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Matrikelnummer: 0813146
März 2016
i
ii
Meinen Eltern Gerhard und Karoline Trammer,
iii
Abstract
iv
Inhaltverzeichnis
I. Einleitung............................................................................... 1
II. Literaturbericht...................................................................... 3
v
V. Analyse der „Waldszenen“ ................................................... 61
1. Zu den einzelnen Stücken ........................................................... 61
1.1. „Eintritt“........................................................................... 61
1.2. „Jäger auf der Lauer“...................................................... 64
1.3. „Einsame Blumen“ .......................................................... 66
1.4. „Verrufene Stelle“ ........................................................... 69
1.5. „Freundliche Landschaft“................................................ 72
1.6. „Herberge“ ...................................................................... 74
1.7. „Vogel als Prophet“......................................................... 78
1.8. „Jagdlied“ ....................................................................... 83
1.9. „Abschied“ ...................................................................... 85
2. Verbindende Elemente der „Waldszenen“ ................................... 89
2.1. Der Zykluscharakter ....................................................... 89
2.2. Das Problem der analytischen Formklärung .................. 96
2.3. Allgemeine Kompositionstechniken
in den „Waldszenen“ ................................................... 98
vi
I. Einleitung
Dafür werde ich im ersten Teil detailliert auf das Sujet des Werkes eingehen.
Die Entwicklung von Traditionen zur Nachahmung bzw. Darstellung von Natur
im allgemeineren Sinne wird hier ebenso erläutert, wie die besondere
Bedeutung des Waldes für die Deutschen. Die Wurzeln für diese enge
Verknüpfung gehen bis in die Römerzeit zurück und wirken bis in die Romantik
und darüber hinaus nach. Erst durch die Aufarbeitung dieses Hintergrundes
wird die hohe Stellung des Waldes als Thema in der Kunst der deutschen
Romantik verständlich.
Ich hoffe, mit meiner Masterarbeit einen möglichst umfassenden Überblick über
dieses allzu oft unterschätzte Werk geben und einen kleinen Beitrag zum
weiteren Verständnis der „Waldszenen“ leisten zu können.
2
II. Literaturbericht
Ich begegnete bei meiner Recherche natürlich einer Fülle an Literatur in der
Schumann-Forschung. Dabei bilden seine originalen Zeugnisse
schriftstellerischer Tätigkeit natürlich eine wertvolle Grundlage. Ich beziehe
mich hier vor allem auf die verschiedenen, umfangreichen Brief-Editionen, die
von Gerd Nauhaus herausgegebenen Tage- und Haushaltsbücher, die
„Gesammelten Schriften über Musik und Musiker“ und natürlich die „Neue
Zeitschrift für Musik“.
Daneben gibt es eine Vielzahl von verwendeten Büchern und Artikeln, die ich
an den jeweiligen Stellen und natürlich im Quellenverzeichnis detailliert anführe.
3
III. Das Sujet der „Waldszenen“
In diesem ersten Teil meiner Masterarbeit wird das Sujet der „Waldszenen“
behandelt. In der Klaviermusik begegnen wir dem Phänomen, dass – im
Vergleich zur Musik anderer Instrumentengruppen – häufiger
außermusikalische Inhalte dargestellt werden bzw. Stücke oder ganze Zyklen
mehr oder weniger konkrete Titel und Überschriften erhalten.
Im ersten Kapitel dieses Teiles beschäftige ich mich grundsätzlich mit dem
allgemeineren Sujet der Natur und seine Umsetzung durch die Musik. Dafür
werde ich zuerst auf verschiedene Sichtweisen auf die Natur per se eingehen
um die Bedeutung derselben für die Menschen der jeweiligen Epochen
verständlicher zu machen. Danach wird die Entwicklung der Naturnachahmung
und -darstellung durch die Musik erläutert. Ein besonderes Augenmerk lege ich
dabei auf das Thema Jagd und Vogelgesang, da diese beiden Naturthemen
eine lange Tradition haben und zu den ältesten Motiven der Musikgeschichte
zählen.
Im zweiten Kapitel werde ich näher auf den Wald als eigentliches Sujet des hier
behandelten Werkes eingehen. Dafür erscheint es mir unerlässlich, die
besondere Bedeutung des Waldes für die Deutschen hervorzuheben und in
einem eigenen Abschnitt näher zu betrachten. Erst dadurch wird das
darauffolgende Kapitel über den Wald als Thema in der romantischen Kunst
verständlich. Dabei werde ich einige wichtige Beispiele aus der Dichtung, der
Malerei und der Musik näher erläutern um den Ausgangspunkt für Schumanns
Waldkomposition zu klären.
Im vierten Kapitel wende ich mich einem überaus wichtigen Bereich der
deutschen Romantik zu: der Diskussion über die Programmmusik. Dabei werde
ich unterschiedliche Ansätze verschiedener Komponisten, Musikkritiker und
Philosophen des 19. Jahrhunderts darlegen und natürlich auf Schumanns
4
Position in diesem Diskurs und der Bedeutung des Poetischen in der Musik
näher eingehen.
Anders als in der Literatur und der bildenden Kunst begegnen wir in der Musik,
insbesondere in der Instrumentalmusik, dem Problem, dass sie sich
vergleichsweise relativ schwer zu einem außermusikalischen Phänomen in
Beziehung setzen lässt. Der immaterielle Charakter von Tönen und Klängen
kann nicht direkt oder zwingend auf etwas Außermusikalisches verweisen. So
ist dies auch mit dem Sujet Natur. Der Unterschied zu den anderen Künsten
liegt bei der Musik in der Art und Weise ihres Verweischarakters. Die Sprache
beruht hauptsächlich auf Konvention, d.h. ihre Bedeutung wird durch den
Gebrauch bestimmt. Bildliche Darstellungen deuten grundsätzlich meist
unmittelbar auf ihren Inhalt hin, wobei auch hier die Kluft zum Gemeinten
natürlich immer bestehen bleibt. Trotzdem erreichen die Literatur sowie die
bildende Kunst durch ihre begriffliche Vermittlung einen Grad an Konkretheit,
der der Musik trotz aller Bemühungen verschlossen bleiben wird. Die Musik ist
für die Darstellung bzw. konkrete Vermittlung von außermusikalischen Inhalten
auf Hilfestellungen wie Überschriften bis hin zu detaillierten Programmen
angewiesen. Auf die Problematik der Programmmusik werde ich weiter unten
noch genauer eingehen. Neben literarischer Hilfeleistungen vereinfachen aber
auch zum Beispiel Bühnenbilder die Vermittlung von Inhalten in der Musik.1
1
Vgl. Jost 1989, S. 71-72.
5
1.1. Voraussetzung: Die Entwicklung des Naturbegriffs:
Da es in diesem ersten Teil zunächst darum geht, wie sich die musikalische
Darstellung der Natur musikgeschichtlich entwickelt hat, ist es auch nützlich,
einen kurzen Blick darauf zu werfen, wie sich der Naturbegriff per se über die
Jahrhunderte verändert hat. Mit diesem Thema hat sich unter anderem Helga
De La Motte beschäftigt. Sie hat folgende vier Sichtweisen des allgemeinen
Naturbegriffs formuliert:
Nr. 1: In der Antike entwickelt sich die Sichtweise, Natur sei die Erscheinung
einer ewigen Ordnung. Der Kreislauf der Gestirne galt als sicherer Beweis
dafür, den man in den harmonischen Proportionen von Klängen sinnlich
veranschaulichen wollte. Diese Art pythagoreischen Denkens findet man bis hin
zu Kepler, ist aber auch in der Musik des 20. Jahrhunderts durchaus zu
beobachten.2
Nr. 2.: Erst im 17. Jahrhundert wurde diese Sichtweise immer mehr durch die
technisch-praktische Bedeutung der Mathematik und die modernen
Naturwissenschaften ersetzt. Die Natur wurde nun als Energie- und
Rohstoffvorrat begriffen, der zur Steigerung des menschlichen Wohlergehens
dienen sollte. Die verinnerlichte biblische Maxime „Macht Euch die Erde
untertan!“ führte zur Idee des Menschen als zweiten Schöpfer und löste
infolgedessen in der Genieästhetik auch den bisher engen Zusammenhang
2
In Paul Hindemiths Kepler-Oper und in dessen Symphonie „Harmonie der Welt“ erkennt man
die Musik als kosmisches Gleichnis. Die Sphärenharmonik spielt auch in Ferruccio Busonis
Werk und Denken eine wesentliche Rolle. In den Stücken Josef Matthias Hauers kann Helga
De La Motte ebenso diese kosmologische Denkweise erkennen. Sie meint, dass Hauers Stücke
alle durch das Zwölftonspiel einem allgemeinen Prinzip folgen. Er gibt aus diesem Grund sogar
den Werkbegriff für seine Stücke gänzlich auf. Hauer lebt nämlich in der Überzeugung, Gott
habe eine absolute Musik geschaffen, die ewig existiert und er als Komponist versucht in seinen
Stücken, ein Abbild dieser kosmischen Welt zu schaffen. Auch bei Stockhausen lässt sich eine
ähnliche Denkweise erkennen. Er sagte, er sei zwar kein Pythagoras-Spezialist, doch erscheine
ihm diese Lehre einer einheitlichen Weltkonzeption sehr überzeugend. Daraus resultiere, dass
alles aufeinander bezogen ist, also Intervalle hat und dadurch letztlich alles Musik ist. Das
kosmologische Denken des 20. Jahrhunderts ist aber natürlich eine erweiterte Form der antiken
platonisch-pythagoreischen Lehre, in der es hauptsächlich um Relationen und Proportionen im
Kontext eines universalen Strukturprinzips geht. Im 20. Jahrhundert stehen im Vergleich dazu
dynamische Eigenschaften wie die Betrachtung von Energien und Kräfte im Vordergrund.
Komponisten wie Alvin Lucier haben zum Beispiel versucht, mathematisch zu bestimmende
Proportionen in kreativer Weise in dynamische Prozesse umzuformen und sahen darin keinen
Widerspruch zur allgemeinen Haltung, alles liege einer universalen Ordnung zugrunde. (Vgl. De
La Motte 2009, S. 22-24).
6
zwischen Kunst und Natur auf. Die Autonomie der Kunst trat immer weiter in
den Vordergrund.
Nr. 3: Trotz allen wissenschaftlichen und rationalen Denkens, blieb die Natur
rätselhaft und voller unerklärlicher Geheimnisse. Im 19. Jahrhundert änderte
sich das allgemeine Lebensgefühl durch die immer schneller wachsenden
Städte und die Industrialisierung gravierend. Die Natur wurde zum
Sehnsuchtsraum einer geheimnisvollen, fernen Welt. Auch in der
naturwissenschaftlichen Forschung wirkte sich dieses Lebensgefühl wesentlich
aus. Die Wissenschaftler gewannen ihre kosmologischen Vorstellungen von der
Welt und die Faszination über die Phänomene der Natur zurück. Manchmal ist
eine regelrechte Andachtsstimmung der Natur gegenüber zu erkennen.
Nr. 4: Meinte der Begriff Ökologie früher das Zusammenspiel des Menschen mit
dem Haushalt der Natur, engt das heutige ökologische Denken den Naturbegriff
stark ein. Die Natur wird in diesem Zusammenhang nicht mehr als
bewundernswert und faszinierend empfunden, vielmehr wird sie zu einer
schonungsbedürftigen und schwachen Natur degradiert, für die wir Menschen
Verantwortung übernehmen sollten. Nicht das Universum wird im ökologischen
Denken als Natur verstanden, sondern nur der zu erhaltende Lebensraum der
Menschheit. Somit wurde der Naturbegriff auf die Biosphäre unserer Umwelt
reduziert.3
Die heutige allgemeine Beziehung des Menschen zur Natur ist auch eine kurze
Betrachtung wert. Die meisten Menschen der westlichen Welt sitzen täglich
stundenlang vor Computern in ihren Büros in oft großen Städten und haben
häufig sehr wenig Bezug zur Natur. Regenwälder und ganze Ökosysteme
werden zerstört um Rohstoffe zu gewinnen. Tiere werden gezüchtet um dann
zum größten Teil fürchterlich ausgebeutet zu werden. Für die Menschen
dagegen wenig nützliche Tiere sind vom Aussterben bedroht. Diese Auflistung
3
Vgl. De La Motte 2009, S. 20-22.
7
könnte ins Unermessliche fortgeführt werden und würde hier den Rahmen
sprengen. Es muss nicht erwähnt werden, dass die gesunde Beziehung der
Menschheit zur umgebenden Natur geschwächt ist. Gleichzeitig sehnen wir uns
als Teil der Natur natürlich nach dieser Ursprünglichkeit und Geborgenheit in
der eigentlich ursprünglichen Umgebung. Um sich zu beruhigen und diese
Trennung zu kompensieren, kaufen Menschen zum Beispiel CDs mit
Naturgeräuschen wie Meeresrauschen oder Walgeräuschen etc.4
1.2. Die Nachahmung und Darstellung der Natur durch die Musik:
4
Vgl. Hiekel & Gerwink 2009, S. 15-17.
5
Vgl. Jost 1989, S, 72-73.
8
Die Nachahmung rein akustischer Merkmale ist also nicht ausreichend, um zum
Beispiel die Idee eines Waldes zu vermitteln. Auch das Gebiet der
Bewegungsnachahmung besitzt einen hohen Stellenwert in dieser Hinsicht. In
der Vokalmusik findet man eine direkte Analogie von Wortsinn und
musikalischer Setzung. Eine ähnliche Wort-Ton-Beziehung ist bereits in der
antiken Rhetorik zu finden. In Anlehnung daran wurden in der italienischen
Renaissance gewisse Satz- und Wortfiguren in bestimmte musikalische
Wendungen übersetzt und besonders häufige Wörter oder Inhalte als Formeln
in dieser Hinsicht regelrecht normiert. Einen Höhepunkt dieser Entwicklung
findet man im schon weiter oben erwähnten italienischen Madrigal. Auch im
deutschsprachigen Raum lässt sich diese Wortsemantik finden. Ein Beispiel
hierfür ist Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (1523/24). Die
musikalische Darstellung eines Bewegungsvorganges lässt sich außerdem
bereits an der Notierung feststellen. Man denke an die Unterschiede zwischen
„Augenmusik“ und reiner „Ohrenmusik“.6
Für häufige Inhalte haben sich Traditionen für die musikalische Umsetzung
gebildet. Sehr häufig findet man Stücke mit folgenden naturbezogenen Inhalten:
Jahreszeiten, Sturm- und Gewitter und pastorale Idylle. Im „Fitzwilliam Virginal
Book“ (ca. 1625) findet man eine interessante Darstellung verschiedener
Wettersituationen („Faire Wether“; „Lightning“, „Thunder“, „A cleare Day“) des
Komponisten John Munday. Der real rein visuelle Blitz wird hier durch eine
schnelle abwärts gerichtete Tonfolge akustisch dargestellt. Unmittelbar darauf
folgt die Darstellung des Donners mit raschen Bassbewegungen, die diesen
naturalistisch nachahmen sollen. Vertonungen etwa eines dunklen Waldes
6
Vgl. ebd., S. 74-75.
7
Vgl. ebd., S. 75.
9
gestalten sich allerdings schon viel schwieriger, da der Wald selbst keine
direkten akustischen Erkennungsmerkmale besitzt. Aus diesem Grund müssen
charakteristische Beiwörter wie zum Beispiel „ruhig“ und „dunkel“ als Hilfsmittel
herangezogen werden. Erst dadurch wird eine musikalische Darstellung
möglich. Man könnte zum Beispiel länger gehaltene Akkorde im tiefen
Klangbereich und ein eher langsameres Tempo u.a. für die Darstellung eines
solchen ruhigen und dunklen Wald wählen. Diese tonmalerische Art der
Umsetzung war vor allem bis zum Ende des Barocks gängig. Im 18.
Jahrhundert setzte sich zunehmend die Überzeugung durch, dass die
Darstellung einer Stimmung gegenüber einer eher realistischen Beschreibung
Vorrang haben müsste. Diese Entwicklung ist essentiell für die Entstehung des
romantischen Charakterstückes, wie wir es in den „Waldszenen“ antreffen.8
Wie oben bereits erwähnt sind gewisse Themen häufiger vorzufinden als
andere. Im Bereich der musikalischen Darstellung eines Waldes findet sich vor
allem eine regelrechte Tradition an Jagd- und Vogelgesangsvertonungen, die
8
Vgl. ebd., S. 75-77.
9
Vgl. Hiekel & Gerwink 2009, S. 24-27.
10
auch für die „Waldszenen“ relevant ist und auf die ich im Folgenden näher
eingehen möchte.10
Die Jagd:
Die Jagd hat naturgegeben eine lange Geschichte bis zur bürgerlichen Form
durchlebt. Immer war sie eng mit dem Wald als Austragungsort verbunden und
mit einem gemeinsamen Vorgehen, einerseits aus praktischen Gründen,
andererseits, vor allem später, als gesellschaftliches Ereignis. Da der Wald eine
visuelle Kommunikation erschwert, wurde von Beginn an auf akustische
Verständigung gesetzt. Dabei stand am Anfang mit Sicherheit simples Rufen
und Schreien (woraus sich in weiterer Folge die heutige Jagdsprache entwickelt
hat), doch schon bald wurde dies durch Instrumente, die genau zu diesem
Zweck entwickelt wurden, ergänzt und teilweise sogar ersetzt. Neben frühen
Formen von Pfeifen und Flöten (die auch dazu dienten, gewisse Tiere
anzulocken), wurde bald die Urform des Waldhorns erfunden.11 Diese Hörner
waren wie alle Trompeteninstrumente an die Naturtonleiter gebunden. Aus
diesem Grund weisen die aus dieser Zeit stammenden Jagdsignale
entsprechende Intervallstrukturen auf. Die erste Notation solcher Signale und
findet sich bei Du Fouilloux in „La Venerie“ (Paris, 1573). Das Waldhorn fand
abgesehen von der Jagd zunächst kaum Ansehen und wurde erst viel später in
die Kunstmusik aufgenommen. Eine wirkliche Popularität des Horns entsteht
zwar erst Anfang des 18. Jahrhunderts, trotzdem gibt es auch einzelne Belege
für den früheren Einsatz des Horns und natürlich den damit eng verbundenen
Jagdmotiven in der Kunstmusik. Um 1670 entsteht zum Beispiel die „Sonata da
Caccia con un Cornu“ eines unbekannten böhmischen Komponisten.12
10
Vgl. Jost 1989, S. 79.
11
Vgl. Karstädt 1957, Sp. 1665.
12
Vgl. Karstädt 1957, Sp. 1667-1669.
13
Vgl. Brüchle & Janetzky 1976, S. 73.
11
Jahrhunderts und das 16. Jahrhundert Höhepunkte in der Jagdmusik. Im
Verlauf des 17. Jahrhunderts stiegen die Hornsignale, besonders die
Hornquinten, zum Charakteristikum des Jagdthemas in der Musik auf. In
etlichen Sonaten für Klavier und Kammerensembles finden sich Zusätze wie
„La Chasse“ (zum Beispiel von Muzio Clementi und Johann Dussek). Auch bei
mehreren Werken Joseph Haydns finden sich solche Verweise. Als Beispiele
seien hier seine Sinfonie „Mit dem Hornsignal“ (Nr. 31) und die Sinfonie „La
Chasse“ (Nr. 73) genannt. Die Popularität des Jagdthemas steht vermutlich mit
angenehm assoziierten Themen wie Herbst, freie Natur, Tiere, Fröhlichkeit und
ausgelassenes Feiern in Zusammenhang. Alexander Ringer14 unterscheidet
zwei grundsätzliche Arten des Jagdstückes seit Ende des 17. Jahrhunderts.
Einerseits existiert ein höfisch-festlicher Typus (zumeist in D-Dur und im 6/8-
Takt, kommt vermehrt in Frankreich vor) und andererseits ein ländlich-
pastoraler Typus (zumeist in F-Dur und im 3/8-Takt, hauptsächlich im
außerfranzösischen Raum zu finden). In der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts bildete sich im deutschsprachigen Raum ein weiterentwickeltes
Modell für jagdthematische Musik heraus: Die Bezeichnung war zumeist
französisch („La Chasse“) und die Tonart meist F-Dur oder B-Dur (selten auch
Es-Dur). Diese Jagdmusik stand außerdem im 6/8-Takt und hatte ein hohes
Tempo und eine prägnante Rhythmik. Dieses Modell beeinflusste in weiterer
Folge auch Komponisten der Romantik und natürlich auch Schumann in seinen
„Waldszenen“. Bis dahin stand diese jagdthematische Musik als eigenständige
kleine Gattung da. In der Romantik wurde sie aber immer mehr in die
allgemeinere Thematik des Waldes eingefügt. Auch in der Dichtung findet man
diese Entwicklung der Verschmelzung von Horn- und Jagdelementen mit der
Waldmotivik.15
Der Vogelgesang:
14
Vgl. Jost 1989, S. 84 (Alexander Ringer: „The Chasse. Historical and Analytical Bibliography
of a Musical Genry“, Dissertation, Columbia University, 1955).
