom BGH nicht thematisierte fehlende Freiverantwortlich- Immerhin bildet aber Freund drei Fälle (er nennt sie „Fallgruppen"), bei
keit des Mannes stützen lasse. Er übersieht dabei, daß, wie in diesem Buch denen er ohne Ansehung des Tatbestandes eine Mittäterschaft bejahen will.
ausführlich dargelegt wird (oben Nr. 25, S. 596 ff.), eine Tatherrschaft über- Die ersten beiden 399 behandeln die Konstellation, daß beim Raub „der eine
haupt nicht gegeben war und daß man eine Lehre nicht dadurch ad absurdum das Opfer festhält und der andere das Geld wegnimmt" oder „daß jemand
führen kann, daß man auf ihre im Einzelfall einmal vorgekommene unrichtige absprachegemäß das Opfer einer Körperverletzung festhält, während der
Handhabung durch die Judikatur hinweist. Entsprechendes gilt für Freunds andere zuschlägt". Diese beiden - strukturell identischen - Sachverhalte ent-
Polemik gegen die Annahme einer „normativen" Tatherrschaft beim sog. ab- sprechen völlig denen, anhand deren ich (oben S. 275) die Mittäterschaft als
sichtslosen dolosen und beim qualifikationslosen dolosen Werkzeug. 395 Daß funktionelle Tatherrschaft eingehend erklärt habe: „Jemand hält das Opfer
in diesen Fällen eine mittelbare Täterschaft nicht mit der Tatherrschaft zu fest, während ein anderer ihm den tödlichen Stich versetzt; oder er bedroht
begründen ist, habe ich schon in der ersten Auflage dieses Buches eingehend die Hausbewohner mit der Pistole, solange sein Genösse die Schränke aus-
nachgewiesen (oben S. 258 f., 338-347, 253 ff.).396 räumt." Freund übernimmt also die paradigmatischen Fälle und auch die
Dies ändert aber natürlich nichts an der Gültigkeit des Tatherrschaftskrite- Ergebnisse der Tatherrschaftslehre, wenn auch ohne jeden zitierenden Rück-
riums bei den Herrschaftsdelikten. Im Ergebnis richtig ist es auch, daß bezug. Da er sich jedoch auf die Mitherrschaft der jeweils Beteiligten als Kri-
Freund 397 im Gegensatz zu dem bei den Anhängern des Autonomie-Gedan- terium der Gemeinschaftlichkeit nicht berufen mag, erklärt er nur, im ersten
kens vorherrschenden Trend (näher unten S. 678 ff., 709 ff.) „die absolute und Fall sei eine Erfassung als Mittäterschaft „nach Wortlaut und Ratio ange-
durchgängige Geltung" eines „die (mittelbare) Täterschaft des Hintermannes zeigt" und im zweiten verstoße auch der Festhaltende „in einer über die
sperrenden .Verantwortungsprinzips'" bestreitet. Aber eine solche Ableh- bloße Beihilfe hinausgehenden Form gegen das Körperverletzungsverbot".
nung jeglichen „Täters hinter dem (verantwortlichen) Täter" wird durch die Das sind - im Ergebnis richtige - Dezisionen, die in Wirklichkeit den Ver-
Tatherrschaftslehre keineswegs gefordert, wie in diesem Buch ausführlich zicht auf eine Begründung darstellen. Der Sache nach stellen sie eine Über-
dargelegt und inzwischen auch vom B G H anerkannt wird. nahme der scheinbar abgelehnten Tatherrschaftskonstruktion dar.
Bei der Mittäterschaft versucht Freund, seinem bei der Auslegung des Ein- Freund beschäftigt sich dann noch mit dem Fall des Schmierestehens und
zeltatbestandes ansetzenden Verfahren etwas mehr gerecht zu werden, indem meint: 400 „Hat er (seil, der Wachehaltende) ... die ... Wegnahmeaktion des
er die Abgrenzung in den Besonderen Teil abschiebt. 398 Im Allgemeinen Teil anderen durch sein Verhalten überhaupt erst ermöglicht und durch eine ent-
sei „eine abschließende Klärung des Problems mittätertatbestandsmäßigen sprechende Aufforderung im Vorfeld sogar noch veranlaßt, ist der erforder-
Verhaltens nicht möglich. Insoweit handelt es sich um ein Problem, das ge- liche .qualitative Sprung' zur mittäterschaftlichen Verantwortlichkeit wohl
rade nicht mit einem von den Besonderheiten einzelner Tatbestände abstra- geschafft. Jedenfalls wäre eine Bewertung ... als Anstiftung und Beihilfe ...
hierenden allgemeinen (Mit-)Täterschaftskriterium sachgerecht zu bewältigen keineswegs günstiger." Aus dem schwankenden „wohl" und daraus, daß eine
ist." Damit gibt man freilich dem Rechtsanwender und Leser Steine statt mögliche Bestrafung wegen Beihilfe und Anstiftung anscheinend als gleich-
Brot. Denn da nicht einmal angedeutet wird, welche Ergebnisse aus der Aus- wertig empfunden wird, läßt sich entnehmen, daß die Abgrenzung hier mehr
legung der einzelnen Tatbestände für die Abgrenzung von Mittäterschaft und nach dem Gefühl als nach angebbaren Gründen vorgenommen wird. Aber
Beihilfe zu gewinnen sind, bleibt man ohne jede konkrete Rechtsauskunft. auch vom Ergebnis her ist es wenig einleuchtend, daß ausgerechnet eine hin-
Ein solches Vorgehen ist auch methodologisch falsch. Denn wenn der zukommende Anstiftung („Aufforderung im Vorfeld"), also ein täterschafts-
Gesetzgeber die Mittäterschaft im Allgemeinen Teil (§25 Abs. 2 StGB) als fremdes Kriterium, aus dem allein nur für eine Beihilfe ausreichenden
gemeinschaftliche Begehung charakterisiert, kann die konkrete Ausgestaltung „Schmierestehen" eine Mittäterschaft machen soll. Noch befremdlicher ist es,
dieser Gemeinschaftlichkeit zwar nur aus der Struktur des jeweiligen Tatbe- daß Freund daran festhält,401 derartige Ergebnisse unmittelbar aus dem Wort-
standes gewonnen werden. Was aber Gemeinschaftlichkeit „als solche" ist, sinn des Tatbestandes ableiten zu können. N u r wenn zum Schmierestehen die
kann nur, wie auch vom Gesetzgeber vorgesehen, im Rahmen der allgemei- Aufforderung hinzukommt, soll „bei materialer Betrachtung" ein derartiges
nen Lehren des Strafrechts entwickelt werden. Denn sonst würde jeder gene- Verhalten als Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in Zueignungs-
ralisierbare Maßstab für die Abgrenzung bei den Einzeltatbeständen fehlen; absicht angesehen werden können. Da sich die für eine solche „materiale
die Lösungen könnten nach den unterschiedlichsten Gesichtspunkten getrof- Betrachtung" maßgeblichen Kriterien aber weder aus der Sprache noch „aus
fen werden und müßten in der Beliebigkeit enden. einem exakt angebbaren Tatbestandssinn" gewinnen lassen, bleibt es bei
einem Werturteil, das ebensogut auch anders hätte ausfallen können und dem

395
AT, 1998, §10, Rn. 69-74.
396
Zum neuesten Stand der Problematik vgl. unten S. 718 ff., 746 ff. AT, 1998, §10, Rn. 166,167.
397
AT, 1998, § 10, Rn. 87. AT, 1998, §10, Rn. 168.
398
AT, 1998, §10, Rn. 164. AT, 1998, §10, Rn. 169.
668 669

Ergebnis, das sich aus der Tatherrschaftslehre ergibt, an Klarheit und Über- VII. Das Täter-Teilnehmer-System bei Schild
zeugungskraft erheblich nachsteht. Wenn ein Diebstahl, wie es den Vorgaben
des Falles entspricht, durch das Schmierestehen „überhaupt erst ermöglicht" Schild setzt der nach seiner Ansicht „die heutige Diskussion bestimmende(n)
wird, liegt schon darin allein die Ausübung einer wesentlichen Funktion im ,Tatherrschaftslehre' von C. Roxin" 408 einen Tatherrschafts begriff entgegen,
Ausführungsstadium, die als arbeitsteilige Tatbestandsverwirklichung eine der sich auf eine Kombination von Vorsatz und objektiver Zurechnung grün-
Mitherrschaft über dieses und damit eine Mittäterschaft begründet. 402 Eine det.409 Tatherrschaft sei die Umsetzung eines zur Erfolgsherbeiführung geeig-
etwa noch hinzutretende Anstiftung ist allein nach Konkurrenzgesichtspunk- neten Handlungsprogramms. Er kommt auf diese Weise zu einem „sehr
ten zu beurteilen. weiteren Täterbegriff"410, der auch Anstiftung und Beihilfe umfaßt. Der An-
Zusammenfassend läßt sich sagen: Die richtigen Ansätze und Ergebnisse, stifter entwickele 411 „ebenfalls ein Handlungsprogramm zur Herbeiführung
die sich in der Beteiligungsformenlehre Freunds finden lassen, entsprechen des tatbestandsmäßigen Erfolges, das die Tätigkeit eines anderen als Werk-
der Tatherrschaftslehre, sind aber ohne deren Kriterien nicht plausibel zu zeug einplant ... Vergleichbares gilt für den .Gehilfen'. Vom materiellen
begründen. Der Versuch, die Abgrenzung darüber hinaus in die Einzeltat- Täterbegriff her gesehen sind auch die Teilnehmer Täter." „§§26, 27 laufen
bestände des Besonderen Teils zu verschieben, führt nicht weiter. von daher leer, wenn man die Täterschaft aus §25 selbst entwickelt." 412
Dieser Täterbegriff führt zwar nicht gerade auf den überlieferten Einheits-
täter zurück (weil er nicht auf der bloßen Kausalität basiert), ist aber, wie
VI. Die Entscheidungsträgerschaft bei Heinrich natürlich auch Schild erkennt, 413 mit der dem Gesetz zugrunde liegenden
Abgrenzung der Beteiligungsformen nicht zu vereinbaren. „Es bleibt eigent-
Heinrich 403 will den Begriff der Tatherrschaft durch den der „Entscheidungs- lich kein Platz für eigene Teilnehmer, weil sie ... Täter sind."
trägerschaft" ersetzen. Er versteht diese Entscheidungsträgerschaft bei der Er bildet deshalb neben dem von ihm entwickelten „materiellen" einen
mittelbaren Täterschaft als „Entscheidungsübernahme" 404 , bei der Mittäter- „formellen" Täterbegriff, den er auf die gesetzgeberische Entscheidung für
schaft als „Entscheidungsverbund" 405 , während die unmittelbare Täterschaft die limitierte Akzessorietät gründet. „Näher bedeutet dies, daß die Einpla-
als „originäre Entscheidungsträgerschaft" 406 charakterisiert wird. Das sind nung bestimmter menschlicher Werkzeuge in das Handlungsprogramm nach
plastische Kennzeichnungen, die aber ihre Nähe zu der von ihm bekämpften der gesetzlichen Bestimmung ... Teilnahme im Sinn der §§26, 27 begründen
Tatherrschaftslehre nicht verleugnen können. 407 Denn Entscheidungsträger soll, die deshalb aus dem Anwendungsbereich der (gesetzlichen) Täterschaft
kann jemand nur durch die Tatherrschaft werden. N u r durch sie kann er bei herausgenommen werden sollen: nämlich wenn das Werkzeug vorsätzlich-
der mittelbaren Täterschaft die maßgebliche Entscheidung „übernehmen", rechtswidrig tätig wird (es sei denn als gleichrangig gemeinschaftlich Han-
und nur die arbeitsteilige Ausführung schafft jenen „Verbund", auf den er die delnder im Sinn des §25 II)." 414 Praktisch besagt das, daß eine mittelbare
Mittäterschaft zurückführt. Die Konzeption bleibt aber insofern hinter der Täterschaft nur noch bei unvorsätzlich und bei rechtmäßig handelnden Werk-
Tatherrschaftslehre zurück, als sie durch das Abstellen auf die „Entschei- zeugen angenommen wird, während die Benutzung Schuldunfähiger und
dung" den Akzent zu sehr auf den Tatentschluß legt und die noch wichtigere nach §35 Entschuldigter nur als Teilnahme soll bestraft werden können.
Herrschaft über die Ausführung der Tat dabei vernachlässigt. Bei Erörterung Damit kommt Schild, wenn auch mit Hilfe eines vollkommen anderen
der einzelnen Täterschaftsformen wird dies näher darzulegen sein; dabei wer- Ansatzes, zu ähnlichen Ergebnissen wie Köhler und Kleszewski (oben IV).
den auch die Anstöße zu würdigen sein, die Heinrichs Konzeption der Tat- Anders als diese findet er aber das Ergebnis „materiell (und für das Rechtsge-
herrschaftslehre vermittelt. fühl vieler) unbefriedigend" 415 und „nicht stichhaltig" begründbar. „Auch die
in diesem Ergebnis übereinstimmende Täterlehre Köhlers und Klescewskis
kann für diese gesetzgeberische Entscheidung keine wirkliche Begründung
geben."
Man wird dem Ungenügen Schilds an seiner Lösung zustimmen müssen,
sie aber nicht auf ein Versagen des Gesetzgebers zurückführen können. Es ist

408
NK 2 , 2005, Vorbemerkungen zu den §§ 25ff., Rn. 1.
402 409
Vgl. dazu oben S. 275 ff., 282 f. NK 2 , 2005, § 25, Rn. 4.
403 410
Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft, 2002. NK 2 , 2005, § 25, Rn. 17.
404 4,1
Rechtsgutszugriff, 2002, 202 ff. NK 2 ,2005, §25, Rn. 21.
405 412
Rechtsgutszugriff, 2002, 285 ff. NK 2 ,2005, §25,Rn.22.
406 4,3
Rechtsgutszugriff, 2002, 199 ff. NK 2 ,2005, §25,Rn.22.
414
407
Schild, NK2, 2005, § 25, Rn 59: „In der Konkretisierung folgt auch Heinrich dem System NK 2 , 2005, § 25, Rn. 23.
415
Roxins." NK 2 ,2005, §25,Rn. 61.
670 671

schon zu bezweifeln, ob sich eine vom Gesetzgeber unabhängige „materielle" wird durch die Anwendung auf verschiedene Deliktsformen (Herrschafts-
Täterlehre bilden läßt. Die Rechtsvergleichung zeigt, daß der Gesetzgeber delikte, Pflichtdelikte, eigenhändige Delikte) entfaltet. Er „materialisiert" sich
zwischen einer Vielzahl konkurrierender Beteiligungssysteme die Wahl hat; dabei, d. h. er nimmt eine in zunehmendem Maße inhaltsbestimmte Gestalt
woraus sich ein „übergesetzlich" richtiges Modell ableiten lassen sollte, ist an, so daß Formen und Unterformen der Täterschaft in klar konturierter
nicht recht ersichtlich. Was aber das gesetzliche Teilnahmesystem des StGB Gestalt hervortreten. Sie fügen sich zu einem System zusammen, das sich in
betrifft, so kann man ein auch für Schild so wenig überzeugendes Ergebnis einem Schaubild übersichtlich wiedergeben läßt (oben S. 528) und an Klarheit
wie die bloße Annahme einer Anstiftung bei der Benutzung eines schuld- und Bestimmtheit, aber auch an Detailreichtum alle bis dahin unternomme-
unfähigen Werkzeuges keineswegs als eine unumgehbare gesetzgeberische nen Versuche zur Systematisierung der Täterlehre übertrifft. Eben darauf
Entscheidung ansehen. Denn die Materialien zum neuen Allgemeinen Teil beruht die große Resonanz dieser Konzeption und der Einfluß, den sie aus-
ergeben zweifelsfrei, daß der Gesetzgeber die Benutzung schuldloser oder übt. Es handelt sich dabei nicht um Topik, sondern nur um einen Anwen-
entschuldigter Personen als mittelbare Täterschaft gewürdigt wissen wollte. 416 dungsfall des vom späten Radbruch entwickelten Gedankens von der „Stoff-
Schilds Täter-Teilnehmer-System kann also im ganzen nicht überzeugen, auch bestimmtheit der Idee".
wenn er im einzelnen (in noch zu schildernder Weise) durchaus weiterführende Wenn Renzikowski demgegenüber auf einer Ableitung aller Formen der
Ideen entwickelt. Täterschaft aus einem anscheinend als exakt definiert vorgestellten Ober-
begriff in „logisch-systematischer Folgerichtigkeit" beharrt, verlangt er Un-
mögliches. Ich habe den Irrweg, auf dem der Versuch einer solchen Deduk-
VIII. Bemerkungen zur Methode tion aus abstrakten Oberbegriffen führt, schon oben aufgezeigt (S. 532 ff.)
und lege unten im einzelnen dar, wie wenig der von Renzikowski bevorzugte
Über die von mir bei der Systematisierung der Täterlehre verfolgte Methode Autonomiebegriff eine solche Rolle übernehmen kann (S. 678 ff.). Vielmehr
habe ich in diesem Buch ausführliche Rechenschaft abgelegt. Sein erstes Kapi- gilt auch für den Täterbegriff, was Arthur Kaufmann 418 aus Anlaß des Hand-
tel ist den „Methodischen Anhaltspunkten" gewidmet (S. 4-32), und diese lungsbegriffs gesagt hat: „Bei den höchsten Gattungsbegriffen ist eine logi-
Grundlegung wird in §40 des Werkes (S. 527-539) zusammengefaßt, präzi- sche Begriffsdefinition überhaupt unmöglich ... Man ist darum von vornher-
siert und vertieft. Eine weitergehende Darlegung dieser Verfahrensweise, an ein auf dem Holzweg, wenn man darauf aus ist, einen im strengen Sinne
der nichts zu korrigieren ist und deren Ergebnisse sich weitgehend durchge- .definierten' (: mittels isolierender .Merkmale' begrenzten) Gattungs- oder
setzt haben, erübrigt sich daher. Doch soll wenigstens kurz auf zwei Fehldeu- Klassenbegriff ... aufzustellen. In Betracht kommt also nur eine beschrei-
tungen meiner Methode eingegangen werden, die an meinen Intentionen allzu bende (deskriptive) Sacherklärung, eine Phänomenologie des Wesens der
weit vorbeigehen. Handlung, d. h. ein Aufzeigen der für sie eigentümlichen Eigenschaften unter
Verzicht auf eine .abschließende' Definition."
Das alles gilt für die Täterschaft ebenso. Die unmittelbare Täterschaft, die
/. Renzikowski mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft lassen sich nicht auf identische
Begriffselemente zurückführen. Formen der Tatherrschaft sind sie aber trotz-
Renzikowski meint,417 mein Verfahren treffe sich „mit der sogenannten topi- dem gleichermaßen. In dieser Einsicht liegt geradezu die Quintessenz der hier
schen Rechtsfindungsmethode". Es handele sich um ein „Denken, das auf den entwickelten Täterlehre.
jeweiligen Einzelfall hin orientiert ist". Doch komme man „um eine System-
bildung zur Vermeidung von Widersprüchen nicht herum". Die Ausführun-
gen über „Problem und System in der Täterlehre" (oben S. 536-539), die mei- 2. Klesczewski
nen Standpunkt verdeutlichen, stützen aber Renzikowskis Annahmen nicht.
Ich'stelle keineswegs auf Einzelfallwertungen ab, wie sie beispielsweise die Klesczewski 419 versteht das in diesem Buch gewählte Vorgehen als eine Ver-
Rechtsprechung des BGH bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Bei- bindung von ontologischer (finalistischer) und neukantianischer (neoklassi-
hilfe bevorzugt. Vielmehr habe ich diese Rechtsfindung aus der auf einer scher, wertbeziehender) Betrachtungsweise und verwirft sie (ähnlich wie die
„Gesamtschau" aller Umstände beruhenden „Wertung des Einzelfalles" stets Ansätze von Gallas und Bloy) als „methodensynkretistisch". Daran ist rich-
energisch kritisiert. Meine Methode ist demgegenüber ein dezidiert struktur- tig, daß leitende Wertungsgesichtspunkte (z.B. die Herrschaft als materiel-
bildendes Verfahren. Der notwendig abstrakte Oberbegriff der Zentralgestalt les Kriterium der Tatbestandsverwirklichung) zu den realen Phänomenen

4,6 4.8
Vgl. oben IV (S. 662 ff.) die Ausführungen zur Täterlehre Köhlers und Klescewskis. H. Mayer-Festschrift, 1966, 87f.
417 4.9
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 19. Selbständigkeit, 1997, 154ff.
672 673

(Selbstbegehung, Begehung durch einen anderen, gemeinschaftliche Be- Tatherrschaft (vgl. unten S. 743 f.). Der Vorwurf der Tautologie geht an diesem
gehung) in Beziehung gesetzt werden und auf diese Weise den zunächst zentralen Problem völlig vorbei. Zu meiner Eigenhändigkeitskonzeption,
abstrakten Begriff inhaltlich so konkretisieren, daß er klare und brauchbare die gerade in der Gegenwart wieder im Mittelpunkt einer lebhaften Debatte
Rechtsfiguren liefert. Richtig ist auch, daß schon der Neukantianismus und (mit unterschiedlichen Folgerungen) steht (vgl. unten S. 757 ff.), sagt Kles-
der Finalismus (und nicht erst sie) sich um das Verhältnis von Sein und Wert czewski: 423 „Sollte es bei den eigenhändigen Delikten wirklich nur um
bemüht haben und daß meine Darstellung - im Anschluß an Gallas - manche betätigte Unmoral gehen, dann müßte Roxin das damit erfaßte Verhalten
hier vorfindbaren Ansätze zu einer Synthese bringt. Mein eigentlicher nach seinem eigenen, an der Rechtsgutsverletzung orientierten, materiellen
Gewährsmann aber ist Hegel gewesen, dessen Verfahren bei der Gewinnung Verbrechensbegriff folgerichtig für gänzlich straflos erklären." Der Autor
„konkreter" Begriffe mir zum Vorbild gedient hat. In welcher Weise ich die- übersieht dabei, daß es nicht in meiner Macht steht, vom Gesetzgeber unter
sen Ansatz ausgewertet habe, ist im vorliegenden Buch (S. 528 ff.) ausführlich Strafe gestellte Verhaltensweisen für straflos zu erklären, und er übersieht
geschildert. Es ist schwer verständlich, daß ein dem Idealismus so verpflichte- auch, daß ich die Unvereinbarkeit einer Bestrafung bloßer Moralverstöße mit
ter Autor wie Klesczweski das so gänzlich verkennen und eine höchst ori- dem Rechtsgüterschutzgedanken selbst betont und gerade daraus das Abster-
ginäre, aus der Primärquelle geschöpfte Methode als „synkretistisch" ohne ben dieser Form von Eigenhändigkeit hergeleitet habe (unten S. 757 f.).
nähere Prüfung abtun kann. Dabei gesteht er mir selbst zu, „eine Vielzahl von
durchaus konsensfähigen Lösungen erarbeitet" zu haben. 420 Er meint aber
trotzdem, daß „diese Resultate sich mit der präferierten Methodenver- B. Herrschaftsdelikte
mischung" nicht hätten „gewinnen lassen". Es müßte sich demnach also um
Zufallsfunde handeln. I. Handlungsherrschaft
Auch das, was Klesczewski über die Täterschaftstrias der Herrschaftsde-
likte, der Pflichtdelikte und der eigenhändigen Delikte allzu knapp ausführt, Die Täterschaft dessen, der die Tatbestandshandlung in eigener Person vor-
ist von seltsamer Verständnislosigkeit. So bemängelt er beim Begriff der Tat- sätzlich und ungenötigt verwirklicht, ist heute allgemein anerkannt und seit
herrschaft „das Moment der Lenkung des tatbestandlichen Verletzungs- dem 1.1.1975 sogar gesetzlich festgelegt (§ 25 Abs. 1 StGB). 424 Sie kann in der
geschehens, das sich Roxin ersichtlich vom finalistischen Konzept geliehen neueren Rspr. als gesichert gelten.425 Auch der Begriff der „Handlungsherr-
hat". Denn es komme „bei allseits vorsätzlichem Handeln diese angeblich schaft" hat in die Literatur Eingang gefunden.426 Meine weitergehende These,
täterschaftsbegründende Fähigkeit zu finaler Überdetermination allen Betei- daß der genötigt oder sonstwie entschuldigt Handelnde ebenso die Tatherr-
ligten zu" 421 . Die Annahme, ich setzte Tatherrschaft und Finalität gleich, ist schaft innehabe, 427 hat sich gleichfalls überwiegend durchgesetzt. 428 So ist im
aber durchaus irrig. Vielmehr habe ich schon in der Erstausgabe dieses Lehrbuch Welzels 429 die frühere Annahme, daß eine durch „schwere Dro-
Buches (oben S. 319) gesagt, es ließen sich „aus der Finalstruktur beim hungen" zur Abtreibung genötigte Frau „schuldlose Beihilfe" leiste,430 später
Zusammenwirken mehrerer final Handelnder für die Abgrenzung der Beteili- durch die Annahme schuldloser Täterschaft ersetzt worden.
gungsformen keine Anhaltspunkte gewinnen. Denn das spezifische Moment Freilich muß es Autoren, deren Tatherrschaftsverständnis durch die sub-
der Herrschaft ist durch das auch der Teilnahme zukommende Attribut der jektive Theorie beeinflußt ist, schwerer fallen, die Täterschaft eines Tatmitt-
Finalität nicht zu erfassen." Klesczewski unterstellt mir also das Gegenteil lers anzuerkennen, der in seinen Entschlüssen völlig vom Hintermann abhän-
dessen, was ich gesagt habe und meint damit, den Begriff der Tatherrschaft ad gig ist. So meint etwa Bockelmann, 431 der ursprünglich von der Dolustheorie
absurdum führen zu können. herkommt 432 , die Tat des Genötigten sei „nicht sein Werk" und könne „dar-
Ähnlich verfährt der Autor bei den Pflichtdelikten. Er sieht in der Heraus-
arbeitung dieser Täterschaftskategorie zwar ein „besonderes Verdienst" 422 , 423
Selbständigkeit, 1997, 160.
meint dann aber, diese „Täterschaftsdefinition" komme „dennoch nicht über 424
Näher vgl. o b e n S . 546 ff.
die Tautologie hinaus, daß Täter sei, wer die dem Tatbestand vorausliegende 425
Vgl. nur die Zusammenfassung oben S. 547.
Pflicht verletze". Was daran tautologisch sein soll, ist unverständlich. Denn 426
Vgl. u.a. E b e n , AT 3 , 2001, 190; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 38, 41; Herzberg, Täterschaft
eine verbreitete, wohl gar überwiegende Meinung sieht bei diesen Delikten und Teilnahme, 1977, 14, 38, 44, 79; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 27, 29; Jakobs, AT 2 , 1991,
21/35; Krey, AT/2 2 , 2005, § 26, Rn. 86, 94; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 27; Wessels/Beulke,
die Pflichtverletzung als eine zwar notwendige, aber keineswegs hinreichende AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 512.
Bedingung der Täterschaft an, sondern verlangt daneben stets auch noch die 427
Dazu ausführlich oben S. 131 ff.
428
Vgl. etwa Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 14; Cramer, Bockelmann-Festschrift,
1979, 393; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 29.
429
Das Deutsche Straf recht 1 1 ,1969, 101.
430
420
Selbständigkeit, 1997, 161. S. dazu oben S. 132.
431
421
Selbständigkeit, 1997, 157. AT 3 , 1979, 178; auch noch bei Bockelmann/Volk, AT 4 , 1987, 178.
432
422
Selbständigkeit, 1997, 158. Dazu oben S. 83.
674 675

um nicht als Zurechnungsbasis für Teilnahmeakte fungieren". Aber im übri- mittelbaren Täterschaft, abgegrenzt werden. Die Annahme nämlich, daß nur
gen will er dem schuldlos Handelnden doch eine „beschränkte Täterschaft" die volle eigenhändige Tatbestandsverwirklichung unmittelbare Täterschaft
zusprechen, die auf einer „fragmentarischen Tatherrschaft" beruhe und begründen könne, ist zu eng. Man wird eine unmittelbare Täterschaft minde-
gleichwohl die mittelbare Täterschaft eines Hintermannes ermögliche. Ande- stens auch dann noch annehmen müssen, wenn man sich zur Tatausführung
rerseits nennt er die Figur des „Täters hinter dem Täter", d. h. einer durch eines Menschen bedient, der nicht selber handelt, sondern nur als körper-
Tatherrschaft vermittelten Tatherrschaft, die diesem Zugeständnis zugrunde licher Gegenstand benutzt wird. Wenn also A den B vom Balkon stürzt, so
liegt, doch wieder eine „schwer nachzuvollziehende Vorstellung" 433 . Das ist daß B unter Zertrümmerung eines unten gelegenen Glasdaches zu Boden
sie allerdings, wenn man die Willensunterordnung als Teilnahmekriterium stürzt, ist A unmittelbarer Täter sowohl einer Körperverletzung als auch
und die Willensüberlegenheit als allein entscheidendes Täterschaftsmerkmal einer Sachbeschädigung. Denn er ist der einzige, der überhaupt gehandelt hat,
ansieht. Aber so ist es nun einmal nicht: Der nicht durch menschlichen und damit Täter aller verwirklichten Tatbestände. B ist in den Kausalverlauf
Druck, sondern durch andere Gefahren genötigte Notstandstäter bleibt nicht als Tatmittler, sondern als bloßer körperlicher Gegenstand eingetreten,
selbstverständlich (entschuldigter) Täter einer Tatbestandsverwirklichung, die nicht anders, wie es gewesen wäre, wenn der Täter einen großen Stein auf das
sein (ihm freilich durch die Notlage abgezwungenes) Werk ist. Das kann Glasdach geworfen hätte.
nicht anders werden, wenn die Nötigung von einem Menschen herrührt. Die Aber auch die Handlung eines zwischen dem Erstverursacher und dem
durch die Tatherrschaft des Ausführenden vermittelte Tatherrschaft eines Erfolg stehenden anderen schließt eine unmittelbare Täterschaft des „Hinter-
Hintermannes ist eine ganz einfache Vorstellung, wenn man davon ausgeht, mannes" nicht allemal aus. Wenn z. B. A den B in Tötungsabsicht schwer ver-
daß die Willensdominanz nicht die Tatherrschaft schlechthin, sondern nur letzt und der Arzt C den Tod des B nur hinauszögern, aber letztlich nicht
eine ihrer drei Erscheinungsformen, die mittelbare Täterschaft, kennzeichnet, verhindern kann, 438 bleibt A unmittelbarer Täter eines vollendeten Tötungs-
während die Handlungsherrschaft auf der vorsätzlich unmittelbaren Verwirk- delikts, obwohl der Arzt C durch sein Handeln die letzte, verzögernde
lichung des Tatbestandes beruht. Da die beiden Tatherrschaftsformen struk- Todesursache gesetzt hat. Der Grund dafür liegt darin, daß C nicht für die
turell verschieden geartet sind, kann bei gleichzeitigem Vorliegen beider sehr Zwecke des A instrumentalisiert (d. h. als „Werkzeug" benutzt) wird, sondern
wohl die Willensherrschaft die Handlungsherrschaft überlagern: 434 „Unmit- daß er dem Plan des A gerade entgegenarbeitet.
telbar beherrscht der Nötigende allein den Genötigten. Nur weil der Strittig ist, ob man noch weitergehen und jede Benutzung eines Mittelman-
Genötigte seinerseits kraft seines Handelns den Geschehensablauf in der nes als unmittelbare Täterschaft beurteilen soll, solange die Handlung eines
Hand hat, beherrscht der Hintermann mittelbar auch die Tat selbst." 435 zur Ausführung benutzten Mittlers diesem nicht als Erfüllung des objektiven
Die unmittelbare Täterschaft (- Handlungsherrschaft) setzt die Verwirk- Tatbestandes zugerechnet werden kann. Diesen Gedanken hat Jakobs 439 ins
lichung des gesamten Tatbestandes durch den Ausführenden voraus. Es Gespräch gebracht: „Man kann ... diejenigen Fälle eines objektiv zurechen-
genügt beispielsweise bei einem Raub (§249) nicht für eine unmittelbare baren Verhaltens, in denen ein nachfolgendes Verhalten schon keine objektiv
Täterschaft, daß jemand das Opfer niederschlägt, während sein Komplize das zurechenbare Tatbestandsverwirklichung mehr bewirkt, der unmittelbaren
Geld wegnimmt. Hier liegt eine Mittäterschaft, aber keine unmittelbare Täterschaft zuschlagen." Das ist von Hoyer 4 4 0 aufgenommen und weiter
Täterschaft vor. Ich hatte an anderer Stelle 436 schon die Verwirklichung einer begründet worden: Da der Handlung des Mittlers der Erfolg gerade nicht
von mehreren Tatbestandshandlungen für die Handlungsherrschaft genügen objektiv zugerechnet werden könne, könne die Zurechnung seines Handelns
lassen wollen. Aber das wird von Hoyer 4 3 7 mit Recht kritisiert. Denn der zum Erstschädiger auch bei diesem nicht zu einer mittelbaren Erfolgszurech-
Gewaltausübende kann Täter eines Raubes nur sein, wenn sein Handeln auf nung führen.
einem gemeinsamen Tatentschluß mit dem Wegnehmenden beruht. Das ist Praktisch leitet das zu folgender Unterscheidung: Wenn der Arzt
dann aber eine Mittäterschaft und keine unmittelbare Täterschaft. Dr. Adams in dem bekannten Schulfall der Krankenschwester zur Injektion
Die Handlungsherrschaft muß aber nicht nur von der funktionellen Tat- bei einer Patientin eine vergiftete Spritze hinlegt, um auf diese Weise rasch in
herrschaft, der Mittäterschaft, sondern auch von der Willensherrschaft, der den Genuß ihrer Erbschaft zu kommen, würde die Frage, ob er unmittelbarer
oder mittelbarer Täter eines Mordes ist, davon abhängen, ob der Schwester
ein Sorgfaltsverstoß zur Last fällt oder nicht, d.h. ob sie die Beschaffenheit
433
AT 3 , 1979, 190; auch noch bei Bockelmann/Volk, AT 4 , 1987, 192. der Spritze hätte bemerken können und müssen oder nicht. Im ersten Fall
434
Auch Wessels/Beulke AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 538, sprechen davon, daß die „Handlungsherr-
schaft des unmittelbar Handelnden von der Willensherrschaft des Hintermannes überlagert
würde eine mittelbare Täterschaft vorliegen, im zweiten eine unmittelbare.
wird". Fast wörtlich ebenso im Anschluß an den Text oben S. 131 ff., 143, Preisendanz,
StGB 3 0 , 1978, § 2 5 111,3, c.
435
Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 14, unter Anführung des wiedergegebenen
438
Zitats aus S. 143 dieses Buches. Vgl. das Beispiel bei Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 32.
439
436
L K " , 1993, § 2 5 , Rn. 52. AT 2 , 1991, 20/38, Fn. 91 a im Anschluß an die österreichische Literatur.
440
437
SK 7 , 2000, § 25, Rn. 32; ihm folgend Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 36. SK 7 , 2000, § 25, Rn. 33/35.
676 677

Diese Lösung überzeugt aber nicht.441 Denn ob der Arzt mittelbarer oder II. Willensherrschaft
unmittelbarer Täter ist, würde dann nicht von seinem Tatbeitrag, sondern
vom Verhalten und den Erkenntnismöglichkeiten des unmittelbar Handeln- 1. Grundsätzliches zur Struktur der mittelbaren Täterschaft
den abhängen, das er in vielen Fällen nicht beurteilen und prognostizieren
kann. Auch wird man bei einer den Wortlaut respektierenden Gesetzesaus- Die mittelbare Täterschaft ist seit Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils
legung sagen müssen, daß der Arzt so oder so die Straftat nicht „selbst", son- nicht nur Gegenstand wichtiger und zum Teil bahnbrechender Urteile gewor-
dern „durch einen anderen begeht" (§ 25 I). Das Abstellen auf die Zurechen- den, sondern hat auch die Literatur zu vielfachen Stellungnahmen heraus-
barkeit zum Tatmittler bedeutet eine zu weit gehende Normativierung der gefordert. Vor allem die Arbeit von Bloy446 fußt auf der Tatherrschaftslehre,
unmittelbaren Täterschaft, zu der sich freilich Jakobs ausdrücklich bekennt, überträgt aber das Verantwortungsprinzip auf die Irrtumsfälle und kommt so
wenn er das Kriterium der Eigenhändigkeit als „naturalistisches Faktum" zu weitgehender Ablehnung des „Täters hinter dem Täter" (näher unten
abtut. 442 Denn das überlegene Wissen des Hintermannes als Kriterium der S. 685 ff., 695 ff.).
mittelbaren Täterschaft wirkt sich bei beiden Fällen in gleicher Weise aus.
Auch das Zurechnungsargument von Hoyer leuchtet nicht ein. Denn selbst
wenn der Krankenschwester ggf. die Tötung der Patientin objektiv nicht a) Die Leugnung der mittelbaren Täterschaft bei Schild
zugerechnet werden kann, kann ihr Verhalten doch dem Arzt als dessen mit-
telbare Tötungshandlung zugerechnet werden. Auch läge es in der Konse- Als einziger Autor hat Schild447 in einer Vorform seiner späteren NK-Version
quenz einer radikalen Normativierung, schon dann eine unmittelbare Täter- der mittelbaren Täterschaft und damit auch dem Kriterium der Willensherr-
schaft des Hintermannes anzunehmen, wenn beim unmittelbar Handelnden schaft ein selbständiges Existenzrecht bestritten. Für ihn hat auch der mittel-
auch nur eine Zurechnung zum Unrecht ausgeschlossen wird; denn auch bare Täter die Handlungsherrschaft, ist also eigentlich unmittelbarer Täter:
dann kann kein Unrecht des Ausführenden auf den Hintermann übergewälzt „Deshalb ist die Regelung des §25 Abs. 1 StGB der Sache nach überflüssig; in
werden. Das aber würde bedeuten, daß der klassische Fall der mittelbaren den Fällen, in denen jemand ein Werkzeug einsetzt, handelt er selbst i. S. des
Täterschaft durch ein rechtmäßig handelndes Werkzeug - etwa bei einer dann verwirklichten Tatbestandes." 448 Daran ist richtig, daß in einem norma-
rechtmäßigen Festnahme auf Grund einer falschen Anschuldigung - in einem tiven Sinne auch der mittelbare Täter den Tatbestand verwirklicht; wer die
Fall der unmittelbaren Täterschaft umgewandelt würde. Das will auch Hoyer Tatherrschaft hat - sei es als unmittelbarer, sei es als mittelbarer Täter - erfüllt
nicht 443 - mit Recht; aber diese Inkonsequenz wendet sich gegen den eigenen also in diesem Sinne den Tatbestand. Aber er tut dies, phänomenologisch
Ansatz. gesehen, „durch einen anderen", und insofern mittelbar 449 . Es ist ein Unter-
Man mag die Meinung vertreten, daß es eine eher akademische Frage sei, schied, ob jemand selbst Hand anlegt oder ob er sich zu einer ihm zuzurech-
ob man einen täterschaftlichen Tatbeitrag als unmittelbare oder mittelbare nenden Tatbestandsverwirklichung einer anderen, von ihm beherrschten Per-
Täterschaft bezeichnet. 444 Aber erstens steckt dahinter ein Grundproblem der son bedient. Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber im Auge, und er liegt
Täterlehre, das auch bei vielen anderen Fragen wichtig wird: die Frage näm- auch der Differenzierung von Handlungs- und Willensherrschaft zugrunde.
lich, ob sie sich mehr an der Realität oder an normativen Kriterien orientieren Eine solche Aufgliederung der normativen Einheit des Tatherrschaftsbegriffs
soll. Und zweitens kann die Frage, ob jemand unmittelbarer oder mittelbarer ist auch notwendig; denn nur auf diese Weise treten die in diesem Buch ent-
Täter ist, auch praktische Bedeutung gewinnen, z.B. hinsichtlich des Ver- wickelten festen Strukturen der Täterlehre hervor, die den Tatherrschafts-
suchsbeginns oder bei einem Irrtum über die eigene Rolle.445 begriff vor dem Schicksal einer wertausfüllungsbedürftigen Generalklausel
bewahren.

Zurechnungstypus, 1985, 344 ff.


Täterschaft, 1994, 12f., 20, 24f., 28 und passim. In N K 2 , 2005, § 25, Rn. 60-62, erkennt er
441
Skeptisch auch Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 42. jetzt aber die Fälle mittelbarer Täterschaft an: durch Benutzung eines ohne Vorsatz oder im
442 j\f2^ 1991^ 20/38. Zu den normativierenden Tendenzen in der Täterlehre von Jakobs vgl. Erlaubnistatbestandsirrtum handelnden Mittlers und durch Einschaltung eines rechtmäßig
schon oben S. 658. handelnden Werkzeuges. Vgl. zu der neuen Konzeption Schilds oben A VII, S. 669 f.
443
SK 7 ,2000, § 2 5 , R n . 35. Täterschaft, 1994, 24; ganz ähnlich 28. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser These
444
Zur Charakterisierung der gesamten mittelbaren als unmittelbare Täterschaft bei Schild vgl. Schilds liefert Bloy in seiner Rezension, G A 1996, 239ff. Kritisch zu Schild auch Kutzner,
B I I , l . a b S . 677. Rechtsfigur, 2004, 55 ff.
445 Dies sieht auch Schild selbst, Täterschaft, 1994, 25, 28.
Vgl. dazu Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 42.
678 679

b) Die Leugnung der Tatherrschaft aa) M.-K. Meyer


als Kriterium mittelbarer Täterschaft bei Stein und Köhler
M.-K. Meyer gründet die mittelbare Täterschaft des Hintermannes auf die
Ein völliger Verzicht auf die Tatherrschaft als Kriterium mittelbarer Täter- Unfreiheit des unmittelbar Handelnden, auf die Beeinträchtigung seiner
schaft findet sich, wenn auch in völlig unterschiedlicher Form, bei Stein und Autonomie. Sie schließt sich dabei, obwohl dies nach dem Dargelegten ohne
Köhler. Stein 450 unterscheidet auf der Basis seiner verhaltenspflichtbestimm- weiteres möglich wäre, weniger an die Tatherrschaftslehre an als an die ältere
ten Beteiligungsformenlehre (dazu oben S. 660 ff.) zwischen einer mittelbaren Übergewichtstheorie Heglers (oben S. 61) und die „Ganzheitstheorie" ihres
Täterschaft auf Grund Pflichtmangels des Vordermannes (er kann z. B. nicht Lehrers Schmidhäuser.455 Doch sind die Lösungen, die sie auf diese Weise
erkennen, was der Hintermann sieht oder unterliegt wegen der Handlung des erzielt, drei gewichtigen Einwänden ausgesetzt.
Hintermannes einer weniger dringlichen Verhaltenspflicht) und einer auf Erstens versagt ihre Begründung über den Autonomiegedanken in man-
Grund mangelnder Pflichtbefolgungsfähigkeit des Vordermannes (wobei wie- chen Fällen des „Täters hinter dem Täter" völlig; bei der von der Autorin
derum zwischen Vorsatzmangel, mangelnder Unrechtseinsicht und mangeln- anerkannten mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate
der Steuerungsfähigkeit differenziert wird). Trotz des andersartigen Aus- z. B. läßt sich beim besten Willen nicht dartun, daß die voll verantwortlichen
gangspunktes läuft das im wesentlichen auf die Erscheinungsformen der Schergen des verbrecherischen Systems unfrei handeln. 456 Zweitens bleibt der
mittelbaren Täterschaft hinaus, die die Tatherrschaftslehre entwickelt hat. Begriff der fehlenden „Autonomie" weit undeutlicher als das bis ins Detail
Demgegenüber kommt Köhler auch zu erheblich anderen Ergebnissen, ausgearbeitete Prinzip der Willensherrschaft. So soll z.B. die Veranlassung
indem er die Willensherrschaft als Anstiftung deutet und für die mittelbare oder Ausnutzung eines error in persona ebenso wie jeder durch irgendeine
Täterschaft nur den Fall des Tatirrtums beim Vordermann übrig läßt. Dazu Täuschung herbeigeführte Suizid mittelbare Täterschaft begründen, 457 auch
ist, wie auch zu Steins Gesamtkonzeption, schon oben kritisch Stellung wenn man rechtlich gesehen von der vollen Verantwortlichkeit des Aus-
genommen worden (S. 660 ff.); darauf sei hier verwiesen. führenden ausgehen muß, während in anderen Fällen für den Ausschluß der
„Autonomie" gerade auf die mangelnde oder eingeschränkte rechtliche Ver-
antwortlichkeit des Tatmittlers abgestellt wird. Neumann 4 5 8 beanstandet in-
c) Das Prinzip der Autonomie bzw. der Selbstverantwortung des anderen folgedessen, der Begriff der Autonomie, „der die diskutierten Probleme
als Kriterium der Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung strukturieren und ihre Lösung fundieren" solle, bleibe „in irritierender Weise
unscharf", ihm hafte „ein Moment des Unverbindlichen, des Rhetorischen"
Drei gewichtige Monographien - von M.-K. Meyer 451 , Schumann 452 und an. Küper sagt:459 „Der Begriff der ,Autonomie' ... wechselt im jeweiligen
Renzikowski 453 - benutzen den Gedanken der Autonomie oder der Selbst- Zusammenhang so ,chamäleonhaft' seine Bedeutung, daß sein Inhalt geradezu
verantwortung des anderen, um die mittelbare Täterschaft von der Anstiftung beliebig wird." Drittens schließlich wird man sagen müssen, daß das Begehen
abzugrenzen. Das ist ein der Tatherrschaftslehre nahestehendes Verfahren der Tat durch einen anderen, auf das §25 Abs. 1 StGB abstellt, überhaupt
und läßt sich, wie dies Renzikowski ausdrücklich tut, auch unmittelbar mit nicht in erster Linie von bestimmten Eigenschaften des Ausführenden als
ihr verknüpfen, weil die autonome und selbstbestimmte Entscheidung des vielmehr von der Beziehung des Hintermannes zu ihm und zur Tat abhängt,
unmittelbar Handelnden den Hintermann in der Regel von der Tatherrschaft wie es im Kriterium der Tatherrschaft zum Ausdruck kommt. 460 Unabhängig
ausschließt.454 Insofern betonen diese Lehren nur die Kehrseite der Tatherr- von diesen grundsätzlichen Bedenken ist aber zu betonen, daß Meyers Aus-
schaft, indem sie die Voraussetzungen namhaft machen, bei deren Gegeben- führungen zu den einzelnen Konstellationen der mittelbaren Täterschaft auch
sein sie nicht vorliegt. Aber der Autonomie- bzw. der Selbstverantwortungs- im Sinne der Tatherrschaftslehre förderliche und vielfach beifallswürdige
gedanke führen nicht weiter als das Prinzip der Tatherrschaft. Im Gegenteil, Analysen enthalten.
sie bleiben dahinter zurück, wie eine Auseinandersetzung mit den genannten
Büchern zeigen mag. Dazu oben S. 659 f.
So aber M.-K. Meyer, Autonomie, 1984, 102 f., mit einer Begründung, die nach Küper, JZ
1986, 222, „niemanden überzeugen" kann und die Neumann, G A 1985, 476, für „schlech-
terdings nicht haltbar" erklärt.
Autonomie, 1984, 99ff., 221 ff. (235).
G A 1985, 476f.
450
Beteiligungsformenlehre, 1988, 283ff. JZ 1986, 219ff. (229). Küpers eindringliche Rezensionsabhandlung ist die gründlichste Aus-
4M
Ausschluß der Autonomie durch Irrtum, 1984. einandersetzung mit dem Buch von Meyer, die bisher vorliegt. Kritisch zu Meyer auch
452
Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen, Kutzner, Rechtsfigur, 2004, 68 ff.
1986. Das hebt zutreffend Neumann, G A 1985, 477, hervor, der daran die Folgerung knüpft,
453
Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, 1997. gerade die Argumentation Meyers bestätige „die Richtigkeit der von ihr bekämpften Tat-
454
Vgl. dazu schon oben S. 144 ff. herrschaftslehre".
680 681

bb) Schumann strittene - These, daß mittelbare Täterschaft nicht schon bei der Ausnutzung
eines Tatbestandsirrtums, sondern erst dann vorliegen könne, wenn der Hin-
Schumanns Buch 461 knüpft an die Lehre von der objektiven Zurechnung und termann in die Willensbildung des unmittelbar Handelnden eingegriffen und
an die haftungsbegrenzende Wirkung des Prinzips der Selbstverantwortung auf sie einen beherrschenden, lenkenden Einfluß ausgeübt habe. 466 In dem
an, wie sie sich besonders bei der Fahrlässigkeit zeigt. Er kommt dabei zu bekannten Beispiel, daß die Mutter, die ihrem Kind eine Medizin geben will,
erheblich weiterführenden Einsichten und überträgt das Prinzip dann auf die sich versieht und irrtümlich ein tödliches Gift ergreift, während ein Hinter-
Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung: Im Fall der „Selbst- mann, der die Verwechselung bemerkt hat, ihr ein Glas Wasser reicht, um das
verantwortung" des Vordermanns soll nur Anstiftung, bei fehlender Selbst- Kind so rasch wie möglich zu Tode zu bringen (vgl. oben S. 175), lehnt Schu-
verantwortung mittelbare Täterschaft vorliegen. Schon die Übertragbarkeit mann daher eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes ab. 467 Nun sollte
dieses Prinzips auf Täterschaft und Teilnahme ist aber äußerst problematisch, man meinen, daß es hier gerade an der Selbstverantwortung der ahnungslosen
weil die Teilnahme ein Bereich ist, in dem die Selbstverantwortung des Täters Mutter fehlt, so daß unter diesem Gesichtspunkt eine mittelbare Täterschaft
mit Sicherheit die Strafbarkeit des Außenstehenden nicht ausschließt. Mit zu bejahen wäre. Schumann aber vertritt die Ansicht, eine mittelbare Täter-
Recht sagt Frisch: 462 „Die Diskussion der Kriterien der mittelbaren Täter- schaft komme nur in Betracht, „wenn man entgegen der hier vertretenen Auf-
schaft ... scheint mir eher etwas vom Ziel wegzuführen - denn für die Frage, fassung davon absieht, daß auch das Handeln des irrenden Vordermannes das
inwieweit das Prinzip der Selbstverantwortung anderer der Statuierung von eines verantwortungsfähigen Menschen ist, und es statt dessen ... bloßer
Verhaltensnormen Grenzen setzt ..., kommt es doch nur auf die Verbietbar- Naturkausalität gleichsetzt" 468.
keit, nicht darauf an, im Rahmen welcher Bestrafungsfigur die Verhaltens- Hier soll also sogar der fehlende Vorsatz die Selbstverantwortung nicht
normverletzung bestraft werden kann." ausschließen, während der Verbotsirrtum dies tun soll. Ein so schwankendes
Abgesehen davon führt der Ansatz zu einer Ablehnung des „Täters hinter Operieren mit dem Begriff der Selbstverantwortung scheint mir zu zeigen,
dem Täter", wie man diese eigentlich schon von Meyers - insoweit ähnlichem daß dieses Prinzip zwar bei Bestimmung der Tatherrschaft des mittelbaren
- Autonomieprinzip hätte erwarten sollen. Aber auch Schumann hält seinen Täters ein in manchen Zusammenhängen (bei der Nötigung und der Schuld-
Gedanken nicht durch, wenn er die Willensherrschaft kraft organisatorischer unfähigkeit) relevanter Faktor ist, zur Abgrenzung von mittelbarer Täter-
Machtapparate (oben S. 242ff.) anerkennt 463 und damit eine mittelbare Täter- schaft und Anstiftung aber keineswegs ausreicht.
schaft trotz unbezweifelbarer Selbstverantwortung der ausführenden Scher-
gen bejaht. Inkonsequent ist es auch, wenn er bei vermeidbarem Verbotsirr-
tum des unmittelbar Handelnden mittelbare Täterschaft bejaht.464 Denn sein cc) Renzikowski
Hinweis darauf, daß es einen „qualitativen Unterschied" mache, ob jemand
bewußt oder unbewußt gegen das Recht verstoße, ändert nichts daran, daß Die strikteste Verbindung des Tatherrschaftsprinzips mit dem Autonomie-
der Gesetzgeber den in vermeidbarem Verbotsirrtum Handelnden für sein gedanken findet sich bei Renzikowski, der folgerichtig zu einer weitgehenden
Tun selbst verantwortlich macht. Im Ergebnis allerdings stimme ich Schu- Ablehnung des Täters hinter dem Täter kommt. 469 Aber auch er kann den
mann weitgehend zu (vgl. unten S. 697 ff.). Aber das beweist nur, daß die Schwierigkeiten und Widersprüchen nicht entgehen, die dem Autonomie-
Selbstverantwortung des anderen nicht notwendig eine mittelbare Täterschaft prinzip inhärent sind. So hält er 470 beim Verbotsirrtum des Ausführenden -
ausschließt. auch beim vermeidbaren - eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes für
Auch sonst muß Schumann - ähnlich wie Meyer beim Begriff der Autono- möglich; denn wer „sein Verhalten nicht richtig anhand von Normen bewer-
mie - das Prinzip der Selbstverantwortung in recht schwankender Weise deh- ten kann, handelt nicht autonom". Hier zeigt sich das Dilemma schon in der
nen und deuten, um mit seiner Hilfe die gewünschten Ergebnisse erzielen zu
können. 465 So vertritt er mit Nachdruck die - in diesem Buch (S. 173 ff.) be-
thematisiert und ausgearbeitet." Eine eingehende Kritik an Schumann auch bei Stein, Betei-
ligungsformenlehre, 1988, 162 ff, mit dem Fazit, daß sich „die'Lehre Schumanns nicht als
geeignet erweist, das geltende Recht zu erklären" (165).
461
„Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Ande- Selbstverantwortung, 1986, 75 ff. (75).
ren", Tübinger Habilitationsschrift, 1986. Da eine Anstiftung mangels Vorsatz ausscheidet, will Schumann den Hintermann nach
462
In seiner Rezension des Buches von Schumann in JZ 1988, 655; vgl. ferner die Rezension § 323 c StGB bestrafen (102 f.). Das halte ich nicht für richtig; denn nicht bloß ein Unter-
von Meurer, N J W 1987, 2424f., der sich nicht gegen die Ablehnung des Täters hinter dem lassen der Aufklärung, sondern vor allem sein unmittelbar zum Tode führendes positives
Täter wendet, aber betont, daß dies jedenfalls mit dem „Prinzip der Selbstverantwortung Tun ist dem Hintermann vorzuwerfen.
der Anderen" nicht hinreichend begründet werden könne. Kritisch zu Schumann auch Selbstverantwortung, 1986, 101.
Kutzner, Rechtsfigur, 2004, 72 ff. Vgl. auch die kritische Auseinandersetzung mit Renzikowski bei Kutzner, Rechtsfigur,
463
Selbstverantwortung, 1986, 75 f. 2004, 77ff., der selbst die Möglichkeit eines Täters hinter dem volldeliktisch handelnden
464 Täter gänzlich ablehnt.
Selbstverantwortung, 1986, 78 f.
465 Restriktiver Täterbegriff, 1997, 81.
Vgl. auch Frisch, JZ 1988, 655: „Der zentrale Begriff der Verantwortlichkeit wird zu wenig
682 683
Formulierung. Denn der im vermeidbaren Verbotsirrtum Handelnde könnte Die Vagheit, die dem Autonomiegedanken auch bei Renzikowski noch
ja sein Verhalten richtig bewerten und wird gerade deswegen als „autonomer" anhaftet, zeigt sich ebenso bei seinen Ausführungen zur verminderten
Vorsatztäter bestraft; er tut es nur irrtümlich nicht. Das Autonomieprinzip Zurechnungsfähigkeit (§21 StGB) des unmittelbar Ausführenden. Er beruft
müßte also bei konsequenter Durchführung zur Ablehnung der mittelbaren sich hier auf die „überlegene Stellung des Hintermanns" und meint: 474 „Vor
Täterschaft führen. Andererseits lehnt Renzikowski 471 eine mittelbare Täter- diesem Hintergrund leuchtet es nicht ein, weshalb ... eine lediglich be-
schaft „bei einem Irrtum über quantifizierbare Unrechtsmaße" ab. In dem schränkte Verantwortlichkeit nicht mittelbare Täterschaft soll begründen
bekannten Schulbeispiel,472 daß A den B überredet, das wertlose „Geschmiere" können." In Wirklichkeit versagt der Autonomiegedanke vor der verminder-
des C zu verbrennen, soll also nur eine Anstiftung vorliegen, auch wenn B ten Zurechnungsfähigkeit, weil die Autonomie des in diesem Zustand Han-
den Millionenwert des vernichteten Kunstwerks nicht kannte und einen delnden weder fehlt noch in vollem Umfang vorhanden ist, sich aus dem
wertlosen Gegenstand zu zerstören glaubte. Hinsichtlich des Ausmaßes der Autonomieprinzip aber nicht ableiten läßt, welche Folgen es für die Abgren-
Rechtsgüterverletzung fehlt es aber dem Mittelsmann an jeglicher Autono- zung von Täterschaft und Teilnahme beim Hintermann hat, daß der Aus-
mie: „Wer nicht weiß, was er tut, ... handelt nicht autonom", sagt auch Ren- führende im Zustande verminderter Autonomie handelt. Entgegen Renzi-
zikowski 473 und könnte so zur mittelbaren Täterschaft kommen. Statt dessen kowski müßte die Ablehnung einer mittelbaren Täterschaft von seinem
bejaht er eine Autonomie des Getäuschten allein auf Grund des Umstandes, Ansatz aus näherliegen, weil auch eine reduzierte Autonomie noch Autono-
daß er sich bewußt war, eine - für bagatellarisch gehaltene - Sachbeschädi- mie ist, die mittelbare Täterschaft also sperren müßte, wenn es dafür wirklich
gung zu begehen. Wenn aber hier die vorsätzliche Tatbestandsverwirklichung allein auf die fehlende Autonomie des unmittelbar Handelnden ankäme.
bei noch so großem Irrtum über das materielle Unrecht seines Tuns für ein Die Tatherrschaftslehre kann demgegenüber eine ganz präzise, geradezu
autonomes Handeln des Mittlers und damit für die Ablehnung einer mittel- zwingende Lösung anbieten, die Renzikowski auch zitiert: 475 „Eingeschränkte
baren Täterschaft ausreichen soll, warum soll dann nicht für die Herbei- Unrechtseinsicht soll zur Tatherrschaft des Hintermannes führen, beschränk-
führung eines vermeidbaren Verbotsirrtums beim unmittelbar Handelnden tes Hemmungsvermögen dagegen nicht." In der Tat: Bei fehlender Unrechts-
dasselbe gelten, da auch dieser den Tatbestand vorsätzlich verwirklicht? einsicht mangelt dem vermindert Zurechnungsfähigen das Hemmungsvermö-
Wie schon bei Meyer und Schumann zeigt sich auch hier eine Beliebigkeit gen in demselben Maße wie einem aus sonstigen Gründen im Verbotsirrtum
in der Verwendung des Autonomiebegriffs, die ihn an Leistungsfähigkeit hin- Handel nden. Hat der zur Tat Veranlaßte dagegen die volle Unrechtseinsicht
ter dem Kriterium der Tatherrschaft zurückstehen läßt. Sein Mangel liegt und ist nur die Fähigkeit vermindert, nach dieser Einsicht zu handeln, so liegt
darin, daß es neben den Fällen uneingeschränkter und völlig ausgeschlossener nur eine Anstiftung vor, weil der Ausführende das einer Tatherrschaft des
Autonomie des unmittelbar Handelnden ein breites Spektrum teilweiser Hintermannes entgegenstehende Hemmungsvermögen - trotz erschwerter
(größerer oder geringerer) Autonomie gibt, das über die mögliche mittelbare Ausübung - immer noch hat.
Täterschaft eines Hintermannes nichts Deutliches aussagt. Mit Hilfe des Kri- Liefert das Autonomieprinzip schon in diesem Bereich anders als die Tat-
teriums der Tatherrschaft kommt man hier zu wesentlich klareren Ergebnis- herrschaftslehre keine klaren Ergebnisse, so versagt es gänzlich bei der Orga-
sen: Wenn der Hintermann dem Ausführenden die Sozialschädlichkeit und nisationsherrschaft. 476 Der an den Schalthebeln der Macht sitzende Schreib-
damit das Verbotensein seines Tuns verschleiert, so nimmt er ihm - Autono- tischtäter ist mittelbarer Täter, obwohl auch die Ausführenden, seien es
mie hin, Autonomie her - jegliches Hemmungsmotiv und erlangt dadurch NS-Schergen oder die „Mauerschützen des DDR-Regimes", als verantwort-
die Tatherrschaft (wie beim Tatbestandsirrtum oder bei einer Nötigung des lich handelnde unmittelbare Täter bestraft werden. Mit dem Autonomieprin-
„Werkzeugs", wo das Hemmungsmotiv auf andere Weise ausgeschaltet wird). zip läßt sich das nicht erklären, und so kommt denn auch Renzikowski -
Und wer durch Täuschung bei einem anderen die Vorstellung hervorruft, insoweit konsequenter als Meyer und Schumann - zur Ablehnung der mittel-
einen Sachschaden in Höhe von 300 Euro anzurichten, hat, wenn das Gemälde baren Täterschaft und bestraft die Machthaber im Hintergrund nur als
300000 Euro wert ist, über eine Sachbeschädigung in Höhe von 299700 Euro Anstifter.477 Das ist aber kein befriedigendes Ergebnis, weil es die Hauptver-
die* alleinige Tatherrschaft. Er ist damit mittelbarer Täter, denn die marginale antwortlichen aus dem Zentrum des Geschehens herausrückt und von der
„Restherrschaft" über ein Tausendstel des angerichteten materiellen Unrechts, Täterschaft entlastet. Sie haben die Tatherrschaft, weil ihnen beliebig viele
die beim unmittelbar Ausführenden verbleibt, kann die weitaus größere Tat- Handlanger zu Gebote stehen, so daß sie, um mit dem B G H (oben Nr. 38,
herrschaft des Hintermannes nicht aus der Welt schaffen. S. 610 ff.) zu sprechen, „regelhafte Abläufe" auslösen und das Geschehen

Restriktiver Täterbegriff, 1997, 87.


