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SCHRIFTE,NI
Ausgewählt und herausgegeben
von
Norbert Haas
übersetzt v,rn
Rodolphe Gasch6,Norbert Haas,
Klaus Laermann und Peter Stehlin
unter Mitwirkung von
Chantal Creusot
Quadriga
I)AS \flERK VON JACQUES LACAN
I IN.RAUSGEBER: JACQUES-ALAINMILLER
I r r t l c r r t sl tr c r S p r a c h c
l r t ' r ' , r r r s g c g t ' bvc( )l tn N o r b e r t H a a s
r r r r t lI l . r r r s. fo r r c l r i r rM
r ctz.gcr
I t ' k t , r r , t t(:, 1 ; r t rK
soclr
JacquesLacan
SCHRIFTENI
Ausgewählt und herausgegeben
von
Norbert Haas
Übersetzt von
Rodolphe Gasch6,Norbert Haas,
Klaus Laermann und Peter Stehlin
unter Mitwirkung von
Chantal Creusot
Quadriga
l ) i c i n d i e s e mB a n d e n t h a l t e n e nA r b e i t e n v o n
. l : r c q u c sl - a c a ns i n d e r s c h i e n e n
i n " F . c r i t s " ,P a r i s 1 9 6 6 .
Unlversitätc-
Bib!iothok V V\ -r/ \n, J rr: :, . "- : ]((
Mürrchert
l.acen, Jacques:
l ) r s V e r k / v o n J a c q u e sL a c a n . H r s g . : J a c q u e s -
Alain Miller. In dt. Sprache hrsg. von Norbert
[{aas u. Hans-Joachim Metzger. - \üeinheim ;
llcrlin : Quadriga
N l ; . : l . a c a n ,J a c q u e s :[ S a m m l u n g . d t . ' ]
S ch r i f t e n .
l. Ausgew. und hrsg. von Norbert Haas. übers.
von Rodolphe Gaschd ... unter Mitw. von
(ihental Creusot. - 3., korr. Aufl. - 1991
ISIIN 3-88679-901-8
t ß tl i l i t i o n s d u S e u i l . P a r i s 1 9 6 6
rg l9tt6 ()uadriga Verlag, \feinheim, Berlin
o 1 9 9 1 ,. 1 .k o r r . A u f l a g e
Vicrlcrverirffcntlichung der im rtüalter-VerlagOlten
l ' 1 7 . ]c r s t h i e n c n e n A u s g a b e .
( icrlrntherstcllung: f)ruckhaus Beltz, 6944 Hemsbach
: enfred Manke
I l r r r r e h l r g g c s t a l t u n gM
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Inhalt
D A S S E M I N A RU B E RE .A . P O E S
. D E R E N T I W E N D E TBER I E F " 7
DarstellungdesweiterenVerlaufs 4r
Einführung 44
Parenthese (r966) j4
der Parenthesen
I'DASSPIEGELSTADIUM A L S B I L D N E RD E R I C H F U N K T I O N ,
Vie sieunsin der psydroanalytisdren Erfahrung ersdreint
(Beridrt für den r6. InternationalenKongreßfür Psydroanalyse
inZüridr amrT.Juli r949) 6t
F U N K T I O NU N D F E L DD E SS P R E C H E NUSN D D E R
S P R A C H EI N D E R P S Y C H O A N A L Y S E
(Beridrt auf dem Kongreßin Rom am 26. und 4. Septemberr953
im Istituto di Psicologiadella Universitädi Roma) 7r
Vorwort 73
Einleitung 78
I. LeeresSprecJren
und vollesSpredrenin der psydroanalytisdren
DarstellungdesSubjekts 84
II. Symbol und Spradreals Struktur und Grenzbestimmung des
psydroanalytisdren
Feldes rot
III. Die Resonanzder Interpretation und die Zeit desSubjektsin der
psydroanalytisdrenTedrnik rjr
I. \t?eranalysiertheute? 17t
II. IfleldrerPlatz gehörtder Interpretation? r8r
III. I7oran ist man mit der Ubertragung? r9r
IV. rtfliemit seinemSeinagieren 2o3
V. Man muß dasBegehrenbuchstäblidrnehmen 2ro
11DAS SEMINAR ÜBER E.A.POES
.DER ENTTTENDETE BRIEF,'
IJ
sacle,daß der ersteseinenKopf in den Sandgesteckthat, während er
sich von einem Dritten in aller Ruhe die Federn aus dem Hinrern
rupfen läßt; man müßtenur die spridrwörtlidreBezeiclnungdavon um
cinen einz-igenBuchstabenbereidrern,um aus ihr die politique de
l'autruicbe6zu madren,damit sie sdrließlichvon nun an in sidr einen
ncucnSinnfände.
Nadrdem wir in dieser'Weisedas intersubjektiveMuster für die sidr
wicderholendeAktion angegeben haben,brauc}enwir in ihr nur nodr
<lenWiederholungszwangTin derjenigenBedeutungwiederzuerkennen,
die unsim Text von Freudinteressiert.
I)ic Pluralität der subjektekann selbstverständlichkein Einwand sein
für all jene, die seit langem sdronmit der Perspektivevertraut sind,
rlic unsereFormel: das Unberau$teist der Diskurs desAndern zusam-
rncnfaßt.Deshalbwerden wir, was der Begrifi der Einmisdrungder
Subjckteihr hinzufügt - wir habenihn unlängsteingeführt,als wir die
Analyse des Traums von Irmas Injektion wiederaufnahmen-, hier
nidrt in E,rinnerung gerufen.
'Was
uns heuteinteressiert,ist die Art und Weise,in der sidr die Sub-
jckte in ihrer Versdriebungsim Laufe der intersubjektivenVieder-
lrolungablösen.
Vir werden sehen,daß ihre Versdriebungdurdr den Ort bestimmt
wircl, dcn der reine Signifikant,der entwendeteBrief, in ihrem Trio
cinnimn,t. Genaudarin wird die Versdriebungsidr uns als rViederho-
I rrngsz.wang darstellen.
t1
Verbredrenoder einemVergehenher motiviert wird - das heißt seine
'Werkzeuge
Natur und seineBeweggründe, und Ausführung,das Ver-
fahren, mit dessenHilfe der Urheber aufgefunden,wie audr die Art
und \üüeise,wie er überführtwird -, hier bei BeginnjederPeripetiesorg-
fältig eliminiertist.
I)er Betrugist von Anfang an tatsädrlidrebensooffensidrtlidr,wie die
S&lidre des Sdruldigenund ihre Auswirkungen auf sein Opfer. Das
Problem besdrränktsidr im Augenblidr, in dem es Yor uns entfaltet
wird, auf die Sudrenadr dem Objekt, das mit dem Betrug verbunden
ist, mit dem Zwed<seiner\üiedererstattung;es sdreintauchAbsidrt,
daß die LösungdiesesProblemsin dem Augenblid<,in dem esvor uns
ausgebreitet wird, sdrongefundenist. Ist es das,wodurdr man uns in
Atem hält? !üflas immer man von einemGenreund von seinenKonven-
tionen erwartenmag, wenn esdarum geht, beim Leserein spezifiscles
Interessezu wecken,wir wollen nidrt vergessen, daß "der Dupin", der
hier zum zweiten Male auftritt, ein Prototyp ist, und daß der Autor,
wenn das Genre sidr nur dem erstenverdankte, ein wenig früh mit
einerKonventionspielte.
rz Es wäre aber ebenfallsübertrieben,das Ganzeauf eineFabelzu redu-
zieren,deren Moral die wäre, daß es genüge,die Sclriftstückejener
Korrespondenzen, deren Verheimliclung der Ehefriedemanchmaler-
fordert, auf unseremTisdr liegen zu lassen- und sei audr mit ihrer
signifikantenSeitenadr unten -, um sie den Blickenzu entziehen.Das
ist ein Trugschluß, dem niemandverfallensoll; er könnteGefahrlau-
fen, enttäuscltzu werden,wenn er sidr drauf verläßt.
So beständealsoder rätselhafteFall von SeitendesPräfektenin nichts
anderemals einemUnvermögen,das Ursadrefür seinenMißerfolg ist,
womöglichnochvon SeitenDupins in einervon uns nur zögerndzuge-
standenenUnstimmigkeit zwisdrenden bestimmtsehr scharfsinnigen,
wenn audr in ihrer Allgemeinheitnidrt durdrwegabsolutstichhaltigen
Bemerkungen und der Art und'Weise,auf die er tatsädrlicheingreift.
'\üüürden
wir unsetwasstärkerdemGefühl überlassen, Sandin denAu-
gen zu haben,würden wir uns bald einmal fragen- von der Anfangs-
szenean, die nur durdr den Rang ihrer Protagonistenvor dem Vaude-
ville gerettetwird, bis zum Sturz in die Lä&erlidrkeit, die dem Mini-
ster zum Schlußoffenbarbestimmtzu seinsdreint-, ob unserVergnü-
genhier nidrt darin liegt, daß allenübel mitgespieltwird.
Vir wollten das um so lieber annehmen,als wir dabei mit all jenen,
die uns hier lesen,die Definition wiederfänden,die wir an anderer
rt
Stellevom modernenHelden gegebenhaben,
"den lächerlidreHelden-
taten in einerSituationder Verirrung auszeidrnenre.
\üerden wir aber nidrt selbstdurch die Vortrefflidrkeit des Amareur-
detektivs gefesselt,Prototyp einesneuenMaulhelden,der nodr vor der
Abgesclmadrtheitdeszeitgenössisdren .Supermann"bewahrtist?
Ein Sclerz,der uns vom Gegenteilüberzeugtund der uns in dieserEr-
z.ählungeineso vollkommene\Tahrscheinlidrkeit konstatierenläßt,daß
man sagenkann, die lfahrheit enthülltesoihre fiktive Ordnung.
Denn das ist genaudie Ricltung, in die uns die Gründe dieser]ü(ahr-
sdreinlichkeitführen. Indem wir uns zunädrstihrer Verfahrensweise
nähern,nehmenwir in der Tat ein neuesDrama wahr, das wir als
komplementär zvm erstenbegreifen,sofern diesesein Drama ohne
\üorte war, währenddasInteressedeszweitenist, auf den Eigensdraf-
tcn desDiskurseszu spielenlo.
\rlü'ennnun klar ist, daß jede der beidenSzenendeswirkliöen Dramas
uns oflenbar im Verlauf eines jeweils versdriedenenDialogs erzählt
wird, brauclt man nur mit den Begriffen,die wir mit unsererLehrezur
Oeltungbringen,gerüstetzu sein,um zu erkennen,daß dasnidrt einzig
und allein um der Bequemlidrkeitder Expositionwillen geschieht, son-
clern,daß diesebeidenDialogedadurdr,daß sievon den Möglichkeiten
desSprechens entgegengeserzten Gebraudrmadren,selbstdie Spannung
gcwinnen,die nun ein neuesDrama sdrafft,dasunserVokabular vom
erstcnuntersdreidet alseines,dasin der symbolisdrenOrdnung steht.
I)cr ersteDialog - zwisdrendem Polizeipräfektenund Dupin - spielt
sichab als der einesStummenmit einem,der hört. Das heißt,er präsen-
ticrt tatsächlichdie Komplexität dessen, was man gemeinhin,mit dem
IirgebnisgrößterKonfusion,zum Begrifi der Kommunikation verein-
fa<ht.
An diesemBeispielläßt sidr in der Tat begreifen,wie die Kommunika-
tion den Eindrudr vermitteln kann - bei dem die Theorieallzu oft sre-
hcn blcibt -, daß sie in ihrer übermittlung nur einen einzigenSinn
transportiere,so als ob der bedeutungsvolle Kommentar,mit dem der,
der hört, ihn in übereinstimmungbringt, für neurralisiertgehalten
werdenkönnte,nur weil er dem,der nicht hört, entgeht.
llält man im übrigennur den referierendenCharakterdesDialogsfest,
t Vgl. Funktion und Feld desSpredrensund der Spraöe in der Psydroanalyse, unten
S. llo.
r0 l)as vollc VerständnisdesFolgendensetztnatürlidr die wiederholteLektüre dieses
rehr vcrbreitctenund außerdemkurzen Textes.Der entwendeteBrief, voraus.
r6
dann zeigt sich, daß seine \üüahrsdreinlichkeit auf der Garantre der
Exaktheit spielt. Indessenist er dann dodr fruchtbarer, als es sdreint,
wenn wir nur seineVerfahrensweise aufde&.en:\ü?irwerdenuns aber,
wie man sehenwird, auf die Erzählung unserererstenSzenebesdrrän-
ken.
Denn der doppelteund sogardreifadresubjektiveFilter, durö den sie
uns erreidrt: - Erzählung des Freundesund Vertrauten Dupins, den
wir fortan generellals den Erzähler der Gesdridrtebezeidrnen,der Ge-
sdrichte,durdr die der Präfekt Dupin informiert, und zwar über den
Beridrt, den ihm die Königin erstattethat - ist hier mehr als die Folge
einerzufälligenAnordnung.
'Wenn
die äußersteVerlegenheit,in die die ursprünglidreErzählerin ge-
rät, aussdrließt,
daß siedie Ereignisse veränderthat, hätte man Unrecht
zu glauben,der Präfekt seihier nur seinerEinfaltsarmurwegen,auf die
er sozusagen schonpatentiertist, befähigt,der Königin seineStimmezu
leihen.
Die Tatsadre,daß die Botschaftin dieserVeise zum zweitenmalüber-
mittelt wird, bezeugt,was absolutnidrt selbstverständlidr ist: daß sie
nämlidr tatsädrlidr der Dimensionder Spradreangehört.
Die hier anwesendsind, kennen unsereeinsdrlägigenBemerkungen,
insbesondere, waswir am Kontrast der sogenannten Bienensprache illu-
striert haben: in der ein Linguistll nur die simple Signalisierung
der Lage eines Objekts, anders ausgedrüdrt,nur eine imaginäre
Funktion erblidren kann, die lediglidr etwas differenzierter ist als die
anderen.
lVir möclten hier hervorheben,daß eine solcheForm der Kommuni-
kation beim Mensdrennidrt fehlt, wie versdrwindendklein in bezug
auf seinnatürlidresGegebensein dasObjekt für ihn auchseinmag auf-
grund der Desintegration,die es durdr den GebraudrdesSymbolser-
Ieidet.
Ihr Äquivalent kann man tatsächlidrin der Gemeinsamkeitsehen,die
sichzwischenzwei Personenim Haß auf ein und dasselbe Objekt ein-
stellt: abgesehendavon,daß die Begegnung immer nur über ein Objekt
möglicJrist, das durcl die Züge desjenigen lüesensdefiniertwird, dem
der einewie der anderesic} verweigert.
r7
liinc solcleKommunikation kann aberin der symbolisdrenForm nidrt
iibcrmittelt werden.Siehält sidreinzigin der Beziehungauf diesesOb-
jckt. Auf diese'Weise kann sieeineunbestimmteAnzahl von Subjekten
in cin und demselben..Ideal" vereinigen:Innerhalbder so konstituier-
tcn Mcngebleibt die Kommunikation zwisdreneinemSubjektund ei-
ncm anderendarum aber nidrt weniger in weiter niclt reduzierbarer
Vcise durdr einenidrt aussprechbare Beziehungvermittelt.
l )icscrExkurs soll hier nidrt bloß an Prinzipienerinnernund soll nicJrt
bloß an die ferne Adressejener sidr ridrten, die uns untersrellen,wir
iibcrsähendie niclt-verbale Kommunikation: Indem er die Tragweite
dcsscnbestimmt,was sidr im Diskurs wiederholt,bereiteter die Frage
rr;rdrdcm vor, wasdasSymptomwiederholt.
l)ic indirekteRelationstecktso die Dimensionder Spradreab, und der
llrzählcr fügt ihr, sieverdoppelnd,
"per Hypothese"nichtshinzu. Im
::wcitcnDialog aberhat esdamit einevöllig andereBewandtnis.
l)crrn dicsersetzt sidr dem erstenentgegenwie einer von zwei Polen,
tlic wir in der SpracJre bei andererGelegenheit untersdrieden habenund
tlic inr Cegensatz zueinanderstehenwie Wort und Spredten.
| )rrshcißt, man sdrreitetvom Feld der Exaktheit fort zum Registerder
$ihlrrhcit. DiesesRegisterindes, wir glaubennicht, daß wir daratif
zrrri.ir:k.kommen müssen,gehört ganz woandershin, eigentlichin den
llt'gründungszusammenhang der Intersubjektivität.Es gehört dorthin,
wo rlrs Subjektnicfitsfassenkann als die Subjektivität selbst,die ein
Arrdcrcsabsolutkonstituiert.Um seinenOrt hier anzugeben, begnügen
w i r rursdamit, den Dialog zu zitieren,der seineZugehörigkeitzu jüdi -
sdrcn I'lrzählungenjener Bloßstellungverdankt, in der die Beziehung
dcs Signifikantenzum Spredeenaufsd-reint in der Bescfivrörung,in der
cr gipfclt. "Siehher,wasdu für ein Lügnerbistn,wird hier verwunderr
trrrtlatcrrlosausgerufen, (wenn du sagst,du fahrst nac} Krakau, willst
tlrr tkrdr, daß icl glaubensoll, du fahrst nadr Lemberg.Nun vreiß ich
;rbt'r,tlaß du wirklicfi fahrst nadr Krakau. Also warum lügstdu?"
I )icscrSdrwallvon Aporien,eristischen Rätseln,Paradoxien,Scherzen
g;rr, dcr uns gleidrsameinführensoll in die MethodeDupins, drängre
rrnscirrcühnlicheFrageauf, wenn niclt in demLlmstand,daß diesuns
von jcurandcm,der sichals Sc}ülergibt, im Vertrauenmitgeteilt wird,
s()rtwirs wic dic Möglidrkeit dieserDelegierungsidr eröffnete.Darin
bcstelrtunfchlbardcr Vorzug desZeugnisses: die TreuedesZeugenist
tlic Miindrsl(appc, bci der die Kritik der Zeugnisfähigkeit eingesdrlä-
l'ert wircldadurch,daßmansieblind madrt.
rll
Gibt es andererseits etwasÜberzeugenderes als die Geste,mit der die
I(arten auf den Tischgelegtwerden?Sieist esin dem Maße,daß sieuns
für einen Augenblidr davon überzeugt,der Tasdrenspieler habe tat-
säcllicÄdas Verfahren seinesKunststücksso demonstriert,wie er es
angekündigthatte, währender esdodr lediglicJrin einerreinerenForm
erneuerthat: diesesMoment läßt uns den SuprematdesSignifikanten
im Subjektermessen.
verfährt Dupin, wenn er von der Gesdridrtedeskleinen
In dieser'S7eise
Vunderkindes ausgeht,das alle seincKameradenbeim Spiel "Grad
oder Ungrad" mit Hilfe desKniffs der Identifizierungmit dem Gegen-
spielerfoppte; dieserkann, wie wir sdrongezeigthaben,die ersteEbene
seinermentalenAusarbeitung,das heißt den Begriff des intersubjek-
tiven \flechselsnidrt erreidren,ohne dort sogleichAnstoß zu nehmen
am Steinseiner\üiederkehr12.
Nichtsdestoweniger werdenuns,um unserBlickfeld voll zu stellen,die
zr Namen von La Rochefoucauld, La Bruyöre,Macliavelli und Campa-
nellavorgesetzt,derenRenommeeim Vergleichzur kindlidrenHelden-
tat mehr alsgeringersdreinen müßte.
Und indem Dupin bei Chamfort anknüpft, dessenFormel lautet: "Ich
wette, daß jede öffentlicheVorstellung,jede übernommeneKonven-
tion eineDummheit ist, da sieden Beifall der größtenMengegefunden
[2g", wird er mit Sic]rerheitall jenezufriedenstellen,die glauben,sich
dem GesetzdieserFormel entziehenzu können,das heißt genau:jene
größteMenge.Daß Dupin die AnwendungdesBegriffsAnalyseauf die
Algebra durdr die Franzosenals Irreführung taxiert, kann unserem
Stolz kaum etwasanhaben,zumal die FreisetzungdesTerminuszv an-
deren Zwed<enden Psycloanalytikernicht hindert, seineRedrte hier
geltendzu macfien.Nunmehr sehenwir Dupin sidr philologischen Be-
merkungenzuwenden,die den LateinliebhabernEntzüd<enbereiten
würden:wenn er, ohneweiter kommentierenzu wollen, daran,erinnert,
daß oambitus nidtt Ehrgeiz, religio nicht Religion, homines bonesti
niclt recltsc}a{feneMänner bedeutetn,wer von Ihnen würde sidr
nicht gerne daran erinnern . . . was für den, der mit Cicero und
Lukrez Umgang hat, dieseVörter heißen.Poe amüsiertsichzweifels-
ohne.. .
Ein Verdachtdrängt sichuns allerdingsauf: will dieseGelehrsamkeits-
paradeuns am Ende die Schlüsselworte unseresDramas verständlich
r9
madrenl3? Ifliederholtder Taschenspielerniclt vor unsseinKunststüd<,
ohnc uns diesmalmit dem Verspredrenzu ködern, er wolle uns sein
Ccheimnisanvertrauen,aberseinenEinsatzsoweit steigernd,daß er es
wirklich aufded<t,ohne daß wir das geringstedabei sehen?Das wäre
allcrclingsdas hödrste,was der Illusionist erreichenkönnte: uns durch
cin Gesc}öpfseinerFiktion utahrbaftig täuschen zu lassen.
Und sind esnidrt Effekte dieserArt, die uns berec.htigen, unbedenklich
von so manclen imaginärenHelden zu reden,als ob sie wirklich Per-
soncnwären?
Iibcnsofinden wir, wenn wir uns aufsdrließendem Verständnisder
'lVcisc,
in der Martin Heideggeruns im Vort ü'qÜfiedas Spiel der
Vrrlrrheit darstellt, nidrts anderesals ein Geheimniswieder, in das
dicscihre Freundestetseingev/eihthat, und durdr welchesdiesewissen,
rfrrßsicsiclrihnen,wo siesichverbirgt, am wabrbat'tigsten darstellt'
lVcnn also die DarlegungenDupins uns nicht so offensichtlidrin un-
scrm Glaubenan unsernGlaubenersdrütternwürden, was hätten wir
hicr nodr einen Versuchgegendie entgegengesetzte Versudtung zu
nradrcn.
S;riircnwir daherseinerFährte dort nac.h,wo sieuns von der Spur ab-
bringtta.Und daszunädrstin der Kritik, mit weldrerer dasMißlingen
rlcs l)räfckten motiviert. \ü(/irkonnten sie schonwährend der ersten
LJntcrhaltungin jenenuntersdrwelligbeißenden'Witzen sidr anbahnen
sclrcrr,um die der Präfekt siclrbei der erstenUnterhaltungnidrt küm-
nrcrteund die ihm nur Anlaß zum Gelädrtergaben.Daß ein Problem
rlrrnkclcrsdrcinen kann, weil es,wie Dupin zu verstehengibt, zu ein-
't (A.tl.Ü.: lVir folgen an dieser Stelle dem Neudrudr der Ecrits von r968, dort dic
Notiz:) Ich hatte zunädrst, diese drei Vörter betreffend, eine Andeutung zum Sinn
gcnrllt, womit jedermann diese Geschidrte kommentierte, würde nidrt die Strrrktur
rrlron zu ihrer Absidrt genügen. Idr unterdrüd<e den, nur allzu unvollkommenen'
frirrpicrzcig,wcil jemand jerzt,da idr midr für diesen Nadrdrud< wiederlese, mir ver-
ridrert, daß nach der Zeir, in der idr verkauft werde (nodr diesen 9. rz. 68), eine
Zrit seinwird, in der man midr um mehr Erklärung liest.
W r r , r u ß c r h a l bd i e s e r S e i t e s e i n e nP l a t z h ä t t e .
tt (l)tpistons donc sa
foal|e lä oü elle nous döpiste.) Gerne würden wir die Frage
nldr dcnr antinomisclren Sinn bestimmter, primitiver oder nidrtprimitiver'Wörter nodr
cirrrrr;rl ;rn ßcnvcniste stellen, nadrdem dieser den falsdren \feg, auf den Freud ihn
auf philologischcm Terrain gcführt hat, meisterhaft zu beridrtigen wußte (Vgl. La
l ' r y c l r r n ; r l y s c ,B d . r , S . 5 - r 6 ) . D e n n w i e u n s s d r e i n t b l e i b t d a s P r o b l e m , d i e I n s t a n z
rlesSigni{ikrrrrtcn in seincr Strenge freizulegen, ganz bestehen.Blodr und Von W'artburg
,l,rticlcn tl.rsAuftrctcn dcs \fortes döpister in der zweiten Verwendung, die wir von
ihrn in urrscrcrn
S a t z m a d r c n ,a u f r 8 7 5 .
fachoder zu durchsidrtigist, wird für ihn keine anderenFolgenhaben
alseineetwaskräftigereReizungdesZwerdrfells.
Das Ganzeist so angelegt,daß wir zur Annahmeverleiterwerden,die
Person sei sdrwadrsinnig.Das wird nadrdrüdrlich durdr die Tatsac}e
illustriert, daß der Präfekt und seineGehilfen sidr als Verstedreines
Gegenstandes nichtsausdenkenkönnen,was dasVorstellungsvermögen
eines ganz gewöhnlidren Spitzbubenübersteigt,dasheißt ebendie Rei-
he allzu bekannter außergewöhnlicher Verstecke,die man uns vor
Augen führt: angefangenbei den GeheimfädrerndesSdrreibtisdres bis
zu der vom Tisdr entferntenPlatte, von den aufgetrenntenPolstern
der Stühle bis zu ihren ausgehöhltenBeinen,von der Rüdrseiteder
Spiegelgläser bis zur Dickeder Budrdedrel.
Und darauf zieht man über den Irrtum her, dem der Präfekt erliegr,
'wenner aus der Tatsache,daß der Minister Dichter ist, sdrließt,ihm
fehle nicht viel zum Narren: ein Irrtum, wird man folgern, der nur,
was nidrt unerheblichist, in einer falschenAnwendung desMitrclbe-
griffs gründet, denn er folgt durdrausnicht daraus,daß alle Narren
Dichterseien.