15
Vgl. Jost 1989, S. 81-85.
12
und verfügen über eine lange und reiche Tradition der nachahmenden
Darstellung. Bereits in einem um 1408 entstandenen Lied von Oswald von
Wolkenstein („Der mai mit lieber zal“) finden sich zum Beispiel Kuckucksrufe.
Der Kuckuck gilt überhaupt als einer der am häufigsten musikalisch
dargestellten Vögel. So gibt es zum Beispiel das um 1675 entstandene
„Capricio Cucu“ von Johann Kaspar Kerll oder das bekanntere Stück „Le
Coucou“ von Claude Daquin (1735 veröffentlicht). Die typische Zweitonformel
im Abstand einer kleinen Terz ahmt eindeutig den Kuckucksruf nach. Bei
Beethovens Pastoralsinfonie treten in der Coda des zweiten Satzes („Szene am
Bach (Andante molto mosso)“) nacheinander eine Nachtigall, eine Wachtel und
ein Kuckuck in Flöte, Oboe und Klarinette auf. Diese berühmte Stelle inspirierte
viele Komponisten des 19. Jahrhunderts. Vogellautdarstellungen finden sich
des Weiteren in Hector Berlioz‘ „Scène aux champs“ aus der „Symphonie
fantastique“, in Richard Wagners „Waldweben“ aus dem „Siegfried“, bis hin zu
Gustav Mahler, der in seinen Sinfonien öfters Vogellaute nachahmt. Auch in
Schumanns „Waldszenen“ gibt es ein Vogelgesangs-Stück („Vogel als
Prophet“). In allen waldthematischen Werken und Zyklen finden sich immer
wieder Vogelrufe, obwohl diese nicht unmittelbar mit dem Wald verbunden sind.
Ähnlich wie die Jagdthematik wird der Vogelgesang aber als unverzichtbarer
Teil der allgemeineren Waldthematik empfunden.16
Um die große Bedeutung des Waldes für die Deutschen und die damit
verbundene Relevanz eben diesen auch durch die Kunst darzustellen, zu
verstehen, werde ich mich in diesem Kapitel ganz der Aufarbeitung dieses
Themas widmen. Nach einer grundlegenden, allgemeinen Darstellung der
Entwicklung dieser engen Beziehung der Deutschen zum Wald, werde ich mich
weiter unten der künstlerischen Verarbeitung dieses Themas in Dichtung,
Malerei und Musik der Romantik widmen.
16
Vgl. ebd., S. 85-89.
13
2.1. Voraussetzung: Die Bedeutung des Waldes für die Deutschen:
Die Geschichte des Menschen ist seit Anbeginn seiner Entwicklung eng mit der
Geschichte des Waldes verbunden. Lange Zeit war der Wald der Lebensraum
des Menschen. Er gab ihm Nahrung, Schutz und relative Sicherheit. Dieses
harmonische Verhältnis zwischen Mensch und Wald blieb in Nord- und
Mitteleuropa bis zum Beginn des Mittelalters relativ unverändert bestehen. Ab
dem Mittelalter kam es zu mehreren großen Rodungsperioden (ca. 8. bis 14.
Jahrhundert). Weil der Wald vielfältig verwertbare Rohstoffe bot, änderte sich
die Haltung dem Wald gegenüber radikal. Er wurde nun als einerseits
auszunutzendes und andererseits aber auch als beinahe feindliches Element
betrachtet. Dies änderte sich wiederum, als im Spätmittelalter die Begrenztheit
des Rohstoffes Holz in das Bewusstsein der Menschen gelangte. In immer
mehr Regionen begann dieser Rohstoff knapp und dadurch wertvoller zu
werden. Eine erste Zeit der Erholung für den Wald, war der Dreißigjährige
Krieg. Er brachte zwar gewaltige Verwüstungen mit sich, gleichzeitig konnte der
Wald sich in dieser Zeit aber auch wieder etwas von seinem Raum
zurückerobern, was langfristig gesehen, jedoch nur verhältnismäßig wenig
Milderung der Situation verschaffte.
Im 17. Jahrhundert entwickelte sich im Zuge der Aufklärung eine relativ weit
entwickelte Naturforschung, die eine systematische und überlegtere Nutzung
der Wälder empfahl, doch der Raubbau konnte nicht aufgehalten werden und
nahm mit dem beginnenden Industriezeitalter schließlich radikal zu. Ende des
18. Jahrhunderts steigerte sich der Bedarf an Holz aufgrund der industriellen
Produktionen – England war führend in dieser Entwicklung, hatte aber seinen
Waldbestand aufgrund des großen Bedarfs für seine Kolonial- und Seemacht
sehr stark verringert – derart dramatisch, dass aufgrund der zahlreichen
Kahlschläge der gesamte mitteleuropäische Waldbestand bedroht war. Manche
Waldgebiete wurden durch Erlasse geschützt, doch die allgemeine Zerstörung
hielt ungebrochen an.
14
antrieben, aber andererseits die Öffentlichkeit auch mit Informationen zur
Ausbeutung und Zerstörung der Wälder versorgte. Dadurch konnte dieses
Thema überhaupt erst die breite Öffentlichkeit erreichen, was ein Ignorieren der
Obrigkeiten in der Folge unmöglich machte und diese zwang, gegen die
Waldvernichtung vorzugehen. Die Angst, auf diesen damals wichtigsten
Rohstoff verzichten zu müssen, war groß. Jeder war davon betroffen und
schnelles und überlegtes Handeln der Machtträger erforderlich. In den ersten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurden systematische Regeln nach
durchdachten forstwissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellt, die den bis
dahin chaotischen und beispiellosen Raubbau endlich eindämmten und den
Grundstein für unseren heutigen in allen Einzelheiten geplanten Forst bildeten.
Natürlich brachten die Napoleonischen Kriege neue Schäden mit sich, doch bis
ca. 1830 war die geplante Aufforstung dennoch überall derart weit
fortgeschritten, dass das Problem vorerst als gelöst angesehen werden konnte.
Die Öffentlichkeit war aufgrund der hier dargelegten ökonomischen Krise sehr
sensibilisiert auf dieses Thema. Nur mit diesem Hintergrund kann die
Bedeutung des Waldes für die Menschen der damaligen Zeit wirklich
verstanden werden.17
17
Vgl. Jost 1989, S. 21-26.
15
zu anderen europäischen Ländern wie etwa das heutige Frankreich oder
Großbritannien im deutschsprachigen Raum selbst zur Zeit des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation tatsächlich rückständig waren. Die
deutsche Naturverbundenheit der frühen Romantik wurde vom Ausland
dagegen als positiv und eher sympathisch eingestuft. An dem Vorurteil, dass
Deutschland eine Nation voller Gefühls- und Naturmenschen mit einem Hang
zum Mythischen und Übernatürlichen sei, haben die Künstler der deutschen
Romantik natürlich ohne Zweifel ihren wesentlichen Anteil. Die positive
Einstellung zu den Deutschen änderte sich aufgrund der Kriege und des immer
stärker und mächtiger werdenden Deutschlands in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Die deutsche Romantik wurde in Folge dessen vom Ausland als
Übel und Ursache für den chauvinistischen Größenwahn verantwortlich
gemacht und der Wald erhielt als Symbol der Deutschen den barbarischen,
rückständigen und wilden Beigeschmack wieder zurück. Der Wald als typisch
deutsches Sinnbild erfuhr auch einige Zeiten der gezielten, politischen
Aufladung. Speziell die Eiche wurde seit dem 18. Jahrhundert als Zeichen des
nationalen Heldentums gesehen. Als klar war, dass die patriotischen
Bewegungen um 1810/15 folgenlos bleiben würden, wurde die bestehende
Verbindung zwischen Wald und nationaler Identität auf eine Art harmlose
Naturliebe degradiert. Mit der politischen Einigung von 1871 wurden gewisse
Elemente des Waldes wie zum Beispiel das Eichenlaub wieder ganz bewusst in
das nationale Konzept aufgenommen um das nationale Verbundenheitsgefühl
zu stärken.18 Die Nationalisierung des deutschen Waldes begann wie oben
dargelegt schon früh. Spätestens ab den 1920er Jahren galten „romantisch“
und „deutsch“ zudem als kongruente Begriffe. Die politische Vereinnahmung
des Waldes für die Propaganda der Nationalsozialisten sei an dieser Stelle kurz
erwähnt. Viele Künstler und deren Werke wie etwa Wagners Opern wurden im
Zuge dessen für deren Zwecke beansprucht, um ein falsches Bild der
germanischen bzw. deutschen Geschichte sowie eine verheerende Vorstellung
einer überlegenen deutschen Rasse zu erzeugen. Die deutsche Romantik hat
sich nach den beiden Weltkriegen und der NS-Zeit und des negativen
18
Vgl. ebd., S. 66-70.
16
Vorzeichens des Chauvinismus bis zum heutigen Tage nicht vollständig
entledigen können.19
Der Mythos vom Wald als Symbol des Deutschtums schlechthin entstand also
aus mehreren in- als auch ausländischen (Vor-)Urteilen aus teilweise sehr weit
zurückliegenden Zeiten. Noch einmal möchte ich erwähnen, dass es natürlich
auch in den Nachbarländern Deutschlands Höhepunkte romantischer Natur-
wie auch Walddarstellungen gegeben hat. Diese konnten allerdings nie den
Stellenwert und die Fülle der Darstellungen des deutschen Waldes erlangen.20
Aufgrund der oben dargelegten Bedeutung des Waldes für die Deutschen, ist
es natürlich naheliegend, dass sich diese Verbundenheit in der Romantik durch
die verschiedenen Künste Ausdruck verschaffte. In diesem Teil möchte ich mich
daher der romantischen Darstellung von Wald in Dichtung, Malerei und Musik
widmen und ihn mit folgendem Zitat von Richard Alewyn einleiten:
„Die romantische Seele irrt nicht einsam im leeren Raum, der ihr nichts
als das Echo der eigenen Stimme zurückgäbe, wie die Seele des
empfindsamen Menschen der Werther-Zeit. Denn die Natur der
Romantik ist nicht tot und stumm, sie ist erfüllt von einem heimlichen
Leben, nicht an ihrer Oberfläche, aber in ihrer Tiefe. Und zwischen der
Tiefe der Natur und dem Grund der Seele waltet eine Korrespondenz, die
wiederum das Medium einer Kommunikation werden kann.“21
2.2.1. Dichtung:
17
stammt unter anderem auch die oft zitierte Wortschöpfung „Waldeinsamkeit“. Er
hat diesen Begriff mit seiner Märchennovelle „Der blonde Eckbert“ (1797)
geprägt. Besonders an diesem Werk ist unter anderem die Verbindung von
realistischen, alltäglichen Szenen mit außergewöhnlichen und märchenhaften
Elementen. Als typisch romantisches Stimmungsbild ist folgender Ausschnitt zu
sehen:
„Die wilden Felsen traten immer weiter hinter uns zurück, wir gingen über
eine angehnehme Wiese, und dann durch einen ziemlich langen Wald.
Als wir heraustraten, ging die Sonne gerade unter, und ich werde den
Anblick und die Empfindung dieses Abends nie vergessen. In das
sanfteste Rot und Gold war alles verschmolzen, die Bäume standen mit
ihren Wipfeln in der Abendröte, und über den Feldern lag der
entzückende Schein, die Wälder und die Blätter der Bäume standen still,
der reine Himmel sah aus wie ein aufgeschlossenes Paradies, und das
Rieseln der Quellen und von Zeit zu Zeit das Flüstern der Bäume tönte
durch die heitre Stille wie in wehmütiger Freude.“22
Die Wahrnehmung der Natur steht hier vor allem für den seelischen Zustand
der Protagonistin Bertha.
Ludwig Tieck lässt einen Zaubervogel das berühmte, sich dem Verlauf der
Geschichte anpassende Lied über die „Waldeinsamkeit“ singen:
„Waldeinsamkeit
Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ew'ger Zeit,
O wie mich freut
Waldeinsamkeit.“23
Dieser Begriff avancierte zum festen Begriff in der romantischen Lyrik und war
bald aus eben dieser nicht mehr wegzudenken. Joseph von Eichendorff
verwendete ihn besonders häufig und benutzte auch Analogien wie die der
„Bergeinsamkeit“ u.a. 24
22
Tieck 1952, 2002, S. 9.
23
Tieck 1952, 2002, S.10.
24
Vgl. Jost 1989, S. 32-34.
18
oder sogar zerstört. An späterer Stelle stiehlt Bertha den Zaubervogel, der
täglich mit Perlen und Edelsteinen gefüllte Eier legt. Daraufhin lautet das Lied
nunmehr:
„Waldeinsamkeit
Wie liegst du weit!
O dich gereut
Einst mit der Zeit.-
Ach einz'ger Freund
Waldeinsamkeit!“25
Die Einheit von Mensch und Natur bzw. im Speziellen Mensch und Wald
scheint durch die Habgier des Menschen gefährdet. Das erinnert an die weiter
oben erläuterte Zerstörung und Ausbeutung der Wälder und die wehmütige
Gegenbewegung der Kunst zur Natur bzw. zum Wald hin. In seiner viel später
entstandenen Novelle namens „Waldeinsamkeit“ (1841) stellt Tieck diese
frühromantische Phase allerdings in satirischer Weise bloß.26
Das Bild des mythischen, aber auch gefährlichen Waldes wurde stark durch die
„Kinder- und Hausmärchen“ der Gebrüder Grimm geprägt. Diese Sammlung
zählt zu den einflussreichsten literarischen Werken der literarischen Romantik.
25
Tieck 1952, 2002, S.17.
26
Vgl. Jost 1989, S. 37-38.
27
Vgl. ebd., S. 38.
19
Nach der Bibel sind die Grimm'schen Märchen sogar das in die meisten
Sprachen übersetzte Werk der Welt.28
Der schon oben des Öfteren genannte Dichter Joseph von Eichendorff (1788-
1857) gilt als der das romantische Naturgefühl am besten darstellende Dichter.
Die emotionale Aufladung des Waldes durch Tieck und dem Pendant aus der
wiederentdeckten Volksdichtung waren der Ausgang für das Eichendorff'sche
Waldbild. Formal erinnern seine eingängigen und textlich bewusst einfach
gehaltenen Gedichte an das deutsche Volkslied. Inhaltlich reicht seine
Darstellung des Waldes vom märchenhaften und verzauberten Ort
geheimnisvoller Ereignisse über die des politischen Zufluchtsortes und
Refugiums vor der zeitgenössischen Welt, bis hin zum Wald als eine
patriotische Erneuerungshoffnung vor dem Hintergrund der deutschen
Freiheitskriege. Am häufigsten jedoch sind eindeutig die Walddarstellungen als
Zufluchtsraum zu erkennen. Ein berühmtes Beispiel dafür stellt das von Felix
Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) vertonte Gedicht „Abschied“ (1810) dar:
28
Vgl. Lehmann 2008, S. 37.
29
Vgl. Jost, S. 40-41.
30
Vgl. Jung-Kaiser & Lang 2008, S. 14ff.
31
Vgl. ebd., S. 9.
20
„O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäftge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt! [...]
2.2.2. Malerei:
Der romantische Künstler Caspar David Friedrich (1774-1840) rückte mit seiner
neuen Form der Landschaftsmalerei eben diese als eigenständige Gattung in
den Vordergrund. Den vormaligen Hintergrund eines Bildes nun als das
32
Eichendorff 1957, S. 64-66.
33
Vgl. Jost 1989, S. 42-48.
21
Eigentliche darzustellen, war etwas völlig Neues in Deutschland. In den Bildern
Caspar David Friedrichs emanzipiert sich die Landschaft sozusagen gegenüber
dem Menschen und wächst als neue Dimension sogar über ihn hinaus. In
dieser neuen Form der Landschaftsmalerei drückt die Natur eine kosmisch-
universale Ordnung aus. Der Mensch erscheint in Friedrichs Bildern nicht mehr
so wichtig, sondern der Natur nachrangig und deren Kraft letztlich ausgeliefert.
Er erscheint meist gesichtslos und dreht uns als Betrachter oft den Rücken zu.
Ganz verlassen und ausgesetzt wirkt er im berühmten Gemälde „Der Mönch
und das Meer“ (1808/10). Das Göttliche in der Natur lässt den Menschen klein
erscheinen und verweist damit auch auf eine neue Religiosität anstelle der
traditionellen, anthropozentrischen, christlichen Weltanschauung.
22
allerdings in ihrem Schaffen grundsätzlich der biedermeierlichen Darstellung
einer heilen Welt zu.34
Will man dieses Phänomen der Wald- und Naturdarstellung nun in der Musik
finden, könnte man zunächst den Eindruck gewinnen, als suche man
vergeblich. Die Übertragung auf die Musik findet nämlich viel subtiler statt und
ist oft nicht auf dem ersten Blick zu erkennen. Lieder mit thematisch diesem
Bereich angehörenden Textvorlagen gibt es natürlich etliche. In der
Instrumentalmusik finden sich in der Klavierliteratur mehrere Charakterstücke
mit naturbezogenen Titeln. In der Orchestermusik wird es schon eindeutig
schwieriger. Beethovens „Pastorale“ fällt nicht wirklich in diese Kategorie, da es
sich dabei nicht um Naturdarstellung im eigentlichen Sinne handelt, sondern
vielmehr um den Ausdruck der damit verbundenen Gefühle und Stimmungen.
34
Vgl. Jost 1989, S. 51-56.
35
Vgl. ebd., S. 56-59.
23
Mendelssohns „Schottische Sinfonie“ und seine „Hebriden-Ouvertüre“ können
im erweiterten Sinne als naturthematisch ausgelegt werden.
36
Vgl. ebd., S. 124.
24
Der „Freischütz“ spielt kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges im
Böhmerwald. Die zeitliche Versetzung ersparte Zensurprobleme und ließ
trotzdem eine gewisse Parallelisierung zum zeitgenössischen politischen
Geschehen zu. Aber auch die Darstellung der märchenhaften Elemente ließ
sich in vergangene Zeiten leichter einfügen als im Kontext der modernen Zeit.
Thematisch stechen einerseits das volkstümliche Jägerleben und andererseits
das Wirken mystischer, böser Mächte hervor. Die Verbindung dieser zwei
Bereiche wurde durch den Wald erzeugt. Im „Freischütz“ finden sich viele
typisch romantisch geprägte Elemente wie das Düstere und Übernatürliche, das
Vergangene, die Natur und die Einbindung des Menschen in ebendiese als
auch volkstümliche und damit patriotische Elemente. Im „Freischütz“ sind alle,
selbst kontrastierende Bühnenereignisse, eng mit dem Wald und einer ihm inne
liegenden Grundstimmung verbunden. Den Bläsern wird in diesem Werk ein
bisher ungewöhnlich hoher und eigenständiger Stellenwert zuteil.
Erwähnenswert sind auch die tonmalerischen bzw. tonsymbolischen Elemente,
wie zum Beispiel die Tonartendisposition im Tritonus-Abstand, denen Weber
sich in der „Wolfsschluchtszene“ bedient. Der „Freischütz“ steht in seiner
geschichtlichen Position ganz zu Beginn der musikalischen Romantik und
eröffnet sozusagen die romantische Weiterentwicklung von Klang und
Harmonik.37
39
Vgl. ebd., S. 123-124.
40
Vgl. ebd., S. 124-125.
41
Vgl. ebd., S. 126.
42
Vgl. Jost 1989, S. 126 (Walter Gieseler: „Schumanns Klavierwerke im Spiegel der
literarischen Romantik“, in: „Robert Schumann. Universalgeist der Romantik. Beiträge zu seiner
Persönlichkeit und seinem Werk“, Hg.: Julius Alf & Joseph A. Kruse, Düsseldorf 1981, Droste
Verlag, hier: S. 71).
26
erwähnten „Liederkreis“ Op. 39 (1840) nach Gedichten von Eichendorff. Es
finden sich auch etliche Vertonungen von Waldgedichten, wie etwa im Zyklus
„Zwölf Lieder“ Op. 35 (Nr. 5 „Sehnsucht nach der Waldgegend“), denen
Gedichte von Justinus Kerner zugrunde liegen. Dieses Sujet enthalten unter
anderem auch die „Sechs Gesänge“ Op. 89 (Nr. 3 und 4) mit Gedichten von
Wilfried von der Neun, die „Sechs Gesänge“ Op. 107 (Nr. 6) mit Gedichten von
Wolfgang Müller, sowie der Opus 119 mit Gedichten von Gustav Pfarrius.