Restriktiver Täterbegriff, 1997, 86.
471
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 82, Vgl. dazu im Hinblick auf die Rspr. näher oben S. 602 ff., 610 ff., im Hinblick auf die Lii
472
Vgl. dazu unten S. 703 f. ratur unten S. 704 ff.
473
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 81 Restriktiver Täterbegriff, 1997, 87ff.
684 685

durch Einsatz des ihnen zu Gebote stehenden Apparates unbeschadet der 480
gedankens zu demselben Ergebnis kommen. Der Hemmschwellen-Ge-
Autonomie des zufällig Ausführenden beherrschend steuern. Der bei der danke erklärt also eine Reihe von Fällen der Willensherrschaft, ist aber als
Ausführung Tätige kann wegen seiner beliebigen Austauschbarkeit anders als gegenüber der Tatherrschaft selbständiges Prinzip zur Erklärung der mittel-
jeder sonstige als Täter Vorgesehene der Tatbestandsverwirklichung nicht baren Täterschaft nicht tauglich.
hindernd in den Weg treten. Die dadurch ermöglichte Herrschaft des Hinter- Im Anschluß an diese grundsätzlichen Bemerkungen zu den neueren Ent-
mannes über das Geschehen begründet seine mittelbare Täterschaft - ein wicklungen der Lehre von der mittelbaren Täterschaft sollen im folgenden
sachgerechtes Ergebnis, das mit dem Autonomieprinzip nicht zu erzielen ist. die einzelnen Erscheinungsformen der Willensherrschaft nach dem jüngsten
Letztlich krankt das Autonomieprinzip an einer falschen Blickrichtung. Es Stand der Diskussion näher behandelt werden.
kommt bei der mittelbaren Täterschaft nicht entscheidend auf die äußere oder
innere Verfassung des Mittelsmannes, sondern auf die Macht des Hinterman-
nes über die Tatbestandsverwirklichung an. Diese kann bei einzelnen, genau 2. Die Nötigungsherrschaft
angebbaren Fallkonstellationen trotz einer verantwortlichen Vorsatztat
(„Autonomie") des Tatmittlers gegeben sein. a) Der Nötigungsnotstand und das Verantwortungsprinzip

Die Nötigungssituationen gehören seit eh und je zu den unumstrittenen Fäl-


d) Der Hemmschwellen-Gedanke bei Heinrich len mittelbarer Täterschaft.481 Zweifelhaft kann nur sein, wie stark der Nöti-
gungsdruck sein muß, damit man von einer Tatherrschaft des Hintermannes
Heinrich 478 vertritt also mit gutem Grund „die Irrelevanz des sog. .Autono- sprechen kann. In dieser Frage kann heute als durchaus herrschend das
mieprinzips'". Statt dessen propagiert er den „Hemmschwellen"-Gedanken oben 482 entwickelte „Verantwortungsprinzip" angesehen werden, das dem
zur Begründung der mittelbaren Täterschaft. Diese ergebe sich daraus, daß Hintermann erst dann die Willensherrschaft zuschreibt, wenn ein Fall des
„der Hintermann durch Herbeiführung oder Ausnutzung einer Absenkung § 35 StGB vorliegt, wenn also der Gesetzgeber den unmittelbar Handelnden
der vom jeweiligen Normappell vor dem Vordermann errichteten Hemm- wegen des vom Hintermann ausgeübten Zwanges von der Verantwortung für
schwelle das damit bei diesem bestehende Entscheidungsdefizit instrumenta- sein Tun entlastet.483
lisiert, so daß seine eigene tatbestandsgerichtete Entscheidung - da defizitfrei Freilich hat Maurach 484 an seiner schon früher vertretenen Auffassung fest-
- höherrangig ist" 479 . Auf diese Weise läßt sich die mittelbare Täterschaft gehalten, wonach eine Tatherrschaft des Hintermannes auch dann vorliegen
beim vermeidbaren Verbotsirrtum, bei der Täuschung über die Unrechtshöhe kann, wenn der unmittelbar Ausführende volldeliktisch handelt, weil der auf
und in anderen Fällen eingeschränkter Autonomie beim unmittelbar Han- ihn ausgeübte Druck das für eine Entschuldigung nach § 35 StGB erforder-
delnden mühelos begründen und im Ergebnis auch mit der Tatherrschafts-
lehre Übereinstimmung erzielen.
!0
Vgl. Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002, 247ff.
Der Hemmschwellen-Gedanke versagt aber z. B. bei der mittelbaren Täter- 1
Zu den abweichenden Meinungen, die neuerdings Köhler und Klesczewski vertreten (nur
schaft kraft organisatorischer Machtapparate und beim manipulierten error Anstiftung!), vgl. die Auseinandersetzung oben S. 662 ff. Zur Lehre von Schild, der in den
in persona, wo der Ausführende voll verantwortlich ist und der Hinter- Fällen eines aus §§ 35, 33, 19, 20 StGB, 3 J G G resultierenden Defizits beim Vordermann
mann nach der hier vertretenen Auffassung trotzdem die Tatherrschaft hat. wegen des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät keine mittelbare Täterschaft anneh-
men zu dürfen glaubt, vgl. schon oben S. 669 f.
Heinrich versucht zwar auch in solchen Fällen eine herabgesetzte Hemm- 2
S. 144-148 und passim.
schwelle zu begründen; aber das überzeugt nur hinsichtlich eines Teilaspektes 3
Die meisten Vertreter des Verantwortungsprinzips beschränken es mit der in diesem Buch
der Organisationsherrschaft, wie in den jeweiligen Zusammenhängen noch vertretenen Auffassung auf die Fälle einer nach §§ 17, 19, 20, 33, 33 StGB, 3 J G G ausge-
darzulegen sein wird. Andererseits kann in Fällen einer beim „Vordermann" schlossenen Verantwortlichkeit des Tatmittlers, unterwerfen die Irrtumsfälle also anders-
artigen, nicht mehr dem Verantwortungsprinzip folgenden Regeln („eingeschränkte Ver-
herabgesetzten Hemmschwelle - wenn er z. B. unter dem Druck einer Nöti- antwortungstheorie" im Gegensatz zur „strengen Verantwortungstheorie", die auch die
gung handelt, die aber nicht i. S. d. § 35 verantwortungsausschließend wirkt - Irrtumsherrschaft als Erscheinungsform des „Täters hinter dem Täter" ablehnt; die Cha-
sehr wohl nur Anstiftung vorliegen. Für die Tatherrschaftslehre, die in Nöti- rakterisierung als „eingeschränkt" und „streng" stammt von Hillenkamp, Probleme A T " ,
gungsfällen die Herrschaftsbereiche mit Hilfe des Verantwortungsprinzips 2003, 145, 147). Hier werden zunächst ohne Anspruch auf Vollständigkeit Vertreter beider
Verantwortungstheorien angeführt: Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 345 ff.; Sch/Sch/Cra-
trennt, ist das leicht zu begründen. Nur durch eine Anleihe bei ihr kann man mer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 33, 35; Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002, 247; Herzberg,
mit Hilfe des im Ansatz rein psychologisch konzipierten Hemmschwellen- Täterschaft und Teilnahme, 1977, 12 ff.; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 42 ff.; Jäger, AT, 2003,
§ 6, Rn. 241; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/91 ff.; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 52; Krey, AT/2 2 ,
2005, Rn. 104; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 63, Fn. 97; Küper, J Z 1989, 948 (mit Einschrän-
kungen); Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25, Rn. 2; O t t o , Grundkurs, AT 7 , 2004, § 21, Rn. 71 f.;
478
Rechtsgutszugriff, 2002, 232. Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 49, 52.
479
Rechtsgutszugriff, 2002, 354. ' AT 4 ,1971,632.
686 687

liehe Maß nicht erreicht. Dem folgen seine Schüler Schroeder 485 und Gös- anderen Situationen der Schaffung oder Ausnützung einer Notstandslage
sel486. Ebenso meint Schild,487 daß „auch z.B. schwerwiegende Bedrohung oder der Einwirkung auf sie ergibt sich unter Anhängern und Gegnern des
des Vermögens, der Ehre, des Hausrechts usw. ausreichenden Druck erzeu- Verantwortungsprinzips ein sehr gemischtes Bild. In diesem Buch wird die
gen könnten, wenn sie der Hintermann gezielt und erfolgreich zur Lenkung Meinung vertreten (S. 149-153), daß der Hintermann die Tatherrschaft hat
des Genötigten einsetzt". Bockelmann 488 will sogar neben „Druck oder Täu- und mittelbarer Täter ist, wenn er eine Notstandssituation schafft, damit der
schung" auch „schlichtere Formen der Tatherrschaft" eines Hintermannes in Not Geratene eine nach §35 entschuldigte Tat begehe und wenn er bei
anerkennen. „Genügend ist schon, daß der Mittler sich der Weisung des Hin- einer ohne sein Zutun entstandenen Notstandslage die Situation zugunsten
termannes tatsächlich fügt, gleichviel aus welchem Grunde, vorausgesetzt nur, des Notstandstäters umgestaltet. Der erste Fall liegt etwa vor, wenn A einen
daß die maßgebliche Entscheidung über das Ob der Ausführung bei diesem Brand entfacht, aus dem sich B, wie A dies geplant hatte, nur durch Tötung
liegt. Wo es so steht, hat der Hintermann den Vordermann in der Hand." des C retten kann; der zweite, wenn A dem schiffbrüchigen B durch Hinrei-
Herzberg 489 wollte zeitweilig unter Aufgabe des von ihm früher vertretenen chen einer Pistole die Möglichkeit gibt, den C zu erschießen, um dadurch in
Verantwortungsprinzips ein „Werkzeugprinzip" einführen, wonach eine mit- den Besitz des Rettungsringes zu kommen, der nur eine Person tragen kann.
telbare Täterschaft z.B. auch dann vorliegen kann, wenn der unter Nöti- Dagegen liegt nur eine Anstiftung vor, wenn jemand einen in einer Notsitua-
gungsdruck stehende unmittelbare Täter infolge der Ausnahmeklausel des tion Befindlichen auffordert, sich auf Kosten eines anderen zu retten. Er hat
§ 35 Abs. 1 S. 2 StGB nicht exkulpiert wird. 490 Aber solche Auffassungen ver- nicht die Tatherrschaft, weil seine Einwirkung weder die Notstandssituation
wischen den Unterschied von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft, rücken noch eine bisher fehlende Rettungsmöglichkeit schafft. Anders liegt es hier
die Abgrenzung in das Belieben richterlicher Interpretation und übersehen, nur, wenn der Hintermann einen über die Willensbeeinflussung hinausgehen-
daß der Gesetzgeber ja festgelegt hat, wie lange die „maßgebliche Ent- den Druck ausübt („ich rette Dich nur, wenn Du zuvor den X tötest"); das ist
schließung" (noch) beim Ausführenden liegt - so lange nämlich, wie er voll- dann schon wieder eine über die Beeinflussung hinausgehende Umgestaltung
deliktisch handelnd für sein Tun selbst zur Verantwortung gezogen wird.491 der Situation.
In der Literatur wird das alles sehr kontrovers diskutiert. Schumann 492 will
eine mittelbare Täterschaft nur beim Nötigungsnotstand bejahen. Es kann
b) Andere Einwirkungen auf den Notstandstäter aber keinen Unterschied machen, ob der Hintermann den Ausführenden
durch eine Drohung oder durch andere Mittel in eine dem § 35 unterfallende
Das Verantwortungsprinzip bei der Nötigung gilt unter seinen Befürwortern Situation bringt; der verantwortungsausschließende Nötigungsdruck ist in
unumstritten, soweit der Hintermann den Ausführenden mit den Mitteln des beiden Fällen derselbe. Joecks 493 will wenigstens die von mir unter dem
§ 35 zu seiner Tat nötigt, also in den Fällen des Nötigungsnotstandes. In Gesichtspunkt der Umgestaltung der Situation erörterten Sachverhalte nicht
als Fälle mittelbarer Täterschaft, sondern als Anstiftung beurteilen: „Wer
485
lediglich eine Situation ausnutzt, die er nicht selbst herbeigeführt hat, ist kein
Der Täter hinter dem Täter, 1965, 120ff. (kritische Auseinandersetzung damit bei Roxin,
ZStW 78 (1966), S.222ff., 230ff.). Eine „gewisse Annäherung" an Schroeder findet sich bei
mittelbarer Täter." Das Argument, daß ohne den Tatbeitrag des Hinterman-
Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 298; Ablehnung findet Schroeder bei Hünerfeld, nes die Tat nicht begangen werden müßte oder könnte, will er nicht gelten
ZStW99(1987),243f. lassen. „Auch ohne den Anstifter würde die Haupttat nicht begangen."
486
Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 48/86. Damit wird aber verkannt, daß der Anstifter nur einen Willenseinfluß ausübt,
487
Täterschaft, 1994, 16. während in den hier zur mittelbaren Täterschaft gerechneten Fällen die Not-
488
AT 3 , 1979, 182; aufgegeben bei Bockelmann/Volk, AT 4 , 1987, 183.
489
Jura 1990, 16ff. (22ff.). Herzberg, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, 2000, situation zwar schon vor dem Eingreifen des Hintermannes bestand, die
33 ff., 55 ff., kehrt zum Verantwortungsprinzip zurück. Möglichkeit, sich auf Kosten eines anderen zu retten, aber erst durch den
490
Ähnlich Randt, Mittelbare Täterschaft usw., 1997, der immer dann eine Tatherrschaft des Hintermann geschaffen wurde. In der Schaffung dieser Möglichkeit liegt der-
Hintermannes annehmen will, wenn dieser „eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder selbe psychische Druck wie in der Herstellung der Notstandslage als sol-
Freiheit für den Tatmittler oder dessen Angehörigen schafft. Die Schaffung dieser Situation
begründet die Tatherrschaft unabhängig von dem Umstand, ob auch die weiteren Voraus- cher.494
setzungen des § 35 StGB vorliegen oder die Rechtsfolge der Entschuldigung eintritt"
(a.a.O., 114). Entsprechendes soll für gerechtfertigte „Werkzeuge" gelten: „Eine Beherr-
schung des Mittlers liegt auch hier nur dann vor, wenn die Beeinflussung die Intensität der
in § 35 I S. 1 StGB beschriebenen Notstandslage aufweist." Selbstverantwortung, 1986, 81 ff.
491
Eine Aufweichung des Verantwortungsprinzips in den Nötigungsfällen wird denn auch MK, 2003, § 25, Rn. 55; ähnlich Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, w o eine mittelbare Täter-
von der ganz h. M. abgelehnt; vgl. nur Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 35 m.w.N.; schaft wenigstens in dem Fall für diskutabel erklärt wird, daß A die Rettung des B von
Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 56; Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002, 247ff. Außerdem müßte einer vorherigen Tötung des C durch B abhängig macht (Joecks lehnt gerade auch hier eine
die Auffassung Bockelmanns außerdem auf eine globale Anerkennung des „Täters hinter mittelbare Täterschaft ab).
dem Täter" hinauslaufen, die seiner sonst bekundeten Zurückhaltung gegenüber dieser Wie hier Jakobs, AT 2 , 1991, 21/70: „Der Defekt ist zwar an sich eigene Angelegenheit des
Rechtsfigur (oben S. 674 bei Anm. 433) durchaus widerspräche. Ausführenden, aber der Hintermann organisiert die Verbindung von Defekt und Tat."
688 689

Heinrich 495 stimmt mit den vorstehend vertretenen Lösungen - weitgehend nung versagt die Analogie zu den Fällen des §35 StGB, „weil im Fall der
auch in der Begründung - überein, geht aber in der Annahme mittelbarer Selbstschädigung die Appellwirkung des rechtlichen Verbotes entfällt"; es
Täterschaft noch viel weiter. Er will auch eine bloße Aufforderung („jetzt stoß fehle „ein hemmendes Gegenmotiv", das in der Furcht vor Strafe gesehen
ihn schon runter, anders kommst du hier nie raus!") oder eine Rechtsauskunft wird. Statt dessen will Herzberg in den Selbstmordfällen darauf abstellen, ob
(„wenn du ihn runterstößt, kannst du nicht bestraft werden") schon für eine bei einer Fremdtötung die Voraussetzungen des §216 StGB vorliegen wür-
mittelbare Täterschaft genügen lassen.496 Hier werde „das vorgegebene Ent- den, während es in anderen Fällen (etwa bei der Veranlassung zu Selbstverlet-
scheidungsdefizit des Vordermannes instrumentalisiert" und „die Hemm- zungen oder zur Schädigung des eigenen Vermögens) darauf ankommen soll,
schwellenüberschreitung durch den Vordermann" initiiert. Dabei wird aber ob unter der Voraussetzung einer Fremdschädigung eine Einwilligung recht-
nicht beachtet, daß der bestehenden Notsituation nur anstiftungs- und keine fertigende Kraft gehabt hätte. In dem von ihm gebildeten Beispiel, daß eine
herrschaftsbegründenden Fakten hinzugefügt werden. Hier zeigt sich eine Frau eine andere durch die Drohung mit der Offenbarung eines Seitensprun-
Schwäche des Hemmschwellengedankens: Auch eine Anstiftung setzt die ges veranlaßt, sich selbst die Haare abzuschneiden und ihre Perücken zu ver-
Hemmschwelle beim Ausführenden herab oder nutzt bei versuchungsanfälli- brennen, will Herzberg also die Veranlasserin wegen Körperverletzung und
gen Personen deren schon bestehende Herabsetzung aus. Von Tatherrschaft Sachbeschädigung bestrafen.
beim Hintermann kann man aber erst sprechen, wenn dieser eine Situation Diese Konzeption verdient Beachtung, scheint mir aber doch letzten Endes
schafft, die der dem § 35 entsprechenden Notlage auch einen daraus erwach- gegenüber der hier vertretenen Meinung nicht durchzuschlagen. Gewiß fehlt
senden Druck zur Tatbegehung hinzufügt. Die bloße Mitteilung der Rechts- bei der Selbstschädigung das Gegenmotiv der Furcht vor Strafe; da aber der
lage wird man darüber hinaus sogar als straflos ansehen müssen.497 Mensch immer noch lieber andere als sich selbst schädigt, hat die Furcht vor
der Beeinträchtigung eigener Interessen eine hemmende Wirkung von minde-
stens gleicher Stärke, so daß es gerechtfertigt erscheint, den Rechtsgedanken
c) Die Nötigung zur Selbstverletzung und Selbstschädigung des §35 StGB heranzuziehen. Die Gleichsetzung der Selbstbeschädigung hin-
gegen mit einer unter dem Druck von Drohungen geduldeten Fremdschädi-
Das Verantwortungsprinzip ist in der vorliegenden Darstellung 498 auf den gung, wie Herzberg sie vornimmt, ist wesentlich problematischer. Denn der
Nötigungsnotstand zur Selbstverletzung (bzw. Selbstschädigung) in dem sich selbst Schädigende ist bis zuletzt Herr der Situation und hat die Ent-
Sinne übertragen worden, daß mittelbare Täterschaft nur dann vorliegt, wenn scheidung über das, was geschieht, in der Hand, während derjenige, dem eine
der sich Schädigende in einer dem §35 StGB entsprechenden Zwangslage Einwilligung abgenötigt wurde, meist keinen Einfluß mehr auf das weitere
handelt. Wer einen anderen durch die Drohung mit der Anzeige eines Delik- Geschehen hat und deshalb stärkeren Schutz verdient. 502 Auf die Begriffe der
tes zum Selbstmord veranlaßt, begeht danach zwar eine Nötigung, aber kei- Teilnahmelehre gebracht, heißt das: Der sich selbst Schädigende hat die Tat-
nen Totschlag, weil die Anzeigedrohung auch bei einer unter ihrem Druck herrschaft, der in eine Fremdschädigung nur widerwillig Einwilligende aber
begangenen Tatbestandsverwirklichung die Verantwortung des Handelnden hat sie bei der Schadenszufügung nicht mehr, und deshalb ist die abweichende
für sein Tun bestehen läßt. Das entspricht einer inzwischen weit verbreiteten Behandlung unter dem Gesichtspunkt der hier in Rede stehenden Abgren-
Ansicht. 499 Doch hat vor allem Herzberg 500 eine originelle Gegenthese ent- zung durchaus richtig. Ferner ist zu bedenken, daß ein unter Drohungen
wickelt, die inzwischen beinahe zur h. M. geworden ist.501 Nach seiner Mei- zustande gekommener Vertrag immerhin zivilrechtlich wirksam ist,503 solange

495
Rechtsgutszugriff, 2002, 249ff.
496
Rechtsgutszugriff, 2002, 260. gungsregeln „immerhin möglich"); Lackner/Kühl 2 5 , 2004, vor § 211, Rn. 13a; Maurach/
4,7
Näher Roxin, AT/1 4 , 2006, § 22, Rn. 67. Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 48/93; O t t o , Grundkurs, AT 7 , 2004, § 21, Rn. 100ff.; ders., Jura
498
O b e n S. 161 ff. 1987, 256f.; Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 48, hält die „Einwilligungslösung" für „zwin-
499
Eingehende Begründung und Auseinandersetzung bei Roxin, Die Mitwirkung beim Suizid gend"; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 539. Köhler, AT, 1997, 525, bevorzugt eben-
- ein Tötungsdelikt?, Dreher-Festschrift, 1977, 331 ff. Im wesentlichen wie hier Bottke, Sui- falls die Einwilligungsregeln, nimmt aber Anstiftung an. Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002,
zid und Strafrecht, 1982, 247ff.; ders., G A 1983, 30ff.; Charalambakis, G A 1986, 498"ff.; 341 ff., will auf den Maßstab des § 240 zurückgreifen, mittelbare Täterschaft also bei einer
Hirsch, JR 1979, 432; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 60; Jäger, AT, 2003, § 6, Rn. 247; Joecks, Nötigung zur Selbstschädigung annehmen. Das stimmt mit der Einwilligungslösung weit-
MK, 2003, § 25, Rn. 67; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 70ff. Für das Verant- gehend überein (so auch Heinrich, 344), weil deren Vertreter bei einer Nötigung die
wortungsprinzip in Selbstschädigungsfällen auch B G H S t 32, 38 (= NStZ 1984, 70 m. Anm. Einwilligung durchweg für unwirksam halten. Zu welch untragbarer Ausdehnung der
Roxin, „Sirius-Fall"; vgl. oben Nr. 16, S. 585 ff.) Täterschaft das führt, zeigt der nachfolgende Text (etwa am Beispiel der abgenötigten Fri-
500 surveränderung).
JuS 1974, 378f. (im Anschluß an Geilen, JZ 1974, 151 f.); JA 1985, 336ff. und öfter; mit
einer gegen mich gerichteten Antikritik: Täterschaft und Teilnahme, 1977, 35 ff.; zum Zum Unterschied von Selbstgefährdung und einverständlicher Fremdgefährdung vgl. schon
Gefangenensuizid ZStW 91 (1979), 557 ff. Roxin, Gallas-Festschrift, 1973, 243ff., 249ff. (250); zuletzt Roxin, A T / 1 4 , 2006, § 11,
501
Vgl. etwa Amelung, Coimbra-Symposium, 1995, 247 ff.; Freund, AT, 1998, § 10, Rn. 97; Rn. 107 ff., 121 ff.
G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 74, Fn. 87; Kindhäuser, AT, 2005, § 39, Rn. 45; Krey, AT/2 2 , N u r bei Hinzutreten besonderer Umstände, (z. B. Ausnutzen einer Zwangslage) geht § 138
2005, § 28, Rn. 131-143; Kühl, AT 5 , 2005, Rn. 50f. (Orientierung an § 216 oder Einwilli- BGB (Nichtigkeit) dem § 123 BGB vor (Palandt/Heinrichs, 64 2005, § 138, Rn. 15).
690 691
er nicht angefochten wird (§ 123 BGB), was strafrechtlich kaum ganz ohne den auch bei den Selbstschädigungsfällen noch aus. Joecks 510 hat dieses Dik-
Auswirkungen bleiben kann. 504 Auch kriminalpolitisch leuchtet die von tum wörtlich übernommen, und auch Sch/Sch/Cramer/Heine 511 kritisieren,
Herzberg vorgenommene Strafausdehnung wenig ein.505 Soll denn wirklich daß die Gegenmeinung die Verantwortlichkeit „in zu weitem Umfang auf den
ein Ehemann, der seiner Frau androht, ihr untreu zu werden, falls sie nicht Hintermann" verlagere.
ihre nach seiner Meinung unmoderne Frisur durch Stutzung ihrer langen Neben den beiden geschilderten Hauptströmungen machen sich auch
Haare seinem Geschmack anpasse, wegen Körperverletzung bestraft werden, andere Stimmen geltend, die bei Selbstschädigungen vom Verantwortungs-
wenn die Frau um des Ehefriedens willen dem Wunsche ihres Mannes nach- prinzip abweichen, sich aber auch nicht an den vagen Kriterien des §216 und
kommt? der Einwilligungslehre orientieren wollen. So geht Stein 512 davon aus, daß
Bei Selbsttötungen schließlich müßte die Lehre Herzbergs praktisch darauf überall dort, wo keine durch Verhaltenspflichten gebundene Person als Täter
hinauslaufen, daß die Anstiftung zum Selbstmord weitgehend als Mord oder in Frage komme - und so liegt es bei der Selbstschädigung - , der Hintermann
Totschlag bestraft würde; denn wenn die Initiative von einem Außenstehen- mittelbarer Täter sei. Damit wird die Unbestimmtheit einer aus §216 und den
den ausgeht, wird man die „Ernstlichkeit" des unter fremdem Einfluß ge- Einwilligungsregeln abgeleiteten Grenzziehung vermieden, aber um den Preis
faßten Selbstmordentschlusses meist bestreiten können und jedenfalls die einer viel zu weiten Ausdehnung der mittelbaren Täterschaft. „Mittelbare
Grenzlinie zwischen Straflosigkeit und lebenslanger Strafe völliger Rechts- Täterschaft ist ... keine Ausfallhaftung für entgangene Inanspruchnahme des
unsicherheit ausliefern. Zwar kann man kriminalpolitisch durchaus darüber unmittelbaren Täters." 513 Sie kann nicht nur aus dem Fehlen der Täterschaft
streiten, wie die Beteiligung an Selbsttötungen behandelt werden sollte; 506 eines anderen, sondern muß aus sich selbst heraus begründet werden. Dazu
doch scheint mir nach geltendem Recht klar zu sein, daß der Gesetzgeber fehlt bei Stein jeder Ansatz: Die Mitwirkung an einer völlig freien Selbstschä-
eine (auch schon gemilderte) Strafbarkeit nur für den Grenzfall der Fremd- digung muß selbstverständlich straflos sein.
tötung nach §216 StGB eingeführt hat, so daß deren Übertragung auf andere Andere wollen eine Abwägung nach den Regeln des §34 vornehmen,
Mitwirkungsformen gegen das Analogieverbot verstieße. 507 Es muß also wohl wobei sich die mittelbare Täterschaft des Hintermannes nach den gleichen
bei den in diesem Buch entwickelten Lösungen 508 bleiben. Kriterien bemessen soll „wie eine dem Werkzeug abgenötigte Verletzung
Bemerkenswerterweise stößt die auf §216 bzw. die Einwilligungslehre eines Dritten" 514 . Es käme dann also darauf an, ob die Selbstschädigung sehr
zurückgreifende und damit das Verantwortungsprinzip bei Selbstschädigun- viel geringer wiegt als der angedrohte Schaden, wobei Sch/Sch/Cramer/Heine
gen aushebelnde Lehre in den letzten Jahren vermehrt auf Widerspruch, so auch schon „eine Gleichwertigkeit der beteiligten Güter für eine Verlagerung
daß sie den Zenith ihres Erfolges vielleicht schon überschritten hat. So sagt der Verantwortlichkeit ausreichen lassen" wollen. Wenn also A den B mit
Hoyer nach gründlicher Erörterung des Für und Wider,509 „überzeugende einer Sachbeschädigung für den Fall bedroht, daß dieser nicht selbst seine
Alternativen zu dem von Roxin entwickelten Verantwortungsprinzip" stün- Sache beschädigt, soll das eine mittelbare Täterschaft begründen, wenn B ent-
sprechend der Drohung handelt. Es ist aber nicht einzusehen, warum hier
504 nicht eine Bestrafung des A nach §240 genügen soll, da doch B für sein Tun
Auch nicht einmal auf die Wirksamkeit einer Einwilligung, deren Voraussetzungen strafge-
setzlich nicht geregelt und unter dem Blickwinkel des Zivilrechts auch bisher kaum durch- voll verantwortlich ist und A bei einer Verwirklichung seiner Drohung auch
dacht worden sind, so daß Herzbergs Lehre insoweit auf durchaus schwankendem Grunde noch nach § 303 strafbar wäre. Dem könnte man dadurch entgehen, daß man
505
baut. mit §34 ein wesentliches Überwiegen des geschützten Interesses verlangt.515
Auch Jakobs, AT 2 , 1991, 21/98, Anm. 177, nennt die Auffassung Herzbergs „uferlos aus- Aber vielfach entziehen sich die in Rede stehenden Interessen einer objek-
weitend".
506
Hier stehen in der Diskussion zur Zeit zwei Parteien schroff gegeneinander. Die eine ver- tiven Abwägung. In dem schon oben verwendeten Beispielsfall, in dem ein
langt unter dem Einfluß psychiatrischer Suizid-Forschungen eine weitgehende Pönalisie- Ehemann seine Frau mit Untreue bedroht, wenn sie sich nicht ihre langen
rung jeglicher Mitwirkung, wie sie in den meisten Staaten auch gesetzlich vorgesehen ist Haare abschneide, läßt sich die Frage, welches Übel das größere sei, gericht-
(vgl. Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person usw., 1969, 63 ff.), die andere fordert unter lich vernünftigerweise nicht beantworten. So bleiben die seltenen krassen
dem Einfluß der neueren Euthanasie-Diskussion sogar die ersatzlose Streichung des § 216
StGB. Für eine Pönalisierung der eigennützigen Beteiligung am Selbstmord Roxin, NStZ Fälle: Jemand wird mit der Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz be-
1984, 72. Zur Problematik des § 216 StGB vgl. zuletzt Jakobs, T ö t u n g auf Verlangen, 1998*.
507
Dies gilt auch gegenüber der neuerdings von Schmidhäuser (Welzel-Festschrift, 1974,
801 ff.) entwickelten These, derzufolge der Selbstmord nicht tatbestandslos, sondern nach
§ 212 StGB tatbestandsmäßig-rechtswidrig und lediglich entschuldigt sein soll, so daß der 5,0
MK, 2003, § 25, Rn. 67.
Anstifter ohne weiteres bestraft werden müßte. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit 511
2001, § 2 5 , Rn. 10.
Schmidhäuser liefert mein in Anm. 499 genannter Beitrag in der Dreher-Festschrift, 1977, 5,2
Beteiligungsformenlehre, 1988,240,285.
335 ff. Für eine mittelbare Täterschaft bei der Suizidveranlassung generell Schilling, JZ 513
Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 58; dieser Kritik stimmt auch Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 66,
1979, 159ff, 163; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/57, Anm. 119, nennt das „verfehlt", weil es „an zu.
einer unterlegenen Entscheidung des Opfers" fehle. 5,4
Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 10; auch M.-K. Meyer, Autonomie, 1984, 158ff.;
508
Vgl. oben S. 158 ff. und passim. Küper, JZ 1986,225.
509
SK 7 , 2000, § 2 5 , Rn. 60. 515
Wie M.-K. Meyer, Autonomie, 1984, 160, es tut.
692 693

droht, wenn er nicht seine den Nachbarn ärgernde Hecke beschneidet. Hier 3. Die Mitwirkung bei den Taten Schuldunfähiger, bei Kindern,
wird man, obwohl auch das strittig ist,516 wenn die Hecke eines Dritten Jugendlichen und vermindert Schuldfähigen
betroffen wäre, tatsächlich eine Rechtfertigung nach § 34 annehmen können.
Bei analoger Anwendung dieses Gedankens auf den Fall der Selbstschädigung a) Schuldunfähige, Kinder und Jugendliche
kommt man dann in der Tat zu einer mittelbaren Täterschaft (durch ein quasi
rechtmäßig handelndes Werkzeug). Damit wird aber der Maßstab des §35 Die Diskussion in diesem Bereich hat nicht alle oben im Text 518 behandelten
und mit ihm das Verantwortungsprinzip nicht ersetzt, sondern nur in einem Sachverhaltsvariationen aufgenommen, stimmt aber der großen Linie nach im
schmalen Randbereich durch einen anderen Fall mittelbarer Täterschaft Ergebnis (vor allem in der Heranziehung des Verantwortungsprinzips)
ergänzt. durchaus mit den hier vertretenen Auffassungen überein. 519 Abweichende
Eine noch wieder andere Lösung wählt Puppe. 517 Ihr zufolge handelt der Meinungen vertreten in der neueren Lehrbuchliteratur neben Köhler 520 und
sich selbst Verletzende nur dann „frei verantwortlich, wenn seine Entschei- Schild521, die beide Anstiftung annehmen, vor allem Jakobs und Bockelmann.
dung Ausdruck seiner Willkür ist. Handelt er dagegen im Sinne seiner eige- Jakobs 522 will bei ausgeschlossener Schuld des Werkzeugs nur denjenigen als
nen Rechtsgüterverwaltung vernünftig, indem er dem Druck des Nötigenden mittelbaren Täter ansehen, der die Bedingungen hierfür nicht nur kennt, son-
nachgibt, wählt er also aus seiner Perspektive vernünftigerweise das kleinere dern dafür auch vorrangig zuständig ist; so etwa bei Ausnutzung der elter-
Übel, so handelt er im Rechtssinne nicht mehr frei und ist für seine Selbst- lichen Autorität gegenüber einem Kind (§19 StGB) oder einem nach §3 J G G
schädigung von Rechts wegen nicht verantwortlich." Sie verdeutlicht das an nicht reifen Jugendlichen. Doch soll Teilnahme oder Mittäterschaft vorliegen,
der Entscheidung RGSt 26, 242, nach dessen Sachverhalt ein Fleischermeister wenn „das Kind entgegen der gesetzlichen Vermutung vorzeitig zur Norm-
seinem Lehrling befohlen hatte, ein nur unvollständig gereinigtes Stück Darm erkenntnis und -befolgung reif" ist. Dagegen will Bockelmann 523 in der Regel
zu essen. Der Lehrling bekam davon körperliche Beschwerden. Puppe will Anstiftung annehmen, und zwar auch bei Kindern oder dort, wo jemand
den Meister freisprechen, wenn er den Lehrling zum Verspeisen des Darm- einen „defektgeschädigten, schuldunfähigen" Paralytiker zur Tatausführung
stücks durch die Drohung gebracht hat, er werde ihn sonst als Feigling benutzt. „Denn einen immerhin noch zu Arbeiten, die eine bescheidene
betrachten; denn dann sei der Gehorsam des Lehrlings unvernünftig gewesen. Selbständigkeit erfordern, befähigten Kranken hat man nicht wie ein Werk-
Habe der Meister dagegen mit Entlassung gedroht, so sei das Verhalten des zeug in der Hand; die Entschließung zu der ihm angesonnenen Tat bleibt
Lehrlings das kleinere Übel und damit vernünftig gewesen. Es liege also eine seine eigene Entscheidung." Etwas anderes soll nur ausnahmsweise gelten,
mittelbare Täterschaft vor. z. B. wenn ein Kind „wie Wachs" in der Hand des Hintermannes war.
Gegen diese Lösung spricht zweierlei. Erstens ermöglichen Kriterien wie Solche Differenzierungen, die sich von der allein handhabbaren Leitlinie
„vernünftig" und „unvernünftig" keine halbwegs sichere Abgrenzung. War- der rechtlichen Verantwortlichkeit entfernen, sind jedoch abzulehnen, weil
um soll es aus der Perspektive des Lehrlings, auf die Puppe abstellen will, dabei „die Täterbestimmung ins Willkürliche abgleiten muß" 5 2 4 . Für das, was
„unvernünftig" sein, wenn er Bauchschmerzen in Kauf nimmt, um nicht die eine „eigene Entscheidung" ist, und zur Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem
Achtung seines Meisters, von der für ihn viel abhängt, zu verlieren? Und war- ein Kind „zur Normerkenntnis und -befolgung reif" ist, gibt es außerhalb des
um soll es nicht unvernünftig sein, sich aus Furcht vor Entlassung körperlich gesetzlichen Zurechnungsurteils kein Kriterium. Wollte man hier (aber nach
zu schädigen, wenn jeder Vernünftige einen derartigen Meister aus eigenem welchen Maßstäben?) differenzieren, so müßte man bei der Nötigung nach
Antrieb so schnell wie möglich verlassen würde? Die beiden Begriffe haben §35 StGB genauso verfahren, woran mit Recht noch niemand gedacht hat.525
also bei Nötigungen keine rechte Abgrenzungskraft. Und damit stehen wir
bei dem zweiten Gegengrund. Wer sich durch eine Drohung zu einer Selbst-
518
schädigung veranlassen läßt, wählt aus seiner Sicht immer das kleinere Übel, S. 233-242.
519
handelt also „vernünftig". Andernfalls würde er der Drohung nicht nach- Vgl. mit weiteren Literaturnachweisen Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 64 f.; Freund,
AT, 1998, § 10, Rn. 77f.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 29ff.; Hoyer, SK 7 ,
geben. Eine Freiheit des Bedrohten im Sinne Puppes kann es also im Grunde 2000, § 25, Rn. 51; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 52; Kühl; AT 5 , 2005, § 20, Rn. 66f.;
nicht geben. Damit hebt die Unterscheidung sich selber auf. Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 41.
520
Dazu oben S. 662 ff.
521
Dazu oben S. 669 f.
522
Jakobs, AT 2 , 1991, 21/96 im Anschluß an RGSt 61, 265 und Jescheck, AT 4 , 1988, 605; ähn-
lich Preisendanz, StGB 3 0 , 1978, § 25 III, 3, c.
523 AT 3 , 1979 ; 193, mit antikritischen Ausführungen zu meinen Darlegungen; ebenso Bockel-
mann/Volk, AT 4 , 1987, 194. Generell für Anstiftung Köhler, AT, 1997, 509 (näher dazu vgl.
oben S. 663 f.).
524
Herzberg, JuS 1974, 376. Im Ergebnis wie hier nunmehr auch Jescheck/Weigend, AT 5 ,
5.6
Vgl. Roxin, AT/1 4 , 2006, § 16, Rn. 67ff. 1996,668.
5.7 525
AT/2, 2005, § 40, Rn. 19. Bockelmann (vgl. oben S. 686 bei Anm. 488, 491) will dort sogar bei volldeliktischem
694 695

Ich halte also an meiner These fest, daß bei der Mitwirkung an den Taten von für die Fälle der §§35, 20 fast unbestritten ist. Man würde damit zur Möglich-
Geisteskranken, nicht verantwortlichen Kindern und Jugendlichen eine Teil- keit einer mittelbaren Täterschaft im Grenzbereich der Entschuldigungs-
nahme nur in Betracht kommt, wenn die Unterstützung einen vom Aus- gründe zurückkehren und könnte konsequenterweise nicht einmal bei §21
führenden schon vorher gefaßten Tatentschluß lediglich fördert oder die kon- stehenbleiben. Denn auch unterhalb der Schwelle zur erheblich verminderten
krete Ausgestaltung der selbständig beschlossenen Tat nur modifiziert.526 SteuerungsfäKigkeit gibt es mehr oder weniger große Steuerungsdefizite in
der Person des Ausführenden, die ein Hintermann ausnutzen kann. Eine
handhabbare Grenzziehung ist dann also überhaupt nicht mehr möglich.
b) Vermindert Schuldfähige Es in allen Fällen bei einer bloßen Anstiftung bewenden zu lassen, ist aber
auch nicht angängig. Denn wenn ein Ausführender in erheblich verminderter
Der Fall, daß jemand sich eines im Sinne des §21 StGB vermindert Schuld- Einsichtsfähigkeit handelt, entlastet ihn dies nur unter der Voraussetzung,
fähigen zur Begehung einer Straftat bedient, ist in diesem Buch (S. 237/238) daß er in concreto keine Unrechtseinsicht hatte. 532 Dann aber gelten die
erstmals behandelt und in differenzierender Weise gelöst worden: Wenn die Regeln, die bei einem Verbotsirrtum des unmittelbar Handelnden eingrei-
Herabsetzung der Schuldfähigkeit auf fehlender Unrechtseinsicht beruht, fen.533 Nimmt man mit dem BGH sowie der herrschenden und auch hier
wird mittelbare Täterschaft angenommen, wie dies auch beim „normalen" befürworteten Ansicht eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes an,
Verbotsirrtum des Ausführenden der Fall ist. Hat dagegen eine verminderte kann man die mangelnde Unrechtseinsicht in den Fällen des §21 nicht anders
Steuerungsfähigkeit den Zustand des §21 hervorgerufen, kann der Hinter- behandeln. Die hier vertretene differenzierende Lösung ist dann also zwin-
mann nur Anstifter sein, weil der Ausführende das Geschehen immerhin gend.
noch selbst beherrscht. Dieser Auffassung haben sich inzwischen verschie-
dene Autoren angeschlossen.527 Demgegenüber will eine zweite Meinungs-
gruppe 528 in allen Fällen verminderter Schuldfähigkeit des Ausführenden eine 4. Die Irrtumsherrschaft
mittelbare Täterschaft des Hintermannes annehmen, während eine dritte
Ansicht 529 in allen Fällen eine Anstiftung für gegeben hält. a) Das vorsatzlos handelnde Werkzeug
Für die Annahme, daß in allen Fällen eine mittelbare Täterschaft vorliegt,
wird vor allem geltend gemacht, daß fehlende Einsichts- und Steuerungs- Die Tatherrschaft dessen, der sich eines vorsatzlos handelnden Werkzeugs
fähigkeit schwer auseinanderzuhalten seien 530 und daß die Ausnutzung eines bedient, ist von alters her das gesichertste Beispiel mittelbarer Täterschaft.
Steuerungsdefizits beim Ausführenden auch im Falle nur verminderter Zweifelhaft war hier allein der Fall, daß ein Hintermann den Irrenden nur
Schuldfähigkeit eine Tatherrschaft des Hintermannes begründe. 531 Beide unterstützt oder den Kausalverlauf nur unwesentlich beeinflußt. Soweit das
Argumente schlagen aber nicht durch. Denn wenn die Unrechtseinsicht des Schrifttum sich mit dieser Frage befaßt, wird jetzt ganz überwiegend im Sinne
unmittelbaren Täters zweifelhaft bleibt, ist zugunsten des Hintermannes des Textes 534 auch bei solchen Konstellationen 535 mittelbare Täterschaft ange-
deren Bestehen anzunehmen, also nur wegen Anstiftung zu bestrafen. Und nommen. Mit Recht weisen Stratenwerth/Kuhlen 536 darauf hin, daß auch
ein Steuerungsdefizit beim Ausführenden kann, solange der unmittelbare Täter sein könne, „wer bloße Naturereignisse ,unterstützt': So begeht zwei-
Täter für sein Tun verantwortlich bleibt, auch nur eine Anstiftung begründen. fellos Brandstiftung, wer bei einem durch Blitzschlag verursachten Schaden-
Jede andere Lösung würde das Verantwortungsprinzip aushebeln, das doch feuer die Feuerwehrsirene außer Funktion setzt." Dem entspricht es, auch die
Unterstützung eines unmittelbar Handelnden, dessen vorsatzausschließenden
Irrtum der Hintermann erkennt, als mittelbare Täterschaft zu bestrafen.
Handeln des Ausführenden eine mittelbare Täterschaft anerkennen, was mir mit deren
Ablehnung bei der Benutzung von Kindern, Paralytikern und anderen Geisteskranken
schwer verträglich zu sein scheint. Näher dazu Roxin, A T / 1 4 , 2006, § 20, Rn. 35.
526
Vgl. oben S. 236, 239. Näher S. 697 ff.
527
Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002, 256ff.; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 51; Kühl, AT 5 , 2005, O b e n S. 173ff.; abw. jedoch Schmidhäuser, AT 2 , 1975, 14/42, der die Annahme mittelbarer
§ 20, Rn. 68; Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25, Rn. 4. Täterschaft als einziger Autor „abwegig" findet (a. a. O., Anm. 34) und den Tatbeitrag des
528
Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 41; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 53; Renzikowski, Hintermannes straflos lassen wollte. In StuB 2 , 1984, 10/84, wird nun trotz fehlenden Vor-
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 86 f. (vgl. dazu schon S. 683); Schaff stein, NStZ 1989, 156; satzes beim Täter eine Beihilfe bejaht. Gegen mittelbare Täterschaft auch Schumann,
Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, 1965, 120ff. Selbstverantwortung, 1986, 79ff. (dazu oben S. 681); Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 106.
529
Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 12f.; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/94; Krey, AT/2 2 , Vgl. Freund, AT, 1998, § 10, Rn. 58; Köhler, AT, 1997, 508; Krey, AT/2 2 , 2005, § 28, Rn.
2005, § 28, Rn. 153 m. Fn. 112; Schumann, Selbstverantwortung, 1986, 76; Stratenwerth/ 119; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 52; Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 48/89;
Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 52. Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 15; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn.
530
Schaffstein, N S t Z 1989, 157; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 41; Joecks, MK, 36; im Ergebnis auch Schild, Tatherrschaft, 1994, 18 ff. (allerdings als Handlungsherrschaft;
2003, § 25, Rn. 53. dazu vgl. oben S. 677).
531
Schaffstein, NStZ 1989, 157. Wie in Anm. 535.
696 697

b) Zur abweichenden Struktur der Irrtumsherrschaft im Verhältnis c) Die Benutzung eines im Verbotsirrtum handelnden Mittelsmannes
zur Nötigungsherrschaft
Das zeigt sich zunächst bei der Benutzung eines im Verbotsirrtum handeln-
Abgesehen von diesem Fall dreht sich die Debatte im Bereiche der Irrtums- den Mittelsmannes. Hier wird teilweise angenommen, daß die Veranlassung
herrschaft vor allem darum, ob eine mittelbare Täterschaft wie bei der Nöti- oder Ausnutzung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums den Hintermann
gung voraussetzt, daß der unmittelbar Handelnde infolge des Irrtums von der zum mittelbaren Täter mache, daß bei vermeidbarem Verbotsirrtum jedoch
strafrechtlichen Verantwortung für sein Tun (mindestens aber vom Vorwurf nur eine Anstiftung in Betracht komme. 542 Vereinzelt findet sich aber auch die
vorsätzlicher Tat) entlastet wird, oder ob, wie ich das in diesem Buche 537 aus- Ansicht, daß selbst die Veranlassung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums
führlich zu begründen versucht habe, auch bei nur geminderter Vorsatzschuld stets 543 oder möglicherweise 544 nur Teilnahme begründe, wohingegen die
oder sogar bei volldeliktischem Handeln des unmittelbar Ausführenden eine überwiegende Meinung auch bei vermeidbarem Verbotsirrtum allemal eine
mittelbare Täterschaft des Hintermannes in Betracht kommt. Das Problem mittelbare Täterschaft bejaht.545
des „Täters hinter dem Täter" tritt hier also wieder in eine andere Perspek- Blei dagegen 546 plädiert für mittelbare Täterschaft, wenn der Hintermann
tive. den (vermeidbaren oder unvermeidbaren) Verbotsirrtum herbeigeführt hat,
Herzberg 538 will allerdings meine Konzeption schon im Ansatz wider- während bei bloßer Ausnutzung eines Verbotsirrtums in jedem Falle nur Teil-
legen, indem er meine These, daß die Willensherrschaft kraft Irrtums eine nahme vorliegen soll. Noch wieder anders stellt Murmann 547 darauf ab,
durchaus andere Struktur aufweise als die Nötigungsherrschaft, 539 zugunsten „inwieweit dem Hintermann zugunsten des Opfers eine Pflicht obliegt, die
der Annahme bestreitet, daß „beide Konstellationen ... im Grunde gleich" Hervorrufung oder Ausnutzung von Irrtümern über Rechtsfragen zu unter-
beschaffen seien; auch der Irrende befinde sich „in Handlungszwang". Diese lassen". Eine solche Pflicht wird nur ausnahmsweise, vor allem bei staatlichen
Annahme ist jedoch phänomenologisch einfach nicht richtig: Der Genötigte Stellen, angenommen. Der Kreis dieser Sonderpflichtigen deckt sich nach
handelt unter starkem, schwer widerstehlichem psychischen Druck, und des- Murmann vielfach „mit dem Personenkreis, dessen Auskünfte nach der
halb wird er von der Verantwortung befreit; der Irrende fühlt sich nicht im Rechtsprechung die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums begründen", so
geringsten „in Handlungszwang", aber er kennt die Sachgegebenheiten nicht daß praktisch meist nur bei Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums eine mit-
oder nicht vollständig, und deshalb wird er in größerem oder geringerem telbare Täterschaft angenommen wird. 548
Maße von der strafrechtlichen Verantwortung entlastet.
Läßt sich demnach die behauptete Strukturgleichheit der Irrtums- und der
Fall" (BGHSt 35, 347ff.) mit der hier vertretenen Lehre gegen die Übertragung des Verant-
Nötigungsfälle nicht halten, so ist eine Übertragung des Verantwortungsprin- wortungsprinzips auf die Irrtumsfälle ausgesprochen (vgl. oben Nr. 29, S. 602 ff.). Ebenso
zips auf die Irrtumsfälle jedenfalls nicht, wie Herzberg es dartun möchte, aus Schaffstein, N S t Z 1989, 156.
diesem Grunde geboten. Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 347ff.; Herzberg, JuS 1974, 374; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/96;
Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 669; Krey, AT/2 2 , 2005, § 28, Rn. 148ff.; Kutzner, Die
Das schließt freilich nicht aus, daß dieses Prinzip sich ungeachtet aller son-
Rechtsfigur des Täters hinter dem Täter usw., 2004, 200; Maiwald, ZStW 88 (1976), 736;
stigen Verschiedenheiten beider Arten der Willensherrschaft als normative Spendel, Lüderssen-Festschrift, 2002, 608ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 55.
Leitlinie zur Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft auch in So Welzel, Das Deutsche Strafrecht", 1969, 103; Köhler, AT, 1997, 509; Klesczewski,
den Irrtumsfällen eignen könnte, wie dies letzthin wieder Krey 540 mit beson- Selbständigkeit, 1997, 317.
So Bockelmann, AT 3 , 1979, 180f., gegen seine frühere Lehre (oben S. 194); ebenso noch
derem Nachdruck vertritt. Darauf wird nachfolgend bei Behandlung der ver-
Bockelmann/Volk, AT 4 , 1987, 181.
schiedenen in Betracht kommenden Konstellationen einzugehen sein.541 Baumann/Weber/Mitsch, A T " , 2003, § 29, Rn. 139; Freund, AT, 1998, § 10, Rn. 89; G r o p p ,
AT 3 , 2005, § 10, Rn. 70, Fn. 81; Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002, 218ff.; Herzberg, Täter-
schaft und Teilnahme, 1977, 23; ders., Jura 1990, 16 (22 ff.); Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 74;
537 Ingelfinger, Anstiftervorsatz, 1992, 176; Jäger, AT, 2003, § 6, Rn. 241; Joecks, MK, 2003,
O b e n S . 193-232.
538 § 25, Rn. 93 („zumindest" im „Katzenkönigs-Fall" mittelbare Täterschaft); Kindhäuser,
JuS 1974, 374; in Täterschaft und Teilnahme, 1977, 17ff., verteidigt sich Herzberg ausführ-
lich gegen meine Kritik, sieht sich aber doch zu einer „Präzisierung und Einschränkung" Bemmann-Festschrift, 1997, 339, 343 f.; ders., AT, 2005, § 39, .Rn. 33; Küper, JZ 1989, 935
(20), teilweise auch einer „Korrektur" (23) seiner früheren Annahmen veranlaßt. Der Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25, Rn. 4; Preisendanz, StGB 3 0 , 1978, § 25, III, 3, d; Puppe, AT/2,
Gedanke von der „Unfreiheit" des Irrenden liegt (bei zum Teil ganz abweichenden Ergeb- 2005, § 40, Rn. 21 ff.; Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, 1997, 81; Schaff stein, N S t Z
nissen) auch der Monographie von M.-K. Meyer, Autonomie, 1984, zugrunde; dazu oben 1989, 153ff.; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 38; Fr.-Chr. Schroeder, Der Täter
S. 679 f. hinter dem Täter, 1965, 126 ff.; Schumann, Selbstverantwortung, 1986, 79; ders., N S t Z 1990,
539
Darüber näher oben, S. 170-173, 232. 32ff.; Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 296ff.; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13,
540 A T / 2 2 , 2005, § 28 III, Rn. 147ff. Rn. 542. Unentschieden Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 81: „Eine Entscheidung ... fällt schwer
541 ... Letztlich geht es darum, ob Tatherrschaft rein faktisch zu verstehen ist oder ob sie auch
Der Gesetzgeber hat die Frage übrigens mit Vorbedacht offengelassen. In der Begründung
des E 1962, 149, heißt es über die nun in § 25 Abs. 1 StGB Gesetz gewordene Fassung, daß an normativen, gesetzlichen Vorgaben ausgerichtet werden muß."
„verschiedene Fragen, namentlich die rechtliche Beurteilung des vollverantwortlichen Tat- Blei, AT 1 8 , 1983, 259f.; ähnlich Schaffstein, NStZ 1989, 157.
mittlers, noch der Klärung durch die Wissenschaft bedürfen und der Rechtsentwicklung Murmann, G A 1998, 78.
insoweit nicht vorgegriffen werden sollte". Dagegen hat der B G H sich im „Katzenkönigs- Murmann, G A 1998, 83, 85.
698 699

Im Widerspruch zu all diesen Lehren wird oben im Text 549 die Ansicht ver- dadurch von der an sich gebotenen Befragung eines Anwaltes abgehalten hat,
treten, daß Teilnahme vorliegt, wenn der unmittelbar Ausführende die mate- zum Teilnehmer werden soll, obwohl er allein von vornherein die Fäden des
rielle Rechtswidrigkeit, d. h. die Sozialwidrigkeit seines Handelns, erfaßt hat Gaunerstücks in der Hand gehabt hat, wird niemanden überzeugen. Eine der-
(mag er auch über das formelle Verbot, die rechtlich zutreffende Subsumtion art unbefriedigende Annahme ist nur eine Ableitung aus dem hier nicht pas-
oder die Strafbarkeit irren); dagegen wird, wenn der Ausführende (verschul- senden Verantwortungsprinzip, die an der Struktur der Willensherrschaft
det oder unverschuldet) das materiell Rechtswidrige seines Verhaltens nicht kraft Irrtums vorbeigeht. 554
sieht, die mittelbare Täterschaft in allen Fällen bejaht. Das bedeutet nicht, daß die Ausnützung oder Herbeiführung jedes Ver-
Schon dieser vielfältig zersplitterte Meinungsstand zeigt, daß der Problem- botsirrtums den Hintermann zum mittelbaren Täter macht. Der Umstand,
kreis noch weiterer Diskussion bedarf. Der beschränkte Raum verbietet eine daß in § 17 eine nur fakultative Strafmilderung angeordnet ist, zeigt deutlich,
eingehende Behandlung an dieser Stelle.550 Doch sei hier wenigstens darauf daß der Gesetzgeber Fälle der Rechtsfeindschaft kennt, in denen der Irrende
hingewiesen, daß die Vorwerfbarkeit oder Unverschuldetheit eines Verbots- bei voller Kenntnis der materiellen Rechtswidrigkeit seines Tuns lediglich in
irrtums mir nach wie vor kein richtiges Kriterium zur Abgrenzung von intolerabler Weise falsch subsumiert. Hier handelt der Ausführende dann
Täterschaft und Teilnahme zu sein scheint. In den Nötigungsfällen gibt das nicht nur vorsätzlich, sondern auch mit unverminderter Schuld. Er irrt (bei
Verantwortungsprinzip eine richtige Lösung, weil die Stärke des vom Hinter- der gebotenen normativen Beurteilung) nicht einmal über den konkreten
mann ausgeübten Druckes mit der Freiheitsbeschränkung des Ausführenden Handlungssinn, weil er bei einer Parallelbeurteilung im Laienbewußtsein das
unmittelbar korrespondiert und die Entschuldigungsgründe den Punkt an- materielle Unrecht seines Verhaltens durchaus sieht. In solchen (allerdings
geben, an dem nach gesetzlicher Wertung der Willenseinfluß in Willensherr- seltenen) Fällen kann der Hintermann nur Anstifter oder Gehilfe sein. Auch
schaft umschlägt. In den Irrtumsfällen aber wirkt sich der Umstand, daß der die neuere Rechtsprechung des BGH geht in die Richtung einer solchen
über das materielle Unrecht seines Tuns getäuschte Ausführende 551 seinen Unterscheidung. 555
Verbotsirrtum durch weitere Recherchen hätte vermeiden können, auf das Die Kritik, die einige Autoren an der von mir vorgenommenen Differen-
Ausmaß der aktuellen Steuerung des Geschehens durch den Hintermann zierung üben, 556 kann ich nicht teilen. Wenn Heinrich sagt,557 auch wenn die
überhaupt nicht aus, und deshalb kann es für die Abschichtung von Täter- Kenntnis der materiellen Rechtswidrigkeit eine Hemmschwelle aufrichte, aus
schaft und Teilnahme darauf nicht ankommen. 552 Diese Einwände gelten auch deren Überwindung man dem unmittelbar Handelnden einen gesteigerten
gegenüber Murmann, 553 dessen Differenzierung sich vom Kriterium der Tat- Vorwurf machen könne, so sei „diese jedenfalls niedriger, als hätte er oben-
herrschaft genauso entfernt wie die Unterscheidung von vermeidbarem und drein auch noch die Kenntnis vom formellen Verbotensein", so läßt sich dem
unvermeidbarem Verbotsirrtum. Auch wird man eine jedermann treffende mit Otto 5 5 8 entgegenhalten: „Wer beleidigende Äußerungen über andere ver-
Pflicht, die Herbeiführung von Straftaten durch Hervorrufung oder Ausnut- breitet, Wohnraum zu wucherischem Mietzins vermietet oder einen anderen
zung von Verbotsirrtümern zu unterlassen, für eine mittelbare Täterschaft
genügen lassen müssen.
Wie hier entgegen seiner ursprünglichen Auffassung auch Herzberg, Täterschaft und Teil-
Es ist heute einer der häufigsten Fälle vermeidbaren Verbotsirrtums, daß nahme, 1977, 23; auf Grund seines jetzt „modifizierten" Verantwortungsprinzips läßt er es
ein Kaufmann im Bereiche des Wirtschaftsstrafrechts über die Erlaubtheit für die mittelbare Täterschaft ausreichen, daß die Verantwortung des Tatmittlers „insoweit
eines bestimmten Tuns keine ausreichenden Erkundigungen einzieht. Daß eingeschränkt ist, als sich ihm gegenüber der Vorwurf eines bewußten Rechtsbruches ver-
aber ein arglistiger Geschäftspartner deshalb, weil er dem gutgläubigen Tat- bietet". Dagegen wollen Maiwald (ZStW 88 [1976], 736f.) und Bloy (Zurechnungstypus,
1985, 351) die von mir verworfene Parallele zu den Nötigungsfällen mit der Begründung
mittler die absolute Korrektheit seines Verhaltens vorgespiegelt und ihn aufrechterhalten, daß auch bei diesen nicht die Stärke des psychischen Druckes, sondern
normative Maßstäbe über die mittelbare Täterschaft entschieden. Warum solle dann beim
Verbotsirrtum „plötzlich die faktische Steuerung des Geschehens maßgebend sein" ? Aber
549
S. 193-205; zustimmend Hünerfeld, ZStW 99 (1987), 244; O t t o , Jura 1987, 255; ders., bei den Nötigungsfällen entscheidet eben doch prinzipiell der psychische Druck, dessen
Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 84; ders., Roxin-Festschrift, 2001, 483. Ausmaß nur in Grenzbereichen normativ bestimmt wird. Die Irrtumsfälle dagegen beru-
550
In meiner Abhandlung „Bemerkungen zum Täter hinter dem Täter" (Lange-Festschrift, hen auf dieser Steuerung durch überlegenes Wissen, und dieses, ist grundsätzlich unabhän-
1976, 173 ff.) bin ich diesen Fragen weiter nachgegangen. gig davon, ob der Irrtum vermeidbar war. Wollte man anders entscheiden, so könnte man
551
Im umgekehrten Fall des bloßen Irrtums über die formelle Rechtswidrigkeit bei Kenntnis auch beim vermeidbaren Tatbestandsirrtum des unmittelbar Handelnden eine mittelbare
der Sozialwidrigkeit des eigenen Handelns ergibt sich freilich, wie Stratenwerth (AT 2 , 1976, Täterschaft des Hintermannes verneinen; das aber vertritt niemand.
Rn. 781) mit Recht hervorhebt, kein Unterschied zwischen meiner Lehre und der Auffas- O b e n Nr. 29, S. 602 ff. Ich habe das in L K " , 1993, § 25, Rn. 84ff., anhand einer Analyse
sung, die auch in den Irrtumsfällen auf das Verantwortlichkeitsprinzip abstellt: „Kennt der des „Katzenkönigs-Falles" (BGHSt 35, 347) näher ausgeführt. Kritisch aber Bottke,
Tatmittler die materielle Rechtswidrigkeit der Tat, so wird sein Verbotsirrtum schwerlich Gestaltungsherrschaft, 1992, 70.
unvermeidbar sein können, mittelbare Täterschaft also aus diesem G r u n d ausscheiden" Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 38; Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002, 220f.;
(Stratenwerth, a. a. O.). Es gibt also auch nach meiner Auffassung eine Teilnahme bei ver- Schumann, Selbstverantwortung, 1986, 79, Fn. 28; Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988,
meidbarem Verbotsirrtum, aber nur in einem geringeren Teil der Fälle. 296.
552
Zum Ganzen ausführlich Küper, JZ 1989, 935 ff. Rechtsgutszugriff, 2002, 221.
553
Murmann, G A 1998, 78. Roxin-Festschrift, 2001, 490.
700 701

mißhandelt, kennt genau den Sachverhalt, den der Gesetzgeber als strafwür- Die hier entwickelte Meinung, wonach in solchen Fällen eine mittelbare
dig und strafbedürftig einschätzt und dementsprechend unter Strafe gestellt Täterschaft vorliegt, obwohl der Ausführende volldeliktisch handelt und nur
hat ... Durch die Kenntnis der formellen Rechtswidrigkeit des verwirklichten über die Identität des Opfers (bzw. taterhebliche Handlungsvoraussetzungen
Sachverhalts wird auf seiten des Hintermannes kein rechtlich relevantes über- oder Qualifikationsmerkmale) irrt, wird zwar auch sonst oft vertreten, 563
legenes Sachwissen begründet." Diese Annahme wird dadurch gestützt, daß doch hat sich ebenso dezidierter Widerspruch erhoben. So meint Welzel,564
beim Verbotsirrtum nur eine fakultative Strafmilderung vorgesehen ist. Ge- wenn man den Hintermann in solchen Fällen sinngestaltender Überdetermi-
rade in Fällen der Rechtsfeindschaft, in denen der unmittelbare Täter das nation als Täter ansehe, so löse man damit „in Wahrheit die Funktion des Tat-
materiell Rechtswidrige seines Tuns erkennt, ohne daraus den Schluß auf des- bestandes auf". Herzberg 565 hat diesen Einwand mit besonderer Klarheit for-
sen formelle Rechtswidrigkeit zu ziehen, hält der Gesetzgeber also das muliert: „Roxin läßt hier außer acht, was er sonst mit Recht betont: daß die
Wissensdefizit des Ausführenden für irrelevant. Puppe 559 begründet die mit- Täterschaft gleichbedeutend ist mit der Tatbestandserfüllung. Ist im Gesetz
telbare Täterschaft bei einem im Verbotsirrtum handelnden Tatmittler mit der das entscheidende Merkmal abstrakt gefaßt, so kann das überlegene Erkennen
These, daß dem im Verbotsirrtum Handelnden „der Zugang zur Vollform der konkreter Umstände, die für den Unrechtstatbestand keine Rolle spielen, eine
Vorsatzschuld verschlossen" sei. In Fällen aber, in denen eine Strafmilderung rechtserhebliche Tatherrschaft nicht begründen."
unangebracht ist, ist nach den Maßstäben des Gesetzgebers die „Vollform der Diese Kritik ist überaus bemerkenswert. 566 Aber ihre Berechtigung
Vorsatzschuld" gegeben, so daß Puppes Gedanke - auch wenn sie diese Kon- erscheint doch zweifelhaft, wenn man sieht, daß die Kritiker im Ergebnis zu
sequenz nicht zieht - genau auf die hier vorgeschlagene Differenzierung hin- denselben oder ähnlichen Lösungen kommen, wie ich sie vorgeschlagen habe.
leitet. So nimmt Welzel 567 bei der „Ausnützung fremden Verbrechensplans für
Sch/Sch/Cramer/Heine 560 lassen es ebenfalls für eine mittelbare Täter- eigene Zwecke" eine unmittelbare Nebentäterschaft des Manipulators an, und
schaft des Hintermannes genügen, daß der Verbotsirrtum des Ausführenden auch Stratenwerth 568 meinte ehedem, man könne bei der durch Täuschung
„auf einem Subsumtionsirrtum ... beruht, da auch insoweit Wissensmacht auf herbeigeführten „Umlenkung" eines Verbrechensplans auf ein anderes Opfer
seiten des Hintermannes besteht, was vor allem im Nebenstrafrecht Bedeu- den Hintermann als unmittelbaren Täter ansehen. 569 Damit wird aber doch
tung erlangen kann". Was die in Anspruch genommene „Wissensmacht" eingeräumt, daß dem Hintermann in solchen Fällen die Tatbestandserfüllung
anlangt, so wurde schon dargelegt, daß das Fehlen dieses Wissens bei voller als sein eigenes Werk zugerechnet werden kann, so daß die These, ich hätte
Kenntnis der materiellen Rechtswidrigkeit des eigenen Verhaltens vom „die Funktion des Tatbestandes" aufgelöst, in sich zusammenfällt. O b man
Gesetzgeber weder als Einsichts- noch als Schulddefizit beurteilt wird. Und dabei von mittelbarer Täterschaft oder von einer Art fremdhändiger „Neben-
der Hinweis auf das Nebenstrafrecht geht insofern fehl, als hier die Kenntnis täterschaft" spricht, ist dann mehr eine terminologische Frage, die an der
der materiellen Rechtswidrigkeit häufig erst aus der Bekanntschaft des formel- Übereinstimmung in der Sache wenig ändert. 570 Im übrigen wird man
len Verbotes abgeleitet werden kann. In solchen Fällen führt dann selbstver-
ständlich die Verschleierung des formellen Verbotes durch den Hintermann
563
zur mittelbaren Täterschaft, weil der Irrtum über das formelle Verbot und Z . B . von Baumann/Weber/Mitsch, A T " , 2003, § 29, Rn. 144; Blei, AT 1 8 , 1983, 258; Haft/
Eisele, Keller-Gedächtnisschrift, 2003, 81 ff. (99); Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002, 230ff.;
über das materielle Unrecht beim unmittelbar Handelnden zusammenfallen. Jäger, AT, 2003, § 6, Rn. 246; Köhler, AT, 1997, 508; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 74; M.-K.
In der. Regel wird deshalb die Benutzung eines im Verbotsirrtum Handelnden Meyer, Autonomie, 1984, 99 ff.; Sax, ZStW 69 (1957), 434; Schild, Täterschaft, 1994, 20;
in diesen Fällen zur mittelbaren Täterschaft des Hintermannes führen. Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 23; Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, 1965,
134ff.; Schmidhäuser, AT 2 , 1975, 14/49; ders., StuB 2 , 1984, 10/85.
564
Das Deutsche Strafrecht 11 , 1969, 106.
565
JuS 1974, 375 = Täterschaft und Teilnahme, 1977, 25.
566
d) Die Täuschung über den konkreten Handlungssinn Gegen mich in ausführlicher Auseinandersetzung auch Stratenwerth, AT 1 , 1971, Rn. 836-
844 (vgl. dazu meine Antikritik in ZStW 84 (1972), 1007f.); Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 ,
2004, § 12, Rn. 63, nehmen jetzt Anstiftung an. Ferner Bloy, Zurechnungstypus, 1985,
Noch schwieriger stellen sich die Probleme bei den Fällen, die ich oben 561 358 ff., der eine Anstiftung bejaht; Schumann, Selbstverantwortung, 1986, 76f., der Beihilfe
unter dem Gesichtspunkt des „Irrtums über den konkreten Handlungssinry" annimmt; Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 295, der von einer „Teilnahme" ausgeht.
erörtert habe. Trotz ihrer begrenzten praktischen Bedeutung sind diese Kon- Gegen mittelbare Täterschaft ferner: G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 53, 54, Hoyer, SK 7 , 2000,
stellationen in den letzten Jahrzehnten besonders lebhaft erörtert worden, § 25, Rn. 78 (Hintermann als „Teilnehmer"); Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, § 62 II, 2 (Hin-
termann als Anstifter oder Nebentäter); Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 106 (Hintermann als
wobei der Fall des manipulierten error in persona 562 im Vordergrund stand. Gehilfe); Krey, AT/2 2 , 2005, § 28, Rn. 161 (Anstiftung); O t t o , Grundkurs AT 7 , 2004, § 21,
Rn. 91 (Anstiftung).
567
Das Deutsche Strafrecht 11 , 1969, 111.
559 568
AT/2, 2005, § 40, Rn. 30. AT 3 , 1981, Rn. 784.
560
Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 38. 569
Daneben stellt er freilich auch die Bejahung einer Anstiftung oder einer Beihilfe zur Wahl.
561
S. 212-220. Für Anstiftung auch Spendel, Lange-Festschrift, 1976, 169; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/102.
562 570
Oben S. 213-216. Im übrigen wird die hier vertretene Ansicht sich erst dann vollständig durchsetzen können,
702 703

Joecks 571 darin zustimmen müssen, daß der Weg über die Nebentäterschaft Eine zweite sehr umstrittene Fallgruppe aus dem Bereich der Täuschung
„nicht gangbar" ist, „denn über §25 hinaus sieht das StGB keine täterschaft- über den konkreten Handlungssinn bildet die Täuschung über die Unrechts-
liche Verhaltenszurechnung vor". Der Nebentäter wird als unmittelbarer höhe. Hier kann auch Herzberg seine prinzipielle Ablehnung des Täters hin-
Täter unabhängig von anderen Ausführenden tätig; gerade daran fehlt es hier. ter dem volldeliktischen Täter nicht durchhalten. Er bildet den Fall,573 daß
Es ist auch unbestreitbar, daß der Hintermann über den Tod des konkreten eine Nebenbuhlerin aus Rachsucht einer Ehefrau vorspiegelt, der kostbare
Opfers die alleinige Herrschaft hat; insoweit handelt der Ausführende unwis- „Kandinsky" ihres Mannes sei ein wertloses „Geschmiere". Ihr Mann werde
send. Man kann daher eine mittelbare Täterschaft nur leugnen, wenn man für sich „gewiß freuen", wenn sie das Bild vernichte und durch einen „Hirsch im
den Vorsatz der „Tötung durch einen anderen" die Beherrschung einer auf Morgengrauen" ersetze. Hier will Herzberg - nach meiner Auffassung mit
die Gattung gerichteten Verletzungshandlung - der Eigenschaft des Opfers Recht! - die „Hinterfrau" als mittelbare Täterin einer Sachbeschädigung
als Mensch - verlangt. Das aber ist nicht angängig. Denn wenn als Anstifter bestrafen, weil dem Tatmittler „Gewicht und Umfang des verwirklichten
einer Tötung zur Verantwortung gezogen wird, wer den tatentschlossenen A Unrechts verborgen" geblieben sei.574 Wenn aber eine Täuschung über die
beredet, statt des B lieber den C zu töten, warum soll dann nicht mittelbarer Höhe des Unrechts (und konsequenterweise wohl auch der Schuld) zur
Täter sein, wer eine solche Auswechselung des Opfers durch Täuschung Begründung der mittelbaren Täterschaft ausreicht, so bewegt sich Herzberg
erreicht? Die Parallele ist vollkommen: Wenn die durch „Umstiftung" mit dieser Auffassung durchaus im Rahmen meiner Konzeption, verläßt aber
erreichte Tötung eines anderen unstreitig eine Anstiftung ist,572 muß die seinen eigenen Standpunkt, wonach die Verantwortung des unmittelbar Han-
durch Täuschung bewirkte Tötung eines anderen mittelbare Täterschaft sein. delnden für die erkannte Tatbestandsverwirklichung eine mittelbare Täter-
Noch etwas abstrakter formuliert: Wo bei einem Ausführenden, der den schaft ausschließen soll.575
Sachverhalt überschaut, Anstiftung gegeben ist, muß bei einem unmittelbar In der Sache verdient Herzbergs Lösung aber Beifall. Eine mittelbare
Handelnden, der den Sachverhalt nicht überschaut, mittelbare Täterschaft Täterschaft ist hier mit derselben Sicherheit, wenn auch mit anderer Begrün-
vorliegen. dung, darzutun wie beim manipulierten error in persona. 576 Wenn wir in dem
Es kommt hinzu, daß eine Anstiftung, die die meisten Leugner einer mit- von Herzberg gebildeten Fall annehmen, daß der echte „Kandinsky" tau-
telbaren Täterschaft annehmen wollen, nicht widerspruchsfrei begründbar ist. sendmal so viel wert ist, wie der unmittelbar Ausführende auf Grund der ihm
Denn wenn die alleinige Herrschaft über die Individualität des Opfers dem suggerierten Vorstellung angenommen hatte, so hat der Hintermann die
Hintermann keine mittelbare Täterschaft ermöglicht, kann sie eine Anstif- tatbestandsmäßige Rechtsgutsverletzung in Höhe von neunhundertneunund-
tung erst recht nicht tragen. Wenn es sich nämlich trotz der Auswechselung neunzig Tausendstel, der unmittelbar Handelnde aber nur zu einem Tausend-
des Opfers für den Hintermann um dieselbe Tat handelt - auf dieser hier stel beherrscht. Es ist nicht einzusehen, warum derjenige von zwei Beteilig-
bestrittenen These beruht die Ablehnung einer mittelbaren Täterschaft - , ten, der den bei weitem größeren Anteil an der Tatherrschaft hat, nicht als
kann der unmittelbar Ausführende nicht mehr angestiftet werden, weil er zu Täter beurteilt werden soll, wenn sogar der tausendmal geringere Anteil des
dieser Tat schon entschlossen war. Und wenn man inkonsequenterweise die Ausführenden an der Tatherrschaft schon Täterschaft begründet. 577 Selbst
Anstiftung auf das konkrete Opfer beziehen wollte, würde sie daran schei-
tern, daß insoweit kein Tatentschluß erregt wird.
Auch die von einigen Autoren verfochtene Annahme einer Beihilfe ist Täterschaft und Teilnahme, 1977, 27ff.; ihm folgend Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 353ff.,
nicht haltbar. Denn soweit man auf ein gattungsmäßig bestimmtes Tatobjekt obwohl auch er sonst den „Täter hinter dem voll verantwortlichen Täter" strikt ablehnt.
Für mittelbare Täterschaft bei einer Täuschung über Unrechts- und schuldrelevante Fak-
(Beihilfe zur Tötung irgendeines Menschen) abstellt, fehlt es bei der Unter- toren auch Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 22; Ebert, AT 3 , 2001, 197f.; Heinrich,
schiebung eines anderen Opfers an jeder chancenerhöhenden Kausalität. Rechtsgutszugriff, 2002, 224 ff.; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 76; Jäger, AT, 2003, § 6,
Hebt man aber auf die konkrete Individualität des Opfers ab, so hat der Hin- Rn. 246; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 75.
termann dem Ausführenden nicht geholfen, sondern den von diesem geplan- Vgl. näher zu dieser Fallgruppe mein Beitrag in der Lange-Festschrift, 1976, 184 ff.; ferner
Roxin, LK 1 1 , 1993, § 25, Rn. 97ff.; d e r s , AT/2, 2003, § 25, Rn. 96ff.
ten Anschlag durch Umlenkung auf eine andere Person vereitelt. Diese Inkonsequenz wird ihm mit Recht von Schumann, Selbstverantwortung, 1986, 77,
vorgehalten, der für eine Anstiftung eintritt. Für Anstiftung auch Bockelmann/Volk, AT 4 ,
1987, 182; Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 71; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 53f. (ohne
wenn beweiskräftig dargetan wird, daß beim Rechtsgut des Lebens (und anderen höchst- ausdrückliche Erwähnung des Falles); Hünerfeld, ZStW 99 (1987), 242 f.; Jakobs, AT 2 ,
persönlichen Rechtsgütern) zwar der error in persona des Ausführenden bei diesem die 1991, 21/101, Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, § 62 II, 2; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 106
Vorsatzzurechnung nicht hindert, daß aber, soweit die Zurechnung zu einem Hintermann (etwas schwankend); Krey, AT/2 2 , 2005, § 28, Rn. 162; Kutzner, Die Rechtsfigur des Täters
in Rede steht, die durch Täuschung bewirkte Umlenkung des Angriffs auf eine vorher nicht hinter dem Täter usw., 2004, 205ff.; O t t o , Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 88ff.; Renzi-
gefährdete Person (entsprechend der „Umstiftung") die Tat für diesen zu einer anderen kowski; Restriktiver Täterbegriff, 1997, 82; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 61.
macht. Ein solcher doppelter Zurechnungsmaßstab ist keineswegs ein Widerspruch, wie ich Vgl. zu dieser Fallgruppe auch Roxin, AT/2, 2003, § 25, Rn. 96 w o andere, aber ebenso
im Text deutlich gemacht zu haben glaube. stichhaltige Argumente zur Begründung der mittelbaren Täterschaft angeführt werden.
571
MK, 2003, § 25, Rn. 106. Bemerkenswerterweise nimmt Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 76, der beim manipulierten
572
Vgl. Roxin, AT/2, 2003, § 26, Rn. 97. error in persona eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes ablehnt, hier eine solche an:
704 705

eine „maßvolle" Täuschung, also ein geringerer Anteil des Hintermannes an den. 581 Ja, sogar im Ausland war diese Rechtsfigur auf Resonanz gestoßen:
der Tatherrschaft, muß für eine mittelbare Täterschaft noch ausreichen, da sie Anklage und Urteil gegen die argentinische Generalsjunta stützen sich
beim unmittelbar Ausführenden für die Zubilligung von Täterschaft auch wesentlich auf die in diesem Buch vertretenen Thesen. 582 Die Rechtsprechung
genügt.578 hatte schon im „Katzenkönigs-Fall" (BGHSt 35, 353) die Organisationsherr-
Mit alledem soll keineswegs geleugnet werden, daß bei der Fallgruppe der schaft als Argument für die Möglichkeit eines „Täters hinter dem Täter" ver-
Täuschung über den „konkreten Handlungssinn" vieles noch weiterer wendet. Im Urteil gegen die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der
Klärung bedarf und daß namentlich die Abgrenzung täterschaftsbegründen- ehemaligen DDR (BGHSt 40, 218) ist diese Rechtsfigur dann von der Recht-
der Täuschungen von der Hervorrufung bloßer Motivirrtümer, die an der sprechung übernommen und auch in mehreren nachfolgenden Entscheidun-
Teilnahme des Täuschenden nichts ändern, in der vorliegenden Monographie gen verwendet worden. Ich habe diese Rechtsprechungsentwicklung oben im
noch nicht mit hinreichender Überzeugungskraft durchgeführt ist. Ich habe einzelnen dargestellt und analysiert (Nr. 38, S. 610; Nr. 41, S. 614; Nr. 43,
mich an anderer Stelle bemüht, das nachzuholen. 579 Die Skizze des Problem- S. 615; Nr. 44, S. 616; Nr. 48, S. 618; Nr. 49, S. 618; Nr. 51, S. 620; Nr. 59,
standes, die hier nur gegeben werden konnte, scheint mir aber immerhin klar S. 623); darauf sei hier verwiesen. In der Literatur haben Schroeder, Jung,
zu machen, daß das Verantwortungsprinzip entgegen der Meinung seiner Gropp, Murmann, Bloy, Küpper und Ambos dem für die Rechtsprechung
Befürworter auch bei diesen Konstellationen - anders als in den Fällen der grundlegenden Urteil BGHSt 40, 218 im Ergebnis zugestimmt, 583 wobei Jung,
Nötigung - keinen Schlüssel zur Lösung der offenen Fragen liefert. Die Gropp, Bloy, Küpper und Ambos auch in der Begründung mit mir auf einer
Anerkennung der Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter" wird nicht auf- Linie liegen. Auch in der neueren Lehrbuch- und Kommentarliteratur hat
zuhalten sein. sich die Organisationsherrschaft weitgehend durchgesetzt. 584 So sagt Joecks