Gewiß, aber uns selbstläßt man rätseln,in was denn in SachenVer-
stedrendie UberlegenheitdesDidrtersbestehen mag,und stecktein ihm
als ein Double zugleidrnodr ein Mathematiker,denn hier unterbriclt
man plötzlidr unsersdrwungvollesDenken,indem man uns in ein Ge-
strüpp übler Streitereienüber die Denkungsarrder Mathematikerhin-
einzieht,die, soweitidr weiß, nie so viel Anhänglidrkeit für ihre For-
meln gezeigthaben,als daß sie diesemit der räsonierenden Vernunfr
identifiziert hätten. $7ir würden zumindestbezeugen,daß im Gegen-
satz ztJ der Erfahrung, die Poe anscheinendvertraut war, uns - zu-
sammenmit unseremFreundRiguet,der hier durchseineAnwesenheit
dafür einsteht- unsereStreifzügedurdr die Kombinatorik nidrt durdr-
ausals so sdrwereVergehen(die Gott, Poe zufolge,nicJrtwohlgefällig
sind) vorkommen, wie es der Zweifel wäre, der uns eingäbe,daß
*X2 * px vielleidrt doch nicht ganz und gar gleidr q sei"; ohne daß
wir uns,wir strafenPoe darin Lügen,vor irgendwelchen unerwarreten
Mißhandlungenje hättenhütenmüssen.
\7ird alsonidrt sovielGeist lediglidr dazu aufgeboten,um den unseren
von demabzulenken,was unsanfänglichalsgesichert hingestelltwurde,
nämlich,daß die Polizei überallgesuchthabe?Das solltenwir, was das
Feld betrifft, von dem die Polizei nidrt ohne Grund annahm,daß der
Brief, die Letter, sidr in ihm befindenmüßte,im Sinneeinerzweifellos
thcoretischen ErschöpfungdesRaumesverstehen,der aber,und das ist
dcr lWitz der Geschiclte,budrstäblic}genommenwird, wobei die Auf-
tcilung in Planquadrate,nadr der vorgegangen wird, für so exakt aus-
gcgcbcnwird, daß es, wie man uns sagt, ausgesdrlossen ist, daß der
ufünfzigsteTeil einerLinie" der Aufmerksamkeitder Forsdrerkönnte
cntgangensein.Haben wir folglicl nicht das Reclt zu fragen,wie es
dar.rnkommt, daß der Brief.nirgendwo gefundenwurde, oder vielmehr
dlrauf hinzuweisen,daß alles,was man uns über die Konzeptioneiner
I lchlerei höherenRangsgesagthat, uns strenggenommen nicht erklä-
rcn kann, wieso der Brief den Nachforsdrungen entgangen ist, da das
von ihnen durdrforschteFeld ihn, wie der Fund von Dupin schließlirir
bcwcist,tatsädrlichin sichschloß.
Mußte der Brief, unter allen Objekten,mit der Eigenschaftder nalli-
birty ausgestattet sein: um uns diesesBegriffs zu bedienen,den das
rrrrtcrclemNamen *Roget' wohlbekannte\flörterbuchder semiologi-
sc'lrcn lJtopie desBisdrofsVilkins entlehncls?
l,lsist cvident (a little toor6self evid,ent),daß der Brief mit dem Ort
llcziclrungenunterhält,für die eskein französisdres \(ort gibt, dasmit
t Icr'I ragweitedesenglischen Ei genschaftswortesodd v erglidtenwerden
krnrr. f)as ]ü(ortbizarre,mit dem Baudelaireesin der Regelübersetzt,
i\t nur approximativ. Sagenwir, dieseBeziehungensind einzigartig,
tlt'nn cssind genaujene,die der Signifikantmit demOrt unterhält.
Sic wisscn,daß wir uns nidrt mit der Absidrt tragen' aus ihnen "sub-
tilc" Bcz.iehungen zu maclen,und wir niclt vorhaben,die Letter (den
lluchstaben / den Brief) mit dem Geist zu verwedrseln,und erhielten
wir sic auchauf pneumatischem rüege,auchwissenSie,daß wir durch-
,ruscrkcnnen,daß der einetötet, während der anderelebendigmadrt,
irrriofcrnder Signifikant- Sie beginnenesvielleidrt zu verstehen- die
'Wenn
Instlnz. dcs Todes materialisiert. wir jedodr zunächstan der
Mrrtcrialität des Signifikantenfestgehaltenhaben, dann, weil diese
Mrrtcrialitätin manchenPunkten einzigartigist; wobei daserstedarin
bcstcht,daß er eineTeilung nidrt zuläßt. Zerschneiden Sie einenBrief
irr klcine Teile, er bleibt der Brief, der er ist, und das in einemSinn,
17 Das trifft in einem soldren Maße zu, daß die Philosophie in den durdr stetesAb-
dreschenfarblos gewordenenBeispielen,mit denen sie, ausgehendvom Einen und
vom Vielen, argumentiert,das einfadre,in der Mitte durdrgerissene Blatt und dcn
unterbrodrenenKreis, wenn nidrt gar den zerbrodrenenKrug und ganz zu sdrweigen
vom sidr windenden durchgesdrnittenen!7urm, niciht zu demselbenZwed< verwen-
den wird.
2t
krtct, und, da ein rüfliderstandausbleibt,das Flarte sondiert,bis zum
Mikroskop, das den Bohrstaubam Rand der Bohrung, ja sogar das
nriudcsteGähnenkleinsterAbgründedenunziert.Sehenwir nicht, wie
dcr Raum sicl gleidr dem Brief entblättert,in dem Maße,wie sidr das
Nctz.dcr Polizei engerzusammenzieht und sie,nidrt damit zufrieden
clic Blattseiten der Bücher auszusdrütteln,dazu übergehen,sie zu
ziihlcn?
l)ic ForsclerhabenjedodreinensostarrenBegriff vom \Tirklidren, daß
sicniclt bemerken,daß ihre untersudrungesin ihr Objekt umwandelt.
Mcrkmal, mit dessenHilfe sie diesesObjekt von allen anderenviel-
Icichtuntersdreiden könnten.
l'ls hicßc das zweifellos aber zu große Anforderungenan sie stellen,
nidrt soschrwegenihrer mangelndenEinsidrt,sondernvielmehrwegen
tlcr unsrigcn.Ihre Einfalt ist weder individueller, noch gemeinsdraft-
lichcr Art, sie ist subjektivenUrsprungs.Die realistisdreEinfältigkeit
versuchtunablässigsidr vorzuhalten,nidrts, wie weit audr immer eine
I lancl rcidre,um es in den Eingeweidender Velt einzugraben,wäre
jcrnalsdort den Blidien entzogen,da eine andereHand es dort errei-
chcnkönnc, und daß, was versted<tist, immer nur das ist, was an sei-
ncrttPlatz t'ehlt,wie sidr der Auftragszettelausdrückr,wenn ein Band
irr dcr Bibliothek verloren gegangenist. Und stündedieserBand audr
ruf dcm Rcgaloder im Fadr nebenan,er wäre verborgen,wie sidrtbar
er aur:hsdreinenmag. Das kommt daher,daß man nur von dem, was
scirrcrrOrt wechselnkann, das heißt vom Symbolischenbudrstäblidr
l) la lettreJ sagenkann, daß es an seinemPlatz fehle. Denn für das
l(cale,in weldreUnordnungman esauchimmer bringt, befindetessidr
inrrrrcrund in jedemFall an seinemPlatz, esträgt ihn an seinerSohle
rrritsichforq ohnedaßesetwasgibt, dasesausihmverbannenkönnte.
Urrrl, trm zu unserenPolizisten zurüdrzukehren,wie hätten sie den
Ilrief, dcn sie an dem Ort genommenhaben,wo er verstedrtwar, tat-
siidrlidrfinden können?![as hielten sie in dem, was sie in ihren Hän-
tlcrr lrin und her wendeten,anderesin der F{and, als etwas, dasnicht
rler llcsdrrcibungentsprach,die sievom Brief hatten?A letter, a litter,
cin ßricf, ein Abfall. Im literarisdrenKreis um Joycelshat man mit
Zwcidcutigkeitenzur Homophoniedieserbeidenenglisdren'$7örter ge-
spielt.I'ibenweil er nur halb zerrissenist, gibt der Abfall, den die Poli-
L4
zisten in diesemAugenbli& in Händen halten, ihnen erst redrt nicht
ze seinewahre Natur preis. Ein andererHandstempelauf einem Siegel
von untersdriedlidrerFarbe, ein anderer graphisdrerDuktus der Auf-
schrift sind hier die unzerbredrlichstenVersrcdre.\t7ennsie außerdem
bei der RückseitedesBriefes Halt madren,auf der, wie man weiß, da-
mals die Adressedes Empfängersgesdrriebenstand, dann weil der
Brief für siekeineandereSeitebesitztals dieseRüd<seite.
\flas könnten sie tatsädrlidr auf seinerVorderseiteaufdedren?- Seine
Botsdraft, wie man sidr zum Vergnügen unsererkybernetisdrenFesr-
stundenausdrüdrt?... Kommt uns aber nidrt der Gedanke,daß diese
Botschaft ihre Empfängerin sdron erreidrt hat und ihr in dem Fetzen
unbedeutendenPapierssogarerhalten gebliebenist, das dieseBotsdraft
jetzt nidrt weniger gut repräsentiertals dasursprünglidreBillett?
'!?'enn
man sagenkönnte, ein Brief habeseineSendungvollendet, nach-
dem er seineFunktion erfüllt habe,dann wäre die Zeremonieder Rüdr-
gabevon Briefen als Absdrlußfür das Erlöschender Leidensc}aftenin
der Liebe nidrt so gebräudrlidr. Der Signifikant ist nidrt funktional.
Ebensowenighätte die Mobilisierung der niedlidren Welt, deren Aus-
gelassenheit wir hier verfolgen,einenSinn, wenn der Brief sidr damit
begnügte,einen zu haben. Denn ihn einem Trupp von Bullen mitzu-
teilen,wäre keinesehrangemessene Art, ihn geheimzu halten.
Man könnte sogarannehmen,daß der Brief für die Königin einenganz
anderen,wenn nidrt gar verzehrendenSinn hat, als den, den er dem
Verständnisdes Ministers darbietet.Der Gang der Dinge würde da-
durcl kaum merklidr berührt. Selbstdann, wenn er jedem nidrt einge-
weihten Leserstrikt unverständlidrbliebe.
Denn er ist essidrerlidr nidrt für jeden:
"käme das Dokument, wie der
Präfekt uns, zum Gespört aller, emphatischversidrert, einer dritten
Person,die ungenanntbleiben soll, vor Augen, (derenName ins Auge
springt, wie der Sdrweinesdrwanzzwisöen den Zähnen von Varer
Ubu), so
"würde die Ehre einer Persönlidrkeit von allerhödrstemRang
in Gefahr gebracht", ja sogar person
"die Seelenruheder erlaudrten
stündeauf dem Spiel."
Gefährlidr wäre es folglidr nidrt nur, den Sinn, sondernden Text der
Botsdraft in Umlauf zu bringen, und das um so mehr, je harmloser er
ersdriene,da dadurdr das Risiko der Indiskretion erhöht würde, die
einer seinerMitwisser, ohne eszu wissen,begehenkönnte.
Nidrts verrnagdaher die stellung der Polizei zu retten und man änderte
zz nidrts, wollte man ..ihre Kulturo veredeln.Scripta manent: vergeblidr
2t
crl'iihre sie von einem Flumanismusin Luxusausgabe die sprichwört-
f idrc Lcktion, die mit verba volant ihren Abschlußfindet. 'Wollte der
I lirnrnel,daß die Schriftstüd<e
blieben,wie diesviel ehervom Spreclen
gilt: dcnn dessenunauslöschliche Sdruld befrudrtet wenigsrensunsere
I lrrndlungendurchihre Ubertragungen.
l)ic Schriftstückereden die blanken Tratren einer wildgewordenen
Vcr'hsclreitereiin den Vind. Und wären sie keine fliegendenBlätter,
g;ibccskeinegestohlenen Briefele.
I )odr wie steht es damit? Damit es gestohlene Briefe gibt, fragen wir,
wcrrrnruß dann ein Brief gehören?Vorhin habenwar das Sonderbare
in tfcr Rüd<kehrdesBriefeszu jenerPersonbetont,die vor kurzem das
l,icbcspfandin ihrer Aufregungenrkommenließ.JenevorzeitigenVer-
iiflcntlichungenvon der Art, durch die der Chevalierd'Eon einigesei-
rrcr Korrcspondentenin eine ziemlidr jämmerlicheLage gebradrthat,
sdrritz.tman aberzurneistalsunwürdig ein.
l)cr Bricf über den derjenige,der ihn geschrieben hat, nodr Reclte be-
sitzt, gchiirtealsonidrt vollständigdemjenigen,an den er gericJetet ist?
()tfcr ist csso,daß letzterernie der wahreEmpfängergewesen ist?
Wrrsurrsaufzuklärenvermagist etwas,daszunädrstden Fall nodr un-
rltrrdrsidrtigermadrenkann, die Tatsachenämlidr, daß die GesclicÄte
tunsirr fast völliger Unkenntnisüber den Absender,wie audr über den
lrrlrrrltrlcsBricfesläßt. Es wird uns nur mitgeteilt,der Ministerhabe
gh'idr ohne weiteresdie Handschrift auf der Adressean die Königin
crkrrnntund nur nebenbei,als über die Tarnung desBriefesdurch den
Mirristcrdie Redeist, wird erwähnr,seinursprünglidresSiegelsei das
rlcsOrafcn von S . . . \7as seineTragweitebetrifft, wissenwir nur um
tlic (lcfahren,die entstehen könnten,wenn er in die Hände einesge-
wissc' I)rittcn fiele,und daß seinBesitzdem Minister erlaubt hat, auf-
grunrl clerGewalt, die er ihm über die betroffenePersonverschafithat,
ilrrr "in schr gefährlicjremMaße zu politischenZweclen, auszunützen.
Allcsdrs sagtunsabernidrtsüber die Botscfiaft,die er befördert.
l,icbcs-oclerVerschwörungsbrief, denunziatoriscleroder instruieren-
tlt,r Ilricf, fordernderoder in Flerzensnotgesd-rriebenerBrief, wir kön-
n('n nur cincsfesthalten,daß die Königin ihn ihrem Flerrn und Meister
nidrt zur Kcnntnisbringenkann.
I )icse'l'crmini aber,weit davon entfernt,den in der bürgerlichen Komö-
26
die ausgespieltenüblen Ruf zu tolerieren, gewinnen einen ausgezeidr-
28 nerenSinn dadurch,daß sie den unumschränkten Gebieterder Königin
bezeidrnen,an den ihr Treuesdrwur sie in doppelter rüüeise bindet, da
ihre Stellung als Gemahlin sie ihrer Pflidrt als Untertanin nidrt enr-
hebt,sondernsievielmehrzur Aufsidrt über daserhebt,was dasKönig-
tum, entspredrenddem Gesetz,von der Macht verkörpert: das heißt
über die Legitimität.
\Telchesdaheraudrimmer der weitereVerlauf ist, den die Königin dem
Brief zu gebengedenkt,dieserBrief bleibt das Symbol einesPaktes;
und selbstdann, wenn seineEmpfängerinfür diesenPakt nidrt ein-
steht,stellt die ExistenzdesBriefessie in eine symbolisdreKette, die
von der, die ihre Pflidrr vorschreibt,untersdrieden
ist. Der Beweis,daß
diesesymbolisdreKette mit letztererunvereinbarist, wird durch die
Tatsadreverdeutlicht,daß der Besitzdes Briefesunmöglichöfientlicl
als legitim vertretenwerden kann, und die Königin, um ihm zur An-
erkennungzu verhelfen,sichnur auf ihr Privatrechtberufen könnre,
dessenPrivileg in der Ehre gründet, die dieserBesitz geradebeein-
trächtigt.
Da sie nämlich die huldvolle Gestalt der Souveränitätverkörpert,
dürfte sie auchprivat kein geheimesEinverständnisunterhaltenohne
die gesetzlidre Gewalt zu unterridrren,und siekann sidr niclt an Stelle
desSouveränsein Geheimniszunutzemachen,ohne damit auf Heim-
lidrkeit sidr einzulassen.
Die Verantwortung des Briefschreibers wird folglicJrzweitrangig im
Vergleidrzu derderjenigen,die denBrief inHänden hält:denn in ihrer
Personverdoppelt sicll die Majestätsbeleidigung durcl den höcÄsten
Hocboerrat.
'!üir
sagen:die ihn in Händen hält, und nicht: die ihn besitzt.Denn
dadurdr wird klar, daß der Besitz des Briefes seiner Empfängerin
niclt wenigerstreitiggemadrtwerdenkann, als jedemanderen,dem er
in die Hände geratenkönnte,weil, was die ExistenzdesBriefesbetrifit,
nichtsin die Ordnung desBesitzeseintrerenkann, ohnedaß derjenige,
an dessenPrärogativensie sichvergreift, über ihn zu urteilen gehabt
hätte.
All diesimpliziert jedodrnicht,daß, wenn sidr audr dasGeheimnisdes
Briefesnidrt verteidigenläßt, der Verrat diesesGeheimnisses dafür in
irgendeiner\7eise ehrenvoll sein könnte. Die bonesti hornines, die
ehrenwertenLeute,können sidt da nicht so wohlfeil herausziehen. Es
gibt mehr als einereligio,und nicht so schnellwerdendie heiligenBan-
dc aufhören uns kreuz und quer zu ziehen.\Ias arnbitu.s,den Umweg
bctrifft, so ist es, wie man sehenkann, nidrt immer Ehrgeiz, der ihn
irrspiriert.Denn wenn es einen gibt, den wir hier durdrlaufen,haben
wir ihn - wie wir hervorhebenmüssen- nicht gestohlen,da wir den
'l'itcl
von Baudelaire,wir wollen's gestehen,nidrt in der Absidrt über-
nommcnhaben,um den konventionellenCharakter desSignifikanten,
wic man es uneigentlidrausdrüdrt,sondernviel eher,um seinenVor-
rang gegenüber Bleibt nichtsdestowe-
dem Signifikat herauszustreidren.
nigcr, daß Baudelaire,bei aller Verehrung,Poeverratenhat, indem er
dcsscnTitel: "The pudoined letter, mit: "La letre vol6e, [Der ge-
stohlcneBrief] übersetzteund also untersdrlug,daß ein ziemlich sel-
'Nüort
tcrncs verwendet wird, dessenEtymologie wir leidrter definieren
kiinncn alsdessen Gebrauch.
'l'o 'Wort,
purloin ist ein anglo-französisches sagt uns das "Oxford
| )ictionaryr, dasheißt,esist ausdem Präfix pur- (dasman in purPose:
Vrrrsatz,purcbase:Erwerbung,?arPort: Bedeutungwiederfindet)und
rfcm altfranzösisdrenWort: loing, loigner,longözusammengesetzt. Im
crstcrrElementerkennenwir das lateinisdrepro wieder,sofernes sidr
von dnte durdr das unterscheidet, was über ein Rückwärtigesvoraus-
sctzt, über das es hinauszielt,gegebenenfalls um für es zu bürgen,ja
sogarfür esals Bürgeeinzustehen (währendante demvorausläuft,was
'\üüort
ihm cntgegenkommt).!üüasdas zweite, altfranzösisdre angeht:
loigncr, Verb desOrtsattributsau loing (oder aucl longö),so bedeutet
cs nidrt: in der Ferne,sondern:entlang;eshandeltsidr also darumbei-
sciteza schieben,oder um einen gebräudrlidrenAusdrud< zu verwen-
dcn, der auf demDoppelsinnspielt:mettreä gauche,auf die Seitebrin-
ßen.
Auf dieserüüeise sehenwir uns in unseremUmweg durdr das Objekt
sclbstbestätigt,das uns dorthin mitreißt: denn es ist in der Tat der
eincn IJmweg nebmendeBrief , derjenige,dessenTfeg prolongiert wur-
rlc (dasist die buchstäblidre
UbersetzungdesenglisdrenI[ortes), oder,
um auf das Briefpostvokabularzurückzugreifen,der unzustellbare
ßricl, derunshier beschäftigt.
Sinple and odd, wie man esuns von der erstenSeitean ankündigt,ist
hier alsodie EinzigartigkeitdesBriefesauf ihren einfadrstenAusdrur*
gcbradrt, der, wie der Titel anzeigt, dasanahrhat'tigeSubiekt der Er-
zühlungist: da der Brief einenUmweg gehenkann, hat er einen\üfleg,
dcr ihm eigenist.Ein Zug, durdr den sichhier seineInzidenz als Signi-
fikant bestätigt.Denn wir habenbegreifengelernt,daß der Signifikant
rB
sic} nur in einer Verschiebungerhält, die mit unserenTagesnachrichten
in Laufschrift oder mit den rotierendenGedädrtnissenunsererMa-
söinen-die-wie-Menschen-denken20 vergleidrbarist, weil er alternie-
rend funktioniert, indem sein Prinzip fordert, daß er seinenOrt ver-
läßt, um zirkulär zu ihm zurüdrzukehren.
:;""
det, dassiedurdr die lVirkung der Ursprüngestetsin der Positiondes
Signifikanten,ja sogardesFetiscJr, umfängt. Um der Madrt diesesZei-
chensgewachsen zu sein,braudrt sie sic}rnur unbewegliclrin seinem
Schattenzu halten, und findet in ihm obendrein,so die Königin, jene
Simulierung von Meistersdraftim Nicht-Handeln, welcle nur das
"Ludrsauge"desMinisterszu durdrsciauenvermodrte.
Nach demRaub diesesZeidrenssehenwir nun den Mann in seinemBe-
sitz: unheilvollerBesitz,da er sidr nur durcl die Ehre behauptenkann,
die er bedroht; verfluclter Besitz, da er auf den, der ihn verteidigt,
Strafeherabruftoder ihn zum Verbrechenverleitet,von denensowohl
die einewie audrdasandereseineAbhängigkeitvom Gesetzbrechen.
Mit diesemZeidrenmuß ein höclst sonderbares noli rnetangeregesetzt
sein, damit, dem sokratischenZitterroclen vergleidrbar,sein Besitz
seinenMann in einemsolclenMaßeerstarrenläßt, daß er demverfällt,
wassichbei ihm unzweideutigalsUntätigkeit verrät.
Denn wenn wir, wie es der Erzähler von der erstenlJnterredungan
tut, bemerken,daß mit der VerwendungdesBriefessichseineMadrt
auflöst, gewahrenwir, daß dieseBemerkungnur ausdrücklidrseinen
Gebrauchzu Machtzwecl<en anvisiert- und gleiclezeitig,daß sidr diese
VerwendungdemMinister aufnötigt.
Um niclt in der Lagezu sein,ihn sicJrvom Flalsezu sdraffen,muß esso
sein,daß er nicht weiß, was er mit dem Brief anderesmachenkönnte.
Denn dieseVerwendungbringt ihn in einederartigeAbhängigkeitvom
Brief als soldrem,daß er ihn auf die Dauer sogaraus den Augen ver-
liert.
'Süir
wollen sagen,wenn dieserGebraudrwirklidr den Brief beträfe,
könnte der Minister, der schließlicldurch den Dienst am König, sei-
nem Flerrn, dazu autorisiertwäre, der Königin eine respektvolleEr-
mahnungpräsentieren,und sollte er sidr auchihrer Rücl<wirkungmit-
tels angemessener Garantieversidrern- oder irgendeineAktion gegen
den UrheberdesBriefeseinleiten;die Tatsadre,daß dieserUrheberaus
dem Spielbleibt, zeigt,wie wenig essidr hier um Schuldhaftigkeitoder
Vergehenhandelt,sondernvielmehrum dasZeidrendes\i7iderspruches
und desArgernisses, den der Brief in jenemSinnedarstellt,in dem das
Evangeliumsagt, daß es ohne Rücksidrtauf das Unglück dessen,der
sidr zu seinemUberbringermadrt, diesenereilt -, ja er könnte sogar
den Brief als Aktenstück quali
"der dritten Person"unterbreiten,die
fiziert ist zu entscheiden,ob er der Königin ein peinlichesGericht be-
reitenoder den Minister in Ungnadefallen lassensoll.
3r
\fir erfahren nidrt, warum der Minister den Brief nidrt in dieser'Weise
nutzt, und esziemt sidr, daß wir davon nidrts wissen,da uns hier aus-
schließlidrdie \flirkung dieser Nidrtbenutzung interessiert;es genügt
uns zu wissen,daß die Art der Aneignung desBriefes kein Hindernis
für einediesermöglidrenVerwendungendarstellt.
Denn dies ist klar: wenn der nidrt-signifikadve Gebrauchdes Briefes
eine erzwungeneVerwendungfür den Minister darstellt, dann kann
seineVerwendungzu Machtzweckennur potentiell sein,da er nidrt zur
Tat schreitenkann, ohne sofort zu erlösdren;wenn der Brief als Madrt-
mittel folglidr nur durdr die letzten Anweisungen des reinen Signifi-
kanten existiert,so bedeutetdieseVerwendungzu Machtzwedren:sei-
nen Umweg verlängern - um ihn durdr einen weiteren Ubergang an
den redrtmäßigenEmpfänger kommen zu lassen,will sagen,mit Hilfe
cinesanderenVerrats, dessenRückwirkungeninfolge der]üflichtigkeit
des Briefes sdrwer vorgebeugtwerden kann -, oder den Brief. zu zer-
stören,worin daseinzigsidrereund als soldresvon Dupin gleidrvorge-
bradrte Mittel bestünde,mit dem ein Ende zu madren, was aufgrund
seinerStruktur dazu bestimmt ist, die Annulierung dessenzu bezeidr-
nen,wasesbezeidrnet.