Schumanns romantisches Waldbild wurde von diesen Dichtern, allen voran
natürlich von Eichendorff, stark beeinflusst.43
Einen Teil einer weiteren interessanten Definition aus „The New Grove.
Dictionary of Music and Musicians“ möchte ich hier ebenso anführen:
46
Vgl. Riethmüller 1992, S. 103-106.
29
meint dabei die musikalische Idee und Garantie für die Vollkommenheit eines
Werkes. Die „charakteristische Schönheit“ erkennt er in der Symbolik von
Intervallen und Tonarten, in der Rhythmik sowie im Klangcharakter der
verschiedenen Instrumente. Die Bedeutsamkeit und der Ausdruck der Musik
liegen seiner Meinung nach in der Wahl der musikalischen Mittel und
keineswegs ausschließlich am Titel. Die musikalische Darstellung geschieht
durch bestimmte, unverwechselbare, also charakteristische Kompositionsmittel.
Es geht ihm also bereits um die Darstellung einer außermusikalischen Idee. Der
Musikkritiker Eduard Hanslick hingegen stellt sich in seiner musikkritischen
Tätigkeit gegen die Programmmusik. Ein Komponist sollte seiner Meinung nach
nichts Außermusikalisches zu beschreiben versuchen. Eine Musik, die ohne
Programm nicht verständlich ist, lehnt er ab, da dies seiner Meinung nach am
Wesen und Wert der Musik vorbeigeht. Friedrich Theodor Vischer widmet der
Musik in seinem ausgedehnten Werk über die „Ästhetik oder Wissenschaft des
Schönen“ (1846-1857) ein Kapitel. Vermutlich hatte er dabei Hilfe durch den
Theologen Carl Köstlin. Sie beschreiben die Gefahr, die durch die große
Freiheit entsteht, wenn bestimmte musikalische Formen wegfallen und
Kompositionen zu frei und in Folge dessen zufällig werden und dadurch ihren
Wert verlieren.47
Einen wieder anderen Zugang hatte Franz Liszt. Er sah im Programm quasi ein
Vorwort, das einer rein instrumentalen Musik vorangestellt wird und das aus
dem Werk herauszuhören ist. Ein Programm ist seiner Meinung nach auch eine
Kompositionshilfe für den Komponisten und eine Verständnishilfe für das
Publikum und soll auch vor falscher und willkürlicher Auslegung eines Werks
schützen. Trotzdem findet Liszt Programme oder Titel nur dann gerechtfertigt,
wenn sie wirklich notwendig sind und unentbehrliche Teile des gesamten
Werkes darstellen. Dass die Literatur oder Dichtung durch die Aufnahme in die
Programmmusik schließlich nur noch ein Teil eines größeren Werkes ist, ist
auch als Ausdruck von Überlegenheit der Musik zu sehen. Zwar ist die
Romantik grundsätzlich von Poesie und Literatur stark geprägt, aber durch die
Vereinnahmung durch Programme geht die Musik hier als Gewinner im Kampf
um die Vorherrschaft unter den verschiedenen Künsten hervor. Die Musik
47
Vgl. ebd., S 108-110.
30
wurde nämlich auch im 19. Jahrhundert manchmal verdächtigt, im Vergleich zur
Literatur zu wenig zur Bildung und Kultur beizutragen. Die Hinwendung zur
Programmmusik sollte auch die geistige Durchdringung der Tonkunst
verstärken. Liszts Anliegen war demnach nicht nur ein ästhetisches, sondern
eben auch ein pädagogisches. Richard Wagner blieb die Programmmusik
indessen immer suspekt. Seine musikalische Selbstständigkeit war ihm
grundsätzlich immer besonders wichtig. Er wollte die Instrumentalmusik durch
sein geschaffenes Musikdrama überwinden. Die Programmmusik, die sich
indes hauptsächlich auf instrumentale Tonkunst bezieht, passte also vermutlich
allein aus diesem Grund nicht in sein Konzept. Des Weiteren sah er diese
möglicherweise als Rivalen: Wagner wollte ein neues Verhältnis von Wort und
Ton sowie Drama und Musik aufstellen. Das Konzept der Programmmusik
verfolgte hatte ebenso zum Ziel, Inhalte in neuer Weise durch die Musik
erfahrbar zu machen. Anhänger der Programmmusik blieben trotzdem in der
Minderzahl. Ähnliche Standpunkte wie Schumann mit seiner Poetischen Musik
vertraten indes mehrere Komponisten, etwa August Wilhelm Ambros, der die
Programmmusik eindeutig ablehnte. Ein außermusikalisches Programm stand
seiner Meinung nach der Musik derart fern, dass es nie wirklich durch die
Tonkunst ausgedrückt werden konnte.48
Eine wieder andere, sehr extreme Sichtweise betrifft die Verächter der
Instrumentalmusik, die in ihr nur eine Nachahmung der wirklich „reinen“
Vokalmusik sahen. Sie sahen in der Programmmusik – als eine poetisierte
Instrumentalmusik – die „Reinheit“ und das „Absolute“ der Musik in Gefahr
gebracht. Der Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus empfindet selbst die
Poesie und das Poetische, worüber in jener Zeit alles sprach, ausschließlich der
Vokalmusik vorbehalten. Der Musiker und Prediger Heinrich Adolf Köstlin hat in
einer Schrift über die Ästhetik der Tonkunst (1879) ausführlich über
musikalische Formen geschrieben. Neben dem Hauptteil über gängige Formen
gibt es auch ein Kapitel über „freie Formen“. Hier kommt er auch auf
Programmmusik zu sprechen. Diese „freien Formen“ finden sich vor allem in
der Vokalmusik, die aufgrund der Abhängigkeit des Textes nie eine so
ausgefeilte Formenlehre wie die Instrumentalmusik zustande brachte. Die
48
Vgl. ebd., S. 110-116.
31
Werke, die der Programmmusik zugeordnet werden, waren selten als Fantasie
komponiert, was eigentlich naheliegend gewesen wäre, sondern hielten meist
an den hergebrachten Formen fest. Die Durchbrechung dieser Formen fand in
diesem Sinne nicht statt, da eine Anarchie, die dem Künstlerischen entbehrt,
befürchtet wurde. Selbst Richard Strauss griff auf bestehende Formen zurück.49
Schumanns Musikauffassung:
49
Vgl. ebd., S. 116-118.
50
Vgl. ebd., S. 118-121.
32
an einer absoluten Musik und offenbarte eine Art Ungenügen an Reinheit in der
Musik. Diese Epoche war wie schon weiter oben erwähnt von der Literatur und
der Dichtung völlig eingenommen, was eben auch in der Musik und selbst in
den Bezeichnungen derselben augenscheinlich wurde. So nannte man einen
Komponisten plötzlich „Tondichter“, eine Symphonie wurde zur
„Symphonischen Dichtung“ usw. Die musikalische Idee indessen wurde nun
„poetische Idee“ und das „Poetische in der Musik“ genannt. Die Musik wurde
nun nicht mehr wie zuvor nur auf die Sprache mit ihrer Grammatik oder
Rhetorik bezogen, sondern eben auf die Poesie, der sich in der Romantik keine
Kunst mehr entziehen konnte. Die Komponisten wollten den Dichtern
gleichgestellt sein oder diesen in der Poesie ihrer Werke sogar übertreffen. Hier
begann die bis heute nicht vollständig geklärte Diskussion über
Programmmusik, da Robert Schumann dieses „Poetische“ in der Musik als
Argumentation gegen die Programmmusik, andere wie zum Beispiel Franz Liszt
eben diese als Beweis dafür angaben. Schumann sah in Programmen
„Wegweiser“, die für ihn „immer etwas Unwürdiges und Charlatanmäßiges“51
ausstrahlen. Er stellt sich gegen die konkrete Führung der Vorstellungen und
Assoziationen, der die Hörer durch Programme ausgesetzt wären und ist der
Meinung, dass (literarische) Programme das Poetische in der Musik verhindern.
Trotzdem hat Schumann seinen Werken immer wieder Titel oder poetische
Mottos hinzugefügt, die – wie auch in den „Waldszenen“ – die Vorstellungen der
Interpreten und Hörer doch meist recht eindeutig zu lenken vermögen. 52 Dass
Schumann genau damit aber auch immer wieder gehadert hat, wird
offenkundig, wenn man daran denkt, wie lange er oft an den Titeln seiner
Werke gefeilt hat und dass er – eben wie auch in den „Waldszenen“ –
ursprünglich geplante Mottos letztlich dennoch wieder getilgt hat.
Schumanns Musikauffassung geht trotz allem davon aus, dass die Musik
Außermusikalisches darstellen kann und auch soll. Ein wesentlicher Punkt ist
allerdings, dass Schumann die Einstellung vertritt, dass ein Komponist nicht mit
einer zu genauen inhaltlichen Vorstellung an sein Werk gehen sollte, da der
Schaffensprozess dadurch Schaden erleide und nicht mehr unerklärbar bleibt.
51
Robert Schumann: „Gesammelte Schriften über Musik und Musiker“, Hg.: M. Kreisig, Leipzig
1914, 5. Auflage, Band 1, S. 83, zitiert nach Riethmüller 1992, S. 107-108.
52
Vgl. Riethmüller 1992, S. 106-108.
33
Doch genau dieser geheimnisvolle Aspekt macht für ihn einen großen Reiz
seiner Arbeit aus. Wenn es bei einem Stück einen konkreten Inhalt gibt, sind
seiner Meinung nach Titel zwar notwendig, man sollte als Komponist jedoch
immer sparsam und verantwortungsvoll damit umgehen und diese andererseits
als Interpret und Hörer auch nicht überbewerten. Musik muss auch ohne diese
literarischen Erläuterungen sinnvoll bleiben. Man kann davon ausgehen, dass
Schumann in seinen Werken des Öfteren zuvor geplante literarische Mottos
(wie in den „Waldszenen“) wieder gelöscht hat bzw. literarische
Inspirationsquellen oder außermusikalische Inhalte für sich behalten hat. Auch
in der Wahl des Tonmaterials können außermusikalische Inhalte verschlüsselt
werden, wie Schumann es zum Beispiel in seinen „Abegg-Variationen“ Op. 1 in
Anlehnung an eine Dame namens Meta Abegg tat. Auch den Namen des
Heimatortes seiner früheren Verlobten Ernestine von Fricken verarbeitet er in
dieser Weise im „Carnaval“ Op. 9. Der Ortsname Asch beinhaltet auch
Schumanns musikalisches Sigel (SCHumAnn: a es c h) und erhält dadurch
noch größere Bedeutung. Literatur spiegelt sich auch in den
„Davidsbündlertänzen“ Op. 6 mit den imaginären Figuren Florestan und
Eusebius in Anlehnung an E.T.A Hoffmann wider.
Schließlich gibt es auch eine Vielzahl an Stücken, deren Titel einen relativ
eindeutigen inhaltlichen Bezugsrahmen bilden bzw. Stücke oder auch ganze
Sammlungen, die sich an literarische Vorlagen orientieren, ohne jedoch je ganz
konkret zu werden. Ein Beispiel dafür ist unter anderen die „Kreisleriana“ Op.
16, die sich an Hoffmanns „Fantasiestücke in Callots Manier“ anlehnt. Die
große Zahl der Charakterstücke für Klavier sollte hier ebenfalls kurz Erwähnung
finden. Diese kleinen Formen empfindet Schumann als überaus passend um
seine Idee des Poetischen in der Musik auszudrücken. Die Titel dieser Stücke
sind überaus sorgfältig gewählt und unterstützen die Musik beim Ausdruck ihres
jeweiligen Charakters. Solche feinen Stimmungsbilder sind zum Beispiel die
„Kinderszenen“ Op. 15.
Die Musik als „Seelensprache“, die zwar durch Titel und dergleichen unterstützt
werden, aber niemals übersetzt werden kann, sondern für sich – auch ohne
34
literarische Zusätze – ästhetisch bestehen muss, ist das Ziel Robert
Schumanns.53
53
Vgl. Becker-Adden 2006, S. 49-53.
54
Aus einem Brief Schumanns an seine Mutter (15.12.1830), zitiert nach A. Schumann 1910, S.
213.
55
Vgl. Jensen 2001, S. 40-43.
35
Weise gar kein Eintrag in seinen Haushaltsbüchern enthalten. Auch das Werk
von E.T.A. Hoffmann wird erst spät von Schumann entdeckt.56
Dagegen übte Jean Paul schon früh großen Einfluss auf Schumann aus.
Besonders dessen Werk „Flegeljahre“ prägte Schumann sehr und inspirierte ihn
zu seinem Doppelgängerpseudonym Florestan und Eusebius. Die beiden
Fantasiefiguren wurden zum Sprachrohr unterschiedlicher Sichtweisen in
Schumanns musikkritischer Tätigkeiten. Er zählte die fiktiven Figuren zu den
„Davidsbündlern“ und gab die beiden als Komponisten der
„Davidsbündlertänze“ Op.6 sowie der Klaviersonate fis-Moll Op. 11 an. Im
„Carnaval“ Op.9 betitelt er des Weiteren einzelne Stücke mit ihren Namen.
Schumann identifiziert sich mit den beiden fiktiven Charakteren und sieht in
ihnen die zwei kontrastierende Seelenteile seiner selbst. Des Weiteren war
Schumann ganz begeistert von Jean Pauls Erzählweise und übernahm
bestimmte Aspekte für seine Musik. Besonders prägend waren dabei Jean
Pauls außergewöhnliche narrative Verläufe und eine Art romantischer Humor. 57
56
Vgl. Appel 2010, S.32-34.
57
Vgl. ebd., S. 34-36, S. 45-46.
36
Musik“ und im Jahre 1854 in einem vierbändigen Auswahlwerk als
„Gesammelte Schriften über Musik und Musiker“ veröffentlicht.58
Die Literatur und Dichtung nimmt aber auch großen Einfluss auf Schumanns
kompositorisches Werk, in dem er Dichtung und Tonkunst in neuer Weise zu
verbinden sucht. Die Beziehung zwischen Musik und Literatur lässt sich in
Schumanns Werk in verschiedensten Bereichen ausmachen. Zu allererst
müssen hier natürlich das Lied und das Chor- und musikdramatische Werk
genannt werden. In dieser Form der Verbindung bleibt die Identität beider
Künste erhalten. Beide erfahren durch die Verbindung eine Aufwertung und
einen Zugewinn.59 Es entsteht „Größeres und Schöneres, wenn der einfache
Ton durch die geflügelte Silbe, oder das schwebende Wort durch die
melodische Woge des Klanges erhöht wird, wenn der leichte Rhythmus des
Verses mit dem geordneten Maße des Taktes sanft sich vereint und lieblich
abwechselt, wenn sie Hand in Hand ihre himmlischen Pfade wandeln. Aber
nicht nur diese Vereinigung des Wohlklanges fesselt beide aneinander, nein,
sie werden noch durch andere und zartere Banden zusammengekettet.“60
Neben dieser engen Verbindung im Lied zeigt sich die Beziehung zwischen
Literatur und Musik auch in den häufigen poetischen Überschriften und Mottos
sowie in der Wahl des Sujets in der Instrumental- und im Besondern in der
Klaviermusik. Häufig gibt es bei den Titeln Schumanns Beziehungen zur
Literatur und auch zur Malerei. Titel oder Mottos verstehen sich als Stichworte,
die die Assoziationen des Hörers zwar in eine bestimmte Richtung lenken
sollen, den Hörer aber eben nicht, wie in der Programmmusik, diktiert. Er
versteht das Gehörte in seiner eigenen Weise und erzeugt mit den
vorgegebenen literarischen Stichworten und der erlebten Musik selbst Sinn.
Dass diese Eindrücke mit dem des Interpreten und des Komponisten in etwa
übereinstimmen, ist zwar durchaus erstrebenswert, allerdings niemals
vollständig zu eruieren und ließe sich vor allem nicht annähernd in Worte
fassen. Dies wäre aber auch nicht das Ziel, da die Musik nach Schumanns
Verständnis „die allgemeinste Sprache [ist], durch welche die Seele frei,
58
Vgl. ebd., S.32-34.
59
Vgl. ebd., S. 36.
60
Martin Kreisig (Hg.): „Gesammelte Schriften über Musik und Musiker von Robert Schumann“,
2 Bände, Leipzig 1914, hier: Band 2, S. 174, zitiert nach Appel 2010, S. 36.
37
unbestimmt angeregt wird. [...] Das wäre eine kleine Kunst, die nur klänge und
keine Sprache noch Zeichen für Seelenzustände hätte!“61 Ein hohes Maß an
Abstraktion erkennt Bernhard R. Appel in der Verbindung zwischen Musik und
Literatur als „idealistischer Entwurf einer musikalischen Seelensprache“62 Diese
Idee der Seelensprache, die Lebenszustände, Empfindungen usw. ausdrücken
könne, stammt nicht allein von Schumann, sondern ist allgemeines Thema der
Romantik. Der Ursprung dieser Idee ist sogar im 18. Jahrhundert (etwa bei
Jean-Jacques Rousseau) zu finden. Die romantischen Künstler sind der
Meinung, dass die Welt ganz verstanden werden kann. Im Zuge der
Romantisierung oder Poetisierung der Welt ließe sich die ursprüngliche Einheit
der Welt verstehen bzw. wiederfinden. Sie sind der Meinung, dass der
natürliche Einklang zwischen Mensch und Welt durch die zivilisatorische und
religionsgeschichtliche Entwicklung zerbrochen ist und wiederhergestellt
werden muss. Daraus entstand die unendliche Sehnsucht der Romantiker,
diese Einheit wiederherzustellen. Alles steht in Beziehung mit dem Rest der
Welt und teilt sich durch universelle Zeichen und letztlich der Seelensprache
mit. Die Musik lässt sich nicht durch Sprache allein übersetzen, wohl aber ist sie
durch Vergleiche und Metaphern beschreibbar und dadurch schließlich auch
durch Parallelisierungen zu anderen Künsten wie der Literatur oder der Malerei.
An Schumanns Musikästhetik des Poetischen sei hier kurz erinnert. Das durch
die Welt und die Menschen entstandene Geflecht von Beziehungen zwischen
Personen, Gegenständen, Ereignissen usw., offenbart sich in geheimnisvollen
Analogien u.a. hauptsächlich Dichtern und Musikern, da sich diese
Seelensprache in der Musik zeigen kann. Musizieren stellt darum einen Akt der
Kommunikation mit der Welt oder der Weltenseele dar.63
61
Martin Kreisig (Hg.): „Gesammelte Schriften über Musik und Musiker von Robert Schumann“,
2 Bände, Leipzig 1914, hier: Band 1, S. 19 und 22, zitiert nach Appel 2010, S. 36.
62
Appel 2010, S.36.
63
Vgl. ebd., S.37-39.
38
sowie in komponierten Sprachgesten, als auch in literarischen Formkonzepten.
Solche verbale Zusätze in Kompositionen können nicht gehört werden, diese
Werke müssen vielmehr auch gelesen werden, um Schumanns Vorstellungen
möglichst nahe zu kommen. Ohne dieses Hintergrundwissen ist die Musik nicht
vollständig zu verstehen. Diese Zusätze häufen sich vor allem im Klavierwerk
Schumanns und gehen von assoziationsreichen Überschriften über
tatsächlichen literarischen Zusätzen im Notentext bis hin zu soggetti cavati
(ABEGG, SCHA-ASCH, BACH).64
Abschließend möchte ich Franz Liszt zu Wort kommen lassen, der Schumanns
außergewöhnliche Verbindung zwischen Literatur und Musik in seinem Werk
früh erkannte und ehrte:
„Musik und Literatur waren seit Jahrhunderten wie durch eine Mauer
getrennt und die auf beiden Seiten derselben Wohnenden schienen sich
nur dem Namen nach zu kennen. [...] Schumann war Eingeborner in
beiden Ländern und eröffnete den Bewohnern der getrennten Regionen
eine Bresche[...].“65 „Als Mensch fühlte er den Drang Schriftstellerthum
und Musik zu verbinden, als Musiker das Bedürfniß, die Geschicke der
Musik mit denen der Poesie und Literatur in immer engere Verbindung zu
bringen.“66
64
Vgl. ebd., S. 36, 40.
65
NZfM, Bd. 42, Nr. 13, 23. März 1855, S. 137, Quelle:
https://archive.org/stream/NeueZeitschriftFuerMusik1855Jg22Bd42#page/n137/mode/2up,
19.2.2016.
