Académique Documents
Professionnel Documents
Culture Documents
INTERVIEWPARTNER:
Prof. Dietz Bering, Uni Köln.
Prof. Michael Wolffsohn
Ruth Künzel, Köln, Studentin, Mitglied im Verein „Heimatsucher“
Besondere Anmerkungen:
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
2
Ansage
Seit dem 1. Januar 1939 mussten alle Jüdinnen und Juden im
nationalsozialistischen Deutschland zusätzliche Vornamen annehmen: die Frauen
„Sara“, die Männer „Israel“. Es war ein Schritt auf dem Weg zur reinen Nummer.
Die Geschichte der jüdischen Namen in Europa erzählt viel über Antisemitismus -
aber auch über die Emanzipation der Juden.
O-Ton 1 Grips-Theater
Unterschreiben, na wird’s bald?
Sie heißen?
Inge Deutschkron!
Falsch!
Der Jude heißt Israel, die Jüdin heißt Sara!
Sie unterschreiben hier mit Ingeborg Sara Deutschkron!
Na, wird‘s bald!
Der Name Sara ist bei jedem Anlass anzugeben!
MUSIK M01
Sprecherin:
Solche Gespräche müssen Jüdinnen, Juden während der NS-Zeit in Behörden
führen. Das Berliner Grips-Theater spielt sie in dem Stück „Ab heute heißt Du
Sara“. Es erzählt die Geschichte von Inge Deutschkron: Sie ist zehn Jahre alt, als
die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Die Verfolgung in Berlin überlebt sie
später im Untergrund. Als sie aber einen Pass beantragt, wird sie belehrt, dass sie
ihrem Vornamen den Name Sara hinzufügen muss. Denn am 1. Januar 1939 tritt
die Verordnung in Kraft:
Zitator:
Juden müssen zusätzlich einen Vornamen annehmen und zwar männliche
Personen den Vornamen Israel, weibliche Personen den Vornamen Sara.
Wer /../ einen zusätzlichen Vornamen führen muss, ist verpflichtet, hiervon
innerhalb eines Monats /../ dem Standesamt, bei dem seine Geburt und seine
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
3
Sprecherin:
In Dresden notiert der Schriftsteller Victor Klemperer in sein Tagebuch:
MUSIK M02
Zitator:
Vor fünf Minuten habe ich das eben veröffentlichte Gesetz über die jüdischen
Vornamen gelesen. Es wäre zum Lachen, wenn man nicht den Verstand darüber
verlieren könnte.
Ich selber habe also den Standesämtern Landsberg und Berlin zu melden, dass
ich Victor-Israel heiße.
MUSIK M03
Sprecherin:
Sagt der Historiker und Sprachwissenschaftler Professor Dietz Bering. Diese
Namen verschärfen die Situation für Juden in Deutschland. Schon 1935 hatten die
Nürnberger Rassegesetze mit ihren Schikanen den Alltag schwergemacht. Die
Reichspogromnacht am 9. November 1938 ist ein Ausbruch öffentlicher Gewalt
und zeigt überdeutlich, wie skrupellos Juden verfolgt werden.
Dass sie als Staatsangehörige Deutsche sind und sich selbst als Deutsche fühlen,
zählt jetzt nicht mehr.
Von September 1941 an müssen sie sich mit dem gelben Stern kennzeichnen.
Schließlich werden sie deportiert. Dietz Bering, der ein Standardwerk über die
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
4
MUSIK M04
Sprecherin:
An der Geschichte jüdischer Namen lässt sich in vielen Epochen in Deutschland,
aber auch in ganz Europa, die Qualität der Beziehungen zwischen der Mehrheit
der Bevölkerung und der jüdischen Minderheit ablesen. Die Geschichte reicht weit
zurück:
Zitator:
Adam
Sprecherin:
Eva
Zitator:
Abraham
Sprecherin:
Sarah
Zitator:
Isaak
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
5
Sprecherin:
Rebekka
Zitator:
Jakob
Sprecherin:
Lea
Zitator:
Rahel
Joseph
Benjamin
Die letzten Namen ausblenden, Musik evtl noch etwas länger stehen lassen,
darüber:
Sprecherin:
Jüdische oder hebräische Vornamen sind die Namen der Bibel. Und damit beginnt
ihre Besonderheit.
Gott erscheint im ersten Buch Mose – in der Genesis – sogar selbst als
Namensgeber.