Den Einfluß, den der Minister ausder Situationzieht, gewinnt er also
nidrt ausdemBrief,sondern,ober esweiß oder nidrt, ausderRolle,die
dieserihm zuspielt.Die'Worte desPräfektenstellenihn uns außerdem
als jemandenvor, der sdrlechterdings alleswagt, who daresall tbings,
was auf vielsagende\$üeisekommentiert wirdz those unbecomingas
uell as thosebecominga rnan;dasheißt: Dinge, die siö nicht für einen
Mann wie auch soldre, die sidr für einen Mann ziemen, und dessen
PointeBaudelairefahren läßt, indem er übersetzt:Dinge, die sidr nidrt
für einenMann ziemen,wie auchsoldre,die sidr für ihn ziemen.Denn
in ihrer ursprünglidrenForm ist die Einsdrätzungdem, was eine Frau
i nteressiert,
viel angemessener.
Hiermit wird die imaginäre Bedeutung dieser Gestalt sidrtbar, das
heißt die narzißtisdreRelation, in die der Minister, diesmal gewiß
ohne sein Wissen,verwid<elt ist. Sie wird audr im englisdrenText, auf
dcr zweitenSeite,in einerBemerkungdesErzählersangedeutet,deren
Form köstlidr ist: uDer Einfluß", sagter, den der Minister erlangthat,
hinge von der Kenntnis ab, die "der Dieb von der Kenntnis besitzt,
wcldre die beraubtePersonvom Dieb [xs,, textgetreu the robbels
hnouledge of the losels knoaiedge of tbe robber. Eine \fendung, de-
ren Gewidrt der Autor unterstreidrt, indem er sie Dupin wörtlidr wie-
t:
deraufnehmenläßt, unmittelbar im Anschlußan die Erzählung von der
RaubszenedesBriefes,mit der man angehobenhatte. Hier kann man
abermalssagen,Baudelaireschwankein seinerSprache,indem er den
einenfragen,denanderenbestätigenläßt mit folgenden'Worten:
"Veiß
der Dieb?. . .',, und dann: oderDieb weiß . . .o,'\üü'as?: die beraub-
"daß
te Personihren Dieb kennrn.
Denn worauf es dem Dieb ankommt, ist nidrt nur, daß die genannte
Personweiß, wer sie bestohlenhat, sondernaucJr,mit wem sie es in
SadrenDieb zu tun hat; will heißen,daß sieihn zu allem fähig glaubt,
was wie folgt zu verstehenist: daß sie ihm die Position verleiht, die
kein Menschwirklidr erfüllen kann, weil sieimaginär ist, nämlidr die
desabsolutenFlerrn.
In lüTahrheitist eseinePositionabsoluterOhnmacht,abernicht für den,
den man solches glaubenläßt. Der Beweisdafür bestehtnicht nur darin,
daß die Königin hier den Mut findet, die Polizei um Hilfe zu bitten.
Denn sie paßt sichihrer Versdriebungum nur eine Stufe in der Ord-
nung der Ausgangstriadean, indem sie sidr genaujener Verblendung
anvertraut,die erforderlidt ist, um dieseStelleeinzunehmen:No rnore
sagacioasagent could.,I suppose,moquiert sichDupin, be desiredor
eaenimagined.Nein, wenn siediesenSchritt getanhat, dann weniger,
weil sie zur Yerzweiflung getriebenworden wäre, driven to despair,
wie man uns sagt, als vielmehr, weil sie die Last einer Ungeduld auf
sich nimmt, die einer wahnhaften Spiegelungzugesdrrieben werden
muß.
Denn der Minister hat viel zu tun, um sichin der Untätigkeit zu halten,
die in diesemAugenblickseinLos ist. Der Minister ist in der Tat niclt
absolutverrüdrt. Das ist eineBemerkungdesPräfekten,der zu allem
seinengoldenenRat gebenmuß: dasGold seinerRatsdrlägefließt zwar
nur für Dupin und läuft bis zum Hödrstbetragvon fünfzigtausend
Francs,die esihn in der damaligenVährung jenesMetallskostenwird,
nicht ohneihm dochnodr eine\flohltatsbelohnungübrig zu lassen.Der
'Wahnsinns
Minister ist folglidr in dieserStagnationdes nicht absolut
verrüdrt und muß sidedeshalbnachdem Modusder Neuroseverhalten.
'Wie
jener Mensdr,der sichauf eineInsel zurüdrgezogenhat,um zu ver-
gessen, was?,er hat es vergessen - so hat der Minister den Brief da-
durch,daß er ihn nidrt verwandte,vergessen. Das gehtausder Beharr-
lidrkeit seinesBenehmens hervor. Die Letter (der Brief / der Budrstabe)
aber, nidrt weniger als das Unbewußtedes Neurotikers, vergißt ihn
nidrt. Sie vergißt ihn so wenig, daß sie ihn mehr und mehr nach dem
3t
lliltlc jtrnertransformiert,die sie seinemüberrasdrenden Raub aus-
sctztc; cr wird sic jctzt nadr ihrem Beispieleinem ähnlidren Raub
iibcrlasscn.
l)ic McrkmalcdieserTransformationwerden,und dasin einerziemlidr
draraktcristisdren Form,in ihrer sdreinbaren
\flillkürlichkeit angegeben,
rrtnsicin gültigcrlü(eiseder Viederkehr desVerdrängrenanzunähern.
Srrcrf:rhrcnwir zunädrst,der Minister habeebenfallsden Brief untge-
lrcltt, gcwiß nicht mit jener hastigenGesteder Königin, sondernwohl
iibcrlcgt, wie man ein Kleidungssrüd< wendet. Das ist tatsädrlidrdie
Art rrrrdriüeisein der er vorgehenmußte, dem Gebrauchder Zeit ge-
nrä{i,in der man einenBrief und dasSiegelfaltere,um eineunbesdrrie-
bc.c stclle freizumac}en,auf der eineneueAdressegesdrrieben werden
kotrntc23.
l)icsc Aufsclrift wird seineeigene.ob sienun seinereigenenoder einer
andcrcnFland entstammt- sie zeigt siclrals eine sehr feine weibliche
Sdrrift, und das Siegel geht vom Ror der Leidensdraftüber zurn
SdrwarzihrerSpiegelungen-,er drüdrt ihm seineigenesSiegel auf.Die-
sc IiigcntümlichkeiteinesBriefes,der mit dem SiegelseinesEmpfängers
vcrschenist, erweistsicfials Idee um so erstaunlicher,als sie im Text
zwar rnit Nadrdrud<ausgesprochen wird, von Dupin aber in der Dis-
kussion,der er die Identifizierung des Briefes unrerzieht,nidrt ein-
rn:rlcrwähntwird.
()b clicscUntcrlassungabsidrtlidroder unwillkürlidr ist, sieüberrascht
irr dcr Anordnung einesWerkes,dessenminuziöseRigorosität ofien-
sidrtlirir ist. In beidenFällen aber ist bezeidrnend,daß der Brief, den
dcr Minister letzten Endesan sichselbstridrtet, der Brief einer Frau
ist: als ob es sidr dabeium eine Phasehandelte,die er aufgrund einer
nntii rl irjrenKonvenienzdesSignifikantendurclquerenmüßte.
t4
Auch die Aura von Nonchalance,die soweit geht, den Ansdrein von
veichheit vorzutäuschen,das Zursdraustelleneinesdem überdruß na-
hen ennaiin seinen\7orten, die Stimmung,die der Autor einer *philo-
sophieder Einridrtung.,24durdr fast ungreifbareEindrüd<e,wie der
desMusikinstrumentsauf dem Tisdr,zu erwedrenweiß - all dasscheint
zusammenzuspielen, damit die Gestalt (der Minister), derensämtlidre
Iü7ortesie mit den Merkmalen der Männlidrkeit ausgestattethaben,
den eigentümlidrsten odor di t'eminavon sidr gibt, sobaldsiein Ersdrei-
nung tritt.
Daß essidr dabeium einenKunstgrifi handelt,versäumrDupin in der
Tat nidrt zu unrersrreidren,indem er uns auf die \fladrsamkeitdes
sprungbereiten Raubtiereshinter diesemfalsdrenAuftritt hinweist.Da
essichaberebenum die'$Tirkungdesunbewußtenin dem genauen Sinn
handelt,wonachwir lehren,daß dasUnbewußte,will heißen:daß der
Mensd-rvom signifikantenbewohnt wird - wie könnte man dafür ein
sdröneres Bild finden, als das,weldresPoe sdrmiedet,um uns die Lei-
stungDupins verständlichzu madren.Denn zu diesemzwedr greift er
auf die toponomasrisdren Namen zurüd<,die einegeographisdre Karte,
um nicht stummzu sein,ihrer Zeichnungbeifügt,und die man zum Ge-
genstandeinesRatespielsmadrenkann: man muß den Namen finden,
den ein Spielpartnergewählthat - und machtdarauf aufmerksam,daß
der vorteilhaftesteNamen, einenNeuling zu verwirren, derjenigesein
wird, der sichin großenund breitenLerternvon einemEnde der Karte
zum andern hinzieht und der, meisrenssogarohne daß der Blick bei
ihm einhält,die Bezeidrnung einesganzenlandesangibt . . .
re so der gestohlene Brief, der gleiclreinemungeheuren Frauenkörpersich
im Raum desministeriellenKabinetts ausbreitet,als Dupin esbetritt.
Er aber ist sdrondarauf vorbereitet,ihn in dieser\fleisevorzufinden,
und er braudrt diesengroßenKörper nur nodr mit Hilfe seinerdurdr
grüneGläsergesdrützten Augenzu entkleiden.
Und deshalb,ohneesnötig oder,und das ausguten Gründen,die Ge-
legenheitdazu gehabtzu haben,an den Türen desprofessorsFreudzu
hordren, geht er sdrnurstrad<s dahin, wo das, was der Körper ver-
sted<enmuß, liegt und lagert, in irgendeinersclönenMitte, in die der
Blid<hineingleitet,wahrlichan jenemort, den die verführer dassdrloß
saint-Angein der einfältigenEinbildung nennen,mit der sie sidr ver-
sichern,sie könnten von daher die Stadt überlisten.Da haben sie's!
1t
Zwischenden SodcelndesKamins befindetsichdasObjekt, dasmit der
braudrt. . .
I land erreic}barist, die der Räubernur nodr auszustredren
Dic Frage,ob er es auf dem Kaminsims,wie Baudelaireübersetzt,
odcr unter ihm ergreift, wie im ursprünglidrenText steht,kann ohne
Sdradenden Sdrlußfolgerungender Interpretationsküdreüberlassen
wcrden2s.
r6
stufe stellenwie den annihilierendstenSignifikanten,des es in bezug
auf Signifikationüberhauptgibt: dasGeld.
Das aberist hier nidrt alles.Denn wenn derGewinn,zu weldremDupin
so leicht gekommenist, dessenKopf aus der Schlingeziehensoll, so
wird der Ausfall, sagenwir: der Scllag unter die Gürtellinie, den er
dem Minister plötzlich versetzt,nur um so paradoxer,scJrodrierender.
Solltedennder Streidr,dener ihm gespielthat, niclrtausgereicht haben,
seiner so unverschämtzur Sdrau gestelltenGeltung die Luft abzu-
lassen?
lVir habendie grausamenVersegenannt,die er, wie er versidrert,sich
nicht enthaltenkonnte, in dem von ihm gefälsdrtenBrief demjenigen
Augenblickzu widmen, in dem derMinister,durdr die unausbleibliclen
Herausforderungender Königin außersich,sie zu demütigengedenkt
und sichin den Abgrund stürzt: Er gibt die Sentenzfacilis descensus
Aaerni26zum Bestenund fügt hinzu, der Minister könne niclt ver-
fehlten,seineHandsclrift wiederzuerkennen, wasdadurcfi,daß er ohne
Not und erbarmungslos einenSchandfleck hinterläßt, als ein unrühm-
lidrer Triumph erscheint- Dupin hat esimmerhin auf einePersonab-
gesehen, die nic}t ohneVerdienstist. Der Groll, auf den er sidr beruft,
wegen einesüblen Betragens,dem er in \(ien (war es auf dem Kon-
greß?)ausgesetzt war, fügt dem nur nodr eine weitereAnsdrwärzung
hinzu.
Sehenwir uns dieseleidensdraftliche Explosion docJrnoch etwas ge-
nauer an und berücksiclrtigen wir insbesondere den Umstand, daß sie
die Folge einer Handlung ist, deren Gelingeneinem so kühlen Kopf
sidr verdankt.
Siefolgt genauauf denAugenblid<,in dem,nachdemder entsdreidende
Akt der IdentifizierungdesBriefesstattgefundenhat, Dupin sozusagen
den Brief bereitsin Händen hält, ihn fast sdron in Besitzgenommen
hat, ohne aber audr sdronin der Lage zu sein,sic.hseinerwieder ent-
ledigenzu können.
Er ist damit ebenfallsAbnehmerin der intersubjektivenTriade und als
soldrerin der mittleren Position,die vorher die Königin und der Mini-
ster eingenommenhaben.'ü7ird er, indem er nun mehr Überlegenheit
rs beweist,unsauchdie AbsichtendesAutors enthüllen?
Ist esihm gelungen,denBrief wieder auf seinenrec}ten\Veg zurüd<zu-
leiten,muß er ihn nur nochan seineAdressegelangenlassen.
37
DieseAdresseaber ist die Stelle,die zuvor der König eingenommen
hatte,an diesermüßteer in die Ordnung desGesetzes wiedereintreten.
Vir habengesehen, weder der König nodr die Polizei, die an dessen
Stellerüdrte, waren fähig, ihn zu lesen,da dieseStelleBlindheit ein-
schlo$.
Rexet a,.tgur,die legendäreArchaik dieser\florte scheinthier nur anzu-
klingen,weil wir ahnensollen,wie lächerlichesist, an dieseStelleeinen
Mann zu berufen.Die Gestaltender Geschichte sind ja seit geraumer
Zcit nicht geradeermutigend.SeinerNatur nachist der Mann nidrt da-
z.u beschaffen, das Gewicht des höchstenaller Signifikantenallein zu
tragen.Und die Stelle,die er einnimmt, indem er sie bekleidet,kann
zum SymboldesSdrwadrsinns werden27.
Sagenwir, hier ist derKönig durdr die demSakraleneigeneAmphibolie
mit jcnem Sd-rwadrsinn gesdrlagen,der mit dem Subjekt28zusammen-
hängt.
Das wird den Personen,die sidr an seinerStelleablösen,den Sinn ver-
lcihcn. Nidrt, daß man die Polizei für konstitutionell analphabetisdr
haltcn kann, bekannt ist ja die Rolle, die die bei der Staatsgründung
iruf demcdmpnsaufgepflanztenPiken spielen.Die Polizei aber,die hier
ilrrcm Geschäftnadrkommt, ist redrt weitherzig, was ihr nahegelegt
wird von Herren, die aus ihrem Hang zur Indiskretion kaum ein
(lchcimnis madren. Deswegenkaut man uns nidrt den bekann-
tcn Spru<*rüber die ihnen vorenthaltenenBefugnissevor: ..Sutor ne
ultra crepidam,Bullen, bleibt bei euren Stullen.ITir werden euchzu
<ficscmZw'ed<sogarwissenschaftliche Hilfsmittel stellen.Das soll euch
dann helfen,wenigeran die Wahrheitenzu denken,die man besserim
I )urrkelnläßt."2e
\fic man weiß, wird die Erleichterung,die mit so trefflichenPrinzipien
cinlrergeht,in der Gesclidrtewohl nur auf einenMorgen begrenztge-
wcscnsein,und der GesangdesSdrid<sals wed<t* Folgeeinerrichtigen
Schnsuchtnacl dem Reichder Freiheit- das Interessean all jenen,die
rt Mrrn crinnert sidr an den geistreidren Zweizeiler, der vor seinem Fall dem letzten
l(lirrig zugcsr:hriebenwurde, da er sidr dem Rendezvous von Candide in Venedig an-
g c s d r l o s s c nh a t t e :
ll n'cst plus aujourd'hui que cinq rois sur la terre.
l.cs rlultrc rois dcs cartes et le roi d'Angleterre.
tt A.d.Ü.: Großsclreibung im Original.
t0 l'lin ccller Lord, der vor dem englisdren Oberhaus spradr, in dem sein Adel ihm
Itcdrt auf diesen Platz gab, hat sidr in klaren Worten zu dieser Rede bekannt.
r8
dieseSehnsudrtmit ihren Verbrechentrüben, ein Interesse,das dafür
nodr die Beweisescfimiedet.Ja, man kann sogarfeststellen,daß diese
Praxis, die immer sdron dadurdr gut angekommenist, daß sie immer
nur zugunstender Mehrheit ausgeübtwurde, durdr jene verbürgt
wurde, die öffentlidrihre Sclmiedungen bekanntenund die selbstdaran
etwashättenaussetzen können:die bisherletzteManifestationdesVor-
rangsdesSignifikantenüber dasSubjekt.
Bleibt trotzdem wahr, daß man einer Polizeiakte immer mit einem
Vorbehaltbegegnet, wobei schwerzu erklärenist, daß dieserVorbehalt
soweit über denKreis der Historiker hinausreidrt.
lVegendiesesim AbnehmenbegriffenenGlaubenswird die von Dupin
beabsidrtigteAuslieferungdes Briefes an den Polizeipräfekten,den
Brief in seinerTragweiteschmälern.\Wasbleibt jetzt nodr vom Signifi-
kantenübrig, nadrdemer, bereitsum seineBotschaftan die Königin er-
leichtert,in seinemText ungültig wurde in dem Augenblid<,da er dem
Ministerausden Händenkam?
Er kann sogeradenocfiauf die Frageantworten,was von einemSignifi-
kanten übrig bleibt, der keineBedeutungmehr hat. Das aberist genau
die Frage,die der an ihn gerichtethat, den Dupin nunmehr an dem
durchBlindheit gezeidrneten Ort wiederfindet.
4o
len? \[as ist mit ihnen bewirkt? Liebe oder Haß? Jeneist blind und
+r wird ihn zwingen,seine\üaffen zu stred(en.Dieserist hellsichtig,wird
aber seinenArgwohn wecken.Ist er wirklich der Spieler,als den man
ihn unsvorstellt,wird er seineKarten, bevor er sieaufdeckt,ein letztes
Mal befragenund sich,wenn er seinSpiel gelesen hat, rechtzeitigvom
Tischerheben,um der Schande zu entgehen.
Ist dies alles und dürfen wir damit glauben,die wirkliche Strategie
Dupins über die imaginärenKniffe, mit denener uns täusclenmußte,
hinausentziffert zu haben?Ja, gewiß, denn wenn uein jeder Fall, der
Nacldenken erfordertr, wie Dupin zunächstvorbringt, "zwedtmäßig
imDunkeln untersudrtwird,, sokönnenwir jetzt dieLösungmit Leic.h-
tigkeit am hellenTagelesen.Siewar bereitsim Titel unsererErzählung
enthaltenund diesemunsdrwerzu entnehmen- und zwar nach der
Formelder intersubjektivenKommunikation,mit der wir Siesdronseit
langemvertraut gemachthaben:Ihr zufolge,sagenwir, empfängtder
SenderseineBotsdraftvom Empfängerin umgekehrterForm wieder.
Somit will .entwendeterrr,eben .unzustellbarerBriefu besagen,ein
Brief (eineLetter) erreicheimmer seinen(ihren)Bestimmungsort.
Auf diesenText würden wir den, der sicheinen Eindruck von unserenVorlesungen
verschaffenwollte, sdrwerlicJrhinweisen'ohne ihm den Rat zu geben,daß man sidr
durdr ihn in die Einleitung einführen lassenkann, die ihm vorausging,und die hier
folgen wird.
Sieaber war für jene gemadrt,die mit diesemEindrud<sdtonvertraut waren.
Dicser Ratsdrlagwurde, wie gewöhnlidr,nidrt befolgt: da der Gesdrmadran Klippen
das OrnamentdesBeharrensim Seindarstellt.
'Vir
nehmenhier die Ukonomie desLesersnur insofernin die Hand, als wir auf den
AdressatenunseresDiskurseszurückkommenund hervorheben,was nicht mehr in
Abrede gestelltwerden kann: unsereSdrriften reihen sidr in ein Abenteuerein, das
desPsydroanalytikers, jedenfallssoweitdie Psyüroanalysees in Fragestellt'
+z Die UmwegediesesAbenteuers,jasogarseineUnebenheiten,habenuns in ihm an die
StelledesUnterridrrendenversetzE.
Daher ein inrimer Hinweis, den man, nadrdemman zunädrstdieseEinleitung durch-
laufen hat, durdr den Hinweis auf die im Chor praktizierten Exerzitien, begreifen
wird.
4r
Lctztlidr arbeitet der vorangehende Text ja nur die Ergebnisse einer von innen,
vcrfcincrnd, heraus, die sidr als besondersdankbar erwiesen haben.
Man macht daher einen sdrledrten Gebraudr von der Einleitung, die folgen wird,
w('nn man sie für sdrwierig hält: das hieße, auf den Gegenstand, den sie präsentiert,
das zu übertragen, was allein an ihrer Perspektive liegt, sofern diese sidr nadr der
Ausbildung des Psychoanalytikers ridrtet.
Audr suchen die vier Seiten, die einigen Kopfzerbredren bereiten, keineswegs
Vcrwirrr.rng zu stiften. Sfir führen einige nadrträgliche Beridrtigungen an, um jeden
Vorwand auszuräumen, der dazu dienen könnte, sidr von dem, was sie behaupten,
rrbzuwcnden.
Nümlidr die, daß die Erinnerung, um die es sidr im Unbewußten, im Freudsdren,
wic sidr versteht, handelt, nidrt der Ordnung angehört, die man dem Gedädrtnis
urrtcrstellt, sofern letzteres das Eigentum des Lebendigen wäre.
Llrn das, was diese negative Referenz beinhaltet, genau herauszustreidren, sagen
wir, daß das, was ausgehedrt wurde, um über diese \firkung der lebendigen Materie
llet'Icnschaft zu geben, uns durdr die Resignation, die es nahelegt, nicht annehmbarer
wird.
\üüiihrcnd es doch in die Augen springt, daß wir durdr den Verzidrt auf diese
Unter-
wcrfung in dcn geordneten Ketten einer formalen Sprache in allen Punkten die Ähn-
lidrkcit mit einem Erinnern erkennen können: ganz besondersmit demjenigen, das die
lirrtdccü.ungFreuds forderr.
Wir wcrden daher bis zu dieser Behauptung gehen: wenn es überhaupt irgendwo
cirrcrr Bcweis zu erbringen gibt, dann den, daß diese Ordnung, die das Symbolisdre
korrstituicrt, nicht genügt, um hier allem die Stirn bieten zu können.
lrrr Augcnblid< sind die Beziehungen dieser Ordnung, in Anbetradrt der Erkenntnis,
rlic [ireud über die Unzerstörbarkeit dessenhat madren können, was im Unbewußten
,rtrfbcwahrt ist, die einzigen, von denen man denVerdacht hegen kann, ibm za ge-
,, il llt,tt.
(M.rn bcirdrtc Freuds Text über den uI(underblodr", der diesbezügliö, wie mandrc
;rrrrlcrc,dcn trivalen Sinn übersdrreitet, den ihm die Zerstreuten lassen.)
l)irs l)rogramm, das sidr für uns abzeidrnet, besteht folglidr darin, zu erkennen, wie
cirrc formalc Sprache das Subjekr bestimmt.
l)cr ocwinn cines solchen Programms ist allerdings nidrt einfadr: da es voraussetzr,
rlall cin Subjckt es nur erfüllen wird, indem es erwas von sidr selbst dazu beiträgt.
liirr l)syr:hoanalytiker kann nidrr umhin, sein Interesse daran hervorzuheben, sogar
rr,rclrMrflgabc des Hindernisses, auf das er dabei stößt.
l)ic, tlic daran mitwirken, räumen es ein, und sogar die anderen, in angemessener +3
t0üciscbcfragt, würden
es zugeben: es liegt hier eine seite subjektiver umkehrung
v.r, rlic für unsere psydroanalytisdre verbindung nidrt undramatisch gewesen ist,
tttttl rlcr Vorwurf, dcn die anderen mit dem Begriff der Intellektualisierung erheben,
rrrrrl nrit dcm sie uns einen streich spielen woilen, zeigt in diesem Lidrt sehr genau,
w,rr cr vcrbirgt.
()hrre zwcifcl hat keiner sidr verdienstvollere Mühe gegeben, diese seiten zu lesen,
,rlr cirrer, tlcr uns rrahe steht, und der sdrließlich nur die Hypostase zu denunzieren
w r r l l t c , d i c s c i u c r rK a n t i a n i s m u s b e u n r u h i g t e .
I ) i e K ; r r r t i s t h cl ] ü r s t e b r a u d r t a l l e r d i n g s s e l b s ti h r A l k a l i .
I lier bictct sidr cine günstige Gelegenheit, unseren l7idersadrer einzuführen, und
1'
andere audr, die weniger relevant sind, da sie jedesmal,wenn sie sidr ihr täglidres
subjekt erklären,ihren Patienten,wie man sagt,und wenn sie ihm sidr erklären,vom
magisdlenDenken Gebraudrmadten.
Daß sie dadurdr selbstin es eingehen,gesdriehttatsädtlidr mit demselbenSchritt, mit
dem der erste versucht, von uns den Keldr der Hypostase fernzuhalten, während er
dodr mit eigenerHand den Bedrergefüllt hat.
Denn wir haben niöt vor' mit unserena, f ,y, ö aus dem Realen mehr z:utagezu föt-
dern, als wir in seinerGegebenheitvorausgesetzt haben,daß heißt hier: nidrts; son-
dern wir wollen nur zeigen,daß sie hier eine syntax einführen,indem siejenesReale
überhaupterst zum Zufall madren.
Dazu stellenwir als nädrstesfest, daß die \fiederholungseffekte,die Freud zwänge
nennt, keiner anderenUrsacheentspringen.
Man hält uns entgegen,daß unserea, f ,1,ö abernidtt sind, ohnedaß ein Subjektsiclr
ihrer erinnere.Genau das steht in unserenSdrriften zur Frage: was sidr wiederholt,
geht eben aus dem, u)ds nicbt toar, hervor - eher als aus einem Nidrts des Realen,
das man sidr verpflidrtet fühlt, in ihm anzunehmen'
Merken wir än, daß die Tatsadre,daß das, q/as sidl wieclerholt, so sehr insistiert, um
sichzur Geltung zu bringen,dadurdr wenigererstaunlidlwird.