:
5. Die Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate ' Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 60ff., 71 ff.; ders., Coimbra-Symposium, 1995, 243;
Busch, LK 9 , 1970, § 47, Rn. 48; Ebert, AT 2 , 1993, 180; Eser, StrafR I I \ 1980, Fall 38,
Rn. 25; Haft, AT 6 , 1994, 194; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 42 f.; ders., Jura
a) Zur Begründung der mittelbaren Täterschaft 1990, 23 f.; Hirsch, Rechtsstaatliches Strafrecht und staatlich gesteuertes Unrecht, 1996,
22f.; Hünerfeld, ZStW 99 (1987), 244; Ingelfinger, Anstiftervorsatz, 1992, 183f.; Korn,
Die von mir erstmals als eine selbständige Form der mittelbaren Täterschaft N J W 1965, 1206ff.; Kühl, AT, 1994, § 20, Rn. 73; Lackner/Kühl, StGB 2 3 , 1999, § 25, Rn. 2;
entwickelte „Organisationsherrschaft" 580 hatte schon vor ihrer Anerken- Lampe, ZStW 106 (1994), 743; Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 48/88; M.-K. Meyer,
Autonomie, 1984, 101 ff.; Sch/Sch/Cramer 2 4 , 1997, § 25, Rn. 25; Schild, Täterschaft, 1994,
nung durch die Rechtsprechung in der Literatur weithin Zustimmung gefun- 10, 16, 19, 24ff; U . Schulz, JuS 1997, 111; Schumann, Selbstverantwortung, 1986, 75f.; Stra-
tenwerth, AT 3 , 1981, Rn. 790f.; ders., Schweizerisches Strafrecht, AT I 2 , 1996, § 13, Rn. 34;
Wessels/Beulke, AT 2 3 , 1993, 161. Schmidhäuser, der früher (noch AT 2 , 1975, 14/50) auf die
„Den konkreten Handlungssinn, ein bedeutendes Kunstwerk zu zerstören, erfaßt allein der „Benutzung eines Tatentschlossenen" abgestellt hatte (kritisch dazu Roxin, LK 1 0 , 1978,
Hintermann, der deshalb sowohl als Anstifter (wegen des auch vom Vordermann erfaßten § 25, Rn. 90), sprach später (StuB 2 , 1984, 10/95) von mittelbarer Täterschaft „auf Grund
Wertanteils) wie als mittelbarer Täter (wegen des dem Vordermann verborgenen Wert- vorgegebener Fungibilität des Tatmittlers" und dürfte mit der hier vertretenen Meinung
anteils) belangt werden soll." übereinkommen.
2
Vgl. dazu mit demselben Ergebnis, aber abweichender Begründung, auch Heinrich, Rechts- Anklage, Teil V, 8 ff.; Urteil, 73. Genaue Nachweise über die Rezeption meiner Lehre durch
gutszugriff, 2002, 234 ff. die argentinische Rechtsprechung liefert Ambos, G A 1998, 238f. Eine erste amerikanische
Bemerkungen zum Täter hinter dem Täter, Lange-Festschrift, 1976, 173ff.; ferner L K " , Auseinandersetzung mit der Organisationsherrschaft liefert Osiel, Columbia Law Review,
1993, § 25, Rn. 96 ff. In der genannten Abhandlung versuche ich, die mittelbare Täterschaft Oktober 2005, 1751 ff. (1831 ff.).
3
bei Täuschungen über die Unrechtshöhe, über Qualifikationsumstände und über die Indi- Schroeder, JR 1995, 177-180; Jung, JuS 1995, 173 f.; G r o p p , JuS 1996, 13-18; Murmann, G A
vidualität des Opfers näher darzulegen und täterschaftsbegründende Täuschungen von der 1996, 269-281; Bloy, G A 1996, 425-442; Ambos, G A 1998, 226f. sowie Küpper, G A 1998,
Hervorrufung bloßer Motivirrtümer genauer abzugrenzen. Zum Problem der Täuschung 524; zust. auch meine Anm. in JZ 1995, 49ff. Rotsch, N S t Z 1998, 491, erkennt die Rechts-
über die Unrechtshöhe vgl. meine Auseinandersetzung mit Renzikowski, oben S. 664 f. figur der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate und die von mir
Dagegen wird die Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter" von Spendel völlig verworfen gegebene Begründung prinzipiell an, hat aber einige Bedenken dagegen, daß die danach
(Der „Täter hinter dem Täter" - eine notwendige Rechtsfigur?, Lange-Festschrift, 1976, erforderlichen Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft im konkreten Fall gegeben
147ff.). Die Veranlassung eines Suizids durch die Vortäuschung, mit dem Suizidenten waren. In späteren Arbeiten (ZStW 112 [2000], 518; NStZ 2005, 13) hat er die Konstruktion
gemeinsam in den Tod gehen zu wollen, wird man entgegen meiner oben (S. 225 ff.) dann als Ganze zugunsten einer Annahme von Anstiftung verworfen. Darauf wird im Text
geäußerten Auffassung nicht als mittelbare Täterschaft beurteilen können. Näher dazu näher eingegangen.
4
Roxin, AT/2, 2003, § 25, Rn. 71 ff. m . w . N . , ferner oben S. 596 ff. Gegen mittelbare Täter- Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 25 a. Danach „dürfte, soweit es um organisierte
schaft auch die Monographie von Klinger, Die Strafbarkeit der Beteiligung usw., 1995. Machtapparate geht, die sich als ganze von den N o r m e n des Rechts gelöst haben, mittelbare
Vgl. dazu oben S. 242-252 sowie meinen Aufsatz „Straftaten im Rahmen organisatorischer Täterschaft als weithin gesichert gelten". Ebenso Ebert, AT 3 , 2001, 198; G r o p p , AT 3 , 2005,
Machtapparate", in: G A 1963, 193-207; ferner meine Ausführungen in: Lange-Festschrift, § 10, Rn. 51; Haft, AT 9 , 2004, 201; Jäger, AT, 2003, § 6, Rn. 249; Joecks, MK, 2003, § 25,
1976, 192f.; L K " , 1993, § 25, Rn. 128ff.; Grünwald-Festschrift, 1999, 549ff.; Amelung Rn. 123ff.; Kühl, AT 5 , 2005, Rn. 73ff.; Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25, Rn. 2, Stratenwerth/
(Hrsg.), Individuelle Verantwortung, 2000, 55 f.; Roxin, NJW-Sonderheft Schäfer, 2002, Kuhlen, AT 5 , 2004, Rn. 65f.; Tröndle/Fischer 5 3 , 2006, § 25, Rn. 7; Wessels/Beulke, AT 3 5 ,
52 ff. 2005, § 13, Rn. 541. Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 62, spricht von dem „faszinierenden Kon-
706 707

im Münchener Kommentar: 585 „Die Tatherrschaft kraft .organisatorischer ist aber auch dienstwilliger Übereifer, sei es aus Karrierestreben, sei es aus
Machtapparate' tritt ... als dritte selbständige Form der mittelbaren Täter- Geltungsbedürfnis, aus ideologischer Verblendung oder auch auf Grund kri-
schaft auf. Sie ist der Prototyp für eine Konstellation des ,Täters hinter dem mineller Impulse, denen das Mitglied einer rechtsgelöst arbeitenden Organi-
Täter' und in Literatur und Rechtsprechung weitgehend anerkannt. Nur sation ungestraft nachgeben zu können glaubt. Daneben gibt es eine Beteili-
wenige Stimmen stehen der Konstruktion ablehnend gegenüber." gung auch innerlich eher widerstrebender Mitglieder infolge der resignierten
Inzwischen liegen auch drei Monographien über die Organisationsherr- Überlegung: „Wenn ich es nicht mache, tut es sowieso ein anderer." Schließ-
schaft vor, die Dissertationen von Langneff (2000), Schlösser (2004) und lich gibt es auch Konstellationen, die zwar keine Nötigungs- oder Irrtums-
Urban (2004). Sie erkennen alle drei die Rechtsfigur der Organisationsherr- herrschaft der Hintermänner begründen, die sich solchen Situationen aber ein
schaft an und beurteilen sie in Übereinstimmung mit der hier vertretenen Stück weit annähern: Der willige Vollstrecker fürchtet etwa im Weigerungs-
Auffassung als eine eigenständige Form der mittelbaren Täterschaft. Sie wei- fall den Verlust seiner Stellung, die Mißachtung seiner Kollegen oder andere
chen aber in der Begründung in einigen Punkten untereinander und von der soziale Nachteile; oder er rechnet trotz schwerer Unrechtszweifel mit der
hier verfochtenen Ansicht ab. 586 Während Langneff das Schwergewicht auf Straflosigkeit seines „von oben" angeordneten Tuns.
ein sehr restriktiv verstandenes Kriterium der Fungibilität legt, beurteilen Aber diese in wechselnden Mischungen auftretenden Faktoren, die Schuld
Schlösser und Urban dieses Kriterium kritisch, obwohl sie „das Erlebnis der und Verantwortlichkeit des unmittelbar Ausführenden nicht ausschließen,
eigenen Austauschbarkeit" 587 beim Ausführenden zur Begründung der Tat- auch ihr Maß nur wenig vermindern und in einigen Ausprägungen sogar
herrschaft in der Person des Hintermannes heranziehen. Schlösser588 versteht erhöhen, laufen doch in einem Punkte zusammen: Sie führen zu einer organi-
die Organisationsherrschaft als „soziale Tatherrschaft", die er auf organisa- sationsbedingten besonders erhöhten Tatbereitschaft der Mitglieder, die
tionstypische Kriterien wie ausdifferenzierte Arbeitsteilung, Kompetenz- neben ihrer Auswechselbarkeit für die Hintermänner ein wesentliches Ele-
gefälle zwischen Leitungs- und Ausführungsorganen, Informationskanalisie- ment der Sicherheit ist, mit der sie auf die Durchsetzung ihrer Anordnung
rung und das Erlebnis eigener Austauschbarkeit stützt. Urban 589 betrachtet vertrauen können.
die Rechtsgelöstheit des Apparates als unverzichtbare Voraussetzung der In diesem Kontext gewinnen dann auch andere zur Begründung mittel-
Organisationsherrschaft, die sie im übrigen auf „die Erzeugung innerorgani- barer Täterschaft entwickelte Kriterien wie die von vornherein bestehende
satorischen Handlungsdrucks" gründet. 590 „Tatentschlossenheit" der Ausführenden bei Fr.-Chr. Schroeder 591 und die
Ich gebe Schlösser und Urban insoweit recht, als es mir richtig erscheint, „organisationstypische Tatgeneigtheit" 592 bei M. Heinrich eine relative Be-
die Tatherrschaft der Hintermänner nicht allein auf die freilich nach wie vor rechtigung. Stellt man allein auf die Beherrschung des Letzthandelnden ab,
entscheidend wichtigen Merkmale der Rechtsgelöstheit des Apparates und können solche Umstände freilich keine mittelbare Täterschaft begründen.
der Substituierbarkeit der Ausführenden, sondern daneben auch auf die Denn sie schließen die Handlungsfreiheit des Exekutors nicht aus. Wenn man
wesentlich erhöhte Tatbereitschaft der Exekutoren zu stützen, die durch die aber die Tatherrschaft durch die weit erhöhte, beinahe sichere Durch-
Einbindung in die deliktische Organisation hervorgerufen wird. Es sind sehr setzungskraft erklärt, die Struktur und Wirkweise des Apparates den Hinter-
verschiedenartige Umstände, die hier eine Rolle spielen. Zunächst ruft schon männern vermitteln, kann man solche Kriterien als Ergebnis organisations-
die Organisationszugehörigkeit als solche eine Anpassungstendenz hervor. Es bedingter Einflüsse verstehen, die neben anderen Umständen eine täter-
wird erwartet, daß die einzelnen Mitglieder sich einfügen. Das kann zu einem schaftsbegründende Erfolgssicherheit verbürgen. Solche Kriterien lassen sich
gedankenlosen Mitmachen bei Handlungen führen, die einem auf sich selbst also, wenn sie im Sinne des obigen Textes konkretisiert werden - was bei
gestellten Täter nie in den Sinn kämen. Ein organisationstypisches Phänomen Schroeder und Heinrich kaum geschieht - , in das Konzept der Organisa-
tionsherrschaft als Teilelemente der Tatherrschaft integrieren. 593
Einzelne Autoren bejahen zwar eine mittelbare Täterschaft der Hinter-
zept" der Organisationsherrschaft, das er materiell für richtig hält, „weil das Handlungs- männer, stützen diese aber nicht auf die Organisationsherrschaft, sondern auf
programm die einzelnen Werkzeuge nicht zu individualisieren braucht, sondern sich auf
deren allgemeines Zusammenwirken als .Apparat' beziehen und beschränken kann" ( N K 2 , andere Gesichtspunkte. So meint Hoyer 5 9 4 - im Gegensatz zur hier vertrete-
2005, § 25, Rn. 59). Er glaubt freilich auf G r u n d seiner speziellen Deutung der §§ 2 5 ^ . nen Meinung - Tatherrschaft sei „mehr als Erfolgsherrschaft. Da dem mittel-
(dazu oben A VII), daß der Organisationsherr „gesetzlich als Teilnehmer qualifiziert wer- baren Täter das Verhalten des Tatmittlers zugerechnet wird, muß er zunächst
den" müsse ( N K 2 , 2005, § 25, Rn. 62).
585
MK, 2003, § 25, Rn. 123.
586
Eine nähere Auseinandersetzung mit verschiedenen Thesen dieser Autoren findet sich in
meinem Beitrag in der Fr.-Chr. Schroeder-Festschrift, 2006, 385 ff.
587 Der Täter hinter dem Täter, 1965, 168.
Schlösser, Soziale Tatherrschaft, 2004, 333; ganz ähnlich - und unabhängig von ihm -
Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, 2004, 164, 187. Rechtsgutszugriff, 2002, 273.
588
Zusammenfassend Schlösser, Soziale Tatherrschaft, 2004, 333. Ich habe das in meinem Beitrag „Organisationsherrschaft und Tatentschlossenheit",
589 Fr.-Chr. Schroeder-Festschrift, 2006, 385 ff., näher ausgeführt.
Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, 2004, 151.
590
Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, 2004, 159. SK 7 ,2000, § 2 5 , R n . 91.
708 709

einmal dessen Verhalten beherrschen." Diese Beherrschung sieht er darin, daß zahlreiche Stimmen treten dafür ein, den Schreibtischtäter am Schalthebel des
„der Vordermann seine eigene Standhaftigkeit angesichts der Vielzahl verfüg- organisatorischen Machtapparates überhaupt nicht als mittelbaren Täter, son-
barer Ersatzursachen für praktisch sinnlos erachten könnte. Der Vordermann dern als Mittäter, als Nebentäter oder Anstifter zu bestrafen.
wird sich subjektiv um so mehr von eigener Verantwortung für den Erfolgs-
eintritt freizusprechen geneigt sein, je wahrscheinlicher der Eintritt desselben
Erfolges auch ohne sein Handeln gewesen wäre." Nach Hoyer handelt es sich b) Die Mittäterschaftsthese
bei diesen Konstellationen nicht um „eine dritte Form der mittelbaren Täter-
schaft", sondern um einen Sonderfall der Willensherrschaft, der sich von Jescheck 599 verfocht bis zur vierten Auflage die schon in den Vorauflagen ver-
ihren anderen Erscheinungsformen nur dadurch abhebt, daß hier das Verant- tretene Meinung, daß „der Mann in der Zentrale, gerade weil er die Organisa-
wortungsprinzip keine Gültigkeit hat.595 Es ist jedoch leicht zu sehen, daß tion beherrscht, Mittäter" ist. Dieses Ausweichen auf die Figur der Mittäter-
Hoyer das Kriterium der Austauschbarkeit des unmittelbar Handelnden schaft beruht auch hier auf der schon wiederholt erwähnten Annahme, daß
lediglich von einem objektiven Element der Geschehensbeherrschung in eine ein „Täter hinter dem Täter" wenigstens insoweit nicht vorstellbar sei, als der
subjektive Gemütsbefindlichkeit des Ausführenden verschiebt. Das ergibt Ausführende selbst wegen vorsätzlicher Tatbegehung verantwortlich gemacht
einen Unterschied in der Formulierung, aber nicht in der Sache. Freilich werden könne. 600 Der Umstand jedoch, daß der „Mann in der Zentrale" die
macht dieser Unterschied eine korrekte Begründung der Tatherrschaft des Ausführung gänzlich dem von ihm vielfach ohne persönliche Kenntnis „ein-
Hintermannes unmöglich. Denn wenn der Ausführende, wie auch Hoyer gesetzten" Werkzeug überläßt, spricht gegen die Annahme einer Mittäter-
einräumt, für sein Tun als Vorsatztäter verantwortlich ist, kann er die Tatherr- schaft, die auch für Jescheck grundsätzlich 601 in der Zusammenarbeit der
schaft nicht dadurch auf den Hintermann abwälzen, daß er sich subjektiv von Beteiligten, d. h. der Gemeinsamkeit des Tatentschlusses und der Ausführung,
eigener Verantwortung freispricht. Als eine von vielen Voraussetzungen beruht; an beidem fehlt es hier. Jescheck 602 hatte dieser Kritik zunächst ent-
erhöhter Tatbereitschaft kann eine solche Überlegung aber in eine Konzep- gegengehalten, die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses werde „durch die
tion der Organisationsherrschaft einbezogen werden. Zugehörigkeit zur Organisation hergestellt". Aber das bedeutet in Wahrheit
Ähnliches gilt für Heinrich, 596 der zur Begründung der mittelbaren Täter- den Verzicht auf einen gemeinsamen Tatentschluß, der weit mehr voraussetzt
schaft nicht auf die von ihm abgelehnte Tatherrschaftslehre, sondern auf sei- als eine gemeinsame Organisationszugehörigkeit. Daher schreibt Jescheck
nen schon oben (S. 684 f.) erörterten Gedanken einer Absenkung der Hemm- nun: 603 „Die Gemeinsamkeit des Tatentschlusses wird durch das Bewußtsein
schwelle beim Ausführenden zurückgreift. Heinrich glaubt, ein „mehr oder der Leitenden und Ausführenden hergestellt, daß eine bestimmte Tat oder
minder verborgenes ... hemmschwellenrelevantes Entscheidungsdefizit" mehrere Taten gleicher Art entsprechend den Weisungen der Leitung vorge-
beim Ausführenden entdecken zu können, das er in der bereits erwähnten nommen werden sollen." Aber „das Bewußtsein ..., daß ... Taten ... entspre-
„organisationstypischen Tatgeneigtheit" erblickt. 597 Der Hintermann bediene chend den Weisungen der Leitung vorgenommen werden sollen", ist auch
sich zur Deliktsbegehung „eines gerade auf Grund seiner Einbindung in die noch kein gemeinsamer Tatentschluß. Entsprechendes gilt für Ottos 6 0 4 These,
Organisation prinzipiell zur unreflektierten Ausführung derartiger Aufträge der Ausführende mache sich „den verbrecherischen Plan konkludent zu
tendierenden Vordermannes", so daß von einem partiellen „Entscheidungs- eigen". Denn das Sich-Zu-Eigen-Machen ist ein einseitiges Handeln, das
verzicht des Vordermannes gesprochen werden" könne. 598 Da ein Verzicht keine Gemeinsamkeit des Entschlusses begründet.
freiwillig erfolgt, läßt sich, wenn man nur auf den Letzthandelnden blickt, In der Erkenntnis, daß es „am gemeinschaftlichen Tatentschluß fehlt",
dessen Beherrschung durch den Hintermann mit einer solchen Überlegung lehnt denn auch Bockelmann eine Mittäterschaft ab. Weil er jedoch den
nicht begründen. Stützt man die mittelbare Täterschaft aber auf die durch den „Täter hinter dem Täter" als eine „schwer nachzuvollziehende Vorstellung"
Apparat gewährleistete Durchsetzungskraft des Hintermannes, wird auch nicht anerkennen mag, will er eine „Nebentäterschaft" annehmen. Dem steht
hier, ähnlich wie bei Schroeder und Hoyer, ein für die Organisationsherr- jedoch entgegen, daß das Ineinandergreifen der einzelnen Handlungen inner-
schäft relevanter Faktor richtig erfaßt. halb eines organisatorischen Machtapparates das unvprbundene Nebenein-
Aber bei der Organisationsherrschaft ist nicht nur die Begründung der
mittelbaren Täterschaft, wie sie vom BGH und in diesem Buch vertreten
wird, bei einzelnen Autoren umstritten. Namhafte, wenn auch nicht sehr
Jescheck, AT 4 , 1988, 607; anders jetzt Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 670. Wie er Bau-
mann/Weber/Mitsch, AT 1 1 , 2003, § 29, Rn. 147; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/103 m. Fn. 190, 191;
d e r s , NStZ 1995, 27; O t t o , Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 92; ders., Jura 2001, 758 ff.
Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 664.
5,5
SK 7 , 2000, § 25, Rn. 92. Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 673 ff.
596
Rechtsgutszugriff, 2002, 271 ff. AT 4 , 1988, 607.
597
Rechtsgutszugriff, 2002, 273. Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 670.
598
Rechtsgutszugriff, 2002, 274 f. Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 92.
710 711

ander-Herlaufen verschiedener Kausalreihen, wie es die Nebentäterschaft aber horizontal (im Sinne gleichgeordneter, gleichzeitiger, „gemeinschaftlich-
kennzeichnet, ausschließt. keitsbegründender" Tätigkeit) strukturiert ist. Mit Recht sagt Bloy: 608 „Wenn
Zu den Vertretern der Mittäterschaftsthese gehört auch Jakobs. 605 Er ent- man es - wie hier - mit eindeutig vertikal koordiniertem Verhalten zu tun hat,
zieht sich dem Einwand, daß ein gemeinsamer Tatentschluß fehlt, dadurch, bei dem die Rolle der Hintermänner von vornherein auf eine völlig fremd-
daß er diesen nicht als Voraussetzung der Mittäterschaft ansieht. Damit setzt händige Tatausführung festgelegt ist, so spricht das deutlich gegen Mittäter-
er sich freilich dem weiteren Einwand aus, auf die gesetzlich geforderte schaft und für mittelbare Täterschaft."
gemeinschaftliche Begehung überhaupt zu verzichten. 606
Im übrigen beruht die Annahme von Mittäterschaft bei Jakobs auf einem
mehr normativen Verständnis von Tatherrschaft, die er als rechtliche Verant- c) Die Annahme einer Anstiftung
wortlichkeit und nicht als reale Herrschaft versteht (vgl. dazu schon oben
S. 658). Eine mittelbare Täterschaft setzt für ihn voraus, daß der Handelnde Die Annahme, daß die Hintermänner, die ihre deliktischen Pläne mit Hilfe
rechtlich unterlegen, d. h. rechtlich nicht oder nicht voll verantwortlich ist. Ist eines von ihnen beherrschten Machtapparates durchsetzen, nicht mittelbare
er aber voll verantwortlich, so kann er nach dieser Lehre kein Werkzeug sein. Täter und auch nicht Mittäter, sondern Anstifter seien, hatte vor der Ent-
Jakobs leugnet nicht die Austauschbarkeit der unmittelbar Handelnden und scheidung BGHSt 40, 218, die die Annahme einer mittelbaren Täterschaft in
die sich daraus ergebende „Automatik" der Befehlsausführung. Doch sei dies der Rechtsprechung durchgesetzt hat, keine Anhänger mehr. Seither hat sie
nur ein belangloses „naturalistisches Datum" 6 0 7 . Bei gleicher Verantwortung wieder einige Befürworter gefunden. So sagt Herzberg 609 jetzt im Gegensatz
komme nur eine Gleichstellung im Wege der Mittäterschaft in Frage. Wir zu der bisher von ihm vertretenen Auffassung: 610 „Hitler, Himmler und
haben hier also wieder eine Spielart der Auffassung vor uns, die einen „Täter Honecker haben die Tötungsdelikte, die sie befahlen, nicht als Täter began-
hinter dem verantwortlichen Täter" generell ablehnt. gen, sondern als Anstifter veranlaßt." Ähnlich sagt Köhler:611 „In den Fällen
Doch überzeugt das auch in diesem Fall nicht. Strafrechtliche Begriffe bestimmender .Organisationsherrschaft' kommt Anstiftung in Betracht."
müssen an gesetzliche Leitbilder anknüpfen, die eine normative Überfor- Beide Autoren fußen wie Jakobs auf einer rein normativierenden Betrach-
mung realer Geschehensstrukturen darstellen. Leitbild der Mittäterschaft ist tungsweise. Die wirkliche Herrschaft und Steuerungsmacht der Hinter-
aber nicht die Verantwortlichkeit der Beteiligten; denn gleichermaßen verant- männer wird von ihnen als „faktizistisch" oder „naturalistisch" und damit als
wortlich ist auch der Anstifter, der deshalb doch nicht Mittäter ist. Das gleichgültig beiseite geschoben. Statt dessen soll die strafrechtliche Verant-
gesetzliche Leitbild ist vielmehr, wie sich schon aus dem Wortlaut des §25 wortlichkeit des Ausführenden eine mittelbare Täterschaft von vornherein
Abs. 2 StGB ergibt, die Gemeinschaftlichkeit der Begehung. Gegen dieses ausschließen. Herzberg 612 spricht ganz offen von einer „krassen Unverein-
Leitbild verstößt die Annahme von Mittäterschaft nicht nur durch das schon barkeit" der „faktizistischen" und der „normativen" Auffassung: „Der
erörterte Fehlen des gemeinsamen Tatentschlusses, sondern auch noch aus Versuch, Täterschaft über die reale Steuerungsmacht zu bestimmen, muß
zwei weiteren Gründen, die nicht nur Jakobs, sondern auch den übrigen Ver- gänzlich aufgegeben werden." Wenn man in dieser Weise die „reale Steue-
tretern der Mittäterschaftsthese entgegenzuhalten sind. rungsmacht" für nebensächlich erklärt, hat man das Prinzip der Tatherrschaft
Erstens nämlich fehlt neben dem gemeinsamen Tatentschluß auch eine in Wahrheit aufgegeben. Ähnlich wie Herzberg äußert sich auch Köhler:
gemeinsame Ausführung, die nach umstrittener, aber richtiger Auffassung „Soweit auf die Austauschbarkeit des einzelnen in der arbeitsteiligen Tatorga-
ebenfalls ein konstitutives Element der Mittäterschaft ist. Der Schreibtisch- nisation abgestellt wird, ändert dies nichts an dessen konkreter Verantwor-
täter führt selbst nicht aus, er „macht sich nicht die Hände schmutzig", son- tung, verschafft daher dem Hintermann keine täterschaftliche Stellung."
dern er bedient sich ausführender Organe. Es sprengt die Grenzen der Mit- Grundlage dieser Konstruktion ist also auch hier das Autonomieprinzip und
täterschaft und verwischt jede Abgrenzung gegenüber der mittelbaren
Täterschaft und der Anstiftung, wenn man die Veranlassung einer Tat in die
Mittäterschaft einbezieht. 608
G A 1996,440.
Zweitens überspielt die Mittäterschaftsthese den entscheidenden Struktur- 609
Mittelbare Täterschaft und Anstiftung in formalen Organisationen, in: Amelung (Hrsg.),
unterschied zwischen mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft. Er besteht 2000, Individuelle Verantwortung, 33 (48). Dazu meine „Anmerkungen zum Vortrag von
Prof. Dr. Herzberg" und Herzbergs „Antwort auf die Anmerkungen" im selben Band,
darin, daß die mittelbare Täterschaft vertikal (im Sinne eines Verlaufes von
55 f., 57ff.
oben nach unten, vom Veranlasser zum Ausführenden), die Mittäterschaft 610
Täterschaft und Teilnahme, 1977, 34 f.
611
AT, 1997, 510. Da er eine mittelbare Täterschaft außerhalb der Fälle des Tatirrtums über-
haupt ablehnt, ist das freilich im Kontext seiner Gesamtkonzeption selbstverständlich. Zur
Auseinandersetzung damit vgl. oben S. 662 ff. Entsprechendes gilt für die Auffassung von
605
AT 2 , 1991, 21/103 mit Anm. 190, 191; ders., NStZ 1995, 26f. Noltenius (vgl. oben S. 663, Anm. 375), die konsequenterweise ebenfalls zur Annahme
606
Näher dazu unten S. 723 f. einer Anstiftung kommt.
607 6,2
NStZ 1995,27. in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, 2000, 48.
712 713

damit die prinzipielle Ablehnung des „Täters hinter dem Täter". Das gilt eine Anstiftung ausweichen, beruhen letztlich auf einer durch ein verabsolu-
auch für Renzikowski, 613 der als weiterer Vertreter der Anstiftungslösung tiertes Autonomieprinzip erzwungenen Verengung des Verständnisses von
hervorgetreten ist. Er leugnet sowenig wie Köhler die Tatherrschaft des Tatherrschaft, die den realen Machtverhältnissen Gewalt antut. Köhler ist
Befehlsgebers, erklärt sie aber für irrelevant: 614 „Der Hintermann besitzt insofern konsequenter, als er die Tatherrschaft als Kriterium mittelbarer
zwar durch den Apparat garantierte Möglichkeiten, seine Pläne unabhängig Täterschaft von vornherein nicht anerkennt. 618 Indem aber Renzikowski nur
von der Person des Ausführenden zu verwirklichen. Diese Chancen können darauf abstellt, ob die - dem Hintermann gleichgültige und unbekannte -
jedoch die fehlende tatsächliche Beherrschung im Einzelfall nicht ersetzen, Person des zufällig Ausführenden beherrscht wird, blendet er die durch den
wenn man nicht das Fundament der Tatherrschaftslehre insgesamt sprengen Apparat gewährleistete Herrschaft (die von ihm selbst anerkannte „garan-
will." Auch Kutzner 615 tritt für eine Anstiftung ein, weil er den „Täter hinter tierte Möglichkeit" der Tatbestandsverwirklichung) aus dem Herrschafts-
dem Täter" grundsätzlich ablehnt. Man dürfe diese Fälle nicht „rein begriff aus. Sein Einwand, 619 „hypothetische Handlungen Dritter" seien im
faktisch" 616 als solche der mittelbaren Täterschaft beurteilen, weil das Gesetz Strafrecht nicht zu berücksichtigen, verkennt, daß das Funktionieren des
für solche Fälle die Beteiligungsformen der Anstiftung oder Beihilfe vorsehe. Apparates eine Realität und keine Hypothese ist.620 Wenn Hitler oder Stalin
Der Gesetzgeber hat aber gerade die Frage, ob es einen Täter hinter dem voll- ihre Gegner umbringen ließen, dann war das ihr Werk (wenn auch nicht allein
deliktischen Täter geben kann, nicht entscheiden, sondern der weiteren ihr Werk). Zu sagen, sie seien nicht die Täter ihrer Taten, sondern hätten sich
Klärung durch die Wissenschaft überlassen wollen. auf die Anstiftung anderer beschränkt, widerspricht den sachgerechten Prin-
In diesen Chor stimmt auch Rotsch 617 ein. Er bringt meine Konzeption auf zipien sozialer, historischer und auch juristischer Täterzurechnung. Selbst
die zutreffende Formel: „Organisationsherrschaft setzt keine Beherrschung Jakobs 621 ist bei allem Normativismus „naturalistisch" genug, um zu beken-
der tatbestandsmäßigen Handlung mehr, sondern allein noch eine Beherr- nen: „Das Vorliegen von Herrschaft", die er freilich als Mitherrschaft ansieht,
schung des tatbestandsmäßigen Erfolges voraus." Er räumt ein, daß gerade in „läßt sich in solchen Fällen nicht bezweifeln." Wer dennoch Anstiftung an-
dieser Besonderheit ein ausreichender Grund dafür liegen könne, die Organi- nehmen will, muß sich von der Tatherrschaftslehre verabschieden und Täter-
sationsherrschaft als eine eigenständige Form mittelbarer Täterschaft neben schaft und Teilnahme nach anderen Gesichtspunkten abgrenzen. Daß aber die
die Nötigungs- und die Irrtumsherrschaft zu stellen. Er plädiert dann aber Autonomie des Ausführenden als ausschließliches Abgrenzungskriterium un-
doch für Anstiftung anstelle einer mittelbaren Täterschaft mit der Begrün- geeignet ist, wurde schon gezeigt (oben S. 678 ff.).
dung, „daß mit einer allein auf den Erfolg bezogenen, von der Vornahme der Das Ergebnis wird durch einen Vergleich mit den Fällen wirklicher Anstif-
tatbestandsmäßigen Handlung losgelösten Tatherrschaft von der mit rechts- tung bestätigt. Der Anstifter muß sich einen Täter erst suchen, der Schreib-
staatlichen Erwägungen begründeten Forderung Roxins, der Täter sei die tischtäter braucht nur den Befehl zu geben; der Anstifter muß mit dem
Zentralgestalt bei der Verwirklichung der tatbestandsmäßigen Ausführungs- potentiellen Täter Kontakt aufnehmen, ihn für seinen Plan gewinnen und ggf.
handlung, nichts mehr übrig bleibt". Denn die Handlung des Hintermannes seinen Widerstand überwinden; dem Befehlenden in der Hierarchie eines
werde „vollständig von der eigentlichen Tatbestandsverwirklichung entkop- Machtapparates bleibt das erspart. Auch ist nicht zu verkennen, daß Hitler
pelt". Daß bei Massenvernichtungsaktionen der Anordnende als „Zentralge- und vergleichbare Diktatoren mit Hilfe des ihnen zur Verfügung stehenden
stalt" erscheint, entspricht jedoch dem phänomenologischen Befund voll- Apparates ein Zerstörungs- und Rechtsverletzungspotential entbinden konn-
kommen. Seine Tatbestandsverwirklichungshandlung ist die Betätigung des ten, das mit dem eines normalen Anstifters nicht entfernt vergleichbar ist.
Vernichtungsapparates, die keineswegs als von ihren beabsichtigten Folgen Wenn man ihre Herrschaftsgewalt mit dem Einfluß eines Anstifters auf eine
„entkoppelt" erscheint. Daß daneben auf Grund einer anderen Erscheinungs- Stufe stellt, werden gewaltige Sachunterschiede normativistisch simplifizie-
form von Tatherrschaft auch der unmittelbar Handelnde in das Zentrum des rend eingeebnet. Das belegt schon der Sprachgebrauch: Er redet selbstver-
Geschehens rückt, ist richtig, entspricht aber auch den Sachgegebenheiten. ständlich vom „Schreibtischtäter" und nicht vom „Schreibtischanstifter".
Denn jeder kriminelle Apparat ist auf Schreibtischtäter und Schergen glei- Vereinzelt wird bestritten, daß die Möglichkeit, sich eines organisatori-
chermaßen angewiesen. schen Machtapparates zu bedienen, dem Hintermann eine größere Erfolgsbe-
Alle diese Lehren, die eine Erfolgsbeherrschung durch den Hintermann für herrschung vermittle wie die schlichte Anstiftung. 622 Das widerspricht aller
eine mittelbare Täterschaft nicht ausreichen lassen wollen und statt dessen auf

18
Zur Ablehnung seines Standpunktes vgl. näher oben S. 663 f.
613 19
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 87 ff. Zur Auseinandersetzung mit ihm und dem Autono- Restriktiver Täterbegriff, 1997, 89.
!0
mieprinzip vgl. schon oben S. 681 ff. Ganz abgesehen davon, daß hypothetische Verläufe zwar an der Kausalität nichts ändern,
6.4
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 89. die Zurechnung aber sehr wohl beeinflussen können.
6.5 !1
Rechtsfigur, 2004, 260f. NStZ 1995,27.
616 12
Rechtsfigur, 2004, 264. So vor allem Rotsch, N S t Z 2005, 14, im Anschluß an Herzberg, in: Amelung (Hrsg.), Indi-
6,7 viduelle Verantwortung, 2000, 39.
N S t Z 2 0 0 5 , 16.
714 715

historischen Erfahrung. Mit Recht betont Ambos 6 2 3 „die im tatsächlichen macht des unmittelbar Ausführenden nicht lediglich „weniger anschaulich",
wurzelnde Unvergleichbarkeit des Verhaltens des Organisators und Befehls- sondern schlichtweg nicht vorhanden ist. Und auch beim Schießbefehl an der
habers von Massenverbrechen mit dem eines bloßen Anstifters zu bestimm- „Mauer" wird die Organisationsleitung die Grenzbewachung schwerlich so
ten Taten". Rotsch 624 versucht, meine These durch ein konstruiertes Beispiel einrichten, daß ein einzelner Soldat Flüchtlinge unbemerkt entkommen lassen
zu widerlegen: „Wenn der ... Politiker P bei einer Kundgebung vor 500 seiner kann; vielmehr setzt ein funktionierender Apparat ein System wechselseitiger
- nicht in eine Organisation eingebundenen - fanatischen Anhänger diese Überwachung voraus. Wenn es aber wirklich einmal so sein sollte, daß ein
dazu auffordert, den mißliebigen Konkurrenten X zu töten und dafür eine mit der unmittelbaren Ausführung Beauftragter die Möglichkeit hat, das
Belohnung von 1 Million US $ verspricht, kann er sich der Ausführung der Opfer entkommen zu lassen und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch
Tat ebenso sicher sein wie derjenige, der zur Tatbegehung auf den ,regelhaften macht, so wird damit nicht mehr bewiesen, als daß eine mittelbare Täter-
Ablauf eines organisierten Apparates vertraut." Abgesehen davon, daß das schaft, wie bei ihren sonstigen Erscheinungsformen, so auch hier, im Versuch
Beispiel nicht gerade einen typischen Anstiftungsfall darstellt (da die „fanati- steckenbleiben kann. Zutreffend betont der B G H (BGHSt 40, 236): „... bei
schen Anhänger" sich ihrem „Führer" offenbar so verpflichtet fühlen wie Einsatz irrender oder schuldunfähiger Werkzeuge sind Fallgestaltungen häu-
sonst nur die Mitglieder einer Organisation), ist der Sachverhalt wenig geeig- fig, bei denen der mittelbare Täter den Erfolgseintritt weit weniger in der
net, eine der Organisationsherrschaft gleichende Erfolgssicherheit darzutun. Hand hat als bei Fällen der beschriebenen Art". Mittelbare Täterschaft setzt
Denn eine solche „Kundgebung" würde zur Verhaftung des Redners und zur nicht voraus, daß sie ausnahmslos erfolgreich ist.
polizeilichen Beschützung des potentiellen Opfers führen. Außerdem würde
kein Politiker sich so verhalten, weil ihm bei einer Ausführung seiner Auffor-
derung eine lebenslängliche und selbst bei deren zu erwartendem Fehlschlag d) Ausdehnung der „ Organisationsherrschaft" auf Wirtschaftsunternehmen ?
eine langjährige Freiheitsstrafe sicher wäre. Eine Gleichsetzung von Anstif-
tung und Organisationsherrschaft geht also an der Realität vorbei. Ein durch die neuere Rechtsprechung aktuell gewordenes Sonderproblem
Richtig ist, daß nur eine Anstiftung vorliegt, wenn der Leiter einer Organi- liegt darin, ob die mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtappa-
sation sich eines Spezialisten bedient, der allein über das zur Ausführung der rate auch auf hierarchische Strukturen in Wirtschaftsunternehmen übertragen
Tat erforderliche Know-how verfügt.625 Aber das begründet keinen Einwand werden kann. Insoweit kann auf die Darstellung und Analyse der Judikatur
gegen die Konstruktion der Organisationsherrschaft. 626 Denn ein solcher Spe- im Rechtsprechungsteil (§43, S. 612 m.w.N.) verwiesen werden. In der Lite-
zialist gehört entweder der Organisation überhaupt nicht an, oder er ist uner- ratur hat diese Entwicklung bei einigen Autoren Zustimmung, 628 ganz über-
setzbar. So oder so liegt hier also kein Fall von Organisationsherrschaft vor; wiegend aber Ablehnung gefunden.629 Und das mit Recht: Denn zwar lassen
zu einer mittelbaren Täterschaft kann dann nur eine Bedrohung mit den Mit- sich die von mir aus Anlaß der NS-Gewaltverbrechen mit ihren massenhaften
teln des §35 führen. Verfügt freilich eine Organisation über zahlreiche glei- Tötungen beschriebenen Kriterien der Organisationsherrschaft - die Rechts-
chermaßen geeignete „Spezialisten", ist der „regelhafte Ablauf" und damit die gelöstheit des Apparates 630 und die Austauschbarkeit der unmittelbar Han-
Tatherrschaft des Befehlsgebers wiederum gesichert. delnden - auf manche Erscheinungsformen organisierter oder terroristischer
Ein weiterer Einwand, der gegen die Geschehensbeherrschung durch den
628
Hintermann und für die Anstiftung ins Feld geführt wird, geht dahin, daß der Krekeler, Hanack-Festschrift, 1999, 651; Kuhlen, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verant-
wortung, 2002, 71 (79ff.); ders., BGH-Festgabe, 2000, 671 f.; Ransiek, Unternehmensstraf-
Ausführende die Tat sehr wohl verhindern könne. So sagt etwa Herzberg: 627 recht, 1996, 46ff.; Schild, Täterschaft, 1994, 23.
„Soweit sich der Ausführungsbeauftragte gegen das Verbrechen der Tötung 629
Ambos, G A 1998, 226, 239; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002,
eines Menschen entscheidet, hindert er den Veranlasser ... auf dessen Weg 251 ff.; Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 73; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25,
zum Verbrechensziel. Besonders anschaulich wird das beim Grenzsoldaten, Rn. 25a; Heine, Grenzüberschreitungen, 1995, 61 ff.; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 131 f.;
Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 73, b-d; Küpper, G A 1998, 525; Merkel, ZStw" 107 (1995), 555;
der absichtlich danebenschießt und den Flüchtenden entkommen läßt." Dazu
Murmann, G A 1996, 278ff.; O t t o , Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 92; ders., Jura 2001, 759;
ist zu sagen, daß in den meisten Fällen der Organisationsherrschaft - man Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, 1997, 90 ff.; Rotsch, N S t Z 1998, 493 ff.; ders., NStZ
denke nur an die KZ-Morde, an ethnische „Säuberungen" und die Liquida- 2005, 16ff.; Roxin, AT/2, 2003, § 25, Rn. 129ff.; ders., BGH-Festgabe, 2000, 192ff.; Schulz,
tion von Regimegegnern durch Einsatzkommandos - die Verhinderungs- JuS 1997, 113; Schünemann, BGH-Festgabe, 2000, 631.
hi0
Zum Kriterium der „Rechtsgelöstheit" vgl. die Auseinandersetzung zwischen Ambos, G A
1998, 243ff., und mir, Grünwald-Festschrift, 1999, 549ff. Gegen das Kriterium der Rechts-
gelöstheit anschließend Rotsch, ZStW 112 (2000), 533 ff.; eindringlich dafür Figueiredo
623
Der allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, 2 2004, 593. Dias, Huelva-Sammelband, 1999, 99 ff. Zusammenfassend wieder Ambos, Der Allgemeine
624
NStZ2005,14. Teil des Völkerstrafrechts, 2 2004, 606 ff., w o auch noch weitere Anhänger der von mir ver-
625
Schroeder, JR 1995, 178; Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, 2 2004, 598; tretenen Auffassung angeführt werden. Für die weitreichende Rezeption des von mir ent-
Freund, AT, 1998, § 10, Rn. 92. wickelten Kriteriums der Rechtsgelöstheit in den letzten Jahren vgl. auch die Belege oben
626
Dazu auch Rotsch, NStZ 2005, 14f. im Text. Zur Verteidigung des Kriteriums der Rechtsgelöstheit gegen neuere Einwände
627
in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, 2000, 39. Roxin, Fr.-Chr. Schroeder-Festschrift, 2006.
716 717

Kriminalität anwenden. Sie gelten aber nicht bei Wirtschaftsunternehmen und tretene restriktive Auslegung der mittelbaren Täterschaft durch organisatori-
anderen Organisationen, die im Rahmen des geltenden Rechts agieren. Wenn sche Machtapparate von der h. M. geteilt wird.
z. B. in einem Betrieb ein Abteilungsleiter einen Angestellten zu einer Urkun- Gleichwohl bleibt die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Leitungsper-
denfälschung auffordert, ist er im Begehungsfall nur Anstifter der vom An- sonen für Delikte, die in ihrem Verantwortungsbereich von Untergebenen
gestellten täterschaftlich begangenen Tat. Denn bei einer auf der Basis des begangen werden, ein Problem. Es läßt sich mit der Rechtsfigur der Anstif-
Rechts arbeitenden Organisation kann erwartet werden, daß rechtswidrige tung nicht befriedigend lösen, weil die Fälle unzureichender Aufsicht und des
Anweisungen nicht befolgt werden, wie dies z.B. die Beamtengesetze aus- Geschehenlassens dadurch nur unzureichend erfaßbar sind. Schünemann 638
drücklich vorschreiben. Ein plastisches Beispiel für eine Überdehnung der und Munoz Conde 6 3 9 wollen deshalb eine auf Unternehmenskriminalität
mittelbaren Täterschaft bei der Anwendung auf hierarchisch gegliederte beschränkte Form der Mittäterschaft annehmen, die Schünemann aus der
Beziehungen liefert die bekannte Behandlungsabbruch-Entscheidung BGHSt „doppelten Mitwirkung eines Garanten (zugleich als Unterlassungsbeteiligter
40, 257, die oben (Nr. 39, S. 612 f.) näher behandelt worden ist. und als aktiver Teilnehmer)" erklärt.
Die hier gegebene Begründung für den Ausschluß von Organisationsherr- Aber das kann auch nicht befriedigen, weil ein Hintergrundsverhalten, das
schaft bei prinzipiell im Rahmen des geltenden Rechts arbeitenden Organisa- den Anforderungen der mittelbaren Täterschaft nicht genügt, deshalb nicht
tionen (Wirtschaftsbetriebe, Krankenhäuser, Behörden) ist in der Literatur ohne weiteres zur Mittäterschaft aufgewertet werden darf, die richtigerweise
auf breite Zustimmung gestoßen. So machen Sch/Sch/Cramer/Heine 631 auf Tatbeiträge im Ausführungsstadium zu beschränken ist (vgl. S. 725 ff.).
sowohl die Rechtsgelöstheit wie das Fungibilitätskriterium zur Vorausset- Auch sind ein gemeinsamer Tatentschluß und eine gemeinsame Begehung in
zung der Organisationsherrschaft. Joecks sagt:632 „Roxin hat zu Recht darauf vielen einschlägigen Fällen nicht nachweisbar.
hingewiesen, daß Voraussetzung für die Organisationsherrschaft der Um- Wenn man den letztlich verantwortlichen Hintermann als Täter bestrafen
stand ist, daß sich ein vom Hintermann betätigter Machtapparat als ganzer will, ist das nur möglich, indem man ihm eine Garantenstellung zuschreibt, die
von den Normen des Rechts gelöst hat." Otto 6 3 3 konstatiert: „Wirtschafts- ihn nach den Regeln der Pflichtdelikte (s. u. S. 739 ff.) zum Täter macht, einer-
unternehmen sind keine ,Machtapparate* ..., in denen die Geltung des staat- lei, ob sein Tatbeitrag in einem Tun oder in einem bloßen Geschehenlassen
lichen Rechts außer Kraft gesetzt ist." Merkel betont: 634 „Diese Form mittel- besteht, für dessen Nichteintritt er einzustehen hat.640 Das geltende StGB hat
barer Täterschaft wurde von ihrem ,Entdecker' Roxin aus guten Gründen mit eine solche Regelung für Amtsträger bereit in § 357 vorgesehen. Man könnte
dem Etikett ,kraft organisatorischer Machtapparate' versehen und für Fälle sie auf weisungsberechtigte Vorgesetzte in einem Unternehmen oder Betrieb
flächendeckenden staatlichen Terrors entwickelt." Sie tauge nicht „zur dog- erstrecken. Bottke hat dazu einen Gesetzesvorschlag unterbreitet. 641 Oder
matischen Bewältigungsinstanz für jedes Autoritätsgefälle zwischen den man könnte sich dem Vorschlag von Tiedemann 642 anschließen, der für ein
Beteiligten einer Straftat". Schünemann 635 sagt eher noch etwas weiter einen- europäisches Modell-Strafgesetzbuch die eigene Täterschaftsform der „Ver-
gend: „Für die mittelbare Täterschaft durch Benutzung eines organisatori- antwortlichkeit für fremdes Verhalten" entwickelt hat. Auch der Entwurf
schen Machtapparates sollte man ein erhebliches Übergewicht des Hinter- eines Corpus Juris zum Schutz der Finanzinteressen der EU enthält in Art. 13
mannes fordern und deshalb nicht nur mit Roxin eine Loslösung der schon eine derartige Regelung: „Wird eine Straftat für Rechnung eines Unter-
Organisation vom Recht, sondern - was vielleicht im Begriff des Machtappa- nehmens von einer Person begangen, die der Autorität des Unternehmenslei-
rates schon mitgedacht ist - auch dessen Einbettung in ein System der Gewalt- ters oder einer anderen mit Entscheidungs- oder Kontrollmacht im Unter-
ausübung verlangen." Bosch 636 resümiert: „Die Annahme mittelbarer Täter- nehmen ausgestatteten Person untersteht, so ist auch der Unternehmensleiter
schaft bleibt ... auf totalitäre Staaten, Verbrecherbanden und mafiaähnliche oder der Entscheidungs- oder Kontrollträger strafrechtlich verantwortlich,
Strukturen beschränkt." Bei Hoyer 637 lesen wir: „Bei vollverantwortlichem wenn er von der Begehung der Straftat Kenntnis hatte, Anweisung zu ihrer
Handeln des Weisungsempfängers erscheint ... im privatwirtschaftlichen Begehung gab, die Straftat geschehen ließ oder die erforderlichen Kontroll-
Bereich für den Weisungsgeber allein eine Strafbarkeit als Anstifter unproble- maßnahmen unterließ." Alle diese Bemühungen zeigen, daß die Willensherr-
matisch." Die Zitate ließen sich leicht vermehren und zeigen, daß die hier ver- schaft kraft organisatorischer Machtapparate nicht die, geeignete Rechtsfigur
zur dogmatischen Bewältigung der hier liegenden Probleme ist.
631
Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 25a.
632
MK, 2003, § 25, Rn. 32.
633
Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 92.
634 BGH-Festgabe, 2000, 632.
ZStW 107 (1995), 555/556.
635 Roxin-Festschrift, 2001, 623 f.
BGH-Festgabe, 2000, 630f. Ähnlich Bottke, JuS 2002, 323, der eine mittelbare Täterschaft
kraft organisatorischer Machtapparate nur bei „Atrozität", d.h. „bei unrechtsstaatlich Skeptisch gegenüber allen Versuchen dieser Art Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf-
organisierten Menschenrechtsverletzungen gravierendster Art", gelten lassen will. recht, 2004, 245 ff., der für eine Verbandsstrafbarkeit eintritt.
636
Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002, 234. JuS, 2002, 324.
637
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit innerhalb von Weisungsverhältnissen, 1998, 29. Nishihara-Festschrift, 1998, 496 ff.
718 719

6. Das absichtslose dolose Werkzeug kann, ist eine Frage der Auslegung des Absichtsbegriffes in §242. Man wird
diese Frage richtigerweise verneinen müssen. Denn wenn dem unmittelbar
Der Tatbestand der Zueignungsdelikte (§§242, 246 StGB) hatte bisher nur Handelnden die Drittzueignung als erwünschtes Mittel zur Erreichung eines
das Sich-Zueignen, aber keine Drittzueignung gekannt. Wenn also ein Hin- weitergehenden Endzwecks ansieht, unterfällt auch dies noch dem Absichts-
termann einen anderen aufforderte, ihm eine fremde Sache zu stehlen und der begriff.645 Man wird also sagen müssen, daß das Problem des absichtslosen
Aufgeforderte diesem Wunsch aus Gefälligkeit nachkam, fehlte dem Wegneh- dolosen Werkzeugs heute nicht mehr existiert. Selbst wenn man aber in die-
menden nach verbreiteter Ansicht die Absicht, die im Interesse eines anderen sem Punkt anderer Meinung sein sollte, würde diese Konstruktion in den ver-
entwendete Sache sich zuzueignen, so daß er nicht als Täter eines Diebstahls bleibenden Restfällen keine praktische Bedeutung mehr erlangen können.
bestraft werden konnte. Nach überlieferter Auffassung wurde deshalb der Dagegen gibt es sehr wohl auch heute noch eine mittelbare Täterschaft
Hintermann als mittelbarer Täter eines Diebstahls und der Ausführende als durch Benutzung eines absichtslosen undolosen Werkzeugs. In diesen Fällen
Gehilfe in Gestalt eines absichtslosen dolosen Werkzeugs bestraft. Diese weiß der unmittelbar Handelnde nicht, daß er zur Begehung eines Diebstahls
Konstruktion war im vorliegenden Buch schon immer als mit der Tatherr- mißbraucht wird. So liegt es z. B., wenn jemand einen anderen verleitet, ihm
schaftslehre unvereinbar abgelehnt worden (vgl. oben S. 258 f., 338-347). durch Wegnahme eine fremde bewegliche Sache zu beschaffen, die er angeb-
Denn die Aufforderung des Hintermannes entspricht nur einer Anstiftung, lich nur zu vorübergehendem Gebrauch, in Wahrheit aber in der Absicht
weil die Entscheidung über die Begehung des Diebstahls und damit die Tat- rechtswidriger Zueignung an sich bringen will. Hier ist der Hintermann mit-
herrschaft allein beim Ausführenden liegt. telbarer Täter. Denn ob der Ausführende schon den Vorsatz des Hinterman-
Ich hatte von jeher (oben S. 341 ff.) eine Anstiftung des Hintermannes nes (etwa bezüglich der Fremdheit der Sache) oder erst dessen Zueignungsab-
angenommen mit der Begründung, daß auch die Drittzueignung ein „Sich- sicht verkennt, ist für die Irrtumsherrschaft des Verleitenden gleichgültig. So
Zueignen" sei, weil der Ausführende durch die Weitergabe an den Auftrag- oder so weiß das Werkzeug nicht, daß es für einen Diebstahl benutzt wird.
geber wie ein Eigentümer über die Sache verfüge. Diese Auffassung hatte in Entsprechendes gilt, wenn der Hintermann dem Ausführenden vorspiegelt,
der Literatur zwar zahlreiche Anhänger gewonnen (vgl. 6. Auflage, S. 655, er habe einen fälligen, nicht einredebehafteten Anspruch auf die Sache, die für
Anm. 362), sich aber im Schrifttum und in der Rechtsprechung (BGHSt 41, den Hintermann wegzunehmen er ihn auffordert. Denn wenn man mit der
187 ff., Großer Senat) gleichwohl nicht vollständig durchsetzen können. Auch herrschenden und zustimmungswürdigen Meinung beim Vorliegen eines sol-
der Ausweg, den Hintermann wegen Unterschlagung und den Ausführenden chen Anspruchs die Rechtswidrigkeit der Zueignung verneint, fehlt dem sol-
als Gehilfen dieser Tat zu bestrafen,643 war durchaus unbefriedigend, weil chermaßen Getäuschten bei der von ihm vollzogenen Wegnahme die Absicht
dabei das Wegnahmeunrecht der Tat völlig unerfaßt blieb. rechtswidriger Zueignung. Er erfüllt deshalb nicht den subjektiven Tatbe-
Der Gesetzgeber des 6. Strafrechtsreformgesetzes vom 26.1.1998 hat nun- stand, und der Hintermann ist als Inhaber der Irrtumsherrschaft mittelbarer
mehr erfreulicherweise den Wortlaut der §§ 242, 246 StGB im Sinne der hier Täter.646
schon seit der ersten Auflage vertretenen Auffassung geändert, indem er es
jeweils genügen läßt, daß der Täter die Sache „sich oder einem Dritten rechts-
widrig zueignet". Vom hier vertretenen Standpunkt aus ist das keine mate- III. Die funktionelle Tatherrschaft
rielle. Änderung des Gesetzes, sondern nur eine Klarstellung des Inhalts, daß
auch die Weitergabe der Sache an einen Dritten beim Vorliegen der Tatherr- 1. Zur Grundkonzeption
schaft eine täterschaftliche Zueignung ist.
Es stellt sich die Frage, ob nach der Gesetzesänderung ein absichtsloses Der Begriff der „funktionellen Tatherrschaft", durch den ich versucht habe, 647
doloses Werkzeug überhaupt noch möglich ist; im Verneinensfall hat sich das die Mittäterschaft zu charakterisieren, ist in der Literatur vielfach übernom-
Problem einer etwaigen mittelbaren Täterschaft auch für die h. L. erledigt. men worden. 648 Der Sache nach entspricht die Annahme, daß ein „arbeitsteili-
Eine verbreitete Ansicht 644 hält trotz Drittzueignung das Fehlen einer darauf
gerichteten „Absicht" für möglich und steht dann wieder vor der Frage, ob
der Hintermann als mittelbarer Täter bestraft werden kann. Die nur mühsam Vgl. Roxin, AT/1 \ 2006, § 12, Rn. lOff.
zu konstruierenden Beispiele betreffen Fälle, in denen der Drittzueigner in Vgl. zu dieser Konstellation auch Krüger, Jura 1998, 616, der aber zu Unrecht von einem
absichtslosen „dolosen" Werkzeug spricht und die Konstruktion einer mittelbaren Täter-
erster Linie den Eigentümer schädigen oder sich Ärger mit seinem Auftrag- schaft „sehr fragwürdig" nennt, was sie aber wegen des fehlenden Diebstahlsdolus beim
geber ersparen will. Ob daran jedoch eine Drittzueignungsabsicht scheitern Ausführenden nicht ist.
O b e n S. 275-305. Die dortigen Ausführungen habe ich fongeführt in L K " , 1993, § 25,
Rn. 153 ff.; AT/2, 2003, § 25, Rn. 188 ff. sowie in meinem Aufsatz „Die Mittäterschaft im
643
Vgl. dazu m . w . N . die 6. Auflage, S. 655, bei und in Anm. 363. Strafrecht", JA 1979, 519.
644
Vgl. die Monographie von N o a k , 1999, über „Drittzueignung und 6. Strafrechtsreform- Eser, StrafR II 3 , 1980, Fall 37, Rn. 24; Fall 39, Rn. 6; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 38, 81;
gesetz". Ferner etwa Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 56a; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 58a. Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 27, 108; Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 679; Krey, AT/2 2 , 2005,
720 721

ges Zusammenwirken" die Mittäterschaft begründe, der heute allgemein herr- Insbesondere Diaz y Garcia hat eine neue Konzeption der Mittäterschaft
schenden Ansicht. 649 Auch die anders ansetzende, auf die Dringlichkeit der vorgelegt, die auch in Deutschland Aufmerksamkeit verdient. Diaz hält der
Verhaltensnormen abstellende Lehre von Stein 650 sowie die idealistischen von mir entwickelten Konzeption der „funktionellen Tatherrschaft" entgegen,
Konzeptionen von Köhler 651 und Klesczewski 652 kommen zu ganz ähnlichen daß derjenige, der die Tatbestandshandlung nicht selbst ausführe, indem er
Ergebnissen. z. B. das Opfer festhält, damit der andere es erstechen kann, nur eine „negative
Jedoch halten einige Kritiker meinem Ansatz vor, daß er in einseitiger Weise Tatherrschaft" ausübe. Er könne durch Untätigbleiben (also das Nichtfesthal-
nur auf die negative Hemmungsmacht des Mittäters abstelle (er kann bei einer ten des Opfers) das Delikt zum Scheitern bringen, aber niemals den Tatbe-
Betrachtung ex ante durch Nichterbringung seines Beitrages das Delikt zum stand verwirklichen. Dies tue nur der, der den Stich ausführe und damit die
Scheitern bringen), anstatt das positive Element der Mittäterschaft heraus- „positive Tatherrschaft" ausübe. Er will die Mittäterschaft auf die positive Tat-
zuarbeiten. 653 herrschaft beschränken, wie sie etwa vorliege, wenn drei Täter dem Opfer drei
Dolchstiche versetzen, die erst zusammen dessen Tod bewirken. Mir scheint
die Auffassung Diaz' die Mittäterschaft zu sehr einzuschränken, weil die
„positive" Mitwirkung bei der Tatbestandshandlung, wie er sie versteht, meist
§ 26, Rn. 86, 88, 165; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 27; Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25, Rn. 11; selbst schon eine unmittelbare Täterschaft ist (wenn z. B. mehrere Leute nach
Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 49/5; Rudolphi, Bockelmann-Festschrift, 1979, 369,
374; Seelmann, JuS 1980, 574; Stoffers, M D R 1989, 210; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004,
einem gemeinsamen Plan Sachen in Diebstahlsabsicht wegnehmen), die prak-
§ 12, Rn. 93; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 512. Mit der noch zu nennenden Ein- tisch bedeutsamsten Fälle also gerade die sind, die Diaz als Konstellationen
schränkung auch Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 57ff.; Jakobs spricht „in negativer Tatherrschaft aus der Mittäterschaft ausgrenzen möchte.
Anlehnung an die Differenzierung von Roxin" von „Entscheidungsherrschaft" (AT 2 , 1991,
21/25, Anm. 86). Auch die Monographie von Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 369ff., folgt
Außerdem erfaßt die Unterscheidung von positiver und negativer Tatherr-
ganz der hier entwickelten Ansicht. schaft, wie sie bei Diaz auftritt, die Struktur der funktionellen Tatherrschaft
649
Freilich will Schilling in seiner Schrift „Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mit- nicht ganz zutreffend. Denn - um beim Messerstecherbeispiel zu bleiben -
telbaren Täters", 1975, die Mittäterschaft „nur als eine Spielart mehrfacher Einzeltäter- der Festhaltende leistet durch die „Bereitstellung" des Opfers einen genauso
schaft" ansehen (74). Doch ist das, obwohl Schilling sich nicht auf eine bestimmte Täter-
„positiven" Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung wie der Zustechende. Daß
lehre festlegen will, im Grunde nur mit einer rein kausalen Auffassung zu vereinbaren, die
zum extensiven Täterbegriff und letzten Endes zur Einheitstäterschaft führen müßte, mit die Nichterbringung dieses Beitrages den Plan zum Scheitern bringen würde,
der Schilling denn auch am Ende seiner Arbeit (115 ff.) sichtbar liebäugelt. Demgegenüber ist nur die „negative" Kehrseite dieser positiven Mitherrschaft. Beim Zuste-
ist im Sinne der oben gegebenen Strukturanalyse daran festzuhalten, daß die Mittäterschaft chenden selbst ist die Mitherrschaft nicht anders strukturiert: Auch bei ihm
eine eigenständige Form der Tatherrschaft darstellt, bei der der einzelne nicht Alleintäter,
ist die Kehrseite seines positiven Tatanteils, daß dessen Unterlassung den Plan
aber auch nicht nur „Täter eines Teiles" ist, sondern durch seinen Tatanteil zusammen mit
den anderen die Gesamttat in der Hand hat (vgl. oben S. 277 im Anschluß an Welzel). Die vereiteln würde. Die behauptete Unterscheidung kann also einen Bewer-
Kritik an Schilling wird umfassend ausgeführt bei Küper, Versuchsbeginn und Mittäter- tungsunterschied der Tatanteile nicht begründen. O b der Mittäter das Opfer
schaft, 1978. Eine andere Frage ist es, ob Schilling nicht insoweit recht zu geben ist, als er - zur Ermöglichung des tödlichen Stiches festhält oder selbst einen Stich führt,
entgegen der oben, S. 452 ff. vertretenen, heute durchaus herrschenden Meinung - auch
der zusammen mit anderen Stichen den Erfolg bewirkt: In beiden Fällen sind
beim Versuch nur den als Mittäter ansehen will, der selbst ins Versuchsstadium eingetreten
ist. Eine eindringliche Untersuchung von Valdägua, ZStW 98 (1986), 839ff., legt die An- die Beteiligten wechselseitig voneinander abhängig und durch ihr „positives"
nahme nahe, daß es vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus konsequenter ist, für die Tun Mitbeherrscher des Geschehens. 654
Mittäterschaft beim Versuch auch die Mitherrschaft im Versuchsstadium zu fordern. Für
diese sog. Einzellösung tritt auch die Monographie von Bauer, Vorbereitung und Mittäter-
schaft (bei Herrschaftsdelikten), 1996, ein. Ebenso nunmehr Roxin, L K " , 1993, § 25, Rn.
198ff.; ders., AT/2, 2003, § 29, Rn. 295ff. In diesem Sinne ebenfalls schon Rudolphi, Luzon Pena und Diaz y Garcia Conlledo haben sich in Roxin-Festschrift, 2001, 575 ff.
Bockelmann-Festschrift, 1979, 383 ff.; Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 265 f.; vgl. ferner (speziell 592-598), mit meinen Einwänden auseinandergesetzt und weisen darauf hin, daß
Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 318. Eindringlich im Sinne der Einzellösung nun- das Opfer im Messerstecher-Fall nicht am Festhalten, sondern an den Messerstichen gestor-
mehr auch Puppe, AT/2, 2005, § 39, Rn. 12ff., und schon in Spinellis-Festschrift, 2001, ben sei und daß dieser Umstand „sehr wohl einen Bewertungsunterschied" begründen
932f. Für die h . M . aber wieder Krack, ZStW 110 (1998), 611 (614ff.); Stoffers, M D R 1989, könne (Roxin-Festschrift, 2001, 594, Fn. 66; ebenso Rodriguez Montanes, Roxin-Fest-
208ff., 211 ff.; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 226f.; Krey, AT/2 2 , 2005, § 43, Rn. 439. schrift, 2001, 322; ihnen zustimmend Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 93). Jedoch ist zu beden-
650
Beteiligungsformenlehre, 1988, 319ff. Stein verlangt einen Tatbeitrag im Ausführungssta- ken, daß der Messerstecher seine tödlichen Stiche nicht führen könnte, wenn sein Komplize
dium, lehnt jedoch das Erfordernis der „Wesentlichkeit" dieses Tatbeitrages sowie des das Opfer nicht festhielte, so daß also beide Handlungen gleichgewichtige „positive" Vor-
gemeinsamen Tatentschlusses als nicht in sein System passend ab (326). aussetzungen der Tötung sind. Freilich läßt sich ein so enger Mittäterschaftsbegriff, wie ihn
651 die beiden Autoren vertreten, nach spanischem Recht leichter verteidigen, weil dort der
Strafrecht, AT, 1997, 513ff.; vgl. schon oben S. 662 f.
652 „Hauptgehilfe", der einen notwendigen Tatbeitrag leistet, wie ein Täter bestraft werden
Selbständigkeit, 1997, 318 ff. Mit der funktionellen Tatherrschaft seien „fraglos einige Züge
der Mittäterschaft treffend beschrieben"; durch „die Beschränkung der Mittäterschaft auf kann (Art. 28 II, b Cödigo Penal). Jedoch wird die hier befürwortete Konzeption der funk-
ein Mitmachen während des Ausführungsstadiums" berühre sich sein Ansatz mit dem hier tionellen Tatherrschaft auch in der spanischen Literatur vertreten und ist sogar vom Ober-
vertretenen. Zu der dennoch von ihm geübten Kritik sogleich im Text. sten Gerichtshof (Tribunal Supremo) in mehreren Urteilen übernommen worden (näher
653 dazu Cerezo Mir, Roxin-Festschrift, 2001, 552 ff., in Auseinandersetzung mit Diaz y Garcia
Diaz y Garcia, La Autoria en Derecho Penal, 1991, 679ff., 691 ff.; Klesczewski, Selbstän-
digkeit, 1997, 318 f. Conlledo).
722 723