Jakob, der sich den Familiensegen von seinem Vater Isaak erschlichen hatte,
kämpft auf seiner Wanderschaft am Fluss Jabbok mit einem unsichtbaren Wesen.
Es verletzt ihn an der Hüfte, lobt aber seinen Mut im Kampf. Als Zeichen dieser
Anerkennung soll Jakob fortan einen neuen Namen tragen:
Zitator:
Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel, denn du hast mit Gott und
Menschen gekämpft und hast gewonnen.
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
6
Sprecherin:
Die hebräische Silbe „El“ bedeutet Gott. Und ist Teil vieler Namen:
Zitator:
Gabriel, Raphael, Michael
Sprecherin:
„Israel“ heißt übersetzt „Gottesstreiter“ oder „Gott möge streiten“. Jakob wird in
der Bibel und in den literarischen Erzählungen seines Lebens, etwa in Thomas
Manns Roman „Joseph und seine Brüder“, weiterhin Jakob genannt. Sein Stamm
aber heißt „Israel“ und daraus leitet sich auch der Name für das Land Israel ab.
In der Bibel gilt Gott aber nicht allein als Namensgeber für Jakob und das jüdische
Volk. Der Prophet Jesaja sagt sogar, Gott kenne jeden Menschen mit Namen:
Zitator:
Fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöst.
Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen und Du bist mein.
MUSIK M05
Sprecherin:
Die Nachnamen jüdischer Bürger, jüdischer Familien sind in Europa seit dem
Mittelalter ein Politikum.
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
7
Sprecherin:
Sie sind zugereist. Sie gehören nicht zum Gefüge eines Dorfes, einer Stadt. Juden
sind – sofort erkennbar – ein eigener Stand.
MUSIK M06
Die Aufklärung spricht jedem Menschen eigene Würde zu. Vorstellungen, die
zunächst Philosophen entwickelt haben, werden zu politischen Forderungen. Die
Französische Revolution im Jahr 1789 ist dafür das markanteste Ereignis. In den
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
8
Jahrzehnten danach prägen die Ideale der Aufklärung das Zusammenleben in den
europäischen Staaten.
In Frankreich um 1800 entwickelt Napoleon einen Rechtsstaat, in Österreich
regiert die Habsburger Dynastie, und die deutschen Kleinstaaten organisieren
jeweils ihr eigenes Recht.
Das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit ist überall neu zu regeln. Das
betrifft besonders jüdische Bürger. Sie sollen rechtlich gleichgestellt werden. Die
Namen spielen dabei eine entscheidende Rolle: Sie gelten als Zeichen für den
neuen Status – jedes Land geht auf eigene Weise damit um.
In Frankreich sollen Juden ausdrücklich nicht mehr erkennbar sein, sobald sie sich
vorstellen. Jacques und Francoise Dupont sind vielleicht Juden, vielleicht nicht:
Sprecherin:
Auch in Österreich sollen sich Juden emanzipieren und in der einheimischen
Gesellschaft unauffällig werden. Weder Vor- noch Nachname soll auf ihre jüdische
Herkunft hindeuten. Emanzipation durch Angleichung, durch Assimilation.
Anders in Preußen.
Sprecherin:
Im Jahr 1812 wird die Preußische Gesetzgebung reformiert. Den weitreichendsten
Vorschlag dafür hatte der Gelehrte Wilhelm von Humboldt gemacht. Er schlug vor,
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
9
mit dem Wort „Jude“ einzig und allein die Zugehörigkeit zur Religion zu
bezeichnen – und Judentum als eigenes Volk gar nicht mehr mitzudenken.
Zitator:
Ich würde daher dafür stimmen, Juden und Christen vollkommen gleich zu stellen
MUSIK M06
Sprecherin:
Die Juristen, die die Gedanken der Aufklärung in preußischem Recht fassen
wollen, gehen aber nicht ganz so weit. Die einen schlagen vor, Juden müssten als
„Juden“ angesprochen werden, andere bevorzugen dafür den Ausdruck
„Mosaisten“ und wieder andere wollen jüdischen Männer verpflichten, bestimmte
Bärte zu tragen.
König Friedrich-Wilhelm III. aber will von all dem nichts wissen und stellt Juden
anderen Bürgern gleich.