Das bezeugtder geringsteunsereroPatienten"in der Analysemit lt(orten,die unsere
Lehre um so besserbestätigen,als sie es sind, die uns dahin gebradlt haben: genauso
wie audr die eswissen,die wir ausbilden,da sie oftmals unsereTermini - wenn audr
antizipiert- in demfür sienodr frisdrenText eineranalytisdrenSitzunggehörthaben.
Daß der Kranke aber im Augenblidr,in dem er spridrt, angemessen gehört v/erde,
ist das,was wir erreichenwollen. Denn es wäre befremdend,daß man nur der Idee
dessen,was ihn vom redrten Weg abbringt, ein Ohr leihen würde, im Augenblidc,in
dem er ganz einfadr der \Tahrheit ausgeliefertist.
Aus diesemGrund ist esder Mühe vsert,die SidrerheitdesPsyöologen ein wenig zu
erschüttern,das heißt die Pedanterie,die beispielsweise das "Ansprudrsniveau,er-
funden hat, zweifellos mit der Absidrt, in ihm das eigeneals unüberbietbarenPla-
fond zu bestimmen.
Man darf niclt glauben,der Universitätsphilosophvon altem Sdrrot und Korn sei
dasBrett (La planche!A.d.U.),das dieseKurzweil unterstützenv/ürde.
Genau hier, wo sie alte Sdrulstreitigkeitenwieder erklingen läßt, stößt unsereRede
auf die Passivades Intellektuellen,es handelt sidr aber audr um die Behebungtöridr-
ter Voreingenommenheiten.
Auf der Tat ertappt, uns eine Übersdrreitungder KantisdrenKritik zu Unrecht an-
zukreiden,ist das Subjekt,das so wohlwollend mit unseremText aufräumenwollte,
dodr nidrt der Vater Ubu und sträubt sidr nidrt.
Aber es hat fast alle Lust am Abenteuerverloren. Es will sidr setzen.Das ist eine
körperlicheAntinomie zum Beruf des Analytikers. Vie kann man sitzen bleiben,
wenn man sidr in die Lage gebradrthat, auf die FrageeinesSubjektsnidrt mehr ant-
'worten zu müssen,als indem man es zuerst hinlegt?Es ist klar, daß Aufredrtstehen
nidrt wenigerunbequemist.
Deshalbstellt sidr hier die Fragenadr dem Übertragender psydroenalytischen Erfah-
rung, wenn in sie die didaktischeAbsidrt impliziert ist, ein 1üTissen
umzusetzen.
Die Inzidenzeneiner Marktstruktur sind für das Feld der Vahrheit nidrt belanglos,
dochsiesind hier bedenklidr.
43
,c,lntunfung
t1 Es handelt siö um den .Entwurf einer PsydrologieE von r89y, der, da er an Fließ
geridrtet war, im Gegensatz zu den berühmten Briefen, denen er hinzugefügt wurde,
von seinen Herausgebern nicht zensiert wurde. Gewisse Fehler bei der Lektüre des Ma-
nuskripts, die die deutscheAusgabe enthält, zeugen sogar von der geringen Beachtung, die
man seiner Bedeutung gezollt hat. Es ist klar, daß wir an dieser Stelle nur eine Position
bezeichnen, die wir in unserer Vorlesung enrwickelt haben.
4t
I)enn um seinem Gewohntem nidrt zu widersprechen,liefert Freud
uns seinenBegriff nur in Verbindungmit einemBeispiel,das hier die
grundsätzlicheFormalisierung,die er bezeidrnet,in glänzender\7eise
bloßlegenwird.
JcnesSpiel, weldresdas Kind betreibt, wenn es Gegenstände - deren
-
I')igenartübrigensgleiclgültig ist aus seinerSidrt verbannt, um sie
wicder hervorzuholenund ansdrließenderneut zum Versdrwindenzu
bringen, währenddessen es jene distinktive Silbenfolgemoduliert -
diesesSpiel,sagenwir, manifestiertin seinenradikalen Zigen die De-
tcrminierung,die das Mensdrentiervon der symbolisdrenOrdnung
cmpfängt.
I)cr Mensc}widmet seineZeit budrstäblidrder Entfaltung der struk-
turellen Alternation, in der die An- und Abwesenheitsichgegenseitig
aufrufen. Genauim Augenblidr ihrer wesentliclenKonjunktion, also
soz.usagen am Nullpunkt desBegehrens, fällt das mensdrlidreObjekt
untcr die Beschlagnahme, die, seinnatürlidresEigentumannullierend,
csfortan denBedingungen desSymbolsunterwirft.
Um die lü/ahrheit zu sagen,hier liegt nur ein erhellenderEinblidr
in dcn Eintritt des Individuums in eine Ordung vor, deren Massees
trügt und in der Form der Spradrein sidr aufnimmt, und die in der
l)iadrronie wie in der Synchronieder Bestimmungdes Signifikatsdie
tlcsSignifikantenüberauferlegt.
Man kann dieseUberdeterminierung in ihrem Auftritt selbstfassen;sie
ist dic einzige,um die esin der Freudschen Auffassungder symbolischen
lrurrktiongeht.
l)ic cinfacleKonnotation einerReihemit (+) und (-),die auf der ein-
zigcn grundsätzlichen Alternative von An- und Abwesenheitspielt,er-
laubt cs zu zeigen,wie die strengstensymbolisdrenDeterminationen
sichcincr Folgevon'tüflürfenangleichenlassen,derenRealität in stren-
gcnrSinnureinzufällignverteiltist.
lis gcnügttatsädrlich,in der DiachronieeinersoldrenReihedie Dreier-
Hruppcnz.usymbolisieren,die sidr aus jedem Wurf32sdrließenlassen,
irrdcrnman sie beispielsweise synchronisdrmittels der Symmetrieder
llcstiindigkcit(+ * +, - - -), die mit (r) bezeidrnet wird, oderder
Altcrnation(+ - +, - + -), die mit (3) gekennzeidrnet wird, defi-
NETZ I-':
ss Sie ist genau das, was die Verwendungsarten des englisdren \[ortes, ohne ein
Äquivalent, das wir aus anderen Spradren kennen, in sidr vereinigt: odd. Die
französisdre Gebraudrsform des Vortes impair (uagerade) zeigt, um eine Abweidrung
im Verhalten zu bezeidrnen, einen Anfang; das Vort: disparat allerdings erweist
sich als unzureidrend.
8a Vgl. seine Wiederaufnahme durdr Claude Ldvi-strauss in: Gibt es dualistisdre
Organisationen? aus: Strukturale Anthropolo gie,Frankfwt, r967.
licheVerbindungder Erinnerungmit dem Gesetzin Erscheinungtre-
tcn.
Wir werdenaber sehen,wie die symbolisdreDeterminierungundurch-
sidrtigwird und sidr die Natur desSignifikantengleidrzeitigofrenbart,
indem wir nur die ElementeunsererSyntax durdr überspringeneines
Tcrms neu kombinieren,um eine quadratischeRelation auf dieses
binäreElementanzuwenden.
Sctz.cnwir deshalbswenn folgendesbinäre Element: (r) und (l) bei-
spielsweise in der Gruppe [(r) (r) (l)] vorkommt und mit Hilfe seiner
Symbole eine Symmetriemit einer Symmetrie [(r)-(r)], (l)-(l),
t(t)-(l)l oder audrnodr [(3)-(r)] zusammengefügt wird, so sdrreiben
wir c; die Konjunktion einer Dissymmetriemit einer Dissymmetrie
(rrur [(z)-(z)]) heißt y; aberim Gegensatzzu unsererersrenSymboli-
sicrungverfügen die Kreuzkonjunktionenüber die beiden Zeichenf
und d, wobei p die Konjunktion der Symmetriemit der Dissymmetrie
[(r)-(t)], [(l)-(r)], und ö die der Dissymmetriemit der Symmetrie
[ (r)-( r)], t(r)-(:)l bezeichnen.
Man wird feststellenkönnen:wenn dieseKonvention audr einestrenge
(ilcidrheit der Kombinationsmöglidrkeitenzwischenvier Symbolen
u, fl, y, d aufstellt(im Gegensatzzur klassifikatorisdren Mehrdeutigkeit,
dic in dcr früherenKonvention dieVorkommenswahrsdreinlidrkeit der
bcidcn anderenund der desSymbols(2) gleichbewertete), so determi-
nicrt die neueSyntax,die die Sukzession von c, p, y, ö beherrscht,
abso-
lut dissymetrisdreVerteilungsmöglichkeiten zwischena und 7 einer-
scits,p und d andererseits.
lrkcnnt man in der Tat, daß irgendeinerdieserTerme irgendeinem
arrdcrenunmittelbar folgen kann und ebenfallsim 4. Zeitmetrum,das
vorr cincm der beidenausgehendgezähltwird, erreidrr werden kann,
tfann zcigt sicJrdagegen,daß das 3. Zeitmetrum,oder andersausge-
drür.ü,t,das konstituierendeZeitmetrum des binären Elements,einem
Aussdrließlidrkeitsgesetz unterworfenist, dasbesagt:auseinema oder
d kann man nur ein c oder ein p, und auseinemB oder einem7 nur ein
7 odcr <lerhalten.Diesläßt sidr wie folgt besdrreiben:
arf
VcrtcilungsschemaAA: + a,f,Td --
# ,i
r. Zeitmetrum z.Zeitmetrum 3. Zeitmetrum
in dcrn die mit dem r. und 3. Zeitmetrumverträgliclen Symbolesicl,
gcrrrüßdcr horizontalenAufreibung,die sie im Verteilungsschema
ver-
,t8
teilt, entsprechen,während ihre Auswahl im z. Zeitmetrum indifferent
ist.
Die Tatsadre, daß die hier zum Vorsc.heingekommeneVerbindung
nidrts Geringeresals die einfadrsteFormalisierungdesTausches ist, be-
'!ü7ir
stätigt uns ihre anthropologischeBedeutung. wollen auf dieser
Ebene nur auf ihre eine Subjektivität erster Ordnung konstituierende
Bedeutunghinweisen,derenBegriff wir weiter unten situierenwerden.
DieseVerbindungist, berüdrsichtigtman ihre Orientierung'tatsädrlidr
reziprok; andersausgedrüdit,sie ist nicht umkehrbar,sondernretro-
aktiv. Bestimmt man daher den Term des4. Zeitmetntms,so wird der
desz. Zeitmetrumsnicht indifferent.
Es läßt sic.hbeweisen,daß,bestimmtman den r. und den 4. Term einer
Reihenfolge,esstetseinenBuchstaben gebenwird, dessenMöglichkeit
durch die beiden mittleren Termen ausgesc}lossen wird, und daß es
zwei weitereBuchstaben gebenwird, von deneneinerimmer durchden
ersten,und ein andererdurch den zweiten diesermittleren Termen aus-
geschlossen wird. Die beidenTafeln3sQ und O zeigendie Distribution
dieserBudrstaben:
c /-\ E/-\ü-\T4p-\F4n
Tefcl fh A p
E.acnc,-\p-\T/-r\1,-1ö
Tefcl O: I c
f' Zicfrt man die Ordnung der Schriftzeidren nidrt in Betradrt, wird dieses capat
, , t t r r l t l t t t r tr r u r d u r d r 7 r . b e s t i m m t .
to
Da die von denB und den ö repräsentierte'WahrsdreinlichkeitderKom-
bination derjenigenäquivalentist, welchedie a und die 7 voraussetzen
- und die wirklic}e Ziehung der rüfürfe andererseitsstreng demZufall
überlassen ist -, siehtman einesymbolische Bestimmungsichvom Rea-
len abheben,die, wie nachdrücklidrsieauchimmer jede Partialität des
Realenaufzeidrnet,die Ungleidrheit,welcle siemit sidr bringt, nur um
sobessererzevgt.
Eine Ungleidrheit,die außerdemnodr ansdraulid'rwird, einfadr wenn
man den strukturellenKontrast der beidenTafeln Q und O betradrtet,
dasheißt,die direkteoder gekreuzte'$üeise, in der sidrdie Gruppierung
(und die Anordnung) der Ausschlüsse der Ordnung der Extreme,der
Tafel gemäß,der dieseletztereangehört,unterstellt,indem sie sie re-
produziert.
Daher könnenin der Abfolge der vier Budrstabendie beidenmittleren
und äußerenPaare identisdrsein,wenn das letztere sicl in die Ord-
nung der Tafel O einsdrreibt(etwa aaaa,oaflf, fFyy, pBöö,yyyy, yyöö,
ööaa,ööBB,die möglichsind); sievermögendasnidrt, wenn dasletztere
Paar sidrim Sinnvon Q einschreibt(PPPp,ffoo,yyffl, yyaa, öööö,ööyy,
aaöö,aayysind unmögliclr).
Der belustigendeCharakter dieserAnmerkungendarf uns niclt irre-
leiten.
Denn esgibt kein anderesBand als diesesymbolisdreDeterminierung,
in der sichdiesesignifikanteüberdeterminierungsituierenließe,deren
Begriff Freud uns bereitstellt,und die sidr in seinemDenken nie als
reale überdeterminierungverstehenläßt; es ist völlig ausgesdrlos-
sen, daß er sidr auf dieseBegriffsverwirrungeinließe,in der Philo-
sophenund Medizinernur allzu leidrt ihren religiösenEifer stillenkön-
nen.
DieseSetzungder AutonomiedesSymbolisclenläßt als einzigedie Be-
freiung der Theorie und Praxis der freien Assoziationin der Psydro-
analysevon ihren Zweideutigkeitenzu. Denn esist etwasganzanderes.
wenn man ihreTriebfederauf die symbolisdreDeterminierung und ihre
Gesetze,oder wenn man sie auf die sdrolastischen Voraussetzungen
einer imaginärenTrägheit bezieht,von denensie im philosophisclen
oder pseudophilosophisdren Assoziationismus getragenwird, bevor sie
beansprudrtexperimentellzu sein.Da siederenüberprüfung aufgege-
ben haben,finden die Psychoanalytikerhier einen weiteren Ansatz-
punkt für die psydrologisierende Verwirrung, in die sieunablässigund
zuweilensogarvorsätzlic.h, zurüdrfallen.
tr
Nur soldreBeispielewie die von uns für die in ihrem Aufscfiubunbe-
stimmte Erhaltung der Forderungender symbolisdrenKette angege-
bcrrcn,erlaubenesin der Tatzu begreifen,wo dasunbewußteBegehren
in scinerunzerstörbaren Beharrlidrkeitsituiert ist, die, wie paradox sie
audrimmer in der Freudschen Lehreerscheinen mag,nic}tsdestoweniger
cinederjenigenZügeist, der am meistenhervorgehoben wird.
l)icse Eigenschaftkann jedenfallsmit keinen aus der authentisch-ex-
pcrimentellenPsydrologiebekanntenEffekten gemessen werden, die,
welchesauchimmer die Aufsdrübeund Verspätungensind, denensie
unterworfensind, wie jedeanderevitale Reaktion getilgt und gelösdrt
wcrden.
I)as ist genaudie Frage,auf die Freud in "JenseitsdesLustprinzips"
n<rdrcinmal zurüd<kommt,wenn er unterstreidrt,daß die Insistenz,in
clcrwir dcn wesentlidrenCharakterzugder PhänomenedesWiederho-
lungszwangsgefundenhaben,seinerMeinung nadr lediglidr eine vor-
vitalc und transbiologisdreMotivierung finden kann. Diese Sdrluß-
folgcrungmag überrasdren, siestammtjedodrvon Freud,der über das
spridrt, worüber er als erster gesprodrenhat. Und man muß taub
scin,um dasnicht zu hören.Man denkebloß niclt, daß ihm diesunter
scincrFederzu einer spiritualistisdrenZufludrt würde: von der Struk-
tur dcr Determinierungist hier nämlichdie Rede.Die Materie, die sie
in ihren lVirkungen verscl-riebt, übersteigtin ihrem Umfang weit die
zercbralcOrganisation,derenwedrselnden Zuständeneinigevon ihnen
rlnvcrtraut sind; die andern aber bleibendadurcJr,daß sie sichin an-
'\tücise
dcrcr materialisieren,als symbolischenicht minder aktiv und
strukturiert.
\,lflcnnder Mensdrdeshalbdie symbolisdreOrdnung zu denkensucht,
'Wesen
so ist cr in ihr zunädrstin seinem einbegriffen.Die Illusion, er
Irirbcsic durd-rseinBewußtseingebildet,rührt daher,daß er aufgrund
cincs spczifisdrenAufklaffens seinerimaginärenRelation zu seinem
Nridrstcnin dieseOrdnung als Subjekteinzugehenvermodrte.Zu die-
scnr l'lintritt war er aber nur fähig durch die radikaleEngführung des
Sprcchcns,durch dasselbealso,von dem wir im Spiel des Kindes ein
ßrrrctisclrcs Moment erkannt haben,dassich aberin seinervollständi-
gc'nlionn jedesmalwiederholt,wenn sichdasSubjektan dasAndereals
,rlrsolutcs wcndet,nämlichalsdasAndere,dasesselbstin der gleichen
Wcisc :rrrnullieren kann, wie es mit ihm verfahrenkann, und zwar,
cs sich zum Objekt macht,um eszu täuschen.DieseDialektik
irrrlt'rrr
rlcr'lntcrsubjcktivität,derennotwendigenGebrauchwir währendder
drei letzten vergangenenJahre in unsererVorlesung in Sainte-Anne
demonstrierthaben, folgt, von der Theorie der übertragung bis zur
Struktur der Paranoia,gewöhnlichdem folgendenSchemaL:
"**Y
.lr\-
SdrcmeL: 1r*1 das @ndcte
"/---$
tt
Das redrtfertigt die ridrtige Gymnastik desintersubjektiven Registers'
wclcle dergleidrenübungen darstellen, mit denen sidr unsereVode-
sungaufzuhaltensdrien.
[,s kann nidrt ausbleiben, daß die Verwandtsdraftder Beziehungzwi-
schcnden TermendesSdremaL und jener,die die vier Zeitmetrenver-
cint, die wir weiter obenin der geridrtetenReiheunterschieden haben
und in der wir die erstevollendeteForm einer symbolisdren Kette er-
ins Augestidrt, sobaldman siemiteinandervergleidrt.
blicJ<.ten,
Parentheseder Parenthesen(1966)
I Iicr gestehen wir unsere Verwunderung darüber ein, daß keiner derjenigen, die be-
srrcbt waren, die Anordnung zu entziffern, zu der sidr unsere Kette eignete, daran
tladrte, die Struktur, über die wir dodr eine klare Aussage gemadrt hatten, in der
I)arcnthcse niederzusdrreiben.
Iiinc Parenthese, die eine oder mehrere andere Parenthesen in sidr einsdrließt, etwa
(( )) oder (( ) ( )... ( )), ist das,wasderweiteroben analysiertenAufteilung
tler / und der ö entspridrt, in der es leidrt fällt festzustellen, daß die verdoppelte
l):rrcnthese fundamental isr.
Vir wcrdcn sie Anführungszeichen nennen.
Sic yrll das Ded<symbol der Struktur des Subjekts (S in unserem Sdrema L) sein, so-
fcrn sic eine Verdoppelung oder vielmehr jene Ärt von Teilung impliziert, die eine
Vcrdoppelungsfunktion in sidr birgt. Wir haben die direkte oder inverse Alternation
<lcr tcyy sdron in dieser Verdoppelung angesiedelt und zwar unter der Be-
,lingung, daß die Anzahl der Zeidren in ihr entweder gerade oder null ist.
Zwisclrcn dcn inneren Parenthesen besteht eine Alternation ydya . .. y der Null-
zrrhlcn oder ungeraden Zahlen von Zeidren.
Irrr Inncrn der Parenthesen gibt es dagegen von keinem aus beliebig viele 7.
Aullcrhalb der Anführungszeidren finden wir im Gegenteil eine beliebige Folge von
rr, tf ic kcinc, eine oder mehrere Parenthesen enthält, weldre mit dyay . . . a in null
orlcr ungcrade Anzahl von Zeidren gefüllt sind.
lirrctzcn wir die c und die 7 durdr r und o, können wir die L genannte Kette in einer
lrorrn nicdersdrreiben, die uns sdreint,
"spredrenderr
K c t t el . : ( r o . . . ( o o . . . o ) o r o r . . . o ( o o . . . o ) . . . o r ) r r r r r . . . ( r o r o . . .r ) r r r . . .
r r r r t ls o w c i t c r .
.Sltrcrhcnd' in demSinn,daß durdr sie eineLektüre erleidrtertwird,auf Kosten einer
rus;itzlidren Konvention, die sie mit dem Sdrema L in Übereinstimmung bringt.
l)icsc Konvcntion besteht darin, den o zwischen Parenthesen den \Cert eines sdrwei-
gicrrtlcnZcitmctrums z-u geben, wobei den o der Alternation ein Skandierungswert ge-
larscrr wird; diese Konvention wird durdr die Tatsadre geredrtfertigt, daß sie, wie
rrr.rn weitcr urrten sehcn kann, nidrt homogen sind.
14
Das zwisdrenAnführungszeichenStehendeyermag alsdanndie Struktur des S (Es)
aus unseremSdremaL zu repräsentieren:es symbolisiertdas als vervollständigran-
genommeneSubjekt des FreudsdrenEs, das Subjekt der psychoanalytisdren Sitzung
beispielsweise.In ihm ersdreintdas Es dann in der Form, die ihm Freud gibt, sofern
er es vom Unbewußten untersdreidet,nämlidr: logistisdr disjunkt und subjektiv
sdrweigend(dasSdrweigender Triebe).
Die Alternation von or stellt somit das imaginäreRaster(aa') desSdremaL dar.
Bleibt nodr das Privileg diesereigentlidrenAlternation (or gerade)deszwisdrenAn.
führungszeidrenStehendenund selbstverständlidrden Status von a und a'in sidr
selbstzu bestimmensT.
Das außerhalb der Anführungszeichen Stehendestellt das Feld des Andern (A im
SchemaL) dar. In ihm dominiert die \ü(iederholungin der Gestaltder r, einzigerZug, der
die gekennzeichneten Zeitmetrendes Symbolischenals solchesdarstellt(Komplement
der vorhergehenden Konvention).
Von dort her auch empfängt das Subjekt S seine Botsdraft in umgekehrter Form
(Interpretation).
Die von dieserKette isolierte Parenthese,weldre die (ro... or) enrhäh, repräsen-
tiert das Idr despsydrologischencogito, ja sogar des falsdren cogito, dasdie reine und
sdrlidrtePerversionebensogut tragenkann38.
Der einzigeRest, der sidr aus diesemVersudraufdrängt, ist die Formalisierungeines
bestimmten,an die symbolisdreKette geknüpftenGedädrtnisses, dessenGesetzman
leidrt über die Kette L formulierenkönnte.
(Es wird im \Tesentlichendurdr das RelaisdeGniert,das in der Alternation der o, r
die Ubersdrreitungeiner oder mehrererParenthesenzeidren und der jeweiligen Zei-
chenkonstituiert.)
rt(rashier festgehaltenwerden muß, ist die Sdrnelligkeit,mit der eine anregendeFor-
malisierungsowohl einesdem Subjektvorangehenden Erinnerns,als auö einerStruk-
tuierung gewonnenwird, wobei bemerkenswertist, daß sidr in ihr stabileDisparat-
heiten untcrsdreidenlassen (kehrt man beispielsweise alle Anführungszeidrenum,
bleibt dieselbedissymmetrisdre Struktur ratsädrli& erhalten)3s.
Dies hier war nur eine übung, die aber unsereAbsidrt erfüllt, in ihr die Art von
Umkreis einzusdrreiben, in dem das,was wir caput mortuum desSignifikantennann-
ten, seinenkausalenAspekt gewinnt.
DieserEffekt ist dgrart handgreiflidr,daß er sowohl hier als audr in der Fiktion des
entwendetenBriefesgefaßtwerdenkann.
57 Deren Wesenbestehtdarin, daß der Brief / Budrstabeseine Wirkungen nadl innen
übertragenkonnte: auf die Handelndender Erzählung,den Erzähler miteingesdrlos-
sen, wie audr nadr außen: auf unsereLeser, wie audr auf ihren Autor, ohne daß
irgend jemand jemalssidr um seineBedeutungkümmern mußte. Das ist gewöhnlidr
dasLos all dessen,was gesdlrieben wird.
tt
Im Augenblidraber sind wir erst beim Entwurf einesBrüdrenbogens;
und erstdie Jahrewerdenausihm eineBrückemauernao.
So kam es,daß wir - um unserenZuhörern den Unterschiedzwisdren
dcr Zweierbeziehung, die im Begrifi der Projektion impliziert ist, und
cincr wahrhafrcn Intersubjektivität zu beweisen- uns schondesvon
I)oc selbstin der Gesdridrte,die dasSujetder gegenwärtigen Vorlesung
darstellt, bevorzugt angeführtenGedankengangs bedient hatten, wie
audr jenes,den ein angeblidreslüunderkind anstellte,um beim Spiel
"(lrad oder Ungrad" öfterszu gewinnen,als esnormalerweise der Fall
gcwcsenwäre.
tctcn Vege, die diese Absdrnitte verbinden, kennzeidrnet. Es ist das folgende (das
wir dcr Klarheit halber nebendas erstestellen):
01
r \
00 11
\ -/
Ncu r-t:
p
100
r \
@0 ')--( trl
\ )/
001
Nctz rr,f, 7, d:
dcrn nrirndic Konvention auferlegt,nadr der die Budrstabenbegründetwurden:
I.I : d
O.O:l
,.o:f
o.r:d
(lricr crkcnnt man den Grund warum wir sagen,daß es zwei Arten von o in unserer
K c t t c L g i b t :d i e o v o n / : o o ou n d d i e o v o n / : o r o ) .