Eine andere Konzeption entwickelt auch Heinrich, indem er die Mittäter- kennbar, daß seine Lehre der Sache nach auf eine Wiederbelebung der alten
schaft als „Entscheidungsverbund" deutet, als dessen „unmittelbare Umset- Dolustheorie, einer Vorform der Tatherrschaftslehre, hinausläuft.662 Etwas
zung das Geschehen anzusprechen ist" 655 . Die einzelnen Mittäter werden substantiell Neues wird damit also nicht gesagt.
durch den „Entscheidungsverbund" zu einer „imaginären Gesamtperson"
zusammengeschlossen, die als Täter beurteilt wird. Auf den Tatbeitrag des
einzelnen kommt es dabei nicht an. Mittäter ist, sofern er nur dem „Verbund" 2. Der gemeinsame Tatentschluß
angehört, dabei auch der, „der selbst nicht unmittelbar Hand anlegt, sondern
beispielsweise nur zuschaut, weil er zu ungeschickt zur eigenhändigen Um- Daß die Mittäterschaft zunächst einen gemeinsamen Tatentschluß der poten-
setzung des Tatentschlusses ist oder sich ,die Hände nicht schmutzig machen' tiellen Mittäter voraussetzt, entspricht der weitaus überwiegenden Meinung
will" 656. Immerhin verlangt Heinrich aber eine Anwesenheit bei der Tataus- und ist auch in diesem Buch von Anfang an vertreten worden (vgl. S. 285 f.).
führung, 657 weil sonst der Entscheidungsverbund als „aufgehoben und damit Allerdings haben Derksen, 663 Lesch 664 und von Danwitz 665 unter dem Einfluß
nicht mehr gegenwärtig wirkend" betrachtet werden muß. ihres Lehrers Jakobs 666 die Notwendigkeit eines gemeinsamen Tatentschlus-
Diese Lehre krankt daran, daß sie dem äußeren Tatbeitrag des Mittäters ses bei der Mittäterschaft bestritten. Sie wollen „einen Einpassungsentschluß
keine Bedeutung beimißt. Der „Entscheidungsverbund" ist nicht mehr als der genügen ... lassen, mit dem der nicht unmittelbar ausführende, aber gestal-
„gemeinsame Tatentschluß" der h.L. Wenn sich der an diesem Verbund Betei- tend mitwirkende Beteiligte seinen Beitrag mit dem Tun des Ausführenden
ligte aber im übrigen mit Zuschauen begnügt, fehlt ein gemeinschaftliches verbindet" 667 . Sie nehmen bei einem Zusammenwirken mehrerer Tatanteile
Begehen, das der Gesetzgeber verlangt und daß auch allein die Bestrafung als eine objektive Zurechnung vor, für die es auf subjektive Elemente wie den
Täter tragen kann. Denn eine Willensübereinstimmung liegt auch zwischen gemeinsamen Tatentschluß nicht ankommen soll.
Anstifter und Täter vor. Daß Heinrich immerhin eine Anwesenheit des Mit- Dem ist aber zu widersprechen. Denn das vom Gesetz verlangte „gemein-
täters bei der Ausführung verlangt, ist wenig folgerichtig. Denn es ist nicht schaftliche Begehen" (§ 25 Abs. 2 StGB) setzt eine gemeinsame Tatherrschaft
recht ersichtlich, warum dieses sehr äußerliche Faktum für die Aufrechterhal- und damit eine beidseitig bewußte Arbeitsteilung voraus. Ein einseitiges
tung des Entscheidungsverbundes nötig sein soll. Auch ist es wenig plausibel, „Zusammenwirken", das als solches nur einem „Mittäter" bekannt ist, auch
daß bei einem völlig untätig Gebliebenen die Abgrenzung von Mittäterschaft dem anderen als „gemeinschaftliches Begehen" zuzurechnen, verstößt gegen
und Beihilfe davon abhängen soll, ob er bei der Ausführung zugeschaut hat den Wortlaut des Gesetzes und damit gegen das Analogieverbot. 668 Außer-
oder nicht. dem bringt die Anerkennung einer einseitigen Mittäterschaft die Gefahr einer
Kindhäuser 658 bezeichnet zwar die hier vertretene Konzeption der „funk- viel zu weiten Ausdehnung dieser Rechtsfigur mit sich. Köhler 669 meint nicht
tionellen Tatherrschaft" als „grundlegend für die neue Doktrin", definiert ohne Grund, diese Lehre „fällt noch hinter den Stand des Finalismus zurück
aber selber die Mittäterschaft als „die Einbettung von Handlungen verschie- und verschiebt praktisch die Grenzen zur Beihilfe". Sie verschiebt auch die
dener Akteure in (gewollt) kongruente Deutungsschemata verbundener Grenze zur mittelbaren Täterschaft, wie sich bei der Organisationsherrschaft
Organisationskreise". 659 Damit wird eine gemeinsame Risikoschaffung be- gezeigt hat (oben S. 710), wo Jakobs den Hintermann trotz fehlenden ge-
zeichnet. „Das Verhalten jedes der Beteiligten muß mit Blick auf die Risiko- meinsamen Tatentschlusses als Mittäter ansieht. Mit Recht weist Hoyer 6 7 0
schaffung und -erhöhung nach demselben Muster interpretiert werden und
sich so als Arbeitsteilung darstellen." 660 Die Abgrenzung von der Beihilfe
vollzieht sich dann so, daß bei dieser ein gemeinsames Deutungsschema fehlt. 662
Vgl. dazu oben S. 52 ff.
„Der Gehilfe ist nicht derjenige, der den Zweck setzt; vielmehr unterwirft er 663
G A 1993, 163 ff.
sich fremder Zwecksetzung." 661 Der Anstifter stellt dem Täter nur die „Idee" 664
ZStW 105 (1993), 271 ff.
665
zur Verfügung, „überläßt ihm aber die Entscheidung zu deren Realisierung". Ist die Mittäterschaft abhängig von einem gemeinsamen Tatentschluß der Beteiligten?,
Trote der von Kindhäuser verwendeten neuartigen Begrifflichkeit ist unver- 1994. Der Schlußsatz ihrer Dissertation lautet (a.a.O., 179): „Es gibt keinen Grund, Mit-
täterschaft (im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB) von einem genieinsamen Tatentschluß der
Beteiligten abhängig zu machen."
666
AT 2 , 1991,21/43.
667
Jakobs, AT 2 , 1991,21/43.
668
Zur Kritik an Lesch näher Küpper ZStW 105 (1993) 295 ff. Gegen die Auffassung Jakobs'
655
Rechtsgutszugriff, 2002, 285 ff. (287). und seiner Schüler nochmals Küpper, G A 1998, 526, sowie Ingelfinger, JZ 1995, 708; Ren-
656
Rechtsgutszugriff, 2002, 289. zikowski, Restriktiver Täterbegriff, 1997, 102. Aus der neuen Lehrbuch- und Kommentar-
657
Rechtsgutszugriff, 2002, 293. literatur vgl. nur die ablehnenden Stellungnahmen von Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 126f.;
658
Hollerbach-Festschrift, 2001, 627ff. Krey, AT/2 2 , 2005, § 29, Rn. 169, Rn. 12; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 106. Auch sonst hat
659
Hollerbach-Festschrift, 2001, 646. die These von Jakobs außerhalb seiner eigenen Schule keine Anhänger gefunden.
660 669
Hollerbach-Festschrift, 2001, 649. Köhler, AT, 1997, 516, Anm. 71.
661 670
Hollerbach-Festschrift, 2001, 653. SK 7 , 2000, § 25, Rn. 127.
724 725

darauf hin, daß es ein höheres Unrecht darstellt, „den Tatentschluß eines Freiheitspostulat ... noch mit unseren ... psychischen Erfahrungen" verein-
anderen hervorzurufen (Anstiftung) als ihm nur zur Verwirklichung eines bar sei.675 Sie geht davon aus, daß der Tatentschluß sich „erst im Moment der
bereits gefaßten Tatentschlusses zu verhelfen". Diese Unrechtsdifferenz Tat konstituiert und zugleich realisiert" 676 . Die beidseitige Anstiftung liege in
müsse erst recht bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe der wechselseitigen Motivierung im Moment der Tatausübung.
berücksichtigt werden. Jede mittäterschaftliche Zurechnung eines Tatbei- Dem ist aber nicht zu folgen.677 Denn „Freiheitspostulat" und „psychische
trages setze deshalb voraus, „daß der Entschluß zu diesem Beitrag von der Erfahrungen" zeigen nur, daß man Entschlüsse oftmals nachträglich ändern
Aussicht auf die Unterstützungshandlung jedenfalls mit motiviert war". Ein oder sogar wieder aufgeben kann, nicht aber, daß es Entschlüsse erst im
weiteres durchschlagendes Argument bringt Puppe 671 bei: „Wer in der Er- Augenblick ihrer Realisierung gibt. Erst recht ist Puppes These nicht mit der
wartung, daß ein anderer ein Opfer im Schlaf erschlagen will, dessen Haustür sukzessiven Mittäterschaft zu vereinbaren, bei der ein Mittäter erst hinzutritt,
öffnet, das Opfer mit einem Schlafmittel betäubt und dem Täter auch noch nachdem der andere schon mit der Ausführung begonnen hat, also doch wohl
ein Schlagwerkzeug bereitlegt, das dieser dann auch prompt benutzt, ohne dazu entschlossen gewesen sein muß. Dies ändert nichts daran, daß Puppes
von all dem Beistand zu wissen, überläßt letztlich die Entscheidung über die Warnung vor einer zu weit gehenden Annahme „konkludenter Tatverab-
Ausführung der Tat dem von ihm unbeeinflußten Willen des anderen. Des- redung" in der Judikatur berechtigt ist.678 Aber dem läßt sich auch dadurch
halb kann ihm die Entscheidung und die Tatausführung des anderen nur in Rechnung tragen, daß man an konkludente Tatvereinbarungen strengere
dem schwächeren Sinne zugerechnet werden, in dem dies bei der Gehilfen- Anforderungen stellt.
schaft geschieht."
Andererseits ist einzuräumen, daß ein „Einpassungsentschluß", wenn man
ihn auf das Ausführungsstadium beschränkt, dem Gedanken der „Mitherr- 3. Die gemeinsame Tatausführung
schaft" an sich nicht widerstreitet. Wer den herannahenden Polizisten, der
den Täter einer Körperverletzung auf einen Telefonanruf hin in der Wohnung Der entscheidende sachliche Differenzpunkt liegt zur Zeit in der Frage, ob -
festnehmen will, im Treppenhaus festhält und niederschlägt, so daß der Schlä- wie es die Rechtsprechung im Banne der subjektiven Theorie immer ange-
ger seine Körperverletzung ungestört vollenden kann, leistet auch dann einen nommen hat - eine Beteiligung im Vorbereitungsstadium zur Begründung der
mitherrschaftsbegründenden Beitrag im Ausführungsstadium, wenn der Mittäterschaft ausreicht, oder ob dafür eine den Tatbeitrag der anderen ergän-
Prügler von diesem den Erfolg erst ermöglichenden Tatbeitrag nichts merkt zende Mitwirkung bei der Ausführung selbst erforderlich ist. Die zweite,
und erfährt. Aber der Gesetzgeber hat nun einmal nur die gemeinschaftliche wesentlich engere Auffassung, die ich oben 679 ausführlich zu begründen ver-
(und nicht die einseitige) Mitherrschaft als mittäterschaftsbegründend mit der sucht habe und die damals nur ganz vereinzelt vertreten wurde, hat inzwi-
vollen Täterstrafe bedroht; und diese restriktivere Lösung ist aus den vorge- schen zahlreiche weitere Anhänger gefunden,680 so daß sie sich bei einem Vor-
nannten Gründen auch rechtspolitisch billigenswert. Auch der B G H hat dringen der Tatherrschaftslehre in der Rechtsprechung möglicherweise
noch im Jahre 1997 wieder ausgesprochen: 672 „Mittäterschaft ist nicht schon durchsetzen wird.681
im Falle des einseitigen Einverständnisses mit der Tat eines anderen und der
Betätigung eines solchen Einverständnisses gegeben; notwendig ist vielmehr,
daß ... alle im bewußten und gewollten Zusammenwirken handeln ..." '5 Spinellis-Festschrift, 2001, 918.
Eine Auffassung, die vom herkömmlichen Verständnis des gemeinsamen '6 Spinellis-Festschrift, 2001, 919.
7
Puppe verschweigt nicht (mit Nachweisen), daß ihre Lehre „in der deutschen Strafrechts-
Tatentschlusses abweicht, vertritt auch Puppe, 673 indem sie den gemeinsamen dogmatik auf wenig Akzeptanz gestoßen ist", Spinellis-Festschrift, 2001, 920. Zuletzt nennt
Tatentschluß als „gegenseitige Anstiftung" deutet. Dies kann zwar so sein, wieder Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 87, die Kennzeichnung der Mittäterschaft als wechsel-
wenn zwei Leute, die jeder für sich allein zur Tat nicht entschlossen sind, sich seitige Anstiftung „mehr als mißverständlich".
8
verbünden und dadurch erst den jeweils anderen zur Tatbegehung motivie- Spinellis-Festschrift, 2001, 925.
'9 S. 292-305; weiter ausgeführt in L K " , 1993, § 25, Rn. 179ff.; JA 1979, 522f.; StrV 1985,
ren,674 aber es muß nicht so sein. Wenn ein zur Tat fest Entschlossener einen 278; JR 1991,206.
Mittäter sucht, stiftet er diesen an, wird aber seinerseits nicht angestiftet. 10
Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 197 ff.; Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 88, 90; Eschen-
Puppe bestreitet das, weil die Figur des omnimodo facturus weder „mit dem bach, Jura 1992, 644f.; Gallas, Materialien Bd. 1, 1954, 137; Gimbernat Ordeig, ZStW 80
(1968), 931 ff.; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Rn. 85, 85a; Hardwig, JZ 1965, 667; Herzberg, JuS
1974, 722; 1975, 35 f.; Täterschaft und Teilnahme, 1977, 64 ff.; ZStW 99 (1987), 58 ff; JZ
1991, 859ff.; H . Mayer, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1967, 161; Rudolphi, Bockelmann-
671
Spinellis-Festschrift, 2001, 920f., unter Verwendung eines Beispiels von Jakobs, AT 2 , 1991, Festschrift, 1979, 372ff.; NStZ 1994, 436; Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 319ff.; StrV
21/112. 1993, 414; Samson, SK 5 , 1993, § 25, Rn. 122. Im Ergebnis auch Schmidhäuser, AT 2 , 1975,
672
B G H R , StGB § 25, Abs. 2, Mittäter 29. 14/22; vorsichtiger StuB 2 , 1984, 10/64.
673 11
Spinellis-Festschrift, 2001, 917ff. (917). Auch Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, 319 verlangt mit Nachdruck eine Mitwirkung
674
Die Meinung, wonach Anstifter nur derjenige sein könne, der „die erste Anregung zur Tat im Ausführungsstadium. Er begründet das in recht komplizierter Weise mit der ungemin-
gibt", wird von Puppe mit Recht abgelehnt (Spinellis-Festschrift, 2001, 917). derten Dringlichkeit der den Mittäter treffenden Verhaltensnorm (322). Mittäterschaftlich
726 727

Gerade unter den jüngeren literarischen Stellungnahmen wird die Auf- Die drei großen Neukommentierungen, die seit der Vorauflage erschienen
fassung, daß die Mittäterschaft auf das Ausführungsstadium beschränkt sei, in sind, weichen zwar in Einzelpunkten von der hier vertretenen Auffassung ab,
verstärktem Maße vertreten. Köhler 682 und Klesczewski 683 halten „am Tat- stehen ihr aber doch sehr nahe. So meint Hoyer, 690 „entgegen der Rechtspre-
ausführungsbezug der Mittäterschaft" fest. Dieselbe Auffassung vertritt auch chung und in Übereinstimmung mit Roxin" müsse sich die Planung „auf
Renzikowski, 684 der den oft überstrapazierten Autonomiegedanken hier mit einen wesentlichen Beitrag jedes Beteiligten im Ausführungsstadium der Tat
vollem Recht zur Geltung bringt (wobei man sich fragen muß, warum so beziehen". Es sei aber nicht nötig, „daß jeder Beteiligte den von ihm zugesag-
viele andere Vertreter des Autonomiegedankens das übersehen): „Wer ledig- ten Beitrag später auch tatsächlich erbringt". Wenn z.B. Ehemann und Ehe-
lich im Vorbereitungsstadium mitwirkt, überläßt die eigentliche Tatbestands- frau einen Gast dadurch umbringen wollten, daß der Mann das Gift in die
verwirklichung der autonomen Entscheidung der anderen." Zieschang 685 hat erste, die Frau aber in die zweite dem Gast vorgesetzte Tasse Kaffee schütte,
noch einmal alle Argumente auf die Waagschale gelegt mit dem Ergebnis, daß so sei die Frau Mittäterin des Mordes, wenn der Gast schon an der ersten
es für die mittäterschaftsbegründende Wirkung von Vorbereitungshand- Giftdosis stirbt. Das soll selbst dann gelten, wenn die Frau sich innerlich von
lungen keinen einzigen plausiblen Grund gibt. Auch Puppe 686 fordert „eine der Verabredung losgesagt hat und ihren Beitrag keinesfalls mehr erbracht
Beteiligung des Mittäters an der Ausführung der tatbestandsmäßigen Hand- hätte. Das überzeugt aber nicht. Denn die Frau hat an der ausgeführten Tat
lung" und betont, 687 daß dadurch „im Vergleich zur subjektiven Täterlehre weder die Mitherrschaft ausgeübt noch dazu irgendeinen auch nur vorberei-
ein erheblicher Gewinn an Rechtssicherheit und im Hinblick auf das Tat- tenden Tatbeitrag geleistet. Eine Strafbarkeit wegen Verabredung des Mordes
schuldprinzip auch an Gerechtigkeit erzielt" werde. Der Standpunkt der nach § 30 II, von der sie auch bei einer inneren Lossagung nicht zurückgetre-
Rechtsprechung, die jede beliebige Vorbereitungshandlung für eine Mittäter- ten ist, wird dem gegen sie zu erhebenden Vorwurf weit besser gerecht. Da
schaft ausreichen läßt, führe „nicht nur zu einem Mittäter ohne Tat, der freilich solche Konstellationen des Auseinanderfallens von Planung und Aus-
danach beurteilt wird, welches Bild sich der Richter aus den Akten über seine führung selten sind, wird Hoyer in den meisten Fällen mit der hier vertrete-
Gesinnung und seinen Charakter gemacht hat, er führt am Ende auch zu nen Auffassung übereinstimmen.
einer Verflüchtigung jener subjektiven Täterkriterien, die das ,enge Verhältnis Bei Schild691 heißt es: „Zunächst ist ... der Auffassung recht zu geben, die
des Täters zur Tat' begründen sollen". Ebenso hält Krey 688 selbst einen vor allem ... Roxin entwickelt hat und die auf einen erheblichen Tatbeitrag im
wesentlichen Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium zur Begründung von funk- Ausführungsstadium abstellt, der die Stellung der funktionellen Tatherrschaft
tioneller Tatherrschaft nicht für ausreichend. Er bezweifelt schon die Verein- begründet." Er folgt dann aber der noch engeren Auffassung von Luzon Pena
barkeit der Gegenmeinung mit dem Gesetzeswortlaut und resümiert: „Der und Diaz y Garcia Conlledo, wonach von zwei zusammenarbeitenden Mör-
Zugewinn an Gesetzestreue, Sachgerechtigkeit der Ergebnisse und Rechts- dern nur der Zustechende, nicht aber auch derjenige Täter ist, der das Opfer
sicherheit, den die Tatherrschaftslehre bewirkt" habe, werde „aufs Spiel ge- nur festgehalten hat. Er begründet das mit der These, daß ein Mittäter „ar-
setzt", wenn man Vorbereitungshandlungen zur Begründung von Tatherr- beitsteilig gleichrangig" tätig werden müsse. Daß jedoch eine solche arbeits-
schaft ausreichen lasse. Die Monographie von Claudia Bauer 689 kommt nach teilige Gleichrangigkeit bei allen wesentlichen Tatbeiträgen im Ausführungs-
einer Analyse aller maßgeblichen Urteile des RG und des BGH sowie einer stadium gewährleistet ist, habe ich schon oben (S. 721 mit Anm. 654) in
gründlichen Würdigung der unterschiedlichen Literaturmeinungen zu dem Auseinandersetzung mit den beiden Inspiratoren der Auffassung Schilds dar-
Ergebnis, daß Vorbereitungshandlungen zur Begründung von Mittäterschaft zutun versucht.
niemals ausreichen können. Joecks 692 vertritt in jeder Hinsicht die in diesem Buch entwickelte Konzep-
tion von Mittäterschaft, wenn er sagt: „Wer bei der eigentlichen Tatbegehung
anwesend ist, einen kausalen Beitrag leistet und überdies mit der Verweige-
rung dieses Beitrages die Vollendung der Haupttat unmöglich machen würde,
sind für ihn „Verhaltensweisen, deren Gefährlichkeit durch das künftige Verhalten eines ist Mittäter." Darüber hinaus will er 693 es aber auch als „Tatherrschaft im
Vordermannes vermittelt ist, dem zwar eine vollwertige Verhaltenspflicht auferlegt ist und
der die ungeschmälerte Pflichtbefolgungsfähigkeit besitzt, bei dem jedoch andererseits der Sinne des §25 Abs. 2" gelten lassen, wenn ein Anstifter „weitere Beihilfe-
Motivationsprozeß schon so weit in Richtung auf die Pflichtverletzung fortgeschritten iSt leistungen", wie die Lieferung von Tatmitteln, erbringt. Das verdient aber
und das geplante pflichtwidrige Verhalten schon so nahe bevorsteht, daß die Pflicht prak- keinen Beifall. Denn wenn, wie auch Joecks annimmt, Anstiftungs- und Bei-
tisch keine Chance mehr hat, ihre Bestimmungswirkung zu entfalten". hilfehandlungen je für sich keine Tatherrschaft vermitteln, ist nicht ersicht-
682
AT, 1997, 516.
683
Selbständigkeit, 1997, 318 und passim.
lich, wie durch ihre Kumulierung Tatherrschaft entstehen soll. Der gewiß
684
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 103.
685
ZStW 107 (1995), 360 ff.
690
686
AT/2, 2005, § 39, Rn. 22. SK 7 , 2000, § 25, Rn. 119, 120.
691
687
AT/2, 2005, § 39, Rn. 29. N K 2 , 2005, § 25, Rn. 93.
692
688 AT/2 2 , 2005, § 29, Rn. 199. MK, 2003, § 24, Rn. 193.
689 693
Vorbereitung und Mittäterschaft (bei Herrschaftsdelikten), 1996. MK, 2003, § 25, Rn. 194.
728 729

erhöhten „Gewichtigkeit" eines solchen Tatbeitrages läßt sich durch die Straf- buch von Baumann/Weber/Mitsch, das als einziges der subjektiven Theorie
zumessung hinreichend Rechnung tragen. treu geblieben ist, heißt es,699 Mittäterschaft komme bei Vorbereitungen nur
Cramer 694 hat bei der Mittäterschaft eine Verbindung von Tatherrschafts- dann in Frage, wenn diese „ein für die spätere Tatausführung entscheidendes
lehre und subjektiver Theorie herzustellen versucht und dies auch jahr- Gewicht besitzen, ... den tatausführenden Mittäter in dessen Tatentschluß
zehntelang im Kommentar von Schönke/Schröder 695 vertreten. Er meint,696 bestärken und ... während der späteren Tatausführung fortwirken". Das ent-
hier ließe sich „lediglich mit Hilfe von Tatherrschaftskriterien eine sichere spricht im wesentlichen schon einer in der Literatur verbreiteten „weicheren"
Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht durchführen". Vielmehr sei Tatherrschaftslehre, die eine Mitherrschaft auch durch nur vorbereitende
„auch die innere Einstellung des Betreffenden zu seinem Tun in die Beurtei- Beiträge für möglich hält, wenn diese in die Ausführung gestaltend hinein-
lung einzubeziehen". Er verdeutlicht das an einem Beispiel: „Wer ... das wirken.
Opfer festhält, damit ein anderer zustechen kann, muß nicht notwendiger- Ein Protagonist dieser Auffassung ist Stratenwerth, 700 der zunächst in völ-
weise Täter, sondern kann auch Gehilfe sein, sofern seinem Teilakt auf Grund liger Übereinstimmung mit der in diesem Buch vertretenen Lehre von einem
seiner Einstellung lediglich untergeordnete Bedeutung gegenüber der Tätig- mittäterschaftlichen Tatbeitrag verlangt, daß er „im Ausführungsstadium eine
keit des anderen Beteiligten zuzumessen ist. Ist er jedoch in der Rolle des unerläßliche Voraussetzung für die Verwirklichung des angestrebten Erfolges
gleichberechtigten Partners zu sehen, so kommt Täterschaft in Betracht." bildet", also so wichtig ist, daß mit ihm „das ganze Unternehmen steht oder
Aber das verdient keinen Beifall. Cramer selbst erklärt, daß „die Formel von fällt"701. Der Unterschied gegenüber der von mir befürworteten Auffassung
,animus auctoris' und ,animus socii' unbrauchbar" sei. Doch bleibt es unklar, liegt darin, daß er bei der Frage, ob ein Beitrag im Ausführungsstadium
auf welche Weise er selbst die „innere Einstellung" ermitteln will. Andere wesentlich war, nicht auf den Zeitpunkt seiner Erbringung, sondern darauf
Gesichtspunkte als die des „Interesses" und der „Willensunterordnung", die abstellt, in welcher Weise ein Beitrag „bei der Ausführung weiterwirkte" 702 .
der Rechtsprechung zur Zuschreibung von Täter- und Teilnehmerwillen die- So sollen z.B. „Planung und Organisation" auch dann Mittäterschaft
nen, kommen kaum in Betracht. Diese aber sind, wie genugsam dargelegt begründen, wenn der „Organisator" bei der Ausführung nicht beteiligt ist.
worden ist, beliebig deutbar. Die Abgrenzungssicherheit wird entgegen der Denn der Plan zeichne die Rollen der Ausführenden vor und beteilige den
Annahme Cramers durch ihre Anwendung nicht vergrößert, sondern aufge- Organisator deshalb an der Tatherrschaft. Dagegen sollen Ratschläge und die
löst. Das zeigt auch Cramers Beispiel: Für die Tatherrschaftslehre ist zweifels- Lieferung von Waffen und Werkzeugen immer nur Beihilfe begründen. Denn
frei Mittäter, wer das Opfer festhält, damit ein anderer zustechen kann; denn darin liege „keine Vorentscheidung darüber, ob und wie das Delikt ausgeführt
die Unentbehrlichkeit seiner Funktion macht ihn zum Mitbeherrscher des werden soll". Bei lediglich psychischen Beiträgen wird auf die „Solidarisie-
Geschehens. Warum das keine „sichere Abgrenzung" sein soll, ist mir nicht rung" abgestellt: „Es bleibt bei Anstiftung oder Beihilfe, wenn der Freund die
ersichtlich. Die Feststellung und Deutung der „inneren Einstellung" des Fest- Ehefrau dazu veranlaßt oder in dem Entschluß bestärkt, ihren Ehemann aus
haltenden dagegen läßt vielen und schwankenden Interpretationen Raum. Es dem Weg zu räumen, während Mittäterschaft gegeben ist, wenn die Frau -
gilt daher, gerade auch in diesem Bereich, von der subjektiven Theorie wie beide wissen - nur handelt, weil und solange sich der Freund mit ihr soli-
Abschied zu nehmen, 697 wie dies denn auch Cramers Nachfolger Heine in der darisiert, mag auch die eigentliche Ausführung allein bei ihr liegen." 703
26. Aufl. des Schönke/Schröder getan hat.698 Diese „weiche" Tatherrschaftslehre hat eine erhebliche Zahl von Anhän-
Die in der Rechtsprechung heute noch vertretene Meinung, daß jede belie- gern gewonnen, 704 auch wenn in den letzten Jahren die überwiegende Mei-
bige Vorbereitungshandlung ggf. zur Begründung von Mittäterschaft ausrei- nung sich wieder mehr der in diesem Buch vertretenen „strengeren" Auffas-
chen könne, hat heute in der Literatur keine Anhänger mehr. Selbst im Lehr- sung von Tatherrschaft zuneigt. Auch ich halte es - abgesehen von der
mittelbaren Täterschaft - nach wie vor nicht für möglich, eine Tatherrschaft

694
Bockelmann-Festschrift, 1979, 400ff. Prinzipielle Kritik an Cramer auch bei Bloy, Zurech- 699 AT 1 1 , 2003, § 29, Rn. 83.
700
nungstypus, 1985, 370ff. Ich zitiere nach der letzten Fassung seiner Konzeption in Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004,
695
Zuletzt in: Sch/Sch/Cramer 2 5 , 1997, vor § 25, Rn. 80ff. § 12, Rn. 90 ff.
701
696
Die Zitate stammen aus: Bockelmann-Festschrift, 1979, 401-403. AT 5 , 2004, § 12, Rn. 93 mit wörtlichem Zitat aus S. 280 dieses Buches.
702
697
Demgegenüber kommt Küpper, G A 1986, 445 f. der subjektiven Theorie insofern entgegen, AT 5 , 2004, § 1 2 , Rn. 93.
703
als er eine Mitwirkung im Vorbereitungsstadium für die Tatherrschaft genügen lassen will AT 5 , 2004, § 1 2 , Rn. 94.
704
und u. a. gerade darauf seine These stützt, daß Tatherrschaftslehre und subjektive Theorie Beulke, JR 1980, 423, 424; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 66; Jescheck/Weigend,
sich nicht mehr wesentlich unterschieden. Aber das ist ein falscher Kompromiß, weil ge- AT 5 , 1996, § 63 III, 1; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 110f.; Küpper, G A 1986, 444f., 446; Küp-
rade die Anerkennung mittäterschaftlicher Beiträge im Vorbereitungsstadium die Abgren- per/Mosbacher, JuS 1995, 489 f.; Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 49/30, 36; O t t o ,
zung von Mittäterschaft und Beihilfe in jene Unsicherheit gestürzt hat, die ihr noch heute Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 61; Seelmann, JuS 1980, 571, 573; Stoffers, M D R 1989, 208;
anhaftet. Eindringlich im Sinne der hier vertretenen Lehre Bloy, Zurechnungstypus, 1985, Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 528ff. Für das Völkerstrafrecht Ambos, Der Allge-
196ff.; Herzberg, JZ 1991, 856ff. (862). meine Teil des Völkerstrafrechts, 2 2004, 565 ff. Nachdrücklich gegen solche Ausweitungen
698
Vgl. den Nachweis oben S. 655, A n m . 313. der Tatherrschaft Herzberg, J Z 1991, 860.
730 731

auf Vorbereitungshandlungen zu gründen. Das Kriterium der „Fortwirkung" o. ä. die Motivation des Ausführenden hin zur Ausführung lenkt, ohne daß
hilft nicht weiter, weil alle Teilnehmerbeiträge kausal sein müssen und des- die Beeinflussung das zur mittelbaren Täterschaft notwendige Maß erreicht",
halb notwendig fortwirken. Und wenn man auf die Gewichtigkeit oder ent- soll das „Minus" des Hintermannes bei der „Entscheidungsherrschaft" durch
scheidende Bedeutung eines vorbereitenden Beitrages abstellt, ermöglicht „ein Plus bei der materiellen Herrschaft in Form der Gestaltungsherrschaft,
auch das keine plausible Abgrenzung. Denn viele Beiträge im Vorbereitungs- die bei der Vorbereitung ausgeübt wird, ausgeglichen werden. Selbst ohne
stadium (die Lieferung des Giftes, die Erteilung des todsicheren Tips, das jede Teilhabe an der Entscheidungsherrschaft ist Mittäterschaft durch Gestal-
Ausbaldowern der Gelegenheit) begründen durch ihre entscheidende Weiter- tung oder zumindest Mitgestaltung möglich." Das halte ich nicht für richtig.
wirkung die Tatausführung maßgeblich mit, ohne deshalb auch nur nach der Eine solche Auffassung rückt die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
Meinung Stratenwerths eine Mittäterschaft zu begründen. Deshalb ist nicht ähnlich ins Vage wie die subjektive Theorie; denn darüber, welches Plus an
einzusehen, warum für „Planung und Organisation" 705 etwas anderes gelten vorbereitender Einwirkung das Minus an Tatherrschaft bei der Ausführung
soll, zumal da doch alle Planungen den Gegebenheiten vor Ort, der konkre- ausgleicht, sind im konkreten Fall die verschiedensten Meinungen möglich.710
ten Tatsituation, angepaßt werden müssen, auf die ein im Ausführungssta- Außerdem erscheint es mir als eine Umdeutung von Teilnahme in Täterschaft,
dium nicht mehr Mitwirkender keinen Einfluß hat. Mit Recht meint daher wenn Tatbestimmungshandlungen, die für eine mittelbare Täterschaft nicht
Herzberg, 706 es verdiene auch hier die zur Ablehnung aller vorbereitenden beherrschend genug sind und deshalb als Anstiftung qualifiziert werden müß-
Mittäterschaft führende „Konsequenz den Vorzug". ten, auf dem Umweg über die Mittäterschaft doch zur Täterschaft hinauf-
Auch der Gedanke der „Solidarisierung", durch den bei psychischen Bei- gestuft werden. 711 Die Mittäterschaft wird, soweit sie auf nur vorbereitender
trägen Mittäterschaft und Beihilfe abgegrenzt werden sollen, erscheint mir Tätigkeit beruht, dadurch zu einer „mittelbaren Täterschaft zweiter Klasse",
weder sachgerecht noch praktikabel. 707 Denn wenn ein Ausführender nur die sie prinzipiell auch für Jakobs 712 nicht ist.
einem anderen zuliebe handelt, entscheidet doch er allein darüber, ob er sich Noch vager wird die Abgrenzung in einer späteren, dem Tatherrschafts-
von den Wünschen eines anderen abhängig macht. Die Tatherrschaft liegt also prinzip fernerstehenden Abhandlung von Jakobs, 713 wo es heißt: „Die Diffe-
nur bei ihm. Sie dem nur psychisch Mitwirkenden zuzusprechen, ist auch renzierung zwischen Täterschaft und Beihilfe ist demnach eine solche nach
deshalb bedenklich, weil dadurch, wie in manchen Entscheidungen der Schweregraden bei der Strafzumessung, insbesondere gibt es keine sachliche
Rechtsprechung, auf jeden äußeren - sei es selbst geringfügigen - Tatbeitrag Auszeichnung des Mittäters gegenüber dem Gehilfen und erst recht keinen
verzichtet wird. Abgesehen davon wäre die von Stratenwerth vorgeschlagene Grund, Täterschaft an ein Mitwirken im Ausführungsstadium zu binden."
Lösung auch forensisch nicht umsetzbar. Denn der Hintermann kann in den Alles hänge „vom sozialen Gewicht des gestalteten Abschnitts" ab. Hier ist
meisten Fällen nicht wissen, ob und wie lange der Ausführende die Tat nur Jakobs fast schon wieder bei der älteren subjektiven Theorie der Rechtspre-
unter der Voraussetzung begeht, daß der psychisch Mitwirkende sich mit ihr chung angelangt, die durch die Umwandlung der Teilnahmeformen in Straf-
„solidarisiert". Auch wären alle diese inneren Vorgänge in einem späteren zumessungsgründe die Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs und damit
Prozeß kaum beweisbar. seine rechtsstaatlichen Konturen preisgegeben hatte. Der Unterschied liegt
Eine „weiche" Tatherrschaftslehre vertritt auch Jakobs; 708 seine Begrün- nur darin, daß die Rechtsprechung dieses Ziel durch einen inhaltslosen und
dung, die von derjenigen Stratenwerths abweicht, ist in der Literatur wieder- formelhaft verwendeten Begriff des „Täterwillens" erreicht hat, während
holt aufgenommen worden. Für Jakobs kann eine mittäterschaftsbegründende Jakobs durch eine von aller „Faktenorientierung" gelöste „rein normative Be-
„Entscheidungsherrschaft" auch durch Beiträge im Vorbereitungsstadium grifflichkeit" zum selben Ergebnis kommt. 714 Im Gegensatz zu diesem schon
hergestellt werden. Freilich meint auch er:709 „Daß der Ausführung vorherge- oben (S. 710) kritisierten empiriefreien Normativismus muß sich die Tatherr-
hende Beiträge die Tat erst ermöglicht haben mögen, bringt keine Entschei- schaft an den tatsächlich herrschaftsbegründenden Faktoren orientieren,
dungsherrschaft. Das zeigt sich am Anstifter und am notwendigen Gehilfen, solange man die Beteiligungsfiguren als Erscheinungsformen des Unrechts
die beide die Tat ermöglichen und trotzdem Prototypen von Teilnehmern begreift.
sind.'" Wenn aber ein Beteiligter „durch Versprechungen oder Repressalien Das Paradebeispiel all derer, die eine Tatherrschaft auch bei nur vorberei-
tender Tätigkeit für möglich halten, ist der „Bandenchef" (siehe dazu schon
oben S. 298 ff.). Um ihn als Mittäter bestrafen zu können, wird Planung und
705
Zu den hier gegebenen Möglichkeiten einer mittelbaren Täterschaft kraft Organisations-
herrschaft s. o. S. 704 ff.
706 710
Täterschaft und Teilnahme, 1977, 64ff. (68). Jakobs selbst räumt ein (AT 2 , 1991, 21/48, Anm. 105a), daß „Gestaltungsherrschaft" ein
707
Dieser von Stratenwerth angeführte Gesichtspunkt ist sonst in der Literatur nicht aufge- vager Begriff sei.
711
nommen worden. Zust. Zieschang, ZStW 107 (1995), 370, Anm. 38.
708
A T 2 , 1 9 9 1 , 21/47f.; ähnlich O t t o j u r a 1987, 253; ders., Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 61. 712
AT 2 , 1991,21/40.
713
709 A T 2 ; 1 9 9 1 > 21/48 Ähnlich Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 111, demzufolge nur „entscheidende Lampe-Festschrift, 2003, 571, 573.
7,4
Vorbereitungsakte " eine Mittäterschaft sollen begründen können. Lampe-Festschrift, 2003, 575.
732
733
Organisation eine gewichtigere Rolle als anderen Vorbereitungshandlungen
4. Die Erheblichkeit des Tatbeitrages im Ausführungsstadium
zugewiesen. Dadurch werden aber komplexe Sachverhalte in unzulässiger
Weise simplifiziert. Der Bandenchef kann Mittäter sein, wenn er bei der Aus- Es ist in diesem Buch von Anfang an betont worden, daß für eine funktio-
führung einen mitbeherrschenden Einfluß ausübt, indem er z. B. per Handy nelle Tatherrschaft, also eine Mitbeherrschung des Geschehens, nicht irgend-
oder Funkspruch Anweisungen gibt oder Dispositionen trifft. Eine persön- eine geringfügige, sondern nur eine wesentliche Mitwirkung im Ausfüh-
liche Anwesenheit am Tatort ist, wie ich immer betont habe (vgl. S. 280), für rungsstadium ausreicht. Das ist vom Standpunkt der Tatherrschaftslehre aus
einen wesentlichen Beitrag im Ausführungsstadium nicht erforderlich. Bei im Grunde selbstverständlich. Wer dem Einbrecher während der Tataus-
der Entwicklung der modernen Kommunikationstechnologie ist dieser Fall führung ein Erfrischungsgetränk oder dem Urkundenfälscher das Lösch-
der Mitherrschaft eines körperlich Abwesenden eine keinesfalls konstruierte papier reicht, nimmt auf den Gang der Dinge keinen erheblichen Einfluß und
Konstellation. hat deshalb an der Herrschaft über das Geschehen keinen Anteil. Es bedarf
Der Bandenchef kann sodann in zweifach verschiedener Weise mittelbarer aber doch der Erwähnung, weil die Rechtsprechung manchmal schon einen
Täter sein. Die erste Form ist die der mittelbaren Täterschaft kraft Nötigung. anfeuernden Zuruf (oben S. 281) oder gar die bloße Präsenz am Tatort (oben
Wenn der Bandenchef die Macht hat, einen die Ausführung verweigernden Nr. 33, S. 606 f.) für eine Mittäterschaft genügen läßt.
Ungehorsam mit den Mitteln des §35 zu ahnden und dies auch praktiziert Auch finden sich abweichende Ansichten bei Autoren, die die Tatherr-
oder androht, ist das ein klarer Fall der Nötigungsherrschaft. Auch solche schaftslehre ablehnen, für die Mittäterschaft aber gleichwohl eine Anwesen-
Sachverhalte werden nicht selten sein, weil sich eine kriminelle Bande durch heit bei der Ausführung verlangen. Das gilt zunächst für Stein,717 der
gute Worte allein kaum wird dirigieren lassen. Die zweite Form möglicher zwischen Täterschaft und Teilnahme nach der „Dringlichkeit der Verhaltens-
mittelbarer Täterschaft des Bandenchefs ist die der oben ausführlich bespro- norm" unterscheidet. Da wegen der unmittelbar bevorstehenden Ausführung
chenen Organisationsherrschaft, wie sie oft bei mafiosen und terroristischen eine Dringlichkeitsminderung der den anwesenden anderen Beteiligten tref-
Gruppen vorliegen wird, deren Chef seine Anweisungen unabhängig von der fenden Pflicht ausscheide, müsse er Mittäter sein. Das Erfordernis einer
Individualität des Ausführenden durchsetzen kann. Wesentlichkeit des Tatbeitrages lasse sich „nur als Auswirkung des nicht hin-
Wenn aber keine diese drei (Mit-)Beherrschungsmöglichkeiten gegeben, reichend normativ fundierten Herrschaftsbegriffs plausibel ... machen. In das
der Chef also ganz auf den guten Willen der Ausführenden angewiesen ist hier entwickelte Wertungssystem paßt ein solches Kriterium nicht." Doch
und im Ausführungsstadium selbst keinerlei Einfluß mehr auf das Geschehen wäre dies ein Anlaß, ein Wertungssystem zu hinterfragen, das völlig unbedeu-
ausüben kann, dann wird er mit Recht „nur" als Anstifter bestraft. Das ist tende Mitwirkungen für eine Mittäterschaft ausreichen läßt. Mitträger der tat-
schon deshalb geboten, weil in einem großen Teil der Anstiftungsfälle der bestandsmäßigen Handlung und damit Zentralgestalt des Geschehens kann
Plan vom Anstifter entwickelt wird; ohne Plan läßt sich ein Täter vielfach vernünftigerweise nicht sein, wer nur ganz am Rande beteiligt ist.
nicht gewinnen. Was an der Annahme einer Anstiftung in solchen Fällen Eine andere Konzeption vertritt auch Heinrich, der für die Mittäterschaft
unsachgemäß sein sollte, ist unerfindlich. Denn erstens wird der Anstifter einen „Entscheidungsverbund" fordert, der zwar die Anwesenheit bei der
„gleich einem Täter bestraft" (§26). Und zweitens wird das, was einen sol- Ausführung, aber keinen weiteren Tatbeitrag voraussetzt. Dazu ist schon
chen „machtlosen" Bandenchef von sonstigen Anstiftern unterscheidet - oben Stellung genommen worden (S. 722). Es bleibt nur hinzuzufügen, daß es
seine Stellung in einer kriminellen Vereinigung - , seinem Unrechtsgehalt nach auch bei diesem Autor nicht plausibel zu machen ist, wie durch bloßes
in § 129 noch gesondert erfaßt. Puppe erklärt denn auch mit gutem Grund, 715 Zuschauen 718 eine „Entscheidungsträgerschaft" begründet werden soll. Betei-
der Bandenchef gelte „geradezu als Prototyp des Mittäters, er ist aber der ligungssysteme, die periphere Tatbeiträge zur Täterschaft machen - und das
Prototyp des Anstifters". Für die Fälle, in denen er an der Tatherrschaft kei- gilt trotz völlig unterschiedlicher Ansätze für Stein und Heinrich gleicher-
nen Anteil hat, trifft das zu. Auch Schild716 schreibt: „... der .vielbesungene' maßen - verfehlen den Sinn der gesetzlichen Differenzierung von Täterschaft
Bandenchef ... kann nicht als Mittäter aufgefaßt werden, wenn er sich nicht und Teilnahme.
an der tatbestandlichen Ausführungshandlung (sondern nur deren Planung
und Organisation) beteiligt." Er sei „nicht ... Herr der Tatbestandshandlurtg
..., der diese durch die anderen als Täter ausführen läßt". 5. Die additive Mittäterschaft

Herzberg, der sonst mit meiner Konzeption „sachlich weitgehend" 719 über-
einstimmt, vertritt die Auffassung, daß eine bestimmte Fallgruppe, die er als
„additive" Mittäterschaft bezeichnet, durch meinen Terminus des Funktionel-

717
7,5 Beteiligungsformenlehre, 1988,326.
AT/2, 2005, §38, Rn. 5. 7.8
Rechtsgutszugriff, 2002, 289.
716
NK 2 ,2005, §25, Rn. 93. 7.9
Täterschaft und Teilnahme, 1977, 70; ihm folgend Seelmann, JuS 1980, 574.
734 735

len und überhaupt durch den Begriff der Tatherrschaft nicht erfaßbar sei.720 schuldig, worauf er in solchen Fällen die Mittäterschaft begründen will. Er
Er bildet den Fall, daß bei einem Attentat zwanzig Verschwörer gleichzeitig verweist denn auch nur auf den Wortlaut des §25 Abs. 2 StGB. 728 Aber wenn
auf das Opfer schießen, „um das Gelingen wahrscheinlicher zu machen". Der dem einen die Tatanteile des anderen zugerechnet werden, setzt das mehr als
Plan ist auch erfolgreich, doch läßt sich, da einige Kugeln ihr Ziel verfehlt ein Addieren nebeneinanderherlaufender gleichrangiger Einzelaktionen vor-
haben, nicht feststellen, von wem die tödlichen Kugeln stammen. 721 Herzberg aus. Dieses „Mehr" liegt in der Relevanz jedes Beitrages für den Gesamtplan.
will hier - mit Recht! - eine Mittäterschaft bejahen, da sonst jeder einzelne Einige Autoren haben die Bedenken Herzbergs aufgegriffen und weiter-
nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" freigesprochen werden müsse. Er gehende Folgerungen daraus gezogen. Stein 729 will bei allen Beteiligten nur
meint aber, eine jeweils funktionelle Mitherrschaft liege nicht vor, denn bei einen Versuch annehmen. Schmidhäuser 730 verweist auf die Möglichkeit der
vielen Tätern komme es auf den Beitrag des einzelnen nicht an. „Es ist höchst Beihilfe. Nach Jakobs 731 soll nur bei einer über den eigenen Beitrag hinaus-
wahrscheinlich (und müßte, wenn es darauf ankäme, zu seinen Gunsten gehenden „Mitgestaltung" Mittäterschaft, andernfalls nur Versuch vorliegen.
unterstellt werden), daß die Kollektivtat nach Hergang und Auswirkung die- Doch scheint es mir sowohl dem Wortlaut wie dem Sinn des § 25 Abs. 2 zu
selbe geblieben wäre" 722 , wenn ein bestimmter Beteiligter nicht mitgemacht widersprechen, daß das Einwerfen von Fensterscheiben durch eine nach ge-
hätte. Diese Erwägung führt ihn zu dem Ergebnis, „daß als Mittäter u . U . meinsamem Plan handelnde geschlossene Gruppe von Leuten kein „gemein-
auch haftet, wer die Tatherrschaft nicht innehat" 723 . schaftliches Begehen" sein soll.
Das überzeugt jedoch nicht. Gerade weil die Verschwörer wußten, daß der Die Bedenken Herzbergs haben sich denn auch nicht durchgesetzt. In der
Schuß des jeweils einzelnen fehlgehen könne, hatte jeder individuelle Schütze neueren Literatur wird durchweg ohne weitere Problematisierung Mittäter-
nach dem Tatplan eine wesentliche Funktion, denn von ihm konnte das schaft angenommen. 732
Gelingen abhängen. Das ist geradezu ein klassischer Fall der funktionellen
Tatherrschaft.724 Ich habe von Anfang an 725 betont, daß es verfehlt wäre, „auf
den kausalen Ansatz der ... Notwendigkeitstheorie zurückzugreifen" und ex 6. Alternative Tatbeiträge
post feststellen zu wollen, ob der einzelne bei der Ausführung eine ausschlag-
gebende Bedingung gesetzt hat; „vielmehr erfüllt er schon dann eine notwen- Ein weiteres Problem hat Rudolphi 733 aufgeworfen: das der alternativen Tat-
dige Funktion im Sinne unserer Lehre, wenn es auf ihn beim Eintritt entspre- beiträge. Er bildet den Fall, daß die Mörder A und B an verschiedenen Wegen
chender Umstände hätte ankommen können". Auch in Herzbergs weiterem auf das Opfer lauern, das auf einem der beiden Wege erscheinen kann. Es
Beispiel, daß „fünfzig Demonstranten so lange Steine werfen, bis alle Fenster kommt schließlich auf dem Wege, an dem A steht und wird von diesem
eines Botschaftsgebäudes zerstört sind", haben die Würfe jedes einzelnen, erschossen. Rudolphi meint, daß B nicht Mittäter sein könne, weil „die Mit-
wenn sie gemeinsamer Planung entspringen, eine mittäterschaftsbegründende täterschaft stets ein kumulatives Zusammenwirken bei der Verwirklichung
Funktion, denn zur blitzartigen Zerstörung aller Fenster vor dem Eintreffen des gesetzlichen Tatbestandes voraussetzt, ein bloß alternatives Zusammen-
der Polizei braucht man eine so große Zahl Mitwirkender. Und auch wenn wirken zur Erreichung eines bestimmten tatbestandlichen Unrechtserfolges
man sie ausnahmsweise einmal nicht gebraucht hätte, hat der einzelne doch dagegen zur Begründung einer Mittäterschaft noch nicht genügt". Aber auch
die dem konkreten Plan entsprechende rollenbedingte Funktion ausgeübt; hier wird der Begriff der funktionellen Tatherrschaft zu eng aufgefaßt. Denn
ohne die Vielzahl der Beteiligten wäre es eine „andere Tat" gewesen.726 Herz- A und B haben gemeinsam eine Todesfalle aufgebaut, in der sich das Opfer
berg nennt das „feinsinnige Tatherrschaftsnachweise" 727 und will offenbar mit Sicherheit verfangen muß. Bei der gebotenen Betrachtung ex ante leistet
den Feinsinn in der Jurisprudenz nicht zulassen; es sind aber doch nur nüch- jeder von beiden einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Plans.734
terne Strukturanalysen. Andererseits bleibt Herzberg die Erklärung dafür

Täterschaft und Teilnahme, 1977, 60, Anm. 9.


Beteiligungsformenlehre, 1988, 327f.
720
Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 49/37f. dagegen nehmen in solchen Fällen Mittäter- StuB 2 , 1984, 10/62.
schaft wegen „Teilhabe an der kollektiven Tatherrschaft" an. AT 2 , 1991,21/55.
721
Täterschaft und Teilnahme, 1977, 56. Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 372ff.; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 111, Joecks, MK, 2003,
722
Täterschaft und Teilnahme, 1977, 58. § 25, Rn. 196; Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, 1999, 55 ff.; Knauer, Kollegialentschei-
723
JuS 1974, 720. dung, 2001, 139ff., 157f.; Köhler, AT, 578; Krey, AT/2 2 , 2005, § 26, Rn. 30; Kühl, AT 5 ,
724
Eingehend gegen Herzberg im Sinne der hier vertretenen Lehre Bloy, Zurechnungstypus, 2005, § 20, Rn. 109; Puppe, Spinellis-Festschrift, 2001, 930; Rodriguez Montanes, Roxin-
1985, 372 ff. Festschrift, 2001, 321. Eine Ausnahme macht nur Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 84, 93, der
725
O b e n S. 283. die Möglichkeit einer „additiven" Mittäterschaft ablehnt.
726
Vgl. dazu schon oben, S. 283. Näher zum Ganzen Roxin, JA 1979, 524. Bockelmann-Festschrift, 1979, 379ff.; das wörtliche Zitat 380. Im Ergebnis ebenso Stein,
727
JuS 1974, 720; in „Täterschaft und Teilnahme", 1977, 59, will Herzberg die Möglichkeit, Beteiligungsformenlehre, 1988, 328.
den Begriff der „wesentlichen Funktion" so auszuweiten, nicht leugnen; nur sei damit Näh er zum Ganzen Roxin, JA 1979, 524 f. Die Literatur hält weitaus überwiegend eine
nichts gewonnen. Mittäterschaft auf G r u n d alternativer Tatbeiträge für möglich, wobei die im Text vorge-
736 737

Allerdings müssen die alternativen Beiträge, um eine Mittäterschaft zu be- ihre Verwirklichung von seiner Mitherrschaft nicht umfaßt war. Diese Mei-
gründen, ins Ausführungsstadium hineinreichen. Wenn in verschiedenen nung wird inzwischen im Schrifttum ganz überwiegend vertreten, 740 so daß
Weltstädten nach einem gemeinsamen Plan Attentäter auf einen hohen Poli- man auch in der Rechtsprechung 741 noch auf einen Meinungsumschwung
tiker lauern, damit er erschossen werde, wohin er auch komme, ist nur der hoffen darf.742
schließliche Todesschütze Täter eines Mordes. Die übrigen Komplottanten,
die vergeblich bereitgestanden haben, sind nur nach § 30 Abs. 2 StGB (Sich-
Bereit-Erklären) zu fassen.735 Aber das ist keine Besonderheit alternativer 8. Fahrlässige Mittäterschaft
Tatbeiträge, sondern nur eine Folge des Umstandes, daß Mittäter nur sein
kann, wer im Ausführungsstadium einen erheblichen Beitrag leistet. Die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft, die früher nur vereinzelte
Befürworter hatte, 743 hat vor allem in den letzten zehn Jahren einen anschei-
nend unaufhaltsamen Aufstieg genommen. 744 Der Grund dafür liegt vor allem
7. Error in persona und sukzessive Mittäterschaft
10
Baumann/Weber/Mitsch, A T " , 2003, § 29, Rn. 107; Bockelmann/Volk, AT 4 , 1987, 190;
Der Raum gestattet es nicht, auf die vielen Einzelfragen der Mittäterschaft 736 Ebert, AT 3 , 2001, 202; Eser, StrafR II 3 , 1980, Fall 40, Rn. 16-19; Freund, AT, 1998, § 10,
hier näher einzugehen. Doch sei auf zwei Punkte wenigstens noch hingewie- Rn. 160; Gössel, Jescheck-Festschrift, 1985, 537 ff.; Heinrich, Rechtsgutszugriff, 2002,
sen. Die von mir vertretene These, daß der error in persona eines Mittäters 303f.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 153; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 125;
sich für die übrigen Beteiligten als Exzeß darstelle und ihnen deshalb nicht Jakobs, AT 2 , 1991, 21/60; Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 679, Fn. 18; Joecks, MK, 2003,
§ 25, Rn. 182; Köhler, AT, 1997, 520; Krey, AT/2 2 , 2005, § 29, Rn. 181; Kühl, AT 5 , 2005,
zuzurechnen sei,737 hat zwar die herrschende Gegenmeinung nicht zur Auf- § 20, Rn. 129; Küper, JZ 1981, 570ff.; Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25, Rn. 12; Maurach/Gössel/
gabe ihres Standpunktes bringen, aber doch manche Anhänger gewinnen Zipf, AT2 7 , 1989, 49/68ff.; O t t o , Grundkurs AT 7 , 2004, § 21, Rn. 67; Rudolphi, Bockel-
können. 738 Die Diskussion muß hier also noch als offen bezeichnet werden. mann-Festschrift, 1979, 377f.; Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 94; Schilling, Der Verbrechens-
Ähnlich steht es mit dem Problem der sukzessiven Mittäterschaft, wo oben 739 versuch des Mittäters und des mittelbaren Täters, 1975, 105; Schmidhäuser, AT 2 , 1975,
14/21; ders., StuB 2 , 1984, 10/65; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Rn. 91; Seelmann,
entgegen der „nahezu einhelligen Lehre" versucht wurde, darzutun, daß dem JuS 1980, 573; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 88. Vgl. zum Ganzen auch Roxin,
erst später Eingreifenden die vor seinem Hinzutritt verwirklichten erschwe- LK 1 1 , 1993, § 25, Rn. 192ff.; ders., AT/2, 2003, § 25, Rn. 219ff.
renden Tatumstände nicht zur Täterschaft zugerechnet werden können, weil 1
Über deren Entwicklung vgl. oben Nr. 20, S. 592, Nr. 21, S. 593 und Nr. 22, S. 593.
2
Unter den Gegnern der BGH-Rechtsprechung ist weiter strittig, ob wenigstens eine Bei-
hilfe hinsichtlich der schon verwirklichten Erschwerungsgründe angenommen werden
kann. Ich habe das oben (S. 290f.) bejaht; zust. Baumann/Weber/Mitsch, A T " , 2003, § 29,
nommene Differenzierung meist vernachlässigt wird: Bloy, Zurechnungstypus, 1985, Rn 107; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 89, 135. Auch insoweit ablehnend aber
372ff.; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 110; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 197; Joerden, Struk- etwa Eser, StrafR II 3 , 1980, Fall 40, Rn. 20; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977,
turen des strafrechtlichen Verantwortlichkeitsbegriffs, 1988, 81 f.; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, 153. Weitergehend dagegen neuerdings wieder Lesch, Das Problem der sukzessiven Bei-
Rn. 109; Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 49/39ff.; Renzikowski, Restriktiver Täter- hilfe, 1992, 313 ff. Er will kraft „kollektiver Organisationseinheit" je nach Gestaltungsanteil
begriff, 1997, 287 bei und in Fn. 107; Seelmann, JuS 1980, 574. Die Möglichkeit einer Mit- Beihilfe oder gar Mittäterschaft zulassen.
3
täterschaft in diesen Fällen ablehnend: Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 84, 93. Etwa Exner, Frank-Festschrift, Bd. 1, 1930, 572; Frank, S t G B , 8 , 1931, vor § 47, Anm. IV. 2.,
735
Gegen Mittäterschaft jedenfalls bei derartiger „örtlich/zeitlicher Alternativität" Köhler, AT, § 47, Anm. III; Kohlrausch/Lange, StGB 4 3 , 1961, § 47, Anm. III; Mezger, Strafrecht 3 , 1949,
1997, 518 bei und in Anm. 78. Auch in einem solchen Fall mit beachtenswerten Gründen 422; Zimmerl, Zur Lehre vom Tatbestand, 1928, 107f. In der Nachkriegszeit war O t t o der
für Mittäterschaft Maurach/Gössel/Zipf, AT/2 7 , 1989, 49/42. wirkungsvollste Vorkämpfer fahrlässiger Mittäterschaft: O t t o , Maurach-Festschrift, 1972,
736 91 ff. (104); JuS 1974, 702ff.; Jura 1990, 47ff.; Spendel-Festschrift, 1992, 271 ff.; Grundkurs
O b e n S. 285-292.
737
O b e n S. lOO.f., 286f., 311 f.; ausführlicher zur Problematik vgl. meine Ausführungen Straf recht, AT 7 , 2004, § 21, Rn. 114 ff. Auch ich hatte in den ersten beiden Auflagen dieses
m . w . N . in L K " , 1993, § 25, Rn. 178; § 26, Rn. 91 ff.; A T / 1 4 , 2006, § 12, Rn. 200, sowie Buches in einem später weggefallenen Kapitel eine fahrlässige Mittäterschaft anerkannt
AT/2, 2003, § 26, Rn. 116 ff. (zur entspr. Problematik bei der Anstiftung). (S. 531 ff.), allerdings auf der Grundlage der irrigen Annahme, Fahrlässigkeitstaten seien
738
Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 89; Eser, StrafR II 3 , 1980, Fall 39; Herzberg, Täter- Pflichtdelikte.
4
schaft und Teilnahme, 1977, 62ff.; Köhler, AT, 1997, 520; Krey, AT/2 2 , 2005, § 29, Rn. 176; Für die Möglichkeit fahrlässiger Mittäterschaft treten ein: Bindokat, J Z 1979, 434 ff.;
Rudolphi, Bockelmann-Festschrift, 1979, 426; Seelmann, JuS 1980, 572; Spendel, JuS 1969, Brammsen, Jura 1991, 537f.; Brammsen/Kaiser, Jura 1992, 38f., 41; Dencker, Kausalität und
314ff. Im wesentlichen wie hier auch Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 143, der zwischen Pla- Gesamttat, 1996, 177 ff.; Eschenbach, Jura 1992, 643 f.; Hilgendorf, Fallsammlung zum
nungsfehlern und Ausführungsfehlern unterscheidet: „War allein die Tatplanung nachlässig, Strafrecht 4 , 2003, 53; ders., NStZ 1994, 563; Hoyer, SK 7 , 2000, § 25, Rn. 154; Joecks, MK,
hat sich in der Kausalverlaufsabweichung auch deren „Exzeßrisiko" niedergeschlagen, d. h. 2003, § 25, Rn. 243; Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, 1999, 175 ff.; Knauer, Kollegial-
die Abweichung bleibt auch für den Hintermann unbeachtlich (fahrlässigkeitsfreier Exzeß). entscheidung, 2001, 181 ff.; Kuhlen, BGH-Festgabe, 2000, 669 f.; Küpper, G A 1998, 526 f.;
War allein die Tatausführung nachlässig, so verhält es sich umgekehrt." Ähnlich differen- Lesch, G A 1994, 119ff.; O t t o (vgl. Anm. 743); Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 1996, 73;
ziert auch Jakobs, AT 2 , 1991, 21/45. Die h. M. nimmt Mittäterschaft an, rechnet also den Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, 1997, 261, 282 ff.; Rodriguez Montanes, Roxin-
fahrlässigen Exzeß allen Mittätern zu. Vgl. z . B . Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, Festschrift, 2001, 326; Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit usw., 2001, 88ff., 209ff.;
Rn. 96; Freund, AT, 1998, § 10, Rn. 174ff.; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 120ff.; Puppe, Schmidhäuser, AT 2 , 1975, 14/30, Anm. 24; ders., StuB 2 , 1984, 10/68f., Anm. 34; Spendel,
Spinellis-Festschrift, 2001, 937ff. JuS 1974, 749ff.; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 16, Rn. 7; Weißer, Kausalitäts- und
739
S. 289-292. Täterschaftsprobleme u s w , 1995, 146ff.; JZ 1998, 230ff.; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13,
738 739

in der aktuellen Problematik der Kollegialentscheidungen, die bei der Pro- knüpfung zwischen dem Erfolg und dem jeweiligen Tatbeitrag nicht erforder-
dukthaftung und auch bei Umweltdelikten eine Rolle spielen. Bei diesen Ent- lich ist. Schließlich setzt die Zurechnung voraus, daß jeder Beteiligte die
scheidungen bereitet die Kausalität einzelner, für den Beschluß nicht ent- Gefährlichkeit des Gesamtprojektes erkennen konnte und mußte." In ähn-
scheidender Stimmabgaben gewisse Probleme, wenn der Beschluß fahrlässige licher Weise, verlangt Weißer 748 für die fahrlässige Mittäterschaft, daß die
Tatbestandsverwirklichungen nach sich zieht. Sieht man dagegen alle Abstim- Beteiligten objektiv derselben Sorgfaltspflicht unterliegen, daß sie bei Vor-
menden als fahrlässige Mittäter an, so wird jedem der Beitrag der anderen nahme der sorgfaltswidrigen Handlung oder Unterlassung willentlich zusam-
zugerechnet und die Kausalität des Gesamthandelns ist problemlos feststell- menwirken und daß dem einzelnen Mittäter bewußt sei, an die anderen wür-
bar. Entsprechendes gilt für den Fall, daß eine Gruppe durch gemeinsames den dieselben Sorgfaltsanforderungen gestellt wie an ihn selbst. Knauer 749
sorgfaltswidriges Handeln einen Erfolg verursacht, ohne daß festgestellt wer- nimmt fahrlässige Mittäterschaft an, wenn sich eine „durch mehrere gemein-
den kann, wer aus der Gruppe durch sein eigenes Verhalten den kausalen Bei- schaftlich geschaffene unerlaubte Gefahr im Erfolg realisiert hat". Otto
trag gesetzt hat. sagt:750 „Wer ... im bewußten arbeitsteiligen Zusammenwirken mit anderen
Da die fahrlässigen Delikte im Hauptteil dieses Buches nicht behandelt Gefahren begründet oder erhöht, die sich - vorhersehbar - im Erfolg realisie-
werden, eine vollständige Entwicklung der Problematik an dieser Stelle aber ren, ist gemeinschaftlich für den Erfolg verantwortlich, also fahrlässiger Mit-
unmöglich ist, muß es hier mit wenigen Bemerkungen sein Bewenden haben. täter." Auf diesen Fundamenten läßt sich weiterbauen, auch wenn die Rechts-
Die Konstruktion einer fahrlässigen Mittäterschaft ist grundsätzlich mög- figur der fahrlässigen Mittäterschaft noch nicht endgültig gesichert und auch
lich.745 Daß die Tatherrschaft den Vorsatz des Täters voraussetzt, steht dem in der Rechtsprechung bisher nicht anerkannt ist.
nicht entgegen. Denn das Prinzip der Tatherrschaft gilt nur für Herrschafts-
delikte und findet schon bei vorsätzlichen Begehungsdelikten auf Pflichtde-
likte und eigenhändige Straftaten keine Anwendung. Erst recht kann es bei C. Pflichtdelikte
Fahrlässigkeitsdelikten, bei denen die Einzeltäterschaft allein auf der objek-
I. Allgemeines
tiven Zurechnung beruht, nicht gelten. Man müßte demzufolge einen von der
Mittäterschaft bei Herrschaftsdelikten abweichenden Begriff der „gemein- Neben den Herrschaftsdelikten wird in diesem Buch die Kategorie der
schaftlichen Begehung" bei Fahrlässigkeitstaten bilden. Solche Versuche kön- Pflichtdelikte 751 eingeführt, bei der nach der hier entwickelten Auffassung
nen nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, einen hinreichend präzisen Begriff nicht die Tatherrschaft, sondern die Verletzung einer tatbestandsspezifischen
fahrlässiger Gemeinschaftlichkeit zu bilden. Denn es geht natürlich nicht an, Sonderpflicht die Täterschaft begründet. Diese Konzeption ist bisher kaum
auf den Nachweis der Kausalität eines fahrlässigen Verhaltens nur deshalb zu auf grundsätzliche Ablehnung gestoßen, 752 andererseits aber auch vielfach
verzichten, weil mehrere Personen sich fahrlässig benehmen. Insofern muß
die scharfe Kritik, die vor allem Puppe 746 an der Rechtsfigur der fahrlässigen
748
Mittäterschaft übt, sehr ernst genommen werden. J Z 1998, 239.
749
Kollegialentscheidung, 2001, 190 ff. (221.).
Immerhin hat die Figur der fahrlässigen Mittäterschaft in den Umschrei- 750
Grundkurs AT 7 , 2004, § 2 1 , Rn. 117.
751
bungsversuchen ihrer Befürworter schon recht konkrete Umrisse gewonnen. O b e n S . 352-399, 458 ff.
So verlangt Renzikowski 747 „zunächst ein gemeinsames Handlungsprojekt.
752
Eine Ausnahme bildet die recht polemische Pauschalaburteilung durch Langer, Das
Sonderverbrechen, 1972, 223-227, die aber auf die Diskussion um die eigentlich problema-
Diese ,Gesamttat' muß sich objektiv als Setzung einer rechtlich mißbilligten tischen Sachfragen nicht eingeht. Langer erscheint meine „Begriffsbildung" von vornherein
Gefahr darstellen. Die Mittäter müssen weiterhin ihre nach dem gemein- „als mit dem positiven Recht unvereinbar", weil sie nach seiner Meinung gegen §§ 28
samen Plan vorgesehenen Beiträge erbracht haben, wobei eine kausale Ver- Abs. 2 und 30 Abs. 1 StGB verstößt. § 28 Abs. 2 regele nämlich den Fall, „daß die Quali-
fikation nur beim Teilnehmer vorliegt", der somit nicht „entgegen der ausdrücklichen
Anordnung des Gesetzes als Täter bestraft werden" dürfe (224). Aber das ist eine petitio
principii. Denn § 28 Abs. 2 bestimmt nicht die Abgrenzung von Täterschaft und Teil-
Rn. 507; § 15, Rn. 659; wohl auch: Beulke/Bachmann, JuS 1992, 747; Lampe, ZStW 106 nahme, sondern setzt sie voraus und behandelt auf der Grundläge einer nach allgemeinen
(1994), 692 f.; Schumann, StrV 1994, 110. Lehren bestehenden Täter-Teilnehmer-Beziehung die Akzessorietät bei besonderen persön-
745
Das räumt selbst Puppe, die schärfste Gegnerin dieser Rechtsfigur, ein. Es sei „begrifflich lichen Merkmalen (vgl. oben S. 362). Ferner meint Langer: „Jede erfolglose Anstiftung zu
möglich, auch eine fahrlässige Mittäterschaft zu definieren. Denn jede Fahrlässigkeit ist mit einem Pflichtdelikt durch einen Intraneus enthält dessen Sonderpflichtverletzung und ist
einem Handlungsprojekt verknüpft, bei dessen Ausführung den Täter die Sorgfaltspflicht dabei folgerichtig als täterschaftlicher Deliktsversuch strafbar", was gegen § 30 Abs. 1 StGB
verstoße (224). Doch das ist abwegig. Denn die Pflichtverletzung liefert ja nur ein Täter-
trifft, die er dann verletzt. Wird dieses Handlungsprojekt von mehreren gemeinsam ausge-
schaftskriterium, nicht den Strafgrund, der auch bei Pflichtdelikten in einer Rechtsgüter-
führt, so kann man eine fahrlässige Mittäterschaft konstruieren und diese von fahrlässiger
verletzung besteht; nur das unmittelbare Ansetzen zur tatbestandlichen Rechtsgüterverlet-
Anstiftung, fahrlässiger mittelbarer Täterschaft und fahrlässiger Beihilfe begrifflich unter-
zung begründet hier wie sonst den Versuch. Freund, AT, 1998, § 10, Rn. 49 m . w . N . , meint,
scheiden." (Spinellis-Festschrift, 2001, 922).
746 eine selbständige Kategorie der Pflichtdelikte erübrige sich „bei einem angemessenem Ver-
Spinellis-Festschrift, 2001, 922 ff.; G A 2004, 129 ff.; AT/2, 2005, 120. ständnis der Delikte". Gegen Freund zutreffend Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf-
747
Restriktiver Täterbegriff, 1997, 288 f. (unter Verwertung der Arbeiten von Ransiek, recht, 2004, 141 f.
Dencker, O t t o und Lampe, alle wie in Anm. 744).
740 741