66
NZfM, Bd. 42 Nr. 17, 20. April 1855, S. 182, Quelle:
https://archive.org/stream/NeueZeitschriftFuerMusik1855Jg22Bd42#page/n183/mode/2up,
19.2.2016.
39
IV. Die Entstehung der „Waldszenen“
Im ersten Kapitel dieses Teils möchte ich zunächst auf die biografisch-
künstlerische Situation Robert Schumanns zur Zeit der Komposition der
„Waldszenen“ und auf die politische Lage dieser Zeit eingehen. Erst aus diesem
Kontext heraus wird die Stellung dieser Komposition in Schumanns Werk
verständlich.
Darauf folgt im zweiten Kapitel eine kurze, aber wichtige Übersicht zum
Quellenbestand des Op. 82. Es ist ein glücklicher und seltener Fall, in diesem
Fall mehrere Quellen zur Verfügung zu haben. Durch diese Fülle wird eine
Rekonstruktion des Kompositionsprozesses möglich, dem ich mich detailliert im
dritten Abschnitt widmen werde.
Die an früherer Stelle bereits erwähnten Mottos der „Waldszenen“ werde ich
schließlich im vierten und letzten Abschnitt dieses Kapitels behandeln.
Ende des Jahres 1844 zog die Familie Schumann von Leipzig nach Dresden,
wo sie bis August 1850 ihren Wohnsitz hatte. Der Anstoß für diesen Umzug aus
der damaligen Musikweltstadt Leipzig in die eindeutig weniger fortschrittliche,
eher konservative Residenzstadt Dresden war eine schwerwiegende Krise
Schumanns. Mehrere Tiefschläge kamen in dieser Zeit zusammen, was
Schumanns physische und psychische Gesundheit immer mehr zu belasten
begann und ihn an seiner Arbeit hinderte.67 In den ersten fünf Monaten des
Jahres 1844 begleitete Robert Schumann seine Frau auf eine Konzertreise
67
Vgl. Jost 1989, S. 143.
40
durch Russland. Die Konzerte seiner Frau waren sehr erfolgreich, so spielte sie
sogar vor Nikolaus I. und der Zarin. Schumann hatte sich erhofft, die Reise
auch dafür nützen zu können um seine Musik bekannter zu machen, was
allerdings nur sehr bedingt gelang, da er die gesamte Reise über immer wieder
mit teils psychischen, teils gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Ein
Grund dafür war vermutlich die Erkenntnis, dass er seiner Frau gegenüber eine
unterlegene Rolle beim Publikum einnahm. Zusätzlich störte ihn, dass er
aufgrund der Reise zeitlich so eingeschränkt war, dass er an seiner Oper
„Faust“ nicht in dem Maße weiterarbeiten konnte, wie er es gerne wollte. Auch
nach der Rückkehr aus Russland war Schumann gesundheitlich sehr
angeschlagen. Um sich wieder neue zeitliche und nervliche Ressourcen zu
schaffen, legte er daraufhin im Juni 1844 die Redaktion der „Neuen Zeitschrift
für Musik“ nieder.68 Nachdem Felix Mendelssohn 1841 als Kapellmeister zurück
nach Berlin berufen wurde und von da an hauptsächlich ebendort tätig war,
erhoffte sich Schumann, dessen Nachfolge am Leipziger Gewandhaus
anzutreten. Schumann war tief gekränkt, als 1844 diese Hoffnung durch die
Vorziehung Niels W. Gades für die Stelle des zweiten Gewandhausdirigenten
enttäuscht wurde.69 Ab diesem Zeitpunkt band ihn nichts mehr an seine
Wahlheimat Leipzig, für dessen Ruf als musikalisches Zentrum Schumann so
viel beigetragen hat und die ihn nun so enttäuschend fallen lässt.70
68
Vgl. Abraham & Sams 1994, S. 44-46.
69
Vgl. Jost 1989, S. 144.
70
Vgl. Boucourechliev 1958, S. 114.
41
Konzertwesen spielte unterdessen kaum eine Rolle.71 Interessant erscheint es,
dass der musikalisch so aufgeschlossene und in seiner Musik so
zukunftsweisende Richard Wagner gerade in Dresden als Hofkapellmeister
lebte. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass 1845 Wagners „Tannhäuser“ in
Dresden uraufgeführt wurde. Schumann und Wagner sind sich persönlich wenig
sympathisch, es entwickelt sich keine Freundschaft. Wohl aber finden die
Schumanns vor allem im Kreis rund um den Musiker Hiller neue Freunde
(vorwiegend Maler und Bildhauer) und machen inspirierende Bekanntschaften
mit durchreisenden Künstlern wie dem Pianisten Hans von Bülow, dem oben
bereits erwähnten neuen Leiter des Gewandhauses Niels Gade, den
Sängerinnen Jenny Lind und Wilhelmine Schröder-Devrient, sowie natürlich
auch mit Franz Liszt.72
Doch nun noch einmal zurück nach Dresden. Dass Schumann die
landschaftliche Schönheit des Elbtals schätzen konnte, ist vor allem auch
71
Vgl. Jost 1989, S. 148-149.
72
Vgl. Boucourechliev 1958, S. 114-115.
73
Vgl. Jost 1989, S. 148-149.
74
Vgl. Boucourechliev 1958, S. 123.
75
Vgl. Jost 1989, S. 148-150.
42
deshalb anzunehmen, da er die Natur in Leipzig durchaus vermisste, was sich
einigen Briefen und Tagebucheinträgen entnehmen lässt. In einem früheren
Brief schreibt er zum Beispiel seiner Mutter: „Auch jetzt, nachdem ich einige
Tage hier bin, befinde ich mich ganz wohl, wenn auch nicht ganz glücklich, und
ich sehne mich so aus recht vollem Herzen in meine stillere Heimat zurück, wo
ich geboren bin und glückliche Tage in der Natur gelebt habe. Die Natur, wo
finde ich sie hier? Alles durch Kunst verschnörkelt: kein Tal, kein Berg, kein
Wald, wo ich so recht meinen Gedanken nachhängen könnte […]“76 Die neue
Umgebung mag die Hinwendung zur Natur und diese als Thema in seinen
Werken also durchaus verstärkt haben. Bemerkenswert ist die Häufung von
Kompositionen mit dem Thema Wald in dieser Zeit. Das betrifft zum Beispiel die
Oper „Genoveva“ Op. 81 (der ganze vierte Akt spielt im Wald) und die späteren
„Jagdlieder“ Op. 137, deren Grundlage fünf Gedichte aus Heinrich Laubes
„Jagdbrevier“ sind, das – wie weiter hinten erläutert – auch zum Teil
Ausgangspunkt für die „Waldszenen“ war.77
76
Aus einem Brief Schumanns an seine Mutter (21.5.1828), zitiert nach Boetticher 1942, S.16.
77
Vgl. Jost 1989, S. 144-145.
78
Vgl. ebd., S. 145-146
43
Der Genoveva-Stoff und die landschaftlich reizvolle Umgebung Dresdens waren
sicherlich nennenswerte Inspirationsquellen für Schumann. Peter Jost sieht
diese beiden Aspekte als kleine Teile eines „Inspirationsklimas“, das im
Zusammenwirken mit anderen, den Ausschlag zur Konzeption der
„Waldszenen“ bewirkte. Wichtig war auch die – nach einer längeren Pause –
erneute Hinwendung zur poetischen Klaviermusik, die mit dem „Album für die
Jugend Op. 68“ (1848) begann. Ab etwa September 1848 erlebte Schumann
einen sich wieder stetig steigernden Schaffensschub. Die Klaviermusik nahm
dabei wieder einen wichtigen, wenn auch keinesfalls alleinigen, Platz in seinem
Werk ein. Schumann schreibt in einem Brief an Carl Reinecke über das „Album
für die Jugend“: „Die ersten der Stücke im Album schrieb ich nämlich für unser
ältestes Kind [Marie] zu ihrem Geburtstag und so kam eines nach dem andern
hinzu. Es war mir, als finge ich noch einmal von vorn an zu komponieren. Und
auch vom alten Humor werden Sie hier und da spüren.“79 Schumann versuchte
offenbar bewusst an seine frühe „Klavierperiode“ anzuknüpfen. Natürlich lassen
sich in diesen späteren Klavierstücken wesentliche Unterschiede zum Frühwerk
erkennen. Zum einen ist in diesen späteren Stücken ein ausgeprägtes
poetisches Moment festzustellen, zum anderen eine verstärkte Hinwendung zur
Hausmusik. Diese Produktivität setzte sich bis etwa Ende des Jahres 1849
fort.80 Hier eine Auflistung der wichtigsten Werke Schumanns aus dieser
Schaffensperiode81:
79
Aus einem Brief Schumanns an Carl Reinecke (6.10.1848), zitiert nach Boetticher 1941, S.
443.
80
Vgl. Jost 1989, S. 146-148.
81
Vgl. Kang 2011, S. 88.
44
März 1849 Romanzen und Balladen für Chorwerke ohne Begleitung
gemischten Chor, Heft I-IV,
Op. 67, 75, 145, 146
März – Juli 1849 Spanisches Liederspiel, Lieder, solo/Ensemble
Lieder für die Jugend Op. 79,
Lieder und Gesänge aus
Goethes Wilhelm Meister
Juli – August 1849 Szenen aus Goethes Faust, Werk für Soli, Chor und
Nr. 1-4, WoO 3 Orchester
September 1849 IV Märsche Op. 76 Pädagogische und
12 vierhändige Klavierstücke konzertante Klaviermusik
für kleine und große Kinder
Op.85
November – Dezember 1849 Requiem für Mignon Op. 98b, Werk für Soli, Chor und
Schön Hedwig Op. 106 Orchester, Deklamation mit
Klavierbegleitung
Es liegt auf der Hand, dass nicht alle der zahlreichen und rasch auf einander
komponierten Werke von gleicher Qualität und Bedeutung sind. Allerdings wäre
es auch ein großer Fehler, die Quantität der Kompositionen mit allgemein
niederer Qualität all dieser Dresdener Werke gleichzusetzen, wie es bei
manchen Autoren den Anschein macht.82
Der Aspekt der Hausmusik als Zufluchtsort Schumanns lässt sich in Werken
wie dem „Album für die Jugend“ und den „Waldszenen“ erkennen. In einem
Brief an Jean-Joseph-Bonaventure Laurens schrieb er Anfang November 1848:
„Und dann welche Zeit, welche furchtbare Empörung der Volksmassen, auch
82
Vgl. Jost 1989, S. 148.
83
Vgl. ebd., S. 31.
45
bei uns. Nun – schweigen wir davon und laßen uns lieber von unserer geliebten
Kunst sprechen, der ja Sie auch mit Leib und Seele ergeben sind.“84
Als die Revolution im Mai 1849 auch Dresden erfasste, zog Schumann in ein
nahegelegenes Dorf namens Kreischa und blieb dort bis Mitte Juni. Trotzdem
muss gesagt werden, dass Schumann zwar ohne je selbst politisch aktiv zu
werden, doch Anteil am öffentlichen Leben samt der Politik nahm. Einen Aspekt
dieser Anteilnahme erkennt Arnfried Edler, den Peter Jost hier zitiert. Er meint,
in der regen Produktivität Schumanns in diesen Jahren eine Art Reflex auf die
gesellschaftlich-politische Situation, ohne jedoch direkt Bezug darauf zu
nehmen, wahr zu nehmen. Jost rechtfertigt diese These mit der in dieser Zeit
bei Schumann immer stärker erkennbar werdenden Bemühungen um
Popularität, die sich von der zeitgeschichtlichen Entwicklung nicht trennen
lassen und auf die ich weiter hinten noch näher eingehen werde. Schumann
widmete sich also vermehrt Werken im Volkston (instrumental wie vokal), sowie
den in dieser Zeit sehr beliebten Gattungen Chormusik, Oratorien und Opern
und Werken mit ethisch-pädagogischen Aspekten.85
Ich möchte hier alle vorhandenen Quellen zu den „Waldszenen“ kurz vorstellen.
Es ist ein glücklicher und seltener Fall, zusätzlich zur Erstausgabe noch drei
weitere Quellen zur Verfügung zu haben. Durch diese Fülle wird eine
Rekonstruktion des Kompositionsprozesses (Entstehung sowie Reihenfolge der
einzelnen Szenen) erst möglich.
2. Das Autograph ist die erste vollständige Niederschrift Schumanns und diente
zugleich als direkte Druckvorlage für Bartholf Senff. Sie ist mit 25. September
1850 datiert und befindet sich mittlerweile in der „Bibliothèque Nationale Paris“.
84
Aus einem Brief Schumanns an Jean-Joseph-Bonaventure Laurens (3.11.1848), zitiert nach
Christoph-Hellmut Mahling & Ruth Seiberts 1997, S. 42.
85
Vgl. Jost 1989, S. 150-151.
46
Das Autograph kommt in seiner letztgültigen Form der Erstausgabe sehr nahe.
Kleine Abweichungen gibt es im Fehlen von legato-Bögen, crescendo-Gabeln
und Ähnlichem. Dem Autograph wird ein hoher Wert beigemessen, weil hier
frühere Stufen des Kompositionsprozesses ersichtlich werden. Einerseits gibt
es mehrere einzelne Datierungen zu den jeweiligen Szenen, andererseits sind
Schumanns spätere Streichungen, Änderungen und dergleichen noch gut
erkennbar.
3. Als dritte Quelle gilt die Abschrift des Dresdener Kopisten Karl Gottschalk,
die vermutlich im August 1850 entstand. Es sind einige Verbesserungsarbeiten
Schumanns zu erkennen, die seinen beständigen Willen nach perfekter
Ausarbeitung zeigen. Eric F. Jensen hat sich in seinem Artikel „A New
Manuscript of Robert Schumann’s Waldszenen Op. 82“ (1984) eingehend mit
dieser Abschrift beschäftigt.
Im 19. Jahrhundert begegnen wir dem Phänomen, dass sich etliche Künstler
intensiv der Schreibtätigkeit widmeten. Dabei findet man sowohl viele
Aufzeichnungen zu musikkritischen und ästhetischen Äußerungen, als auch
relativ umfangreiches Quellenmaterial zum eigenen Leben und Schaffen.
Robert Schumann geht mit seinen Aufzeichnungen, Sammlungen und der
Ordnung seiner Dokumente noch weit über das übliche Maß hinaus. Manche
seiner Kompositionen können vom ersten Einfall bis zur endgültigen
86
Vgl. ebd., S. 134-142.
47
Niederschrift und Herausgabe oft bis auf den Tag genau nachvollzogen werden,
was einen großen Gewinn für die Musikwissenschaft darstellt.87
Auf der Grundlage aller erhaltenen Quellen hat Peter Jost eine möglichst
genaue Rekonstruktion der Werkgenese aufgestellt.
87
Vgl. ebd., S. 151-152.
88
Vgl. Nauhaus 1982, S. 479-481.
89
Jost 1989, S. 153-154.
48
dafür könnte laut Jensen darin liegen, dass Schumann eine Wiederholung des
Wortes „Wald“ vermeiden wollte.90
Der Titel der dritten Szene wurde vom ersten Titelentwurf „Einsame Blumen“ zu
„Einsamkeit“ und in der Endfassung des Autographs wieder zurück auf
„Einsame Blumen“ geändert. Einen Grund dafür sieht Eric Jensen in der
naheliegenden Assoziation mit Tiecks „Waldeinsamkeit“ in „Der blonde
Eckbert“, die Schumann möglicherweise umgehen wollte.91
90
Vgl. Jensen 1984, S. 84.
91
Vgl. ebd., S. 84.
92
Vgl. Jost 1989, S. 153-154.
93
nach Jost 1989, S. 156.
49
Die Entstehung und Entwicklung der „Waldszenen“:94
Die unmittelbare Anregung zu den einzelnen Titeln und des gesamten Werkes
überhaupt ist nicht zu klären. Wie schon oben erwähnt befasste sich Schumann
in dieser Zeit aufgrund der Arbeiten an seinem Eichendorff-Zyklus und an
„Genoveva“ verstärkt mit dem Thema Wald. Des Weiteren muss die allgemeine
Popularität dieses Sujets noch einmal betont werden. Draheim meint, dass
dieses Thema für Schumann „sozusagen in der Luft […] lag“.95
94
nach Jost 1989, S. 157.
95
Joachim Draheim: Vorwort, Kritische Anmerkungen, in: „Robert Schumann: Waldszenen Op.
82“, Wiesbaden 1984, Edition Breitkopf, zitiert nach Jost 1989, hier: S. 154.
50
Pfarrius können aufgrund des Erscheinungsjahres 1850 als Inspirationsquelle
für Schumann eindeutig ausgeschlossen werden. Auf die damit verbundene
Situation der geplanten Mottos werde ich im folgenden Kapitel näher
eingehen.96
Bis zur Drucklegung vergingen beinahe zwei ganze Jahre. Es kann nicht genau
geklärt werden, wann und wie intensiv er an seinen „Waldszenen“ genau
weiterarbeitete und sie verbesserte. Interessant ist der Widerspruch zwischen
Schumanns grundsätzlicher Einstellung zu Revisionen und seiner tatsächlichen
Arbeit. So schrieb er zum einen: „Die erste Konception ist immer die
natürlichste und beste. Der Verstand irrt, das Gefühl nicht.“97 Andererseits
meinte er aber auch: „Der erste Entwurf des Ganzen bleibt allerdings immer der
glücklichste; wodurch sich aber das Talent Achtung und seinem Werke Dauer
verschaffen kann, das Detail, muss oft gemodelt und durchfeilt werden, damit
das Interesse, was die Conception des großen Ganzen nicht gibt, dadurch
wach gehalten werde.“98 Fest steht, dass er bei seinen „Waldszenen“ etliche
Änderungen vorgenommen hat.99 Dies lässt sich auch dem folgenden Brief
entnehmen. Mit den Worten „Sie empfangen hier die Waldszenen [op. 82]– ein
lang und viel von mir gehegtes Stück.“100 schickte Schumann die „Waldszenen“
mit der ursprünglich vorgesehenen Opus-Zahl 93 am 25. September 1850 (laut
Autograph) bzw. am 8. Oktober 1850 (Datierung des Begleitbriefes) an seinen
Verleger Bartholf Senff.
Zu erwähnen bleibt noch die Dedikation für Annette Preußer, der Tochter einer
befreundeten Familie aus Leipzig. Diese Freundschaft blieb auch nach dem
Umzug nach Dresden erhalten. Für Schumann war die Widmung von Werken
eine wichtige Angelegenheit, die er nicht ohne lange Planung vornahm. Bei den
96
Vgl. Jost 1989, S. 154.
97
Schumann schreibt hier unter dem Namen seines imaginären Charakters Meister Raro, zitiert
nach Schumann 1854, 1985, Band 1, S. 40.
98
Schumann 1854, 1985, Band 1, S. 247.
99
Vgl. Jensen 1984, S. 73-76.
100
Aus einem Brief Schumanns an den Verleger Bartholf Senff (8.10.1850), zitiert nach
Heinemann 2010, S. 379.
51
„Waldszenen“ mag der „häuslich-intime Rahmen“101 ausschlaggebend gewesen
sein, dieses Werk der Tochter der lange vertrauten Familie zu widmen.102
Über die Gründe, wieso Schumann letztendlich beinahe alle Mottos wieder für
den Druck beseitigte, lässt sich nur mutmaßen. Wahrscheinlich wollte
Schumann den Spielraum der Fantasie bei Hörern wie Interpreten nicht allzu
sehr einschränken oder in zu konkrete Bahnen lenken105 und erachtete die Titel
schon als Hinweis oder Lenkung genug. Eric F. Jensen meint des Weiteren,
dass die beiden Mottos für „Eintritt“ und „Abschied“ wenig zur besseren
101
Jost 1989, S. 155.
102
Vgl. Jost 1989, S. 155.
103
Vgl. ebd., S. 158. (Bernhard R. Appel: „Robert Schumanns Humoreske für Klavier Op. 20:
Zum musikalischen Humor in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter besonderer
Berücksichtigung des Formproblems“, Dissertation, Saarbrücken 1981, hier: S. 58-61.)
104
Vgl. ebd., S. 158.
105
Vgl. ebd., S. 170.