'0 l)cr'l'cxt von rgtt knüpft hier wieder an. Auf die Einführung in die psydroana-
lytirdre'l'heoriedurdrsoldreübungenaufdemFeldderstrukturalenAnnäherungfolg-
terr irr clcr Tat bedeutsame Entwidclungenin unsererLehre. Der Fortsdrritt der Auf-
f,rrrurrsüber dic Subjektivierungging Hand in Hand mit einer Referenz auf dic
anulysissit,l.s,inder wir behaupten,den subjektivenProzeßzu materialisieren.
l6
58Man muß, folgt man dieserüberlegung- die, wie man hier einmalmit
redrt sagt,kindlidr ist, die aber unter anderenUmständenmehr als ei-
nen verführt -, den Punkt dingfest machen,an dem sidr ihr Trugbild
entlarvt.
Das Subjektist hier der Befragte:es antworrer auf die Frage,ob die
Anzahl der Objekte, die sein Gegnerin seinerHand verbirgt, grad
oderungradist.
Der Knabe sagtim wesenrlidren:habeidr einmal gewonnenoder ver-
loren, so weiß ich, wenn mein Gegnerein Einfaltspinselist, daß seine
List nur so weit reicht,daß er das Feld seinerEinsätzewedrselt;wenn
er aber etwasscllauerist, wird esihm dämmern,daß ich darauf kom-
men werde: fortan wird er sidr darüberim klaren sein,daß er auf das-
selbesetzenwird.
Das Kind verließsichalsoauf die Objektivierungdesmehr oder weni-
ger fortgesdrrittenenGrades zerebralerFrisierung seinesGegners,um
seinenErfolg zu sidrern.Ein Gesidrtspunkt,dessenVerbindung zur
imaginären Identifikation sofort durcl die Tatsadre offenbart wird,
daß er vorgibt, mit Hilfe einerinnerenNadrahmungseinerVerhaltens-
weisenund seinerMimik die ridrtige EinschätzungseinesObjekteszu
erreidren.
rüüasgeschieht aberim folgendenSdrritt, wenn der Gegner,der erkannt
hat, daß idr intelligent genugbin, um ihm in diesemZug zu folgen,
seineeigeneIntelligenz zeigt, indem er bemerkt,daß er dadurcJr,daß
er sidr dumm stellt, die Chancebesitzt mic} zu täuschen? Von diesem
Moment an gibt es keine andere gültige überlegungszeit,eben des-
wegen,weil siesichvon nun an nur nodr in einerunbegrenzten Oszilla-
tion wiederholenkann.
Und abgesehen vom Fall reinerDummheit,in dem die überlegungob-
jektiv zu gründensdrien,kommt dasKind nidrt umhin zu denken,daß
seinGegneran den Ed<pfeilerdiesesdritrenZeitmetrumsstoßenwird,
da er ihm das zweite ermöglichthat, durch das er von seinemGegner
selbstals das ihn objektivierendeSubjekt wahrgenommenwird, denn
esist wabr, da$ er diesesSabjekt ist; damit ist er mit ihm zusarnmen
in der Sackgasse gefangen,die jede rein duale Intersubjektivität ein-
sdrließt, jene nämlidr, ohne Hilfe einem absolut Andern ausgeliefert
zu sein.
Merken wir nebenbeinochdie sdrwindendeRollean,die die Intelligenz
in der Bildung des zweiten Zeitmetrumsspielt, in dem die Dialektik
sidr von den ZufälligkeitendesGegebenen ablöst,und daß esausreicht,
t7
rlaß ich siemeinemGegnerzumute,damit ihre Funktion nichtig wird,
clasiedamit jenenZufälligkeitenwiederanheimfällt.
Wir behauptenallerdingsnidrt, der ITeg der imaginärenIdentifikation
nrit dem Gegnersei im Augenblickeinesjeden Wurfs schonvon vorn-
lrcrcinversperrt;wir behaupten,siesdrlösse den eigentlidrsymbolisdren
l)roz.eßaus,der zum Vorscleinkommt, sobalddie Identifizierungnicht
nrit dcm Gegner,sondernmit seinemGedankengang, dener artikuliert,
gcschieht(eine Difrerenz, die übrigensim Text ausgesprochen wird).
l)ic Tatsaclebeweistaußerdem,daß einesolcherein imaginäreIdentifi-
k:rtionim Allgemeinenmißlingt.
l)cshalb läßt sichdie Zufludrt jedesSpielers,überlegter, nur jenseits
dcr Zweierbeziehung finden,dasheißt in irgendeinemGesetz,dasüber
tlic Sukzession der \flürfe, die mir aufgegebenwerden,herrsdrt.
Und das ist so wahr, daß - bin idr es,der den Wurf zv ratenaufgibt,
ths hcißt,bin ich dasaktive Subjekt- i& michin jedemAugenblidrbe-
rnühcnwerde,meinemGegnerdie ExistenzeinesGesetzes zu suggerie-
rcn, das einer bestimmtenRegelmäßigkeitmeiner \fürfe zugrunde
licgt, um ihn, indem ich esbredre,so oft wie möglichder M(iglichkeit
tlcsZr,rgriffszu berauben.
.fc sclbständigerdieseVorgehensweise sicJlvon dem zu machenweiß,
wassidr gegenmeinenWillen als wirklidre Regelmäßigkeitabzeidrnet,
tlcstomchr wirklidren Erfolg wird sieverbuchen;deshalbhat einervon
.lcncn,die an einemder VersudrediesesSpiels,daswir ohneZögernin
rlcn ltang praktischerArbeiten erhoben,teilgenommenhatten, zuge-
gcbcn,daß er in einemAugenblidr,in dem er dasbegründeteoder un-
lrcgri.indcte Geftihl hatte, allzu oft durchschautzu werden,sichdavon
bcfrcit hat, indem er sichnachder in konventioneller\fleisebezüglich
tlcr \ffurffolge übertragenenSukzessionder BudrstabeneinesVerses
vorr Mallarmd richtete, die er sodann seinem Gegner unterbreiten
wolltc.
I liittc tlas Spiel aber die Zeit einesganzen Gedidrtesgedauertund
lr.ittc clerCegner,oh'Wunder,dieseserkennenkönnen,so hätte er bei
jcdcrrr\if urf gewonnen.
l)irs crlaubteuns zu sagen:wenn das Unbewußteim FreudsclenSinn
existicrt,wir wollen sagen:wenn wir die Implikationender Lehre,
rlic cr aus den Erfahrungen der Psydropathologiedes Alltagslebens
ziclrt, vcrstehen,dann ist es nicht undenkbar, daß eine moderne
l{cdrcnmasc}rine über alle gewohntenProportionen hinaus im Spiel
.(irld odcr Ungrad' gewänne,indem sie den Satz freilegte,der ohne
rll
sein Wissenund auf lange Sidrt die Wahlakte eines Subjekts modu-
liert.
ReinesParadox zweifellos, in dem sich aber kundrut, daß wir esnicht
aufgrund einesMangels seinerEigensdraft,die die des menschlichen
Bewußtseinswäre, ablehnen,jene Maschineals Denkmaschinezu be-
oo zeidrnen,der wir derart bewunderungswürdigeLeisrungenzugestehen
würden, sonderneinzig und allein deshalb,weil sie nidrt mehr dädrte
als der Mensdr das in seinemgewöhnlichenStatustur, ohne dafür we-
niger denAppellendesSignifikantenpreisgegeben zu sein.
Die in dieser\(eise angedeutete Möglichkeitwar ebenfallsdeshalbin-
teressant,weil sieuns die Virkung der Verwirrung, ja sogarder Angst,
die einigedarüberempfindenund die sieso gut waren uns mirzureilen,
zu Gehör brachte.
Dasist eineReaktionüber die man sidrmokierenkann, da sievon Ana-
lytikern rührt, derenganzeTedrnik auf der unbewußtenDeterminie-
rung beruht, die man in ihr der sogenanntenfreien Assoziationzu-
sdrreibt- und die in jedemBuclstabenim \üerke Freuds,daswir eben
zitierten,lesenkönnen,daßeineZahl nierein zufällig gewähltwird.
BegründeteReaktion allerdings,wenn man bedenkt, daß nichts sie
lehrte,sichvon der gemeinenAnsiclt zu lösen,indem sieunterschieden,
wasdieserunbekanntist: nämlidr die Natur der Freudschen überdeter-
minierung,das heißt die symboliscleDeterminierung,wie wir siehier
vorbringen.
Müßte dieseüberdererminierungals wirklidr angesehen werden, wie
mein Beispielihnen zu suggerieren sdrien,sofern sie wie ein jeder die
Rechnungen der Masdeinemit ihrem Medranismus verwedrselnal, dann
wäre ihre Angst tatsädrlichgeredrtfertigt;denndurcheinenochunheil-
vollere Gesteals an die Axt zu rühren,wären wir derjenige,der sie an
"die Zufallsgesetze> legte; als gute Deterministen,die in der Tat jene
sind, die jene Gesteso sehr ersclüttert hat, fühlen sie mit Redrt, daß
kein einzigesdieserGesetzemehr denkbarsei,wenn man Hand an sie
legte.
t9
l)icse Gesetzesind aber genaudie der symbolisdrenDeterminierung.
[)cnn esist klar, daß sie vor jeder wirklidren FeststellungdesZufalls
licgcn,wie man sidr audr davon überzeugenkann, daß man die ent-
sprcclendeGesetzmäßigkeit einesObjekts je nachdem beurteilt,ob es
sicJrdazu eignetoder nidrt, einein diesemFall stetssymbolische Reihe
von Zufallswürfenhervorzubringen:indem man beispielsweise zu die-
scr lunktion ein Geldstüd<qualifiziert oder das Objekt, das man er-
stirunlic}erweiselVürfel nennt.
Nadr dieserVorarbeit, mußtenwir in konkreter'tü7eise die von uns be- 6',t
haupteteDominanz des Signifikantenüber das Subjekt illustrieren.
Wcnn daseine\ü(ahrheitist, dann liegt sieüberallbereit,und wir müß-
tcn sie an jedem Punkt, der sidr in ReidrweiteunseresAnstichesbe-
findct, herausspritzenlassen können wie der Vein in Auerbachs
Kellcr.
Jn dicser'Weise habenwir uns die Erzählungselbstvorgenommen,aus
tlcr wir, ohnezunächstweiter zu sehen,die streitsameüberlegungüber
clns"Grad oder Ungrad, entnommenhaben:wir fanden in ihr eine
lf ilfe, die für einen bloßen Zufall zu halten uns unser Begriff der
synrboliscJren Determinierungsdronverbietenmüßte,und zwar selbst
drrnn,wcnn sidr im Verlauf unsererlJntersudrungniclt herausgestellt
lriittc, daß Poe, als guter Vorläufer der Forschungder kombinatori-
sdrcnStrategie,die augenblidrlichdie Ordnung der'\üissensdraften er-
ncucrt, in seinerFiktion von einer der unsrigenanalogenAnsidrt ge-
'Wir
leitct worden wäre. könnenzumindestsagen,daß das,was wir in
scincr Darlcgung davon zu Gespürbrachten,unsereZuhörer so sehr
bccirrclrudrte, daß wir abf ihre Bitten hin hier eineVersiondavon ver-
iiffcntlidrcn.
lnrlcm wir sieden ErfordernissendesGesd-rriebenen entspredrend um-
arbcitctcn, die von denen des Sprechensversdriedensind, konnten
wir nidrt umhin der Bearbeitungvorzugreifen,die wir seither von
tlcn Ilcgriffcngegeben haben,die siedamalseinführte.
l);rrlurchhat sidr die Betonung,die wir in zunehmendemMaße dem
llclirilf dcsSignifikantenim Symbol angedeihen ließen,hier retroaktiv
arrsgcwirkt.DcssenZüge durcheineArt historischeFinte im Unklaren
7,ulilsscrr,wäre unserenZuhörern, wie wir glauben,künstlichersdrie-
rrcrr.\'lfir hoffen,daß durdr unserenVerzichtihre Erinnerungnidrt ent-
tiitrsdrt wird.
Übersetztaon RodolPheGaschö
' DAS SPIEGELSTADIUMALS BILDNER
DER ICHFUNKTION'
wie sie uns in der psychoanalytischen
Erfahrung
erscheint
Beridrt für den r6. InternationalenKongreßfür Psychoanalyse
in Züridr am 17. Juli ry49
1 A.d.U.:
lonction du Je. Zw Gebraudrvon je und moi 'tgl. Anm, 7 zu "Die Aus-
richtungder Kur und die Prinzipien ihrer Macht'.
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° A.d.Ü.: Lacan übersetzte Freuds «Ideal-Ich» in diesem Aufsatz noch mit je-idéal.
Dazu folgende Anmerkunglin der Neuausgabe (Ecrits, 1966): «Wir lassen die Be-
sonderheit der in diesem Aufsatz verwendeten .Übersetzung des Ideal-Ich von Freud
stehen, ohne die Gründe dafür weiter auszuführen, und fügen nur hinzu, daß wir sie
nicht beibehalten haben.» ` f -
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deren §1/::1t{<l3itèl]<1i{ai:S`sıe an Jene exiostentielle. Negatıflnåat ííıšıšıergöísische
i
_ gründen. `
Am Ende des historischen Umerfangens einer Gesellschaft, sıchlsšfiäfií
andere als eine nützliche Funktion mehr zuzuerkennen, und angcâeren
der Angst des Individuums vor sozialen Bindungen in def Masse'
Aufkommen der Lohn 'e r
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[Di offenbare Form darstellt, so bleiben doch deren Wirkungen zum größ-
luı ten Teil verborgen, solange sie nicht erhellt werden in irgendeinem
sis Lichte, das von der Ebene der Fatalität reflektiert Wird, wo sich das
tııı Es manifestiert.
läı' Solchermaßen kann jene Trägheit verstanden Werden, die den Bildun-
riü gen des Ich eignet, in denen die ausführlichste Definition der Neurose zu
Ch« schen ist: die Befangenheit des Subjekts in der Situation gibt die allge-
da
meinste Formel für den Wahnsinn ab, sowohl für den zwischen den
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Mauern der Asyle wie für den, der mit seinem Lärm und seiner Wut die
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cııı In diesem Punkt, wo sid« Natur und Gesellschaft treffen und den die
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Psychoanalyse jenen Knoten imaginärer Knechtschaft, den die Liebe
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immer neu lösen oderlzerschneiden muß. _ _
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Für ein solches Werk erweist sich nach unserer Meinung das altruistisehe
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Gefühl als eitel; wir setzen die Aggressivität ins Licht, Welche unter den
Aktionen des Philantropen, des Idealisten, des Pädagogen, sogar des
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(]r Reformators liegt. l
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lıfl. In der Zuflucht, welchewir vor dem Subjekt für das Subjekt retten,
ıst kann die Psychoanalyse den Patienten bis zu der Grenze der Entzük-
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I fcs kung begleiten, Wo sich ihm in der Formel «du bist_es›› die Chiffre
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unsrer Macht als Praktiker, ihn dahin zu führen, vvo die wahre Reise
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Vorwort
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Der hier folgende Vortrag verdient durch die Erwähnung seiner Um-
stände eingeleitet zu werden; er ist durch sie gekennzeichnet.
Sein Thema wurde dem Autor vorgeschlagen für den üblichen theoreti-
schen Hauptvortrag.des jährlichen Treffens„mit dem die Gesellschaft,
die damals in Frankreich die Psychoanalyse repräsentierte, seit acht-
zehn Jahren eine unter dem Titel «Kongreß französischsprachiger Psy-
choanalytiker» ehrwürdig gewordene Tradition pflegte. Seit zwei Jah-
ren umfaßte dieses Treffen generell die Psychoanalytiker der roma-
nischen Länder, wobei Holland aufgrund besonderer sprachlicher Tole-
ranz ebenfalls vertreten war. Im September 195,3 sollte der Kongreß
in Rom stattfinden. _ A ' S
Inzwischen führten schwere Meinungsverschiedenheiten in der franzö-
sischen Gruppe zu einer Spaltung. Sie waren entstanden aus Anlaß
der Gründung eines Instituts für Psychoanalyse. Aus der Fraktion
derer, denen es gelungen war, ihre Statuten undihr Programm durch-
zusetzen, konnte man damals hören, daß sie den, der zusammen mit
anderen eine abweichende Konzeption durchzuführen versucht hatte,
daran hindern würden, in Rom zu sprechen. Und sie benutzten zu
diesem Zweck alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel.
8 Es schien indes denen, die damals die neue Société Française de Psych-
analyse gegründet hatten, nicht angezeigt, die Mehrheit der Studenten,
die sich ihrer Lehre anschloß,_um die angekündigte Veranstaltung
zu bringen oder auf den bedeutenden Ort zu verzichten, an dem sie
hatte stattfinden sollen. A - i S"
Zudem versetzten die großen Sympathien, die ihnen von seiten der
italienischen Gruppe entgegengebracht wurden, sie nicht in die Rolle
ungebetener Gäste in der Ewigen Stadt. _ P
Der Autor dieses Vortrags glaubte - wie wenig auch immer er der
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74
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Initiativen entmutigt, indem er das Risikö bestraft, und der die Herr-
schaft gelehrter Meinungen ins Prinzip gelehriger Vorsichtigkeit ver-
kehrt, die authentische Forschung von vornherein lähmt?
Die große Komplexität der Begriffe, die auf unserem Gebiet ins Spiel
gebracht werden, bringt es mit sich, daß wie nirgendwo sonst jemand,
der ein Urteil abgibt, ganz und gar kein Risiko mehr _eingeht, sich
als unfähig zu entlarven. - ` =
Die Konsequenz daraus sollte unser' erster, wenn nicht einziger Vor-
schlag sein: man muß zu einer generellen Freigabe von wissenschaftli-
chen Behauptungen aufgrund einer Klärung ihrer Prinzipien gelangen.
Die strenge Auswahl, die in der Tat notwendig ist, dürfte nicht in
kleinlicher Kooptation unabsehbar vertagt werden, sondern sollte auf
der Fruchtbarkeit der konkreten Arbeit und auf dem dialektischen
Nachweis der Fähigkeit beruhen, Thesen kontradiktorisch zu verteidi-
gen. -A R i
Dies impliziert von uns aus keine Wertschätzung von Abweichungen.
Auf dem Internationalen Kongreß in London, wo wir wegen eines
Formfehlers unsererseits als Bittsteller auftraten, haben wir ganz im
Gegenteil nicht ohne Überraschung eine uns wohlgesonnene Persönlich-
keit sich darüber beklagen gehört, daß' wir unsere Sezession nicht
mit einer theoretischen Meinungsverschiedenheit begründen konnten.
Soll das heißen, daß ein Verband, der international sein möchte, ein
anderes Ziel verfolgen kann als die Aufrechterhaltung des Prinzips
der Gemeinsamkeit unserer Erfahrung? s _ 7
Gewiß ist es eine Binsenwahrheit, daß das längst den Bach runter
ist und daß les so nicht mehr ist. Dem undurchdringlichen Zilboorg,
der, unseren Fall beiseiteschiebend, darauf bestand, daß keine Spal-
tung ohne wissenschaftliche Debatte zulässig sei, konnte, ohne Anstoß
zu geben, Wälder eindringlich erwidern, daß bei einer-Darlegung der
Prinzipien, auf die jeder von uns seine Erfahrung zu gründen glaubt,
unsere Mauern sehr schnell in babylonischer Verwirrung zerfallen wür-
den. _ i ~
Es ist, so meinen wir, durchaus nicht nach unserem Geschmack, es
uns als Verdienst anzurechnen, wenn wir etwas Neues bringen.
In einer Disziplin, die ihren wissenschaftlichen Wert allein den theore-
tischen Konzepten verdankt, die Freud mit fortschreitender-Erfah-
rung formuliert hat, die aber, da sie bisher unzureichend kritisiert
240 sind uncl soviel umgangssprachliche Ambiguität mit sich führen, von
dieser Resonanz profitieren (was zu Mißverständnissen führen kann),
B 75
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13 Vgl. Die logische Zeit und die Ässertion der antizzjvierten Gewißheit, in: Schriften III,
S. ıoı-121. ' ' V
77
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Einleitung I _ 242
So groß ist das Entsetzen, das sich desiMenschen bei der Entdeckung
des Bildes seiner Macht bemächtigt, daß er in seinem eigenen Handeln
sich von ihm abwendet, sobald dieses Handeln ihm jenes Bild unver-
stellt zeigt. Das jedenfalls geschieht im Fall der Psychoanalyse.Die
prometheische Entdeckung Freuds war ein solches Handeln. Sein Werk
gibt uns Zeugnis davon. Aber es ist nicht minder präsent in jeder
Untersuchung, die einer von denen bešcheiden ausführt, die bei ihm
gelernt haben. _
Man kann im Verlauf der letzten jahre eine zunehmende Abneigung
beobachten, sich für die Funktionen des Sprechens (parole) und das
Gebiet der Sprache (langage) zu interessieren. Sie motiviert die «Ver-
änderungen von Ziel und Technik», zu denen man sich innerhalb der
psychoanalytischen Bewegung bekennt und deren Beziehung zum
Nachlassen der therapeutischen Effizienz recht zweideutig ist. Den
Widerstand des Objekts in der Theorie und Technik so in den Vorder-
grund zu rücken, ist etwas, das selbst der Dialektik der Analyse unter-
worfen werden muß, die darin nur ein Alibi des Subjekts erkennen
kann. I '_ E r
Versuchen wir, die Topik dieser Bewegung nachzuzeichnen. Wenn man
jene Literatur betrachtet, die wir so als unsere wissenschaftliche Tätig-
keit ansehen, ergeben sich deutlich drei Bereiche, in denen die Probleme
der Psychoanalyse heute angesiedelt sind: Ä -
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* Ferenczi: Confusions of Tongues between the Adult and the Child, in: Internatio'
nal Journal of Psydıoanalysis, Bd. 3o (1949), S. zz;-230; zuerst dt. in: Int. Zs. f.
PsA, Bd. 19 (1933), S. gif. _
80
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tung jenes Faktors c nicht vernachlässigen dürfen, auf den wir während
des Kongresses für Psychiatrie von 1950 hingewiesen haben, um eine
charakteristischeKonstante eines gegebenen kulturellen Milieus zu be-
zeichnen: hier des Umstands der Ahistorizität, in der nach übereinstim-›
mender Meinung aller Beobachter das Hauptkennzeichen von «K0m-
munikation›› in den USA zu sehen ist. Diese Ahistorizität ist nach
unserer Auffassung das genaue Gegenteil der analytischen Erfahrung,
Dazu kommt eine recht autochthone Geistes7haltung, die unter dem
Namen Behaviorismus so sehr die psychologische Begriffsbildung in
Amerika dominiert, daß sie eindeutig seit jeher die Inspirationen
Freuds in der Psychoanalyse unterdrückt. "-
Was die beiden anderen Gebiete betrifft, so überlassen wir denen,
die es interessiert,7das Urteil darüber, was die im Leben der pgyçho-
analytischen Gesellschaften zutage tretenden Mechanismen einerseits
den an äußerlichem Prestige orientierten Beziehungen innerhalb der
Gruppe verdanken und andererseits den spürbaren Auswirkiıngen ihres
freien Unternehmertums auf die Gesamtgesellschaft; denn man muß
der Behauptung eines ihrer erleuchtetsten Vertreter Glauben-schenken,
es bestehe eine Konvergenz zwischen der Fremdheit einer Gruppe,
in der Einwanderer vorherrschen, und der Distanzierung, in die eine
solche Gruppe mittels der Funktion getrieben wird, diedie obenge-
nannten kulturellen Bedingungen erheischen. › 7
Es erscheint jedenfalls unbezweifelbar, daß die Auffassungen der Psy-
choanalyse in den Vereinigten Staaten uminterpretiert wurden zu einer
Anpassung des Individuums an seine soziale Umgebung, zur Unter-
suchung von patterns des Verhaltens und zu7 der ganzen Objektivie-
rung, die der Begriff der human relations impliziert. Besonders im
Begriff des human engineering, der dort entstanden ist, drüdct sich
jene privilegierte Haltung aus, die den Menschen als Objekt ansieht.
Der.Distanziertheit, die notwendig ist, um eine solche Haltung auszu-
bilden und aufrechtzuerhalten, muß man es zuschreiben, daß sich in
der Psychoanalyse die lebendigsten Begriffe ihrer Erfahrung, der des
Unbewußten und der der Sexualität, so weit verfinstert haben, daß
es den Anschein hat, als müßten sie bald nicht einmal mehr Erwähnung
finden. 'ii T
Wir haben nicht über den Formalismus und den Krämergeist zu be-
finden, auf die die offiziellen Dokumente dieser Gruppe selbst lıin-
weisen um siezu verurteilen. Der Pharisäer und der Krämer interes-
7
sieren uns nur wegen ihres gemeinsamen Wesens, der Quelle der
82 -
-ıı-.Jr
Schwierigkeiten, die beide mit dem Sprechen gerade dann haben, wenn
es sich um das talking shop, ihre Geschäftssprache, handelt.
Die Unfähigkeit, Motive rnitzuteilen-D-mag sie es auch his zum Magister
bringen - reicht nicht zur Meisterschaft, die zumindest für die Ausbil-
dung von Psych7oanalytikern unerläßlich ist. Man ist sich dessen neulich
nur zu sehr bewußt geworden, als jemand, um einen Vorrang aufrecht-
zuerhalten, nurso zum Schein eine Stunde geben mußte. _
Darum ist die Verbundenheit mit der traditionellenDTechnik, die von
der selben Seite immer erneut beteuert wird, nach der Bilanz der
Versuche in den eben aufgezählten Grenzgebieten nicht ohne Zwei-
deutigkeit. Diese wird 'deutlich an der Substitution des Terminus «klas-
sischg› für «orthodox›› bei der Bezeichnung dieser Technik. _ Man ist
allenfalls den guten Formen verbunden; denn' über die Lehre selbst
hat man nichts zu sagen. _ 1 D t
Wir dagegen betonen ausdrüdclich, daß die Technik nicht richtig ver-
standen, also auch nicht richtig angewandt werden kann, -wenn man
die Begriffe verkennt, die sie begründen. E
'Unsere Aufgabe wird sein zu zeigen, daß diese Begriffe ihren vollen
Sinn erst dann gewinnen, wenn sie sich im Feld der ,Sprache orien-
tieren und sich der Funktion des Sprechens einordnen. _ _
An diesem Punkt müssen 'wir feststellen, daß, um irgendeinen Freud-
schen Begriff zu handhaben, die Lektüre Freuds nicht für überflüssig
gehalten werden sollte; und das gilt selbst für jene Begriffe, die gän-
gige Vorstellungen als Homonyme haben. Das beweist das Mißgeschick
einer Triebtheorie, an das wir uns eben jetzt erinnern, einer Revision
Freuds durch einen'Autor, .der für jenen von Freud ausdrücklich als
mythisch bezeichneten Anteil seiner Theorie wenig empfänglich war.