zögernd und nur punktuell rezipiert oder kritisiert worden, was angesichts Allerdings hält Sering 758 im Anschluß an die Rechtsprechung auch eine
ihrer Neuartigkeit und der vielen in diesem Bereich noch offenen Probleme Tatherrschaft durch Unterlassen für möglich. Man könne sagen, „daß der
auch nicht wundernehmen kann. Immerhin hat die Kategorie der Pflicht- Unterlassende jedenfalls in normativer Hinsicht den tatbestandlichen Verlet-
delikte eine wachsende Zahl von Befürwortern 753 und jetzt auch erste (aus- zungsverlauf, dadurch final gestaltet, daß er ihn sich voll und Schritt für
gezeichnete!) monographische Bearbeitungen von Sänchez-Vera 754 und Wit- Schritt entfalten läßt". 759 Das tun aber auch der Anstifter und der Gehilfe, ja
tek 755 gefunden, die beide die in diesem Buch dargestellte und später vor selbst ein zufällig ortsanwesender Nichtgarant, so daß ein derart verstandener
allem von Jakobs aufgenommene und verbesserte Konzeption ihrerseits wei- Tatherrschaftsbegriff jegliche Abgrenzungsfähigkeit einbüßt. Sering führt
terentwickelt und in die einstweilen avancierteste Form gebracht haben. Wit- denn auch konkretisierende Kriterien ein, die mit Tatherrschaft wenig zu tun
tek kommt nach eingehender Auseinandersetzung mit der kontroversen Lite- haben. Im Vordergrund steht für ihn, inwieweit ein Unterlassen geeignet ist,
ratur zu dem Ergebnis, 756 daß die „Existenzberechtigung" der Pflichtdelikte „die Motivationskausalität des Haupttäters zu beeinflussen" 760 . „Je mehr der
„als eigenständige Deliktsgruppe nicht länger bezweifelt werden kann". Daß Unterlassungsbeitrag des Garanten den aktiven Haupttäter ... psychisch
bei den Pflichtdelikten die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach stärkt", desto eher will er eine täterschaftliche Haftung annehmen. Aus
anderen Kriterien als denen der Tatherrschaft erfolgen muß, kann als wohl diesem Umstand könnte sich aber doch allenfalls eine psychische Beihilfe er-
schon herrschende Lehre bezeichnet werden, 757 auch wenn in diesem noch geben. Statt dessen spricht Sering 761 von einer durch „das Maß der Determi-
relativ wenig erforschten Bereich viele Einzelfragen weiterer Klärung harren. nation der Motivationskausalität des Haupttäters" erreichten „Mitbeherr-
schung des Geschehens". Daneben will er das „Tatinteresse", den „Grad der
vorhandenen Erfolgsabwendungsmöglichkeit" sowie „die soziale Intensität
Seier, J A 1990, 383, bezieht sich auf „die von Roxin entwickelte und mittlerweile allgemein der Schutzbeziehung des Garanten" berücksichtigen. 762 Das alles läuft darauf
anerkannte Lehre von den Pflichtdelikten". Für diese Lehre: Blauth, „Handeln für einen
anderen" nach geltendem und kommendem Recht, 1968, 76 ff.; Blei, AT 1 8 , 1983, 255; Cra- hinaus, die Täterschaft mit Hilfe einer wertenden Gesamtschau nach dem
mer, Bockelmann-Festschrift, 1979, 395f.; Ebert, AT 3 , 2001, 191; G r o p p , AT 3 , 2005, § 10, Maß von Schuld und Strafbedürftigkeit zu beurteilen. Die Täterschaft ist
Rn. 39; Haft, AT 9 , 2004, 196; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 33 („im Grund- aber, auch wenn die Rechtsprechung solchen Tendenzen gelegentlich Vor-
satz Zustimmung"); Jakobs, AT 2 , 1991, 21 /116ff.; Jordan, Jura 1999, 304ff. (306f.); Kind- schub leistet, kein Strafzumessungsgrund, sondern sie bedeutet Tatbestands-
häuser, Hollerbach-Festschrift, 2001, 627ff. (649); Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 14; Lampe,
ZStW 106 (1994), 683 ff. (689 bei Fn. 18); Murmann, Nebentäterschaft, 1993, 181; Nieder- verwirklichung durch eine bestimmte Art unrechtmäßigen Verhaltens.
mayr, ZStW 107 (1995), 507 ff. (540); Ranft, JZ 1995, 1186; Rudolphi, G A 1970, 353 ff. Die Pflichtdelikte bleiben also auf der Tagesordnung. Freilich ist die The-
(361 ff.); Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 15; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, vor § 25, Rn. 84;
matik so umfangreich, daß ich beim „ersten Zugriff" in der vorliegenden Dar-
Schünemann, G A 1986, 331 ff.; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht,
1969; Volk, Roxin-Festschrift, 2001, 563ff. (569); Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13, stellung die Analyse der jeweils täterschaftsbegründenden Sonderpflichten
Rn. 522f. Kritisch weiterführend: Schünemann, L K " , 1993, § 14, Rn. 17. Teils zustimmend, anhand der einzelnen Tatbestände etwas vernachlässigt 763 und dadurch Zahl
teils ablehnend Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 229ff. (nach Tatbeständen differenzierend; und Reichweite der Pflichtdelikte überschätzt habe. Das gilt insbesondere für
näher zu Bloy Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf recht, 2004, 130 ff.); Heinrich, Rechts-
die fahrlässigen Straftaten,764 die ich nach dem jetzigen Stande meiner Ein-
gutszugriff, 2002, folgt der Lehre von den Pflichtdelikten bei den „eigentlichen Pflicht-
delikten" (wie etwa §§ 336, 348 oder den Unterlassungsdelikten), nicht aber bei den „blo- sicht nicht mehr als Pflichtdelikte ansehen möchte, soweit die das Unrecht
ßen Sonderdelikten", zu denen er § 340 zählt; Joecks, MK, 2003, § 25, Rn 43 (der auch den konstituierende Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nur die jeden
aktiv handelnden Pflichtigen als Unterlassungstäter ansieht); Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , Staatsbürger treffende Vermeidepflicht bezeichnet, die auch den Vorsatztatbe-
2004, § 12, Rn. 40 (wo der Pflichtige im Falle des § 266 als unmittelbarer Täter aufgefaßt
ständen zugrunde liegt. Vielmehr wird man bei Fahrlässigkeitstatbeständen
wird). Seier, JA 1990, 383 folgt der Pflichtdeliktslehre (im Anschluß an Stratenwerth) bei
§§266, 170 b. wie überall sonst von Pflichtdelikten nur sprechen können, wo bestimmte
Pflichtdelikt und Beteiligung, 1999. Da das Buch, wie schon der Titel zeigt, aus der Pflicht- Sonderpflichten zu speziellen, nicht jedermann zugänglichen Tätervorausset-
deliktslehre vor allem auch Konsequenzen für die Teilnahme zieht, können seine darauf zungen führen. Aus diesem Grunde habe ich seit der dritten Auflage des
bezüglichen Thesen in diesem auf die Täterlehre beschränkten Buch nicht wiedergegeben Buches das ursprüngliche elfte Kapitel über „Täterschaft und Teilnahme bei
werden. Eine Auseinandersetzung mit der Kategorie der Pflichtdelikte auf der Basis des
portugiesischen Rechts liefert Pizarro Beleza, Coimbra-Symposium, 1995, 267 ff.
Der Betreiber im Umweltstrafrecht. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den Pflichtdelik-
ten, 2004. In dem Buch wird nicht nur meine Lehre (91 ff.), sondern auch „die Aufnahme Beihilfe durch Unterlassen, 2000
der Lehre von den Pflichtdelikten in der Wissenschaft" eingehend dargestellt (104 ff.). Auch Beihilfe durch Unterlassen, 2000, 89.
Chen, Das Garantensonderdelikt, 2003, 14 ff., behandelt ausführlich die „für und gegen die Beihilfe durch Unterlassen, 2000, 91.
Pflichtdeliktslehre vorgebrachten Argumente und deren Beurteilung". Beihilfe durch Unterlassen, 2000, 101.
Der Betreiber im Umweltstrafrecht, 2004, 143. Beihilfe durch Unterlassen, 2000, 102.
Stein, Beteiligungsformenlehre, 1988, meint von seinem verhaltensnormorientierten Ansatz Darauf hatte ich selbst von vornherein (s. o. S. 384ff.) hingewiesen.
aus, „den Intraneus treffe eine im Vergleich zum Extraneus dringlichere Pflicht" (214), sieht Vgl. dazu (teilweise im Anschluß an Einwände von Dreher, Stratenwerth und Jakobs)
das aber mehr als eine „terminologische Umformung" der Pflichtdeliktslehre an, mit der er bereits meine Bemerkungen in „Kriminalpolitik und Strafrechtssystem", 2. Aufl., 1973, 22,
im Ergebnis übereinstimmt: „Soweit (objektive) besondere Tätermerkmale vorhanden sind, A n m . 51; 49, A n m . 16; Gallas-Festschrift, 1973, 241, A n m . 3; ZStW 85 (1973), 103, A n m .
sind sie die alleinigen Tätermerkmale" (255). 14.
742
743
765
fahrlässigen Delikten" weggelassen. Die darin entwickelten Lösungen einem alle Täterschaftsformen verknüpfenden Band durchaus fruchtbar und
erscheinen mir zwar durchweg noch heute als zutreffend. Doch handelt es widerspricht meiner Lehre nicht. Die Problematik bedarf noch weiterer
sich dabei vielfach um allgemeine Zurechnungsprobleme, wie ich sie inzwi- Überlegung und Bearbeitung.
schen in anderem Zusammenhang systematisch ausgearbeitet habe. 766 Ferner Schünemanns Schüler Chen 775 hat die Konzeption seines Lehrers im ein-
spricht vieles dafür, die unechten Unterlassungstaten nicht samt und sonders zelnen ausgearbeitet mit dem Ergebnis, daß er den Begriff der Pflichtdelikte
als Pflichtdelikte anzusehen. 767 Auch ist mir zweifelhaft geworden, ob die durch den der „Garantensonderdelikte" ersetzen und diese allein auf die
strafbarkeitsbegründenden Sonderpflichten, wie ich ursprünglich annahm, Schutz- oder Kontrollherrschaft des Garanten stützen will. Es werde die
alle außerstrafrechtlicher Art sind.768 Die Behandlung dieser Frage wie auch „Pflicht durch ein strafrechtliches Herrschafts Verhältnis" ersetzt, „bei dem
die einer exakten Umgrenzung der den Kreis der Pflichtdelikte ausmachen- die Pflicht lediglich die Folge der Herrschaft ist" und „schlicht die aus dem
den Einzeltatbestände muß ich einer Spezialarbeit vorbehalten, die auch die Tatbestand folgende Rechtswidrigkeit wiedergibt".
im folgenden Absatz skizzierte Problematik weiter ausführen wird. 769
Damit wird aber der Herrschaftsgedanke überstrapaziert. Denn zwar ist es
Neuere Bemühungen gehen dahin, die Herrschafts- und die Pflichtdelikte, eine weiterführende Einsicht, daß jede Pflichtenstellung einen Herrschaftsbe-
die im vorliegenden Buch als selbständige und voneinander getrennte reich umspannt, in dem sie wirksam werden soll. Aber die Pflicht folgt nicht
Erscheinungsformen der Täterschaft behandelt werden, zu einer Synthese zu eo ipso aus irgendwelchen empirischen Gegebenheiten, sondern aus einer
bringen und einem gemeinsamen normativen Herrschaftsprinzip zu unter- normativen Zuweisung, wie etwa bei den Amtsdelikten besonders augenfällig
stellen. So deutet Schünemann die Position des Sonderpflichtigen als eine wird. Das gilt auch für den Pflichtdeliktscharakter der Unterlassungsstraf-
„Schutzherrschaft über das Rechtsgut" 770 oder, in jüngerer Formulierung, 771 taten. O b jemand als Garant eine Gefahrenquelle zu überwachen hat, ergibt
als „Geschehensherrschaft i. S. der Kontrolle über einen sozialen Bereich", sich nicht schon aus der tatsächlichen Möglichkeit der Überwachung, son-
indem er z.B. die Vermögensfürsorgepflicht bei der Untreue an eine „Ob- dern erst aus einer speziellen Zuständigkeit dafür (also aus der „Pflicht").
hutsstellung und Näheposition zu einem fremden Vermögen" oder die Und bei der Schutzgarantenstellung ist es nicht anders. Zwar ist die faktische
Schweigepflicht in §203 StGB an die „Einräumung einer Herrschaft" über Übernahme einer Schutzposition häufig mit der Zuweisung einer Garanten-
die fremde Geheimsphäre anknüpft. In ähnlicher Weise spricht Bottke 772 von pflicht verbunden, aber sie ist nicht mit ihr identisch. Die Eltern sind Garan-
einer „Gestaltungsherrschaft", die auch die Pflichtdelikte umfassen soll, und ten für das Leben ihres Neugeborenen, auch wenn sie das Kind von vornher-
Murmann 773 faßt die Pflichtenstellung als „Herrschaft über die Qualität des ein nicht betreuen und schutzlos dem Tode überlassen. Und wer die
Verhältnisses" auf. Wenn man die Unterschiede zwischen einer Tatherrschaft Schutzbeziehung zu einer von ihm zu betreuenden Person realiter aufgibt,
im Sinne der Jedermann-Delikte und einer derartigen normativen „Schutz"-, den Schützling also im Stich läßt, verliert damit nicht ohne weiteres seine
„Geschehens"-, „Gestaltungs"- oder „Verhältnisherrschaft" nicht aus dem Garantenstellung.
Auge verliert,774 ist die sich in diesen Bemühungen aussprechende Suche nach
Die Unterscheidung von Herrschafts- und Pflichtdelikten sollte also erhal-
ten bleiben. Gerade bei der Überwachung von Gefahrenquellen in Betrieben
kommt der Zuständigkeit (im Sinne einer Pflichtzuweisung) durchweg grö-
ßere Bedeutung zu als realen Herrschaftsbeziehungen. Die Übernahme eines
S. 527-577 der ersten und zweiten Auflage.
Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Straf recht, in: Honig-Festschrift, 1970,
Kontrollbereiches ist hier meist die Folge einer Pflichtübertragung; nicht
133-151 (= Strafrechtliche Grundlagenprobleme, 1973, 123-146); Zum Schutzzweck der etwa ist es umgekehrt so, wie es Chen vorschwebt, daß die Pflicht nur der
N o r m bei fahrlässigen Delikten, in: Gallas-Festschrift, 1973, 241-259. Ausführlich und Reflex einer schon vorher gegebenen Kontrollherrschaft ist.
zusammenfassend Roxin, AT/1 \ 2006, § 1 1 . Die Autoren, die nach wie vor die Pflichtdelikte verwerfen, leugnen natür-
Vgl. dazu die Darstellung der Konzeption von Jakobs (unten S. 752 ff.).
Vgl. dazu Schünemann, L K " , 1993, § 14, Rn. 17. lich nicht, daß die Täterschaft bei diesen Delikten die Verletzung der tat-
Zur Abgrenzung von Pflicht- und Jedermanns-Delikten vgl. unter Darstellung des Streit- bestandsspezifischen Pflicht voraussetzt. Aber sie gehen davon aus, daß
standes einstweilen meine Kommentierung in L K " , 1994, § 28, Rn. 60ff. neben diese Pflichtverletzung beim Täter immer noch die Tatherrschaft treten
G A 1986, 331 ff. Hier auch die weiteren Zitate (334, 333).
L K " , 1993, § 14, Rn. 17. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Position Schünemanns
liefert Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf recht, 2004, 136ff.
Gestaltungsherrschaft, 1992, 17, 44ff., 60ff., 88ff., lOOff. Lebhafte Kritik findet die Kon-
zu dem schützenswerten Rechtsgut steht, dieses auch umfassend beschützen muß. Diese
zeption von Bottke bei Lesch, G A 1994, 112ff., und Wittek, Der Betreiber im Umwelt-
verschiedenartige Interpretation des Begriffes der Herrschaft bei den unterschiedlichen
strafrecht, 2004, 122 ff. Deliktsformen erscheint weniger als eine noch vom Wortlaut gedeckte Auslegung eines
Die Nebentäterschaft im Straf recht, 1993, 181 f. Begriffs, sondern vielmehr als eine über diesen hinausgehende Form der Analogie." Und,
Hier setzt die Kritik von Wittek, Der Betreiber im Umweltstrafrecht, 2004, 139, an Schüne- vielleicht schon etwas überspitzt: „Durch seine gleichzeitige Anwendung auf Herrschafts-
mann an. Es handele sich bei dessen Herrschaftsbegriff „nicht mehr um eine Form der und Pflichtdelikte wird der Herrschaftsbegriff eines aussagekräftigen, beide Deliktsformen
Herrschaft, wie sie in traditionell-faktischer Hinsicht im Strafrecht verstanden wird, son- überwölbenden Inhalts beraubt."
dern um eine normative Wertung der Art, daß derjenige, der in einer besonderen Stellung Das Garantensonderdelikt, 2003.
744 745

müsse.776 Doch das führt nicht nur beim qualifikationslosen dolosen Werk- der Pflichtdeliktslehre begründet habe. Dies gilt in verstärktem Maße für
zeug in die Sackgasse, wenn der veranlassende Intraneus keinerlei Tatherr- BGHSt 38, 325 ff. Das Urteil bestraft einen Bürgermeister, den die Entschei-
schaft hat (näher II), sondern auch beim Unterlassungsdelikt, wo es von dung als Garanten für die Abwendung der von ortsansässigen Grundstücks-
vornherein keine Tatherrschaft gibt und auch alle sonstigen Differenzierun- eigentümern ausgehenden Gewässerverunreinigungen ansieht, ohne weiteres
gen versagen (näher III). Es überzeugt nicht einmal in dem Fall, in dem theo- als Unterlassungstäter, ohne die Möglichkeit einer bloßen Beihilfe auch nur in
retisch ein Abstellen auf die Tatherrschaft möglich wäre und auf den sich Erwägung zu ziehen: 783 „Demgemäß hat der Bürgermeister den Tatbestand
denn auch Jescheck 777 beruft, wenn er sagt: „Stehen nämlich mehrere in der der Gewässerverunreinigung (§ 324 Abs. 1 StGB) durch Unterlassen verwirk-
gleichen Pflicht, kommt es wiederum allein auf die Tatherrschaft an." licht, soweit die pflichtwidrige Verabsäumung der von ihm zu ergreifenden
Wenn also bei gemeinsamer Dienstausübung ein Polizist einen anderen zu Maßnahmen für den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs ursächlich war"
einer Körperverletzung im Amt auffordert, soll er mangels Tatherrschaft nur (a. a. O., 337). Nestler 784 zieht daraus mit Recht die Folgerung, die These, daß
wegen Anstiftung zu §340 StGB bestraft werden, während er nach der hier der B G H Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen immer noch nach
vertretenen Lehre genauso Täter ist wie der unmittelbar Handelnde. Da § 340 der subjektiven Theorie abgrenze, lasse sich „für den Bereich der Amtsträger-
StGB jedoch ausdrücklich als Täter auch den nennt, der eine Körperverlet- garantenstellung gem. § 324 StGB ... nicht mehr aufrechterhalten. Mit keinem
zung „begehen läßt" (worunter sogar das bloße Unterlassen fällt), ist die Wort geht der B G H auf die Frage ein, ob Beihilfe des Bürgermeisters zu den
Gegenmeinung schon mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Frei- Gewässerverunreinigungen der Einleiter in Frage kam, sondern bejaht mit
lich wird das „Begehenlassen" nicht bei allen Pflichtdelikten erwähnt; es fehlt der Feststellung der Garantenstellung gleichsam automatisch die Täterschaft
z. B. - wohl nur aus stilistischen Gründen - im verwandten Tatbestand der des Bürgermeisters." Auch Entscheidungen zur Untreue lassen sich im Er-
Aussageerpressung (§ 343 StGB). Aber es gibt nicht den geringsten teleologi- gebnis für die Lehre von den Pflichtdelikten in Anspruch nehmen (vgl. Nr. 63
schen Grund, etwa nur eine Anstiftung zu § 343 StGB anzunehmen, wenn ein der Rechtsprechungsübersicht). Deren ausdrückliche Anerkennung durch die
Polizist im Rahmen seiner Amtstätigkeit einen Kollegen auffordert, einen Rechtsprechung steht freilich noch aus.
Dritten zum Zwecke einer Aussageerpressung körperlich zu mißhandeln. Seit der Vorauflage hat sich besonders Hoyer 7 8 5 wieder um die Begrün-
Der Umkehrschluß, der mir oft entgegengehalten wird - gerade aus der dung der These bemüht, daß bei Pflichtdelikten die Verletzung der tat-
Nichterwähnung des Begehenlassens in §343 folge die Notwendigkeit der bestandsspezifischen Pflicht zur Begründung der Täterschaft noch nicht
Tatherrschaft für die Täterschaft - führt sich durch sein ungereimtes Ergebnis genüge, sondern daß die „allgemeinen Täterschaftsvoraussetzungen für Herr-
ad absurdum. 778 „Welchen Sinn könnte es machen, eine im Amt begangene schaftsdelikte" immer noch hinzukommen müßten. 786 So setze die Untreue
Körperverletzung in der Form des „begehen lassens" täterschaftlich zu be- (§ 266) neben der Verletzung einer Vermögensfürsorgepflicht auch eine Scha-
strafen, hiervon aber sogleich abzugehen, wenn die so begangene Körperver- denszufügung voraus. „Zentralgestalt der Pflichtverletzung kann selbstver-
letzung ein bestimmtes Ziel, nämlich die Erpressung einer Aussage, hat?" 779 ständlich nur der Inhaber der Pflicht sein, Zentralgestalt der Nachteilszu-
Eine gründliche Widerlegung der hier bekämpften Meinung unter Aufnahme fügung aber durchaus eine andere Person, deren Handeln dann dem
aller bisher vorgebrachten Argumente liefern jetzt Sänchez-Vera 780 und Sonderpflichtigen erst nach den Regeln über die Herrschaftsdelikte zugerech-
Wittek.781 net werden müßte." 787
Auch in der Rechtsprechung scheint die Lehre von den Pflichtdelikten all- Die Notwendigkeit einer Rechtsgutsverletzung auch bei den Pflichtdelik-
mählich Fuß zu fassen. Schon die bekannte Lederspray-Entscheidung ten besagt aber nichts gegen die hier vertretene Auffassung. Denn die Pflicht-
(BGHSt 37, 106 ff.) wird in der Literatur 782 teilweise so gedeutet, daß der verletzung begründet die Täterschaft, nicht auch schon die Tatbestandsver-
BGH die täterschaftliche Verantwortlichkeit der Leitungsorgane mit Hilfe wirklichung. Einen Angriff auf das geschützte Rechtsgut unternehmen auch
Anstifter und Gehilfen, aber die Täterschaft wird allein durch die Verletzung
776
der tatbestandsspezifischen Sonderpflicht begründet. Wollte man mit Hoyer
In diesem Sinne am ausführlichsten Bottke, Gestaltungsherrschaft, 1992, 109ff., in seiner
Kritik meiner „Pflichtdeliktslehre"; ähnlich Pizarro Beleza, Coimbra-Symposium, 1995,
verlangen, daß der Täter sowohl „Zentralgestalt der Pflichtverletzung" als
267 ff. auch „Zentralgestalt der Nachteilszufügung" sei, so müßte man zum Frei-
777
Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 663, Anm. 1; ähnlich O t t o j u r a 1987, 257.
778
Vgl. Roxin, AT/2, 2003, § 25, Rn. 281 ff. (285). Bei der Auseinandersetzung mit den Ein-
wänden wird besonders auch auf die Kritik Bottkes eingegangen.
779 783
Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf recht, 2004, 135, unter Berufung auf meine in Anm. Die mangelnde Erörterung dieser Frage ist der Grund, warum die Entscheidung in der
778 angeführte Stellungnahme. Rechtsprechungsübersicht nicht angeführt wird.
780 784
Pflichtdelikt, 1999, 137ff. Anders aber zuvor Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff, 1997, G A 1994,527.
785
27-29. SK 7 , 2000, § 25, Rn. 21 ff. Kritisch gegen H o y e r Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf -
781 recht, 2004, 127ff.
Der Betreiber im Umweltstrafrecht, 2004, 127ff.
786
782
Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, 1998, 173; Wittek, Der Betreiber im SK 7 , 2000, § 25, Rn. 22, 25.
787
Umweltstrafrecht, 2004, 234. SK 7 , 2000, § 2 5 , Rn. 22.
746 747

spruch aller Beteiligten kommen, wenn die beiden „Zentralgestalten" sich in früher absolut herrschende Meinung durch die Darlegungen des Textes 794 für
verschiedenen Personen verkörpern; denn keine von beiden würde dann die widerlegt: „Die Tatherrschaft herzuleiten aus der Macht des Intraneus, durch
Tätervoraussetzung (Pflichtverletzung + Tatherrschaft) erfüllen. Außerdem seine Tatveranlassung das Geschehen zur Straftat zu machen, ist also eine
weist Joecks 788 mit Recht darauf hin, daß der Treupflichtige schon dann Täter petitio principii: Es wird vorausgesetzt, was erst bewiesen werden müßte."
einer Untreue (durch Unterlassen) ist, wenn er gegen die Vermögensschädi- Ebenso erklärt'Wagner 795 in seiner den „Amtsverbrechen" gewidmeten Spe-
gung durch andere nicht einschreitet. Genügt aber schon eine Treupflichtver- zialuntersuchung den Tatherrschaftsgedanken bei diesen Konstellationen als
letzung durch Unterlassen ohne jede Tatherrschaft zur Begründung einer zur Begründung der mittelbaren Täterschaft schlechthin „untauglich". An
täterschaftlichen Untreue, kann man nicht gut demjenigen die Täterschaft diesem Befund scheint mir auch der Versuch Bockelmanns, 796 mit Hilfe der
absprechen, der durch treupflichtwidrige Aktivitäten, wenn auch ohne Tat- Tatherrschaft eine mittelbare Täterschaft des lediglich tatveranlassenden
herrschaft, auf die Tatbestandsverwirklichung hinarbeitet. Intraneus plausibel zu machen, nichts zu ändern. Wenn er zur Begründung
Im folgenden sollen die beiden Fallgruppen, bei denen die Lehre von den anführt, der Hintermann habe die Tatherrschaft, wenn „dem im Vordergrund
Pflichtdelikten die größte praktische Bedeutung hat, noch etwas näher behan- Handelnden, besonderer, seine eigene Verantwortlichkeit für die Tat aus-
delt werden. schließender oder modifizierender, Umstände wegen die Qualität eines Werk-
zeuges zugeschrieben werden kann und ... der Hintermann den Tatmittler in
Kenntnis dieser Umstände ... benutzt", so stützt das die Konzeption der
IL Das qualifikationslose dolose Werkzeug Pflichtdelikte mehr als die der Tatherrschaft. Denn die „besonderen Um-
stände", die die Verantwortlichkeit des Vordermannes „modifizieren", liegen
Es gehört zu den wesentlichsten Auswirkungen der Lehre von den Pflicht- ausschließlich im Fehlen der Pflichtenstellung; an der Beherrschung des äuße-
delikten, daß sie „das Problem des ,qualifikationslosen Werkzeugs' weit- ren Tatvorganges durch den unmittelbar Handelnden besteht trotz dieser
gehend entschärft" 789 . Wenn ein Qualifizierter schon durch Verletzung der „Umstände" kein Zweifel.
dem Tatbestand zugrunde liegenden außerstrafrechtlichen Sonderpflicht zur Puppe 797 hat den Versuch, dem außenstehenden Intraneus die Tatherr-
„Zentralgestalt" des Geschehens wird, bereitet die Begründung einer mittel- schaft auch dann zuzusprechen, wenn die Ausführung allein beim Extraneus
baren Täterschaft des Sonderpflichtigen Hintermannes bei Einschaltung eines liegt, vor kurzem erneuert. Ihr zufolge ist „die Pflichtenstellung selbst eine
den äußeren Tathergang beherrschenden Extraneus keine Schwierigkeiten Form von Tatherrschaft". Die Sonderstellung des Intraneus bestehe nicht
mehr. Die Einsicht jedenfalls, daß mit dem Tatherrschaftsprinzip bei dieser nur in seiner spezifischen Pflicht (z.B. der Vermögensfürsorgepflicht in
Fallgruppe nicht weiterzukommen ist, setzt sich in der wissenschaftlichen §266), sondern auch „darin, daß er eine Zugriffsmöglichkeit auf das ge-
Diskussion immer mehr durch. Den ursprünglich von Gallas und Welzel ent- schützte Rechtsgut hat", die dem Extraneus nicht zu Gebote stehe. Es gehe
wickelten, später noch von Jescheck 790 wieder aufgenommenen Gedanken „um den Begriff der Tatherrschaft, den Roxin nur als Handlungsherrschaft
einer „sozialen" oder „normativen" Tatherrschaft, demzufolge der zwar nicht verstehen" wolle, während sie ihn als „Herrschaft über den Rechtsguts-
tatsächlich, aber „rechtlich beherrschende Einfluß des Hintermanns" 791 seine angriff" deutet. 798
Tatherrschaft begründen soll, nennen Stratenwerth/Kuhlen 792 „eine Schein- Aber auch diese verbesserte Fassung der ursprünglichen Lehren von Gallas
lösung, die das Erfordernis der Sonderpflicht umdeutet in ein Moment der und Welzel überzeugt nicht. Denn die rechtliche Möglichkeit, daß jemand
Herrschaft über das Tatgeschehen, auf die es doch allein für die Frage ankom- kraft einer besonderen Pflichtenstellung Täter eines bestimmten Deliktes
men kann, wer das Delikt ausführt". In ähnlicher Weise hält Herzberg 793 die werden kann, verschafft ihm, wenn er dabei ganz von einem Extraneus ab-
hängig ist, evidentermaßen nicht die Herrschaft über das tatsächliche Gesche-
hen und auch nicht, um mit Puppe zu sprechen, die „Herrschaft über den
788
MK, 2003, § 25, Rn. 43. Rechtsgutsangriff". Das geschützte Rechtsgut in §266 ist das Vermögen, und
789
Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 33.
790
Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 669f., w o jetzt von „normativ-psychologischer Tatherr-
dieses greift in beherrschender Position allein der Extraneus an, wenn der
schaft" gesprochen wird; zustimmend Lackner/Kühl 2 5 , 2004, § 25 („aufgrund normatirer Sonderpflichtige sich auf die Veranlassung beschränkt.
Deutung des Tatherrschaftsbegriffs").
791
Jescheck, AT 4 , 1988, 607; zur kritischen Auseinandersetzung mit dieser Lehre vgl. meine
Darlegungen in ZStW 85 (1973), 102f. In Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 670, heißt es jetzt
etwas resignierend, man müsse „den rechtlich notwendigen Einfluß des Hintermannes als
Tatherrschaft genügen lassen. Notwendig ist allerdings auch eine psychische Einflußnahme O b e n S. 253-258.
auf den Vordermann, die etwa das Gewicht einer Anstiftungshandlung hat (normativ-psy- Amtsverbrechen, 1975, 380.
chologische Tatherrschaft)." Darin steckt das Eingeständnis, daß es sich im Grunde nicht AT 3 ,1979, 179; ebenso Bockelmann/Volk, AT 4 ,1987, 179.
um Tatherrschaft handelt. AT/2, 2005, § 39, Rn. 35.
792
AT 5 , 2004, § 12, Rn. 40. AT/2, 2005, § 39, Rn. 35, Fn. 242. Diese Auffassung hat einige Ähnlichkeit mit der oben
793
Täterschaft und Teilnahme, 1977, 32; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/104: „ein Zirkel". behandelten Konzeption von Chen/Schünemann.
748 749
799
Inzwischen haben sich eine Reihe von Autoren der hier vorgeschlagenen diese These einige Anhänger gewonnen hat.807 Denn dann brauchte jeder
Lösung angeschlossen. Sehr nahe steht dieser Konzeption auch die Lehre von Sonderpflichtige sich zur Ausführung der Tatbestandshandlung nur eines
Schmidhäuser,800 der eine Unterlassungstäterschaft des Sonderpflichtigen Extraneus zu bedienen, um straflos davonzukommen - ein kriminalpolitisch
annimmt, weil dieser eine „Garantenstellung" innehabe, „kraft derer er zum unerträgliches und vom Gesetzgeber zweifellos nicht gewolltes Ergebnis!
Einschreiten verpflichtet ist, wenn ein anderer in seinem Amtsbereich störend Stratenwerth/Kuhlen 808 bekämpfen jetzt die hier vertretene Auffassung, daß
tätig wird". Daran ist sicher richtig, daß auch schon das Untätigbleiben eine die Pflichtenstellung des Hintermannes allein seine Täterschaft begründe, mit
Sonderpflichtverletzung des Intraneus darstellen und eine Täterschaft durch demselben Argument, das ich der ursprünglichen Konstruktion einer Quasi-
Unterlassen begründen kann. „In den Fällen, in denen der Amtswalter einen Anstiftung entgegengehalten hatte. Es liege darin „ein klarer Verstoß gegen
Dritten zu einer Individualrechtsgutsverletzung veranlaßt, schafft er aber die den Grundsatz ,nullum crimen sine lege' ... Wer einen anderen bloß veran-
Gefahrenlage durch aktives Tun", betont demgegenüber Wagner 801 mit Recht, laßt, eine Falschbeurkundung zu begehen (§348), beurkundet nichts." 809 Das
und in diesen doch wohl häufigeren Fällen kommt man nicht umhin, die ist aber eine fehlgehende These. 810 Denn bei der mittelbaren Täterschaft wird
„Bewirkung durch Pflichtverletzung" als das die mittelbare Täterschaft durchweg (z. B. bei der Nötigungs- und Irrtumsherrschaft) das Verhalten des
begründende Kriterium anzuerkennen. Treffend fragte Stratenwerth: 802 „Muß „Werkzeuges" dem Hintermann zugerechnet. Tut man das auch hier, so ver-
nicht, wenn die Unterlassung des Sonderpflichtigen, einen Extraneus an der wirklicht der Hintermann die Tatbestandshandlung durch den ausführenden
Tat zu hindern, der Verwirklichung des Tatbestandes durch ein Tun entspre- Extraneus. Daß die Zurechnung des Werkzeugverhaltens auf der Pflichten-
chen soll (§13 StGB), schon die Veranlassung des Extraneus zu seiner Tat als stellung und nicht auf der Tatherrschaft des Hintermannes beruht, ist gerade
Tun den Tatbestand erfüllen?" Sie muß es ganz gewiß, so daß auch diese Kon- die zentrale Aussage der Lehre von den Pflichtdelikten, die nicht durch das
struktion die Lehre von der Pflichtdelikten nur bestätigt. Beharren auf der Notwendigkeit einer Tatherrschaft widerlegt werden kann.
Zu welchen Schwierigkeiten ein Festhalten an der Tatherrschaftslehre bei Daß der Tatherrschaftsgedanke keine universale Geltung hat, räumen ja Stra-
den Pflichtdelikten führt, zeigen deutlich die Wandlungen in der Auffassung tenwerth/Kuhlen selbst ein (vgl. Anm. 809). Es bleibt also dabei, daß allein
Stratenwerths. Er war zunächst davon ausgegangen,803 daß der Intraneus, der die Konzeption der Pflichtdelikte das Problem des qualifikationslosen dolo-
einen Extraneus veranlasse, die Ausführungshandlung eines Sonderdelikts sen Werkzeugs in dogmatisch widerspruchsfreier und kriminalpolitisch sach-
vorzunehmen, eine „Mischform" zwischen Anstiftung und Täterschaft ver- gerechter Weise lösen kann.
wirkliche. Deshalb sei es angemessen, „den Intraneus wie einen Anstifter zu Man darf auch nicht etwa die Straflosigkeit von Extraneus und Intraneus,
bestrafen, nach den Regeln, die für die leichtere der in der Mischform enthal- die sich ergibt, wenn man auch bei den Pflichtdelikten auf dem Tatherr-
tenen Regeln gelten". Das war aber ein klarer Verstoß gegen das verfassungs- schaftsprinzip beharrt, als hinnehmbar ansehen, weil es sich um seltene, prak-
rechtliche Analogieverbot. 804 Denn einen Anstifter ohne Täter kennt unser tisch kaum vorkommende Fälle handele. Gerade für Delikte in Unternehmen
Recht nicht.805 und Betrieben, bei denen den Vorgesetzten eine Sonderpflicht trifft, kann die
Stratenwerth hat diesen Einwand akzeptiert 806 und daraufhin nur noch die mittelbare Täterschaft durch Inanspruchnahme eines qualifikationslosen
Möglichkeit gesehen, „den Intraneus (und damit auch den Extraneus) dolosen Werkzeugs große Bedeutung erlangen. So wird man etwa in §327
grundsätzlich straflos zu lassen". Das kann aber nicht richtig sein, auch wenn
807
Auch Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 241, kommt zu dem Ergebnis, „daß bei Einschaltung
eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs Intraneus und Extraneus straflos ausgehen".
799 3 3
Cramer, Bockelmann-Festschrift, 1979, 395f.; Ebert, AT , 2001, 195f.; G r o p p , AT , 2005, Ebenso O t t o , Jura 1987, 256; ders., AT 7 , 2004, § 21, Rn. 94, 96; Bottke, Gestaltungsherr-
§ 10, Rn. 55; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 33; Jakobs, AT 2 , 1991, 21/104, schaft, 1992, 115, 112; für Straflosigkeit wohl auch Köhler, AT, 1997, 511 f.
116ff.; Sänchez-Vera, Pflichtdelikt, 1999, 163f.; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, § 25, 808
AT 5 , 2004, § 12, Rn. 40.
Rn. 44; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005, § 13, Rn. 520; Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf- 809
Sie sagen freilich auch (AT 5 , 2004, § 12, Rn. 40), daß bei Tatbeständen, die, wie der der
recht, 2004, 112ff.; ähnlich Wagner, Amtsverbrechen, 1975, 378ff. Untreue (§ 266), jede Verletzung der Sonderpflicht mit Strafe bedrohen, auch der nur ver-
soo Ä T 2 ) 1 9 7 5 ) 1 4 / 5 1 . S t u B 2 ; 1 9 8 4 ; 1 0 / 9 7 . s o a u c h MK-Joecks, 2003, § 25, Rn. 43. anlassende oder helfende Intraneus den Tatbestand erfülle. Er sei dann aber unmittelbarer
801
Amtsverbrechen, 1975, 380; auch ich hatte darauf in ZStW 85 (1973), 102 schon hinge- Täter. Damit relativieren die Autoren aber selbst die universale Gültigkeit des Tatherr-
wiesen. schaftskriteriums. Im übrigen handelt es sich nur um eine terminologische Differenz (so
802
AT 3 , 1981, Rn. 798. auch Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, § 12, Rn. 40, Rn. 51). Da sich die Pflichtverletzung
803
AT 1 , 1971, Rn. 854, 855. jedenfalls in bestimmten schädigenden Erfolgen (bei § 266 StGB z. B. in einem Vermögens-
804
Dazu und zu weiteren Argumenten vgl. meine Auseinandersetzung mit dieser Lehre in schaden) auswirken muß, scheint es mir aber notwendig, dessen Herbeiführung „durch
ZStW 84 (1972), 1008 f.; mir zustimmend Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 34. einen anderen" als mittelbare Täterschaft anzusehen. Die Sonderpflichtverletzung allein
805
Wenn der Sonderpflichtige sich im Sinne der Schmidhäuserschen Lehre auf Nichteingreifen macht ja nirgends den Tatbestand, sondern immer nur den Täter! Für unmittelbare Täter-
beschränkt, wäre außerdem eine „Quasi-Anstiftung durch Unterlassen" doch wohl ein schaft aber auch Schild, N K 2 , 2005, § 25, Rn. 56, und Sänchez-Vera, Pflichtdelikt, 1999,
kaum mögliches Gebilde. 161 ff.
806
AT 3 , 1981, Rn. 797. Bei Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, ist diese Aussage nicht im Wort- 810
Zur Kritik dieser Auffassung vgl. auch Wittek, Der Betreiber im Umweltstrafrecht, 2004,
laut, wohl aber dem Sinn nach enthalten. 116ff.
750 751

(unerlaubtes Betreiben von Anlagen) den „Betreiber" als Sonderpflichtigen Eine mit meiner Konzeption in der Sache fast völlig übereinstimmende
ansehen müssen.811 Er ist dann mittelbarer Täter, wenn er den Angestellten Auffassung vertreten Rudolphi 818 und Stratenwerth/Kuhlen. 819 Nach Straten-
eines Chemiewerks, der selbst keine Betreiberpflicht hat, zu nicht genehmig- werth/Kuhlen haben sich alle Bemühungen um eine Differenzierung zwi-
ten Luftverschmutzungen veranlaßt. Mit Recht sagt Wittek,812 daß die schen Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen „nicht als überzeugend
Annahme einer Straflosigkeit der Beteiligten eine Kapitulation der Dogmatik erwiesen", so daß nur die Lösung bleibe, „prinzipiell stets Unterlassungstä-
vor „einer ihrer bedeutendsten Aufgaben der Gegenwart, der angemessenen terschaft anzunehmen, wenn ein Garant die täterschaftliche Herbeiführung
Verteilung von Verantwortlichkeit für aus komplex organisierten Systemen eines tatbestandsmäßigen Erfolges durch einen anderen nicht hindert". Bei-
heraus entstandenen Rechtsgutsverletzungen" bedeuten würde. hilfe lassen sie, wie es auch hier vertreten wird, nur zu, wo ein Tatbestand
durch Unterlassen nicht erfüllbar ist. Die Autoren greifen nicht auf die von
ihnen prinzipiell abgelehnte Lehre von den Pflichtdelikten zurück, obwohl
III. Täterschaft und Teilnahme durch Unterlassen sie sie der Sache nach auf die Unterlassungsdelikte anwenden.
An die Lehre von den Pflichtdelikten knüpft dagegen Herzberg 820 an, der
Eine weitere Fallgruppe von erheblicher Bedeutung betrifft die Abgrenzung dabei jedoch meiner Lösung nur teilweise folgt. Im Anschluß an Schröder 821
von Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen. Sieht man die Unterlas- unterscheidet er 822 zwischen „Beschützergaranten" (die bestimmte Rechts-
sungsstraftaten als Pflichtdelikte an, so macht die Verletzung der spezifischen güter „rundum" zu verteidigen haben) und „Überwachungsgaranten" (die
Garantenpflicht den Unterlassenden ohne weiteres zum Täter; 813 eine Teil- nur bestimmte „Gefahrenquellen" kontrollieren müssen). Bei der ersten
nahme durch Unterlassen kommt dann im wesentlichen nur noch in Betracht, Gruppe soll das pflichtwidrige Unterlassen (vorbehaltlich spezieller tatbe-
wo ein Tatbestand durch Unterlassen nicht erfüllbar ist (z.B. bei eigenhän- standlicher Erfordernisse) stets Täterschaft, bei der zweiten stets nur Teil-
digen Delikten und bei Delikten mit subjektiven, einem Außenstehenden nahme begründen. Wenn also etwa Eltern ihr Kind vor einer Schädigung
nicht zugänglichen Tatbestandselementen). Diese oben 814 entwickelte Lehre, durch Dritte nicht bewahren, so sind sie - unter der Voraussetzung vorsätz-
die in vieler Hinsicht an frühere Bemühungen durch Grünwald und Armin lichen Handelns stets Unterlassungstäter; wenn aber jemand ein unsorgfältig
Kaufmann anknüpfen konnte, hat zwar bisher nicht die nach wie vor herr- aufbewahrtes Gift dem Zugriff eines Mörders nicht entzieht, so soll er im
schende Meinung verdrängen können, derzufolge ein unterlassender Garant Verhältnis zu diesem, auch wenn er ihn leicht hindern könnte, stets nur
neben einem aktiven Begehungstäter stets nur Gehilfe sein kann. 815 Auch die Gehilfe sein. Diese differenzierende Lehre hängt mit Herzbergs besonderem
Rechtsprechung verharrt weiterhin bei der subjektiven Theorie, 816 scheint Handlungsbegriff zusammen. Danach ist „auch die aktiv verübte Straftat ...
aber beim Unterlassen von Amtsträgern der Lehre von den Pflichtdelikten im Kern pflichtwidrige NichtÜberwachung einer Gefahrenquelle, für die der
zuzuneigen (vgl. oben I. am Ende, S. 744 f.). Die Ansicht, daß jedenfalls das Pflichtsäumige besonders verantwortlich ist. Gemeint ist der Gefahrenherd,
Tatherrschaftsprinzip bei Unterlassungen keinen Raum hat, ist immerhin ent- den die eigene Person bildet." 823 Sieht man die Dinge so, dann wären die
schieden im Vordringen. 817 Überwachungsgaranten aus dem Bereich der Pflichtdelikte herauszunehmen,
so daß Herzbergs Lösung sich durchaus konsequent im Rahmen des von mir
811
Wie Wittek, Der Betreiber im Umweltstrafrecht, 2004, 188 ff., im einzelnen herausgearbei-
entwickelten Ansatzes hielte. Diese Lehre ist gewiß erwägenswert, hat sich
tet hat.
8.2
Der Betreiber im Umweltstrafrecht, 2004, 114. Von ihm stammt auch das im Text gewählte
Beispiel.
8.3
Und zwar zum unmittelbaren Täter; für die Möglichkeit mittelbarer Unterlassungstäter- Rn. 40; Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , 2001, vor § 25, Rn. 103; Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004,
schaft ausführlich Brammsen, N S t Z 2000, 337ff. § 14, Rn. 8; Wagner, Amtsverbrechen, 1975, 256ff. Für eine Anwendung des Tatherrschafts-
814
S. 458-509. Ich habe diese Konzeption im zweiten Band meines Lehrbuchs Strafrecht, All- kriteriums auch jetzt noch: Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 236; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 2005,
gemeiner Teil, 2003, in § 31, Rn. 124-170, vertieft und gegen Einwendungen verteidigt. § 16, Rn. 734; Sering, oben S. 741. Erst recht besteht Einigkeit darüber, daß für eine Unter-
Darauf sei hier verwiesen. scheidung nach Täter- und Teilnehmerwillen bei Unterlassungsdelikten kein Raum ist
815
Ihr haben sich inzwischen auch Bockelmann, AT 3 , 1979, 201 f.; weniger eindeutig Bockel- (dafür jedoch Arzt, JA 1980, 666ff.; StrV 1986, 337).
818
mann/Volk, AT 4 , 1987, 203; Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 696; Kühl, AT 5 , 2005, Rn. 23D; Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der Gedanke der
Lackner/Kühl 2 5 , 1999, § 27, Rn. 5; Ranft, ZStW 94 (1982), 815ff.; für „Obhutsgaranten" Ingerenz, 1966, 138-149; SK 7 , 2000, vor § 13, Rn. 37-40; ihm folgend Blei, AT 1 8 , 1983,
auch Schmidhäuser, AT 2 , 1975, 17/12; ders., StuB 2 , 1984, 13/13 (hier nunmehr auch für 318 f. Meiner Auffassung folgt Mitsch, Jura 1989, 197.
819
„Sicherungsgaranten aus sozialer Zuordnung eines Herrschaftsbereichs") zugesellt. Eine AT 5 , 2004, § 1 4 , Rn. 12,13.
820
Übersicht über die verschiedenen Auffassungen gibt Sowada, Jura 1986, 401 ff. Umfassende Täterschaft und Teilnahme, 1977, 82 ff.
821
Literaturnachweise liefern auch die Monographien von Schwab, 1996, und Sering, 2000. Schönke/Schröder, StGB 1 7 , 1974, vor § 47, Rn. 105-112 (ähnlich noch Sch/Sch/Cramer/
8.6
Vgl. B G H StrV 1986, 59, oben Nr. 24, S. 595 f. Ebenso noch B G H R StGB § 27 Abs. 1, Heine 2 6 , 2001, vor § 25, Rn. 101-109d); dem folgt auch Eser, StrafR II 3 , 1980, Fall 27,
Unterlassen 6, wo aber immerhin auf die Kritik des Schrifttums hingewiesen wird. Ganz im Rn.22ff.
822
Sinne der subjektiven Theorie wieder B G H S t 43, 396. Zuerst in: Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, 1972, 2S7-273; sodann
8.7
Bloy, Zurechnungstypus, 1985, 214f.; ders., JA 1987, 490ff.; Eser, StrafR II 3 , 1980, Fall 27, inJuS 1975, 171-174.
823
Rn. 18; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 83; Rudolphi, SK 7 , 2000, vor § 13, Täterschaft und Teilnahme, 1977, 97.
752 753

aber bisher wohl zu Recht nicht durchsetzen können. Der wesentliche Grund dung von Herrschafts- und Pflichtdelikten, die bei Begehungstaten ent-
dafür liegt darin, daß die Unterscheidung von „Beschützer-" und „Über- wickelt worden ist, auf Unterlassungsdelikte. Bei den von ihm sog. „Pflichten
wachungsgaranten" praktisch kaum durchführbar und schon deshalb nicht kraft Organisationszuständigkeit" (Verkehrssicherungspflichten, Ingerenz,
als Grundlage weitreichender Differenzierungen geeignet ist. Besonders Übernahme.von Pflichten) gehe es um „Verantwortungsbereiche für Gefah-
eindrucksvoll betont Jakobs, 824 es ließen sich „keine systematischen Konse- ren". Man müsse dafür sorgen, daß im eigenen „Organisationskreis" andere
quenzen an einer Unterscheidung von Beschützergaranten und Über- nicht zu Schaden kommen; ob dieser Schaden durch Begehen oder Unterlas-
wachungsgaranten festmachen, da die identische Aufgabe regelmäßig als sen herbeigeführt werde, sei einerlei. Deshalb seien Mittäterschaft und Bei-
Beschützeraufgabe sowie als Überwachungsaufgabe formulierbar ist: Der hilfe hier wie bei Begehungsdelikten abzugrenzen: Es komme darauf an, in
Schutz für eine Person ist Überwachung der ihr drohenden Gefahren zu welchem Maße der Unterlassende die Tat mitgestalte. 827 Bei „Pflichten kraft
ihren Gunsten und die Überwachung einer Gefahrenquelle ist Schutz für die institutioneller Zuständigkeit" dagegen (Eltern-Kind-Verhältnis, Ehe, Ver-
jeweils Gefährdeten. Beispielhaft: Ist der Bademeister Beschützer der Gäste trauensbeziehungen, staatliche Gewaltverhältnisse, elementare Amtspflich-
vor den Gefahren des Wassers oder Überwacher dieser Gefahr?" 825 ten) beruhe die strafrechtliche Haftung des Unterlassenden auf „Pflichten zur
Auch andere Gründe sprechen gegen eine Unterscheidung nach Beschüt- Aufopferung, zur Garantie von Solidarität ... Die durch eine Verletzung sol-
zer- und Überwachungsgaranten. Bei der Überwachung nicht schuldfähiger cher Pflichten gekennzeichneten Unterlassungsdelikte finden ihr Gegenstück
Personen (z.B. Kinder, Geisteskranker, Volltrunkener), die einen Hauptteil bei der Handlung in den Pflichtdelikten" 828 , so daß hier also prinzipiell
der Personenüberwachungspflichten ausmachen, soll der Garant auch nach Täterschaft anzunehmen ist.
der Differenzierungslehre Täter sein, was auch im Hinblick auf die vergleich- Eine abschließende Stellungnahme zu dieser Konzeption ist beim augen-
bare Konstellation bei Begehungsdelikten allein sachgemäß ist. Damit wird blicklichen Diskussionsstand noch nicht möglich. Sie hängt vor allem davon
aber der differenzierende Ansatz in einem entscheidenden Punkt aufgegeben ab, ob die von Jakobs vorgeschlagene, recht plausible Neugliederung der
und eine Annäherung an den hier vertretenen Standpunkt vollzogen. Es Garantenstellungen der Kritik standhält; im hier gesteckten Rahmen kann
kommt hinzu, daß der Überwachungsgarant gegenüber den Personen, die eine solche Überprüfung nicht geleistet werden. 829 Jedenfalls wird auch bei
durch die Gefahrenquelle bedroht sind, ebenfalls eine Beschützerrolle hat. dieser neuen Garantentheorie für die Beurteilung viel darauf ankommen, ob
Der Unterschied liegt nur darin, daß die Schutzpflicht durch die Gefahren- sich „Organisationskreise" und „institutionelle Pflichten" deutlich genug
quelle vermittelt wird. Das kann aber keine so weitreichenden Konsequenzen voneinander abgrenzen lassen. Unbeschadet solcher offenen Fragen stimmt
für Täterschaft und Teilnahme begründen. Dem Einwand schließlich, daß die die Lehre von Jakobs, die in den bei weitem meisten Fällen zur Täterschaft
aktive Unterstützung einer zu überwachenden menschlichen Gefahrenquelle des gegen Begehungstaten nicht einschreitenden Garanten führt, im Ansatz
ggf. nur Beihilfe sei, so daß eine unterlassene Hinderung nicht anders gewür- und in den Ergebnissen mit der hier vertretenen Position in erheblichem
digt werden könne, läßt sich entgegenhalten, daß der geringeren Strafbedürf- Maße überein. Sie ist im Rahmen ihrer Abweichung freilich ähnlichen Ein-
tigkeit des Unterlassens durch § 13 II Rechnung getragen wird und daß diese wänden ausgesetzt, wie sie gegen die Differenzierung zwischen Beschützer-
Frage sich bei Beschützergaranten nicht anders stellt. und Überwachungsgaranten zu erheben sind.
Eine aussichtsreichere Differenzierung hat Jakobs selbst vorgelegt.826 Er Bemerkenswert ist, daß Jakobs 830 den Kreis der Pflichtdelikte nicht nur
folgt prinzipiell der in diesem Buch vertretenen Auffassung, daß bei Pflicht- enger, sondern in anderer Hinsicht auch weiter zieht, als es in diesem Buch
delikten jeder unterlassende Garant Täter ist, soweit sich der Tatbestand geschieht. Er will nämlich auch Jedermann-Delikte, wie etwa Tötungsstraf-
überhaupt durch Unterlassen verwirklichen läßt. Aber er sieht nicht jedes taten, für Sonderpflichtige kraft institutioneller Zuständigkeit zu Pflichtdelik-
unechte Unterlassen als Pflichtdelikt an, sondern überträgt die Unterschei- ten machen mit der Wirkung, daß auch periphere Tatbeiträge des Schutz-
garanten diesen zum Begehungstäter machen.831 Wenn also ein Vater bei der
Tötung seines Kindes im Vorbereitungsstadium - etwa durch Ratschläge -
824
AT 2 , 1991,29/27.
825
Schon vor ihm hatte Arzt (JA 1980, 559) eingewandt, es stehe „eine praktikable Trennung
7
zwischen Beschützer- und Überwachungsgaranten aus"; auch habe sich „keine überzeu- Vgl. dazu schon oben S. 740.
!8
gende Erklärung dafür finden lassen, daß dieser Unterschied auf Täterschaft bzw. Teilnahme AT 2 , 1991,28/15.
durchschlagen soll". Vgl. auch die Kritik bei Rudolphi, SK 7 , 2000, vor § 13, Rn. 40/41; 19
Die Konzeption von Jakobs wird jetzt in eindrucksvoller Weise von Sänchez-Vera, Pflicht-
Roxin, LK 1 1 , 1993, § 25, Rn. 212; Ranft, ZStW 94 (1982), 858 ff.; Bloy, Zurechnungstypus, delikt, 1999, weiter ausgearbeitet. Eine ausführliche, tendenziell positive Würdigung der
1985, 216ff.; JA 1987, 491 f. Stratenwerth/Kuhlen, AT 5 , 2004, Rn. 11, weisen mit Recht dar- Pflichtdeliktslehre von Jakobs liefert auch Wittek, Der Betreiber im Umweltstrafrecht,
auf hin, daß die Unterscheidung von Schutz- und Überwachungsgaranten schon dort ver- 2004, 163 ff.; ablehnend dagegen Chen, 2003, der im Anschluß an Schünemann vor allem
sage, „wo sich die Sicherungspflicht auf andere als menschliche Gefahrenquellen bezieht". die Unbestimmtheit des von Jakobs verwendeten Institutionenbegriffs bemängelt.
0
Auch führe die Differenzierung zu ungerechten Haftungsunterschieden, „wo ein Schutz- AT 2 , 1991, 21/116; auch Sänchez-Vera, Pflichtdelikt, 1999, 34f., 163, 199.
1
und ein Sicherungsgarant denselben Deliktserfolg hätten verhindern sollen". Zust. Wittek, Der Betreiber im Umweltstraf recht, 2004, 153 ff.; abl. Chen, Das Garanten-
826
AT 2 , 1991, 28/14ff.; 29/101 ff. sonderdelikt, 2003, 57ff.
754 755

mitwirkt, würde er nicht, wie es der Tatherrschaftslehre entspricht, als bloßer Ranft unternommen. 834 Aber der von ihm angeführte „Hauptgrund" 835 über-
Gehilfe, sondern als Begehungstäter eines Tötungsdelikts bestraft. zeugt nicht. Er meint, das garantenpflichtwidrige Unterlassen einer Delikts-
Das ist eine durchaus diskutable Konzeption, die weiterer Erwägung hinderung müsse im Verhältnis zum Tun des Begehungstäters akzessorisch
bedarf. Doch halte ich es bei dem augenblicklichen Stande meiner Einsicht behandelt werden und könne deshalb nur Beihilfe sein. Zum Beweise dafür
für richtiger, Pflichtdelikte nur dort anzunehmen, wo eine Tat nicht zugleich macht er geltend, daß die Garantenstellung vom Vorsatz des Begehungstäters
als Herrschaftsdelikt begangen und beurteilt werden kann. Gewiß ist der abhänge: „Ob die Mutter, die sich ihrem Kind mit einem Schal nähert, das
Vater unseres Beispiels Unterlassungstäter, weil er den Tod seines Sohnes Kind wärmen oder erdrosseln will - davon hängt die Eingriffspflicht des
nicht verhindert hat. Aber das läßt ihm wenigstens noch die Milderungsmög- Vaters des Kindes ab." 836 Aber in diesem Fall und in den anderen von Ranft
lichkeit des §13 II, die bei einer Bestrafung als Begehungstäter nicht mehr angeführten Beispielen geht es nicht um Akzessorietät, sondern lediglich dar-
bestünde. Eine solche Milderungsmöglichkeit ist aber wünschenswert, weil um, daß eine Gefahr für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut vorliegen
eine eigenhändige Tötung doch schwerer wiegt als eine geringfügige Mitwir- muß. Für das Vorliegen einer solchen Gefahr kann natürlich die Zielsetzung
kung und weil Delikte innerhalb institutioneller Beziehungen nicht immer dessen, gegen den ggf. eingeschritten werden muß, wichtig sein. Aber sie muß
strafwürdiger sind als entsprechende andere Taten. Auch wird es den Anfor- es keineswegs: Auch eine fahrlässige Tötung durch die Mutter muß der Vater
derungen eines restriktiven Täterbegriffs schwerlich gerecht, wenn man die selbstverständlich verhindern. Wenn er sie sehenden Auges geschehen läßt, ist
Begehungstäterschaft unter Rückgriff auf die Unterlassungsdelikte beträcht- er Täter eines Totschlages durch Unterlassen. 837 Die Garantenpflicht ist also
lich ausdehnt. gerade nicht akzessorisch und dieser Umstand liefert ein Argument gegen die
Speziell für den Bereich der Amtsdelikte ist Wagner der Frage einer Ab- Beihilfelösung!
grenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen nachgegangen. Einen zweiten Grund für die Akzessorietät des garantenpflichtwidrigen
Er kommt dabei in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem hier vertrete- Unterlassens sieht Ranft in dessen Abhängigkeit vom Unrecht der Haupttat.
nen Standpunkt zu der Lösung, 832 daß „der Amtswalter, der es in einer dem Wenn der A vom 14jährigen Sohn des B angegriffen werde, dürfe Vater B
Staat zuzurechnenden Weise unterläßt, Individualrechtsgutsverletzungen nicht zugunsten seines Sohnes eingreifen und den A an der Ausübung seiner
eines Dritten zu verhindern, Täter des betreffenden Staatszurechnungs- rechtmäßigen Verteidigungshandlung hindern. 838 Die „objektive Pflichtwi-
delikts" sei. „Die Gleichsetzung von positivem Tun und Unterlassen in ein- drigkeit" seiner Unterlassung soll durch die „Erstreckung" der Notwehr von
zelnen Tatbeständen des 28. Abschnitts" könne „nur als Ausdruck dieses A auf B ausgeschlossen werden; es soll also anscheinend eine straflose Beihilfe
allgemeinen Grundsatzes verstanden werden". Wagner will freilich „für zu- zu gerechtfertigter Körperverletzung vorliegen. Eine solche Erstreckung von
sammentreffende Amtswalterunterlassungen" in zwei Fällen eine andere Rechtfertigungsgründen entspreche nur der Beihilfe und nicht einer Neben-
Lösung bevorzugen. Wenn Vorgesetzter und Untergebener gemeinsam eine täterschaft. Das Ergebnis von Ranft verdient sicher Beifall. Aber der umwe-
Deliktsverhinderung unterlassen, so soll der Vorgesetzte Täter des Unterlas- gigen „akzessorischen" Konstruktion, wonach der Vater, der sich aus dem
sungsdeliktes sein, der Untergebene aber nur wegen Beihilfe durch Unterlas- Streit völlig herausgehalten hat, dem A eine kraft „Erstreckung" straflose Bei-
sen bestraft werden; ebenso soll, wenn von zwei gleichgeordneten Amtswal- hilfe geleistet haben soll, bedarf es nicht. Vielmehr ist es so, daß die Pflicht
tern nur einer eine Pistole bei sich trägt, bei beiderseitigem Untätigbleiben des Garanten sich von vornherein nicht darauf erstreckt, von seinem Schütz-
der Bewaffnete Unterlassungstäter, der Unbewaffnete hingegen, der den ling Gefahren abzuwehren, die dieser von Rechts wegen hinnehmen muß;
anderen zum erfolgreichen Einschreiten hätte bewegen können und müssen, jede andere Annahme würde einen logisch und teleologisch unerträglichen
nur Unterlassungsgehilfe sein. Da jedoch ein pflichtwidrig die Erfolgsabwen- Widerspruch ergeben. Es liegt also überhaupt keine „objektive Pflichtwidrig-
dung unterlassender Amtswalter nach der Lehre Wagners sogar Täter ist, keit" vor, die erst eine Rechtfertigung benötigte. Mit einer Akzessorietät des
wenn ein aktiv Handelnder zwischen ihm und dem Erfolg steht, ist nicht garantenpflichtwidrigen Unterlassens hat die Fallkonstellation nichts zu
recht einzusehen, warum beim Hinzutreten eines weiteren Unterlassenden tun. 839
etwas anderes gelten soll.833
Im übrigen haben die wesentlichen Gründe, die oben (S. 496-506) gegen
Einen großangelegten Versuch zur Rettung der These, daß der gegen einen die Annahme einer Beihilfe des Unterlassenden im Verhältnis zur Begehungs-
Begehungstäter nicht einschreitende Garant stets nur Gehilfe sein könne, hat