52
Wahrnehmung bzw. zum besseren Verständnis der Musik beitragen und somit
überflüssig seien. Das Motto für „Vogel als Prophet“ erzähle womöglich mehr
von der Natur des Stückes als Schumann enthüllen wollte, da ja gerade das
Mysterium, das Geheimnis schließlich eines der auffallendsten Merkmale
dieses Stückes ist. Und der Grund, warum Schumann die Mottos für „Jäger auf
der Lauer“ und „Jagdlied“ wieder strich, könnte ein ganz konkreter sein:
Schumann vertonte diese beiden Gedichte nämlich im Mai 1849 für Männerchor
und Hörner und wollte möglicherweise eine doppelte Verwendung der Gedichte
ausschließen. Bleibt noch das Motto für „Verrufene Stelle“. Schumann war es
anscheinend wichtig, die unheilvolle Stimmung des Gedichts mit seinem
Charakterstück zu verbinden, um damit einen Effekt zu erzielen, den die Musik
allein kaum imstande gewesen wäre, zu schaffen.106
Nun zu den vier Mottodichtern und den Mottos der „Waldszenen“ (die
vollständigen Gedichtvorlagen und die Motto-Exzerpte sind im Appendix
vollständig nachzulesen):
Im Jahr 1837 erschienen in Berlin die „Gedichte“ von Joseph von Eichendorff,
die großen Anklang fanden und in der gesamten Künstlerwelt bekannt wurden.
Jost zitiert aus Eckart Busses Recherchen, denen zufolge in den letzten beiden
Dritteln des 19. Jahrhunderts über 5000 Eichendorff-Vertonungen entstanden.
Kein Lyriker der Geschichte des einstimmigen Klavierliedes wurde neben
Goethe derart oft vertont wie Eichendorff.107
Wie oben bereits erwähnt, entnahm Schumann dem Gedicht „Zwielicht“ sein
Motto für „Vogel als Prophet“. Er wollte dem Stück ursprünglich die leicht
veränderte letzte Zeile voranstellen:
Es ist nicht geklärt, ob Schumann das Eichendorff’sche Motto bereis vor seiner
Komposition „Vogel als Prophet“ geplant hatte. Auffallend ist jedoch, dass
deutliche thematische Verbindungen des Stückes mit dem Gedicht bestehen,
108
Vgl. Jost 1989, S. 159-160.
109
Vgl. ebd., S. 160.
110
Joseph von Eichendorff: „Gedichte“, Berlin 1837, Duncker und Humblot, S.7, zitiert nach
McCorkle 2005, S. 23.
111
Vgl. Jost 1989, S. 161 (Eckart Busse: „Die Eichendorff-Rezeption im Kunstlied: Versuch
einer Typologie anhand von Kompositionen Schumanns, Wolfs und Pfitzners“, hier: S. 33ff.).
54
die eine spätere Hinzufügung des Mottos unwahrscheinlich erscheinen lassen.
Auch der geheimnisvolle Ausdruck „Prophet“ hängt mit dem Motto zusammen
und verweist auf eine Warnung oder Weissagung.112
Wie oben erwähnt stammt das Gedicht, dessen vierte und fünfte Strophe das
Motto für „Verrufene Stelle“ ist, aus der Sammlung „Neue Gedichte“ (1843-47,
erweitert: 1848) und trägt den Titel „Böser Ort“.
112
Vgl. Jost 1989, S. 161.
113
Vgl. ebd., S. 161-163.
114
Vgl. ebd., S. 162-163.
55
Motto-Exzerpt zu Nr. 4, „Verrufene Stelle“:
Schumann muss das Gedicht Ende 1848 vor seiner Komposition gekannt
haben, da es einen recht eindeutig darauf verweisenden ersten Titelentwurf
(„Verrufener Ort“) aus den Tagen vor seiner Komposition gibt. Hebbels „Böser
Ort“ entstammt wie erwähnt dem kleinen, aus vier Gedichten bestehenden
Zyklus namens „Waldbilder“, in denen ein lyrisches Ich von seinen
Beobachtungen auf einer Waldwanderung erzählt. Auch dieser Zyklus wird mit
hoher Wahrscheinlichkeit eine Inspirationsquelle für Schumann gewesen sein.
Auch der Titel des Zyklus‘ ist auffallend verwandt. Laut Jost ist eine
116
„charakteristische Umänderung vorgefundener Titel“ für Robert Schumann
117
kennzeichnend.
Friedrich Hebbels „Böser Ort“ sticht qualitativ aus den „Waldbildern“ stark
hervor. Die kunstvoll geschaffene anfängliche Beklemmung steigert sich dann
immer stärker ins Schaurige bis Entsetzliche. Erst in den beiden Motto-
Strophen bekommt der Lesen einen ersten Anhaltspunkt, woher dieser Schauer
kommen könnte. Eine auffallend rote Blume verweist auf Blut, Tod und Rache.
Trotzdem lässt sich keine konkrete Handlung ausfindig machen. Es bleibt offen,
ob die Vermutungen nun auf einer fürchterlichen Wahrheit beruhen oder ob der
Wanderer Opfer seiner Einbildung geworden ist.
115
Friedrich Hebbel: „Neue Gedichte“, Leipzig 1848, J. J. Weber, hier: S. 87ff.,t, S. 285ff.,
zitiert nach McCorkle 2005, S. 23.
116
Jost 1989, S. 163.
117
Vgl. ebd., S. 163-164.
56
Erwähnenswert ist auch die Verbindung dieser roten Blume zum
vorangegangen Stück „Einsame Blumen“. Die beiden Stücke sind nicht nur
knapp nacheinander entstanden, sie weisen auch eine motivische Verbindung
auf, die im Analyseteil erläutert wird.118
Heinrich Laube geht als der ehemals führende Vertreter der Gruppierung
„Junges Deutschland“ (1835) in die Geschichte ein. Laube vertrat radikal
Forderungen nach Volksbildung, Demokratisierung und Politisierung der Kunst.
Zwei Jahre später kehrte sich seine politische Einstellung gravierend in eine
konservative Richtung, was ihm bei seiner großartigen darauffolgenden Karriere
als Theaterdichter und späterer Intendant des Wiener Burgtheaters
wahrscheinlich nützlich wurde. Während dieser Jahre des sozialen Aufstiegs
wurde er aufgrund eigentlich längst verjährter burschenschaftlicher und radikal-
literarischer Aktivitäten zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Aufgrund
einer Reihe positiver Umstände wurde daraus allerdings nur ein eineinhalb
Jahre langer Zwangsaufenthalt gemeinsam mit seiner Frau im Schloss des
Fürsten Hermann von Pückler-Muskau. Dort kam Laube mit der Jagd in
Kontakt. Nach anfänglichem Vorbehalt entwickelte sich bald eine regelrechte
Leidenschaft, der er auch nach Beendigung seiner Strafe weiterhin auf Schloss
Muskau nachgehen durfte. 1841 erschien das „Jagdbrevier“, das zwar
literarisch keinen besonders hohen Wert hat, dem aber die Mottos zu „Jäger auf
der Lauer“ („Frühe!“) und zum „Jagdlied“ („Zur hohen Jagd“) entstammen.119
118
Vgl. ebd., S. 164-165.
119
Vgl. ebd., S. 165-166.
57
Dämmer ist Wildes Braut,
Dämmer macht Wild vertraut,–
Was man früh angeseh’n,
Wird uns nicht leicht entgeh’n.“120
120
Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841, Wigand, hier: Nr. 92, S. 218, zitiert nach
McCorkle 2005, S. 23.
121
Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841, Wigand, hier: Nr. 78, S. 197-199, zitiert nach
McCorkle 2005, S. 23.
58
„Frühe!“ hingegen ist mehr eine Aufzählung von Vorteilen einer möglichst früh
begonnen Jagd und entbehrt dieser Stimmung.122
Gustav Pfarrius nimmt unter den vier Mottodichtern der „Waldszenen“ eine
besondere Stellung ein. Er war Heimatdichter und hauptberuflicher
Gymnasiallehrer. Zu Lebzeiten war sein lyrisches Werk regional sehr beliebt
und wurde hoch geschätzt. Allerdings konnte er sich aufgrund seines
vergleichsweise begrenzten poetischen Talents keinen dauerhaften Erfolg
sichern. Aufgrund seines Lyrikbandes „Das Nahetal in Liedern“ (1838) wird er
heute noch manchmal als „Sänger des Nahetals“ bezeichnet. 1850
veröffentlichte Pfarrius die mitten in der Revolutionszeit entstandenen
„Waldlieder“, in denen die Abkehr von der bedrohlichen Politik und die Zuflucht
in die Natur ganz deutlich zu erkennen ist. Damit traf Pfarrius genau den Ton
der Zeit, was ihm damals eine – wenn auch regional beschränkte – Beliebtheit
einbrachte. Auch Schumann bewegten diese „Waldlieder“, was ihn dazu
veranlasste, ihnen eine rückblickend überhöhte literarische Qualität
zuzuschreiben.
Für die „Waldszenen“ vorgesehen hatte Schumann die zweite Strophe des
Eingangsgedichtes der „Waldlieder“ mit dem Titel „Komm mit“.
Für die erste Szene („Eintritt)“ war die gekürzte dritte Strophe des oberen
Gedichtes „Komm mit“ geplant:
122
Vgl. Jost 1989, S. 167-168.
123
Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln 1850, Verlag
der DuMont-Schauberg'schen Buchhandlung, hier: S. 1 ff, zitiert nach McCorkle 2005, S. 23.
59
Motto-Exzerpt zu Nr. 1, „Eintritt“:
Die erste Strophe des Gedichtes „Heimgang“ (ebenfalls aus den „Waldliedern“)
war schließlich für Schumanns Stück „Abschied“ gedacht:
124
Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln 1850, Verlag
der DuMont-Schauberg'schen Buchhandlung, hier: S. 1 ff, zitiert nach McCorkle 2005, S. 23.
125
Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln 1850, Verlag
der DuMont-Schauberg'schen Buchhandlung, hier: S. 89, zitiert nach McCorkle 2005, S. 23.
126
Vgl. Jost 1989, S. 169.
60
V. Analyse der „Waldszenen“
1.1. „Eintritt“
Wie bereits oben dargelegt, hatte Schumann für das erste Stück der
„Waldszenen“ ein Motto geplant, es dann für den Druck aber wieder getilgt.
Vorgesehen war wie bereits besprochen die gekürzte dritte Strophe des
Eingangsgedichtes „Komm mit" aus den „Waldliedern“ von Gustav Pfarrius:
127
Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln 1850, Verlag
der DuMont-Schauberg'schen Buchhandlung, hier: S. 1 ff, zitiert nach McCorkle 2005, S. 23.
61
Dieses erste Stück steht in der Tonart B-Dur, im 4/4-Takt und hat die
Vortragsbezeichnung „nicht zu schnell“. Es hat einen heiteren, unbeschwerten
Charakter und offenbart auch eine gewisse idyllische Stimmung, die mit dem
Aufbruch zu einer Waldwanderung assoziiert werden kann.
Das Stück „Eintritt“ ist monothematisch angelegt. Ein einziges Thema prägt das
gesamte Stück und kommt in unterschiedlichen Weisen, auch variiert und
verkürzt vor. Wie die meisten der neun „Waldszenen“ lässt sich auch der
„Eintritt“ nur schwer bis gar nicht in eine formale Schublade stecken. Es gibt
mehrere Möglichkeiten und Sichtweisen. Irmgard Knechtges unterteilt das
Stück folgender Weise:130
128
Vgl. Jost 1989, S. 235.
129
Vgl. Rosen 1995, S. 31.
130
modifiziert nach Knechtges 1985, S. 120.
62
A :II Tonika - Dominante Takt 1-8a
A' Dominante (zweiteilig angelegt) Takt 8b-16
A Tonika, Vordersatz leicht variiert Takt 16-24
A' Moll-Doppeldominate, verkürzt und variiert Takt 24-28
Coda Alle Motive werden verwendet, Anfangsmotiv von A, Takt 28-44
Schlussfiguration (dreiteilig angelegt)
Man erkennt schnell, dass man bei der formalen Analyse nicht so sehr an der
Unterteilung selbst scheitert, sondern dass die Zäsuren sogar recht eindeutig
sind. Die Schwierigkeiten ergeben sich zum großen Teil aus der Interpretation
der Teile und durch die daraus resultierende Wahl der Betitelung der einzelnen
Abschnitte.
Die Stimmen beider Hände sind von ihrer Anlage her gleichberechtigt und
miteinander verknüpft angelegt. So wird der Vordersatz des Themas in der
Unterstimme vorgestellt um dann im Nachsatz in der Oberstimme fortgeführt zu
werden. Dieser Registerwechsel vollzieht sich allerdings sehr subtil.132
131
modifiziert nach Jost 1989, S. 206.
132
Vgl. Rosen 1995, S. 31.
63
ebenso motivisch-thematisch verwendet. Nach der formalen Analyse
Knechtges‘ enthält die relativ ausgedehnte Coda noch einmal alle wichtigen
vorangegangen Motive, bis schließlich der Beginn des Themas in seiner
ursprünglichen Weise erklingt und in eine Art Schlussfiguration mündet, mit der
das Stück endet.133
Auch dem zweiten Stück der „Waldszenen“ war ursprünglich ein Motto zugeteilt.
Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus dem zweiten Gedicht des
„Jagdbreviers“ von Heinrich Laube:
Ein Grund für die Tilgung dieses Mottos war vermutlich, dass die Aussagekraft
dieses Gedichts – wie bereits weiter oben besprochen – verhältnismäßig gering
ist und keinen wertvollen Beitrag zur Musik leistet.
„Jäger auf der Lauer“ steht in d-Moll, im 4/4-Takt und hat die
Vortragsbezeichnung „Höchst lebhaft“. Dieses Stück hat ein achttaktiges, von
beiden Händen unisono gespieltes Vorspiel, das im folgenden Notenbeispiel
(Abbildung 2) zu sehen ist und vermutlich die gespannte Erwartung und das
Lauern des Jägers darstellen soll.
133
Vgl. Knechtges 1985, S. 123-124.
134
Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841, Wigand, hier: Nr. 92, S. 218, zitiert nach
McCorkle 2005, S. 23.
64
Abbildung 2: „Jäger auf der Lauer“, Takt 1-8:
Dieses Vorspiel beinhaltet bereits einen Teil der später verwendeten Motive.
Rasche und aufgeregte Bewegungen bei der Verfolgung des Wilds scheinen
fast tonmalerisch umgesetzt. Das Stück selbst ist zweiteilig angelegt, wobei der
erste Teil wiederholt wird, die letzten fünf Takte sind laut Irmgard Knechtges
eine kurze Coda135, für Peter Jost hingegen gehören diese Schlusstakte ganz
schlicht zu A' dazu136. Der prägnante und straffe Rhythmus sowie das lebhafte
Tempo lassen in A und A' auf typisches Jagdtreiben schließen. Ein wirkliches
Hauptthema ist nicht vorhanden, stattdessen arbeitet Schumann hier mit
mehreren sich ähnelnden Motiven, die er durch Zerlegungen, Kombinationen
und harmonische Verarbeitung abwandelt und in allen Stimmen erklingen lässt.
Prägend für das ganze Stück sind die folgenden beiden rhythmischen
Figuren:137
135
Vgl. Knechtges 1985, S. 121.
136
Vgl. Jost 1989, S. 207.
137
Vgl. Knechtges 1985, S. 124.
65
Abbildung 3: „Jäger auf der Lauer“, Takt 9-16:
Für dieses dritte Stück war anscheinend von vorneherein kein Motto
vorgesehen, da sich in den Quellen absolut keine Vermerke dazu finden lassen.
„Einsame Blumen“ steht in der Tonart B-Dur und im 2/4-Takt und hat die
Vortragsbezeichnung „Einfach“. Es handelt sich hier um ein ausgesprochen
zartes und im Charakter sehr melancholisches Stück, das seinem Adjektiv im
Titel überaus gerecht wird. Formal gesehen ist es laut Knechtges rondoartig
angelegt:138
138
nach Knechtges 1985, S.121.
66
Laut Jost findet man hier wieder eine – wie er es nennt – monothematische
Variantenform vor:139
A a Takt 1-10
a' Takt 11-18
A' b Takt 19-26
a Takt 27-36
a' Takt 37-44
A'' c Takt 45-52
c' Takt 53-64
a'' Takt 65-76
Der große Unterschied zwischen den beiden Zugängen ist hier, dass Knechtges
in der Motivik ab Takt 19 etwas thematisch Neues erkennt und diesen Teil
daher großzügig als B (bzw. C ab Takt 45) bezeichnet und Jost darin keinen
motivisch wie thematisch neuen oder kontrastierenden Teil sieht, um ihn als B-
Teil zu deklarieren. Von diesem Punkt abgesehen finde ich die Unterteilung von
Irmgard Knechtges aber sehr logisch und auch musikalisch nachvollziehbar,
wogegen ich die Dreiteiligkeit bei Jost nicht erkennen kann.
Durch die rhythmische Neutralität und Regelmäßigkeit erhält das Stück eine
statische, besinnliche, im übertragenden Sinne vielleicht dieses Bild der Blumen
betrachtende Intimität.140 Die zweitaktige Achtelwendung wird als Hauptmotiv
echoartig wiederholt und in quasi kontrapunktischer Weise mit sich selbst
verflochten.141 Dabei entstehen zahlreiche Reibungen in kleinen und großen
Sekunden, die dem melancholischen, schmerzlichen Gestus des Stückes
entsprechen.142
139
nach Jost 1989, S. 206.
140
Vgl. Jost 1989, S. 236.
141
Vgl. Knechtges 2005, S. 73.
142
Vgl. Jost 1989, S. 236.
67
Abbildung 4: „Einsame Blumen“, Takt 1-7:
Die Motive in den Zwischenteilen sind dem Hauptmotiv ähnlich, werden aber
nicht derart imitierend geführt.
Der in den Hauptteilen echoartigen Motivik der Oberstimmen steht eine fast
durchgehend nach demselben Prinzip funktionierende Begleitfigur der linken
Hand gegenüber. Wie es die Vortragsbezeichnung schon fordert, hat dieses
Stück einen sehr einfachen und bewusst unkompliziert und dünn gehaltenen
68
Klaviersatz. Dadurch entsteht diese dem Stück innewohnende besondere,
intime Stimmung.143
Das Motto des vierten Stücks der „Waldszenen“ ist das einzige, das Schumann
für den Druck beibehielt. Es handelt sich hierbei um einen Exzerpt aus dem
Gedicht „Böser Ort“ von Friedrich Hebbel:
Dieses Gedicht ragt in seiner Qualität unter den geplanten Mottos Schumanns
weit hervor. Möglicherweise ist dies ein Grund dafür, dass er es als einziges
auch für den Druck übernommen hat. Es kann aber natürlich auch sein, dass
Schumann die düstere, bedrohliche Stimmung seiner Musik durch dieses
Gedicht noch verstärken wollte. Eine weitere Begründung könnte des Weiteren
darin bestehen, dass Schumann damit die starke Verbindung der beiden Stücke
Nr. 3 („Einsame Blumen“) und Nr. 4 („Verrufene Stelle“) verdeutlichen wollte. So
stehen einerseits bei beiden Szenen inhaltlich Blumen im Zentrum, andererseits
gibt es eine starke motivische Verknüpfung der beiden Stücke, auf die ich
weiter unten näher eingehen werde.
143
Vgl. Knechtges 1985, S. 124-125.
144
Friedrich Hebbel: „Neue Gedichte“, Leipzig 1848, J. J. Weber, hier: S. 87ff.,t, S. 285ff.,
zitiert nach McCorkle 2005, hier: S. 23.
145
Bachs berühmte Orgeltoccata und seine „Kunst der Fuge“, das „Requiem“, das
Klavierkonzert Nr. 20, KV 466 und die Komtur-Szene („Don Giovanni)" von Mozart, natürlich
Beethovens Neunte, aber auch die später entstandene neunte Sinfonie Bruckners sind
69
in Verbindung gebracht, Schumann hat diese Tonart sehr wahrscheinlich genau
aus diesem Grund für dieses Stück gewählt.
A a Takt 1-6
a1 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 6-13
a1' Takt 13-23
A' a' Takt 23-28
a+a2 (Thema und motivisch verwandte Neubildung) Takt 28-35
berühmte Beispiele für Werke in der manchmal auch als „Vermächtnistonart“ bezeichneten d-
Moll-Tonart.
146
nach Knechtges 1985, S. 121.
147
nach Jost 1989, S. 207.