Allerdings müssen sie jetzt Nachnamen annehmen, die sie selbst aussuchen. Sie
dürfen sich als Juden kenntlich machen, müssen es aber nicht.
Am 11. März 1812 ergeht das:
Zitator:
Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden im Preußischen Staate.
Die Fortdauer dieser ihnen beigelegten Eigenschaft als Einländer und
Staatsbürger wird aber nur unter der Verpflichtung gestattet: dass sie feste
Familien-Namen führen.
Musik ausblenden
Sprecherin:
Ein halbes Jahr haben diejenigen, die bislang – zum Beispiel – Nathan ben
Abraham heißen, Zeit ihrem Rufnamen einen neuen Nachnamen hinzuzusetzen.
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
10
Manche entscheiden sich für moderne Namen, inspiriert von ihrem Beruf oder
Wohnort:
MUSIK M04
Zitator:
Blumenthal
Sprecherin:
Birnbaum
Zitator:
Oppenheim
Sprecherin:
Friedländer
Zitator:
Bär
Sprecherin:
Die meisten aber lassen stolz ihren jüdischen Ursprung sichtbar:
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
11
Sprecherin:
Moses Mendelssohn, der Philosoph, ist einer der bekanntesten Preußen mit
jüdischem Namen. Sein Enkel – 1809 geboren - bekommt bei seiner Taufe einen
christlich klingenden zweiten Nachnamen und heißt dann Mendelssohn Bartholdy,
der spätere Komponist:
MUSIK M08
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
12
MUSIK M04
Zitator:
Blumenthal
Sprecherin:
Birnbaum
Zitator:
Oppenheim
Sprecherin:
Friedländer
Zitator:
Bär
Sprecherin:
Solche Namen haben jüdische Familien in Preußen als Nachnamen gewählt.
Vermutlich ist das für jede Familie ein schwieriger Prozess, den sie an langen
Sabbatabenden ausführlich besprechen. Welcher Name passt? Welcher klingt
gut? Wie nahe ist er an den jüdischen Wurzeln?
Die Mehrzahl der Namen wird dann auch nicht ausgesprochen jüdisch. An den
sprechenden Namen werden sie jedoch bis in die heutige Zeit als Juden erkannt
oder zumindest vermutet.
Manche sehen sich dadurch benachteiligt.
Der Historiker Dietz Bering hat für sein Buch „Der Name als Stigma“ die
entsprechenden Beschwerden an preußische, nach Gründung des deutschen
Reichs 1871 an deutsche Behörden durchforstet. Er kommt zu dem Ergebnis: Nur
wenige Juden wollten einen neuen Namen. Dennoch hält sich das Gerücht, Juden
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
13
hätten für ihre Namen gezahlt. Wer wenig Geld hatte, sei mit Schandnamen
abgespeist worden. Bering widerspricht:
MUSIK M06
Sprecherin:
Von 50.000 Menschen, die in Preußen und dem jungen deutschen Staat einen
neuen Namen beantragen, sind nur 3500 Juden. Das deutet daraufhin, dass die
Mehrheit in ihrem Namen, selbst wenn er als jüdisch erkennbar ist, keine Gefahr
sieht. Dennoch werden Juden angefeindet. Viele berichten von einem latenten und
teilweise auch offenen Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft im
ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Atmo Wochenschau
Diesen Antisemitismus schüren dann die Nationalsozialisten weiter. Selbst in
Kinderbüchern werden Juden schon bald verunglimpft, ihre Namen lächerlich
gemacht.
Zitator:
Gibt’s Blühdorn auch und Siebenreich
Veilchenblau und Löwenstein
Und außerdem der Jude wählt
Von Tieren sich noch Namen aus,
So heißt er Katz und Hirsch und Strauß,
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
14
Sprecherin:
Im Jahr 1938 verschärft die Staatsführung die Situation für jüdische Deutsche
drastisch. Am 5. Januar 1938 ergeht
Zitator:
Das Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen
Sprecherin:
Die genauen Regelungen für jüdische Namen legt das Innenministerium am 17.