834
ZStW94(1982), 815 ff.
832 835
Amtsverbrechen, 1975, 256-263. ZStW94(1982), 823.
833 836
Wagners Hinweis auf § 357 StGB überzeugt mich nicht. Wenn der Vorgesetzte, der pflicht- ZStW94(1982), 833.
widrig Taten seiner Untergebenen geschehen läßt, danach als Täter bestraft wird, so 837
ZStW 94 (1982), 838, macht Ranft sich selbst diesen Einwand. Wie er ihn entkräften will, ist
bestätigt das nur den Täterbegriff der Pflichtdelikte, ergibt aber nichts für eine bloße Gehil- mir nicht recht verständlich geworden.
838
fenschaft des Untergebenen, auch nicht des nur pflichtwidrig in Komplizenschaft mit ihm ZStW94(1982), S839f.
839
Unterlassenden. Gegen Ranft auch Bloy, JA 1987, 492 f.; Rudolphi, SK 7 , 2000, vor § 13, Rn. 39.
756 757

täterschaft eines unmittelbar Handelnden angeführt worden sind, auch in der sich allen Einwänden aus, die gegen die Beihilfelösungen anderer Abgren-
heutigen Diskussion noch unverminderte Gültigkeit: Es macht für die Straf- zungstheorien zu erheben waren.
bedürftigkeit des Unterlassenden keinen Unterschied, ob er gegen Menschen Die hier vertretene „Pflichtdeliktstheorie" ist demnach die einzige konse-
oder gegen Naturgewalten nicht einschreitet. Die Rettung vor Naturgefahren quente, die Ungereimtheiten der unterschiedlichen Differenzierungen vermei-
ist in der Regel keineswegs einfacher als die Verhinderung menschlicher dende Lösung. Das Gegenargument, daß ein Garantenunterlassen häufig keine
Straftaten, für die oft schon die Drohung mit Strafanzeige genügt. Eine bloße höhere Strafe verdiene als eine aktive Beihilfe, erledigt sich durch §13 II. Es
Beihilfe kann also nicht aus der größeren Schwierigkeit des Eingreifens bleibt daher nur noch ein ernst zu nehmender Einwand gegen den täterschaft-
gegenüber einem Begehungstäter abgeleitet werden. Auch ist es nicht plau- lichen Charakter tatbestandserfüllenden Garantenunterlassens: daß die ver-
sibel, daß Beihilfe nur bis zum beendeten Versuch des Begehungstäters suchte Unterlassungstäterschaft ggf. strafbar sei, die versuchte Begehungsbei-
vorliegen, sich danach aber, solange noch eine - vielleicht schwer zu ver- hilfe aber nicht. Ungerecht wäre dies freilich nur dann, wenn es sich um
wirklichende - Rettungsmöglichkeit besteht, eo ipso in eine Unterlassungs- die Begehungsbeihilfe eines Garanten handelt. In diesem Fall steht aber hin-
täterschaft umwandeln soll. Ferner ist nicht einzusehen, warum es nur eine ter der Begehungsbeihilfe immer auch ein täterschaftlicher Unterlassungs-
straflose versuchte Beihilfe sein soll, wenn ein Garant gegen einen irrtümlich versuch, der als solcher bestraft werden kann. Der vermeintliche Wertungs-
angenommenen Mordversuch nicht einschreitet, während er wegen eines Ver- widerspruch ist also nur scheinbar.
suchs nach §§212, 211 bestraft werden muß, wenn er bei einem vermeintlich Resümierend läßt sich sagen, daß die Abgrenzung von Täterschaft und
lebensgefährlichen Unfall keine Anstalten zur Rettung trifft. Teil nähme bei Unterlassungen das heute wohl noch ungeklärteste Gebiet der
Schließlich ist zu bedenken, daß es eine genuine Beihilfe durch Unterlassen Teilnahmelehre darstellt, daß jedoch die herrschende Lehre, die bei gleichzei-
überhaupt nicht geben kann, weil die Beteiligungsform der Beihilfe für tiger Begehungstäterschaft stets nur Beihilfe des pflichtwidrig Unterlassenden
vorsätzliche Begehungsdelikte entwickelt worden ist:840 Beihilfe ist ein annehmen will, trotz mancher Stützungsversuche mehr und mehr ins Wanken
akzessorischer Rechtsgutsangriff, d. h. ein aktives Hinarbeiten auf die Tat- gerät. Der neue § 13 StGB gibt dem Täterbegriff der Pflichtdelikte in diesem
bestandsverwirklichung über die Person des Täters. Daran fehlt es beim Bereiche Raum, 844 und viele neue Untersuchungen erkennen die Unterlas-
unterlassenden Garanten, dessen Strafbarkeit sich allein aus seiner Untätig- sungstäterschaft bei gleichzeitiger Begehungstäterschaft eines anderen grund-
keit begründet: „Wer den Mörder an seiner Tat nicht hindert, .hilft' ihm sätzlich an. Da außerdem der Gesetzgeber in § 13 Abs. 2 StGB der hier von
nicht, sondern unterläßt die Abwendung des Deliktserfolges ..." 841 Das gilt Anfang an 845 mit Nachdruck erhobenen Forderung einer fakultativen Straf-
auch gegenüber der Lehre, die zwischen täterbegründenden Schutzpflichten milderung für Unterlassungstaten nachgekommen ist, sind auch die Straf-
und lediglich teilnahmebegründenden Überwachungspflichten unterscheiden maßüberlegungen, die bisher für eine bloße Gehilfenschaft des unterlassen-
will. den Garanten geltend gemacht wurden, nunmehr entfallen, so daß die
Eine neuartige Lösung hat Schwab 842 versucht, der zwischen Täterschaft Gesamtentwicklung sich in der Richtung der hier vertretenen Auffassung
und Teilnahme durch Unterlassen danach unterscheiden will, ob das Unter- bewegt. Freilich finden sich in der jüngsten wissenschaftlichen Diskussion
lassen einer Begehungstäterschaft oder einer Begehungsbeihilfe „entspricht". noch viele Meinungsverschiedenheiten, die nicht in der Teilnahmelehre, son-
Dieser Rückgriff auf die Entsprechungsklausel des § 13 scheitert aber daran, dern in den ungeklärten Grundfragen der Unterlassungsdogmatik wurzeln.
daß sie dem Gesetzgeber zur Bestimmung der Strafbarkeit des Unterlassens Hier wird vor einer endgültigen Lösung der Unterlassungsprobleme im Teil-
schlechthin und nicht zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim nahmebereich noch weitergearbeitet werden müssen.
Unterlassen dient (zu deren Möglichkeit der Gesetzgeber nicht Stellung neh-
men wollte). Außerdem kann das Garantenunterlassen, wie vorstehend dar-
gelegt wurde, strukturell einer Beihilfe niemals entsprechen; einer etwaigen D. Eigenhändige Delikte
Entsprechung im Ausmaß der Strafbedürftigkeit aber trägt, wie ebenfalls
schon hervorgehoben, § 13 II Rechnung. Die eigenhändigen Delikte sind immer ein Stiefkind der Teilnahmelehre
Abgesehen davon ist das Entsprechungskriterium auch viel zu vage, um gewesen. Sie sind es heute um so mehr, als die von mir dieser Kategorie
eine halbwegs trennscharfe Abgrenzung zu ermöglichen. Um dieser Unsi- hauptsächlich zugeordneten Fälle, in denen der Gesetzgeber ohne Rücksicht
cherheit zu entgehen, will Schwab „in der Regel" nur eine Beihilfe des neben auf mögliche Rechtsgüterverletzungen bestimmte Formen ihm als besonders
einem Begehungstäter unterlassenden Garanten annehmen. 843 Damit setzt er verwerflich erscheinender Unmoral pönalisierte, 846 inzwischen überwiegend

840
Vgl. dazu Bloy, JA 1987, 490ff. (492). Vgl. dazu oben Nr. 4, S. 572 ff.
841
Sch/Sch/Cramer/Heine 2 6 , vor §§ 25ff., Rn. 102. O b e n S. 501 ff.
842
Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen, 1996, 189. Vgl. oben S. 412 ff. Auch die Rechtsprechung hat sich dieser Auffassung angenähert: „Die
843
Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen, 1996, 227. Rechtsprechung stellt bei der Annahme solcher Delikte darauf ab, ob das maßgebliche
758 759

von Strafe freigestellt worden sind. Dies gilt vor allem für die einfache kommt, sowie die Beleidigung,856 bei der auch die etwaige Überbringung
Homosexualität, die Sodomie und den Ehebruch, die früher Paradebeispiele durch einen Boten an der täterschaftsbegründenden Wirkung der Kundgabe
eigenhändiger Delikte waren, so daß heute im wesentlichen nur noch der eigener Mißachtung nichts ändert. Die dritte Gruppe schließlich umfaßt die
„Verwandtenbeischlaf" (§173 StGB, die ehemalige „Blutschande") die eigen- „verfahrensrechtsabhängige Eigenhändigkeit" 857 und beschränkt sich auf die
händigen Straftaten im Bereiche dieser Deliktsgruppe repräsentiert. §§153, 154, 156 StGB, die bei mir 858 als unechte eigenhändige Pflichtdelikte
Ungeachtet der allgemeinen Entwicklung, die meine Diagnose der Eigen- eingeordnet werden.
händigkeit 847 bestätigt und sich auch im erlahmenden Interesse der Kommen- Da die eigenhändigen Delikte sich in der Tat nicht auf einen einheitlichen
tar- und Lehrbuchliteratur an dieser Thematik widerspiegelt, 848 hat eine Gesichtspunkt zurückführen lassen, kann man das Material natürlich unter
Abhandlung von Herzberg über „Eigenhändige Delikte" 849 im Jahre 1970 verschiedenen Gesichtspunkten aufgliedern, ohne daß eine der beiden Grup-
eine gründliche Analyse dieser Deliktsgruppe geliefert. Herzbergs Versuch ist pierungen „falsch" genannt werden dürfte; in den Ergebnissen sind wir ja
vor allem eine kritische Auseinandersetzung mit der Eigenhändigkeitskon- weitgehend einig.859 Eine Abweichung in der Sache tritt vor allem beim
zeption dieses Buches, die nach seiner Meinung „die Diskussion einen großen Tatbestand des Hausfriedensbruches auf, den Herzberg im Gegensatz zu mei-
Schritt vorwärts gebracht hat" und „methodische Ansätze" enthält, „die für nen Ausführungen 860 als eigenhändiges, tätergebundenes Delikt ansieht. Er
alle zukünftige Forschung grundlegend bleiben müssen", die aber anderer- meint: 861 „Dem Hausfriedensbruch ist ein Beleidigungsmoment immanent.
seits nach seinem Urteil „das letzte oder auch nur das entscheidende Wort" Nicht das äußerliche Eindringen eines raumverdrängenden Körpers macht
zu dieser Frage noch nicht darstellt.850 Demzufolge baut er „auf den Grund- den Erfolg aus, sondern die darin steckende, nur dem geistigen Verstehen
gedanken" 851 meines Versuches auf, geht aber im übrigen eigene Wege. Er zugängliche, höchst persönliche Mißachtung des Rechts auf Selbstbestim-
verfährt dabei so, daß er die von mir sog. „unechten eigenhändigen De- mung in der eigenen Wohnsphäre. Es ist eine unzulässige Vereinfachung zu
likte" 852 (wie z.B. die Aussagestraftaten oder die Fahnenflucht), die ich als sagen, dem Hausrechtsinhaber sei es gleichgültig, wer sein Haus ohne seinen
verkappte Pflichtdelikte diagnostiziert und von den eigenhändigen Delikten Willen betrete." Das ist aber wohl zu feinsinnig gedacht Natürlich mag dem
im engeren Sinne getrennt habe, mit diesen wieder zusammenfaßt und das so Hausrechtsinhaber ein Eindringling noch lästiger sein als der andere. Aber
gewonnene vergrößerte Gesamtmaterial in drei Gruppen unterteilt. Die erste dem Gesetz muß es doch primär auf den Rechtsgüterschutz, d.h. darauf
und bei weitem größte bilden die „täterbezogenen Delikte" 853 , bei denen ein ankommen, unerbetene Gäste schlechthin von der Hausrechtssphäre fernzu-
auf den eigenen Körper des Täters bezogenes Verhalten im Vordergrund halten. Nach Herzberg soll es straflos 862 möglich sein, einen anderen dadurch
steht; dahin gehören die meisten der von mir sogenannten verhaltensgebun- in seinen eigenen vier Wänden zu terrorisieren, daß man ihm ständig Voll-
denen Delikte ohne Rechtsgüterverletzung und ebenso auch die täterstraf- trunkene, Geisteskranke und Kinder in die Wohnung schickt. Das kann
rechtlichen Delikte. Die zweite Gruppe 854 enthält „Tatbestände, bei denen die schwerlich einleuchten, ganz abgesehen davon, daß die von ihm geforderte
mögliche Vollendung durch Dritte die Rechtsverletzung nicht verkörpern „höchstpersönliche Mißachtung des Rechts auf Selbstbestimmung" ähnlich
kann"; hierher zählt er die Rechtsbeugung, 855 bei der die Tat erst mit der Ver- wie bei der von ihm selbst gezogenen Parallele der Beleidigung auch in diesem
kündung des falschen Urteils durch den Vorsitzenden zur Vollendung Falle in der Person des absendenden Hintermannes sehr wohl gegeben ist.
Was im übrigen meine Einteilung in höchstpersönliche (unecht eigenhän-
dige) Pflichtdelikte, verhaltensgebundene Delikte ohne Rechtsgüterverlet-
zung 863 und täterstrafrechtliche Delikte betrifft, so scheint sie mir nach wie
Unrecht weniger in der Gefährdung des Rechtsguts als in eigenem verwerflichen Tun liegt"
(Großer Senat, BGHSt 48, 193 unter Hinweis auf B G H S t 6, 226, 227; 41, 242, 243).
847
Oben S. 399^*32.
848 856
Es werden meist ohne eigene Systematisierungsbemühungen nur die Fälle aufgezählt, die Vgl. oben S. 388-392; Herzberg folgt in der Sache ganz der dort gegebenen Analyse.
857
zu dieser Deliktsgruppe gerechnet werden. Vgl. nur etwa aus der neuesten Literatur: ZStW 82 (1970), 943-946.
858
Grppp, AT 3 , 2005, § 5, Rn. 4; Kindhäuser, AT, 2005, § 8, Rn. 23; Krey, AT/2 2 , 2005, § 26, O b e n S. 394 f.
Rn. 89; Kühl, AT 5 , 2005, § 20, Rn. 16; O t t o , AT 7 , 2004, § 4, Rn. 21; Wessels/Beulke, AT 3 5 , 859
In Täterschaft und Teilnahme, 1977, 10ff., ist Herzberg auf'seinen Aufsatz in ZStW 82
2005, § l , R n . 40. (1970) und die dort gegebene Systematisierung nicht zurückgekommen. Es ist also offen,
849
ZStW 82 (1970), 896-947; ihm folgen Jescheck/Weigend, AT 5 , 1996, 266f. ob er daran noch festhält. Zur Kritik an Herzberg vgl. Wohlers, SchwZStr 116 (1998),
850
ZStW82(1970),913. 102 ff.
851 860
ZStW82(1970),914. O b e n S. 407.
852 861
S. dazu oben S. 392 ff. ZStW 82 (1970), 928.
853 862
ZStW 82 (1970), 921-937. Dies ist auch das wesentliche Kriterium der Dissertation von So muß man seine Ausführungen, ZStW 82 (1970), 928 wohl verstehen; theoretisch könnte
Auerbach, Die eigenhändigen Delikte, 1978: „wenn die Tat nur dadurch begangen werden man, sofern wenigstens Vorsatz vorliegt, auf eine Anstiftung ausweichen, was aber der
kann, daß der Täter seinen eigenen Körper als Mittel der Tat benutzt" (143). Zu Auerbach Eigenart dieser Deliktsgruppe nicht gerecht würde und offenbar auch von Herzberg nicht
vgl. die Rezension von Maiwald, ZStW 93 (1981), 871 ff. angenommen wird.
854 863
ZStW 82 (1970), 939-943. Schall, JuS 1979, 107f., kritisiert meine Kategorie der Delikte ohne Rechtsgüterverletzung,
855
Vgl. oben S. 428 f.; dazu auch Rudolphi, ZStW 82 (1970), 628 f. indem er vom Standpunkt eines anderen Rechtsgutsbegriffes aus - Rechtsgut sei jeder vom
760 761

vor die wesentlichen normativ-systematischen Gesichtspunkte zu treffen.864 kann man auch die Trunkenheitsdelikte im Verkehr als eigenhändig beurtei-
Das Verdienst der Arbeiten von Herzberg und Haft 865 sehe ich vor allem in len. Wenn §§315c, 316 StGB den bestrafen, der „infolge des Genusses alko-
dem Nachweis, daß es unterschiedliche Gründe sind, die den Gesetzgeber zur holischer Getränke ... nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen",
Schaffung höchstpersönlicher Pflichtdelikte bewogen haben und daß sich so wird „die Täterverantwortlichkeit an das kumulative Zusammentreffen
diese Gründe wieder zu Untergruppierungen zusammenfassen lassen. Biswei- von Fahrereigenschaft und Fahruntauglichkeit gebunden" 870 . Der Gesetz-
len liegt der Anlaß zur Schaffung eines höchstpersönlichen Pflichtdelikts, wie geber hat hier also höchstpersönliche Pflichtdelikte geschaffen. Wohlers 871
vor allem Haft dargetan hat, allein in dem Bestreben, eine andernfalls weite spricht dabei von „positiv-eigenhändigen Delikten" und meint,872 daß mit
und vage Tatbestandsbeschreibung aus rechtsstaatlichen Gründen zu kontu- Hilfe dieser Erklärung die von mir „vertretene Differenzierung zwischen
rieren, wobei dann die Straflosigkeit der seltenen Fälle nichteigenhändiger eigenhändigen Trunkenheitsdelikten und nicht eigenhändigen sonstigen Ver-
Rechtsgutverletzung in Kauf genommen wird. Auch hat Herzberg sicher kehrsdelikten in sich konsistent" bejaht werden könne.
recht, wenn er sagt, daß die Eigenhändigkeit der §§ 153, 154, 156 StGB „ver- Die sehr förderliche Dissertation von Langrock 873 nennt die hier ent-
fahrensrechtsabhängig" ist; natürlich ließen sich bei anderen prozeßrecht- wickelte Eigenhändigkeitskonzeption eine „dogmatische Pionierarbeit" 874 . Er
lichen Regeln auch Aussagedelikte in mittelbarer Täterschaft denken. Aber knüpft mit seinen Thesen, die er nicht als „eigene Lösung" 875 , sondern als
dadurch wird nicht die Zuordnung dieser Tatbestände zu den höchstpersön- Weiterführung des bisher erreichten Diskussionsstandes verstanden wissen
lichen Pflichtdelikten in Frage gestellt, sondern es wird erklärt, warum diese will, vornehmlich an die nach seiner Ansicht „bahnbrechenden Arbeiten von
Bestimmungen als höchstpersönliche Pflichtdelikte gelten müssen. In dem Roxin und Herzberg" 876 an. Das Verdienst der in diesem Buch vertretenen
praktisch besonders wichtigen Falle der Rauschtat (§323a StGB) habe ich Auffassung sieht er hauptsächlich in der Einbringung des Pflichtmoments
deren Charakter als höchstpersönliches Pflichtdelikt oben 866 zwar behauptet, (also in der Entdeckung des hier sogenannten unechten eigenhändigen
aber nicht eigentlich begründet, was Herzberg 867 zu insoweit berechtigter Delikts) 877 und im Aufweis einer „Konnexität von Eigenhändigkeit und pro-
Kritik und Haft 868 auch hier zur Herbeiziehung des Gedankens der Tatbe- blematischer Rechtsgutsbestimmung" (d.h. in der Charakterisierung von
standskonturierung bewogen hat. Die wohl richtige Erklärung hat Jakobs 869 Delikten ohne Rechtsgutsverletzung als eigenhändig). 878
gefunden: Strafgrund des §323a StGB sei nicht die Gefährlichkeit der Ent- Langrock möchte statt von „Eigenhändigkeit" lieber von „verhaltensab-
hemmung, „sondern die Preisgabe der Möglichkeit, den Konflikt, den die Tat hängiger Täterschaftskonkretisierung" sprechen 879 und fügt dieser Delikts-
im Rausch darstellt, durch Zurechnung zu erledigen. Die Pflicht, die Zu- gruppe vor allem die „Implikationsdelikte" hinzu, bei denen die Täterbe-
rechenbarkeit nicht zu vernichten, trifft nur den jeweiligen Adressaten der schreibung schon alle gesetzlichen Täterschaftsformen einschließt.880 So kann
Zurechnung und ist somit eine Sonderpflicht." Mit ähnlicher Begründung man den Tatbestand der Unfallflucht (§ 142) nicht in mittelbarer Täterschaft
begehen. Wenn jemand z.B. seinen Beifahrer mit vorgehaltener Pistole
zwingt, ihn vom Unfallort wegzufahren, ist er immer noch unmittelbarer
Gesetzgeber positiv bewertete Gegenstand oder Zustand - Delikte ohne Rechtsgüterver- Täter des § 142, weil er sich auch in dieser Form „vom Unfallort entfernt"
letzung für „nicht denkbar" erklärt. Aber solche Meinungsverschiedenheiten über den hat. Das ist gewiß richtig, auch wenn man hier nur in einem weiteren Sinne
Rechtsgutsbegriff ändern nichts an dem von mir aufgewiesenen Phänomen. In der Termi-
nologie von Schall müßte man von „Delikten ohne Sozialschaden" sprechen. Diese aber von Eigenhändigkeit sprechen kann. Jedenfalls ist die Sonderstellung dieser
sind .aus den von mir genannten Gründen eigenhändig und nur darauf - und nicht auf die Tatbestandsgruppe richtig erkannt.
Terminologie - kommt es an. Gegen Schall auch Wohlers, SchwZStr 116 (1998), 104. Auch die Kontroverse zwischen Schubarth und Stratenwerth um die eigen-
864
Meiner Konzeption folgte Samson in SK 5 , 1993, § 25, Rn. 68 ff. Die Neukommentierung
von H o y e r in SK 7 , 2000, nimmt die Unterscheidung von unechten eigenhändigen Delikten
händigen Delikte bewegt sich in dem hier geschaffenen Bezugsrahmen. 881
(verkappten Pflichtdelikten) und Delikten ohne Rechtsgüterverletzung auf (§ 25, Rn. 17ff.),
hält die Strafbarkeit von Delikten der letztgenannten Art aber für verfassungsrechtlich
unzulässig und deutet deshalb z.B. § 173 als „ein abstrakt für den Rechtsfrieden gefähr-
liches Verhalten" (Rn. 20), das er dann konsequenterweise auch für in mittelbarer Täter- So Wohlers, SchwZStr 116(1998), 110.
schaft begehbar hält. Joecks, MK, 2003, § 25, Rn. 44-46, folgt im wesentlichen der in die- SchwZStr 116 (1998), 109 f.
sem Buch vorgenommenen Deutung und betont mit Recht (Rn. 45), „daß sehr viele SchwZStr 116(1998), 110, Anm. 70.
Tatbestände, die eine persönliche Realisierung erfordern, in Wahrheit höchstpersönliche Das eigenhändige Delikt, 2001.
Pflichtdelikte sind und somit unechte eigenhändige Straftaten". Wie hier mit weiterführen- Das eigenhändige Delikt, 2001, 48.
den Erwägungen auch Jakobs, AT 2 , 1991, 21/19ff, und Wohlers, SchwZStr 116 (1998), Das eigenhändige Delikt, 2001, 71.
103ff. Das eigenhändige Delikt, 2001, 66.
865 Das eigenhändige Delikt, 2001, oben S. 392 ff.
Eigenhändige Delikte, JA 1979, 651 ff. Haft versteht seine Arbeit als Weiterentwicklung der
in diesem Buch dargelegten Konzeption. Das eigenhändige Delikt, 2001, 67.
866
S. 430 ff. Das eigenhändige Delikt, 2001, 72, 96.
867
ZStW82(1970),909f. Das eigenhändige Delikt, 2001, 87ff.
868
JA 1979, 656 f. Freilich unter dem speziellen Gesichtspunkt des schweizerischen Rechtes. Aber das
869
AT, 1983, 21/23; anders jetzt AT 2 , 1991, 21/23. bestätigt nur den international-dogmatischen Charakter auch dieses Problems.
762

Schubarth 882 hatte die eigenhändigen Delikte schlechthin als „Phantome" be-
zeichnet und ihre Existenz geleugnet, weil es im Strafrecht immer um Rechts-
güterverletzungen gehe, die notwendigerweise auch in mittelbarer Täterschaft
bzw. in Mittäterschaft verwirklicht werden könnten. Das entspricht der in
diesem Buch entwickelten These, daß die Beschränkung des Strafrechts auf
Rechtsgüterverletzungen die eigenhändigen Delikte, bei denen es um „verhal-
tensgebundene Delikte ohne Rechtsgüterverletzung" (oben S. 412 ff.) gehe,
allmählich zum Verschwinden bringe, soweit es sich nicht, wie bei den Aus-
sagedelikten, um höchstpersönliche Pflichtdelikte (Sonderdelikte im her- Literaturverzeichnis bis 1963
kömmlichen Sprachgebrauch) handele. Im geltenden deutschen Recht sei im
wesentlichen nur noch der Inzest als strafbares Verhalten ohne Rechtsgüter- Bahr, Restriktiver und extensiver Täterbegriff, 1934
verletzung übrig geblieben (vgl. den Anfang dieses Abschnitts oben S. 758). v. Bar, Die Lehre vom Causalzusammenhang, 1871
Demgegenüber tritt Stratenwerth 883 für eine fortdauernde Bedeutung der v. Bar, Gesetz und Schuld im Strafrecht, Bd. II: Die Schuld nach dem Strafgesetz, 1907
Baumann, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 1961
eigenhändigen Delikte ein. Dabei befindet er sich völlig im Einklang mit den
Baumann, Mittelbare Täterschaft oder Anstiftung bei Fehlvorstellungen über den Tat-
hier entwickelten Prämissen, meint aber, daß die Annahme einer Rechtsguts- mittler? in: JZ 1958, S. 230-235
verletzung in vielen Tatbeständen nur eine „Hilfskonstruktion" 884 sei. In Baumann, Die Tatherrschaft in der Rechtsprechung des BGH, in: NJW 1962, S. 374-377
Wahrheit bestehe „die strafrechtlich geschützte Ordnung ... zu einem nicht Baumgarten, Bemerkungen zu Bindings Normen, in: ZStW, Bd. 37, 1916, S. 517-537
geringen Teil in rollengebundenen Verhaltensnormen, bei denen es zwar Beling, Die Lehre vom Verbrechen, 1906
immer um ein schützenswertes Interesse gehen sollte, die sich aber keines- Beling, Methodik der Gesetzgebung, 1922
wegs immer auf konkrete Rechtsgüter beziehen müssen" 885 . Das steht völlig Beling, Grundzüge des Straf rechts, 10. Aufl., 1928
im Einklang mit der hier entwickelten Konzeption, wonach die eigenhändi- Beling, Zur Lehre von der „Ausführung" strafbarer Handlungen, in: ZStW, Bd. 28, 1908,
gen Straftaten „verhaltensgebundene Delikte ohne Rechtsgüterverletzung" S.589-611
sind. Gegen Stratenwerth wendet sich wiederum Schubarth, 886 indem er sich Beling, Der gegenwärtige Stand der strafrechtlichen Verursachungslehre, in: GS, Bd. 101,
unter Berufung auf dieses Buch gegen die Eigenhändigkeit von Verkehrs- 1932, S. 1-13
Bemmann, Zum Fall Rose-Rosahl, in: MDR 1958, S. 817-822
delikten wendet, aber auch die Eigenhändigkeit des Inzestes bestreitet, weil
Benakis, Täterschaft und Teilnahme im deutschen und griechischen Strafrecht, 1961
die dagegen gerichtete Strafdrohung eugenischen Schäden vorbeuge und des- Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 17. Aufl., 1895
halb dem Rechtsgüterschutz diene. Da diese Auseinandersetzung nicht das Bertschi-Riemer, Die Anstiftung gemäß Art. 24 StGB, 1961
von mir aufgestellte Prinzip - Delikte ohne Rechtsgüterverletzung sind Bezirksgericht Jerusalem, Urteil gegen Adolf Eichmann vom 11./l 5.Dezember 1961,
eigenhändig - sondern die Analyse des Strafzwecks und der Struktur einzel- Strafakt 40/61. Inoffizielle Übersetzung
ner Tatbestände betrifft, soll sie hier nicht weiter verfolgt werden. Doch wird Binding, Grundriß Zur Vorlesung über Gemeines Deutsches Strafrecht, 8. Aufl., 1913
auf der Basis dieser Fragestellung weiter zu diskutieren sein. Binding, Die Normen und ihre Übertretung. Eine Untersuchung über die rechtmäßige
Handlung und die Arten des Delikts, 3. Band: Der Irrtum, 1918
Jedenfalls bestätigt sich, daß die eigenhändigen Delikte keineswegs, wie
Binding, Die drei Subjekte strafrechtlicher Verantwortlichkeit: der Täter, der Verursacher
immer noch vielfach angenommen wird, dogmatisch unerklärbare Zufallspro- („Urheber") und der Gehilfe, in: GS, Bd. 71,1908, S. 1-21
dukte darstellen,887 sondern daß sie differenzierender systematischer Er- Binding, Die drei Grundformen des verbrecherischen Subjekts: der Täter, der Verursacher
schließung, mit der dieses Buch einen Anfang zu machen versucht hat, durch- (Urheber), der Gehilfe, in: Strafrechtliche und strafprozessuale Abhandlungen, Bd. 1,
aus zugänglich sind. 1915, S. 251-401
Birkmeyer, Über Ursachenbegriff und Kausalzusammenhang im Strafrecht, 1885
882
SchwZStr 114 (1996), 325 ff. Birkmeyer, Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung des Deutschen Reichs-
883
SchwZStr 115 (1997), 86 ff. gerichts, 1890
884 Birkmeyer, Teilnahme am Verbrechen, in: Vergleichende Darstellungen des deutschen und
SchwZStr 115 (1997), 93, Anm. 34.
885
SchwZStr 115 (1997), 91. ausländischen Straf rechts, Allgemeiner Teil, II. Band, 1908
886
ZStW 116 (1998), 827 (840 ff.). Bloch, Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel. Erweiterte Ausgabe, 1962
887
So Schall, JuS 1979, 108. Gegen Schall auch Langrock, Das eigenhändige Delikt, 2001, 58 ff. Bockelmann, Studien zum Täterstraf recht, Teil I und II, 1939/40
Langrock schildert und würdigt auch alle sonstigen zur Eigenhändigkeit vertretenen Leh- Bockelmann, Strafrechtliche Untersuchungen, 1957
ren (a. a. O., 33 ff.). Auch die Monographie von Fuhrmann, 2004, die auf die „Wortlauttheo-
Bockelmann, Über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme, 1949; jetzt in: Straf-
rie" (oben S. 402—405) zurückgreift, kann hierher gerechnet werden. Der Autor interessiert
sich nicht dafür, was der Gesetzgeber schützen wollte „oder ob er überhaupt ein Rechtsgut rechtliche Untersuchungen, 1957, S. 31-87
ins Auge gefaßt hatte; allein entscheidend ist, daß er die in Frage stehenden Tatbestände so Bockelmann, Nochmals über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme, in: GA 1954,
und nicht anders ausgestaltet hat". S. 193 ff; jetzt in: Strafrechtliche Untersuchungen, 1957, S. 88-108
764 765

Bockelmann, Die moderne Entwicklung der Begriffe Täterschaft und Teilnahme, in: Engisch, Bemerkungen zu Theodor Rittlers Kritik der Lehre von den subjektiven Tat-
Deutsche Beiträge zum VII. Internationalen Strafrechtskongreß in Athen vom bestands- und Unrechtselementen, in: Festschrift für Rittler, 1957, S. 165-183
26.9.-2.10.1957, Sonderheft der ZStW, Bd. 69, S. 167ff; jetzt in: Strafrechtliche Unter- Engisch, Zur „Natur der Sache" im Strafrecht, in: Festschrift für Eb. Schmidt, 1961,
suchungen, 1957, S. 109-125 S. 90-121
Bockelmann, Anmerkung zu BGHSt 16, S. 120-122, in: NJW 1961, S. 1934-35 Engisch, Besprechung von Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, in: JZ
Böhm, Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der Begehung, in: 1962, S. 189-192
JuS 1961, S. 177-181 Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuchs mit Begründung, 1958
Bollinger, Eigenhändige Straftaten, ungedr. Hamburger Diss., 1958 Entwurf eines Strafgesetzbuches (E 1960) mit Begründung
Bollnow, Maß und Vermessenheit des Menschen, 1962 Entwurf eines Strafgesetzbuches (E 1962) mit Begründung
Börker, Zur Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat, in: JR 1953, S. 166-168 Evers, Existenzphilosophie und rechtliche Pflichtenkollision, in: JR 1960, S. 369-372
Brauneck, Der strafrechtliche Schuldbegriff, in: GA 1959, S. 261-272 Exner, Fahrlässiges Zusammenwirken, in: Festgabe für Frank, Band I, 1930, S. 569-597
Bruns, Kritik der Lehre vom Tatbestand, 1932 Feld, Die Anstiftung und Beihilfe zum Selbstmord, Diss. 1909
v. Buri, Zur Lehre von der Teilnahme an dem Verbrechen und der Begünstigung, 1860 Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts,
v. Buri, Über Kausalität und deren Verantwortung, 1873 zweiter Teil, 1806
v. Buri, Urheberschaft und Beihülfe, in: GA, Bd. 17,1869, S. 233-241, 305-314 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 14. Aufl.,
Busch, Moderne Wandlungen der Verbrechenslehre, 1949 1847
van Calker, Strafrecht, 4. Aufl., 1933 Finger, Strafrecht, 1932
Class, Generalklauseln im Strafrecht, in: Festschrift für Eb. Schmidt, 1961, S. 122-138 Flegenheimer, Das Problem des „dolosen Werkzeugs", 1913, Strafrechtliche Abhandlun-
Cramer, Teilnahmeprobleme im Rahmen des §330a StGB in: GA, 1961, S. 97-108 gen, Heft 164
Cross-Jones, An Introduction to criminal Law, 2 nd ed., 1949 Frank, Das Strafgesetzbuch für das deutsche Reich, 18. Aufl., 1931
Dahm, Täterschaft und Teilnahme, 1926 Franzheim, Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, 1961
Dahm, Die Zunahme der Richtermacht im modernen Strafrecht, 1931 Frühauf, Eigenhändige Delikte, Frankfurter Diss. 1959
Dahm und Schaffstein, Grundfragen der neuen Rechtswissenschaft, 1935 Fuchs, Kritische Erörterung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, in:
Dahm und Schaffstein, Methode und System des neuen Strafrechts, 1938 (= ZStW, Bd. 57, GA, 29. Bd., 1881, S. 170-178 (Abschnitt: Mittäterschaft und Beihilfe)
S. 225 ff.) Furtner, Zur Frage der Anrechnung erschwerender Umstände bei nachfolgender Beihilfe
Dahm, Der Tätertyp im Strafrecht, 1940 und nachfolgender Mittäterschaft, in: JR 1960, S. 367-369
Dahm, Über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme, in: NJW 1949, S. 809-812 Gallas, Täterschaft und Teilnahme, Materialien zur Strafrechtsreform, 1. Bd., Gutachten
Dahm, Anmerkung zur Entscheidung des OLG Stuttgart vom 6.3.1959 zu §142 StGB, der Strafrechtslehrer, 1954, S. 121-153
in: MDR 1959, S. 508-510 Gallas, Zur Kritik der Lehre vom Verbrechen als Rechtsgutsverletzung, in: Gegenwarts-
Dietz, Täterschaft und Teilnahme im ausländischen Strafrecht, 1957 fragen der Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Gleispach, 1936, S. 50-69
Dohna, Graf zu, Der Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Aufl., 1950 Gallas, Anmerkung zu einer Entscheidung des OGHBZ vom 15.3.1949, in: DRZ 1950,
Dreher-Maaßen, Strafgesetzbuch, 3. Aufl., 1959 S. 67-68
Dreher, Bericht, Die fünfte Arbeitstagung der Großen Strafrechtskommission, in: ZStW, Gallas, Anmerkung zu BGHSt 2, 150, in: JZ 1952, S. 371-373
Bd. 67,1955, S. 572-578 Gallas, Zum gegenwärtigen Stand der Lehre vom Verbrechen, 1955 (= ZStW, Bd. 67,
Dreher, Anmerkung zur Entscheidung des BGH vom 27.1.1956 (2 StR 432/55), in: MDR S. 1-47)
1956, S. 499-501 Gallas, Die moderne Entwicklung der Begriffe Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht,
Dreher, Verbotsirrtum und §51 StGB, in: GA 1957, S. 97-100 in: Deutsche Beiträge zum VII. Internationalen Strafrechtskongreß in Athen vom
Dreher, Anmerkung zu einer Entsch. des OLG Köln v. 19.10.1961, in: MDR, 1962, 26. Sept.-2. Okt. 1957, Sonderheft der ZStW, 1957, Bd. 69, S. 3-45
S. 592-593 Gallas, Strafbares Unterlassen im Fall einer Selbsttötung, in: JZ 1960, S. 649-655 und
Drost, Das Problem einer Individualisierung im Straf recht, 1930 686-692
End, Existenzielle Handlungen im Strafrecht, 1959 Geib, Lehrbuch des Strafrechts, II. Bd., Allgemeine Lehren, 1862
Engelmann, Der geistige Urheber des Verbrechens nach dem italienischen Recht des Geppert, Der strafrechtliche Parteiverrat, 1961
Mittelalters, in: Festschrift für Binding, Band II, 1911, S. 387-610 Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht, 2. Aufl., 1932
Engelsing, Eigenhändige Delikte, 1926, Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 212 Goetz, Grenzziehung zwischen Mittäterschaft und Beihülfe, 1910
Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931 Goetzeler, Der Ideengehalt des extensiven (intellektuellen) Täterbegriffs und seine Aus-
Engisch, Der finale Handlungsbegriff, in: Probleme der Strafrechtserneuerung, Festschrift wirkungen, SJZ 1949, Spalte 837-846
für Kohlrausch, 1944, S. 141-179 Goldschmidt, Normativer Schuldbegriff, in: Frank-Festgabe, Bd. I, 1930, S. 429-442
Engisch, Die normativen Tatbestandselemente im Strafrecht, in: Festschrift für Mezger, Grassberger, Zur Strafwürdigkeit der Sittlichkeitsdelikte, in: Festschrift für Eb. Schmidt,
1954, S. 127-163 1961, S. 333-342
Engisch, Bietet die Entwicklung der dogmatischen Strafrechtswissenschaft seit 1930 Ver- Grünhut, Begriffsbildung und Rechtsanwendung im Strafrecht, 1926
anlassung, in der Reform des Allgemeinen Teils des Strafrechts neue Wege zu gehen? Grünhut, Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, in: Festgabe für
in: ZStW, Bd. 66, 1954, S. 339-389 Frank, Bd. I, 1930, S. 1-32
766 767

Grünhut, Grenzen strafbarer Täterschaft und Teilnahme, in: JW 1932, S. 366-367 Hoff mann, Zur Teilnahmelehre, in: NJW 1952, S. 963-964
Grünwald, Das unechte Unterlassungsdelikt, 1956 (ungedruckte Göttinger Diss.) Hoffmeister, Wörterbuch der Philosophischen Begriffe, 2. Aufl., 1955
Grünwald, Zur gesetzlichen Regelung der unechten Unterlassungsdelikte, in: ZStW Honig, Die Einwilligung des Verletzten, 1919
Bd. 70,1958, S. 412-432 Höpfner, Zur Lehre von der mittelbaren Täterschaft in: ZStW, Bd. 22, 1902, S. 205-217
Grünwald, Die Beteiligung durch Unterlassen, in: GA 1959, S. 111-123 Hörn, Causalitäts- und Wirkensbegriff, GS, Bd. 54, 1897, S. 321-385
Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht systematisch dargestellt, I. Band: Die allge- Isay, Rechtsnorm und Entscheidung, 1929
meinen strafrechtlichen Lehren, 1881 Jäger, Strafgesetzgebung und Rechtsgüterschutz bei Sittlichkeitsdelikten, 1957
Hardwig, Die Zurechnung, Ein Zentralproblem des Strafrechts, 1957 Jäger, Betrachtungen zum Eichmann-Prozeß, in: MSchrKrim 1962, S. 73-83
Hardwig, Zur Systematik der Tötungsdelikte, in: GA 1954, S. 257-262 Janka, Österreichisches Strafrecht, 2. Aufl., 1890
Hardwig, Zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, in: GA 1954, S. 353-358 Jescheck, Anstiftung, Gehilfenschaft und Mittäterschaft im deutschen Strafrecht, in:
Hardwig, Die Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, in: ZStW, Bd. 68, 1956, S. 14-40 Schweiz. Zeitschrift für Strafrecht, 71. Jahrgang, 1956, S. 225-243
Hardwig, Studien zum Vollrauschtatbestand, in: Festschrift für Eb. Schmidt, 1961, Jescheck, Aufbau und Stellung des bedingten Vorsatzes im Verbrechensbegriff, in: Fest-
S.459-487 schrift für Erik Wolf, 1962, S. 473-488
Hardwig, Vorsatz bei Unterlassungsdelikten, in: ZStW, Bd. 74, 1962, S. 27-47 Johannes, Mittelbare Täterschaft bei rechtmäßigem Handeln des Werkzeuges. Ein Schein-
Hartmann, Die Philosophie des deutschen Idealismus, 2. Aufl., 1960 problem, 1963
Haupt, Beiträge zur Lehre von der Teilnahme, in: ZStW, Bd. 15, 1895, S. 202-214 Kalthoener, Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung des
Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, 1933 Bundesgerichtshofs, in: NJW 1956, S. 1662-1665
Hegel, Phänomenologie des Geistes, Philosophische Bibliothek (Felix-Meiner-Verlag) Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1. Aufl., 1788, zitiert nach der Kant-Ausgabe der
6. Aufl., 1952 Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Bd. IV, 1956
Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), Philoso- Kantorowicz, Der Strafgesetzentwurf und die Wissenschaft, in: Monatsschrift für Krimi-
phische Bibliothek (Felix-Meiner-Verlag), 6. Aufl. 1959 nologie und Strafrechtsreform., 7. Jahrgang, April 1910-März 1911, S. 257-344
Hegler, Die Merkmale des Verbrechens, in: ZStW, Bd. 36,1915, S. 19-44, 184-232 Kaufmann, Armin, Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954
Hegler, Zum Wesen der mittelbaren Täterschaft, in: Die Reichsgerichtspraxis im deut- Kaufmann, Armin, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1959
schen Rechtsleben, 5. Bd., Strafrecht und Strafprozeß, 1929, S. 305-321 Kaufmann, Armin, Der dolus eventualis im Deliktsaufbau, in: ZStW, Bd. 70, 1958,
Hegler, Mittelbare Täterschaft bei nicht rechtswidrigem Handeln der Mittelsperson, in: S. 64-86
Festgabe für Richard Schmidt, 1932, S. 51-78 Kaufmann, Armin, Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der
Heimberger, Bericht über die Behandlung der Teilnahme am Verbrechen, in: Mitteilungen Begehung, in: JuS 1961, S. 173-177
der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung, 11. Bd., 1904, S. 534-540 Kaufmann, Arthur, Das Schuldprinzip, 1961
Heinitz, Teilnahme und unterlassene Hilfeleistung beim Selbstmord, in: JR 1954, Kaufmann, Arthur, Die Bedeutung hypothetischer Erfolgsursachen im Strafrecht, in:
S.403-406 Festschrift für Eb. Schmidt, 1961, S. 200-231
Heinitz, Anmerkung zur Entscheidung BGH 1 StR 325/54 vom 2.9.54, in: JR 1955, Kaufmann, Arthur, Besprechung von Franzheim: Die Teilnahme an unvorsätzlicher
S. 105 Haupttat, in: JZ 1962, S. 782-783
Heinitz, Gedanken über Täter- und Teilnehmerschuld im Deutschen und Italienischen Kaun, Die Beteiligung am Selbstmord als strafrechtliches Problem, 1960 (ungedruckte
Strafrecht, in: Festschrift der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin zum Hamburger Diss.)
41. Deutschen Juristentag in Berlin, 1955, S. 93-118 Kern, Die Außerungsdelikte, 1919
Heinitz, Anmerkung zu einer Entscheidung des BGH vom 24.5.59 (BGHStl3, S. 13-15), Kielwein, Unterlassung und Teilnahme, in: GA 1955, S. 225-232
in:JR1959,S. 386-388 Kohler, Studien aus dem Strafrecht, Bd. I, 1896
Henke, Handbuch des Criminalrechts und der Criminalpolitik, Erster Theil, 1823 Kohlhaas, Anmerkung zu BGHSt 15, S. 132-134, in: LM Nr. 4 zu § 176 Abs. 1 Ziff. 2
Henkel, Recht und Individualität, 1958 Kohlrausch-Lange, Strafgesetzbuch, 42. Aufl., 1959, 43. Aufl., 1961
Henkel, Anmerkung zu einer Entscheidung des RG vom 1.7.35, in: Deutsche Justiz, Kohlrausch, Das kommende deutsche Strafrecht, in: ZStW, Bd. 55,1936, S. 384-398
1935, S. 1737-1738 Kohlrausch, Täterschuld und Teilnehmerschuld, in: Festschrift für Erwin Bumke zum
Henkel, Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit als regulatives Rechtsprinzip, in: Mezger- 65. Geburtstag, 1939, S. 39-51
Festschrift, 1954, S. 249-309 Kunert, Die normativen Merkmale der strafrechtlichen Tatbestände, 1958
Henkel, Die „praesumtio doli" im Strafrecht, in: Festschrift für Eb. Schmidt, 1961, Lampe, Täterschaft bei fahrlässiger Straftat, in: ZStW, Bd. 71, 1959, S. 579-616
S. 459-487 Lange, Der moderne Täterbegriff und der deutsche Strafgesetzentwurf, 1935
Henkel, Das Methodenproblem bei den unechten Unterlassungsdelikten, in: Festschrift Lange, Die notwendige Teilnahme, 1940
fürTesar, Monatsschrift für Kriminologie u. Strafrechtsreform, 1961, S. 178-193 Lange, Besprechung des Buches von Bockelmann „Über das Verhältnis von Täterschaft
Hergt, Die Lehre von der Teilnahme am Verbrechen, gekrönte Münchener Preisschrift, und Teilnahme", in: ZStW, Bd. 63, 1951, S. 499-504
1909 Lange, Zur Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, in: JZ 1959, S. 560-564
v. Hippel, Lehrbuch des Strafrechts, 1932 Lang-Hinrichsen, Die kriminalpolitischen Aufgaben der Strafrechtsreform, Gutachten
v. Hippel, Deutsches Strafrecht, 2. Band, 1930 für den 43. Deutschen Juristentag, 1960
Hirsch, Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, 1960 Larenz, Juristische Methodenlehre, 1960
768 769

Lask, Rechtsphilosophie, 1905 Niese, Anmerkung zu BGHSt 2, 344 ff., in: NJW 1952, S. 1146-1147
Lauenstein, Verbrechensversuch des untauglichen Täters - ein Problem der strafrecht- Niese, Die finale Handlungslehre und ihre praktische Bedeutung, in: DRiZ 1952, S. 21-24
lichen Pflichtlehre, ungedruckte Hamburger Diss., 1960 Niese, Die Rechtsprechung des BGH in Strafsachen, in: JZ 1953, S. 173-178
Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (zit. LK), Erster Band, Einleitung und Noll, Übergesetzliche Rechtfertigungsgründe, im besonderen die Einwilligung des Ver-
§§ 1-152, 7. Aufl., 1954, 8. Aufl., 1957, Zweiter Band, §§153-370 und Einführungs- letzten, 1955 -
gesetz, 7. Aufl., 1954, 8. Aufl., 1958 Nowakowski, Das österreichische Straf recht in seinen Grundzügen, 1955
Less, Gibt es strafbare mittelbare Täterschaft, wenn der Tatmittler rechtmäßig handelt? in: Nowakowski, Rechtsfeindlichkeit, Schuld, Vorsatz, in: ZStW, Bd. 65, 1953, S. 370-402
JZ1951, S. 550-552 Nowakowski, Tatherrschaft und Täterwille, in: JZ 1956, S. 545-550
Liepmann, Einleitung in das Strafrecht, 1900 Nowakowski, Zu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit, in: JZ 1958, S. 335-341; 388-394
v. Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 21./22. Aufl., 1919 Oehler, Die mit Strafe bedrohte tatvorsätzliche Handlung im Rahmen der Teilnahme, in:
v. Liszt, Strafrechtsfälle zum akademischen Gebrauch, 14. Aufl., 1929 Festschrift der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen
v. Liszt-Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Erster Band, Einleitung und All- Juristentag, 1955, S. 255-283
gemeiner Teil, 26. Aufl., 1932 Perten, Die Beihilfe zum Verbrechen, Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 198, 1918
Lobe, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, 1933 Piotet, Systematik der Verbrechenselemente und Teilnahmelehre, in: ZStW, Bd. 69, 1957,
Loening, Grundriß zu Vorlesungen über deutsches Strafrecht, 1885 S. 14-42
Lony, Extensiver oder restriktiver Täterbegriff?, 1934 Post, Der Anwendungsbereich des Unterschlagungstatbestandes (§246 StGB), 1956
Maier, Heinrich, Psychologie des emotionalen Denkens, 1908 Radbruch, Rechtsphilosophie, 5. Aufl., 1956
Maihofer, Der Handlungsbegriff im Verbrechenssystem, 1953 Radbruch, Die Natur der Sache, in: Festschrift für Sauer, 1949, S. 157-176
Martin, Zur Frage der Zurechnung bei sukzessiver Mittäterschaft, in: NJW 1953, Radbruch, Rechtsidee und Rechtsstoff, in: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphiloso-
S. 288-290 phie, Bd. 17, 1923/23, S. 343-350
Maurach, Deutsches Straf recht, Allgemeiner Teil, Ein Lehrbuch, 2. Aufl., 1958, 1. Aufl., Roeder, Exklusiver Täterbegriff und Mitwirkung am Sonderdelikt, in: ZStW, Bd. 69, 1957,
1954 (Abkürzung: A.T.) S.223-268
Maurach, Deutsches Strafrecht, Besonderer Teil, Ein Lehrbuch, 3. Aufl., 1959 (Abkür- Rosenfeld, Mittäterschaft und Beihilfe bei subjektiv gefärbter Ausführungshandlung, in:
zung: B.T) Frank-Festgabe, Band II, 1930, S. 161-187
Maurach, Deliktscharakter und Auslegung der Notzuchtsbestimmung des § 177 StGB, in: Roxin, Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkmale, 1959
NJW 1961, S. 1050-1053 Roxin, Die Irrtumsregelung des Entwurfs 1960 und die strenge Schuldtheorie, in: Monats-
Mayer, Hellmuth, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Ein Lehrbuch, 1953 schrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 1961 (Tesar-Festschrift), S. 211-221
Mayer, Hellmuth, Täterschaft, Teilnahme, Urheberschaft, in: Festschrift für Rittler, 1957, Roxin, Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, in: ZStW, Bd. 74, 1962,
S.243-274 S. 411-444
Mayer, Max Ernst, Der allgemeine Teil des deutschen Strafrechts, 1915 = 2. Aufl., 1923 Roxin, Zur Kritik der finalen Handlungslehre, in: ZStW, Bd. 74, 1962, S. 515-561
Meister, Zur Abgrenzung der Beteiligung am Selbstmord vom strafbaren Tötungsdelikt, Sauer, Allgemeine Strafrechtslehre, 3. Aufl., 1955
in:GA 1953, S. 166-173 Sauer, Das Unterlassungsdelikt. Seine Stellung im Gefährdungs- und im Willensstrafrecht,
Merkel, Paul, Zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe, 1925 in: GS, Bd. 114, 1940, S. 279-321
Merkel, Paul, Grundriß des Straf rechts, Teil I. Allgemeiner Teil, 1927 Sax, Der Begriff der „strafbaren Handlung" im Hehlereitatbestand (§259 StGB), in:
Merkel, Paul, Anstiftung und Beihilfe, in: Frank-Festgabe, Band II, 1930, S. 134-160 MDR1954, S. 65-71
Metzke, Handlexikon der Philosophie, 1949 Sax, Dogmatische Streifzüge durch den Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetz-
Meyer-Allfeld, Lehrbuch des Deutschen Straf rechts, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., 1934 buches nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission, in: ZStW, Bd. 69,
Mezger, Strafrecht, Ein Lehrbuch, 2. Aufl., 1933 = 3. Aufl., 1949 1957,S. 412-440
Mezger, Moderne Wege der Strafrechtsdogmatik. Eine ergänzende Betrachtung zum Lehr- Sax, Über Rechtsbegriffe, in: Festschrift für Hermann Nottarp, 1961, S. 133-148
buch des Strafrechts in seiner 3. Aufl. (1949), 1950 Schaffstein, Besprechung strafrechtlicher Monographien über die Teilnahmelehre, in:
Mezger, Straf recht, Studienbuch, I. Allgemeiner Teil, 9. Aufl., 1960, IL Besonderer Teil, ZStW, Bd. 56, 1937, S. 147-152
7. Aufl., 1960 Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, 1958
Mezger, Die Teilnahmeregelung des Strafgesetzentwurfs von 1919, in: Deutsche Strat- Schmidhäuser, Willkürlichkeit und Finalität als Unrechtsmerkmal im Strafrechtssystem,
rechtszeitung, 8. Jahrg., 1921, S. 206-207 in: ZStW, Bd. 66, 1954, S. 27-40
Mezger, Mittelbare Täterschaft und rechtswidriges Handeln, in: ZStW, Bd. 52, 1932, Schmidhäuser, Zum Begriff der bewußten Fahrlässigkeit, in: GA, 1957, S. 305-314
S. 529-545 Schmidhäuser, Zum Begriff des bedingten Vorsatzes in der neuesten Rechtsprechung des
Mittasch, Die Auswirkungen des wertbeziehenden Denkens in der Strafrechtssystematik, BGH und in §16 Komm. Entwurf StGB, Allgemeiner Teil, 1958, in: GA 1958,
1939 S. 161-181
Müller, Eigenhändige Verbrechen, 1928 Schmidhäuser, Aussagepflicht und Aussagedelikt, in: Göttinger Festschrift für das OLG
Nagler, Die Teilnahme am Sonderverbrechen, 1903 Celle, 1961, S. 207-237
Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 2. Band, Allge- Schmidt, Eb., Die militärische Straftat und ihr Täter, 1936
meiner Teil, 14.-25. Sitzung, Bonn 1958 Schmidt, Militärstrafrecht, 1936
770 771

Schmidt, Eb., Die Mittelbare Täterschaft, in: Frank-Festgabe, Band II, 1930, S. 106-133 Welzel, Kausalität und Handlung, in: ZStW, Bd. 51, 1931, S. 703-720
Schmidt, Richard, Grundriß des Deutschen Strafrechts, 2. Aufl., 1931 Welzel, Über Wertungen im Strafrecht, in: GS, Bd. 103, 1933, S. 340-347
Schmitt, Carl, Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934 Welzel, Studien zum System des Strafrechts, in: ZStW, Bd. 58, 1939, S. 491-566
Schönke, Strafgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl., 1952 Welzel, Zur Kritik der subjektiven Teilnahmelehre, in: SJZ 1947, Spalte 645-650
Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 9. Aufl., 1959, 10. Aufl., 1961 Welzel, Anmerkung zu einer Entscheidung des O G H vom 5.3.49, in: MDR 1949,
Schröder, Der Täterbegriff als „technisches" Problem, in: ZStW, Bd. 57, 1938, S. 459-489 S. 373-376
Schröder, Aufbau und Grenzen des Vorsatzbegriffs, in: Festschrift für Sauer, 1949, Welzel, Anmerkung zu einer Entscheidung des OLG Bamberg v. 27.7.1949, in: DRZ
S. 207-248 1950, S. 303-304
Schröder, Anmerkung zu BGHSt 11, S. 268-272, in: JR 1958, S. 427-428 Welzel, Anmerkung zu BGHSt 4, S. 355-360, in: JZ 1953, S. 763-764
Schröder, Anmerkung zu einer Entscheidung des BGH vom 10.11.59 zu §266 StGB, in: Welzel, Anmerkung zur Entscheidung des BGH vom 22.10.53 (BGHSt 5, S. 47-52) in: JZ
JR 1960, S. 105-106 1954, S. 128-130
Schröder, Anmerkung zur Entsch. des 4. Senats des BGH v. 12.1.1962, BGHSt 17, 87-94, Wieners, Veranlassung und Unterstützung zum Selbstmord, 1958
in:JR1962,S. 347-348 Wiethöl ter, Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, 1960
Schwanz, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, Kommentar, 1914 Wolf, Betrachtungen über die mittelbare Täterschaft, 1927, Strafrechtliche Abhandlungen,
Schwarz-Dreher, Strafgesetzbuch, 23. Aufl., 1961 Heft 225
Schwinge, Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, 1930 Wuttig, Fahrlässige Teilnahme am Verbrechen, 1902
Schwinge-Zimmerl, Wesensschau und konkretes Ordnungsdenken im Strafrecht, 1937 Zimmerl, Grundsätzliches zur Teilnahmelehre, in: ZStW, Bd. 49, 1929, S. 39-54
Schwinge, Irrationalismus und Ganzheitsbetrachtung in der deutschen Rechtswissen- Zimmermann, Zur Problematik der unechten Unterlassungsdelikte, in: NJW 1952,
schaft, 1938 S. 1321-1322
Schwinge, Militärstrafgesetzbuch, 6. Aufl., 1944
Servatius, Verteidigung Adolf Eichmann, Plädoyer, 1961
Spendel, Die Kausalitätsformel der Bedingungstheorie für die Handlungsdelikte, 1948
Stratenwerth, Das rechtstheoretische Problem der „Natur der Sache", 1957
Stratenwerth, Verantwortung und Gehorsam, 1958
Stratenwerth, Dolus eventualis und bewußte Fahrlässigkeit, in: ZStW, Bd. 71, 1959,
S, 51-71
Stratenwerth, Entwicklungstendenzen der neueren deutschen Strafrechtsdogmatik, in:
Juristen-Jahrbuch, 2. Bd., 1961/62, S. 195-211
Stratenwerth, Arbeitsteilung und ärztliche Sorgfaltspflicht, in: Festschrift für Eb. Schmidt,
1961, S. 383-400
Straub, Täterschaft und Teilnahme im englischen Recht, 1952
Stübel, Über den Tatbestand der Verbrechen, die Urheber derselben und die zu einem
verdammenden Endurteile erforderliche Gewißheit des erstem, besonders in Rücksicht
der Tödtung, nach gemeinen in Deutschland geltenden und Chursächsischen Rechten,
1805
Stübel, Über die Teilnahme mehrerer Personen an einem Verbrechen, 1828
Tjaben, Die Unterscheidung zwischen Urheberschaft und Beihilfe, in: GA, 42. Jahrg.,
1894, S. 218-229
Tröndle, Zur Frage der Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, in: GA 1956, S. 122-154
v. Uthmann, Objektive und subjektive Tatherrschaft, in: NJW 1961, S. 1908-1909
Wächter, Lehrbuch des Römisch-Teutschen Straf rechts, Teil I, 1825-1826
v. Weber, Zum Aufbau des Strafrechtssystems, 1935
v. Weber, Grundriß des Deutschen Strafrechts, 2. Aufl., 1948
v. Weber, Teilnahme an Mord und Totschlag, in: MDR 1952, S. 265-266
Wegner, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1951
Wegner, Teilnahme, in: Aschrott-Kohlrausch, Reform des Strafrechts, 1926, S. 102-119
Welzel, Naturalismus und Wertphilosophie im Straf recht, 1935
Welzel, Um die finale Handlungslehre, 1949
Welzel, Aktuelle Strafrechtsprobleme im Rahmen der finalen Handlungslehre, 1953
Welzel, Das deutsche Strafrecht, 3. Aufl., 1954, 5. Aufl., 1956, 6. Aufl., 1958, 7. Aufl.,
1960
Welzel, Das neue Bild des Strafrechtssystems, 4. Aufl., 1961
Literaturverzeichnis 1963-2006
Achenbach, Aus der 2003/2004 veröffentlichten Rechtsprechung zum Wirtschaftsstraf-
recht, NStZ 2004, 549-553
Alwart (Hrsg.), Verantwortung und Steuerung von Unternehmen in der Marktwirtschaft,
1998
Ambos, Tatherrschaft durch Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate,
GA 1998,226-245
Ambos, Der Allgemeine Teil des Völkerstrafrechts, 2. Aufl., 2004
Ambos, Internationales Strafrecht, 2006
Amelung, Zum Verantwortungsmaßstab bei der mittelbaren Täterschaft durch Beherr-
schung eines nicht verantwortlichen Selbstschädigers, in: Schünemann (Hrsg.), Coim-
bra-Symposium, 1995,247-257
Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung und Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten
in bürokratischen Organisationen des Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft (zit.:
Individuelle Verantwortung), 2000
Arzt, Zur Garantenstellung beim unechten Unterlassungsdelikt, JA 1980, 553-561
Arzt, Rezension des Leipziger Kommentars (10. Aufl.), JZ 1981, 412-414
Arzt, Anmerkung zu BGHSt 32, 165 f., JZ 1984, 428-430
Arzt, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 23.10.1985, StrV 1986, 337-338
Arzt/Weber, Strafrecht, Besonderer Teil, LH 1, 3. Aufl., 1988
Auerbach, Die eigenhändigen Delikte, Diss., 1978
Bauer, Vorbereitung und Mittäterschaft (bei Herrschaftsdelikten), 1996
Baumann, Beihilfe bei eigener voller Tatbestandsverwirklichung, NJW 1963, 561-565
Baumann, Dogmatik und Gesetzgeber. Vier Beispiele, Jescheck-Festschrift, Bd. 1, 1985,
105-119
Baumann/Weber, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., 1985
Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 2003
Beckemper, Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft durch Täuschung des Steuer-
pflichtigen, wistra 2002, 401-405
Beulke, Anmerkung zum Urteil des OLG Köln v. 5.9.1978, JR 1980, 423-425
Beulke/Bachmann, Die „Lederspray-Entscheidung" - BGHSt 37, 106, JuS 1992, 737-744
Bindokat, Fahrlässige Mittäterschaft im Strafrecht, JZ 1979, 434r437
Blauth, „Handeln für einen anderen" nach geltendem und kommendem Recht, 1968
Blei, Besprechung von Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, NJW 1965, 1218
Blei, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, 18. Aufl., 1983
Blei, Strafrecht, Besonderer Teil, 12. Aufl., 1983
Blei, Prüfe dein Wissen, Strafrecht, Besonderer Teil/1, 10. Aufl., 1996
Bloy, Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht, 1985 (zit.: Zurech-
nungstypus)
Bloy, Anstiftung durch Unterlassen?, JA 1987, 490-497
Bloy, Besprechung von Schild, Täterschaft als Tatherrschaft, GA 1996, 239-243
Bloy, Grenzen der Täterschaft bei fremdhändiger Tatausführung, GA 1996, 425-442
774 775
Bockelmann, Zur Problematik der Beteiligung an vermeintlich vorsätzlich rechtswidrigen Dreher, Strafgesetzbuch, 35. Aufl., 1975
Taten, Gallas-Festschrift, 1973, 261-272 Dreher, Besprechung von Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft (3. Aufl.), MDR 1976,
Bockelmann, Straf recht, Besonderer Teil, Bd. 2, 1977 435-436
Bockelmann, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Grundriß, 3. Aufl., 1979 Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch, 46. Aufl., 1993
Bockelmann/Volk, Straf recht, Allgemeiner Teil, Grundriß, 4. Aufl., 1987 Ebert, Strafrechtliche Bewältigung des SED-Unrechts zwischen Politik, Strafrecht und
Bolowich, Urheberschaft und reflexives Verständnis. Untersuchungen zur Grundlage Verfassungsrecht, Hanack-Festschrift, 1999, 501-538
einer strafrechtlichen Beteiligungslehre, 1995 Ebert, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., 2001
Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002 Engländer, Selbsttötung in mittelbarer Täterschaft, Jura 2004, 234-238
Bottke, Suizid und Strafrecht, 1982 Erb, Mord in Mittäterschaft - BGH, NJW 1991, 1068, JuS 1992, 197-201
Bottke, Probleme der Suizidbeteiligung, GA 1983, 22-37 Eschenbach, Zurechnungsnormen im Strafrecht, Jura 1992, 637-645
Bottke, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft, 1992 (zit.: Gestaltungsherrschaft) Eser, Strafrecht, Bd. 2, 3. Aufl., 1980
Bottke, Die Struktur von Täterschaft bei aktiver Begehung und Unterlassung als Baustein Eser, Sterbewille und ärztliche Verantwortung, MedR 1985, 6-17
eines gemeineuropäischen Strafgesetzbuches, in: Schünemann (Hrsg.), Coimbra-Sym- Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung und Mitverantwortung im Strafrecht,
posium, 1995,235-246 1998
Bottke, Täterschaft und Teilnahme im deutschen Wirtschaftskriminalrecht - de lege lata Exner, Fahrlässiges Zusammenwirken, Frank-Festschrift, Bd. 1, 1930, 569-597
und de lege ferenda, JuS 2002, 320-324 Ferre Olive/Anarte Borrallo (Hrsg.), Delincuencia organizada, Aspectos penales, proce-
Bottke, Straftäterschaftliche Beteiligung Übergeordneter an von Untergeordneten be- sales y criminolögicos (zit.: Huelva-Sammelband), 1999
gangenen Straftaten im Rahmen Organisierter Kriminalität, Gössel-Festschrift, 2002, Ferre Olive, „Blanqueo" de capitales y criminalidad organizada, in: Ferre Olive/Anarte
235-260 Borrallo (Hrsg.), Huelva-Sammelband, 1999, 85-98
Brammsen, Kausalitäts- und Täterschaftsfragen bei Produktfehlern, Jura 1991, 533-538 Figueiredo Dias, Autoria y participaciön en el dominio de la criminalidad organizada: El
Brammsen, Bemerkungen zur mittelbaren Unterlassungstäterschaft, NStZ 2000, 337-344 „dominio de la organizaciön", in: Ferre Olive/Anarte Borallo (Hrsg.), Huelva-Sam-
Brammsen-Kaiser, Übungs-Hausarbeit Strafrecht, Heiße Nacht in der Chemiefabrik, Jura melband, 1999,99-107
1992,38^15 Frank, Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., 1931
Brandts/Schlehofer, Die täuschungsbedingte Selbsttötung im Lichte der Einwilligungs- Freund, Strafrecht Allgemeiner Teil. Personale Straftatlehre, 1998
lehre, JZ 1987,442-448 Frisch, Besprechung von H. Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prin-
Bundesjustizministerium (Hrsg.), Die Verfolgung nationalsozialistischer Straftaten im zip der Selbstverantwortung der Anderen, JZ 1988, 655
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, 1964 Fuhrmann, Das Begehen der Straftat gem. § 25 Abs. 1 StGB, 2004
Cerezo Mir, Täterschaft und Teilnahme im neuen spanischen Strafgesetzbuch von 1995, Gallas, Täterschaft und Teilnahme, Materialien zur Strafrechtsreform, Bd. 1, 1954,
Roxin-Festschrift, 2001, 549-561 121-153
Charalambakis, Selbsttötung aufgrund Irrtums und mittelbare Täterschaft, GA 1986, Geerds, Täterschaft und Teilnahme, Jura 1990, 173-180
485-507 Geilen, Suizid und Mitverantwortung, JZ 1974, 145-154
Chen, Das Garantensonderdelikt, Diss. München, 2003 Gimbernat Ordeig, Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 80 (1968),
Cramer, Gedanken zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, Bockelmann-Fest- 915-943
schrift, 1979, 389-403 Gössel, Sukzessive Mittäterschaft und Täterschaftstheorien, Jescheck-Festschrift, Bd. 1,
Czepluch, Täterschaft und Teilnahme im französischen Strafrecht, 1994 1985,537-557
Dallinger, Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, MDR 1973, Graul, Zur Haftung eines (potentiellen) Mittäters für die Vollendung bei Lossagung von
16-20 der Tat im Vorbereitungsstadium, Meurer-Gedächtnisschrift, 2002, 89-102
Dallinger, Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, MDR 1974, Gropp, Suizidbeteiligung und Sterbehilfe in der Rechtsprechung, NStZ 1985, 97-103
544-548 Gropp, Die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates als „Mittelbare Mit-Täter hin-
von Danwitz, H. C., Ist die Mittäterschaft abhängig von einem gemeinsamen Tatent- ter den Tätern"?, JuS 1996, 13-18
schluß der Beteiligten?, 1994 Gropp, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., 2005
Dencker, Kausalität und Gesamttat, 1996 Grünwald, Ist der Schußwaffengebrauch an der Zonengrenze strafbar?, JZ 1966, 633-638
Dencker, Mittäterschaft in Gremien, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, 1983
2000, 63-70 Haft, Eigenhändige Delikte, JA 1979, 651-658
Dencker, Beteiligung ohne Täter, Lüderssen-Festschrift, 2002, 525-537 Haft, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., 2004
Derksen, Heimliche Unterstützung fremder Tatbegehung als Mittäterschaft, GA 1993, Haft/Eisele, Wie wirkt sich ein error in persona des Haupttäters auf den Gehilfen aus?,
163-176 Keller-Gedächtnisschrift, 2003, 81-101
Diaz y Garcia, La Autoria en Derecho Penal, 1991 Hamdorf, Beteiligungsmodelle im Strafrecht. Ein Vergleich von Teilnahme- und Einheits-
Donna, Roxins Konzept der Täterschaft und die Theorie der Machtapparate, Gössel- tätersystemen in Skandinavien, Österreich und Deutschland, 2002
Festschrift, 2002, 261-285 Hanack, Zur Problematik der gerechten Bestrafung nationalsozialistischer Gewaltver-
Dreher, Anmerkung zu BGHSt 19, 135 ff., MDR 1964, 337-38 brechen, 1967
Dreher, Der Irrtum über Rechtfertigungsgründe, Heinitz-Festschrift, 1972, 207-228 Hardwig, Über den Begriff der Täterschaft, JZ 1965, 667-671
776 777