70
pianissimo und piano verbleibt. Die an barocke Kompositionen erinnernden
polyphonen Strukturen und Elemente und die zahlreichen und sehr geschärften
Punktierungen (hauptsächlich Doppel-, aber auch Dreifachpunktierungen)
bilden ein wesentliches Merkmal dieses Stückes.148 Durch häufige Pralltriller
wird die prägnante und gespannte Rhythmik noch zusätzlich verstärkt. Die
dadurch entstehenden Motive werden fast imitatorisch wiederholt und
überlagern sich sogar in einer Art Engführung:
Die motivische Verwandtschaft zum vorangehenden Stück möchte ich hier nun
endlich näher erläutern. Das Hauptmotiv der „Einsamen Blumen“ wird bei der
„Verrufenen Stelle“ wieder aufgegriffen. Es erscheint sowohl in seiner
Originalgestalt, wenn auch auf einer anderen Stufe, als auch in variierter Form
und wird mit dem motivischen Material dieses Stückes verknüpft (siehe dazu
auch Abb. 4: „Einsame Blumen“).
148
Vgl. Jost 1989, S. 239.
71
Abbildung 8: „Verrufene Stelle“, Takt 4-9:
Das Zitat dieses „Blumenthemas“, wie es Irmgard Knechtges nennt, lässt wie
bereits oben erwähnt, eine Verbindung dieser beiden Stücke erkennen, die
auch aufgrund des Inhaltes (Titel bei „Einsame Blumen“ bzw. Motto der
„Verrufenen Stelle“) miteinander verwoben sind.149
Ebenso wie die „Einsamen Blumen“ war anscheinend auch die „Freundliche
Landschaft“ von vornherein ohne literarisches Motto geplant.
Zum vorhergehenden Stück steht die Nr. 5 in starkem Kontrast. Es steht in der
Tonart B-Dur, im 2/4-Takt, soll „schnell“ gespielt werden und vermittelt eine
heitere und beschwingte Stimmung.
149
Vgl. Knechtges 1985, S. 125-127.
72
Die formale Analyse nach Knechtges:150
Auch bei diesem Stück wird bei der Gegenüberstellung der beiden
Formanalysen gleich klar, dass das Problem nicht darin besteht, dass die Teile
uneindeutig voneinander getrennt wären. Ganz im Gegenteil erkennt man die
Zäsuren ganz klar. Schwierig ist es eher, die große Klammer darüber zu ziehen.
Genau darin unterscheiden sich auch diese beiden Formanalysen.
In manchen Punkten weist dieses Stück liedhafte Aspekte auf. Dazu zählt
einerseits das Vorspiel, das in veränderter Form auch als Zwischenspiel
150
nach Knechtges 1985, S. 121-122.
151
nach Jost 1989, S. 207.
73
fungiert und einzelne Abschnitte und Strophen voneinander trennt. Die Coda ist
motivisch eine Kombination aus diesem Vorspiel und dem Hauptmotiv. Des
Weiteren vermittelt die einfach gehaltene, triolische und aus Akkordbrechungen
bestehende Begleitung der linken Hand, die mit der ebenso eher einfach
gehaltenen Oberstimme fast durchwegs isorhythmisch verläuft, einen eher
liedhaften Charakter. Trotzdem wird dieses Stück auch oft als eindeutig
instrumentale Erfindung gesehen152, da die Oberstimme sehr klavieristisch und
kaum singbar oder besonders melodisch konzipiert ist. Diese Parameter
werden im Grunde im ganzen Stück beibehalten und vermitteln jedenfalls einen
fröhlichen, unbeschwerten und auch teils volkstümlichen Eindruck.153
1.6. „Herberge“
Auch für das sechste Stück des Klavierzyklus' hatte Schumann anscheinend nie
ein literarisches Motto geplant.
Dieses Stück steht in Es-Dur, im 4/4-Takt und soll „Mäßig“ im Tempo gespielt
werden. Der Charakter ist wieder fröhlich, gelassen, sorglos, aber langsamer
als das vorangegangene Stück.
152
Vgl. Jost 1989, S. 221.
153
Vgl. Knechtges 1985, S. 127.
74
Die formale Gliederung nach Knechtges gestaltet sich folgendermaßen:154
A a Takt 1-8
A' a1 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 9-22
ü (Überleitung) Takt 23-25
a Takt 25-32
A'' a2 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 33-40
a3 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 41-47
Coda a1'+a* (verkürzt) Takt 48-56
Die Unterteilungen der beiden Analysen sind bis Takt 33 wieder ident, der
große Unterschied besteht in diesem Fall in der Interpretation der Coda.
Knechtges wertet alles ab Takt 33 als Coda, Jost erst ab Takt 48. Für Josts
Analyse spricht in diesem Fall zum Einen, dass bei Knechtges eine
unverhältnismäßig lange Coda entsteht, zum anderen kann die
Weiterentwicklung des motivischen Materials in diesem Teil zwischen Takt 33
und 48 durchaus als eigener Teil angesehen werden. Allerdings klingen die
Takte nach dem Quintsextakkord auf der dritten Zählzeit in Takt 38 unter
anderem durch die raschen Sechzehntel-Figuren in Takt 39 sowie die
Akkordzerlegung in Takt 46 meiner Meinung nach fast rezitativisch (siehe
Notenbeispiel). Man könnte hier also noch eine weitere Unterteilung machen.
154
nach Knechtges 1985, S. 122.
155
nach Jost 1989, S. 206.
75
Fest steht, dass die Schlusstakte ab Takt 48 auf jeden Fall als Coda zu
bezeichnen sind.
Schumann entwickelt in diesem Stück mehrere kleine Motive. Die ersten beiden
bilden Vorder- und Nachsatz des Hauptthemas.
76
Abbildung 11: „Herberge“, Takt 1-4:
Dieses zweite punktierte Motiv ist vor allem für den Mittelteil bestimmend und
erinnert zusammen mit der Tonart dieses Stückes (Es-Dur) an den ursprünglich
geplanten Titel „Jägerhaus“.
Im Mittelteil tritt noch ein weiteres wichtiges Element auf, das eindeutig als
Verarbeitung des „Blumenmotivs“ gesehen werden kann.
In Takt 25-26 wird das Anfangsmotiv der „Herberge“ mit diesem adaptierten
„Blumenmotiv“ geschickt und kunstvoll kombiniert, was im folgenden
Notenbeispiel (Abbildung 13) ersichtlich wird.
77
Abbildung 13: „Herberge“, Takt 25-26:
Das Stück endet schließlich mit der Wiederholung der beiden Anfangstakte,
was eine schöne Abrundung des bunten Stückes darstellt.157
Diesem siebten Stück des Zyklus wollte Schumann ursprünglich wie bereits
oben erwähnt die leicht veränderte letzte Zeile des Gedichtes „Zwielicht“ von
Joseph von Eichendorff voranstellen:
Schumann hatte sich schon früher mit diesem Gedicht auseinandergesetzt und
es im Zuge seines „Liederkreises“ Op. 39 vertont. Abgesehen von diesem
letzten Vers besteht aber keine Verbindung zwischen den beiden Stücken. Ein
156
Vgl. Jost 1989, S. 236-237.
157
Vgl. Knechtges 1985, S. 127-129.
158
Joseph von Eichendorff: „Gedichte“, Berlin 1837, Duncker und Humblot, S.7, zitiert nach
McCorkle 2005, S. 23.
78
möglicher Grund für die Tilgung des Mottos wäre, dass der Titel in Verbindung
mit der Musik schon genügend Anhaltspunkte für Interpreten und Publikum
liefert und das Motto überflüssig macht. Des Weiteren war Schumann mit dieser
Art von poetischen Ergänzungen wie gesagt grundsätzlich sehr vorsichtig und
wollte einen gewissen Spielraum für die Interpretation lassen und nur die
notwendigsten Anhaltspunkte geben. Gerade bei diesem Stück wollte er
vermutlich keinesfalls zu viel verraten, damit seine außergewöhnliche,
rätselhafte Stimmung erhalten bleibt.
Der Charakter des Stückes „Vogel als Prophet“ ist – wie der Titel schon
erahnen lässt – außerordentlich geheimnisvoll, rätselhaft und fast mystisch.
Unter den sonst eher handfesten Stücken, bringt „Vogel als Prophet“ eine
geheimnisvolle, kaum erklärbare Komponente in den Zyklus und nimmt damit
eine Sonderstellung unter den „Waldszenen“ ein. Vögel werden in Märchen oft
mit besonderen Kräften und manchmal auch großem Wissen oder mystischer
Weisheit ausgestattet. Ich denke hier zum Beispiel an die schon weiter oben
erwähnte Märchennovelle „Der blonde Eckbert“ von Ludwig Tieck. Der darin
auftretende Zaubervogel singt sein schicksalsträchtiges Lied über die
„Waldeinsamkeit“ und übernimmt dabei eine fast prophetische Rolle:
„Waldeinsamkeit
Wie liegst du weit!
O dich gereut
Einst mit der Zeit.-
Ach einz'ger Freund
Waldeinsamkeit!“159
Seine Sonderstellung unter den „Waldszenen“ erhält der „Vogel als Prophet“
auch durch seinen eigentümlichen, schwebenden Klang und die harmonische
Unbestimmtheit. Die Haupttonart ist g-Moll, der Mittelteil steht in G-Dur. Des
Weiteren steht das Stück im 4/4-Takt und hat die Vortragsbezeichnung
159
Tieck 1952, 2002, S. 17.
79
„Langsam, sehr zart“. Formal weist es interessanter Weise – im Gegensatz zu
seinem Charakter – eine der klarsten Strukturen des Zyklus' auf. Es handelt
sich hierbei um eine völlig symmetrische dreiteilige Liedform ohne Vorspiel oder
Coda:160
A a Takt 1-4
a' Takt 4-8
a1 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 8-16
a* (verkürzt) Takt 16-18
B b Takt 18-22
b'* (variiert und verkürzt) Takt 22-24
A a Takt 25-28
a' Takt 28-32
a1 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 32-40
a* (verkürzt) Takt 40-42
Das Hauptmotiv des Stückes besteht aus einer punktierten Achtelnote und
darauffolgende auf- oder absteigende Akkordbrechungen in 32tel-Notenwerten.
Es kommt hauptsächlich in eher hoher Lage in der rechten Hand vor und
bestimmt in relativer dynamischer Neutralität die Rahmenteile des Stückes.
Harmonisch und rhythmisch werden diese stilisierten Vogellaute durch wenige
dünne Stützakkorde der linken Hand zusammengehalten.
160
modifiziert nach Jost 1989, S. 206.
80
Abbildung 14: „Vogel als Prophet“, Takt 1-5:
Der kurze Mittelteil in G-Dur kontrastiert mit seiner andächtigen, fast religiösen
Stimmung, dem warmen Klang, dem breiten Legato und seiner beinahe
choralähnlichen Kompositionsweise stark. Das Hauptmotiv dieses Teils besteht
aus einer Oberstimme mit geringem Ambitus und einfachem Rhythmus, die von
daruntergelegten Akkorden in enger Lage harmonisiert wird. Dazu kommen die
orgelpunktartige Bassstimme und eine hauptsächlich in geraden Achtelnoten
verlaufende Mittelstimme. Durch die stilisierten Vogellaute in den Rahmenteilen,
wirkt dieser kontrastierende Mittelteil – denkt man an den Titel und das
gestrichene Motto – wie die unter Anführungszeichen gesetzte Quintessenz des
Stückes, also die Verkündigung der Prophezeiung.161
161
Vgl. Jost 1989, S. 238.
81
Abbildung 15: „Vogel als Prophet“, Takt 18-24:
Der Schluss des Stückes erscheint ebenso rätselhaft und offen wie die gesamte
Szene. Es gibt keine Lösung, weder harmonisch noch interpretatorisch.
Interessant ist, dass dieses Stück in der Erstfassung als Schlussstück des
Zyklus‘ vorgesehen war, wie es auch in der weiter oben eingefügten Grafik zur
Entstehung und Entwicklung der „Waldszenen“ ersichtlich ist. Um den Zyklus‘
zu einem eindeutigeren Abschluss zu bringen, hatte Schumann in dieser ersten
Version die Tonart dieses Stückes in zwei Takten kadenziell abgesichert.
Gleichzeitig mit der Veränderung der Stellung im Gesamtzyklus, löschte
Schumann diese schlussbildenden Takte aber wieder um „Vogel als Prophet“
seinem Charakter entsprechend offen und fragend enden zu lassen. Dadurch
entsteht auch ein Gefühlt von Ewigkeit und Zeitlosigkeit.162
Neben des sehr strukturierten formalen Aufbaus vermittelt dieses Stück eine
unbestimmte Ursprünglichkeit und klingt – ähnlich wie die „Verrufene Stelle“ –
fast improvisiert oder rezitativisch und wie aus dem Moment heraus ersonnen.
Aufgrund seiner auffallend abweichenden und geheimnisvollen Wirkung, gilt es
eindeutig als eines der interessantesten und bekanntesten Stücke der
„Waldszenen“.163
162
Vgl. Jung-Kaiser 2008, S. 72-73.
163
Vgl. Knechtges 1985, S. 129-130.
82
1.8. „Jagdlied“
Diesem sehr beliebten, vorletzten Stück der „Waldszenen“ war von Schumann
ursprünglich ein Motto zugedacht. Es handelt sich hierbei um die erste Strophe
des Gedichts „Zur hohen Jagd“ aus dem „Jagdbrevier“ von Heinrich Laube:
Schumann hat dieses und weitere Gedichte aus dem „Jagdbrevier“ später im
Rahmen seiner „Jagdlieder“ Op. 137 (1849) vertont. Es hat ihn also trotz seiner
Einfachheit in irgendeiner Form sehr angesprochen. Diesen recht simplen und
eher wenig kunstvollen Versen Laubes steht ein ebenso den populären
Geschmack treffendes, charakterlich ähnlich schlichtes und unbeschwertes
„Jagdlied“ Schumanns gegenüber. Doch obwohl sich Musik und Gedicht hier in
ihrer nahezu volkstümlichen und konkreten Einfachheit gut kombiniert hätten,
tilgte Schumann auch dieses Motto, vermutlich aus den schon mehrmals
genannten Gründen der nicht vorhandenen Notwendigkeit.
Das „Jagdlied“ steht der Tradition entsprechend in Es-Dur (noch typischer wäre
F-Dur oder B-Dur), der Mittelteil ist in der Subdominante As-Dur komponiert.
Ebenso typisch ist die 6/8-Taktart, das lebhafte Tempo („Rasch, kräftig“) und
die charakteristisch prägnante Rhythmik. Die durchwegs festliche, ungetrübte
Stimmung und die volkstümliche Schlichtheit äußern sich des Weiteren durch
eine einfache Melodik und Rhythmik und die strukturelle Klarheit des Stückes.
Formal definiert sich das „Jagdlied“ als eine völlig regelmäßige und in sich
symmetrische dreiteilige Liedform, wobei die Wiederholungen in der sonst
wörtlich wiederholenden Reprise wegfallen:165
164
Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841, Wigand, hier: Nr. 78, S. 197-199, zitiert nach
McCorkle 2005, S. 23.
165
modifiziert nach Jost 1989, S. 206.
83
A a :II Takt 1-8
II: a1 :II (motivisch verwandte Neubildung) Takt 8-16
a2 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 16-24
a' Takt 24-32
a3 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 32-48
B b Takt 48-56
b Takt 56-64
c Takt 64-72
b Takt 72-80
A' a Takt 80-88
a1 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 88-96
a2 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 96-104
a' Takt 104-112
a3 (motivisch verwandte Neubildung) Takt 112-128
84
Beispiele für typische Hornquinten gibt es natürlich auch hier. So zum Beispiel
in den Takten 21-22:166
Der Mittelteil steht in der Subdominante As-Dur und ist piano konzipiert. Da der
straffe Grundrhythmus über das ganze Stück durchgezogen wird, hebt sich der
Mittelteil hauptsächlich durch die etwas neue Motivik und des daraus
entstehenden synkopischen Themas, der kontrastierenden Dynamik und
natürlich des neuen harmonischen Zentrums von den Rahmenteilen ab.167
1.9. „Abschied“
Mit diesem Stück schließt nicht nur der Klavierzyklus, vielmehr endet damit
auch die imaginäre Waldwanderung. Auch der Titel dieses Stückes
korrespondiert mit dem der ersten „Waldszene“ („Eintritt“) und schließt damit
den Kreis.
Schumann hatte für dieses neunte Stück ein Exzerpt aus dem Gedicht
„Heimgang“ aus Gustav Pfarrius' „Waldliedern“ geplant, welches das
Rahmengefühl des Zyklus verstärken sollte, da auch das vorgesehene Motto für
das Eingangsstück aus Pfarrius' „Waldliedern“ entnommen worden wäre:
166
Vgl. Jost 1989, S. 235.
167
Vgl. Knechtges 1985, S. 130-131.
85
Noch den letzten Sonnenstrahl."168
Ähnlich wie diese Verse ist die Musik Schumanns auch von beruhigter, aber
ebenso wehmütiger Stimmung. Interessant ist Gerald Abrahams und Irmgard
Knechtges' Entdeckung, dass das literarische Motto für den Druck zwar entfernt
wurde, es aber in der Musik selbst auftaucht. Dem Hauptthema dieser
„Waldszene“ kann man nämlich die geplanten Verse von Pfarrius unterlegen:169
168
Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln 1850, Verlag
der DuMont-Schauberg'schen Buchhandlung, hier: S. 89, zitiert nach McCorkle 2005, S. 23.
169
Vgl. Knechtges 1985, S. 131-132.
86
Der „Abschied“ ist in B-Dur, der Haupttonart des Zyklus, geschrieben, steht im
4/4-Takt und soll „Nicht schnell“ gespielt werden. Damit ist es in diesen
Parametern deckungsgleich mit dem „Eintritt“, was die Abrundung der
Gesamtkomposition weiter verstärkt.170
Formal gibt es hier wieder etwas Spielraum für die analytische Interpretation.
Knechges sieht „Abschied“ als eine Art rondoartige Strophenform:171
Schnell wird wieder klar, dass die Zäsuren beider Analysen übereinstimmen.
Der einzige Unterschied besteht wieder einmal in der Coda, die Knechtges
schon ab Takt 40 und Jost erst ab Takt 46 erkennt. Ein weiterer Unterschied
170
Vgl. Jost 1989, S. 172.
171
nach Knechtges 1985, S. 125.
172
nach Jost 1989, S. 206.
87
besteht wie fast bei jeder Formanalyse der neun Stücke in der Auslegung der
Teile und der Setzung der großen Klammern.
173
Vgl. Knechtges 1985, S. 131-132.
88
Durch gegen Ende hin immer häufiger eingesetzte chromatische Färbungen,
verstärkt sich der wehmütige und sehnsüchtige Stimmungsaspekt mehr und
mehr und führt im übertragenen Sinne immer weiter vom Wald weg. 174
Mit arpeggio-artigen Läufen endet schließlich das Stück und damit der gesamte
Zyklus.175
174
Vgl. Jost 1989, S. 237.
175
Vgl. Knechtges 1985, S. 131-132.
176
Österreichisches Musiklexikon ONLINE:
http://han.kug.ac.at/han/OesterreichischesMusiklexikon/www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_Z;int
ernal&action=call&_functionName=displayExpertSearchResult&, 16.2.2016.
89
Im „Oxford Dictionary of Music“ gibt es folgende Definition:
Unter Zyklus versteht man in musikalischer Hinsicht also ein mehrteiliges Werk,
dessen einzelne Stücke zwar in sich abgeschlossen sind, jedoch erst im
Kontext des Gesamtwerkes den ihnen inne liegenden Sinn ganz offenbaren
können. Der Zusammenhalt der Einzelstücke fußt dabei aber nicht lediglich auf
thematische Übereinstimmung, sondern auf – wie es in der oben angeführten
Definition im „Österreichischen Musiklexikon“ heißt – eine „strukturierte Abfolge“
und „eine abgerundete Ganzheit“. Starke Bezüge der Einzelstücke
untereinander gehören hier genauso dazu, wie die Sinnhaftigkeit und der Wert
aller einzelnen Teile für das Gesamtwerk.178
Des Weiteren verdient der Begriff „Szenen“ im Titel unseres Zyklus‘ an dieser
Stelle eine kurze Betrachtung. Schumann verwendet diese Bezeichnung neben
den „Waldszenen“ auch für die „Kinderszenen“ Op. 15 und die vierhändigen
„Ballszenen“ Op. 109 und führt ihn des Weiteren im Untertitel des „Carnaval“
Op. 9 („Scènes mignonnes…“) an. Szenen können in diesem Zusammenhang
einerseits eine geschlossene Handlungseinheit (man denke hier an Szenen in
Theaterstücken), andererseits aber auch statische Momentaufnahmen (also
Genreszenen) bedeuten. In den „Waldszenen“ ist größtenteils eher die zweite
Variante anzutreffen. Die meisten der Stücke wirken wie Stimmungsbilder und
erinnern darin an Bilderzyklen. Die „Verrufene Stelle“ erscheint eher als ein
Beispiel der eher epischen Variante. Eine (epische) Schilderung meist
vertrauter Wald- und Naturszenen ist im Opus 82 grundsätzlich aber weniger
das Ziel, als die Darstellung von Stimmungen und psychischen Zuständen. Die
beiden betont neutral gehaltenen Rahmenstücke umgeben die restlichen
Szenen, deren Gehalt eher die Gedanken- und Gefühlswelt des imaginären
Waldwanderers sind. Die Natur wird zum Symbol für das Innenleben des
177
Oxford Dictionary of Music:
http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/articl
e/opr/t237/e2651?goto=cycle&_start=1&source=omo_t237&pos=1, 16.2.2016.