Offensichtlich hat er es kaum bemerkt; denn er wendet sich ihr über
das Werk von Marie Bonaparte zu, das er unablässig als Äquivalent
7 des Freudtextes zitiert, ohne im geringsten den Leser davon in Kennt-
nis zu setzen. Vielleicht tut er es im nicht unberechtigten Vertrauen
auf dessen guten Geschmack, der beides nicht verwechselt, aber nir-
gendwo beweist er, daß er den Niveauunterschied des Textes zweiter
Hand überhaupt wahrnimmt. Am Ende schließt der Autor aufgrund
der strikten Tautologie seiner falschen Prämissen von Reduktionen
zu Deduktionen, von Induktionen zu Hypothesen: daß die in Frage
stehenden Triebe zurückführbar sind auf den Reflexbogen. So wie
der Stapel Teller, der in klassischer Manier in tausend Scherben zer-
bricht, während der Künstler nach diesem Spektakel nur zwei nicht
_ _ 83
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T
zusammenpassende Stücke in Händen hält, so wird auch die komplexe
Konstruktion von der-Entdeckung der Libidoverschiebung zwischen
den erogenen Zonen bis hin zum metapsychologischen Übergang eines
generalisierten Lustprinzips in den Todestrieb, zum Binom eines pas..
siven Lebenstriebs, gebildet nach dem Modell der Tätigkeit von Läuse-
sucherinnen, die dem Dichter teuer sinda, und eines 'Destruktions-
triebs, der einfach mit der Motrizität von Nervenzellen gleichgesetzt
wird. Ein Ergebnis, das an hervorragender Stelle wegen der beabsich-
tigten oder -unbeabsichtigten Kunst erwähnt zu werden verdient, die
Ko}nsequenzen eines falschen Verständnisses bis zum Rigorismus' zu
zıe ıen.
ı›
Cause toujoiırs.
(Devise «k:msalz`stischen» Den/eens.)5
3 A.d.Ü._: Rimbaud hat ein Gedicht mit dem Titel «Les dıereheuses de poux›› ge-
schrieben, vgl.: Oeuvres, ed. P. Berrichon, .Paris (Mercure de France) 1924, S. 91 f.
4 A.d.Ü.: «Leg mir ein wahrhaftes und beständiges Wort in den Mund und mache aus
mir eine behutsame Sprache» Das Motto ist ausdem 4 5. Kapitel des Livre de Pinternelle
consolation, hg. M. L. Moland und Ch. d'I-Iéricault, Paris (jannet) 1866: «Daß man
nicht jedem glauben darf oder Wie leicht man sich versprid1t.»
“ A.d.U.: Ein Wortspiel, das sowohl «Immer eine Ursache››_wie «Plaudere nur wei-
ter» bedeutet. ' ' '.
84 -
Wir werden zeigen, daß es, solange ein Zuhörer da ist, kein Sprechen
ohne Antwort gibt, selbst wenn esnur auf ein Schweigen trifft, und
daß gerade darin die zengrale Bedeutung der Funktion des Sprechens
in der Analyse liegt. W'
Wenn aber der Psychoanalytiker nicht weiß, wie es sich mit dieser
f
ärgerlich erscheinen und ihn eine ganze Weile verstummen lassen. Das
übliche Schicksals! I S -__ _ p
W' Fs
_, .___._.._......„..,.„,„„_.„„„„„,„„„„„ ,mu „ I“, M 5,.. .. . - -- ---^--~¬"'*" " __ _,~~¬-"f"¬"'/
c
'°' A.d.Ü.: Es handelt sich um ein Zitat aus Boileau, L'art poétique, dasrichtig lautet:
«Hatez-vous lentement, et sans perdre courage / vint fois sur le rnétier remettez
votre ouvrage. / Polissez-le sans cesse et le repolissez / ajoutez quelquefois, et souvent
effacez.›› Gries übersetzt: «Ihr müsset euch bequemen, / ein Werk wol zwanzig mal
von neuem vorzunehmen. / Verliert_ nie den Muth, verbessert Wort und Sinn, /
Streicht diesen Ausdrud-t weg, setzt cfort was neues hin.›› N. Boileau Despreaux «Ge-
danken von der Dichtkunst›› zit. nach: _I.A.P. Gries, Versuch in gebundenen Über-
setzungen und eigenen Gedichten, Hamburg (Martini) 1745, S. zo f.
9 Wir hatten zuvor formuliert: «. . . auf dem Gebiet der Psychologie.›› (1966)
86
Ffiíí
Fragen wir uns doch lieber, woher diese Frustration kommt. Aus dem
Schweigen des Analytikers? Eine Antwort, ja vor allem eine zustim-
mende Antwort auf das leere Sprechen zeitigt oft Wirkungen, die
belegen, daß sie sehr viel frustrierender ist als ein Schweigen. Handelt
es sich nicht eher um eine Frustration, die dem Diskurs des Subjekts
eigen ist? Betreibt hier nicht das Subjekt eine immer größere Enteig-
nungdes Seins seiner selbst, von dem es nach wohlmeinendenßildern,
die dessen Idee nicht weniger inkohärent lassen, nach Richtigstellun-
gen, die .es nicht schaffen, sein .Wesen freizusetzen, nach Stützen und
Verboten, die sein Standbild nicht zu wackeln hindern, nach narziß-
tischen Umarmungen, die _einen Hauch von Selbstbeseelung vortäu-,
schen - bc-itreibt also hier nicht das Subjekt, sage ich, eine Enteignung
seines Seins, von dem es endlich erkennt,idaß es nie etwas anderes
war als sein imaginäres Werk und daß dieses Werk es um alle Sicher-
heit bringt? Denn in der Anstrengung, die das Subjekt unternimmt,
es fiir einen andern wiederaufzubauen, findet es die grundlegende
Entfremdung wieder, die es jenes Werk als ein anderes hat entwerfen
lassen und die. es schon dazu bestimmt hat, ihm durch einen anderen
entrissen zu werdeng. z _ ' 1
jenes ego, dessen Stärke unsere Theoretiker gegenwärtig durch die
Fähigkeit definieren, Frustrationen auszuhaltén, ist seinem Wesen
nach selbst Frustration“. Es ist Frustration nicht eines Begehrens
des Subjekts, sondern eines Objekts, in dem sein Begehren entfremdet
wird. Dieses Objekt vertieft, je 'differenzierter es wird, für das Subjekt
die Entfremdung seines Lusterlebens. Eine Frustration zweiten Grades
also und dergestalt, daß das Subjekt- wie immer es die Form jenes
f
“ So in derselben Arbeit, der wir am Ende unserer Einleitung den Lorbeer über-
reichen (1966). Es zeigt sich im folgenden, daß Aggressivität nur ein Nebeneffekt der
analytischen Frustration ist; wenn dieser auch durch eine bestimmte Art der Inter-
vention verstärkt werden kann, so ist er nicht als solcher der Grund des Begriffs-
paares Frustration/Regression.
88
tention, die der Analytiker in ihm entdeckt, nicht aus dem symboli-
schen Bezug gelöst wird, in dem sie sich ausdrückt. Nichts darf dabei
die Instanz des Ich (moi) im Subjekt betreffend hineingelesen werden,
das nicht von diesem in der ersten Person, also in der grammatikali-
schen Form des Ich (je), übernommen werden kann.
<gIch bin das nur gewesen, um das zu werden, was ich sein kann.>›
Wenn das nicht immer wieder die Pointe der Aufnahme” wäre, die
das Subjekt mit ,seinen Trugbildern vollzieht, wo könnte man dann
hier einen Fortschritt feststellen? , I
Infolgedessen kann der Analytiker nicht ohne Gefahr das Subjekt
bis in die Intimität seiner Gebärden, ja seiner Statik verfolgen, ohne
sie als stumıne Teile in Seinen narzißtischen Diskurs zu reintegrieren.
Auch jüngere Praktiker haben dies überaus aufmerksam wahrgenom-
men.
Die Gefahr _besteht hier nicht so sehr in einer negativen Reaktion
des Subjekts, sondern vielmehr darin, daß es wie zuvor in eine eben-
falls nur imaginäre Objektivation seiner Statik, ja seiner Statue in
ein neues Statutseiner Entfremdung eingefangen wird.
Die Kunst des Analytikerssoll sich dagegen darauf richten, die Si-
cherheit des Subjekts zu durchbrechen und zugleidı in der Schwebe zu
halten, bis aus' ihr die letzten Trugbilder verschwinden. Und im
Diskurs soll gerade in seiner Skandierung ihre Auflösung sich ankün-
digen. _
Wie immer leer dieser Diskurs tatsächlich erscheinen mag, er ist es
nur, wenn man ihn nadı seinem Oberflächenwert beurteilt. Dieser
bestätigt den Satz Mallarmés, in dem er den gemeinen Gebrauch der
Sprache dem Austausch einer Münze vergleicht, deren Vorder- und
Rüdtseite nur noch abgegriffene Figuren tragen und die man sich
«schweigend» von Hand zu Hand reidıt. Diese Metapher genügt, uns
daranzu erinnern, daß das Sprechen auch in seiner extremsten Ab-
nutzung seinen Wert als Tessera behält“. 8 _ s
Selbst wenn mit ihm nichts mehr kommuniziert wird, repräsentiert
1* A.d.Ü.: Das hier mit «Aufnahme› übersetzte Wort assomption hat zugleich die
Bedeutung «Aufnahme in den Himmel» _ ' ' _
1“ A.d.Ü.: Tessera war in Rom ein Erkennungszeichen oder eine verabredete Parole.
In den frühen Mysterienkulten bezeichnete es eine Tonsdıerbe, deren Bruchstelle
exakt der einer anderen Scherbe angepaßt werden konnte, uni die gegenseitige Er-
kennung der Initiierten zu gewährleisten. Das Mallarmê-Zitat steht in den Oeuvres
Complètes, Paris (Gallimard) 1945, S. 368, 857. '“
. __ 89
ıl
_ Q
14 A.d.Ü.: Vgl. S. Freud, Gesammelte Werke, Frankfurt (S. Fisd1er)“_1_969, Bd. VIII,
S. 377 f. und Bd. XIII, S. 215. (Im folgenden zitiert als: G. W.). “ `f_3›
_ _ " 91
Leute voller Anstrengung niefaus dem Auge verlieren. Wenn das näm-
lich der Weg der Analyse sein sollte, würde sie ohne jeden Zweifel
zu anderen Mitteln greifen oder aber sie böte das einzige Beispiel
einer Methode, die sich die Mittel ihres Zwecks untersagte. -
Daseinzige Objekt, das .dem Analytiker zugänglich ist, ist die imagi-
näre Beziehung, die ihn mit dem Subjekt -als 'Ich (moi) verbindet.
Und da er sie nicht ausschalten kann, kann er sich ihrer bedienen,
um das Soll seiner Ohren gemäß_ dem Gebrauch zu erfüllen, den die
Physiologie in Übefeinstimmung mit dem Evangelium als normal hin-
stellt: Ohren zu haben, am nicht zu hören, oder anders gesagt, um
das aufzudecken, was gehört und verstanden werden muß. Denn er
hat keine weiteren, weder ein drittes noch ein viertes Ohr, die man
sich für ein unmittelbares Hören von Unbewußtem zu Unbewußtem
wünschen mag“. Was von dieser angeblichen Kommunikation zu 2
ihalten ist, werden wir noch ausführen. 'i A
Wir haben uns der Funktion des Sprechens in der Analyse von ihrer
unangenehmsten'Seite genähertj der eines leeren Sprechens, in dem das
Subjekt vergeblich von jemandem zu reden scheint, der sich -und
wäre er ihm zum Verwechselnähnlich - nief der Aufnahme in den
Himmel“ seines Begehrens anschließt. Darin haben wir den Grund
einer abnelımenden Wertschätzung des Sprechens in der Theorie und
Technik gezeigt. Es war notwendig, was wie ein schwerer Mühlgtein
auf ihm lag, nach und nach emporzustemmeiı; denn nur als Regu-
lationsrad der Bewegung der Analyse können die individuellen psycho-
physiologischen Faktoren dienen, die in Wirklichkeit ails der Dialek-
tik der Analyse ausgeschlossen bleiben. Die Modifikation der spezifi-
schen Trägheit dieser Faktoren zum Ziel der Analyse zu erheben,
hieße, sich einer 'Fiktion von Bewegung zu überamworten, W01-in sich
eine gewisse Richtung der analytischen Technik auch wirklich zu gefal-
len scheint. l
. i
Wenn wir unseren Blick jetzt auf das (nach seiner Geschichte, seiner
Kasuistik und dem Gang der Behandlung) andere Extrem der psycho-
analytischen Erfahrung richten, finden wir dort im Gegensatz zur
Analyse des /sie et nzmc den Wert der Anamnese als Index und Trieb-
/..
1” A.d.Ü.: Es wird hier angespielt auf Matth. 13, 13 und auf Reiks Buch «Listening
with the Third Ear», New York 1950. _
1°~ A.d.Ü.: Vgl. Anm. 12, oben S. 89. -
92
feder des therapeutischen Fortschrittszim Gegensatz zur zwanghaften
Intrasubjektivität eine hysterische Intersubjektivität, im Gegensatz
zur Widerstandsanalyse die symbolische Interpretation. In ihm nun
verwirklicht sidı das volle Sprechen. Untersuchen wir also die Bezie-
l}ungen,~ diees begründet. i t
Wie man weiß, wurde die vonlBreuer und Freud entwickelte Methode
kurz nach ihrer Entstehung von einer Patientin Breuers, der Anna
O., auf den Namen «talking cure›› getauft. Die Erfahrung mit dieser
Hysterikerin war es,` die Freud und Breuer zur Entdeckung des patho-
genen, traumatisch genannten Ereignisses führte. r .
Wenn dieses Ereignis als Ursache des Symptoms erkannt wurde, so
geschah das, weil in den <<stories›› der Kranken seine Umsetzung ins
Sprechen (paroles) das Symptom-verschwinden ließ. Aus der psycholo-
gischen Theorie, in die man diesen Vorgang sogleich als Tatsache einge-
bracht hat, wurde der Begriff des Bıewußtwerdens entliehen, der auf-
grund seines Ansehens das Mißtrauen verdient, daswir da, wo Erklä-
rungen selbstverständlich sein wollen, stets für angebracht halten. Die
psychologischen Vorurteile der damaligen Zeit widersetzten sich der
Auffassung, daß man in der Verbalisierung als solcher eine andere
Realität als die eines flatus 'uocis erkennen könne. Aber im hypnoti-
schen Zustand bleibt die Verbalisierung vom Bewußtwerden getrennt,
und .das sollte genügen, eine Revision der Auffassung ihrer Wirkung
zu veranlassen. ` _
Doch warum statuieren-hier die Helden einer behavioristischen /luf-
hebzmg” nicht ein Exempel und erklären, daß sie nicht wissen müssen,
ob das Subjekt sich an irgend etwas wieder erinnert hat? Es habe
lediglich ein Ereignis erzählt, sagen sie. :Wir dagegen sagen, es habe
es verbalisiert oder (um diesen Begriff zu entwickeln, dessen Nachklang
im Französischen einen anderen Aspekt der Pandora“ evozicrt als
den der Büchse,'in die er vielleicht sollte eingeschlossen werden): es
habe es zu Wort kommen lassen (faire passer dans le verbe) oder
genauer: zu jenem Epos, indem es gegenwärtig von den Ursprüngen
seiner Person berichtet. Und es tut dies in einer Sprache, die es er-
laubt, daß sein Diskurs von seinen Zeitgenossen wahrgenommen wird,
und die darüber hinaus deren gegenwärtigen Diskurs voraussetzt. Da-
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"her kann der Vortrag des Epos einen lang zurüdcliegenden Diskurs in
seiner arc/oaischen, ja sogar fremden Sprache enthalten oder er kann
sich in der unmittelbaren Gegenwart mit der ganzen Lebhaftigkeit
fortsetzen, .die einem Schauspieler zu Gebote steht; seiner Art nach
ist er jedoch indirekter Diskurs, isoliert zwischen den Anführungszei-
chen im Faden der Erzählung; wird er aufgeführt, so geschieht das
auf einer Szene, die die Anwesenheit nicht nur des Chors, sondern
auch von Zuschauern erfordert., ,
Die hypnotisclfe Erinnerung ist zweifelsohne Reproduktion der Ver-
gangenheit, aber vor allem ist sie gesprochene Repräsentation und
als solche setzt sie alle Arten von Gegenwart voraus. Sie verhält sich
zur Erinnerung im Wachztistand, die sich auf das richtet, was man 'fu
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für die dialektische Analyse erwiesen haben, durch die wir sie in
den Prozeß einer Psychoanalyse einführen.
Eben diese Aufnahme” seiner Geschichte durch das Subjekt, wie sie
im Sprechen konstituiert wird: das sich an den anderen wendet, bildet
die Grundlage der neuen Methode, der Freud den Namen Psychg-
aiıalyse gab. Und das nicht 1904, wie es jüngst eine Autorität lehrte
(die, als sie den Deckmantel weisen Schweigens fallen ließ, sich
insofern bloßstellte, als klar wurde, daß sie von Freud nur die Titel
seiner Werke kennt), sondern 18 9 gf“. .
In dieser Analyse des Sinns seiner Methodeverneinen wir ebensowenig
wie Freud die psycho-physiologische Diskontinuität, die sich in den
Zuständen manifestiert, in denen das hysterische Symptom auftritt.
Ebensowenig verneinen wir, daß`dieses mit Methoden wie Hypnose,
ja sogar Narkose behandelt werden kann, die die Diskontinuität sol-
cher Zustände reproduzieren. So einfach und ausdrücklich, wie Freud
es sich von einem bestimmteiı Augenblick an versagt hat, auf sie
zurückzugreifen, leugnen wir jede aus jenen Zuständen herrührende
Hilfe bei der Erklärung des Symptomssowohl wie für seine Hei-
lung. r f .
Denn wenn die Originalität der psychoanalytischen Methode sich her-
leitet aus Mitteln, deren sie sich entschlägt, so geschieht das, weil
die Mittel, die sie sich vorbehält, genügen, einen Gegenstandsbereich
zu konstituieren, dessen Grenzen die Relativität ihres Verfahrens be-
stimmen. . _
. g \
Ihre Mittel sind die des Sprechens, insofern dieses den Funktionen
des Individuums einen Sinn verleiht; ihr Gegenstandsbereich ist der
des konkreten_Diskurses, insofern dieser die überindividuelle Realität
des Subjekts darstellt; ihr Vorgehn ist das der' Geschichte, insofern
diese das Hervortreten der Wahrheit im Realen begründet.
In der Tat akzeptiert das Subjekt zuerst, wenn es sich auf eine Analyse
einläßt, eineıan sich grundlegendere Verfassung als all die Instruk-
tionen, durch' die es sich mehr oder weniger verlockend täuschen läßt:
*5 Selbst wenn es nur vor sich hin spricht. Es wendet sidı an jenen (großen) Anderen,
dessen Theorie durch unsere Arbeiten inzwischen gesichert ist undider einige épodıè in
der Wiederaufnahme des Begriffs der Intersubjektivität nötig macht, um die wir uns
bis heute bemühen (1966). - A
" Wir verdanken diese Termini'dem verstorbenen Edouard Pidıon, der ebensowohl
bei den Hinweisen, die er gab; um unsere Wissenschaft aufzuhellen, wie mit den
Indikationen, die ihn im Dunkel der' Person leiteten, eine Divination bewies, die
wir allein auf seine Übung in der Semantik zurückführen können.
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zierte man ihn nämlich auf eine unbewußte Tendenz, hieße dasnur,
dies Paradox aufzulösen, indem man der Erfahrung auswiche, die
25
deutlich zeigt, daß das Unbewußte an den Funktionen des Vorstellens,
ja des Denkens teilhat. Freud hat unzweideutig darauf insistiert, als
er sich nicht in der Lage sah, im Begriff eines unbewußten Vorstellens
die Verbindung,gegensätzlicher Termini zu vermeiden, und er hat
ihm darum die Fürbitte sit venia verløo mit auf den Weg gegeben. Wir
gehorchen diesem Begriff ohnehin, wenn wir, statt uns selbst, das
Wort (verbe), insbesondere das im Diskurs gesprochene Wort, das
wieselflink von Mund zu Mund läuft, dafür haftbar machen, den
Handlungen des Subjekts, die durdı es eine Botschaft empfangen,
einen richtungweisenden Sinn zu geben. Dieser Sinn macht aus den
Handlungen des Subjekts Akte der eigenen'Gešchidıte und gibt ihnen
ihre Wahrheit. ' .t
Der Einwand einer contradictioin adjecto, den eine logisch schlecht
begründete Psych logie gegen den Begriff des unbewußten Vorstellens
erhebt, entfällt infolgedessen mit der genauen Bestimmung des Gegen-
standsbereichs der Psychoanalyse, soweit sich in ihm die Realität der
Rede in ihrer Autonomie mani?-festiert. Das eppfir si muofue! des _Psy--
choanalytikers teilt mit dem Galileis eine Schlüssigkeit, die nicht die
eines Tatsachenexperiments ist, sondern die eines experimentum men-
tis.' s W W y
Das Unbewußte ist das Kapitel meiner Geschichte, das weiß geblieben
ist oder besetzt 'gehalten wird 'von einer Lüge. Es ist das zensierte Ka-
pitel. Doch seine Wahrheit kann wiedergefundenäwerden. Zumeist
steht sie schon anderswo gesdırieben, " B
-~ etwa auf Denkmälern: Das ist mein Leib, das heißt der hysterische
Kern der Neurose, in dem das hysterische Symptom eine sprachliche
Struktur aufweist und sich wie eine Inschrift entziffern läßt, die, nach-
dem sie einmal-aufgezeichnet worden ist, ohnegroßen Verlust zerstört
werden kann; ' s _
- in Archivdokumenten: Das sind Erinnerungen an meine Kindheit,
schwer zugänglich wie solche Dokumente, solange ich ihre Herkunft
nicht kenne; ,_ _ I - j V
- in der semantischen Entwicklung: Sie entspricht dem Vorrat und
der Verwendung des Vokabulars, das mir eigen ist, sowie meinem
“Lebensstil und meinem Charakter; _ i j '
- ebenso in der Tradition, ja sogar in den Legenden, die in heroisierter
Form meine Geschichte lenken; ~ .
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Unterscheidung dessen, was man als primäre und Sekundä F k .
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der Historisierung bezeichnen kann un non
VOI1 del' PSYCh0ë11121lYSe wie von der Geschichtswissenschaft zu b h
ten, sie seien als Wissenschaften Theorien des Besonderen he`ßt auf)
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nichten, daß die Tatsachen, mit denen sie zu tun haben ,rei
26
lıg oder kunstlıch induziert sind und daß ihr Wert sich ,letztlich auf
ı ıı 0 ı . . * I n a _
Wir lehren das Subjekt, sein Unbewußtes als seine Geschichte zu erken-
IOO .
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nen, das heißt, wir helfen ihm, die geschichtliche Aktualisierung der
Tatsachen zu vollenden, die im Laufe seines Lebens eine gewisse Zahl
von historischen <<Wendepunkten›› bestimmt haben. Aber wenn sie
diese Rolle gespielt haben, so waren sie selbst bereits geschichtliche
Tatsachen und das bedeutet: in einem bestimmten Sinn anerkannt
oder eine`r bestimmten Ordnung entsprechend zensiert.
So ist jede Fixierung an ein sogenanntes Stadium der Triebentwicklung
voii allem einhistorisches Stigma, ein Schandfleck, denman vergißt
oder für ungeschehen erklärt, beziehungsweise ein Ruhmesblatt, das
verpflichtet. Doch das Vergessene bringt sich im Handeln in Erinnerung,
das Ungescheheninachen widerspricht dem, was anderswo gesagt wird,
und die Verpflichtung* setzt im Symbol die Täuschung fort, in der das
Subjekt sich gefangen gefunden hat. ' A
Um es kurz zu sagen: Die Stadien der Triebentwicklung sind bereits,
während sie durchlebt werden, als Subjektivität organisiert. Und um
es klar zu sagen: Die Subjektivität des Kindes, das das Epos der
allmählichen Kontrolle seines Sphinkters in Siegen und Niederlagen
aufzeichnet, sich dabei' an der imaginären Sexualisierung seiner After-
Öffnung freut, aus seinen exkrementellen Ausscheidungen Aggression,
a_us seiner Verhaltung Verführung und aus seiner Entleerung Symbole
macht, diese Subjektivität ist nicht grundlegend *verschieden von der
des Psychoanalytikers, der sich die Formen der Liebe zu vergegenwär-
tigen versucht, die er prägenital nennt. _ -. A
Das anale Stadium ist also, anders gesagt, nidıt weniger rein historisch,
noch ist es weniger rein ini der Intersubjektivität gegründet, wenn
es durchlebt wird, als wenn es im Denken nachvollzogen wird. Da-
gegen führt seine Einstufung als Abschnitt einer angeblichen Trieb-
reifung die- größten Geister geradewegs zu der irrigen Auffassung,
es für die ontogenetisdie Wiederholung einer Entwicklungsstufe des
tierischen Phylums zu halten, die bei den Spulwürmern oder sogar
bei den Quallen zusuchen wäre. Es ist dies eine Spekulation, die,
obwohl sie aus der Feder eines Balint ingeniös erscheint, anderswo
zu den haltlosesten Träumereien führt, ja sogar zu dem Wahn, bei
den Einzellern das imaginäre Schema körperlichen Eindringens suchen
zu wollen, das als Furcht angeblich die weibliche Sexualität beherrscht.