Hassemer, Anmerkung zu BGHSt 32, 38 f., JuS 1984, 148 Holtz, Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, MDR 1984,
Häuf, Neuere Entscheidungen zur Mittäterschaft unter besonderer Berücksichtigung der 625-628
Problematik der Aufgabe der Mitwirkung eines Beteiligten während der Tataus- Hoyer, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit innerhalb von Weisungsverhältnissen. Son-
führung bzw. vor Eintritt in das Versuchsstadium, NStZ 1994, 263-266 derregeln für Amts- und Wehrdelikte und ihre Übertragbarkeit auf privatrechtliche
Heger, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 31.10.2001 (= NStZ-RR 2002, 74), JA 2002, Organisationen, 1998. Auch in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, 2000,
628-631 183-208
Heine, Von individueller zu kollektiver Verantwortlichkeit, in: Arnold/Burkhardt/ Hünerfeld, Mittelbare Täterschaft und Anstiftung im Kriminalstrafrecht der Bundesrepu-
Gropp/Koch (Hrsg.), Grenzüberschreitungen. Beiträge zum 60. Geburtstag von Albin blik Deutschland, ZStW 99 (1987), 228-250
Eser, 1995, 51-76 Ingelfinger, Anstiftervorsatz und Tatbestandsbestimmtheit, 1992 (zit.: Anstiftervorsatz)
Heine, Täterschaft und Teilnahme in staatlichen Machtapparaten, JZ 2000, 920-926 Ingelfinger, „Schein"-Mittäter und Versuchsbeginn, JZ 1995, 704-714
Heinrich, Rechtsgutszugriff und Entscheidungsträgerschaft (zit.: Rechtsgutszugriff), 2002 Jäger, Examens-Repetitorium Strafrecht Allgemeiner Teil, 2003
Henkys (Hrsg.), Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, 2. Aufl., 1972 Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Die Grundlagen und die Zurechnungslehre, 2. Aufl.,
Herlitz, Parties to a Crime and the Notion of a Complicity Object. A Comparative Study 1991
of the Alternatives Provided by the Model Penal Code, Swedish Law and Claus Roxin, Jakobs, Anmerkung zum Urteil d. BGH v. 26.7.1994 (= BGHSt 40, 218), NStZ 1995,
1992 26-27
Herzberg, Eigenhändige Delikte, ZStW 82 (1970), 896-947 Jakobs, Objektive Zurechnung bei mittelbarer Täterschaft durch ein vorsatzloses Werk-
Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, 1972 zeug, GA 1997,553-572
Herzberg, Grundfälle zur Tatherrschaftslehre, JuS 1974, 374-379, 719-722; JuS 1975, Jakobs, Tötung auf Verlangen, Euthanasie und Strafrechtssystem, 1998 (zit.: Tötung auf
35-38,171-175. Verlangen)
Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977 Jakobs, Beteiligung, Lampe-Festschrift, 2003, 561-575
Herzberg, Zur Strafbarkeit der Beteiligung am frei gewählten Selbstmord, dargestellt am Jescheck, Strafrechtsreform in Deutschland, Allgemeiner Teil, SchwZSt 1975, 1-44
Beispiel des Gefangenensuizids und der strafrechtlichen Verantwortung der Vollzugs- Jescheck, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 1988
bediensteten, ZStW 91 (1979), 557-589 Jescheck/Weigend, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., 1996
Herzberg, Beteiligung an einer Selbsttötung oder tödlichen Selbstgefährdung als Tötungs- Joecks, Strafgesetzbuch, Studienkommentar, 5. Aufl., 2004
delikt, JA 1985, 131-138, 177-185,265-272, 336-345 Joerden, Strukturen des strafrechtlichen Verantwortlichkeitsbegriffs, 1988
Herzberg, Zum strafrechtlichen Schutz des Selbstmordgefährdeten, JZ 1986, 1021-1028 Jordan, Übungshausarbeit Strafrecht: Eine günstige Gelegenheit, Jura 1999, 304-312
Herzberg, Täterschaft, Mittäterschaft und Akzessorietät der Teilnahme, ZStW 99 (1987), Jung, Anmerkung zum Urteil d. BGH v. 26.7.1994 (= BGHSt 40, 218), JuS 1995,
49-81 173-174
Herzberg, Straffreie Beteiligung an Suizid und gerechtfertigte Tötung auf Verlangen, JZ Just-Dahlmann/H. Just, Die Gehilfen, 1988
1988, 182-189 Kamm, Die fahrlässige Mittäterschaft, 1999
Herzberg, Die Quasi-Mittäterschaft bei § 216 StGB: Straftat oder straffreie Suizidbeteili- Kaufmann, Arthur, Die ontologische Struktur der Handlung, H. Mayer-Festschrift, 1966,
gung, JuS 1988, 771-776 79-117
Herzberg, Abergläubische Gefahrabwendung und mittelbare Täterschaft durch Ausnut- Kindhäuser, Betrug als vertypte mittelbare Täterschaft, Bemmann-Festschrift, 1997,
zung eines Verbotsirrtums, Jura 1990, 16-26 339-361
Herzberg, Mittäterschaft durch Mitvorbereitung: eine actio communis in causa? JZ 1991, Kindhäuser, Handlungs- und normtheoretische Grundfragen der Mittäterschaft, Holler-
856-862 bach-Festschrift, 2001, 627-653
Herzberg, Mittelbare Täterschaft und Anstiftung in formalen Organisationen, in: Ame- Kindhäuser, Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl., 2005
lung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, 2000, 33-53 (m. Anm. Roxin, daselbst, Kindhäuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2005
55-56, und Antwort Herzberg, daselbst, 57-61) Klesczewski, Selbständigkeit und Akzessorietät der Beteiligung, Typoskript, 1997 (zit.:
Herzberg, Vorsätzliche und fahrlässige Tötung bei ernstlichem Sterbebegehren des Selbständigkeit)
Opfers, NStZ 2004, 1-9 Klinger, Die Strafbarkeit der Beteiligung an einer durch Täuschung herbeigeführten
Herzberg, Eigenverantwortliche Selbsttötung und strafbare Mitverursachung, Jura 2004, Selbsttäuschung, 1995
670-672 Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht, 2001 (zit.: Koüegialentscheidung)
Hilgendorf, Fragen der Kausalität bei Gremienentscheidungen am Beispiel des Leder- Knauer, Totschlag durch Unterlassen bei Nichtherbeiführung eines Beschlusses des SED-
spray-Urteils, NStZ 1994, 561-566 Politbüros, NJW 2003, 3101-3103
Hilgendorf, Fallsammlung zum Strafrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil, 4. Aufl., Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997
2003 Köhler, Beteiligung und Unterlassen beim erfolgsqualifizierten Delikt am Beispiel der
Hillenkamp, 32 Probleme aus dem Strafrecht, Allgemeiner Teil, 11. Aufl., 2003 Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 I StGB), 2000 (zugleich Diss. Potsdam,
Hirsch, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 18.7.1978, JR 1979, 429-433 1998/1999)
Hirsch, Rechtsstaatliches Straf recht und staatlich gesteuertes Unrecht, 1996 Kohlrausch/Lange, StGB mit Erläuterungen und Nebengesetzen, 43. Aufl., 1961
Holtz, Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, MDR 1981, Korn, Täterschaft oder Teilnahme bei staatlich organisierten Verbrechen, NJW 1965,
629-632 1206-1210
778
779
Krack, Der Versuchsbeginn bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft, ZStW 110
(1999), 611-639 Luzön Pena und Diaz y Garcia Conlledo, Objektive positive Tatbestimmung und Tat-
bestandsverwirklichung als Täterschaftsmerkmale, Roxin-Festschrift, 2001, 575-608
Krekeler, Brauchen wir ein Unternehmensstrafrecht?, Hanack-Festschrift, 1999, 639-663
Maiwald, Literaturbericht, Strafrecht, Allgemeiner Teil (Teilnahmelehre), ZStW 88 (1976),
Kretschmer, Mittelbare Täterschaft - Irrtümer über die tatherrschaftsbegründende Situa-
712-751
tion, Jura 2003, 535-540
Maiwald, Literaturbericht, Strafrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil, ZStW 93 (1981),
Krey, Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1, 11. Aufl., 1998
864-901
Krey, Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil. Studienbuch in systematisch-induktiver
Darstellung, Bd. 2: Täterschaft und Teilnahme, Unterlassungsdelikte, Versuch und Maurach, Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 1971
Rücktritt, Fahrlässigkeitsdelikte, 2. Aufl., 2005 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 2, 7. Aufl., 1989
Krüger, Matthias, Ein Klassiker bleibt ein Klassiker!, Jura 1998, 616 Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. 1, 8. Aufl., 1995
Krüger, Sven, Der Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft, 1994 Mayer, H., Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1967
Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., 2005 Merkel, Personale Identität und die Grenzen strafrechtlicher Zurechnung, JZ 1999,
Kuhlen, Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, insbes. bei den sog. Betriebs- 502-511
beauftragten, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, 2000, 71-94 Merkel, Tödlicher Behandlungsabbruch und mutmaßliche Einwilligung bei Patienten im
Kuhlen, Strafrechtliche Produkthaftung, in: Roxin/Widmaier (Hrsg.), BGH-Festgabe, apallischen Syndrom, ZStW 107 (1995), 545-575
2000, 647-673 Merkel, Personale Identität und die Grenzen strafrechtlicher Zurechnung, JZ 1999,
Küper, Versuchsbeginn und Mittäterschaft, 1978 502-511
Küper, Zur Problematik der sukzessiven Mittäterschaft, JZ 1981, 568-574
Meurer, Besprechung von Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip
Küper, „Autonomie", Irrtum und Zwang bei mittelbarer Täterschaft und Einwilligung,
der Selbstverantwortung der Anderen, NJW 1987, 2424-2425
JZ 1986,219-229
Meyer, M.-K., Der Ausschluß der Autonomie durch Irrtum. Ein Beitrag zu mittelbarer
Küper, Mittelbare Täterschaft, Verbotsirrtum des Tatmittlers und das Verantwortungs-
Täterschaft und Einwilligung, 1984 (zit.: Autonomie)
prinzip, JZ 1989,935-949
Mezger, Strafrecht, 3. Aufl., 1949
Küper, Die dämonische Macht des Katzenkönigs, JZ 1989, 617-628
Mitsch, Mitwirkung am versuchten Schwangerschaftsabbruch (an) einer Nichtschwange-
Küper, Ein „neues Bild" der Lehre von Täterschaft und Teilnahme. Die strafrechtliche ren im Ausland, Jura 1989, 193-199
Beteiligungsformenlehre Ulrich Steins, ZStW 105 (1993), 445-482 Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch (zit.: MK). Darin: Joecks, Vorbemerkung
Küpper, Anspruch und wirkliche Bedeutung des Theorienstreits über die Abgrenzung zu § 25, § 25; 2003
von Täterschaft und Teilnahme, GA 1986, 437^49 Munoz Conde, Problemas de autoria y participaciön en el derecho penal econömico, o
Küpper, Der gemeinsame Tatentschluß als unverzichtbares Moment der Mittäterschaft, jcomo imputar a titulo de autores a las personas que sin realizar acciones ejecutivas,
ZStW 105 (1993), 295-305 deciden la realizaciön un delito en el ämbito de la delincuencia econömica empresari-
Küpper, Zur Abgrenzung der Täterschaftsformen, GA 1998, 519-529 al?, Revista Penal, 2002, 59-97
Kutzner, Die Rechtsfigur des Täters hinter dem Täter und der Typus der mittelbaren Munoz Conde, Problemas de autoria y participaciön en la criminalidad organizada, in:
Täterschaft, 2004 (zit.: Rechtsfigur) Ferre Olive/Anarte Borallo (Hrsg.), Huelva-Sammelband, 1999, 191-198
Lackner, Strafgesetzbuch, 20. Aufl., 1993 Munoz Conde, Willensherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate im Rahmen
Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 25. Aufl., 2004 „nichtrechtsgelöster" Organisationen?, Roxin-Festschrift, 2001, 609-624
Lampe, Über den Begriff und die Formen der Teilnahme am Verbrechen, ZStW 77 (1965), Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht. Ein Beitrag zu einer personalen Tatherr-
262-311 schaftslehre, 1993 (zit.: Nebentäterschaft)
Lampe, Systemunrecht und Unrechtssysteme, ZStW 106 (1994), 683-745 Murmann, Tatherrschaft durch Weisungsmacht, GA 1996, 269-281
Langer, Das Sonderverbrechen, 1972 Murmann, Zur mittelbaren Täterschaft bei Verbotsirrtum des Vordermannes, GA 1998,
Langneff, Die Beteiligtenstrafbarkeit von Hintermännern innerhalb von Organisations- 78-88
strukturen bei vollverantwortlich handelndem Werkzeug, 2000
Nestler, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Bürgermeisters für Gewässerverun-
Langrock, Das eigenhändige Delikt, 2001
reinigungen der Bürger, GA 1994, 514-530
Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 9. Aufl., 1970, 10. Aufl., 1978, 11. Aufl., 1993
Nestler, (Mit-)Täterschaft beim bewaffneten Betäubungsmittelhandel, StrV 2002, 504-510
(zit.: LK)
Neudecker, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Mitglieder von Kollegialorganen,
Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, 1992
1995
Lesch, Die Begründung mittäterschaftlicher Haftung als Moment der objektiven Zurech-
Neumann, Abgrenzung von Teilnahme am Selbstmord und Tötung in mittelbarer Täter-
nung, ZStW 105 (1993), 271-294
schaft - BGHSt 32, 38, JuS 1985, 677-682
Lesch, Täterschaft und Gestaltungsherrschaft - Überlegungen zu der gleichnamigen
Neumann, Die Strafbarkeit der Suizidbeteiligung als Problem der Eigenverantwortlich-
Monographie von Wilfried Bottke -, GA 1994,112-127
Lüderssen, Der Beitrag der Kriminologie zur Strafrechtsdogmatik - Eine Konkretisierung keit des „Opfers", JA 1987, 244-256
mit Blick auf die Probleme von Täterschaft und Teilnahme, in: Lahti/Nuotio (Hrsg.), Niedermayr, Straflose Beihilfe durch neutrale Handlungen, ZStW 107 (1995), 507-546
Strafrechtstheorie im Umbruch, 1992, 465-474 Noak, Drittzueignung und 6. Strafrechtsreformgesetz, 1999
Noltenius, Kriterien der Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft, 2003
Lüderssen, Der Typus des Teilnehmertatbestandes, Miyazawa-Festschrift, 1995, 449—464
Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., 2005 (zit.: NK 2 ). Darin: Schild, Vor-
bemerkungen zu den §§ 25 ff., § 25
780 781

Otto, Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Straf recht, Maurach-Festschrift, 1972, Roxin, Ein „neues Bild" des Strafrechtssystems, ZStW 83 (1971), 369-404
91-105 Roxin, Buchbesprechung, Stratenwerth: Strafrecht, AT I. Die Straftat, ZStW 84 (1972)
Otto, Grenzen der Fahrlässigkeitshaftung im Strafrecht - OLG Hamm NJW 1973, 1422, 993-1014
JuS 1974, 702-710 Roxin, Zum Schutzzweck der Norm bei fahrlässigen Delikten, Gallas-Festschrift, 1973
Otto, Anmerkung zum Urteil d. BGH v. 2.10.1984, (= NStZ 1985, 70), JK, StGB § 25 241-259 " -
n/2 Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, 2. Aufl., 1973
Otto, Anmerkung zum Urteil d. BGH v. 29.1.1986 (= StrV 1986, 384), JK, StGB § 25 U/3 Roxin, Literaturbericht, Strafrecht Allgemeiner Teil, ZStW 85 (1973), 76-103
Otto, Täterschaft, Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft, Jura 1987, 246-258 Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, 1973
Otto, Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt, Jura 1990, 47-50 Roxin/Stree/Zipf/Jung, Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl., 1975
Otto, Täterschaft und Teilnahme im Fahrlässigkeitsbereich, Spendel-Festschrift, 1992, Roxin, Bemerkungen zum Täter hinter dem Täter, Lange-Festschrift, 1976, 173-195
271-288 Roxin, Die Mitwirkung beim Suizid - ein Tötungsdelikt? Dreher-Festschrift, 1977
Otto, Grundkurs Strafrecht AT, Allgemeine Strafrechtslehre, 7. Aufl., 2004 331-355
Otto, Grundkurs Strafrecht BT, 5. Aufl., 1998 Roxin, Die Mittäterschaft im Strafrecht, JA 1979, 519-526
Otto, Mittelbare Täterschaft und Verbotsirrtum, Roxin-Festschrift, 2001, 483-501 Roxin, Anmerkung zu BGHSt 32, 38 f., NStZ 1984, 71-73
Otto, Täterschaft kraft organisatorischen Machtapparates, Jura 2001, 753-759 Roxin, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 26.10.84, StrV 1985, 278-279
Paehler, Die Abgrenzung von Beihilfe zum Selbstmord und Tötung auf Verlangen, MDR Roxin, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 29.1.86, StrV 1986, 384-385
1964, 647-649 Roxin, Die Sterbehilfe im Spannungsfeld von Suizidteilnahme, erlaubtem Behandlungs-
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl., 2005 abbruch und Tötung auf Verlangen, NStZ 1987, 345-350
Pizarro Beleza, Die Täterschaftsstruktur bei Pflichtdelikten - Pflichtträgerschaft versus Roxin, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 15.1.1991, JR 1991, 206-208
Tatherrschaft?, in: Schünemann (Hrsg.), Coimbra-Symposium, 1995, 267-279 Roxin, Die Abgrenzung von strafloser Suizidteilnahme, strafbarem Tötungsdelikt und
Preisendanz, Strafgesetzbuch, 30. Aufl., 1978 gerechtfertigter Euthanasie, in: Wolter (Hrsg.), 140 Jahre Goltdammer's Archiv für
Puppe, Wie wird man Mittäter durch konkludentes Verhalten?, NStZ 1991, 571-574 Strafrecht, 1993, 177-190
Puppe, Der gemeinsame Tatplan der Mittäter, Spinellis-Festschrift, 2001 (Bd. 2), 915-944 Roxin, Anmerkung zum Urteil d. BGH v. 26.7.1994 (= BGHSt 40, 218), JZ 1995
Puppe, Wider die fahrlässige Mittäterschaft, GA 2004, 129-146 49-52
Puppe, Strafrecht Allgemeiner Teil im Spiegel der Rechtsprechung, Band 2, 2005
Roxin, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Allgemeinen Teil des Strafrechts, 1998
Randt, Mittelbare Täterschaft durch Schaffung von Rechtfertigungslagen, 1997
Ranft, Garantiepflichtwidriges Unterlassen der Deliktshinderung, ZStW 94 (1982), (zit.: HRR-AT)
815-863 Roxin, Probleme von Täterschaft und Teilnahme bei der organisierten Kriminalität,
Ranft, Rechtsprechungsbericht zu den Unterlassungsdelikten, JZ 1987, 908-918 Grünwald-Festschrift, 1999, 549-561
Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 1996 Roxin, Anmerkungen zum Vortrag von Prof. Herzberg, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle
Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, 1997 (zit.: Restriktiver Verantwortung, 2000, 55-56
Täterbegriff) Roxin/Widmaier (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof. Festgabe aus der Wissenschaft.
Rodriguez Montanes, Einige Bemerkungen über das Kausalitätsproblem und die Täter- Bd. IV. Strafrecht, Strafprozeßrecht (zit.: BGH-Festgabe), 2000
schaft im Falle rechtswidriger Kollegialentscheidungen, Roxin-Festschrift, 2001, Roxin, Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in der höchstrichterlichen Recht-
307-330 sprechung, in: Roxin/Widmaier (Hrsg.), BGH-Festgabe, 2000, 177-198
Rogall, Bewältigung von Systemkriminalität, in: Roxin/Widmaier (Hrsg.), BGH-Fest- Roxin, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, NJW-Sonderheft Schäfer
gabe, 2000,383-438 2002, 52-57
Roso Canadillas, Autoria y participaciön imprudente, 2002 Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band II, Besondere Erscheinungsformen der Straftat,
Rotsch, Individuelle Haftung in Großunternehmen, 1998 2003 (zit.: AT/2, 2003)
Rotsch, Die Rechtsfigur des Täters hinter dem Täter bei der Begehung von Straftaten im Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1, 4. Aufl., 2006 (zit.: AT/1 4 , 2006)
Rahmen organisatorischer Machtapparate und ihre Übertragbarkeit auf wirtschaftliche Roxin, Organisationsherrschaft und Tatentschlossenheit, Fr.-Chr. Schroeder-Festschrift
Organisationsstrukturen, NStZ 1998, 491 -495
2006, 385-398.
Rotsch, Unternehmen, Umwelt und Strafrecht - Ätiologie einer Misere (Teil 1), wistra
1999, 321-327 Rudolphi, Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der
Rotsch, Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft, ZStW 112 (2000), 518-562 Gedanke der Ingerenz, 1966
Rotsch, Neues zur Organisationsherrschaft, NStZ 2005, 13-18 Rudolphi, Strafbarkeit der Beteiligung an den Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr,
Roxin, Straftaten im Rahmen organisatorischer Machtapparate, GA 1963, 193-207 GA 1970, 353-367
Roxin, Zur Dogmatik der Teilnahmelehre im Strafrecht, JZ 1966, 293-299 Rudolphi, Zum Wesen der Rechtsbeugung, ZStW 82 (1970), 610-632
Roxin, Besprechung von Fr.-Chr. Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, ZStW 78 (1966), Rudolphi, Zur Tatbestandsbezogenheit des Tatherrschaftsbegriffs bei der Mittäterschaft,
222-234 Bockelmann-Festschrift, 1979, 369-387
Roxin, Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht, Honig-Festschrift, Rudolphi, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 3.11.1993, NStZ 1994, 433-436
1970, 133-151 Samson, Strafrecht I, 7. Aufl., 1988
Sänchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, 1999 (zit.: Pflichtdelikt)
Sax, Dogmatische Streifzüge durch den Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetz-
782 783

buches nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission, ZStW 69 (1957), Sering, Beihilfe durch Unterlassen, 2000
412-440 Simson/Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte, 1969
Sax, Der Bundesgerichtshof und die Täterlehre, JZ 1963, 329-338 Sippel, Mittelbare Täterschaft bei deliktisch handelndem Werkzeug, NJW 1983,
Schaal, Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Gremienentscheidungen in Unternehmen, 2226-2229
2001 Sippel, Anmerkung zu BGHSt 32, 38 f., NStZ 1984, 357-358
Schaffstein, Der Täter hinter dem Täter bei vermeidbarem Verbotsirrtum und verminder- Sippel, Nochmals: Mittelbare Täterschaft bei deliktisch handelndem Werkzeug, NJW
ter Schuldfähigkeit des Tatmittlers, NStZ 1989, 153-158 1984, 1866
Schall, Auslegungsfragen des §179 StGB und das Problem der eigenhändigen Delikte, JuS Sippel, Nochmals: Mittelbare Täterschaft bei deliktisch handelndem Werkzeug, JA 1984,
1979, 104-110 480-481
Schild, Täterschaft als Tatherrschaft, 1994 (zit.: Täterschaft) Sofos, Mehrfachkausalität beim Tun und Unterlassen, 1999
Schilling, Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters, 1975 Sowada, Strafbares Unterlassen des behandelnden Arztes, der seinen Patienten nach
Schilling, Abschied vom Teilnahmeargument bei der Mitwirkung zur Selbsttötung, JZ einem Selbstmordversuch bewußtlos auffindet?, Jura 1985, 75-88
1979, 159-167 Sowada, Täterschaft und Teilnahme beim Unterlassungsdelikt, Jura 1986, 399-410
Schlösser, Soziale Tatherrschaft, 2004 Spendel, Zur Kritik an der subjektiven Versuchs- und Teilnahmetheorie, JuS 1969,
Schmidhäuser, Selbstmord und Beteiligung am Selbstmord in strafrechtlicher Sicht, Wel- 314-318
zel-Festschrift, 1974, 801-822 Spendel, Fahrlässige Teilnahme an Selbst- und Fremdtötung, JuS 1974, 749-756
Schmidhäuser, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 1975 Spendel, Der „Täter hinter dem Täter" - eine notwendige Rechtsfigur?, Lange-Fest-
Schmidhäuser, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch, 2. Aufl., 1984 (zit.: StuB) schrift, 1976, 147-171
Schmidhäuser, Anmerkung zu BGHSt 32, 38 f., JZ 1984,195-196 Spendel, Zum Begriff der Täterschaft, Lüderssen-Festschrift, 2002, 605-611
Schmidhäuser, „Tatherrschaft" als Deckname der ganzheitlichen Abgrenzung von Täter- Spiegel, Nochmals: Mittelbare Täterschaft bei deliktisch handelndem Werkzeug, NJW
schaft und Teilnahme im Strafrecht, Stree/Wessels-Festschrift, 1993, 343-363 1984,110-111
Schmitt, R., Der Arzt und sein lebensmüder Patient, JZ 1984, 866-869 Spiegel, Nochmals: Mittelbare Täterschaft bei deliktisch handelndem Werkzeug, NJW
Schmitz, Unrecht und Zeit, 2001 1984, 1867
Schöneborn, Kombiniertes Teilnahme- und Einheitstätersystem für das Strafrecht, ZStW Stein, Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, 1988 (zit.: Beteiligungsformenlehre)
87(1975), 902-924 Stein, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 15.1.1991, StrV 1993, 411-414
Schönke/Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch. Darin: Cramer/Heine, Vorbemer- Stoffers, Mittäterschaft und Versuchsbeginn, MDR 1989, 208-213
kungen zu den §§ 25 ff., 25; 26. Aufl., 2001 (zit.: Sch/Sch/Cramer/Heine 26 ) Stratenwerth, Strafrecht, Allgemeiner Teil I, Die Straftat, 1. Aufl., 1971, 3. Aufl., 1981
Schroeder, Fr.-Chr., Der Täter hinter dem Täter. Ein Beitrag zur Lehre von der mittel- Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht AT I, Die Straftat, 2. Aufl., 1996
baren Täterschaft, 1965 Stratenwerth, Gibt es eigenhändige Delikte?, SchwZSt 115 (1997), 86-93
Schroeder, Fr.-Chr., Der Sprung des Täters hinter den Täter aus der Theorie in die Praxis, Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht, Allgemeiner Teil I, Die Straftat, 5. Aufl., 2004
JR1995, 177-180 Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Hrsg. Rudolphi/Horn/Samson/
Schroth, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 3.9.2002, JZ 2003, 215-216 Günther/Hoyer/Wolters (zit.: SK). Darin: Hoyer, Vorbemerkungen vor § 25, § 25, vor
Schubarth, Eigenhändiges Delikt und mittelbare Täterschaft, SchwZSt 114 (1996), § 26; 7. Aufl., 2000; Rudolphi, vor § 13, 2000; § 16, 2002
325-337 Teubner, Mittelbare Täterschaft bei deliktisch handelndem Werkzeug, JA 1984, 144-145
Schubarth, Binnenstrafrechtsdogmatik und ihre Grenzen, ZStW 116 (1998), 827-847 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969
Schulz, Die mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft - eine notwendige Tiedemann, Die Regelung von Täterschaft und Teilnahme im europäischen Strafrecht -
Rechtsfortbildung?, JuS 1997, 109-113 Stand, Harmonisierungstendenzen und Modellvorschläge, Nishihara-Festschrift, 1998,
Schumann, Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung 496-512
der Anderen, 1986 (zit.: Selbstverantwortung) Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 53. Aufl., 2006
Schumann, Rezension des Buches „Produkthaftung, Band I: Strafrecht, 1988, von Urban, Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft, 2004
Schmid/Salzer", StrV 1994, 106-111 Valdägua, Versuchsbeginn des Mittäters bei den Herrschaftsdelikten, ZStW 98 (1986),
Schünemann, Unternehmenskriminalität und Straf recht, 1979 839-873
Schünemann, Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft nach der Strafrechtsreform im Verrel, Selbstbestimmungsrecht contra Lebensschutz, JZ 1996, 224-231
Spiegel des Leipziger Kommentars und des Wiener Kommentars, GA 1986, 293-352 Vest, Humanitätsverbrechen - Herausforderung für das Individualstrafrecht?, ZStW 113
Schünemann (Hrsg.), Bausteine des europäischen Strafrechts, Coimbra Symposium für (2001), 457-498
Roxin (zit.: Coimbra-Symposium), 1995 Vogel, Individuelle Verantwortung im Völkerstrafrecht. Zugleich ein Beitrag zu den
Schünemann, Unternehmenskriminalität, in: Roxin/Widmaier (Hrsg.), BGH-Festgabe, Regelungsmodellen der Beteiligung, ZStW 114 (2002), 403-436
2000,621-646 Volk, Tendenzen zur Einheitstäterschaft. Die verborgene Macht des Einheitstäterbegriffs,
Schwab, Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen, 1996 Roxin-Festschrift, 2001, 563-573
Seelmann, Mittäterschaft im Strafrecht, JuS 1980, 571-574 Wagner, Amtsverbrechen, 1975
Seier, Der Einheitstäter im Strafrecht und im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Teil 1, Weber, Der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts, 1976
JA 1990, 342-346; Teil 2, JA 1990, 382-385 Weidemann, Zollhinterziehung in mittelbarer Täterschaft?, wistra 2003, 241-244
784

Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme bei der strafrechtlichen Würdigung


pflichtwidriger Kollegialentscheidungen, 1995
Weißer, Gibt es eine fahrlässige Mittäterschaft?, JZ 1998, 230-239
Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl., 1969
Wessels, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., 1974
Wessels/Beulke, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Die Straftat und ihr Aufbau, 35. Aufl., 2005
Wessels/Hettinger, Strafrecht, Besonderer Teil/1, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Paragraphenverzeichnis
Gemeinschaftswerte, 22. Aufl., 1999
Wiegmann, Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe - BGHSt 38, 315, JuS 1993, Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten, hochgestellte Zahlen auf die Fußnoten.
1003-1006 Hauptfundstellen sind durch kursiven Druck hervorgehoben. Der Zusatz „a. F." deutet
Winkler, Verbrechen und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, NStZ 1999, an, daß der genannte Paragraph wesentlich geändert oder aufgehoben wurde; der Zusatz
232-235 „n. F." besagt, daß der angegebene Paragraph in der neuesten Fassung zitiert ist.
Wittek, Der Betreiber im Umweltstrafrecht. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von den
Pflichtdelikten, 2004 A. Paragraphen des Strafgesetzbuches
Woelk, Täterschaft bei zweiaktigen Delikten - Am Beispiel des § 307 Nr. 3 StGB, 1994
Wohlers, Trunkenheitsfahrten als eigenhändige Delikte, SchwZSt 116 (1998), 95-111 §13 573 f., 748, 752, 754, 756 f. §53a. F. 164 f., 167 ff.
Wüllenkemper, Probleme der Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft in Partei- §16 554,586 § 54 a. F. 131, 135, 142,149-53, 155 f.,
spendenfällen, wistra 1989, 46-52 §17 552,602,651,699 159, 167 ff, 175, 177,208,211,
Zieschang, Mittäterschaft bei bloßer Mitwirkung im Vorbereitungsstadium?, ZStW 107 § 19 693 226, 230, 23510, 236, 333, 534
(1995), 361-381 § 20 586, 695 § 96 a. F. 392
Zimmerl, Zur Lehre vom Tatbestand, 1928 §21 602, 651, 683, 694 f., 695 § 122 a. F. 98
§ 25 546, 5486, 549, 551 f., 559, 560 f., § 123 407, 759
576 f., 580, 600, 603, 606, 636, 648, §125 588 f.
651 f., 665 f., 673, 676 f., 679, 696541, § 128 a. F. 2434
710, 723, 735 §129 2434,299, 732
§ 26 546, 552-555, 556 ff., 561, 618, 652, §129aa. F. 2434
669, 732 § 130 392
§ 27 546, 552-555, 556 ff., 647, 650, §132 400, 408f.
652 f., 669 § 133 a. F. 345 f.
§ 28 546, 739752 § 138 a. F. 525
§ 29 546, 553 § 142 761
§ 30 546, 583, 611, 613, 727, 736, 739752 § 142 a. F. 369-76, 385, 395, 398
§31 546 § 143 a. F. 507
§ 34 691 f. § 146 346
§ 35 552, 564, 586, 602, 663, 669, 684, § 147 346
685 ff, 692, 693, 695, 714, 732 §153 394,400,480,759,760
§ 46 596 § 154 394, 400f., 480, 524, 759, 760
§ 47 a. F. 1, 26,37,276f, 340, 539,546, §156 394,400,480,759,760
560 f. §160 1020, 376,394f.
§ 48 a. F. 1, 26, 203, 217f., 329, 493, 512, §164 267
517,561 § 166 a. F. 392
§ 49 a. F. 1,18, 26, 302, 329, 358, 464, § 168 19
493, 647 § 170 a. F. 384
§ 49 n. F. 647, 650 §170aa. F. 384,435,440
§49aa. F. 265, 269f, 273f., 451 §170ba. F. 354,357,384,396
§ 50 a. F. 220, 289, 346, 362 f, 412, 425, §170c 114,384,435
436,438, 451 50 §170da. F. 384,395,435
§51a. F. 70, 156,234f.,237f. § 171a. F. 384,427-28
§ 52 a. F. 70, 131, 133, 135,143-49, 151, § 172 a. F. 384, 400, 402, 427f, 433
155 f., 158-63, 167ff., 211,226, § 173 a. F. 10,400ff,413ff,418f,
230, 337, 352, 363, 370, 374, 421-24,433
399, 443, 513, 520 f., 534 §173n. F. 758
786
§ 174 a. F. 385,400,418 §271 376f.
§ 175 a. F. 29, 400, 413ff., 418 f., 433, 479 § 272 a. F. 377
§ 175 a a. F. 385,400,4/Ä § 273 a. F. 377
§ 175b a. F. 399f., 413 ff, 418f., 433 § 288 385, 44741
§ 1761, Ziff. 1 a. F. 100, 281, 400, 404, §292 350, 351 f., 482
417ff., 480 § 298 a. F. 395
§ 1761, Ziff. 2 a. F. 400, 403 f., 417ff. § 300 a. F. 353, 368-76, 397
§1761, Ziff. 3 a. F. 303,418 §303 176,691
§ 177 a. F. 403f.,416ff., 480 § 306 a. F. 35, 504
§177 576, 579, 593 f. § 315a I, Ziff. 4a a. F. 435, 437f.
§179n. F. 593 §315c 761
§ 180a. F. 4W\416 §316 761
§181 a. F. 385 §323a 760
§ 181a a. F. 410ff, 433 §323c 681 467
§ 182 a. F. 418f. § 324 745
§ 183 a. F. 418f. §326 609,618
§ 184 a. F. 418 § 327 749
§184ba. F. 418 § 330 a. F. 395
§185 \U, 388-92 §330aa. F. 430-32
§ 186 392 § 330c a. F. 510, 514ff., 518f, 521 ff., 525
§187 200,392 § 331 a. F. 397
§ 189 392 § 332 a. F. 397
§ 203 554, 742 § 336 a. F. 401 f., 428-30, 433
§ 211 10, 213, 219, 267, 435, 486, 521, 589, § 340 353, 362, 460, 484, 744
647, 650, 756 §343 352f., 355, 364,370, 744
§212 47,72,139, 158, 176f., 213f., 219f., § 347 a. F. 358, 460,469ff, 493
329, 435f., 461, 46518, 467, 473ff., §3481 253,357,361
486, 511, 521, 526, 539, 572, 690507, § 34811a. F. 362 f.
756 § 350 a. F. 363
§213 521,552 § 354 a. F. 358 ff.
§ 216 56, 566-71, 56879, 571 88 , 590, 689 ff., § 356 460, 524
690506
§357 717,754833
§221 385 §360 Ziff. 8 a. F. 395
§223 176,217,363,484 § 361 Ziff. 3 a. F. 400, 404, 410ff, 433
§223ba. F. 200,385,434 §361 Ziff. 4 a. F. 41255
§ 224 '624 § 361 Ziff. 5 a. F. 400, 410ff, 433
§ 226 a. F. 592 § 366 a. F. 407
§ 229 a. F. 35
§240 114,159,161,691
B. Paragraphen anderer Gesetze
§ 242 72, 291, 339-47, 349, 360, 482, 584, §29 BtMG 5474, 626 ff.
718f. §30 BtMG 633, 634 ff.
§243' 13910, 291, 327, 340, 409 §110 BGB 241 29
§ 246 347-50,353f., 363,384,386f., 482, 718 §112 BGB 241 29
§ 249 289, 583, 674 §123 BGB 690
§ 250 583 §138 BGB 689503
§ 253 200, 577 §157 BGB 283
§257 346 §242 BGB 114
§259 350f. §709 BGB 279
§263 56,377f.,445 §826 BGB 114
§ 266 353, 355f., 360f., 377f., 384, 395, §81a GmbHG 356 f.
401, 470, 493, 626, 745, 747, 749809 Art. 1 GG 114
§ 267 362 §1 GVG 574
Verzeichnis höchstrichterlicher Entscheidungen
In das Verzeichnis sind nur solche Entscheidungen aufgenommen, die nach 1945 ergangen
und im Text jiäher erörtert worden sind.

A. Bundesgerichtshof

1. Amtliche Sammlung 9, 203-22 3. Sen. 12. 1. 1956 356f., 449


9, 370-85 2. Sen. 6. 7. 1956 99,308,
1,182-183 l.Sen. 8. 5. 1951 359 314, 552 25
1, 368-72 2. Sen. 9. 11. 1951 213,219 10,247-52 5. Sen. 7. 5. 1957 432
2, 150-57 1. Sen. 12. 2. 1952 91 f, 101, 10,294-304 l.Sen. 7. 12. 1956 430
313,315, 11,268-72 4. Sen. 23. 1. 1958 100f.,
463, 473, 286 f.,
490ff, 311 f.
573, 589140 13, 13-15 5. Sen. 24. 2. 1959 17755,
2, 223-26 1. Sen. 1. 4. 1952 213 232121
2, 262-69 3. Sen. 13. 3. 1952 351 13,162-69 4. Sen. 15. 5. 1959 101 f.,
2,317-20 2. Sen. 22. 4. 1952 349, 386f. 314f., 473,
2, 344-48 3. Sen. 24. 4. 1952 289 ff., 491f,
592i46 5 8 9 HO

2, 355-58 3. Sen. 30. 4. 1952 351 14, 123-32 4. Sen. 3. 2.1960 103,294,
3, 4-7 1. Sen. 10. 6. 1952 28 12 ,29 19 308 f.
3,110-29 1. Sen. 8. 7. 1952 231 138 15, 132-34 2. Sen. 24. 8. 1960 403,417ff
4, 236-44 3. Sen. 23. 4. 1953 348 16, 12-15 4. Sen. 10. 3. 1961 104f.,
4, 270-75 2. Sen. 3. 7. 1953 230133 294, 300,
4, 355-60 4. Sen. 1. 10. 1953 19461, 314, 55954
368ff, 373 16,120-22 5. Sen. 20. 6.1961 201 f.
55429 17, 87-94 4. Sen. 12. 1. 1962 343f., 348
5, 47-52 4. Sen. 22. 10. 1953 368 18, 87-96 3. Sen. 19. 10. 1962 10552,
5, 371-77 l.Sen. 5. 3. 1954 209" 128 f.,
6, 147-55 Gr.Sen.10. 3. 1954 474 243 ff.,
6, 226-29 2. Sen. 25. 6. 1954 56,403, 247, 563 ff,
416f., 600, 647
758846 19, 135-40 2. Sen. 14. 8.1963 566 ff.
6,248-51 4. Sen. 8. 7. 1954 286 29 27,205-07 1. Sen. 7. 6. 1977 579f.
6, 329-33 4. Sen. 14. 10. 1954 219 116 28, 346-49 l.Sen. 13. 3. 1979 580f.
8, 70-75 2. Sen. 21. 6. 1955 94f., 98 25 , 30, 363-66 4. Sen. 26. 1. 1982 582 ff.
1295, 314f. 32, 38-43 l.Sen. 5. 7. 1983 585ff,
8, 390-92 5. Sen. 10. 1.1956 96,315 688 499
8, 393-99 5. Sen. 10. 1. 1956 2 , 5 ,40 1 7 , 32, 165-83 3. Sen. 23. 11. 1983 588 f.
5519%5633, 32, 367-81 3. Sen. 4. 7. 1984 589 ff.
96-98,103, 34, 124-27 5. Sen. 24. 6. 1986 633
1294, 1307, 35, 347-56 4. Sen. 15. 9.1988 602ff.,612,
137',308, 696541,
310,315, 699555
3204, 322, 37, 289-294 5. Sen. 15. 1. 1991 606 ff., 610
506, 568, 38, 32-36 l.Sen. 11. 7. 1991 635
573, 600 f. 38,315-320 3. Sen. 22. 7. 1992 636 f.
9,119-21 2. Sen. 13. 4. 1956 98 f. 39, 381-390 2. Sen. 3. 11. 1993 609
790 791

40,218-240 5. Sen. 26. 7.1994 56362, JR1960, 104f. N J W 1961, 1031-33 NStZ 1993, 138
610ff.,620, 5. Sen. 10.11.1959 384 87 3. Sen. 6.3. 1961 416 3. Sen. 14.10.1992 638
623, 644, JZ 1981, 596 N J W 1961, 1936 NStZ 1993, 444
705,711 l.Sen. 16.12.1980 592146 5. Sen. 20.6. 1961 201 f. 3. Sen. 23.4. 1993 639
40,257-272 1. Sen. 13. 9.1994 612 f., 716 N J W 1962, 2165 f. NStZ 1994,92
1994 613 f.
40, 299-304 4. Sen. 25. 10. L.-M. Nr. 10 vor §47 4. Sen. 6.7. 1962 438 2. Sen. 29.9. 1993 639
40, 307-324 3. Sen. 3.11.1994 614 f. l.Sen. 24.6. 1955 95f.,490f. N J W 1966, 1763 NStZ 1995, 122
41, 187-198 Gr. Sen. 25. 7. 1995 718 L.-M. Nr. 3 zu § 176 Abs 1, Ziff. 1 5. Sen. 5.7. 1966 572 f., 595 l.Sen. 18. 1. 1994 610
45, 270-307 5. Sen. 8.11. 1999 620,623 4. Sen. 28.10.1954 281,417ff. N J W 1968, 1339 f. NStZ 1995, 285 f.
48, 77-100 5. Sen. 6. 11. 2002 623 f. L.-M. Nr. 4 zu § 176 Abs. 1, Ziff. 1 5. Sen. 30.4. 1968 574 f. 2. Sen. 15.2. 1995 615
49, 147-166 5. Sen. 13. 5. 2004 626 2. Sen. 24.8. 1960 403,4/7//". N J W 1979, 1259 NStZ 1997,544
3. Sen. 4. 10. 1978627 2. Sen. 6.6. 1997 618
2. BGHR MDR 1953, 400f. (mitgeteilt von Dallinger) N J W 1995, 2933-37 NStZ 1999, 234 (mitgeteilt von Winkler)
l.Sen. 16.4. 1953 92,314 2. Sen. 19.7. 1995 615 f. 3. Sen. 12.8. 1998 642
StGB § 25 Abs. 1, Begehung, eigen- MDR 1954, 529f. (mitgeteilt von Herlan) N J W 1999, 2449 NStZ 1999,451
händige, 3 5. Sen. 15.6.1954 40' 7 , 92f., 96"6, 97 5. Sen. 21.4. 1999 620, 621 4. Sen. 27. 4. 1999 640
l.Sen. 17.9. 1993 5474 1296,30/'ff., 314 N J W 1999, 3131 f. NStZ 1999, 609
StGB § 25 Abs. 2, Mittäter, 16 M D R 1955, 244 4. Sen. 22. 7. 1999620 5. Sen. 15.7. 1999 620
3. Sen. 23. 3. 1994 644282 4. Sen. 28.10.1954 281, 417ff., 56260 NStZ 1981, 394 NStZ 2000, 482f.
StGB § 25 Abs. 2, Mittäter, 18 M D R 1955, 307 f. l.Sen. 21.7. 1981 628 3. Sen. 10.5.2000 641
2. Sen. 1.2. 1995 644282 4. Sen. 10.2. 1955 411 NStZ 1982,27 NStZ 2002, 145 f.
StGB § 25 Abs. 2, Mittäter, 19 MDR 1958, 139 (mitgeteilt von Dallinger) 5. Sen. 15.9. 1981 582 l.Sen. 7. 11.2001 621
3. Sen. 7. 7. 1995 644282 5.Sen. 10.1.1958 99f, 281 20h ,315, NStZ 1982, 243 NStZ 2002, 280 f.
StGB § 25 Abs. 2, Mittäter, 28 417ff. l.Sen. 25.3. 1982 629 3. Sen. 14.11.2001 621
3. Sen. 12.2. 1997 644282 MDR 1958, 139f. (mitgeteilt v. Dallinger) NStZ 1984, 413 f. NStZ 2002, 482
StGB § 25 Abs. 2, Mittäter, 29 5. Sen. 8.10. 1957 17715 l.Sen. 15. 5. 1984630 f. 3. Sen. 3.4.2002 621
3. Sen. 19. 2. 1997 724672 MDR 1960, 939 f. NStZ 1984, 548 f. NStZ 2003, 85
StGB § 25 Abs. 2, Tatinteresse, 5 5. Sen. 5. 7. 1960 103f., 308,313, 473, l.Sen. 7.8. 1984 592 l.Sen. 26.6.2002 622
2. Sen. 19.2. 1997 617 f., 644282 492, 589 H0 NStZ 1985, 70 f. NStZ 2003, 90 f.
StGB § 27 Abs. 1, Unterlassen, 6 MDR 1973, 17 (mitgeteilt von Dallinger) 4 Sen. 2. 10. 1984 593 2. Sen. 14.8.2002 642
5. Sen. 19. 12. 1997 750816 4. Sen. 3. 10. 1972 575 NStZ 1985, 71 f. NStZ 2003, 253 f.
BtMG § 29 Abs. 1, Nr. 1, Einfuhr, 34 MDR 1973, 729 (mitgeteilt von Dallinger) 3. Sen. 10.10.1984 593 f. 3. Sen. 17.10.2002 622 f.
3. Sen. 25. 5. 1994 5474 2. Sen. 4. 4. 1973 576f. NStZ 1985, 165 NStZ 2003, 537
BtMG § 29 Abs. 1, Nr. 1, Einfuhr, 36 MDR 1974, 547 (mitgeteilt von Dallinger) l.Sen. 6. 11. 1984 594 f. 5. Sen. 20. 5. 2003 624 f.
3. Sen. 12. 8. 1998 642 l.Sen. 12.3. 1974 577 f., 601 NStZ 1987, 224 f. NStZ 2003, 662 f.
MDR 1981, 631 f. (mitgeteilt von Holtz) 3. Sen. 26.11.1986 5474, 600 f. 4. Sen. 20. 3. 2003 624
3. Andere Fundstellen 2. Sen. 4.3. 1981 581 NStZ 1987, 233 NStZ 2004, 551 (mitgeteilt von Achenbach)
MDR 1984, 626 (mitgeteilt von Holtz) l.Sen. 22. 1. 1987 633 f. 4. Sen. 25.11.2003 626
GA1963, 187f. 4. Sen. 29.3. 1984 644284 NStZ 1987,364 NStZ 2005, 228
4. Sen. 15.6. 1962 559ff. 2. Sen. 6.2. 1987 601 4. Sen. 22.6.2004 641
G A 1977,306 NJW 1951, 120f. NStZ 1987, 365 f. NStZ 2005, 229
l.Sen. 17.3. 1977 578f. 3. Sen. 21.11.1950 90,982\314 l.Sen. 25.11.1986 57188 2. Sen. 1.9.2004 642
G A 1984, 287f. NJW 1951, 323 NStZ 1988, 127 NStZ 2005, 229 f.
l.Sen. 9.2. 1984 589 4. Sen. 13.2. 1951 91, 98 25 , 1295 314 2. Sen. 8.7. 1987 591 4. Sen. 28.10.2004 641
G A 1986, 508 f. NJW 1951, 810 NStZ 1988, 507 NStZ-RR1999,24
5. Sen. 3. 12. 1985 596ff. 2. Sen. 22.6. 1951 414 2. Sen. 1.7. 1988 634 l.Sen. 27.8. 1998 641
NJW 1952, 963 (mitgeteilt von Hoff mann) NStZ 1990, 80 f. NStZ-RR2000,278f.
JR 1955, 104 f. l.Sen. 8.5. 1951 359 3. Sen. 6. 10. 1989605 3. Sen. 26. 4. 2000 640
l.Sen. 2. 9. 1954 490 f. NJW 1953, 1838 f. NStZ 1991,91 NStZ-RR 2000, 312
JR1955, 304f. 5. Sen. 27.10.1953 489 4. Sen. 16.10.1990 634 f. l.Sen. 2.5.2000 640
5. Sen. 17.5.1955 4017, 93f.,96f., NJW 1954, 1295 NStZ 1993, 137f. NStZ-RR2001, 148f.
307ff., 315 l.Sen. 23.4. 1954 348 l.Sen. 13.10.1992 637 l.Sen. 21.11.2000 641
792

NStZ-RR 2003, 586 StrV 1995,197 f.


l.Sen. 9. 10.2002 641 4. Sen. 29.11.1994 639
NStZ-RR 2003, 309 StrV 1995, 198 f.
2. Sen. 4. 6. 2003 640 l.Sen. 15.12.1994 639
NStZ-RR2004,25f. StrV 1995, 624 f.
3. Sen. 22. 9. 2003 642 l.Sen. 4.7. 1995 639
NStZ-RR2004,40f. StrV 1996, 479ff.
2. Sen. 15.10.2003 625 5. Sen. 4. 3. 1996 616
StrV1981,275f. StrV 1997, 247
2. Sen. 25.3. 1981 627 f. 4. Sen. 4. 6. 1996 616 Sachverzeichnis zum Hauptteil
StrV 1982,17 StrV 1997,411
2. Sen. 18.9. 1981 628 4. Sen. 9. 1. 1997 617 Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten, hochgestellte Zahlen auf die Fußnoten. Bei häufig
StrV 1983, 461 StrV 1998, 540 f. vorkommenden Stichworten sind nur die wichtigeren Fundstellen angegeben. Die Haupt-
2. Sen. 6.7. 1983 629 f. 5. Sen. 20.1.1998 619 fundstellen sind zudem durch kursiven Druck hervorgehoben.
StrV 1983, 501 StrV 1999,317
l.Sen. 19.5. 1983 584 f. 4. Sen. 15.12.1998 620 Abhängigkeit, soziale Angriffsdelikte
StrV 1984, 286f. StrV 1999, 429 - u. Tatherrschaft 73, 76 Täterbegriff bei den - 445
2. Sen. 25. 1. 1984 630 l.Sen. 24.3. 1999 640 - u. Täterwille 93 „Anheimstellen" als Abgrenzungskriteri-
StrV 1985, 14 StrV 2000, 619 Ablaufs- und Hemmungsmacht um (s. auch Willensunterordnung)
1. Sen. 5. 7. 1984 631 l.Sen. 29.2.2000 641 s. Hemmungs- u. Ablaufsmacht - bei Bockelmann 83 f.
StrV 1985, 106 f. StrV 2002,421 f. Abstiften s. Anstiftung - bei der Dolustheorie 52ff, 196, 281,
3. Sen. 26.10.1984 631 f. 2. Sen. 31.10.2001 622 Abstraktion des Täterbegriffs 121, 532 314f.
StrV 1986, 59 f. StrV 2004, 604 Abwesenheit vom Tatort - in Nieses Tatherrschaftslehre 77 f.
3. Sen. 23.10.1985 595f., 750816 2. Sen. 13.2.2004 640 Mittäterschaft bei - 280 - in der Rspr. des BGH 92, 97, 104,
StrV 1986, 384 StrV 2005, 555 accessory before the fact 42 314f
2. Sen. 29. 1. 1986 632 f. 2. Sen. 15.7.2005 640 Adäquanz - bei der Täterschaft durch Unterlassen
StrV 1986, 475 wistral989, 346 f. - bei den Pflichtdelikten 457 94 ff.
l.Sen. 20.5. 1986 599 f. 2. Sen. 16. 6. 1989 604 - u. Tatherrschaft 62, 64, 71 f., 75, 81, - u. Tatherrschaft 314f., 323
StrV 1992, 579f. wistra 1992,181 ff. 456-57 animus auctoris (s. auch subj. Theorie)
4. Sen. 31.3.1992 635 f. 3. Sen. 8. 1. 1992 608 - als allg. Zurechnungskriterium 457 - u. maßgeblicher Einfluß auf Hergang
StrV 1993, 474 wistra 1998, 148 ff. Aktverbrechen und Erfolg der Tat 93 f.
4. Sen. 4. 3. 1993 639 4. Sen. 11.12.1997 618 f. Teilnahme durch Unterlassen bei - normative Ermittlung des - 97
StrV 1994, 22 wistra 2000,270 ff. 494 f. - in der Rspr. des BGH 91 ff.
4. Sen. 18.8. 1992 638 l.Sen. 28.3.2000 620 f. Akzessorietät (s. auch Teilnahme) - in der Rspr. des RG 65, 90, 351
StrV 1994, 22 wistra 2001, 217f. - bei den eigenh. Delikten 420-27 - u. soziale Überlegenheit 93
l.Sen. 25.2. 1993 638 l.Sen. 13.2.2001 621 - u. formal-obj. Theorie 36 - als Täterkriterium 88 f.
StrV 1994, 241 f. wistra 2001, 420f. - u. Handlungsbegriff 425 - u. Tatherrschaftsgedanke 80, 85
l.Sen. 23.11.1993 609 5. Sen. 26. 6. 2001 621 f. - bei den Herrschaftsdelikten 365-67 - als Wille zur Tatherrschaft 87, 90, 99
StrV 1994, 422 f. wistra 2003, 100 ff. - bei Notstandstaten 135 f. animus domini
3. Sen. 30. 3. 1994 638 5. Sen. 24.10.2002 623 - bei den Pflichtdelikten 364,367-79 - als Täterkriterium 63, 65
- u. System- u. Problemdenken 425 Animustheorie
- bei unvors. Haupttat 99, 179, 207 s. Dolustheorie u. subjektive Theorie
Amtsanmaßung (§ 132 StGB) Anstiftung (s. auch Teilnahme)
- kein eigenh. Delikt 408 f. - des nötigenden Hintermannes?
Amtsdelikte (s. auch Pflichtdelikte) 145 f.
- als Pflichtdelikte 353 ff., 384, 624f. - bei den Pflichtdelikten 363 f.
qualifikationsloses, doloses Werkzeug - nach Welzels Tatherrschaftslehre 69
b e i - 361 - als Strafausdehnungsgrund 328
Tatherrschaft bei - 74, 77 - als Strafeinschränkungsgrund 328
anglo-amerikanischer Rechtskreis Anstiftung zur Unterlassung 510-25
formal-obj. Theorie im - 34 (s. auch Teilnahme)
Gleichzeitigkeitstheorie im - 42 - als Abstiften 5/2/., 516
794 795

- als Begehungstäterschaft? 518-25 Begriff Blutschande (§173 a. F. StGB) - bei eigenh. Delikten 409
a) nach Armin Kaufmann u. abstrakter- 532 ff. - als eigenh. Delikt? 413ff., 423f. - u. formal-obj. Theorie 54
Welzel 518-20 deskriptiver - s. deskriptiver Begriff - als Herrschaftsdelikt? 422ff. - u. gemischte Theorien 57f.
b) Tatherrschaftserfordernis als täter- fixierter - 199ff., 532 ff., 539, 543 mittelbare Täterschaft bei - 10 - u. Gleichzeitigkeitstheorie 54
schaftsausschl. Faktor 520-21 Grenzbereich des - 23 f. - als Pflichtdelikt? 422ff. - u. Interessentheorie 56f.
c) Undurchführbarkeit der Begehungs- - mit fließendem Inhalt 144 ff. Brieföffnung d. Postbeamte (§354 a. F. - u. Lehre von der phys. Kausalität 54
täterlösung 521-23 - mit vorrechtlich geformtem Inhalt StGB) Mittäterschaft nach der - 53, 294, 301,
d) Strafbarkeitslücken der Begehungs- 114 ff. Mittäterschaft bei - 358ff. 310,350
täterlösung 524-25 Kern des - 24 - als Pflichtdelikt 358 ff. - in der Rspr. des BGH 55, 91 ff.,
Kausalität der - 519 konkreter - 529ff., 532 ff., 535, 543 Bundesgerichtshof s. Rechtsprechung 94f., 97, 99, 101 ff., 288, 490ff.
- bei den Pflichtdelikten 524 offener- 122-26 - in der Rspr. des RG 53 ff.
Strafwürdigkeit der - 516-18 a) - u. beschreibendes Verfahren concursus antecedens, concomitans u. - u. Tatherrschaftslehre 53, 65, 68 f.,
- trotz fehlenden Unterlassungsvor- 123 f. subsequens 41 75, 78, 80, 83f., 87ff., 314f., 323
satzes 510-13 b) - u. Einbau von Regulativen 125 f. - bei Unterlassungen 490 ff.
Zufallsergebnisse bei Bejahung einer -? c) funktionelle Tatherrschaft als - Deduktion 22, 425, 528, 537 Dominanz als Abgrenzungskriterium
513-15 282-85 Definition des Tatherrschaftsbegriffs 50f., 63, 109
Anstiftung zu unvorsätzlicher Tat d) Organisationsherrschaft als - 251 f. 123 ff. dominium causae 45 f., 63
(s. auch Teilnahme) regulativer - 114 f., 117 f. Delikte mit subj. gefärbter Ausführungs- Doppelehe (§ 171 a. F. StGB)
- bei Irrtum über Tätervoraussetzungen unbestimmter - 108ff, 322, 542 handlung 389 - als Pflichtdelikt 427f.
207 Begriffs Jurisprudenz 122 ff. deliktsgruppenbezogene Täterbegriffe
Äquivalenztheorie 5, 8, 47 Begünstigung (§257 StGB) 445 f. Ehebruch (§172 a. F. StGB)
Arbeitsteilung absichtsloses doloses Werkzeug bei der - deskriptiver Begriff - als eigenh. Delikt 427f.
Mittäterschaft bei 67, 103, 280,300-02, 346 Tatherrschaft als - 321 Eichmann-Prozeß
311 Beihilfe (s. auch Teilnahme) Deszendenzmitwirksamkeit 47 Täterverhältnisse im - 246—48
Ausführungsstadium aktive - eines Pflichtigen als Unter- Diebstahl (§242 StGB) eigenhändige Delikte
Mittäterschaft durch Mitwirkung im - lassungsdelikt 499 ff. - u. das absichtslose dolose Werkzeug Abgrenzung von den Pflichtdelikten
275-92 - nach der Dolustheorie 52 ff. 339-47 422 f.
Abgrenzung vom Vorbereitungsstadium - bei eigenh. Tatausführung s. eigenh. Mittäterschaft beim - 343 Akzessorietät bei den - 420-27
302-05 Tatbestandsverwirklichung Täterschaft beim Unterlassen beim - - u. Animustheorie 409
Aussageerpressung (§343 StGB) - nach der Lehre von der phys. u. psych, 482 - u. extensiver Täterbegriff 3992)
Anstiftung zur - 370 verm. Kausalität 45 ff. dolus eventualis u. bew. Fahrlässigkeit extreme Akzessorietät bei - 425-27
Mittäterschaft bei - 355 f. - zu Organisationsverbrechen 249 „Einsetzen von Gegenfaktoren" als - u. formal-obj. Theorie 401
mittelbare Täterschaft bei - 352, 364 schuldlose - bei genötigter eigenh. Tat- Abgrenzungskriterium 184, 188 - nach der Intensitätstheorie 409 f.
- als Pflichtdelikt 352 bestandsverwirklichung 132 „Ernstnehmen" als Abgrenzungs- - nach der Körperbewegungstheorie
Täterschaft bei - 353 - als Strafausdehnungsgrund 328 kriterium 184, 187 f. 405-09, 433
Äußerungsdelikte 389 f. - als Strafeinschränkungsgrund 328 „Leichtsinn" als Abgrenzungskriterium Meinungsstand 67, 70, 73, 77, 390-402
- nach der Überordnungstheorie 49 f. 184, 187f. - in der Rspr. des BGH 416-20
Badewannenfall versuchte - eines Pflichtigen als Unter- „Rechnen mit" als Abgrenzungs- Sittlichkeitsdelikte als - 400, 416-20
- u. die Lehre -55 f., 76f., 8064, 81, 129, lassungsdelikt 498 f., 505 f. kriterium 185, 187f. Täterschaft bei versuchten - 455
259, 344 - zum Unterlassungsdelikt 525 f. „Vertrauen auf" als Abgrenzungs- täterstrafrechtliche Delikte als -
- u. Rspr. des BGH 96, 10552, 144 a) in Form psych. Unterstützung kriterium 185, 187f. 410-12
Bandefnchef 525 Wahrscheinlichkeit als Abgrenzungs- Tatherrschaft als Täterkriterium? 67,
- als Mittäter 70, 72, 280, 282, 298-300 b) durch Hilfe beim Rücktritt vom kriterium 185,224 73, 77, 399 ff.
Beamteneigenschaft Gebotserfüllungsversuch 525 dolus generalis reine Tätigkeitsdelikte als - 400, 405
- als Täterkriterium 352 Beleidigung (§185 StGB) - u. Willensherrschaft kraft Irrtums Teilnahme an unvors. Tat bei den -
Beeinflussung - als Pflichtdelikt 388-92 212,216 420-25
seelische - u. Willensherrschaft 156-58 Täterschaft bei der - 388-92 Dolustheorie (s. auch subj. Theorie) unechte -
Willens - u. Willensherrschaft 143f., Begehung durch Unterlassen bei der - „Anheimstellen" als Abgrenzungs- a) als Pflichtdelikte 392-95, 401
157,260 481 kriterium 52ff, 196, 314 f. b) als Fälle ausgeschl. Unterlassungs-
Befehl beschreibendes Verfahren Beihilfe nach der - 52 ff. täterschaft 480, 482
rechtswidrig bindender - u. Willensherr- - u. offener Begriff 123 f. Darstellung u. Kritik der - 52-55, 130, - als Fälle ausgeschl. Unterlassungs-
schaft 168 f. - u. Tatherrschaftsbegriff 321 152, 174, 196, 226, 244, 281, 391 täterschaft 479f., 482, 494
796 797

verhaltensgebundene Delikte ohne Erregung offentl. Ärgernisses (§ 183 a. F. - u. Tatherrschaftslehre 16,18,64,69, - als teleologische Täterlehre 11
Rechtsgüterverletzung als - 412-16 StGB) 71 f., 75,325 Frankreich
- nach der Wortlauttheorie 402-05, - als Herrschaftsdelikt 418 f. Finalität formal-obj. Theorie in - 34
A\7,433 error in objecto , ablaufsgestaltende - 186 Fungibilität des Ausführenden bei der
eigenhändige Tatbestandsverwirk- - u. Willensherrschaft kraft Irrtums ' - u. bew.'Fahrlässigkeit 181-89 Organisationsherrschaft 245 ff.
lichung 212 - u. erstrebte Handlungsfolgen 186 funktionelle Tatherrschaft 275-305
Bedeutung in der Rspr. des BGH 90 f., error in persona - u. Erfassung des sozialen Sinngehaltes (s. auch Mittäterschaft)
94, 96, 98 - eines Mittäters 286 f. 198 ff. - u. formal-obj. Theorie 323
Handlungsherrschaft durch - s. Hand- - u. Willensherrschaft kraft Irrtums - u. formal-obj. Theorie 35, 323 - u. Gleichzeitigkeitstheorie 324
lungsherrschaft 212, 213-16, 286 | Grade d e r - 198ff. - u. Hemmungs-u. Ablaufsmacht 311
genötigte - als schuldlose Beihilfe? 132 extensiver Täterbegriff - als Kriterium der Willensherrschaft in - u. Lehre von der phys. u. psych, ver-
- in der Lehre 81,84, 88 f. Darstellung u. Kritik des - 28ff., 141, den Irrtumsfällen 172f., 319 mittelten Kausalität 325
- u. Tatherrschaftswille 94, 128, 130 158, 165,264, 520, 534f. - u. Lehre von der phys. u. psych, ver- Mittäterschaft als - 277-82, 349, 352,
Einfluß s. Beeinflussung - bei den eigenh. Delikten 3992 mittelten Kausalität 46 527
Eingriffsmöglichkeit als Unterlassungs- - bei den fahrl. Delikten 66 - u. sachlogische Strukturen 18 - als offener Begriff 282-85
herrschaft 463-65, 490 - u. gesetzl. Wertvorstellungen 28f. ' sinnsetzende - 232 - kein Kriterium der Mittäterschaft bei
Einheitstäterbegriff 2, 118,129, 451 - u. Kausalität 28 - u. Tatherrschaft 16, 64, 66ff, 71, 77, den Pflichtdelikten 355 f.
- bei fahrl. Delikten 66 - u. ontologische Täterlehren 24 82,319 - u. regulatives Prinzip 284
- u. kausale Täterlehre 5, 15 - u. personale Elemente 28 fixierter Begriff s. Begriff - u. subj. Theorie 323
- u. Lehre vom konkreten Ordnungs- - bei den Pflichtdelikten 361,379ff formal-objektive Theorie Struktur der - 275-77
denken 15 - Pflicht u. Herrschaft 380f. ) - im anglo-amerikanischen Rechtskreis
- u. teleologische Täterlehren 10,15 - u. sekundäre Täterbestimmung 29, 34 ganzheitliche Betrachtungsweise
- bei den Unterlassungsdelikten 468, 3284 Darstellung u. Kritik der - 34-38, 128, - der Kieler Schule 13
493 - u. subj. Theorie 28, 361 130, 132, 141,276,332,446 - u. Täterbegriff 129,532,534
Einsteigediebstahl - u. Tatherrschaftslehre 28, 63, 380, - u. Dolus-Theorie 54 - u. Tatherrschaft 108 ff., 111 f., 118,
- als eigenh. Delikt 13910, 409 520 - bei den eigenh. Delikten 401 320
Einzelfallgerechtigkeit u. Rechtssicher- - u. teleologische Täterlehre lOff. I - im Entwurf von 1925 u. 1927 34 Garantenstellung
heit 113 - bei Unterlassungsdelikten 102 - u. Finalität 35, 323 Abstufung der - 508 f.
Entwurf von 1925 34 - u. Vorgegebenheiten 29 - u. fixierter Täterbegriff 120 primäre u. sekundäre - 509
Entwurf von 1927 346 Exzeß eines Mittäters 286 - in Frankreich 34 beim Selbstmord 475 f.
Entwurf von 1958 2, 347, 540f. - bei der funktionellen Tatherrschaft - als Verpflichtung gegenüber dem
Entwurf von 1960 2,31 24 Fahnenflucht (§ 16 WehrStrG) j 323 geschützten Rechtsgut 507
Entwurf von 1962 1 ff., 3023, 31, 347 - kein eigenh. Delikt 393 - u. gemischte Theorien 57f., 88 - auf Grund vorausgegangenen Tuns
§13 503 f. - als Pflichtdelikt 393 - gesetzl. Wertvorstellungen 37 506
§29 539 ff. Fahrerflucht s. Unfallflucht - u. Gleichzeitigkeitstheorie 43 f. Gefährlichkeit als Abgrenzungs-
§30. '365,379 Fahrlässigkeit - bei der Handlungsherrschaft 323 kriterium 22, 31 f., 47, 50
§31 365,379,450 bewußte - u. Finalität s. Finalität - u. Handlungslehre 36 Gefangenenbefreiung (§ 347 a. F. StGB)
§32 269,379 bewußte - u. dolus eventualis s. dolus | - u. Lehre von der phys. u. psych, ver- Mittäterschaft bei - 358, 469ff.
§33 Abs. 1 515 eventualis mittelten Kausalität 49 - als Pflichtdelikt 358
§193 427115 faktische Machtverhältnisse u. Tatherr- - u. Limitierung der Akzessorietät 36 Gefühlsmomente
§§216,218 414 schaft 71, 73 f. Mittäterschaft nach der - 37f., 40, 323, - als Bestandteil der Tatherrschaft 82,
§235 345 Falschaussage (§ 153 StGB) 340 318
§269 386 - als Pflichtdelikt 394f. mittelbare Täterschaft nach der - 36 ff., Urhebergefühl als Abgrenzungs-
Erfolgsabwendung Falschbeurkundung im Amt (§348 StGB) ' 323,347 kriterium 85 f., 318
Tatherrschaft durch Hinderung der - Mittäterschaft bei - 357f. - u. normative Betrachtungsweise 35 Gegenentwurf von 1911
472 mittelbare Täterschaft bei - 361 ff. - in Osterreich 34 Gleichzeitigkeitstheorie im - 42, 44
Erfolgsabwendungspflicht als Täter- - als Pflichtdelikt 357f. - bei den Pflichtdelikten 361 f. Geheimnisbruch (§300 a. F. StGB)
kriterium bei den Unterlassungs- Falsche Versicherung an Eides Statt - u. sinnerfassende Betrachtungsweise Abgrenzung zur Ausspähung 373 f.
delikten 459-62 (§ 156 StGB) als Pflichtdelikt 394 f. 35,37 - als Pflichtdelikt 353
Erfolgsdelikte finale Handlungslehre - u. Sprachgebrauch 36f. Täterschaft bei - 353
mittelbare Täterschaft bei - 176 f. - bei Bockelmann 83 - u. Tatherrschaftslehre 35 f., 64, 71 f., Teilnahme an unvors. Haupttat bei -
Tatherrschaft bei - 72, 176 - bei Nowakowski 84 75, 82, 86, 88,322f., 325 368-76
798 799
Geheimorganisationen a) Nötigungsfälle 131-36 „In-den-Händen-Halten" des Gesche- Willensherrschaft bei Selbstbeschädigung
Organisationsherrschaft bei - 250 b) ungenötigte, aber entschuldigte hensablaufs s. Hemmungs- und Ab- durch - 240-42
geistige Unterstützung Tatbestandsverwirklichung 136 f. laufsmacht
Mittäterschaft bei - 79, 104 f., 281, 288, - bei vors, eigenh. Verwirklichung Individualisierung des Täterbegriffs kausale Betrachtungsweise
417 a) eines Tatbestandsmerkmales ' 112 f., 120" ~ - u. Notwendigkeitstheorie 40, 324
- als Beihilfe zum Unterlassungsdelikt 137-39 Intensität der Mitwirkung als Abgren- - u. teleologische Täterlehren 8 ff.
525 b) der Tatbestandshandlung 139 zungskriterium 31 kausale Täterlehren 4-7
Gemeinsamkeit des Tatentschlusses bei Tatherrschaft durch - 126, 127-40, Intensität der verbrecherischen Energie - Einheitstäterbegriff 5
der Mittäterschaft 285 527 als Abgrenzungskriterium 30 - u. materiell-obj. Theorie 6
gemischte Theorien - trotz Irrtums über unrechtsrelevante I Intensitätstheorie bei den eigenh. - u. naturalistischer Positivismus 4
Darstellung u. Kritik der - 57-59 Situationsmomente 139 f. Delikten 409 f. - u. subj. Theorie 5
- Hellmuth Mayers 88 f. - u. Willensherrschaft 133 f., 142 f. Interessentheorie kausales Weiterwirken
- in der Rspr. des RG 58 Handlungssinn, konkreter Darstellung und Kritik der - 55-57, Mittäterschaft bei - 288
Generalklausel Irrtum über - bei Selbstmord 227ff. 130, 174,260,343 Kausalität
Täterbegriff als - 129 Irrtum über - des rechtmäßig handeln- - u. Dolustheorie 56 f. - der Anstiftung zur Unterlassung 519
Tatherrschaftals- 110,118 den Werkzeuges 231 - in der Rspr. des BGH 56, 93, 95, 97, direkte u. indirekte - 46ff.
Gesetzesrecht u. Richterrecht 113 Irrtum über - u. Willensherrschaft 103 ff., 490f. - u. extensiver Täterbegriff 28
Gesinnungsmerkmale 212-20 - in der Rspr. des RG 56, 90 hypothetische - 176f., 222 f., 246
- als täterschaftliche Umstände 434-41 Handlungsvoraussetzungen, taterheb- - u. Tatherrschaftswille 117 phys. u. psych, vermittelte Kausalität
a) straferhöhende- 435f. licher Irrtum über - u. Willensherr- - bei Unterlassungen 490 f. s. physisch ...
b) strafbegründende - 436-41 schaft 212,217,219 | Irrationalismus u. Täterbegriff 111 f. - u. Tatherrschaft 64
Urhebergefühl als - 85 f., 318 Hauptgehilfe, Lehre vom - 38, 175, Irrtum - Unterbrechung der - 47
Gesinnungswert 255,301 Handlungsherrschaft bei - über Kieler Schule 13
überschießender- 231 Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) unrechtsrelevante Merkmale 139f. Kinder
Gleichzeitigkeitstheorie - kein eigenhändiges Delikt 407 Willensherrschaft kraft - s. Willens- Willensherrschaft bei Deliktsbegehung
- im anglo-amerikanischen Recht 42 Hehlerei (§259 StGB) herrschaft durch - 238-40
Darstellung und Kritik der - 41-44 Tatherrschaftsprinzip bei der - 350 f. Irrtumsfälle Willensherrschaft bei Selbstbeschädigung
- u. Dolustheorie 54 Hemmungs- und Ablaufsmacht Unterscheidung von den Nötigungs- durch - 240-42
- u. funktionelle Tatherrschaft 324 - als Kriterium der Mittäterschaft fällen 232 Kodifizierung des Täterbegriffs 449 f.,
- u. formal-obj. Theorie 43 f. 280, 311 f. Irrtumslehre 539-45
- im sog. Gegenentwurf von 1911 42, - als Kriterium der Tatherrschaft 69 f., Unabhängigkeit von der Täterlehre - im Entwurf von 1958 541
44 310-13 j 203, 208, 232 - im Entwurf von 1962 540 f.
- u. gemischte Theorien 57f., 88 - in der Rspr. des BGH 101 f. Irrtum über Tätervoraussetzungen - nach Sax 541
- in Griechenland 43 Herrschaftsdelikte - als Verkennung tatherrschaftsbegrün- eigener Vorschlag 544
Mittäterschaft nach der - 42, 324 Abgrenzung von den eigenh. Delikten dender Umstände 261-74 kognitiv-naturalistische Denkrichtung
mittelbare Täterschaft nach der - 44 422 ff. a) mittelbare Täterschaft? 263f. - u. ontologische Täterlehre 15
- u. Notwendigkeitstheorie 43 f. Abgrenzung von den Pflichtdelikten b) vollendete Teilnahme 264-69 - u. teleologische Täterlehre 9f.
- u. Tatherrschaftslehre 43 f., 324 385 ff., 422 ff. I aa) bei vors. Handeln des Aus- Kollateralmitwirksamkeit 47
- in Uruguay 43 Begriff d e r - 354 f. führenden 265 f. konkretes Ordnungsdenken, Lehre vom
Grenzbereiche der Rechtsbegriffe 23 f. keine Anwendung des Pflichtgedankens bb) bei unvors. Handeln des Aus- - 13,23
Griechenland auf d i e - 384 führenden 266-69 Körperbewegungstheorie bei den eigenh.
Gleichzeitigkeitstheorie in - 43 qualifizierte - 482 cc) bei bewußt fahrl. Handeln des Delikten 405-09,433
Sittlichkeitsdelikte als - 417 ff. Ausführenden 266 f. Körperverletzung im Amt (§340 StGB)
Hamburger Bordellwirtin, Fall der 415, Täterschaft bei versuchten - 452-55 - als irrige Annahme tatherrschafts- mittelbare Täterschaft bei - 362
421-25 Täterschaft durch Unterlassen bei den - begründender Umstände 270-74 - als Pflichtdelikt 353, 484
Handlungsherrschaft 482 a) mittelbare Täterschaft? 273f. Täterschaft bei - 353, 484
- u. formal-obj. Theorie 323 Unterschiede im Täterbegriff bei - u. b) vollendete Teilnahme 271-73 Kriminologie u. Strafrechtsdogmatik
- u. subj. Theorie 323 Pflichtdelikten 379 ff. c) versuchte Täterschaft? 273 425
- bei vorsätzlich-freier eigenh. Tat- Teilnahme an unvors. Haupttat bei - I Kriminologisierung der Teilnahme-
bestandsverwirklichung 127-31 s. Teilnahme Jugendliche formen 30,32,158
- bei vorsätzlich-unfreier eigenh. Tat- hypothetische Kausalität Willensherrschaft bei Deliktsbegehung Kriminalsoziologie u. Strafrechtsdog-
bestandsverwirklichung 131-37 s. Kausalität durch - 238-40 matik 425
800 801