178
Vgl. Jost 1989, S. 172.
90
Menschen, wie es auch in der literarischen Romantik häufig der Fall ist.179 Die
gespannte Erwartung und Aufregung prägen zum Beispiel die zweite Szene
(„Jäger auf der Lauer“), die „Verrufene Stelle“ offenbart Gefahr, Unheil und
Beklemmung, der „Vogel als Prophet“ bringt Mystisches, Märchenhaftes und
Geheimnisvolles in das Werk, die Einsamkeit steckt sogar schon im Titel des
dritten Stückes und das sechste Stück handelt vielmehr von der Geborgenheit
und heiteren Gelöstheit als von der „Herberge“ selbst.180 Verschiedenste
Aspekte des Waldes korrespondieren mit der Bandbreite menschlicher
seelischer Empfindungen und Zustände. Aufgrund der Vordergründigkeit der
Vermittlung von Stimmungsmomenten im Vergleich zur Präsentation realer
Waldbilder, schränkt sich Schumann in tonmalerischen Umsetzungen der
Waldsphäre eher ein.181
Die übergeordnete Thematik Wald ist für die Etikettierung als Zyklus für die
„Waldszenen“ wie oben dargelegt noch keinesfalls ausreichend. Um die für
einen Zyklus notwendige „strukturierte Abfolge“ zu erkennen, möchte ich nun
damit beginnen, eine Übersicht aller „Waldszenen“ und ihren grundlegenden
kompositorischen Komponenten in tabellarischer Form darzulegen:182
Wie schon mehrmals erwähnt bilden das erste und das letzte Stück einen
Rahmen. Dieser offenbart sich jedoch nicht lediglich durch die
179
Vgl. Jost 1989, S. 232-232.
180
Vgl. Dietel 1989, S. 398-399.
181
Vgl. Jost 1989, S. 232.
182
nach Jost 1989, S. 172.
91
korrespondierenden Titel, sondern auch durch die Übereinstimmung des
Tempos, sowie der Ton- und Taktart der beiden Stücke.
Des Weiteren hat die Anzahl der Szenen Beachtung verdient. Vermutlich der
Abrundung wegen fügte Schumann das Stück „Vogel als Prophet“, das
ursprünglich nicht geplant war, als letztes und neuntes Stück hinzu. Die Zahl
Neun wird oft als vollkommene Zahl bezeichnet. In vielen alten Kulturen galt die
Drei als göttlich, die Neun als potenzierte Form hat dementsprechend einen
besonderen Status. Auch im Christentum gibt es abgeleitet von der Trinität
mehrere Beispiele für die besondere Stellung der Zahl Neun. An dieser Stelle
sei auch Dante Alighieri erwähnt, der diese Zahlenmystik der Neun in „Vita
nova“ auf eindrucksvolle Weise verarbeitete.
Der nächste verbindende Aspekt sind die Tonarten der neun Stücke. Bereits auf
den ersten Blick erkennt man B-Dur als die am häufigsten und eben auch an
den wichtigsten Stellen auftretende Tonart. Erwähnenswert ist, dass Schumann
hier kein F-Dur, das ja die typische Pastoraltonart wäre, verwendet hat.
Des Weiteren ist die Tonartenfolge selbst einen Blick wert. Abgesehen vom
siebten Stück („Vogel als Prophet“) ist nämlich folgende Regelmäßigkeit zu
erkennen: In der ersten Hälfte des Zyklus' wechselt immer ein Stück in B-Dur
mit einem in der eng verwandten Tonart d-Moll (Tonikagegenklang oder
Dominantparallele). In der zweiten Hälfte wechseln Stücke in der „Grundtonart“
B-Dur mit denen im ebenso eng verwandten Es-Dur (Subdominante). Das in
seiner Tonart aus diesem Rahmen fallende siebte Stück („Vogel als Prophet“)
ist in Schumanns frühesten Titelentwürfen wie oben erwähnt nicht enthalten
und wurde erst nachträglich hinzugefügt. Ein sehr wahrscheinlicher Grund für
die Aufnahme in den Zyklus wird höchstwahrscheinlich die Anzahl der
einzelnen Szenen sowie die erst dadurch zustande kommende Symmetrie des
Gesamtzyklus' sein. Seine Tonart g-Moll ist keinesfalls fremd, sie kann einfach
als parallele Vertretung von B-Dur aufgefasst werden.183
Wie in den Einzelanalysen schon kurz angedeutet, gibt es auch mehr oder
weniger wichtige motivische Verknüpfungen der einzelnen Szenen miteinander.
183
Vgl. Jost 1989, S. 172-174.
92
Jost gibt hier die beiden Schlusswendungen der Außenstücke als Beispiel
an:184
Aber auch die Schlusswendungen von „Jäger auf der Lauer“, „Einsame
Blumen“, „Verrufene Stelle“ und „Freundliche Landschaft ähneln den beiden
oben angeführten Schlüssen durch ihre Figurationen bzw. arpeggio-artigen
Akkordzerlegungen.
Weitaus auffälliger und wichtiger jedoch ist die schon oben angeführte
motivische Verarbeitung des Hauptmotivs der „Einsamen Blumen“ im
darauffolgenden Stück („Verrufenen Stelle“).185 Dieses Blumenmotiv erscheint
wie oben ebenso erläutert auch in der „Herberge“.
184
Vgl. ebd., S. 174-175.
185
Vgl. Knechtges 1985, S. 126-127 und Jost 1989, S. 175ff.
93
Irmgard Knechtges führt diese motivische Spurensuche sehr viel weiter. So
bezeichnet sie dieses Blumenmotiv als „Urmotiv“186 des Opus 82 und meint, es
in allen der neun Stücke zu finden. Sie sieht in ihm einen wesentlichen Beitrag
zur zyklischen Konzeption des Werkes. So kommt das Blumenmotiv laut
Knechtges in den beiden Rahmenstücken in abgewandelter Form vor, in den
beiden Jagdstücken Nr. 2 und Nr. 8 sieht sie Umkehrungen und Krebse des
„Urmotivs“ in rhythmisch stark veränderter Gestalt. Erst in der Nr. 3 („Einsame
Blumen“) erscheint das „Urmotiv“ in seiner originalen Gestalt. Sie schreibt, es
entwickle sich durch dieses Stück gar zum „Hauptgedanken, dessen
permanente Präsenz bestimmend wird“187. In „Vogel als Prophet“ erkennt sie
die Umkehrung und den Krebs der abgewandelten Form des „Urmotivs“. In der
„Verrufenen Stelle“ und in der „Herberge“ gibt es – wie oben dargelegt –
originale Zitate und eindeutige Variationen, die nicht zu bestreiten sind. 188 Nach
Knechtges wird im 5. Stück „beinahe ununterbrochen mit der Grundgestalt des
abgewandelten Urmotivs (in Vorschlag und Achteltriole dargestellt)
gearbeitet“.189
Knechtges stellt eine sehr penibel gestaltete Auflistung dieses Motives und ihrer
Varianten auf und gibt auch für jede der neuen „Waldszenen“ Beispiele an.190
Trotzdem wirken viele dieser angegebenen Zitate sehr weit hergeholt und
erzwungen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die „Abwandlung des
Urmotivs“ letztlich einen einfachen Doppelschlag ergibt und Knechtges diese
Theorie aber sogar bis zur „Umkehrung des Krebses der Abwandlung des
Urmotivs“ weiterspinnt. Peter Jost meint dazu, dass die „Varianten dieser
Viertonformel [sind] viel zu allgemein“ seien, „als daß auf ihrer Grundlage eine
zyklische Verknüpfung aller Einzelstücke geplant und tatsächlich geleistet
werden könnte“.191
Charles Rosen misst den „Waldszenen“ als – wie er sie nennt – „Liederzyklus
ohne Worte“ eine herausragende Stellung bei: „it gives the lie to anyone who
thinks that Schumann’s genius disappeared after the great year and a half of
Lieder writing – but it also betrays how true it is that much of the earlier energy
had abandoned his genius.“195 Diese fehlende Energie macht sich laut Rosen
nicht so sehr in den Einzelstücken, sondern eben vielmehr im Gesamtzyklus
bemerkbar. Es fehle eher an der Kraft, die den Impuls zum nächsten Stück gibt.
Die eher harmlosen Inhalte des Opus 82 können hierfür nicht zur
Verantwortung gezogen werden, da die in ihrem Sujet sogar noch argloseren
192
Vgl. ebd., S. 180-181.
193
Vgl. Jost 1989, S. 177.
194
Vgl. Wolters 1967, S. 371.
195
Rosen 1995, S. 221.
95
„Kinderszenen“ diese Energie durchaus besitzen.196 „The Waldscenen are
autumnal in character, the work of a truly aging composer, although Schumann
was not yet forty when he wrote them.“197
Ganz dem Ideal der poetischen Musik entsprechend, birgt gerade das
Charakterstück formale Freiheiten, die Schumann in diesem Sinne im Opus 82
zu nutzen weiß. Individuelle, sich aus dem poetischen Gedanken heraus
entwickelnde formale Strukturen sind das Ergebnis.202
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal die beiden sich vor allem in der
Interpretation und Betitelung der Teile unterscheidenden formalen Analysen von
Irmgard Knechtges und Peter Jost erinnern. Knechtges ist in ihrer Interpretation
der Formteile bei den drei Nummern 3, 5 und 9 viel großzügiger und sieht bei
den Zwischenteilen ausreichend Gründe um sie als motivisch-thematisch
eigenständige Teile zu definieren, für Jost hingegen überwiegt eindeutig die
Monothematik. Er stellt auf der Grundlage relativ ausgedehnter
Untersuchungen der einzelnen Stücke einen Versuch einer formalen
Systematisierung auf.204 Gleichzeitig betont er aber auch, dass sich der oft als
schlicht und leicht verständlich bezeichnete Zyklus in vielen Fällen einer
201
Aus einem Brief Schumanns an J.N. (nur Namensinitialen vom Herausgeber angegeben)
(22.9.1851), in: Robert Schumann: „Briefe. Neue Folge“, Hg.: F. Gustav Jansen, Leipzig 1886,
1904. hier: S. 347, zitiert nach Jost 1989, S. 183.
202
Vgl. Jost 1989, S. 183-187.
203
Vgl. ebd., S. 190.
204
Siehe ebd., S. 206-207.
97
eindeutigen formalen Zuordnung entzieht und sich in seiner eigenen
systematisierten Übersicht ein nicht zu leugnendes, gewisses Maß an
Systemzwang einstellt.205 Klar und eindeutig sind allerdings – im Gegensatz zur
schwer lösbaren Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse der einzelnen Teile –
die formalen Zäsuren in den „Waldszenen“, die Schumann des Öfteren im
Notentext sogar direkt angibt.206
205
Vgl. ebd., S. 208.
206
Vgl. ebd., S. 203.
207
Vgl. ebd., S, 212-215.
98
vor. Abgesehen von einigen eher unauffällig eingearbeiteten Besonderheiten
überwiegen im Opus 82 eindeutig konventionelle harmonische Verläufe.208
Ein ähnliches Bild eröffnet sich auch in Hinsicht auf die Rhythmik, die im
Vergleich zum Frühwerk Schumanns ebenso eine Reduktion erfährt und
dadurch wesentlich konventioneller erscheint. Dies äußert sich zum Beispiel in
der Seltenheit von Synkopierungen, die wenn überhaupt, nur relativ unauffällig
auftreten. Da alle Szenen metrisch zweiteilige Taktarten (4/4; 2/4; 6/8) haben,
sind von vorneherein die Möglichkeiten für rhythmisch-metrische
Verunklarungen wie Hemiolen oder Überlagerungen von binären und ternären
Elementen, etwas eingeschränkt. Ausnahmen bilden dabei die gefühlt
bremsenden Duolen im 6/8-Takt des „Jagdliedes“ (Takt 37-38, 44-46), sowie
die Achtelduolen in der sonst von Achteltriolen geprägten „Freundlichen
Landschaft“ (Takt 15-16 u.a.).209
Wie bei den Einzelanalysen schon teilweise vermerkt, gelten manche der
Stücke eher als instrumental und andere eher als liedhaft konzipierte
Kompositionen. Zu den ersteren zählt jedenfalls „Jäger auf der Lauer“, aber
auch die „Freundliche Landschaft“211 und die „Herberge“ können zu dieser
Gruppe hinzu gezählt werden. In manchen Stücken wie zum Beispiel in der
„Verrufenen Stelle“ (Takt 7-8 u.a.) gibt es melodische Einwürfe. „Eintritt“ und
„Vogel als Prophet“ können als Mischformen gesehen werden. Das melodische
Element dominiert jedoch eindeutig bei den „Einsamen Blumen“ und beim
208
Vgl. ebd., S. 218-119.
209
Vgl. ebd., S. 219-221.
210
Vgl. Knechtges 1985, S. 133 und Jost 1989, S. 220-221.
211
Siehe hierzu auch Knechtges 1985, S. 127.
99
„Abschied“, der durch sein Hauptthema zusätzlichen liedhaften Charakter
erhält.212
212
Vgl. Jost 1989, S. 221-222.
213
Vgl. ebd., S. 222-224.
214
Vgl. Dietel 1989, S. 407.
215
Vgl. ebd., S. 409.
216
Vgl. ebd., S. 431.
100
VI. Rezeption
Im folgenden Kapitel geht es um die Rezeption dieses Zyklus. Ich werde zuerst
die Stellung bzw. Interpretation und die damit verbundene Einordnung der
„Waldszenen“ im Gesamtwerk Schumanns untersuchen. Dabei werden ebenso
der Aspekt der Hausmusik und das damit verbundene Streben Schumanns
nach Popularität behandelt.
Im dritten und letzten Teil schließlich wird die produktive Rezeption, also
Einflüsse der „Waldszenen“ auf spätere Klavierwerke anderer Komponisten,
thematisiert.
217
Vgl. Jost 1989, S. 224-225.
101
Schumanns Schaffen wird üblicherweise in drei Phasen gegliedert. Die erste
Klavierperiode (manchmal inklusive des Liederjahres 1840) dauert demnach bis
1839/40. Der daran anschließende Schaffensabschnitt, in dem sich Schumann
hauptsächlich der Kammermusik und Sinfonik widmet, wird meist bis ca. 1850
(manchmal auch nur bis 1845) gerechnet. Die danach entstehenden Werke
werden zum Spätwerk gezählt. Die Werke der ersten Periode werden heute
nicht nur am häufigsten gespielt, sondern auch am meisten geschätzt. Das
Spätwerk hatte dagegen im Laufe der Jahre viele Anfeindungen und
Abqualifizierungen zu ertragen, was sich in den letzten Jahren auf jeden Fall
gebessert hat. Dazu hat auch Norbert Nagler mit seinen „Gedanken zur
Rehabilitierung des späten Werks“ beigetragen. Er plädiert dafür, keinen Bruch
in Schumanns Werkeevolution zu sehen, sondern vielmehr die Entwicklung, die
auch dessen Spätstil per se erfährt, anzuerkennen. Auch in den letzten Jahren
seiner Kompositionstätigkeit führt Schumann seinen Leitgedanken der
Monothematik, der für sein Oeuvre bezeichnend ist, fort. In dieser
hochentwickelten Konzentrierung des motivischen Materials auf eine
218
Grundgestalt zeigt sich Schumanns Modernität.
218
Vgl. Nagler 1981, S. 309.
219
Georgii 1950, S. 314.
102
eindeutig zum Spätwerk, was ihm eine merkwürdige Zwischenstellung
angedeihen lässt.220
Die als teils klassizistisch empfundene Einfachheit der „Waldszenen“ kann aber
auch als Phänomen der biedermeierlichen Hausmusik verstanden werden, die
im folgenden Abschnitt noch einmal Erwähnung finden wird.
220
Vgl. Jost 1989, S. 226-228.
221
Jost 1989, S. 231.
222
Vgl. Jost 1989, S. 228-231.
103
Streben nach Popularität:
223
Aus einem Brief Schumanns an Carl Kossmaly (5.5.1843), zitiert nach Boetticher 1942, S.
391-392.
104
einfach gehaltenen Schreibweise, den konventionellen und eingängigen
Wendungen sowie den mäßigen Anforderungen an den Spieler schlagen auch
die „Waldszenen“ in diese Kerbe. Wie wir aber weiter oben bereits besprochen
haben, arbeitete Schumann in diesen einfach gehaltenen Zyklus dennoch in
subtiler Weise durchaus komplexe kompositorische Elemente ein und spannte
damit einen Bogen über die Ansprüche des allgemeinen Publikums und seinen
eigenen hohen Ansprüchen.224
Nachdem im vorigen Kapitel die Lage eher aus der Sicht des Komponisten
dargelegt wurde, geht es in diesem Abschnitt nun um die tatsächliche
Resonanz des Publikums seit der Herausgabe des Werkes.
Die Publikation attraktiver Werbetexte, die auf den Verleger Bartholf Senff
zurückgehen und naturgemäß keine ernstzunehmende Werkkritik, sondern
kommerzielle Ziele verfolgt, hat natürlich zur Steigerung des
Bekanntheitsgrades der „Waldszenen“ einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Echte Rezensionen zur Zeit der Veröffentlichung gibt es nicht, lediglich ein paar
kurze Texte, die in Musikzeitschriften auftauchen und größtenteils
enthusiastisch lobend ausfallen. Martin Schoppe schreibt in seiner Dissertation
zur Rezeption des Schumann'schen Schaffens (1968): „Die „Waldszenen“
werden rasch populär“.225 Was jedoch fast ganz fehlt, sind Erwähnungen aus
den führenden Kreisen wie dem der sogenannten „Norddeutschen“. Auch die
„Neue Zeitschrift für Musik“ verzichtet auf eine Rezension oder Erwähnung des
Zyklus'. Des Weiteren gibt es leider kaum zuverlässige Zahlen über den Absatz
des Werkes. Man weiß nur, dass 1855 eine weitere Titelauflage des Werkes
herauskam. Bekannt sind allerdings einige öffentliche Darbietungen, die zur
Steigerung des allgemeinen Interesses mit Sicherheit weiter beigetragen
haben. Mitte Jänner 1851 spielte Marie Wieck, die Halbschwester Clara
Schumanns, das „Jagdlied“ in einem öffentlichen Konzert, kurz darauf
224
Vgl. Jost 1989, S. 242-246.
225
Martin Schoppe: „Schumann im Spiegel der Tagesliteratur. Ein Beitrag zur Erforschung der
Schumann-Rezeption zwischen 1830 und 1956“, Dissertation, Halle 1968, 2 Bände. hier: Band
1, S. 135, zitiert nach Jost 1989, S. 251.
105
wiederholt sie diesen Erfolg im Rahmen des 15. Gewandhauskonzertes am 6.
Februar 1851. Diesen vermutlich ersten Aufführungen schließen sich weitere
Einzeldarbietungen an. Clara Schumann spielte das „Jagdlied“ ebenfalls bereits
1854 in einem ihrer Konzerte, den Gesamtzyklus brachte sie aber erst im Jahr
1869 in London zur Aufführung.226
226
Vgl. Jost 250-253.
227
Vgl. Jost 1989, S. 253-254.
228
Jost 1989, S. 255.
106
Impressionismus gesehen und mit auffallend mehr Verständnis für die
implizierte Darstellung seelischer Zustände (im Gegensatz zur realen
Naturschilderung) bedacht als im deutschsprachigen Raum.229
Verglichen mit den Kreisen um Mendelssohn oder Liszt gab es bei Schumann
keine gleichzusetzende Anhängerschar, die seine Kompositionsweise
nachzuahmen und zu verbreiten versuchten, auch wenn er im Jahr 1843 kurze
Zeit am Leipziger Konservatorium unterrichtete und öfters jungen Komponisten
– hauptsächlich auf brieflichem Weg – beratend zur Seite stand. Von den
Schumannianern, zu denen hauptsächlich Kleinmeister der damaligen Zeit
gezählt werden, war dennoch schon bald nach Schumanns Tod die Rede.