Warum soll man dann nidit das Urbild des Ich in der Krabbe sehen
unter dem Vorwand, daß beide nach jeder Häutung ihren Panzer
wieder ausbilden? '_ A
Irgendwann zwischen ı9io und 1920 hat ein gewisserjaworski ein
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0.
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nicht-kastriert››, mit der sich das Subjekt behauptet, den Zwang zu
erkennen, an den. seine heterosexuelle Partnerwahl als Abwehr der
Tatsache gebunden bleibt, daß sein Ich (moi) die Beute einer homo-
sexuellen Strömung wird, sobald es auf die imaginäre Matrix der
Urszene zurückfällt. So verläuft in Wahrheit der subjektive Konflikt,
in dem es sich nur um die Abenteuer der Subjektivität handelt, bis
das personale Ich (je) gegen die Instanz des Ich (moi) nach Maßga-
be des religiösen Katechismus oder der iindoktrinierenden Auf-
klärung“ gewinnt oder verliert. Freud hat mit seiner analytischen
Arbeit das Subjekt sich die Wirkungen dieses Konflikts vergegenwärti-
gen lassen, bevor er sie uns in d_er'Dialektik des Odipuskomplexes
erläutert hat. " . ` 1
Bei der Analyse eines solchen Falles sieht man recht gut, daß die
Verwirklichung der vollkommenen Liebe nicht eine Frucht der Natur,
sondern der Gnade ist, das heißt einer intersubjektiven Übereinkunft,
die ihre Harmonie der zerrissenen Natur auferlegt, die sie ihrerseits
unterstützt. A _ I
Aber, wird hier schließlich ein ungeduldig gewordener Zuhörer aus-
rufen, was ist denn nun dieses Subjekt, mit dem Sie unser Auffassungs-
vermögen strapazieren? Haben wir nicht schon bei Herrn Selbstver-
ständlich” gelernt, daß alles, was der.Einzelne empfindet, subjektiv
sei. ' . ` ' -
- Oh, einfältiger Mund, dessen'Lob noch meine letzten Tage erfüllen
wird. Du solltest Dich öffnen, um mir zuzuhören! Nicht nötig, die
Augen zu schließen. Das Subjekt reicht weiter als das, was der Ein-
zelne «subjektiv» empfindet, nämlich genau so weit wie die Wahrheit,
die es erreichenkann und die vielleicht aus eben dem Munde-kommt,
den Sie gerade schon wieder geschlossen haben. Gewiß, diese Wahrheit
seiner Gescl-ıidıte ist nicht ganz in seinem Rollenskript' enthalten, und
doch ist ihre Stelle durch die schmerzlichen Erschütterungen bezeidinet,
die es empfindet, weil es nur ihre Erwiderungenkennt, und zwar auf
Blättern, deren Unordnung ihm kaum Erleichterung verschafft.
«Daß das Unbewußte des Subjekts der Diskurs des anderen ist, zeigt
sich nirgendwo deutlicher als in den Studien, die Freud dem gewidmet
hat, was er, soweit es sich im Kontext der psychoanalytischen Erfah-
rung darstellt, Telepathie genannt hat. Es ist dies eine Übereinstim-
*1 A.d.Ü.: Deutsdı im Original. › '
” A.d.Ü.: «M. de La Palice›› ist eine Anspielung auf den Ausdruck «une vêrité de La
Palice››, der eine Biıisenwahrheit bezeichnet. `
104
mung von Äußerungen des Subjekts mit Tatsachen, von denen es keine
Kenntnis haben kann, die sich aber stets in den Bahnen einer anderen
Erfahrung bewegen, ander der Analytiker alsGesprächspartner teil-
hat; eine Übereinstimmung zudem, die in den meisten Fällen auf einer
rein sprachlichen'Konvergenz beruht, die bis zum Gleichklang gehen
kann, o_der bei der, wenn sie ein Handeln umfaßt, das acting out eines
anderen Patienten des Analytikers vorliegt oder eines Kindes des
Patienten, das sich ebenfalls einer Analyse unterzieht. Es handelt sich
däbei um Fälle von Resonanz in den Kommunikationsnetzen des Dis-
kurses, deren gründliche Untersuchung einiges Licht auf analoge Tat-
sachen des täglichen«Lebens werfen könnte. '
Die Allgegenwart des menschlichen Diskurses kann fvielleicht eines
Tages unter' offenem Himmel umfangen werden von der schrankenlo-
sen Kommunikation ihres Textes. Das muß nicht heißen, daß beide
dann besser aufeinander abgestimmt, sind. Doch genau das ist der
Gegenstandsbereich, den unsere Erfahrung in einer Beziehung polari-
siert, die nur zum Schein eine Zweierbeziehung ist; denn jede Dar-
stellung der Struktur dieses Bereichs in bloß dualen Begriffen ist ihm
theoretisch so inadäqiıat wie ruinös für seine Technik.- A
' \
..
106 f
Wenn die Psychoanalyse eine Wissenschaft werden kann - denn sie
ist es noch nicht - und wenn sie in ihrer Technik nicht auf den
Hund kommen soll - und vielleicht ist das bereits geschehen -,
müssen wir den Sinn ihrer Erfahrung wiedergewinnen.
Zu diesem Zweck können wir nichts besseres tun, als uns dem Werk
Freuds wieder zuzuwenden. Es genügt nicht, sich als Techniker auszu-
geben, um sich darauf zu berufen, daß man Freud III. nicht verstehe,
und. um ihn zurückzuweisen im Namen Freuds II., den man zu ver-
stehen glaubt. Die Unkenntnis Freuds I. schließlich entschuldigt nicht,
daß .mandie fünf großen -Psychoanalysen für eine 'Serie von schlecht
ausgewählten und dargestellten Fällen hält und meint, sich wundern
zu müssen, daß das Körnchen Wahrheit, das sie enthalten, nicht verlo-
ren gegangen ist“. B ' _
Nim_mt_ man sich das Werk Freuds wieder vor und beginnt bei der
Tmumdeutnngss, so erinnert man sich, daß der Traum-die~Struktur
eines Satzes hat oder, um dem Buchstaben des Textes zu folgen, eines
Rebus, das heißt einer Schrift, deren ursprüngliche Ideographie sich
in den Träumen von Kindern darstellen soll und die bei Erwachsenen
eine phonetische und zugleich symbolisdie Verwendung von signifikan-
ten Elementen (éléments signifiants) wieder hervorbringt, wie man
sie ganz ebenso in den Hieroglyphen des alten Ägyptens und in den
in China noch heute gebräuchlichen Schriftzeichen findet. A
Doch bei diesen geht es nur um die Dechiffrierung eines Mittels, wäh-
rend erst mit einer Übersetzung des Textes die Hauptsache beginnt.
Von ihr sagt Freud, sie «sei in der Ausarbeitung des Traumes, das
heißt in seiner Rhetorik gegeben. Ellipse und Pleonasmus, Hyperbaton
und Syllepsis, Rückgriff, Wiederholung und Apposition sind syntak-
tische Verschiebungen, Metapher, Katachrese, Antonomasie, Allegorie,
Metonymie und Synekdochesind semantische Verdichtungen, in denen
Freud uns die angeberischen und demonstrativen, die heuchlerischen
und überzeugenden, die zurückweisenden und verführerischen Inten-
tionen lesen lehrt, mit denen das Subjekt seine Traumrede schmückt.
Zweifellos hat er zur ,Regel erhoben, daß in ihr immer nach dem
Ausdruck eines Begehrens zu suchen sei. Aber verstehen wir ihn recht!
Wenn Freud als Motiv eines Traums, der seiner Theorie scheinbar
34 Diese Äußerungen stammen aus dem Mund eines der Analytiker, die am meisten
von dieser Debatte betroffen waren (1966). . - _ _
35 A.d.Ü.: Im Original deutsch. '
i 107
zuwiderläuft, bei jemandem, den er davon zu überzeugen versucht
hat, gerade das Begehren (den L<Wunsch››) annimmt, ihm zu widerspre-
chen“, warum nimmt er dann nicht das selbe Motiv für sich in An-
spruch, da er ja um zu dieserlFormulierung zu gelangen, seine eigene
These als Gesetz von anderswo bezieht? i Z
Rund heraus gesagt: Es erscheint nirgendwo deutlicher, daß das Begeh-
ren des Menschen seinen Sinn im Begehren des anderen findet. Und
das nicht so sehr, Weil der andere den Schlüssel zum begehrten Objekt
besitzt, sondern vielmehr weil sein erstes Objekt darin besteht, vom
anderen anerkannt zu werden. _ _ - i
Wer unter uns weiß übrigens nicht aus Erfahrung, daß, sobald in
der Analyse die Übertragung beginnt - und eben dies ist für uns
der Beweis, daß sie es wirklich tut - jeder Traum des Patienten
in seinem Verhälfnis zum analytischen Diskurs als Provokation, als
verdecktes Geständnis oder als Ablenkungsmanöver interpretiert wer-
den muß und daß die Träumd sich mit dem Fortschritt der Analyse
immer mehr auf die Funktion von Elementen des sich daraus~ent-
wickelnden Dialogs reduzieren lassen? A , ' ›
Inder Psychopathologie des Alltagslebens, einem weiteren Gebiet,
das durch ein Werk Freuds erschlossen wurde, wird deutlich, daß jede
Fehlleistung ein geglückter, ja sogar ein ziemlich hübsch gedrechselter
Diskurs ist und daß beim Lapsus der Knebel des Sprech_ens um gerade
das Stückchen gedreht wird, das erforderlich ist, damit, iwer__ Ohren
hat zu hören, höre. t i „
Doch gehen wir geradewegs auf den Punkt zu, an dem das Buch
sich dem Zufall zuwendet und dem Aberglauben, den dieser hervor-
ruft, sowie den Tatsachen, mit denen es sich bemüht, die subjektive
Bedeutung von Zufällen bei willkürlich gewählten Zahlen zu demon- 2
strieren. Die Grundstrukturen des Gebiets der Psychoanalyse treten
nirgends klarer hervor als bei einem solchen Erfolg.. Und der beiläu-
fige Rückgriff, auf unbekannte Denkvorgänge ist hier nicht mehr als
eine Entschuldigung, die aus der Not eines vollständigen Zutrauens
zu Symbolen geboren ist, das dadurch unsicher wird, sich über alle
Maßen bestätigt zu finden. . _ a
Wenn Freud in der Psychopathologie der Psychoanalyse für ein neuro-
tisches oder nicht neurotisches Symptom das Minimum an Überbe-
3' Um das Ergebnis dieser Verfahren genießen zu können, muß man sich in die Bemer-
kungen vertiefen, auf die wir hingewiesen haben, als das Buch von Emile Borel «Le
Hasard» erschien. In ihnen wird demonstriert, was man so an schlüpfrig «Witzigemfi
ausgehend von einer beliebigen Zahl, gewinnen kann (1966). -
._ 109
í.¬.¬,.._.._.-.__ --
II
. - 111
Q 1- '-
fort.. Und wır können diese Tat bloß reflektieren, indem wir uns
von ıhr vorantreiben lassen. K ' _
Wil' S@llI>St Werden uns darauf nur einlassen, weil wir wissen, daß
das ihr Mittel und Weg ist _ _ _ 1 t _
Unkenntnis der Gesetze schütztnicht vor Bestrafung. Übersetzt aus
dem Humor des Gesetzbuches drückt diese Formel trotzdem eine 2
Wahrheit aus, auf der unsere Erfahrung beruht und die sie bestätigt.
Denn'n1em9~11d lebt wirklich in Unkenntnis der Gesetze, weil das
Gfiäfifl C108 MßnSChen das Gesetz der Sprache ist,'seit' die ersten Wörter
des Erkennens den ersten rituellen Gaben vorangingen. Und es hat
der abscheulichen Danaer bedurft,_die übers Meer kamen und auf
ıhm wıeder flohen, dnmit die Mensdien täusdıende Wörter mit treu-
losen Gaben fürchten lernten. Bis dahin waren für die friedlichen
Argonauten, die durch symbolisdıen Handel die kleinen Inseln ihrer
Gemeinschaft miteinander verknüpften, diese rituellen Gaben in ihrem
Austausch sowie in ihrer Darbietung als Zeichen und sogar bei ihrer
HS'-*Stellung S0 eng mit dem Sprechen verbunden, daß man beide mit
dem gleidıen Ausdruck benannte“. ' i
Beginnt mit den Gaben Oder 01'161' mit den Losungsformeln, die ihren
heilsmächtigen Unsinn dazu tun, die Sprache als Gesetz? Diese rituel-
len Gaben nämlich sind bereits Symbole in dem Sinne, in dem-«Sym-
bol” einen Vefffag bedeutet, und ferner, weil .sie zunächst Signifi-
kantßn eines Vertrages sind, den sie als Signifikat begründen; denn
es ist augenfällig, daß die Gegenstände des symbolischen Tauschs -
Gefäße, die leer bleiben müssen, Schilde, die zum Tragen zu schwer
sind, Garben, die vertrodrnen, Lanzen, die man in den Boden steckt
- nicht für den Gebrauch bestimmt und ihrer Fülle wegen sogar
überflüssig sind. . z
Ist diese Neutralisierung desSignifikanten schon das ganzeWesen
d.er Sprache? Wäreıdem so, fände man einen Anhaltspunkt am Beispiel
der Wasserschwalben in dem Fisch, den sie während ihres Zuges von
Schnabel zu Schnabel wandern lassen. Wenn wir das in Übereinstim-
mung mit den Ethologen als ein Instrument ansehen, die Gruppe
wie bei einem Fest in eine reigenförmige Bewegung zu bringen, so
könnte man darin mit voller Berechtigung ein Symbol erkennen.
Wie man sieht, zögern wir nicht, die Ursprünge symbolischen Ver-
II2
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. ._-.-.._ .-__« -.4-.__ "'
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selbst variieren, sie murmeln und zfiletzt nur noch in Gedanken repro-
duzieren darf, jedesmal ihre Pupillen kontrahiert; das heißt, man
erreicht eine Reaktion des autonom genannten Nervensystems, das
eben normalerweise intentionalen Wirkungen nicht unterliegt. Auf
diese Weise hat Hudgins, wenn man unserem Autor glauben darf,
«bei einer Gruppe von Versuchspersonen eine weitgehend individuali-
sierte Konfiguration affiner und visceraler Reaktionen auf das Ge-
d21flk@H5Ymb0l (idea-Symßøl) <contract› geschaffen, einen response,
der durch ihre verschiedenen individuellen Erfahrungen hindurch zu-
rückführbar ist auf eine scheinbar weit entfernte, in Wirklichkeit jedoch
wesentlich physiologische Ursache, in unserem Beispiel: auf den Schutz
der Netzhaut vor allzuviel Licht.›› Und der Autor schließt: «Die Be-
deutung solcher Versuche für die psychosomatische und linguistische
Forschung braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.››i '
Wir jedoch hätten noch gerne gewußt, ob die in der angegebenen Weise
geschulten Versuchspersonen auch, bei Redewendungen wie marriage
contract, bridge-ciontmct, breach of contract auf diese Vokabel rea-
gieren oder sogar bei fortschreitender Reduktion des Stimulusbis auf
die erste Silbe: contract, contrac, contra, contr ..". . Der Gegenbeweis,
den man von einer exakten Methode verlangen darf, bietet sich hier dem
französischen Leser von selbst dar, sobald er, der sich keiner anderen
Konditionierung .unterzogen hat alsider des hellen Lichts, das Jules
H. Massermann auf das Problem wirft, dic erste Silbe murmelt“.
Wir würden von Massermann außerdem gern wissen, ob er den Ein-
druck hat, man könne bei den Wirkungen, die an koinditionierten
Versuchspersonen zu beobachten sind, auf eine weitere Ausarbeitung
ganz einfach verzichten. Entweder treten sie_ nämlich nicht mehr auf
und beweisen damit, daß sie nicht einmal bedingt vom Bedcutungslaut
(sémantème) abhängen, oder aber sie treten weiterhin auf und stellen
die Frage nach dessen Grenzen. „
Anders gesagt: sie würden im Instrument des Wortes selbst die Unter-
scheidung von Signifikant und Signifikat hervortr_eten lassen, die der
Autor im Begriff des idea-symbol behende vcrwischt hat. Ohne es
nötig zu haben, nada den Reaktionen von Versuchspersonen auf die
Anweisung donft contract,ja auf die ganze Konjugation von to contract
zu fragen, könnten wir den Autor darauf hinweisen, daß per defi-
nition_em jedes beliebige Element einer Sprache (languej dieser als
1 14
-a.„-„___-1;
In
R
iııııl-'
116
0-ı-Zr
das ebenfalls genügt, im Sand dieSpur des einfachen und des gebro-
chenen Zeichens der chinesischen kwa-Mantik zu schreiben, entsteht
das Universum des Sinns einer Sprache, in dem sich das Universum der
Dinge einrichtet. , R s ' `
Durch das, was nur als Spur eines Nichts Gestalt annimmt und dessen
Basis sich Infolgedessen nicht verändern kann, erzeugt der Begriff,
indem er die Dauer (durée) des Vergänglichen bewahrt, die Sache.
Denrf es ist noch nicht genug zu sagen, der Begriff' sei. die Sache
selbst, was jedes Kind, im Widerspruch zur herrschenden Lehrmeinung,
dartun kann. Es ist vielmehr die Welt der Worte, die die Welt der
Dinge schafft- die zuerst im /øic et nunc eines werdenden Ganzen un-
unterscheidbar.sind -, indem sie ihrem Wesen konkretes Sein verleiht
'J
und ihrem Immerseienden überall seinen Platz zuweist: xrí'1μa,ëc
åeí“. I
Der Mensch spricht also, aber er tut es, weil das Symbol ihn zum
Menschen gemacht hat. Selbst wenn in der ,Tat eine Überfülle von
Geschenken den Fremden empfängt, der sich zu erkennen gegeben
hat, unterliegt das Leben der Stammesgruppen, die eine Gemeinschaft
bilden, Verwandtschaftsregeln, die genau bestimmen, wie der Aus-
tausch von Frauen vollzogen werden muß, und wechselseitigen Abga-
bépflichten, die durch die Verwandtschaftsregeln festgelegt sind. Ein
Sprichwort der Sironga lautet: «Ein angeheirateter Verwandter ist
eine Elefantenkeule.››” Der Verwandtschaft ist ein System von Prä-
ferenzen vorgeordnet, das als Gesetz die Verwandtschaftsnamen be-
stimmt. Für die Gruppe ist es, wie die Sprache, in seiner Form ver-
77 pflichtend, aber in seiner Struktununbewußt. In dieser Struktur, deren
Gleichgewicht und deren Engpässe nach der Unterscheidung der Ethno-
logen durch einen generalisierten oder restringierten Austausch geregelt
werden, findet sich zum Erstaunen des Theoretikers ~die gesamte
Logik der Kombinationen. So erweisen sich die Gesetze der Zahl,
das heißt des reinsten Symbols, immanent in einem ursprünglichen
Symbolismus. Im Reichtum der Formen zumindest, in denen sich die
angeblich elementaren Strukturen der Verwandtschaft entwickeln,
›
ıı
iii?
in dem das Wort (verbe) ihn als Seiendes erlöst oder verdammt -
außer wenn er die subjektive Verwirklichung des Seins zum Tode er-
reicht“. L ' 'i _
In' Knechtschaft und Größe würde alles Lebendige sich zugrunde
richten, wenn nicht das Begehren sein Teil bewahrte in den Inter-
ferenzen und Schlägen, die die Zyklen der Sprache auf es zulaufen las-
sen, S0b2lld die Spffidlvßfwirrung eingreift und sobald in der Zerrissen-
heit eines universalen Werks die Ordnungsvorstellungen sichiwiderspre-
chen. `
Aber dieses Begehren selbst fordert, um im Menschen befriedigt zu
werden, Anerkennung irr__ı Symbol. oder im Imaginären durch eine Über-
einstimmung im Sprechen oder durch einen Kampf um Prestige. ~
h
IZO
¬~..,____„-
Was bei einer Psychoanalyse auf dem Spiel steht, ist, daß im Subjekt
das bißchen Realität heraufkommt, über das dieses Begehren verfügt,
um symbolische Konflikte und imaginäre Fixierungen in Übereinstim-
mung zu bringen. Und unser Vorgehen ist die intersubjektive Erfah-
rung, in der dieses Begehren sich zu erkennen gibt.
Infolgedessen,ist, wie man sieht, das Problem eines .der Beziehungen
des Sprechens und der Sprache im Subjekt. , _
In diesen Beziehungen stellen sich auf unserem Gebiet drei Paradoxa
dar. 'I i _ '
Im Wahnsinn welcher Art auch immer müssen wir einerseits die ne-
gative Freiheit eines Sprechens erkennen, das darauf verzichtet hat,
sich erkennen zu lassen, also das, was wir ein Übertragungshinderı_1is
nennen, und andeierseits die Ausbildung eines einzigartigen Wahns,
der - sei er nun fabelhaft, phantastisch oder kosmologisch, deutend,
fordernd oder idealistisch-~ das Subjekt in einer Sprache ohne Dialek-
tik objektiviertsz. _ f '
Sprachlosigkeitfabsence de la parole) manifestiert sidi hier in den
stereotypen Formeln eines Diskurses, in denen das Subjekt sozusagen
eher gesprochen wird alscspricht. Wir finden hier Symboledes Unbe-
wußten' in den versteinerten Formen, die neben den mumifizierten
Formen,šin denen Mythen in unseren Anthologien erscheinen, ihren
Platz in einer Naturgeschichte» dieser Symbole einnehmen. Doch ist
es falsch zu sagen, das Subjekt übernehme diese Symbole: denn der
Widerstand dagegen, sie zu erkennen, ist, wenn das Subjekt beim
Versuch einer Kur dazu 'angeleitet 'wird, hier nicht geringer als bei
den Neurosen. W -' `
Es wäre, beiläufig gesagt, lohnend, im sozialen Raum die Orte zu ermit-
teln, die die Kultur diesen Subjekten speziell im Hinblick auf. ihre
Verwendung bei der Erfüllung sozialer Leistungen zugewiesen hat,
die mit der Sprache zusammenhängen; denn es ist. nicht unwahrschein-
lich, daßsidı hier einer der Faktorenzeigt, die diese Subjekte durch
die Brechungen als Produkt symbolischer Diskordanzen zeichnen, wie
sie für kompleıie Strukturen der Zivilisation charakteristisch sind. s
5* Ein Aphorismus Lidıtenbergs lautet: «Eini Narr, der sich einbildet, ein Fürst zu
sein, ist von dem Fürsten der es in der Tatiist, durch nichts unterschieden, als daß
jener ein negativer Fürst, und dieser ein negativer Narr ist-, ohne Zeidien betrachtet
sind sie gleich.› A.d.Ü.: G. C. Liditenbcrg, Aphorismen, ed. A. Leitzmann, r. Heft:
1764-1771, Berlin (Behr) 1902, A 108, S. 31 (= Deutsche Litteraturdenkmale, ed.A.
Sauer, No. 12.3, F. 3, Nr. 3). - _ ~
_ C
. rar
Das zweite Paradox stellt das besondere Gebiet dar, das die Psycho-
analyse entdeckt hat, nämlich das Symptom, die Hemmung und Angst
in der Ökonomie, die die verschiedenen Neurosen konstituiert.
Das Sprechen ist hier aus dem konkreten Diskurs, der das Bewußtsein
ordnet, verjagt, aber es findet Halt und Unterstützung entweder in
den natürlichen Funktionen des Subjekts, sofern nur irgendeine organi-
sche Disproportion die Kluft zwischen dessen individuellem Sein und
seinem Selbst aufreißt, die aus der Krankheit eine 'Einführung des
Lebendigen in die Existenz des Subjekts macht“, -- oder aber in
den Bildern, die an der Grenze der. fnnenfwelt zur Umwelt“. ihre
beziehungsreiche Strukturierung entfalten. A
Das Symptom ist hier Signifikant eines aus dem Bewußtsein des Sub-
jekts verdrängten Signifikats. In den Sand des Fleisches u_nd auf den
Schleier der Maja geschrieben, hat ee als Symbol teil an der Sprache 2
aufgrund der semantischen Ambiguität in seiner Konstitution, auf
die wir bereits hingewiesen haben. . A _ r . J i
Aber es ist Sprechen im vollen Sinn, denn es umfaßt im Geheimnis
seiner Chiffrierung den Diskurs des anderen. -
Durch Dechiffrierung dieses Sprechens hat Freud die ursprüngliche
Sprache der Symbole” wiederentdeckt, die noch lebendig ist in den
Leiden der Zivilisierten (Das Unbehagen in der Kultur). --
Die Hieroglyphen der Hysterie, die Wappen der Phobie, die Labyrin-
the der Zwangsneurose - der Zauber der Impotenz, das Rätsel der
Hemmung, die Orakel der Angst --,' die redenden Waffen (armes)
des Charakters“, das Siegel der Selbstbestrafung, die_Verkleidungen
der Perversion -, das sind die Hermetismen, die unsere E_xegese auf-
löst, die Zweideutigkeiten, die unsere Fürbitte ablöst, die-Ränke und
Schliche endlich, die unsere Dialektik durch eine Rettung des in ihnen
gefangenen Sinns erlöst, die von der Aufdeckung. eines Palimpsests
122. '
¬¬`-._/
\I
--...-.--
V A.d.Ü.: Beginn des Gedidıts «The hollow Men» von T. S. Eliot. In der Über-
setzung von H. M. Enzensberger: «Wir sind die hohlen Männer /die Ausgestopften l
aufeinandergestützt / Stroh im Schädel. Ach . . .›› zit. nach: Museum der modernen
Poesie, Frankfurt (Suhrkampjfi 1963, S. 315 ff. -
“B A.d.Ü.: G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, ed. Hoffmeister, Hamburg,
(Meiner)° 1952, S. 237ff. .