Kuppelei, gewohnheitsmäßige (§ 180 a. F. - bei geistiger oder psychischer Unter- Finalität als Kriterium der - in den Irr- normative Betrachtungsweise
StGB) stützung 79, 104 f., 281, 288, 417 tumsfällen 172 f., 319 - u. formal-obj. Theorie 35
- kein eigenh. Delikt 41255, 416 Gemeinsamkeit des Tatentschlusses nach der formal-obj. Theorie 36ff, 323, - u. Kulturwissenschaften 20
Landstreicherei (§361 Ziff. 3 a. F. StGB) 285, 297 347 - u. Methodendualismus 21
- als eigenh. Delikt 404, 410ff. „Getragensein" von dem gem. Tatent- - nach der Gleichzeitigkeitstheorie 44 - u. ontologische Täterlehren 13 ff.
schluß als Kriterium der - 295 ff. - in den Irrtumsfällen s. Willensherr- - in der Rspr. des BGH 94
Massenverbrechen - nach der Gleichzeitigkeitstheorie schaft - u. südwestdeutsche Wertphilosophie
Täterschaft bei - 247ff. 42 ff., 324 Natur d e r - 133f. 20
maßgeblicher Einfluß auf Hergang u. Hemmungs- und Ablaufsmacht als - u. Prinzip der Zentralgestalt 141 f. - in der subj. Theorie Nowakowskis
Erfolg der Tat Kriterium der - 280, 311 ff. I - u. Lehre von der phys. und psych, ver- 85 ff.
- als Täterkriterium in der Rspr. d. BGH innerpsychische Motivationsverhältnisse mittelten Kausalität 47f., 324 - u. Täterbegriff 19-25, 204, 257
93f.,99,307ff. als Kriterium der - 279 - bei den Pflichtdelikten 360-64 - u. Tatherrschaftsbegriff 204,319,
- als Kriterium der Tatherrschaft? - kraft kausalen Weiterwirkens 288 - beim Selbstmord s. Selbstmord 321,382
307-10 - bei maßgeblichem Einfluß auf Her- - bei sexueller Hörigkeit 69, 73 - u. teleologische Täterlehren 8 ff.
materiell-objektive Theorie gang u. Erfolg der Tat 93 f., 99, 308 - bei sozialer Abhängigkeit 73, 76 Nötigung i. S. von §52 a. F. StGB
Darstellung u. Kritik der versch. - - keine teilweise mittelbare Täterschaft - bei irriger Annahme tatherrschafts- Handlungsherrschaft des Genötigten
38-51, 130 276, 278, 292, 299, 535, 542 begründender Umstände 262-64 131-36, 143
- u. fixierter Täterbegriff 120 - nach der Notwendigkeitstheorie - bei Verkennung tatherrschaftsbegrün- - eines rechtmäßig Handelnden
- u. gemischte Theorien 57f. 40 f., 301 f. dender Umstände 271,273f. 163-68
- als Gleichzeitigkeitstheorie 41-44 - bei den Pflichtdelikten 355-60 - nach den versch. Tatherrschaftslehren Nötiger als Anstifter? 145f.
- als kausale Täterlehre 6 - nach der Lehre von der phys. u. psych, , 69, 70f., 72 ff., 76, 81,87 - zur Selbstverletzung u. Selbstmord
- als Notwendigkeitstheorie 38-41 vermittelten Kausalität 46ff., 324 f. - nach der Übergewichtstheorie 11,61, 158-63
- als Lehre von der phys. u. psych, ver- - bei „Schmierestehen" 79, 138, 282f. 164 Teilnahme an der Nötigungstat 148 f.
mittelten Kausalität 44-48 - bei ausgeschlossener oder geminderter - bei den Unterlassungsdelikten 471 f. Willensherrschaft des Nötigers 143—49
- u. Tatherrschaftslehre 64, 82 Schuld eines Beteiligten 288f. Verhältnis zur Mittäterschaft 276, 278, Nötigung i. S. von §240 StGB
- als Überordnungstheorie 49-51 sukzessive - 289-92 292, 299, 535, 542 - zur Selbstverletzung oder Selbstmord
Methodendualismus 21 Tatherrschaft kein Kriterium der -? 89, - bei absichtslosem dolosem Werkzeug 159 ff.
Meineid (§154 StGB) 276f. 76, 258f,338-52 Nötigungsfälle
- als Pflichtdelikt 394 - nach den versch. Tatherrschaftslehren - bei dolosem Gehilfenwerkzeug 76, Trennung von den Irrtumsfällen 232
Mittäterschaft (s. auch funktionelle Tat- 67 ff., 70 f., 74 88f., 259f., 389 Notstand i. S. von §54 a. F. StGB
herrschaft) - nach der Überordnungstheorie 49 f. - bei qualifikationslosem dolosem Handlungsherrschaft des Notstands-
- bei Abwesenheit vom Tatort - bei den Unterlassungsdelikten j Werkzeug 74, 252-58, 321,36/ täters 131-36
280 469-71 - bei rechtmäßig handelndem Werkzeug Willensherrschaft durch
- bei Arbeitsteilung 67, 103, 280, - bei einseitiger Unkenntnis des Zusam- 81,163 ff. a) vors. Herbeiführung eines - 149
300-02, 311 menwirkens 285 f. - als Willensherrschaft s. Willensherr- b) Tatveranlassung bei bestehender
- durch Mitwirkung im Ausführungs- - bei der Unterschlagung 349f., 386f. schaft Notlage 150 f.
stadium 275-92 - bei schwerer Unzucht nach § 176 a. F. Motivirrtum c) Unterstützung bei bestehender
1
- des Bandenchefs 70, 72, 280, 282, StGB 100,281 Willensherrschaft kraft Irrtums bei - Notlage 150-53
298-300 Verstärkung der Tatenergie als Kriterium 217f., 228f. Notstand, übergesetzlicher, entschuldi-
- beim Diebstahl 343 d e r - 278 f. Münzverbrechen gender
- durch Dingung eines „Bravos" 86 - bei Verwirklichung ungleichartiger absichtsloses doloses Werkzeug bei - Willensherrschaft durch
- nach der Dolustheorie 53,294,301, Tatbestände 289 346 a) vors. Herbeiführung eines -
310,350 - durch Mitwirkung im Vorbereitungs- Müßiggang (§361 Ziff. 5 a. F. StGB) 153-55
Ermittlung der - durch Akt sinnhaften stadium? 70, 74, 77, 83, 88, 292-305, - als eigenh. Delikt 41 Off. b) Tatveranlassung oder Unterstüt-
Verstehens 283 f., 321 309 f., 324 zung bei bestehender Notlage
- bei error in persona eines Mittäters - bei der Wilderei 351 f. naturalistischer Positivismus 4, 119 155
286 f. mittelbare Täterschaft (s. auch Willens- Natur der Sache u. Teilnahme an unvors. notstandsähnliche Situation
Exzeß eines Mittäters 286 herrschaft) Haupttat 365,367 Willensherrschaft bei - 155-68
- nach der formal-obj. Theorie 37f., - bei Amtsdelikten 74 l neukantianische Schule Notwendigkeitstheorie
40, 323, 340 - bei Erfolgsdelikten 176 f. - u. ontologische Täterlehre 13 Darstellung u. Kritik der - 38-41, 175,
- als funktionelle Tatherrschaft Ermittlung der - durch Akt geistigen - u. Tatherrschaftslehre 66 255,283
277-82, 349, 352 Verstehens 321 - u. teleologische Täterlehre 7 - u. Dolustheorie 54
802 803

- u. gemischte Theorien 58 Österreich physisch und psychisch vermittelte Kau- Rechtsbeugung (§336 a. F. StGB)
- u. Gleichzeitigkeitstheorie 43 f. formal-obj. Theorie in - 34 salität, Lehre von der 44-48 - als eigenh. Delikt 428-30
- u. Hauptgehilfe 38 - u. Äquivalenztheorie 47 Rechtsgutsbegriff, methodischer 413 f.
- u. kausale Betrachtungsweise 40, 324 Pflicht Beihilfe nach der - 45 ff. Rechtsgutsverletzung
Mittäterschaft nach der - 40f., 301 f. spezifische - als Kriterium der Pflicht- - u. direkte"u. indirekte Kausalität - als Abgrenzungskriterium 9f., 22
- in der Rspr. des BGH 40, 89, 103 delikte 353 ff. 46 ff. - bei den eigenh. Delikten 412 ff.
- in Spanien 38 - Verletzung als Täterkriterium bei den - u. Dolustheorie 54 Rechtsprechung des BGH
- u. Tatherrschaftslehre 323 f. Pflichtdelikten 353 ff. - u. dominium causae 45 f. „Anheimstellen" als Abgrenzungs-
- in Uruguay 38 Pflichtdelikte - u. Finalität 46 kriterium in der - 92, 97, 104
Notzucht (§ 177 a. F. StGB) Abgrenzung von den Herrschafts- - u. formal-obj. Theorie 49 animus-Formel in der - 91 ff.
- als Herrschaftsdelikt 417 ff. delikten 385 f. - u. funktionelle Tatherrschaft 325 Akzessorietät in der - 99
Nutzdelikte Abgrenzung von den eigenh. Delikten - u. Gefährlichkeit als Abgrenzungs- - u. Badewannenfall 96, 10552, 144
Täterbegriff bei den - 445 422 ff. kriterium 47 Bedeutung des äußeren Tatbeitrages in
Adäquanz bei den - 457 Kollateral- u. Deszendenzmitwirksam- d e r - 97f., 129
offener Begriff s. Begriff Akzessorietät bei den - 367-79 keiten 47 Dolustheorie in der - 55, 91 ff., 94 f., 97,
ontologische Täterlehre 13-19 Amtsdelikte als - 353ff., 384 Mittäterschaft nach der - 46ff., 324 f. 99, 101 ff.
- u. rechtlich-sozialer Bedeutungsgehalt Anstiftung bei den - 363ff, 450 mittelbare Täterschaft nach der - 47f., eigenh. Delikte in der - 416-20
der Tat 17,19 Erstreckungsbereich der - 384-95 324 eigenh. Tatbestandsverwirklichung in der
- u. extensiver Täterbegriff 15 - u. extensiver Täterbegriff 361,379 - u. subj. Theorie 46 90f., 94, 96, 98
- u. Finalität 16, 18 - u. formal-obj. Theorie 361 f. - u. Tatherrschaftslehre 46, 48, 324f. Hemmungs- u. Ablaufsmacht als Ab-
- u. Handlungslehre 16, 18 höchstpers. - als Fälle ausgeschlossener - u. Unterbrechung des Kausalzusam- grenzungskriterium in der - 101 f.
- u. kognitiv-naturalistisches Denken Unterlassungstäterschaft 480f., 482,494 menhanges 47 Interessentheorie in der - 56, 93, 95 f.,
15 Mittäterschaft bei den - 355-60 populär-objektive Theorie 50 f. 97, 103 ff.
- u. neukantianische Lehre 13 mittelbare Täterschaft bei den - 360-64 Positivismus s. naturalistischer P. maßgeblicher Einfluß auf Hergang u. Er-
- u. normative Lehren 13, 15 Pflichtverletzung als Täterkriterium bei primärer Täterbegriff folg der Tat als Abgrenzungskriterium
- u. Sprachgebrauch 17ff. d e n - 353 ff. Notwendigkeit eines - 27f., 328 in d e r - 93f., 99, 307ff.
- u. südwestdeutsche Schule 14 primärer Täterbegriff bei den - 360-64 - bei den Unterlassungsdelikten 513 Mittäterschaft bei Arbeitsteilung 103
- u. Tatherrschaftslehren 15 ff. spezifische Pflicht als Kriterium der - - bei den Pflichtdelikten 360, 364 Mittäterschaft bei geistiger Unterstüt-
- u. Lehre vom Tätertyp 15,17 353 ff. principal in the first degree and in the zung 104 f.
- u. teleologische Methode 14 - u. der Begriff der Sonderdelikte 353 second degree 42 normative Betrachtungsweise in der -
ontologische Betrachtungsweise Standesdelikte als - 384 Prozeßbetrug 94, 103 f.
s. sinnerfassende Betrachtungsweise - u. Systemeinheit 395 f. Willensherrschaft beim - 230f. - u. Notwendigkeitstheorie 40, 98,
Organhaftung 371 f. Täter der - als Subjekt des Unrechts- psychische Beihilfe s. geistige Unterstüt- 103
Organisationsherrschaft 242-52 Gesamttatbestandes 397-99 zung - u. restriktiver Täterbegriff 99
- im Eichmann-Fall 246-48 Täterbegriff bei den - 352-99, 527 psychisches Können - u. Strafwürdigkeitserwägungen 104
Fungibilität des Ausführenden als Unterschiede im Täterbegriff bei den - - u. Willensherrschaft 146ff, 154, - u. Tatherrschaftsgedanke 90-107
Kriterium der - 245 f. u. Herrschaftsdelikten 379ff. 156 f., 320 - u. Tatherrschaftswille 90, 96
Inhaber der Staatsmacht als Träger der - Täterschaft beim versuchten - 455-57 - u. Tatherrschaft 163 - u. unbestimmter Täterbegriff 110
250 keine Täterschaft eines Nichtqualifi- Täterschaft durch Unterlassen in der -
- keine Nötigungs- oder Irrtumsherr- zierten 371 Qualifikation 489-92
schaft 243 f. Teilnahme als Erfolgsbewirkung ohne - als normatives Herrschaftskriterium? Täterschaft durch Unterlassen beim
- als offener Begriff 251 f. Sonderpflichtverletzung 369 f. 256-58 Selbstmord 91,101 ff, 458, 490ff.
- nur bei rechtsgelösten Apparaten Teilnahme an unvors. Haupttat bei den -* - als psychologisches Herrschafts- - u. Willensunterordnung 90 ff., 93,
249-51 364-79, 450 kriterium? 254-56 97 ff., 102 ff.
- im Staschynskij-Fall 247f. unechte eigenh. Delikte als - 392-95 - als Voraussetzung der Tatherrschaft Rechtsprechung des RG
strukturelle Grundlagen der - 244 f. Unterlassungsdelikte als - 459-69 67, 70, 73, 77 - u. Dolustheorie 1 f., 53 ff.
- bei Untergrundbewegungen, Geheim- Zentralgestalt bei den - 354 Qualifikationsvoraussetzungen - u. gemischte Theorie 58
organisationen u. Verbrecherbanden Pflichtgedanke Willensherrschaft bei Irrtum über - - u. Interessentheorie 56, 90
250f. - und Tatherrschaft 63 f., 258,379-84 212f.,219f. Rechtssicherheit u. Einzelfallgerechtig-
Organisationsverbrechen Überdehnung des - 501 keit 113
Beihilfe zu - 249 Phänomenologie der Täterschaftsformen Rauschtat (§330a a. F. StGB) Rechtswidrigkeit
Willensherrschaft bei - 243 ff. u. Täterlehre 538 - als Pflichtdelikt 430-32 Irrtum über die formelle - 199 ff.
804 805

Irrtum über die materielle - 193-205 Benutzung eines Unzurechnungsfähigen Strafwürdigkeit abstrakter- 121,532ff.
Regelungsmaterie s. Vorgegebenheiten z u r - 236 f. - als Abgrenzungskriterium 22, 24, - u. Deduktion 22, 528, 537
Regulative (s. auch Begriff, regulativer) Nötigung i. S. von § 52 a. F. StGB zur - 30ff., 129, 280, 309, 320, 412, 509, 517 deliktsgruppenbezogener - 445 f.
- u. funktionelle Tatherrschaft 284 158-63 - der Anstiftung zum Unterlassungs- Dialektik des - 528-31
- u. offener Begriff 125f. Nötigung i. S. von §240 StGB zur - delikt 516-18 exklusiver - 24
- u. Willensherrschaft 147 159 ff. - der Unterlassungen 497, 501 ff. extensiver - s. extensiver Täterbegriff
restriktiver Täterbegriff 11,71,328, sekundärer Täterbegriff Strafzumessungserwägungen - u. Finalität 22
361 f., 493 - u. extensiver Täterbegriff 29, 3284 s. Strafwürdigkeit fixierter - 119ff, 532ff., 543
Richterrecht und Gesetzesrecht 113 Kritik des - 26ff, 240, 258, 364, 526 Struktur - u. Ganzheitsbetrachtung 129
Risikoirrtum - in der Rspr. des BGH 99 - des Tatherrschaftsbegriffes 318-22 - u. Gefährlichkeit 22, 31 ff.
Verkennung eines - des Ausführenden sexuelle Hörigkeit - der gemeinsamen Tatherrschaft Gegensätze im - 529 ff., 535 f.
durch den Hintermann 267 mittelbare Täterschaft bei - 69, 73 275-77 - u. Intensität der verbrecherischen
Willensherrschaft kraft Irrtums beim - Sinnelemente s. sozialer Bedeutungsgehalt Stufen sinnhafter Tatgestaltung 197-99 Energie 30
220-25 sinnerfassende Betrachtungsweise subjektive Theorie (s. auch Dolustheorie) - u. Intensität der Mitwirkung 31
Rollenverteilung s. Arbeitsteilung - u. formal-obj. Theorie 35, 37 - u. extensiver Täterbegriff 10,12,28, - u. Kausalbegriff 22
- u. normative Betrachtungsweise 361 Kodifizierung des - 449 f.
sachlogische Strukturen 19-25 Darstellung u. Kritik der versch. - 51-59 - als konkreter Begriff 529ff., 532ff.,
- u. Finalität 18 - u. Täterbegriff 19-25,204 - als Dolustheorie 52-55 543
- u. Täterbegriff 21 - u. Tatherrschaftsbegriff 204,319 - u. funktionelle Tatherrschaft 323 Kriminologisierung des - 30, 32,158
- u. Teilnahme an unvors. Haupttat 365 Sittlichkeitsdelikte - als gemischte Theorie 57-59 - u. normative Betrachtungsweise
- u. Wertung 21 f. - als eigenh. Delikte? 400, 416-20 - u. Handlungsherrschaft 323 19-25,202, 204, 257
Sachwerttheorie 344 - als Herrschaftsdelikte? 417ff. - als Interessentheorie 55-57 - bei den Pflichtdelikten 352-99
„Schmierestehen" Sodomie (§ 175 b a. F. StGB) - als kausale Täterlehre 5 f. primärer - s. primärer T.
Mittäterschaft bei - 79,138, 282f. - als eigenh. Delikt 399f., 413ff. - u. Lehre von der phys. u. psych, ver- - u. Rechtsgutsverletzung 22
Schlüsselfigur s. Zentralgestalt Sonderdelikte (s. auch Pflichtdelikte) mittelten Kausalität 46 restriktiver - s. restriktiver T.
Schuldindifferenz des Täter- u. Tatherr- - als Pflichtdelikte 353 - in der Rspr. des BGH 55 f., 104, 356, - u. sachlogische Strukturen 21
schaftsbegriffs 330 ff. tatbestandsbezogene Betrachtungsweise 490 ff. Schuldindifferenz des - 330 ff.
Schuldmerkmal bei den - 256 - in der Rspr. des RG 1 f., 53 ff., 56 sekundärer - s. sekundärer T.
Täterschaft als - 134, 332 Täterbegriff bei den - 70, 353 f., 369 f. - u. Tatherrschaftsgedanke 63 f., 76, 82, - u. sinnerfassende Betrachtungsweise
Tatherrschaft als - 60, 82,332 Täterschaft bei bew. Fahrlässigkeit des 84ff., 88f., 95, 216,322f, 325 19-25
tatherrschaftsbegründende - 332-34 Intraneus 190 - bei Unterlassungen 94 ff. - u. soziale Bedeutungsgehalte 22f., 25,
Urhebergefühl- 85 f. Tatherrschaft bei den - 67, 70, 73, 77 - u. Willensherrschaft 322 116f.
Schuldteilnahmetheorie 272 Sozialadäquanz 522 südwestdeutsche Wertphilosophie 7, 14, - u. Sprachgebrauch 22 f., 116
seelische Beeinflussung s. Beeinflussung sozialer Bedeutungsgehalt der Tat 20, 23 f. - u. Strafwürdigkeit 22, 24, 30 ff., 129,
Seinsgegebenheiten s. Vorgegebenheiten - u. Finalität 198 ff. sukzessive Mittäterschaft 289-92 280
Selbstmord mangelnde Fixierbarkeit des - 121 f. Synthese von sinnerfassender u. sinn- strukturelle Grundlagen des allg. -
Bestimmung von Kindern u. Jugend- - u. ontologische Täterlehre 17,19 gebender Betrachtungsweise 107-26
lichen zu - 240-42 - u. Täterbegriff 22f., 116f. Täterbegriff als - 19-25 - als Synthese sinnerfassender u. sinn-
Bestimmung zum - durch vors. Täu- Spanien Tatherrschaftsbegriff als - 204,319 gebender Betätigung 19-25
schung 225-30 Notwendigkeitstheorie in - 38 - als „horizontale" Synthese 531
Bestimmung eines Unzurechnungs- Sprachgebrauch als Abgrenzungs- Tatbestand der Unterlassungsdelikte - als mehrfache Synthese 531 f.
fähigen z u m - 236 f. kriterium 11 f., 17ff.,22 f., 36f., 116,446 460 ff. - als „vertikale" Synthese 531
- u. extensiver Täterbegriff 10, 29 f. Staatsmacht Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs Tatbestandsbezogenheit des - 441—44,
Nötigung i. S. von § 52 a. F. StGB zum - Inhaber der - als Träger der Organisa- s. Täterbegriff 447f.
158-63 tionsherrschaft 250 Tatbestandsmerkmal Tatherrschaft als Kriterium des allg. -
Nötigung i. S. von §240 StGB zum - Stachynskij-Fall 10552 Tatherrschaft als - 81,329f. 334-38
159 ff. Handlungsherrschaft im - 128 f. Vorsatz als - 164, 331 f. - als technisches Problem 448 f.
Täterschaft durch Unterlassen beim - Organisationsherrschaft im - 243 ff., Tatbestandsverwirklichung s. eigen- Transpositivität des - 447-50
91,101 ff., 313,458,473-76, 490ff., 500 247 f. händige Tatbestandsverwirklichung Unterschiede im - bei den Pflicht- u.
Selbstverletzung Standesdelikte als Pflichtdelikte 384 Täterbegriff Herrschaftsdelikten 379 f.
Benutzung von Kindern u. Jugendlichen Strafmilderung, fakultative, bei Unter- Abhängigkeit des - vom Gesetzgeber - u. Vorgegebenheiten 23 f., 202
zur - 240-42 lassungen 502ff, 507, 517 449 - u. Wertung des Einzelfalles 532, 535,537
806 807

„Widerstand der Sache" als Richtigkeits- systematische Stellung des - Möglichkeit, dem Geschehen die ent- Willensunterordnung als Kriterium der -
kriterium des - 533-35 begriffs 327-34 scheidende Wendung zu geben als 78,314 f.
Täter hinter dem Täter 69f., 143, 158, Tatbestandsbezogenheit des - begriffs Kriterium der - 313, 490, 463-65, 492 - bei den Zueignungsdelikten 338-52
197, 216, 248, 259, 297f. 444 - kein Täterkriterium bei den Pflicht- Tatherrschaftslehre
Täterlehre (s. auch Täterbegriff) - als unbestimmter Begriff 108-18, delikten ~352ff. Darstellung u. Kritik der versch. -
Kodifikation der - s. Kodifikation 124 f.,322 - u. Pflichtgedanke 63 f., 258,379-84, 60-90
- u. Phänomenologie der Täterschafts- - begriff u. Urhebergefühl 318 536 dogmengeschichtliche Stellung der -
formen 538 - kein vorrechtlich geformter Begriff potentielle - als Abgrenzungskriterium 322-26
System der - 527-39 116f. 61 f., 190 - u. Dolustheorie 53, 65, 68f., 75, 78,
- u. Problemdenken 536 ff. Wertbezogenheit des - begriffs 73 f., - in der Rspr. des BGH 90-107 80, 83f., 87ff., 323
- u. Systemdenken 536 ff. 163, 202, 204, 256 f. Schichtencharakter der - 198ff., 232, Entstehung der - 60-67
Unabhängigkeit der - von der Irrtums- - u. beschreibendes Verfahren 321 319f. - u. extensiver Täterbegriff 28, 63, 380
lehre 203, 208, 232 - beim Diebstahl 339ff. Schuldindifferenz des - begriffs 330 ff. finale - 2, 64, 66ff.
Unabhängigkeit der - vom Vorsatz- - als dominium causae 63 - als Schuldmerkmal 60, 82,134,332 - u. finale Handlungslehre 64, 69, 71 f.,
begriff 210,232 - als dominierendes Verhalten 63 - beim Selbstmord 91 f., 101 ff, 313, 75, 325
Tätermerkmale - als Täterkriterium bei den eigenh. 458, 474, 490ff. - u. formal-obj. Theorie 35 f., 64, 71 f.,
Beamteneigenschaft als - 352 Delikten 67,73,77, 399ff. - bei sexueller Hörigkeit 69, 73 75, 82, 86, 88,322f., 325
- als Voraussetzung der Tatherrschaft - durch eigenh. Tatbestandsverwirk- soziale - 67f., 383, 465-67, 502 - als final-obj. Theorie 72
67, 70, 73, 77 lichung s. eigenhändig - bei sozialer Abhängigkeit 73 „formelle" - 312
Täterschaft (s. auch Tatherrschaft) - bei Erfolgsdelikten 72,176 - bei erster Stufe 198 ff. - u. Gleichzeitigkeitstheorie 43 f., 324
- als Schuldmerkmal 134,332 - u. faktische Beherrschung 71,73f. - zweiter Stufe 198 ff. - u. materiell-obj. Theorien 64, 82
- als Unrechtsmerkmal 134,329f. - u. Finalität 16, 64, 66ff, 72, 77, 82, - dritter Stufe 209-11 - u. neukantianischer Normativismus
- beim Versuch s. Versuch 319 - vierter Stufe 2/3-25,226,286,436 66
täterstrafrechtliche Delikte funktionelle - s. funktionelle T. - als Synthese finaler u. wertender - u. Notwendigkeitstheorie 323 f.
- als eigenhändige Delikte 410-12 -U.Ganzheitsbetrachtung 108 ff., Betrachtungsweise 109,321 - u. ontologische Täterlehren 15 ff.
Tatherrschaft, kein Täterkriterium bei Ulf., 118, 124,320 - als Synthese teleologischer u. sinn- Pflichtgedanke in der Entwicklung der -
d e n - 411 f. Gefühlsmomente als Bestandteil der - erfassender Betrachtung 204,319 379-84
Tätertyp, Lehre vom 15,17, 412 82,318 - als Systemelement 327f. - u. Lehre von der phys. u. psych, ver-
Täterwille s. animus auctoris keine - im Bereiche geistigen Seins - als Tatbestandsmerkmal 81,329f. mittelten Kausalität 46, 48,324f.
Tatgestaltung, Stufen sinnhafter 337 - u. Tätermerkmale 67, 70, 73, 77 primärer Täterbegriff der - 328
197-99 gemeinsame - u. ihre Struktur 275-77 - u. Täterkriterium bei den täterstraf- restriktiver Täterbegriff der - 328
Tatherrschaft - als Generalklausel 110,118 rechtlichen Delikten 411 f. - u. subj. Theorie 63f., 76, 82, 86, 88f.,
- als abstrakter Allgemeinbegriff 112, - u. Gesinnung 318 - kein Täterkriterium bei den Unter- 95,322f., 325
532 Grundlinien des eigenen - begriffs lassungsdelikten 463-67 - u. Trennung von Sein und Wert 66
- u. Adäquanz 62, 64, 71 f., 75, 81, 306 - bei Tätigkeitsdelikten 72 - u. Überordnungstheorie 50, 65,325
456f - u. Handlung 17, 64 - als Tatmacht 77t.,313f Vertreter der - 68-82
- bei den Amtsdelikten 74, 77 - durch Handlungsherrschaft - beim Unterlassungsdelikt in der Rspr. Vertreter verwandter Lehren 82-89
- u. „Anheimstellen" 77i.,314f, 323 s. Handlungsherrschaft desBGH 91f., lOlff., 313, 490ff. - als Argument für die Zugehörigkeit
- u. animus-Formel 80 - bei der Hehlerei 250 f. - bei der Unterschlagung 347 ff. des Vorsatzes zum Tatbestand
- als allg. Täterbegriff 334-38 - als Hemmungs- und Ablaufsmacht - beim Verbotsirrtum 69 f., 193-205 331 f.
- des Bandenchefs s. Bandenchef 691,310-13 - kein Täterkriterium bei den ver- Tatherrschaftswille
- begriff u. seine Definition 123 ff. - bei Hinderung der Erfolgsabwendung haltensgebundenen Delikten ohne - als Abgrehzungskriterium 63, 80 f.,
- als deskriptiver Begriff 321 472 Rechtsgüterverletzung 414 ff. 87, 90, 99,220, 269, 271
- als fixierter Begriff 119-22, 123 ff. - u. Individualisierung 112 - beim Versuch 452-55 eigenh. Tatbestandsverwirklichung u. -
- kein Begriff mit fließendem Inhalt inhaltliche Bestimmung der - 307-18 - u. Vorgegebenheiten 320 94,128,130
116 - u. Irrationalismus 111 f. - u. richterliche Wertung 111, 320, 324, - u. Interessentheorie 317
- als normativer Begriff 321, 382 - u. Kausalbegriff 64 532 - in der Rspr. des BGH 90, 94, 96,100
- als offener Brief 122-26 maßgebender Einfluß auf Hergang u. - u. gesetzliche Wertungen 320 - u. Tatherrschaftsbegriff 315-18
- als psychologischer Begriff Erfolg der Tat als Kriterium der - - bei der Wilderei 251 f. tatherrschaftsbegründende Schuld-
163 307-10 - durch Willensherrschaft s. Willens- elemente 332-34
Reichweite des - begriffs 334-352 - kein Kriterium der Mittäterschaft 89 herrschaft tatherrschaftsbegründende Umstände
Struktur des - begriffs 318-22 276 f. - beim dolosen Werkzeug s. Werkzeug irrige Annahme von - 270-74
808

Verkennung von - 261-70 b) Begründung der Unterlassungsteil- - als Pflichtdelikt 369 besondere Pflichtenstellung als Täter-
Tätigkeitsdelikte nahme trotz bestehender Erfolgs- Unrechtsmerkmal kriterium an den Verursachungs-
reine - als eigenh. Delikte 400, 405 abwendungspflicht 483-85 Täterschaft als - 134, 329f., 397-99 tatbeständen 458 ff.
Tatherrschaft bei - 72 - bei Gallas u. Kielwein 496-506 untaugliches Subjekt als Täter eines Ver- Fälle ausgeschlossener - 479-82
Tatmacht als Kriterium der Tatherr- - in der Rspr. des BGH 489-492 suchs 455 f. a) eigenh. Delikte 479 f.,494
schaft 771,313 f. - bei Schröder 506-09 Untergrundbewegungen b) höchstpers. Pflichtdelikte
Teilnahme (s. auch Anstiftung u. Beihilfe) Teilnahme am Unterlassungsdelikt Organisationsherrschaft bei - 250 480 f., 494
- beim Nötigungsnotstand 148 f. s. Anstiftung u. Beihilfe Unterhaltspflichtverletzung (§ 170 b a. F. c) Zueignungsdelikte 481 f., 494
- bei den Pflichtdelikten als Erfolgs- teleologische Methode s. normative StGB) aktive Beihilfe eines Pflichtigen als -
bewirkung ohne Sonderpflichtverlet- Betrachtungsweise Mittäterschaft bei - 357 499 ff.
zung 369 f. teleologische Täterlehren 7-13 - als Pflichtdelikt 354 versuchte aktive Beihilfe eines Pflichtigen
- bei irriger Annahme tatherrschafts- - u. Einheitstäterbegriff 10 Unterlassungen a l s - 498f., 505f.
begründender Umstände 264-70 - u. extensiver Täterbegriff 10 ff. - u. aktives Eingreifen eines vors. Han- - nach der Dolustheorie 490 ff.
- bei Verkennung tatherrschaftsbegrün- - u. formal-obj. Theorie 11 delnden 497 f. Eingriffsmöglichkeit, kein Täter-
dender Umstände 271-73 - u. kausale Betrachtungsweise 8 ff. begehungsgleiches- 487 kriterium 463-65, 490, 492
- als sekundärer Begriff 268, 272, 360, - u. kognitiv-naturalistische Denkrich- Beteiligung durch - als eigene Beteili- Erfolgsabwendungspflicht als Täter-
364,370,476,512 tung bei d e n - 9f. gungsform 468 kriterium 459-62
Teilnahme an unvorsätzlicher Haupt- - u. Kulturwissenschaften 7f. Einheitstäterbegriff bei den - 468, 493 - nach Grünwald u. Kaufmann 467-69
tat bei den eigenh. Delikten? 420-27 mittelbare Täterschaft nach den - 10 extensiver Täterbegriff bei den - 102 - nach der Interessentheorie 490 f.
Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat - u. neukantianische Schule 7 Garantenstellung s. Garantenstellung soziale Tatherrschaft, kein Täter-
bei den Herrschaftsdelikten 180-93, - u. normative Methode 8 ff. Gleichwertigkeit der - mit positivem kriterium 465-67
220 ff., 261-74,365-367 Rechtsgutsverletzung als Abgrenzungs- Tun 496, 501 ff., 504, 509 Strafwürdigkeit, keinTäterkriterium 509
- bei bew. fahrl. Haupttat 180-93,220 ff. kriterium bei den - 9 f. Kausalität bei den - 493,519 - nach der subj. Theorie 490ff.
a) bei übereinstimmender Kenntnis - u. restriktiver Täterbegriff 11 Mittäterschaft bei - 469-71 Tatherrschaft, kein Täterkriterium
der Erfolgschance 189-91 - u. Sprachgebrauch 11 f. a) mehrere Unterlassende als Mittäter 463-67, 496
b) bei weiterreichender Kenntnis des - als subj. Teilnahmetheorie 11 469 f. Tatherrschaft als Täterkriterium in der
Hintermannes 192-93,200 ff. - u. südwestdeutsche Wertphilosophie b) Handelnder u. Unterlassender als Rspr. des BGH 91 f., 101 ff., 313
- bei Irrtum über Tätervoraussetzungen 7 Mittäter 470 f. Unterschlagung (§246 a. F. StGB)
261-74 Transpositivität des Täterbegriffs mittelbare Täterschaft bei - 471 f. berichtigende Auslegung des §246 349
Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat 447-50 - im ontologischen Sinne 466 Mittäterschaft bei der - 349f., 386f.
bei den Pflichtdelikten 364-79,450 Triebdelikte - als Pflichtdelikte 459-69 Täterschaft durch Unterlassen bei der -
Teilnahme durch Unterlassen 476-509 Täterbegriff bei den - 445 - beim Selbstmord s. Selbstmord 482
Ablehnung der - bei Armin Kaufmann - im sozialen Sinne 466, 486 Tatherrschaft bei der - 347 ff.
493-95 Übergewichtstheorie Strafmilderung für - 502 ff, 507 Untreue nach § 266 StGB
- bei Aktverbrechen 494 mittelbare Täterschaft nach der - 11, Strafwürdigkeit der - 497, 501 ff. Mittäterschaft bei der - 355 f., 470
- bei fehlender Erfolgsabwendungs- 61, 164,232 Tatbestand der - s. Unterlassungstat- mittelbare Täterschaft bei der - 360 f.
pflicht 485-89 überholende Kausalität s. Kausalität bestand - als Pflichtdelikt 353, 384
a) Unterlassen als positive Tatförde- Überordnungstheorie Täterschaft durch - s. Unterlassungs- Täterschaft bei der - 353
rung 485-88 Beihilfe nach der - 49 f. täterschaft Untreue nach §81 a a. F. GmbHG
b) unterlassene Taterschwerung als Darstellung u. Kritik der - 49-51, 141 Teilnahme durch - s. Teilnahme - als Pflichtdelikt 356 f.
Beihilfe 489 Dominanz als Abgrenzungskriterium Vorsatz bei den - 51 Off. Unzucht mit Abhängigen (§ 174 a. F.
- bei fehlendem Unterlassungstat- 50f., 108 Unterlassungstatbestände StGB)
bestand 477-85 Mittäterschaft nach der - 49 f. Begriff d e r - 460ff. - als Herrschaftsdelikt 418
a) Ausschluß der Unterlassungstäter- - u. sog. populär-obj. Theorie 50f. Beispiele fehlender - 479-82 Unzucht nach § 176 a. F. StGB
schaft trotz bestehender Erfolgs- - u. Tatherrschaftslehre 50, 65,325 a) eigenh. Delikte 479 f. - als Herrschaftsdelikt 417 (i.
abwendungspflicht 477-82 Üble Nachrede (§186 StGB) b) höchstpers. Pflichtdelikte Mittäterschaft bei - 100,281,417
aa) bei den eigenh. Delikten - als Pflicht- u. Herrschaftsdelikt 392 480 f. Unzucht zwischen Männern (§ 175 a. F.
479-80 Unfallflucht (§ 142 a. F. StGB) c) Zuneigungsdelikte 481 f. StGB)
bb) bei den höchstpers. Pflicht- Abgrenzung zur bloßen Anspruchs- Voraussetzungen der - 477-79 - als eigenh. Delikt 413 ff.
delikten 480 f. vereitelung 373 ff. Unterlassungstäterschaft Unzurechnungsfähiger
cc) bei den Zueignungsdelikten Anstiftung zur unvorsätzlichen Haupttat „Anheimstellen" als Täterkriterium Willensherrschaft bei Deliktsbegehung
481 f. bei der - 369-76 490 ff. durch - 233-36
810 811

a) bei fehlender Einsichtsfähigkeit 234 f. Verwahrungsbruch (§ 133 StGB) - u. Tatherrschaftsbegriff 320 c) bei Fehlen des Bewußtseins der
b) bei fehlender Willensfähigkeit 235 f. absichtsloses doloses Werkzeug beim - Wilderei (§292 StGB) Strafbarkeit 199,201,203
Willensherrschaft bei Selbstbeschädigung 345 f. Mittäterschaft des Treibers 351 f. - bei Irrtum über die Voraussetzungen
d u r c h - 236 f. Verwirklichungswille, unbedingter Täterschaft durch Unterlassen bei der - eines Rechtfertigungsgrundes 205-08
Urhebergefühl - als Abgrenzungskriterium 68, 70 482 - bei Irrtum über die Voraussetzungen
- als Abgrenzungskriterium 85 Vollstreckungsvereitelung (§288 StGB) Tatherrschaft bei der - 351 f. eines Schuldausschließungsgrundes
- als Gesinnungselement u. Schuldmerk- - als Pflichtdelikt 385 Willensherrschaft (s. auch mittelbare 208-11
mal 85f.,318 vorangegangenes Tun Täterschaft) - bei tatbestandsmäßigem rechtswidri-
- u. Tatherrschaftsbegriff 318 Garantenstellung auf Grund - 506 Ermittlung der - durch Akt geistigen gen u. schuldhaften Verhalten des
Urheberschaft u. Teilnahme 269, 366f., Vorbereitungsstadium Verstehens 321 Irrenden 211-25
37050b, 432146 Mittäterschaft bei Mitwirkung im -? Finalität als Kriterium der - in den Irr- a) bei Irrtum über den konkreten
Ursächlichkeit s. Kausalität 70, 74, 77, 83, 88, 292-305, 309f., 324 tumsfällen 172 f., 319 Handlungssinn 212-20
Uruguay Vorgegebenheiten - u. Handlungsherrschaft 133 f., 142 f. aa) error in persona 212,213-16,
Gleichzeitigkeitstheorie in - 38 - u. extensiver Täterbegriff 29 Kriterium der - in den Nötigungsfällen 286
Notwendigkeitstheorie in - 43 - u. Täterbegriff 23f.,202,204 144^8 bb) error in obiecto 212
- u. Tatherrschaftsbegriff 320 - kein psychologischer Begriff 146ff., cc) dolus gereralis 212,216
Verantwortungsprinzip - u. Trennung der Herrschafts-, Pflicht- 154, 156 f., 320 dd) Irrtum über taterhebliche
- u. Willensherrschaft 147f., 154, 156, u. eigenh. Delikte 424 f. - u. Regulativ 147 Handlungsvoraussetzungen
169,232,320 Vorsatz (s. auch dolus eventualis) - u. Stufen sinnhafter Tatgestaltung 217-19
Verbotsirrtum (s. auch Irrtum) - begriff u. Täterlehre 210, 232 197-99,232, 319f. ee) Irrtum über Qualifikations-
absichtliche Herbeiführung eines - 194 - als Tatbestandsmerkmal 164,33 If. - erster Stufe 198 ff. voraussetzungen 212 f., 219 f.
mittelbare Täterschaft bei - 69, - bei den Unterlassungen 51 Off. - zweiter Stufe 198 ff. b) beim Risikoirrtum 220-25
193-205 - dritter Stufe 209-11 c) beim Motivirrtum 217f., 228 f.
Verbrecherbanden Wahrscheinlichkeit - vierter Stufe 213-25, 226, 286, 536 - bei tatbestandslosem Verhalten des
Organisationsherrschaft bei - 250 - als Abgrenzungskriterium zwischen - u. Verantwortungsprinzip 147f., Irrenden 225-30
Verführung (§ 182 a. F. StGB) dolus eventualis u. bew. Fahrlässigkeit 154, 156, 169,232,320 - bei rechtmäßigem Verhalten des
- als Herrschaftsdelikt 418 f. 185,224 - u. Willenseinfluß 143f., 147 Irrenden 230 f.
verhaltensgebundene Delikte ohne Irrtum über die - des Erfolgseintritts - u. Zentralgestalt 146 ff. Willensherrschaft kraft Nötigung
Rechtsgüterverletzung 221-25 Willensherrschaft kraft Irrtums 142-70, 209, 320
- als eigenh. Delikte 412-16 Werkzeug (s. auch Willensherrschaft) 170-232,527 - beim Nötigungsnotstand (§ 52 a. F.
Tatherrschaft, kein Täterkriterium bei absichtsloses doloses - 76, 258f., - bei vorsatzausschl. schuldlosem Irrtum StGB) 143-49
d e n - 414 ff. 338-52, 385 170-78 - beim einfachen Notstand (§ 54 a. F.
Verleitung zum Falscheid (§ 160 StGB) doloses Gehilfenwerkzeug 76, 88 f., a) durch Benutzung des vorsatzlosen StGB) 149-53
systematische Bedeutung der - 376f., 259f., 389 Werkzeuges 170-73 a) durch vors. Herbeiführung eines
394 f. qualifikationsloses doloses - 74, b) bei Unterstützung des vorsatzlosen Notstandes 149
Verleumdung (§ 187 StGB) 252-^,321,36; Werkzeuges 173 f. b) durch Tatveranlassung oder
- als Pflicht u. Herrschaftsdelikt rechtmäßig handelndes - 81,163ff. c) bei unwesentlicher Beeinflussung Unterstützung bei bestehender
392 rechtmäßig handelndes, irrendes - 175-78 Notlage 150-53
vermindert Zurechnungsfähiger 230f. - bei vorsatzausschl., unbew. fahrl. - beim übergesetzlichen entschuldigen-
Willensherrschaft bei Benutzung eines - vorsatzloses u. schuldloses - 170-78 Irrtum 178 f. den Notstand 153-55
237 f. vorsatzloses, aber unbew. fahrl. - 178 f. - bei vorsatzausschl., aber bew. fahrl. a) durch vors. Herbeiführung einer
versuchte Täterschaft vorsatzloses, aber bew. fahrl. - 180-93 , Irrtum 180-93 Notstandslage 153-55
- bei den eigenh. Delikten 455 Wertung a) bei übereinstimmender Kenntnis b) durch Tatveranlassung oder
- bei den Herrschaftsdelikten 452-55 u. sachlogische Strukturen - 21 f. der Erfolgschance 189-91 Unterstützung bei bestehender
- bei den Pflichtdelikten 455-57 richterliche - u. Tatherrschaft 111,320, b) bei weiterreichender Kenntnis des Notlage 155
- bei irriger Annahme tatherrschafts- 324, 532 Hintermannes 192 f. - bei notstandsähnlichen Situationen
begründender Umstände 273 Wertvorstellungen, gesetzliche - bei fehlendem Bewußtsein der RW des 155-68
Verteidigungswille des Hintermannes u. extensiver Täterbegriff 28 f. Irrenden 69,193-205 a) durch seelische Beeinflussung
eines Notwehrtäters 164 - u. formal-obj. Theorie 37 a) bei Fehlen des Bewußtseins mate- 156-58
Veruntreuung (§246,2. Altern, a. F. - u. Gefährlichkeitstheorien 32 rieller RW 193-205 b) durch Nötigung zur Selbstver-
StGB) - u. Strafwürdigkeit als Abgrenzungs- b) bei Fehlen des Bewußtseins for- letzung oder zum Selbstmord
- als Pflichtdelikt 353 f., 384 kriterium 30 meller RW 199,201,203 158-63
812

c) durch Nötigung eines rechtmäßig Willensunterordnung (s. auch Anheim-


Handelnden 163-68 stellen)
- bei rechtswidrigem bindenden Befehl - in der Rspr. des BGH 90ff., 93, 97ff.,
168 f. 102 ff.,492
Willensherrschaft bei Benutzung von - u. Tatherrschaft 78, 314f.
Kindern und Jugendlichen 238—42 Wortlauttheorie bei den eigenh. Delikten
- zur Deliktsbegehung 238-40 402-05,417,433
- zu Selbstbeschädigung u. Selbstmord
240-42 Zentralgestalt
Willensherrschaft kraft organisatorischer Begriff der - 25ff., 108,113, 336 ff.
Sachverzeichnis zum Schlußteil 2006
Machtapparate (s. auch Organisations- 527
herrschaft) 242-52, 5271.
ß Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten, hochgestellte Zahlen auf die Fußnoten. Bei häufig
- bei eigenh. freier Tatbestandsverwirk- vorkommenden Stichworten sind nur die wichtigeren Fundstellen angegeben. Die Haupt-
Willensherrschaft bei Benutzung eines
lichung 128 fundstellen sind zudem durch kursiven Druck hervorgehoben.
Unzurechnungsfähigen (Schuld-
- u. extensiver Täterbegriff 28 f.
unfähigen) 233-37
mittelbarer Täter als - 141, 175 absichtsloses doloses Werkzeug 599 f., Doppelselbstmord (s. a. Selbsttötung)
- zur Deliktsbegehung 233-36
- u. primärer Täterbegriff 27 einseitig fehlgeschlagener - 566 ff.
a) bei fehlender Einsichtsfähigkeit 718 f.
- u. sekundärer Täterbegriff 26f. vorgetäuschter- 596 ff.
234 f. additive Mittäterschaft 733 ff.
- u. Willensherrschaft 146ff. Dringlichkeit von Verhaltensnormen
b) bei fehlender Willensfähigkeit Alternativentwurf (AE) 546, 550, 552
Zueignungsdelikte 661 f., 720, 725681
235 f. alternative Tatbeiträge 735 f.
Tatherrschaft bei - 338-52
- zu Selbstbeschädigung und Selbst- Amtsdelikte
keine Unterlassungstäterschaft bei - E-605-Fall 665
mord 236 f. - als Pflichtdelikte 739-750
481 f., 494
Willensherrschaft bei Benutzung eines arbeitsteiliges Zusammenwirken 560 eigenhändige Delikte 575, 757 ff.
- absichtsloses doloses Werkzeug bei
vermindert Zurechnungsfähigen 719f., s. a. Mitwirkung im Aus- bei Herzberg 758 f.
den - 338-42
237 f. führungsstadium bei Schubarth 761 f.
Zuhälterei (§ 181 a a. F. StGB)
Willensherrschaft bei dolosen Werk- argentinische Generalsjunta bei Stratenwerth 761 f.
- als eigenh. Delikt 41 Off.
zeugen 252-60 Prozeß gegen die - 705 eigenhändige Tatbestandsverwirklichung
Ausführungsstadium 546ff, 563 ff., 575 f., 579 f., 600 f., 627,
Mitwirkung im - 560, 594, 601, 636f., 638,643, 651,673
631 f., 634, 719ff. Einfuhr von Betäubungsmitteln 630 ff.,
Autonomiegedanke 658, 663, 671 641 f.
bei M.-K. Meyer 657, 679 Entscheidungsherrschaft bei Jakobs 730 f.
bei Renzikowski 657, 681 ff. Entscheidungsverbund bei Heinrich 722
Entwurf E 1962 546, 549ff., 557, 574
Badewannenfall 550,552,561,600 error in persona
Bandenchef 731 f. Veranlassung oder Ausnutzung eines -
Befehlsempfänger 679, 700 ff.
- als Täter 563 ff. (Staschynskij), 646ff. - eines Mittäters 736
Beihilfe extrem-subjektive Theorie
- als Synonym für mildernde Umstände - in der Literatur 547 f., 558
647 ff. - in der Rechtsprechung 547, 577
Betäubungsmitteldelikte - und Gesetzgebung 548 ff.
Beteiligung an - 626 ff. Exzeß eines Mittäters 736
Beteiligungsformenlehre Steins 660 ff,
678, 725 68' fahrlässige Delikte
Beurteilungsspielraum - als Pflichtdelikte? 741 f.
- bei der Abgrenzung von Täterschaft fahrlässige Mittäterschaft 737 ff.
und Teilnahme 619,622,641,645 formal-objektive Theorie
bei Freund 665 ff.
Diebstahl funktionelle Tatherrschaft 560, 628, 656,
Mittäterschaft beim - 584 f., 599f. 719-739
mittelbare Täterschaft beim - 599, 718f. - als „negative Tatherrschaft" 721
814 815

Ganzheitstheorie Schmidhäusers 659 f. Mittäterschaft organisatorische Machtapparate 588, Schuld


Garantensonderdelikte 743 additive - 733 ff. 603, 610ff., 679f.,704ff - Zugehörigkeit der Täterschaft zur - ?
„Gestaltungsherrschaft" bei Bottke 742 alternative - 735 f. qualifikationsloses doloses Werkzeug 650 ff.
„Gestaltungsherrschaft" bei Jakobs 731 - durch Aufbewahren von Rauschgift 744, 746 ff.^ Schuldunfähige
640 Verantwortungsprinzip 685 f. Mitwirkung bei Straftaten - 693 ff.
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln - bei Betäubungsmitteldelikten 626 ff. Willensherrschaft 677 ff. Verursachung einer Selbstschädigung
627 ff., 633 f., 639 ff. - bei der Vergewaltigung 575 f., 579f., 593 b e i - 581
Handlungsherrschaft 643, 673 ff. - beim Diebstahl 584 f., 599 f. Mitwirkung am Kerngeschehen 620 ff. Selbstmord s. Selbsttötung, Doppelselbst-
- des Genötigten 673 f. - b e i m Versuch 720 M9 Mitwirkung im Ausführungsstadium mord
- und Willensherrschaft 673 ff. - als Entscheidungsherrschaft bei 560, 594, 601, 631 f., 634, 719ff Selbsttötung
Hanke-Fall 565 f. Jakobs 730 f. Mitwirkung im Vorbereitungsstadium Abgrenzung zwischen Beihilfe zur - und
Hausfriedensbruch (§123 StGB) - als Entscheidungsverbund bei 606ff., 610, 613ff., 617, 725ff mittelbarer Täterschaft 585 ff.,
- kein eigenhändiges Delikt 759 Heinrich 722 596 ff., 688 ff.
Hemmschwellengedanke Erheblichkeit der Mitwirkung im Aus- Nationaler Verteidigungsrat 610ff., 705 Abgrenzung von Beihilfe zur - und
bei Heinrich 684 f. führungsstadium 733 normative Kombinationstheorie 584, Tötung auf Verlangen (§216 StGB)
Herrschaftsdelikte 673ff, 738, 752 f. error in persona eines Mittäters 736 589, 594, 601, 604, 606, 608, 617, 619, 566ff, 589ff.
höchstpersönliche Pflichtdelikte 759 ff. Exzeß eines Mittäters 736 634 ff., 638, 640f., 644, 649, 660 Doppelselbstmord
- in der Wissenschaft 719 ff. normativ-psychologische Tatherrschaft a) einseitig fehlgeschlagener 566 ff.
Irrtum fahrlässige - 737 ff. 746 no b) vorgetäuschter 596 ff.
- bei Selbsttötung 585 ff, 596ff, 679 funktionelle Tatherrschaft s. dort Nötigungsherrschaft 673 f., 685ff, 696 durch Täuschung bewirkte - 585 ff.,
- über den konkreten Handlungssinn gemeinsamer Tatentschluß 723 ff. - bei Selbstverletzung und Selbstschädi- 596ff, 679
587, 597 f., 700 ff - bei Kuriertätigkeit 640 f. gung 688 ff. - in mittelbarer Täterschaft 624 f.
- über die Art des verwirklichten Tat- Mitwirkung im Ausführungsstadium - und Handlungsherrschaft 673 f. - in der Rechtsprechung 566ff., 585 ff.,
bestands 582 ff. 560, 594, 601, 631 f., 634, 725 ff. - und Irrtumsherrschaft 696 589ff., 596ff.
- über die Höhe des Unrechts 703 f. Mitwirkung bei Planung und Organi- NS-Gewaltverbrecher unterlassene Selbstmordhinderung
Irrtumsherrschaft 582 ff., 585 ff., 596ff., sation 729 ff. Prozesse gegen - 563, 646ff. 589 ff.
bQ2tt.,695ff Mitwirkung im Vorbereitungsstadium Selbstverantwortungsprinzip
- beim manipulierten error in persona 606ff., 610, 613f., 615, 617, 725ff Organisationsherrschaft 603,610ff, (bei Schumann) 657, 680 f.
700 ff. sukzessive - 577f., 592 f., 736 f. 614 ff., 618 f., 679 f., 704ff. Sirius-Fall 585ff, 598
- bei Irrtum über den konkreten Hand- untergeordnete Tätigkeit 639 f. - in wirtschaftlichen Unternehmen Sonderausschuß
lungssinn 587f., 597ff., 700ff mittelbare Täterschaft 677 ff., 746 ff. 61 lf., 614f., 618f., 644, 715ff. Beratungendes- 549ff, 557f.49
- beim Verbotsirrtum des Ausführenden (s. a. Willensherrschaft) Anstiftung durch - 709 ff. schriftlicher Bericht des - 549,
602 ff., 611 f., 680, 697 ff. absichtsloses doloses Werkzeug 599 f., Mittäterschaftsthese 711 ff. 573 f.
- bei vorsatzlos handelndem Werkzeug 718f Sonderdelikte 552 ff., s. a. Pflichtdelikte
695 . - bei Heinrich 684 f. Pflichtdelikte 555, 626, 739ff. vorsatzausschließende Täuschung bei -
- und Nötigungsherrschaft 696 - bei M.-K. Meyer 679 Amtsdelikte als - 744, 746ff. 552 f.
- bei Renzikowski 681 f. fahrlässige Delikte als - ? 741 f. Täuschung über die Voraussetzungen
Jugendliche - bei Schild 677 - in der Rechtsprechung 744 f. eines Rechtfertigungsgrundes bei -
Mitwirkung bei Taten - 693 - bei Schumann 680 qualifikationsloses doloses Werkzeug 554 ff.
- bei Stein und Köhler 678 745, 746 ff. Staschynskij-Fall 550, 552, 563 ff, 578,
Katzenkönigs-Fall 602ff, 612, 696541, - beim Diebstahl 599, 718 f. Unterlassungsdelikte als - 590 f., 595 f., 600, 647 ff., 651
69955'5 - beim Landfriedensbruch 588 f. 744, 750ff Steins Beteiligüngsformenlehre 660 ff.
Konkreter Handlungssinn - beim Suizid 688 ff. Pflichtgedanke und Tatherrschaft 746 ff. Strafzumessungserwägungen
mittelbare Täterschaft kraft Irrtums über - in der Rechtsprechung 581, 582 ff., - als Abgrenzungskriterien zwischen
den - 587 f., 597 ff., 700 ff 585 ff., 596ff., 602 ff., 609, 612 ff., qualifikationsloses doloses Werkzeug Täterschaft und Teilnahme 646 ff.
618 ff.,623 ff. 745, 746 ff. subjektive Teilnahmetheorie
Landfriedensbruch (§125 StGB) - in der Wissenschaft 677-719 Abgrenzungskriterien der Recht-
Täterschaft und Teilnahme beim - 588 f. Irrtumsherrschaft 671 ff. Rauschtat (§ 323 a StGB) sprechung 559ff., 642ff,646 ff.
Mitwirkung bei Taten Schuldunfähiger, - als Pflichtdelikt 760 extrem-subjektive Theorie: s. dort
materieller Tatbestandsbegriff 652 bei Kindern, Jugendlichen und vermin- Rechtsbeugung (§ 336 a. F. StGB) - in der Rechtsprechung 558-642
Mauerschützen 551, 610 ff, 643 dert Schuldunfähigen 693 ff. - als eigenhändiges Delikt 575, 758 - und eigenhändige Tatbestands-
methodologische Bemerkungen 670 ff. Nötigungsherrschaft 673 f., 685 ff, 696 Regreßverbot bei Renzikowski 657 verwirklichung 546 ff.
816 817

- und Gesetzgebung 546ff. Schild 669 f., 677 „Prinzip der Selbstverantwortung „Werkzeugprinzip" Herzbergs 686
- und richterliches Ermessen 646 ff. Schmidhäuser 659 f. der Anderen" bei Schumann 657, Willensherrschaft 677-719
Suizid s. Selbsttötung Schumann 657,680 680 f. absichtsloses doloses Werkzeug 599 f.,
sukzessive Mittäterschaft 577f., 592 f., Stein 660 ff. Übertragung .des - auf Irrtumsfälle ? 718 f.
736 f. - und Gesetzgebung 558 584, 603, 696 ff. Irrtumsherrschaft: s. dort
- und Rechtsprechung 559-642 Verbotsirrtum 602ff, 612, 680, 697 ff. - kraft organisatorischer Machtapparate
Tatbestandsbezogenheit Täuschung (s. a. Irrtum) mittelbare Täterschaft bei - 602ff, 612, 603, 610ff, 614ff., 618f., 644, 704ff
- der Tatherrschaft 582 ff. durch - bewirkte Selbsttötung 585 ff., 680, 697 ff. Mitwirkung bei den Taten Schuld-
- des Täterbegriffs 582 ff. 596ff., 679 unvermeidbarer - 603, 697 unfähiger und Jugendlicher 693 ff.
Tatbestandsherrschaft 583 - über den konkreten Handlungssinn vermeidbarer - 602ff. ,680, 697 ff. Nötigungsherrschaft 685 ff.
Täterbegriff 587 f., 598, 700 ff. Verhaltensnormen - und Handlungsherrschaft 673 f.
Kodifizierung des - 546 ff. - über die Voraussetzungen eines Recht- bei Stein 660 ff., 720, 725 681 - und Verantwortungsprinzip 685 f.
Täter hinter dem Täter 584, 601 ff. (603), fertigungsgrundes bei Sonderdelikten verminderte Schuldfähigkeit des Aus- Wittig-Fall 589 ff.
61 Off., 673f., 679 ff., 697ff., 704f. 554 f. führenden 694 f. Wortlaut des § 25 StGB 546, 549 ff., 561,
Kette mehrerer - 614 ff. vorsatzausschließende - bei Sonder- Versuch 580
Täterschaft und Teilnahme delikten 552 ff. Mittäterschaft beim - 720649 Wortlaut der §§ 26, 27 StGB 553 f., 557,
Abgrenzungskriterien der Recht- Teilnahme (s. a. Täterschaft) vorsätzliche Tat 561
sprechung 559-642, 642 ff., 646 ff. - an unvorsätzlicher Tat 552 ff. Teilnahme an unvorsätzlicher Tat?
- als Problem des Tatbestandes oder der - an vermeintlich vorsätzlicher Tat 552 ff. Zechkumpanen-Fall 559 ff.
Schuld? 650 ff. 556 ff. Beteiligung an vermeintlich - 556 ff. Zusammenwirken bei der Ausführung
- bei eigenhändigen Delikten 757-762 Teilnahmelehre vorsatzlos handelndes Werkzeug s. Mitwirkung im Ausführungsstadium
- bei Herrschaftsdelikten 673-739 Zuordnung der - zu Tatbestand oder mittelbare Täterschaft bei - 695
- bei Pflichtdelikten 739-757 Schuld 650 ff.
- durch Unterlassen 572 ff., 589ff., Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB)
595 f., 645, 750ff. 566ff,589ff,6SSi.
subjektive Teilnahmetheorie: s. dort
Tatherrschaft als Abgrenzungskriterium: Übergewichtstheorie Heglers 679
s. dort unmittelbare Täterschaft 546 ff., 563 ff.,
Tatherrschaft 600 f., 604 f., 618 ff., 673ff, 749809
- als funktionelle Tatherrschaft: s. dort Unterlassen
- als Handlungsherrschaft: s. dort Beteiligung durch - als eigene Mitwir-
- als Willensherrschaft: s. dort kungsform 572 f., 756
- des entschuldigt Handelnden 673 f. unterlassene Selbstmordhinderung
- des Genötigten 673 589 ff.
- des-Nötigenden 685 ff. Unterlassungen
- und Pflichtdelikte 741 ff. Abgrenzung von Täterschaft und Teil-
- und Unterlassungen 572 ff., 589ff., nahme bei - 572ff., 589ff., 595f.,
595 f., 644 ff., 750 ff. 750 ff.
Tatherrschaftslehre Unterlassungsdelikte
Entwicklung in der Wissenschaft ab 1963 - als Pflichtdelikte 572 ff., 589ff., 595 f.,
655-739 750ff
in der Literatur Untreue als Pflichtdelikt 626, 745, 747,
bei Freund 665 ff. 749 809
Heinrich 657, 668, 684 f. Unzurechnungsfähige
Hoyer 655 Mitwirkung bei Taten - 693 ff.
Jakobs 658 Verursachung einer Selbstschädigung
Jescheck/Weigend 746 nx b e i - 581
Joecks 655
Klesczewski 662 ff. Verantwortungsprinzip
Köhler 662 ff., 678 - bei Freund 666
M.-K. Meyer 657, 679 - in Nötigungsfällen 685 ff, 698
Renzikowski 657, 681 ff. - Selbstmordfällen 688 ff.
Verzeichnis der Rezensionen
Zur 1. Auflage 1963

Aeppli SchweizJZ 1965, S. 67


Blei NJW1965, S. 1218
Geerds GA 1965, S. 216-219
Gimbernat-Ordei£ Anuario de Derecho Penal y Ciencias Penales, Bd. 17, 1964,
S. 548-553
Hardwig JZ 1965, S. 667-671
Honig MSchrKrim, Bd. 49, 1966, S. 41-44
Kunst ÖJZ1966, S. 559-560
Lange ZStW 77 (1965), S. 312-321
Naka Universität Kansai, Studiensammlung, Bd. 15, 1965, S. 172-192
und S. 273-297
Schultz SchweizZSt, Bd. 82, 1966, S. 83-85

Zur 2. Auflage 1967


Blau GA1968, S. 128
Dreher MDR1968, S. 91-92
Kunst ÖJZ1968, S. 503-504
Schroeder Recht in Ost und West 1968, S. 267-268
Schultz SchweizZSt, Bd. 85, 1969, S. 207-208

Zur 3. Auflage 1975


Blei JA 1976, S. 87
Dreher MDR1976, S. 435-436
Geerds Archiv für Kriminologie, Bd. 158, 1976, S. 190
Gössel GA 1977, S. 60-61
Kienapfel JR 1977, S. 130
Kunst ÖJZ1977, S. 112
A. M. Revue de Droit Penal et de Criminologie, 1976, S. 205-206
Maiwald ZStW 88 (1976), S. 727-740
H. Mü. Landeskriminalblatt Niedersachsen, 1976, Nr. 15
Roth Die Justiz, 1976, Nr. 9
H. S. DRiZ 1976, S. 256
Schultz SchweizZSt, Bd. 93, 1977, S. 407-408
Schwenck Neue Zeitschrift für Wehrrecht, 1976, S. 118-119
Tschulik Österreichische Richterzeitung 1977, S. 87-88
Wasek Panstwo i Prawo (Staat und Recht; Polen) 1977 S. 143-146
Weber Landeskriminalblatt Rheinland-Pfalz, 1976, Nr. 4
820

Zur 4. Auflage 1984


Kohl Revue de Droit Penal et de Criminologie 1986, Nr. 4
Kunst ÖJZ 1984, S. 616
Otto Jura 1985, S. 112
Schroeder GA 1985, S. 335-336
Schumann German Studies, 1988, S. 22-26
Schultz SchweizZSt, Bd. 103, 1986, S. 116-117
W. Die neue Polizei 1986, Nr. 2
Zipf Zeitschrift für Rechtsvergleichung 1985, Nr. 4

Zur 5. Auflage 1990


Geerds Archiv für Kriminologie 1990, S. 189
Gössel GA1990, S. 570-571
Meurer NJW 1990, S. 2540
Müller-Dietz ZfStrVO 1990, S. 380
Schroeder JZ 1991, S. 455
Schultz SchweizZSt, Bd. 108, 1991, S. 470

Zur 6. Auflage 1994


Graul JR 1997, S. 260
Schmitt Archiv für Kriminologie 1995, S. 127
Schroeder GA 1996, S. 233

Universidad de Navarra
Servicio de Bibliotecas

Vous aimerez peut-être aussi