August 1938 fest. Darin geht es nicht allein um die zusätzlichen Namen, die Juden
führen müssen, Sara und Israel. Der NS-Staat schreibt auch vor, dass Juden ihren
Kindern nur bestimmte Namen geben dürfen, ungewöhnliche Namen:
MUSIK M04
Zitator:
Abel, Abieser, Abimelech, Abner, Absalom, Ahab, Ahasja, Ahasver, Akiba, Amon,
Anschel, Aron, Asahel, Asaria, Ascher, Asriel, Assur, Athalja, Awigdor, Awrum;
(nach einigen Namen darüber):
Sprecherin:
Der Historiker Michael Wolfssohn
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
15
Sprecherin:
Dass sich Männer ‚Israel‘ nennen mussten, also mit dem Namen, den Gott selbst
dem jüdischen Urvater Jakob gab, ist ein besonders zynischer Moment dieser
Geschichte.
Viele Berliner konnten das neue Gesetz gar nicht schnell genug umsetzen,
schildert Inge Deutschkron in ihrer Autobiografie „Ich trug den gelben Stern“:
Zitatorin:
Ich sah, wie am Kurfürstendamm emsige Maler die Namen der jüdischen
Geschäftsinhaber mit großen Lettern auf die Scheiben der Schaufenster malten.
Natürlich mit dem entsprechenden Zusatznamen „Israel“ oder „Sara“.
Sprecherin:
Adolf Hitler unterschreibt das Namensgesetz selbst.
Die Verordnung über die jüdischen Namen vom August ‘38 aber stammt von dem
Mann, der, kaum ist die NS-Diktatur vorbei, in der Bundesrepublik Karriere macht:
von dem Juristen Hans Globke. Unter Konrad Adenauer leitet er das Kanzleramt.
MUSIK M12
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
16
die er erhoben hat. Weite Kreise in Deutschland wenden sich jüdischer Kultur zu.
Klezmer Musik wird bekannt, biblische Namen sind modern:
MUSIK M03
Sprecherin:
Unsystematisch gesammelte private Erfahrungen zeigen, dass viele Eltern die
Namen ihres Klangs wegen wählen und sich kaum mit den biblischen Vorbildern
beschäftigen.
Lea etwa, in den vergangenen Jahren weit vorn in der Liste beliebter
Mädchennamen, geht auf eine problematische Figur zurück. Lea ist zwar die
Mutter einiger Söhne Jakobs, war aber immer dessen ungeliebte Frau. Er zeugte
– so die Bibel - nur Kinder mit ihr, weil sein Schwiegervater ihm diese, seine
älteste Tochter untergeschoben hatte.
Jakob war mit ihr verheiratet, musste aber weitere sieben Jahre auf die geliebte
Rahel zu warten. Mit ihr zeugt Jakob dann seine Herzenskinder Joseph und
Benjamin. Rahel stirbt allerdings jung bei der Geburt des zweiten Sohnes.
Die meisten biblischen Gestalten haben Schicksale, die Eltern einem Kind nicht
zumuten möchten und trotzdem mit dem Namen an die Figur erinnern. Manche
aber nehmen die Bedeutung von deren Namen gern mit auf ihren Lebensweg.
Ruth Künzel zum Beispiel:
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
17
MUSIK M04
Sprecherin:
Biblisch-jüdische Namen tragen eine Geschichte in sich. Menschen, die so
heißen, entdecken diese Geschichte nach und nach und stellen manchmal
überrascht fest, dass sie zu ihrem Leben passt. Zudem klingt in den Namen das
Schicksal der Juden an, die ihre eigenen Namen mal versteckten, um anerkannt
werden, mal zu bestimmten Namen gezwungen wurden.
Heute haben Juden an manchen Orten in Deutschland wieder Angst vor
Übergriffen und verstecken sich, während Nicht-Juden biblischen Namen
selbstbewusst tragen. Viel von deren wechselvoller Geschichte drückt der
Mädchenname Sara aus:
Zitator:
Sara kommt von Zores oder hebräisch Zaroth. Das bedeutet Sorgen.
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de
18
Absage
Ab morgen heißt du Sara – Irene Dänzer-Vanotti hat die Geschichte der jüdischen
Namen in Europa erzählt. Gesprochen haben: Franziska Ball, Johannes
Hitzelberger und Constanze Fenner
Ton und Technik: Winfried Messmer
Regie: Rainer Schaller
Redaktion: Thomas Morawetz
________________________________________________________________________________________________
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
© Bayerischer Rundfunk 2018
Bayern 2-Hörerservice
Bayerischer Rundfunk, 80300 München; kostenlose Service-Nr.: 0800-5900 222 / Fax: 089/5900-3862
service@bayern2.de; www.bayern2.de