Johannes Brahms (1833-1897) wird manchmal fälschlicher Weise zu diesem
Kreis gezählt. Jener hat zwar in seinen Jugendjahren an den Spätwerken
Schumanns in gewisser Weise angeknüpft, sich dann aber mit der Abwendung
von der solistischen Klaviermusik auch anderen Einflüssen geöffnet.230
Trotzdem kann Schumanns Einfluss in der Musik Brahms‘ ausgemacht werden.
Des Weiteren konnte Brahms Schumanns Ziel, bestimmte klassische
Traditionen wiederzubeleben, zumindest zum Teil erreichen.231
Nach der Meinung von Charles Rosen wirkte sich Schumanns Musik allerdings
am nachhaltigsten auf Debussy aus. Wie oben bereits erwähnt, wurde
Schumanns Werk in Frankreich besonders geschätzt und auch Debussy liebte
und verstand die manchmal eigenwillige Erfindungsgabe Schumanns. Es
gelang ihm, einige von Schumanns Kompositionstraditionen bzw. -elementen
(z.B. unaufgelöste Klänge und die Qualität der fließenden Phrasen) in seinen
eigenen Werken zu einem neuen Stil weiter zu entwickeln.232
229
Vgl. Jost 1989, S. 254-257.
230
Vgl. ebd., S. 257-260.
231
Vgl. Rosen 1995, S. 706.
232
Vgl. Rosen 1995, S. 706.
107
Klavierwerken, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind
und in irgendeiner Form von Wald handeln. Aber nicht alle sind in unserem
Kontext natürlich wesentlich, von ausreichend hoher kompositorischer Qualität
und knüpfen (unbedingt) an Schumanns „Waldszenen“ an. Viele dieser
Kompositionen stehen zum Beispiel eher in der Nachfolge von Franz Liszts
Konzertetüde „Waldesrauschen“ (1863). Ein paar Stücke, die in irgendeiner
Form den Schumann'schen Wald-Zyklus als Vorlage oder Vorbild hatten,
werden im folgenden Abschnitt kurz vorgestellt.233
233
Vgl. Jost 1989, S. 260-264.
234
Vgl. Georgii 1950, S. 397.
235
Interessant ist des Weiteren, dass Heller auch einen Zyklus namens „Kinderszenen“
komponiert hat, Schumann also in mehrerer Hinsicht nachzueifern versuchte, obwohl seine
Musik grundsätzlich meist eher mit dem Werk Chopins verglichen wird. Vor allem Hellers
Etüden überdauerten die Zeit und werden auch heute noch gerne im Klavierunterricht
eingesetzt. (Vgl. Georgii 1950, S. 397)
108
Titel entsprechend, unbegleitet bleibt und sich wellenartig oft in
Dreiklangszerlegungen auf und ab bewegt. In der dritten Wald-Reihe Hellers ist
die deutsche Waldromantik zwar gut zu identifizieren, ein Bezug zu Schumanns
„Waldszenen“ ist jedoch nicht gegeben. Aus diesem Grund ist das Opus 136 in
diesem Kontext irrelevant.236
236
Vgl. Jost 1989, S. 264-269.
237
Wolters 1967, S. 426.
109
offenbart Schumann mit seinen „Waldszenen“ ja in feinfühliger und
fantasievoller Weise seine Auffassung von Natur.238
4. Der Kleinmeister Adolf Jensen (1837-1879) war, vor allem in seiner frühen
Phase, ein glühender Verehrer Schumanns. Später überwiegen die Einflüsse
Richard Wagners. Das Schumann'sche Vorbild erkennt man unter anderem in
der Häufigkeit der literarischen Mottos und poetischen Titel, denen sich auch
Jensen bedient, aber auch in der Anwendung einiger für Schumann typischer
Kompositionsmodelle. Des Weiteren gibt es sogar Übereinstimmungen in
melodischer Hinsicht. So kann man zum Beispiel die Oberstimmenmelodie aus
Schumanns „Abschied“ ab dem dritten Takt im fünften Stück („Sehnsucht“) aus
den „Romantischen Studien“ von Jensen erkennen. Eine produktive Rezeption
der „Waldszenen“ ist aber vor allem mit dem dritten Stück („Waldvöglein“) der
1874 erschienenen „Idyllen“ Op. 43 zu beweisen. Hier lässt sich im nach und
nach veränderten Hauptmotiv Jensens deutlich die strukturelle Verwandtschaft
(Rhythmus und Setzweise) mit „Vogel als Prophet“ erkennen. Die Art des
stilisierten Vogelgesangs bei Schumann lässt sich natürlich nicht kopieren.
238
Vgl. Jensen 1984, S. 88-89.
239
Vgl. Jost 1989, S. 271-274.
110
Jensen geht daher vergleichsweise viel realistischer vor, was allerdings zu
einem schnelleren Spannungsabbruch führt.240
5. Das letzte hier erläuterte Beispiel ist aus Richard Strauss' (1864-1949)
„Stimmungsbildern“ Op. 9, die 1883/84 entstanden sind. Diese Sammlung
gehört zum Jugendwerk von Strauss und nimmt eher eine kleinmeisterliche
Position ein. Beim ersten Stück dieser Sammlung („Auf stillem Waldespfad“)
finden sich mehrere Verweise auf Schumanns Opus 82. Die musikalische
Bewegung durch schreitende Achtel mit nachschlagenden Akkorden im
Andante ahmt von Beginn an das Gehen und Wandern nach. Des Weiteren gibt
es einige motivische Anlehnungen an die „Waldszenen“, wie der
auskomponierte, durch Unterterzen verdoppelte Doppelschlag in
melodietragender Funktion, dem wir in Schumanns Op. 82 des Öfteren
begegnen. Während dieser in den „Einsamen Blumen“ volltaktig eingesetzt
wird, erscheint er im „Eintritt“ halbtaktig und erst in der zweiten Takthälfte. Eine
ähnliche Stellung erfährt diese Art von Doppelschlag bei Strauss' „Waldespfad“,
was die Anlehnung noch augenscheinlicher werden lässt. Eine weitere
Ähnlichkeit besteht durch das monothematische Prinzip, dessen sich Strauss in
diesem Stück nicht nur bedient, sondern es sogar weiterentwickelt. Er reduziert
das motivische Material auf zwei Grundmotive, die sich im fortlaufenden Stück
immer weiter gegenseitig durchdringen, da das zweite das erste nicht
verdrängt, sondern zusätzlich hinzukommt. Das Ende des Stückes bildet in
dieser Hinsicht den Höhepunkt, da Strauss das erste Motiv in der linken Hand
mit dem zweiten Motiv in der rechten Hand verschmelzen lässt. Auch das schon
in den früheren Beispielen dargelegte typische Modell einer fiktiven Wanderung
findet innerhalb der Charakterstück-Sammlung von Strauss' „Stimmungsbildern“
Anwendung.241
240
Vgl. ebd., S. 274-276.
241
Vgl. ebd., S. 276-279.
111
werden. Es wäre weder sinnvoll, noch möglich, alle Werke, die bewusst oder
unbewusst, von den „Waldszenen“ beeinflusst wurden, für diese Arbeit zu
sammeln. Darum möchte ich diesen Teil mit der Darlegung dieser fünf
ausgewählten Beispiele produktiver Rezeption abschließen.
112
VII. Schlussbetrachtung
Das Ziel dieser Masterarbeit war es, einen möglichst umfassenden Blick auf
diesen Klavierzyklus zu werfen um damit den Gründen für die verhältnismäßig
niedrige Stellung der „Waldszenen“ in der Forschung und im Konzert
nachzugehen.
So hoffe ich nun, meinem Ziel der umfassenden Betrachtung dieses Werkes
gerecht geworden zu sein. Die Gründe für die besondere Position des Opus 82
in Schumanns Gesamtwerk sind natürlich vielschichtig und können nicht
eindeutig ausgemacht werden. Dennoch können das in diesem Werk zu
erkennende Simplizitätsstreben Schumanns, verbunden mit einem gewissen
Maß an Trachten nach Popularität teilweise dafür verantwortlich gemacht
werden. Diese bewusst gesetzte Reduzierung und Zurücknahme in allen
Kompositionsaspekten, verbunden mit einer Verringerung der technischen
Anforderungen an den Interpreten, provozierte anscheinend, diesen Zyklus
(ähnlich wie das Spätwerk Schumanns) zu unterschätzen. Trotz dieser
bewussten Vereinfachung, lassen sich bei genauerer Betrachtung durchaus
subtil eingesetzte, komplexe kompositorische Elemente und
Gestaltungsweisen, sowie ein sehr durchdachtes Kompositionskonzept
erkennen.
Ein weiterer Grund ist selbstverständlich auch darin zu sehen, dass Schumanns
überragendes Frühwerk seine später entstandenen Werke zweifellos in den
Schatten stellt.
Trotz allem plädiere ich abschließend dafür, den „Waldszenen“ den ihnen
zustehenden Wert beizumessen und sie im Konzert, wie im Unterricht – wenn
nicht als Gesamtzyklus, so zumindest in einer Auswahl – zu berücksichtigen
und dementsprechend einzusetzen.
113
Literaturverzeichnis
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Werk. Robert Schumanns Schaffensweise“, Mainz 2010, Schott Music GmbH.
GOLDBERG, Clemens: „Going into the Woods. Space, Time, and Movement in
Schumann’s Waldszenen Op. 82”, in: “International Journal of Musicology 3”,
Berlin 1994, S. 151 -174.
114
HEBBEL, Friedrich: „Hebbels Werke. Nach der historisch-kritischen Ausgabe
von R. M. Werner schematisch geordnet von Benno von Wiese“, 1. Band:
Gedichte, Leipzig 1941, Bibliographisches Institut.
JENSEN, Eric Frederick: „Schumann“, New York 2001, Oxford University Press.
JOST, Peter: „Robert Schumanns „Waldszenen" Op. 82. Zum Thema „Wald“ in
der romantischen Klaviermusik“, Saarbrücken 1989, SDV Saarbrücker
Druckerei und Verlag.
JUNG-KAISER, Ute & LANG, Peter (Hrsg.): „Der Wald als romantischer Topos“,
Bern 2008, Internationaler Verlag der Wissenschaften.
115
KNECHTGES, Irmgard: „Waldszenen. Neun Stücke für Klavier Op. 82“, in:
„Robert Schumann. Interpretationen seiner Werke. Band 2“, Hg.: Helmut Loos,
Laaber 2005, Laaber-Verlag, S. 70-74.
117
Internetquellen:
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118
Abbildungsverzeichnis
120
Caspar David Friedrich: „Abtei im Eichwald“ (1809/10)
Quelle: http://www.wga.hu/html_m/f/friedric/1/106fried.html, 4.1.2016
121
Adrian Ludwig Richter: „Genoveva in der Waldeinsamkeit“ (1841)
Quelle: http://www.wga.hu/html_m/r/richtera/seclusio.html, 4.1.2016.
122
Titelblatt der Erstausgabe der „Waldszenen“ (1850)
Quelle: http://javanese.imslp.info/files/imglnks/usimg/6/6d/IMSLP331142-
PMLP02930-b27310334.pdf, 22.2.2016.
123
Die Quellen zu Schumanns Mottos:
Gedichtvorlage Motto-Exzerpt
Komm mit.
(1)
Der Tag ist lang, die Luft ist schwül,
Die Sonne brennt, der Boden stäubt,
Du stehst im lärmenden Gewühl,
Wie kampfermattet und betäubt.
(2)
Komm mit, verlaß das Marktgeschrei Komm mit, verlaß das Marktgeschrei,
Verlaß den Qualm, der sich dir ballt Verlaß den Qualm, der sich dir ballt
Um’s Herz, und athme wieder frei, Um’s Herz, und athme wieder frei;
Komm mit mir in den grünen Wald! Komm mit uns in den grünen Wald!
(auf dem Titelblatt)
(3)
Wir gehn auf thauumperltem Pfad, Wir gehn auf thauumperlten Pfad,
Durch schlankes Gras, durch duft’ges Moos Durch schlankes Gras, durch duftges Moos
Durch frischer Lüfte stärkend Bad
Dem grünen Dickicht in den Schoos; Dem grünen Dickicht in den Schoos.
(zu Nr. 1, „Eintritt“)
(4)
Stehn in der Hallen weite Pracht,
Wo endlos Säul‘ an Säule steht,
Und durch der Schatten hehre Nacht
Des Unsichtbaren Schauer weht;
(5)
Wir gehn hinab zum Felsenborn,
Wo schaumgeboren, goldbeschwingt,
Wie aus des Knaben Wunderhorn,
Ein Märchen aus der Tiefe dringt
(6)
Und in der Thiere Luftrevier,
Draus unverkünstelt, unverstellt,
IN wechselnden Symbolen dir
Entgegentritt die eigne Welt;
(7)
Komm mit, verlaß das Marktgeschrei,
Den trüben Qualm, der sich dir ballt
Um’s Herz und athme wieder frei,
Komm mit mir in den grünen Wald!
(Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit (Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit
Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln
1850, Verlag der DuMont-Schauberg'schen 1850, Verlag der DuMont-Schauberg'schen
Buchhandlung, hier: S. 1 ff., zitiert nach Jost Buchhandlung, hier: S. 1 ff, zitiert nach
1989, S. 288-289.) McCorkle 2005, S. 23.)
92. Frühe!
(1)
Früh steht der Jäger auf (Früh steht der Jäger auf
Und beginnt den Tageslauf: Und beginnt den Tageslauf
Das erste Licht auf’s Büchsenkorn Das erste Licht auf’s Büchsenkorn
124
Bringt mehr als ein ganzer Tagesborn: Bringt mehr als ein ganzer Tagesborn.)
(Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841, (Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841,
Wigand, hier: Nr. 92, S. 218, zitiert nach Jost Wigand, hier: Nr. 92, S. 218, zitiert nach
1989, S. 288.) McCorkle 2005, S. 23.)
2. Böser Ort
(1)
Ich habe mich ganz verloren,
Wie ist hier alles stumm!
Es drängen die schwarzen Bäume
Sich tückisch um mich herum.
(2)
Sie wollen mich nicht mehr lassen,
Mich aber treibt es fort,
Man spricht von bösen Orten,
Dies ist ein böser Ort!
(3)
Hier ist schon Böses geschehen,
Und hier muß mehr geschehn;
Wird’s nicht an ihm begangen,
So muß es der Mensch begehn.
(4)
Die Blumen, so hoch sie wachsen, Die Blumen, so hoch sie wachsen,
Sind blaß hier wie der Tod, Sind blaß hier wie der Tod,
Nur eine in der Mitte Nur Eine in der Mitte
Steht da in dunklem Rot. Steht da im dunkeln Roth.
(5)
Die hat es nicht von der Sonne, Die hat es nicht von der Sonne,
Nie traf sie deren Glut, Nie traf sie deren Gluth,
Sie hat es von der Erde, Sie hat es von der Erde,
Und die trank Menschenblut! Und die trank Menschenblut.
(zu Nr. 4, „Verrufene Stelle“)
(6)
Du sollst Dich nicht länger brüsten
Auf meines Bruders Grab
In deinem gestohlnen Purpur;
Ich räch‘ ihn und breche Dich ab!
(7)
Dort liegt sie zu meinen Füßen,
Da schwingt ein Vogel sich,
Setzt sich mir gegenüber
Und pfeift und verspottet mich:
(8)
„Jetzt läßt der Ort Dich weiter,
Da ihm sein Recht geschah;
Du hast die Blume getötet,
Es war nichts Andres da.“
125
(„Hebbels Werke. Nach der historisch-
kritischen Ausgabe von R. M. Werner
schematisch geordnet von Benno von Wiese“,
1. Band: Gedichte, Leipzig 1941, (Friedrich Hebbel: „Neue Gedichte“, Leipzig
Bibliographisches Institut. hier: S. 86-87. (Nr. 2 1848, J. J. Weber, hier: S. 87ff.,t, S. 285ff.,
des Zyklus „Waldbilder“)) zitiert nach McCorkle 2005, S. 23.)
Zwielicht
(1)
Dämmrung will die Flügel spreiten,
Schaurig rühren sich die Bäume,
Wolken ziehn wie schwere Träume –
Was will dieses Graun bedeuten?
(2)
Hast ein Reh du lieb vor andern,
Laß es nicht alleine grasen,
Jäger ziehn im Wald und blasen,
Stimmen hin und wieder wandern.
(3)
Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug und Munde
Sinnt er Krieg im tückschen Frieden.
(4)
Was heut müde gehet unter,
Hebt sich morgen neugeboren.
Manches bleibt in Nacht verloren –
Hüte dich, bleib wach und munter! Hüte dich! Sei wach u.[nd] munter!
(zu Nr. 7, „Vogel als Prophet“)
(Joseph von Eichendorff: „Gedichte. Eine (Joseph von Eichendorff: „Gedichte“, Berlin
Auswahl“, Stuttgart, 1957, Philipp Reclam 1837, Duncker und Humblot, S.7, zitiert nach
Jun., hier: S. 5-6.) McCorkle 2005, S. 23.)
78. Zur hohen Jagd
(1)
Frisch auf zum fröhlichen Jagen, Frisch auf zum fröhlichen Jagen
Ihr Jäger auf zur Pirsch! Ihr Jäger auf zur Pirsch!
Wir woll’n den Hirsch erjagen, Wir wollen den Hirsch erjagen,
Den edlen rothen Hirsch. Den edlen rothen Hirsch.
Der Tag steigt auf in Frische, Der Tag steigt auf in Frische,
Der Hirsch kehrt heim vom Feld; Der Hirsch kehrt heim vom Feld;
Frisch auf denn an’s Gebüsche, Frisch auf denn in’s Gebüsche,
Wo er den Wechsel hält. Wo er den Wechsel hält.
(zu Nr. 8, „Jagdlied“)
(2)
Gott gab uns diese Erde
Mit Allem, was darauf.
Er lehrt‘ uns Wildesfährte,
Schenkt‘ uns den Büchsenlauf,
Und gab uns klare Augen,
Und feste Hand dazu.–
Nun sprecht, was sollte das taugen,
Verblieb’s in träger Ruh?
126
(3)
Er gab und Sonne und Regen,
Und Muth in’s Herz hinein,
Der Wind muß sich bewegen,
Die Vögel müssen schrei’n,
Das Jahr muß kommen und schwinden,
Und Alles hat sein Muß –
Das Alles zu verbinden
Braucht’s Jägers Gruß und Schuß.
(4)
Der Wald verfiel‘ in’s Schlafen,
Das Wild verdürbe träg,
Die Hirsche würden zu Schafgen,
Es schwände Weg und Steg;
Gäb’s nicht mehr lustige Jäger,
Und lustigen Büchsenknall,
Des Waldes und Wildes Beweger,
Mit Pfeifen- und Hörnerschall.
(5)
Drum auf, es lebe das Jagen,
Dies stete Gewitter der Welt!
Die Traurigen mögen sich plagen,
Der Filz mag trachten nach Geld!
Wir trachten am Abend und Morgen
Nach rüstigen Thaten hinaus;
Weib, Kinder und Schulden und Sorgen
Behüte der Himmel zu Haus.
(Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841, (Heinrich Laube: „Jagdbrevier“, Leipzig 1841,
Wigand, hier: Nr. 78, S. 197-199, zitiert nach Wigand, hier: Nr. 78, S. 197-199, zitiert nach
Jost 1989, S.287-288.) McCorkle 2005, S. 23.)
Heimgang
(1)
Leise dringt der Schatten weiter, Leise dringt der Schatten weiter,
Abendhauch schon weht durch’s Thal, Abendhauch schon weht durch’s Thal,
Ferne Höh’n nur grüßen heiter Ferne Höhn nur grüßen heiter
Noch den letzten Sonnenstrahl; Noch den letzten Sonnenstrahl.
(zu Nr. 9, „Abschied“)
(2)
Aber nahe Schluchten gähnen,
Schwarze Baumkolosse drohn,
Blumen füllen sich mit Thränen,
Scherz und Jubel ist entflohn;
(5)
Was im Dickicht sich zerstreute,
Sucht betretnen Pfad sich aus:
Läute, Abendglöcklein, läute,
Gerne komm‘ auch ich nach Haus.
(Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit (Gustav Pfarrius: „Die Waldlieder. Mit
Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln Illustrationen von Georg Osterwald“, Köln
1850, Verlag der DuMont-Schauberg'schen 1850, Verlag der DuMont-Schauberg'schen
Buchhandlung, hier: S. 89, zitiert nach Jost Buchhandlung, hier: S. 89, zitiert nach
1989, S. 289.) McCorkle 2005, S. 23.)
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Robert Schumann: „Waldszenen“ Op. 82, Henle (1977):
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