124
__,-f
vom Anbruch der historischen Epoche des Ich- (moi) mit folgenden
Worten zurückklingt: «Die Menschen sind so notwendig verrückt, daß
es nur Verrücktheit anderer Art wäre, nicht verrückt zu sein.››5°
Das soll indes nicht heißen, unsere Kultur verlaufe in der Finsternis
außerhalb schöpferischer Subjektivität; Diese hat im Gegenteil nicht
aufgehört, für eine Erneuerung deriunerschöpften Macht der Symbole
im menschlichen Austausch zu kämpfen, in dem sie zutage treten. 5
Auf die geringe Zahl derer zu verweisen, die diese Schöpfungen tragen,
hieße, eine romantische Ansicht zu übernehmen und Ungleichwertiges
miteinander zu vergleichen. Tatsache ist, daß diese Subjektivität, .auf
"welchem Gebiet immer sie erscheinen mag - als mathematische, poli-
tische, religiöse, selbst als in der Werbung tätige ~, unausgesetzt
die_ gesamte Bewegung der Menschheit unterhält. Und ein weiterer,
zweifellos nicht weniger illusorischerBlick ließe uns etwas Gegenteiliges
akzentuierenf daß nämlich der symbolische Charakter dieser Subjek-
tivität nie zuvor deutlicher zutage getreten ist. Die Ironie_von_Revolu-
tionen ist es, eine in ihrer Ausübung um so unumschränktere Herrschaft
hervorzubringen, nicht, wie man sagt, je anonymer diese ist, sondern
je mehr sie auf die Wörter (mots) beschränkt wird, die sie bezeichnen.
Und mehr denn je steckt andererseits die Macht der Kirchen in der
Sprache, die sie zu bewahren gewußt haben.. Es ist dies eine Instanz,
die - wie man sagen muß - Freud in dem Artikel im Dunklen
belassen hat, in dem er darstellt, was wir als die kollektiven Subjekti-
vitäten von Kirche und Heer bezeichnen würden“. _
Die Psychoanalyse hat in der Ausrichtung der modernen Subjektivität
eine Rolle gespieltund sie kann diese Rolle nicht aufrechterhalten, ohne
sie der Bewegung der Wissenschaft einzuordnen, die diese Rolle erläu-
tert. Hier stellt sich nun die Frage nach den Grundsätzen, die unserer
Disziplin ihren Platz unter den Wissenschaften sichern sollen: eine
Frage der Formalisierung, die bisher wahrlich recht schlecht in Angriff
genommen worden ist.. _ L
Von der Verquertheit jener Medizin erneut befallen, gegen. die sie
sidı hat durchsetzen müssen, scheint die Psychoanalyse wie die Medi-
zin mit der Verspätung eines halben Jahrhunderts hinter der Entwick-
lung der Wissenschaften her zu sein und wieder Anschluß an sie gewin-
nen zu wollen. _ “
5° A.d.Ü.: B. Pascal, Pensêes, in: Oeuvres complètes, ed. J. Chevalier, o. O. ([Paris]
Gallimard, Pléiade)' 1954, S. 1 134, Nr. 184. .
°° A.d.Ü.: Vgl. S. Freud, G. W., Bd. XIII, S. `1o1 ff. "
* _. 1:15
In einer abstrakten objektivierenden Formulierung unserer Erfahrung
nach fiktiven, ja sogar simulierten Prinzipiender experimentellen Me-
thode finden wir die Wirkung von Vorurteilen, von denen unser Gebiet
zunächst„gereinigt sein müßte, wenn wir es gemäß seiner eigenen
Struktur bestellen wollen.
Bei uns als Praktikern der Symbolfunktion ist es erstaunlich, daß wir
uns davon abwenden,_sie genauer zu ergründen, ja daß wir sogar ver-
kennen, daß sie es ist, die uns ins Zentrum einer Bewegung versetzt,
die eine neue Ordnung der Wissenschaften mit einer erneuten Infrage-
stellung der Anthropologie hervorbringt. ' '_
Diese neue Ordnung bedeutet nichts anderes als eine Rückkehr zum
Begriff der wahrhaftigen Wissenschaft, deren Anspruch bereits vor-
liegt in einer Tradition, die mit Platos T/aeaitetos beginnt.. Dieser
Begriff wurde, wie man weiß, in seinei* positivistisclıeni Umkehrung
entwertet, die zwar die Humanwissenschaften als Krönung des Bau-
werks der experimentellen Wissenschaften bezeichnet, sie ihnen aber
in Wirklichkeit unterordnet. Er entsteht aus einer falschen Auffassung
der Wissenschaftsgeschichte, die sich auf den Vorrang der spezialisier-
ten Entwicklung experimenteller Verfahien gründet. _
Doch da heute die mit' Konjekturen arbeitenden, sinnverstehenden
Wissenschaften den Begriff einer seit jeher gültigen Wissenschaft wie-
dergewinnen, zwingen sie uns, die Klassifikation der Wissenschaften,
die wir vom 19. Jahrhundert übernommen haben, in einer Richtung
zu revidieren, die uns hellsichtige Köpfe weisen.
Man muß, um dessen gewahr zuwerden, nur die konkrete Entwicklung
der verschiedensten Disziplinen verfolgen. ` _
Die Linguistik kann uns hier zur Orientierung dienen; denn eben das
ist auch die Rolle, die sie an der Spitze der zeitgenössischen Anthropolo-
gie spielt und der gegenüber wir nicht gleichgültig bleiben' können.
Die mathematisierte Form, in derisich die Entdeckung des Phonems
darstellt als Funktion von Oppositionspaaren, die gebildet sind durch
die kleinsten unterscheidbaren und unterscheidenden Elemente der
Semantik, führt uns auf die` Grundlagen, mit denen Freuds späte Lehre
in einer vokalischen Konnotation von Anwesenheit und Abwesenheit
die subjektiven Ursprünge der Funktion des Symbols beschreibt.
Die Reduktion jeder Sprache auf eine sehr kleine Anzahl dieser pho-
nologischen Oppositionen, die eine ebenso strenge Formalisierung auch
der entlegensten Morphemefnach sich zieht, läßt uns einen genauen
Zugang zu unserem Gebiet finden.
126
Es bleibt uns überlassen, uns dieser Auffassung anzuschließen und den
Niederschlag der Sprachstruktur in der Psychoanalyse zu entdecken,
wie es parallel zur Linguistik die Ethnographie bereits tut, wenn
sie Mythen nach einer Synchronie von Mythemen dechiffriert.
Ist es nicht unmittelbar evident, daß Lévi~Strauss mit dem Hinweis
auf das Implikationsverhältnisi von `Sprachstrukturen und dem Teil
der soziälen Gesetze, der Verwandtschaft und Verscbwägerung regelt,
bereits gerade das Terrain erobert, auf dem Freud das Unbewußte
ansiedeltóı? W ` 1 s V
Von daher erscheint es zwingend, eine allgemeine Theorie des Symbols
zur Achse einer neiuen Klassifikation der Wissenschaften zu machen,
bei der die Humanwissenschaften als Wissenschaften von der Subjek-
tivität wieder ihre zentrale Stellung einnehmen. Lassen Sie mich
das Grundprinzip dieser Theorie kurz skizzieren, das weiterer Ausar-
beitung bedarf. . ,
Die Funktion des Symbols stellt sich als eine doppelte Bewegung im
Subjekt dar: Der Mensch macht seine Handlung zum Objekt, doch
geschieht dies nur, um ihr rechtzeitig ihre grundlegende Rolle wieder-
zugeben. In dieser Doppelsinnigkeit, die in, jedem Augenblick wirksam
ist, ruht aller Fortschritt einer Funktion, in der Handeln und Erkennen
einanderabwechselnóz. ` . `
Dafür zwei Beispiele, das eine von der Schulbank, das andere mitten
aus dem heutigen Leben. ' i
Das erste ist mathematisch. Jemand objektiviert in einer ersten Pha-
se zwei Mengen, die er gezählt hat, in zwei Kardinalzahlen; in einer
zweiten Phase führt er mit ihnen eine Addition durch. (Vgl. das Bei-
spiel, das Kant in der 2. Aufl. der Einleitung zur Kritik der reinen Ver-
mmft bringtfiza.) g - _
Das zweite ist historisch. Jemand, der in unserer Gesellschaft in der
Produktion tätig ist, stuft sich in einer ersten Phase als Proletarier
ein; in einer zweiten Phase' beteiligt er sich aufgrund dieser Zugehörig-
keit zum Proletariat an einem Geneiralstreik. _ _«
6 Wenn nach unserem Eindruck diese beiden Beispiele aus den entgegen-
'5 Zur Hypothese Galileis und zu Huygens Uhr vgl.: A. Koyré «An Experiment in
Measurement» in: Proceedings of the American Philosophie-.ıl Society, Bd. 97 (April
1953). Die beiden letzten Absätze wurden überarbeitet (1966). „
. 129
«---~------ -
r 30 .~
r'
den ist an die Entdeckung und Untersuchung von Symbolen, teil an
der Struktur dessen, was das Mittelalter unter dem Namen der «artes
liberales›› kannte. Da sie wie diese keine wirkliche Formalisierung
besaß, organisierte sie sich wie die «artes liberales›› um ein Corpus
vorrangiger Probleme, von denen jedes durch ein irgendwie recht be-
glücktes Verhältnis des Menschen zu seinem eigenen Maß bestimmt
wurde. Dieser Eigenart verdankt die Psychoanalyse einen gewissen
Charme und eine Menschlichkeit, die in unseren' A`ugen den zuweilen
etwas erheiternden (récréatif) Aspekt ihrer Darstellung jener Probleme
aufwiegen. Aber wir sollten diesen Aspekt in der frühen Entwicklung
der Psychoanalyse nicht geringschätzig abtun; er drückt in der Tat
nichts Geringeres aus als eine Erfrischung (rêcréation) des menschlichen
Geistes in/einer Dürrezeit des Szientismus.
Verachten sollten wir diesen Aspekt um so weniger, als die Psychoana-
lyse ihr Niveau nicht gehoben hat, indem sie sich auf den falschen
Weg einer Theoretisierung begab, die ihrer dialektischen Struktur zu-
widerläuft. i ' ~ '
Die Psychoanalyse wird ihre Theorie und Technik wissenschaftlich
nur begründen können, indem sie die wesentlichen Dimensionen ihres
Erfahrungsbereichs adäquat formalisiert. Das sind neben der hi-
storischen Theorie des Symbols, die intersubjektive Logik sowie die
Zeitlichkeit des Subjekts. _ -
ı ' _
1'
` .
°" A.d.Ü.: «Zwischen dem Mann und der Liebe / steht die Frau. Zwischen dem Mann
und der Frau / liegt eine Welt. Zwisdıen dem Mann und der Welt / steht eine
Mauern» . ` '
13.1
„I
Nam Sibyllnm qnidem Cıimis ego ipse ocnlis meis 'vidi in
ampnlla pendere, et cum illi pneri dicerent: Zißiólla rt Oš/lets'
respondelmt illa: ånoßaveív Oš/lw (Satyricqn, XLVIII)*”.
, _
Folgt man dem Ablauf der ersten sieben Sitzungen im Fall des Ratten-
mannes, die Freud uns vollständig mitteilt, so ersdıeint es wenig wahr-
scheinlich, daß er die Widerstände nicht am rechten Ort erkannt hat,
nämlich eben dort, wo unsere modernen Techniker uns weismachen,
daß er ihr Auftreten ungenutzt habe verstreichen lassen. Denn schließ-
lich ist es Freuds eigener Text, der es ihnen erlaubt, auf sie hinzuwei-
sen. In ihm zeigt sich einmal mehr die erschöpfende Darstellung eines
Themas, die uns an den Schriften Freuds erstaunt, ohne daß.auch
nur eine Interpretation bisher ihren Reichtum erfaßt hätte.
Wir meinen, daß Freud sidı nicht nur darauf eingelassen hat, seinen
Patienten zu ermutigen,;s_eine anfängliche Zurückhaltung abzulegen,
sondern daß er die verführerische Wirkung dieses Spiels im Imaginären
durchaus begriffen hat. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, sich.
der”Beschreibung zuzuwenden, die ervom Gesichtsausdruck seines Pa-
tienten während der peinlichen Erzählung von der vorgestellten Qual
gibt, die das Thema seines Zwangs ist, das der Ratten, die sich in
den After des Gemarterten einbohren. Sein <<Gesicl^ıtsausdruck››, so
schreibt er, zeigte-das'«Grauen vor seiner ihm selbst unbekannten
Lust››°°. Die augenblickliche Wirkung der Wiederholung dieser Erzäh-
lung entgeht ihm ebensowenig wie die daraufhin erfolgende Identi-
fizierung des Analytikers mit dem «grausamen Hauptmann››79, der
der Erzählung in der Erinnerung des Subjekts mit Gewalt Zutritt
verschafft hat. Er übersieht auch nicht die Tragweite der theoretischen
Erläuterungen, die das Subjekt als Bürgschaft fordert, um seinen Dis-
kurs fortzusetzen. _ g
Weit davon entfernt, jetzt den Widerstand_ zu interpretieren, erstaunt
uns Freud damit, daß er dieser Forderung niachgibt, und zwar so
weitgehend, daß er auf das Spiel des Subjekts einzugehen.scheint. I
Doch der überaus vage, uns beinahe banal erscheinende Charakter
der Erläuterungen, mit denen er es zufriedenstellt, ist recht aufschluß-
reich: Es handelt sich bei ihnen weder um eine :Doktrin, noch gar
um eine Indoktrinierung, sondern um die symbolische Gabe eines Spre-
chens, das im Kontext einer imaginären Teilhabe, die es umfaßt, mit
einem geheimen Pakt schwanger geht. Deren Tragweite enthüllt sich
späterhin in der symbolischen, vom Subjekt in seinem Denken vollzo-
genen Gleichsetzung der Ratten mit den Gulden, die es dem Analyti-
ker zahlt. . '
“°'A.d.Ü.: S. Freud, G. W., Bd. VII, S. 392.
7° A.d.Ü.: S. Freud, a. a.O., S. 397. “
_ . 133
Q
0.--0
Wie man sieht, ist Freud also weit davon entfernt, den Widerstand
zu verkennen. Vielmehr benutzt er ihii als eine geeignete Disposition,
um eine Resonanz des Sprechens hervorzurufen. Er hält sich, so weit
er kann, -an seine erste Definition des Widerstands“, indem er sich
seiner bedient, um das Subjekt implizit in seiner Botschaft zu begrei-
fen. Ebenso bricht er ein Gespräch sofort ab, wenn. er bemerkt, daß
der Widerstand, sobald er schonend behandelt wird, dahin tendiert,
den Dialog auf einer Ebene der Konversation weiterzuführen, in der
das Subjekt seine Verführung und zugleich _seine Ausweichmanöver
fortsetzt. s _, R I
Doch wir lassen uns belehren, daß die 'Analyse darin besteht, auf
allen Notenlinien der Parfitur zu spielen, die das Sprechen in den
Registern der Sprache bereitstellt. Von ihnen hängt die Überdeter-
niiniertheit ab, die nur innerhalb dieser Ordnung sinnvoll ist.
Hier sehen wir zugleich die Ursache von Freuds Erfolg. Damit nämlich
die Botschaft des Analytikers eine Antwort auf die Grundfrage des
Subjekts gibt, muß das Subjekt sie in der'Tat wie eine ihm eigentüm-
liche Antwort hören. Das Privileg der Patienten Freuds, das richtige
Wort (bonne parole) aus dem Munde dessen zu hören, der es verkün-
det hatte, kam dieser ihrer Forderung entgegen. W ” I ~ .
Im Fall des Rattenmannes hatte, nebenbei bemerkt, das Subjekt bereits
einen Vorgeschmack davon erhalten beim Blättern in dem damals
gerade erschienenen Werk «Zur Psychopathologie des Alltagslebens››.
Das soll nicht heißen, daß dieses Buch, selbst. unter Analytikern, heute
viel besser bekannt ist, aber die Vulgarisierung der Ideen Freuds im
Bewußtsein der Allgemeinheit, ihre Aufnahme in das, was wir die
Sprachmauer nennen, würde die Wirkung unseres Sprechens abschwä-
chen, wenn wir sie im Stil von Freuds Bemerkungen gegenüber dem
Rattenmann formulieren würden. S . 9
Doch eskommt hier auch nicht "darauf an, ihn zu' imitieren. Um
die Wirkung von ,Freuds Sprechen wieder zu erreichen, halten wir
uns nicht an seine Begriffe, sondern an die Prinzipien, denen es ge-
gehorcht. “ A _
Diese Prinzipien sind keine anderen als die der Dialektik des Selbst-
bewußtseins, wie sie sich von Sokrates bis Hegel entfaltet. :Ihren Aus-
gang nimmt sie von der ironischen Annahme, alles Vernünftige sei
wirklich, und schließlich stürzt sie sich in das wissenschaftliche Urteil,
/' s
'" A.d.Ü.': S. Freud, G. W., Bd. I, S. 268 f.
134
\-'flııııuııv-'
72 A.d.Ü.: Vgl. G. W. F, Hegel, Grundlinien der Ph'_ifos`ophie des Rechts, in: Werke,
Bd. VII, Frankfurt (Suhrkamp) 1970, S. 2.4. f
. I”
_ _.....„.....1M;-:t
_ -..„.
- __ _ ' -J-1-' W
-
wäre, so soll das nicht heißen, daß wir nichts lernen könnten von
der geschmeidigen Maieutik des Sokrates oder gar von dem faszinie-
renden technischen Verfahren, mit dem Plato sie uns präsentiert, und
sei esnur, um an Sokrates und seinemi Begehren das noch unberührte
Rätsel eines Psychoanalytikers“kennenzulernen und um unser Verhält-
nis zur Wahrheit auf die platonische Schau zu beziehen. Das hat
in diesem Fall so zu geschehen, daß der Abstand beachtet wird zwi-
schen der Erinnerung, die Plato für jedes Auftauchen einer Idee vor-
auszusetzen sich genötigt sah, und der Ersdiöpfung des Seins, das
sich in einer Wiederholung verzehrt, wie sie Kierkegaard beschreibt“.
Doch es g ibt zwısi ch en dem Gesprächspartnerdes Sokrates und dem
unseren auch einen historischen Unterschied, den auszumessen nicht
müßig ist. Wenn Sokrates sich auf eine handwerkliche Vernunft stützt,
die er ebensogut aus dem Diškurs eines Sklaven zutagejfördernkann,
so tut er es, um wirkliche Herren zur Notwendigkeit einer Ordnung
zu führen, die deren eigene Herrschaft für falsch erklärt und Wahrheit
an die Stelle der Zentralbegriffe (maitre-mots) der Polis setzt. Wir
Analytiker aber haben es mit Sklaven zu_ tun, die sich für Herren
halten und die in einer Sprache von universeller Reichweite mit den
Fesseln der Ambiguität eine Stütze ihrer Knechtschaft finden. Das geht
so weit, daß man mit einigem Humor sag'en könnte, es sei unser Ziel,
in ihnen wieder die souveräne Freiheit herzustellen, die Humpty
Dumpty beweist, wenn er Alice daran erinnert, daß er zumindest Herr
des Signifikanten, wenn schon nicht Herr des Signifikats ist,in dem sein
Sein Gestalt angenommen hat~"3°.
Wir kommen also wieder zurück auf unsere doppelte Beziehung zum
Sprechen und zur Sprache. Um das Sprechen des Subjekts zu befreien,
führen wir es in die Sprache seines Begehrens ein, das heißt in die erste
Sprache (langage premier), in der es schon jenseits dessen, was`es
uns von sich sagt, vor allem mit der Symbolik seiner Symptome ohne
sein Wissen zu uns spricht.
Es handelt sich bei dem Symbolismus, der in `der Analyse zutage
gefördert wird, in der Tat um eine Sprache. Diese hat, einem spieleri-
schen Wunsch entsprechend, den man in einem Aphorismus Lichten-
bergs finden kann, den universalen Charakter einer Sprache, die sich
in allen anderen Sprachen vernehmen_ läßt. Aber als Sprache, die das
94 Begehren/.an eben dem Punkt ergreift, wo dieses sich vermenschlicht,
indem es sich zu erkennen gibt, ist sie zugleich das absolut,Besondere
des Subjekts. , 0
Wir nennen sie die erste Sprache und vermeiden es, von primitiver
Sprache zu reden; denn Freüd, den man aufgrund seiner Verdienste
um, ihre vollständige Aufdeckung mit Champollion vergleichen kann,
hat sie insgesamt aus den Träumen unserer Zeitgenossen dechiffriert.
Autoritativ definiert wurde ihr Gebiet durch einen der wenigen, die
zu ihrer Erforschung Neues beigetragen haben. Ich spreche von Ernest
Jones, dem letzten_Überlebenden derer, denen vom Meister die sieben
Ringe geschenkt wurden. Durch- seine Anwesenheit in Ehrenämtern
einer Internationalen Assoziation beweist er, daß solche Ämter nicht
bloß den Trägern von Reliquien vorbehalten sind. '
In einem grundlegenden Artikel über die Symbolik" bemerkt Jones
ungefähr auf der fünfzehnten Seite, Wdaß sich alle Symbole, obwohl
es im psychoanalytischen Sinn Tausende gibt, auf den eigenen Körper,
auf Verwandtschaftsverhältnisse, Geburt, Leben und Tod beziehen.
Diese von uns ,als Tatsache anerkannte Wahrheit erlaubt uns zu ver-
stehen, daß das Symbol, obwohl es, psychoanalytisch gesprochen, ins
Unbewußte verdrängt wird, keine Spur einer Regression oder gar
von Unreife an sich trägt. Um seine Wirkungen ins Subjekt zu tragen,
genügt es daher, daß es sich vernehmen läßt; denn diese Wirkungen
verlaufen ohne Wissen des Subjekts. .Wir geben das Win unserer alltäg-
lichen Erfahrung zu, wenn wirmanche Reaktionen von Neurotikern
oder Normalen als Antwort auf den symbolischen Sinn eines Han-
delns, einer Beziehung oder eines Objekts erklären. ~
Zweifellos also kann der Analytiker mit-der Macht des Symbols spie-
len, indem er es nach genauem Kalkül Win dersemantischen Resonanz
seiner Bemerkungen hervorruft. ' ~
7" E.- Jones «On the Theory of Symbolism» in: British journal of Psydiology,
Bd. 9 (1916), S. 695 f; in erweiterter Fassung in: Papers on P_sy_c_ho-analysis, 2. Cd-,
London 1918; A.d.Ü.: Dt. zuerst in: Int. Zs. f. ärztl. PsA,_Bd. 5 (1919).
. . ' 137
Die Verwendung von Wirkungen des Symbols wäre gewiß ein Weg
zu einer erneuerten Technik der Interpretation. ' V
Beziehen könnten wir uns dabei auf das, was eine hinduistische Tradi-
tion über das a'/o'vani75 lehrt, sofern sie an ihm die Eigenart des
29
Sprechens darstellt, etwas zu Gehör zu bringen, was es selbst nicht
sagt. Das veranschaulicht sie an einem Geschichtchen, dessen Naivität,
die bei solchen Beispielen üblich scheint, genug Humor zeigt, um uns
zu veranlassen, zu der .Wahrheit vorzudringen, die das Geschichtchen
verbirgt. W I i i S. -
Ein Mädchen wartete einmal am Ufer eines Flusses auf ihren Gelieb-
ten, als sie einen Brahmanen auf sich zukommen sah. Sie lief ihm
entgegen und rief im Ton der liebenswürdigsten Begrüßung: «Welches
Glück! Der Hund, der Euchlan diesem Ufer durch sein Bellen zuweilen
ersclirßdit hat, iSt Weg. Eben ist er von einem Löwen verschlungen
worden, der oft hier in der Gegend umhedstreicht . . .›› ' i
Die Abwesenheit des Löwen kann also eine ebenso große Wirkung
hervorrufen wie, wenn er da wäre, sein Sprung; dennder Löwe
springt, wie das von Freud geschätzte Sprichwort sagt, nur einmal“.
Der Prime/mmktcr von Symbolen rückt sie in der Tat in die Nähe
jener Zahlen, aus denen alle anderen Zahlen zusammengesetzt sind.
Wenn Symbole nun hinter allen Semantemen der Sprache stehen, kön-
nenpwir den vollen Evokationswert des Sprechens wiederlıerstellen,
indem wir vorsichtig ihre Interferenzen suchen und uns dabei -von
einer Metapher leiten lassen, deren symbolische Verschiebung den
Nebensinn der Begriffe neutralisiert, die .sich beim Sprechen ein-
stellen. _
Um gelehrt oder gelernt zu werden, würde diese Technik eine gründ-
liche Beherrschung der Möglichkeiten einer Sprache erfordern, wie
sie vor allem in deren poetischen Texten konkret realisiert sind. Wie
man weiß, war das bei Freud der Fall in bezug auf die deutsche
Literatur und in bezug auf das durch eine unvergleichliche Übersetzung
in sie integrierte Theater Shakespeares. Sein gesamtes Werk legt nicht
weniger i`n seiner Technik als in seinen Entdeckungen Zeugnis ab von
dieser stets erneuten Hinwendung zur Literatur. Darüberhinaus stützt
ersich zugleich auf seine Kenntnis der klassischen Antike sowie der
75 Es handelt sidı um die Lehre des Abhinavagupta aus dem ıo. _Ih.; vgl. das Werk
von Dr. Kanti Chandra Pandey «Indian Esthetics» in; Chowkamba Sanskrit Series,
Studies, vol. II, Benares 1950. -
7° A.d.Ü.: Vgl. S. Freud, G. W.,/Bd. XVI, S. 62.
138
modernen Volkskunde und verfolgt mit Interesse die Ergebnisse des
zeitgenössischen Humanismus auf dem Gebiet der Ethnographie.
Von den Praktikern der Psychoanalyse sollte gefordert werden, Ver-
suche, Freud auf diesen Wegen zu folgen, nicht für überflüssig zu
halten.
Doch wir schwimmen gegen den Strom. Man kann das an der herab-
lassenden Beachtung messen, die, als handelte es sich um etwas Neues,
dem woçding zuteil wird. Die Morphologie des Englischen gibt hier
einem noch schwer zu definierenden Begriff, eine so subtile Unter-
stützung, daß es nötig ist,_den Fall zu untersuchen. t ›
296 Was dieser Begriff verdeckt, ist indes kaum ermutigend, wenn ein
Autor" sich darüber erstaunt zeigt, einen je verschiedenen Erfolg
bel der Analyse ein und desselben.Widerstands erzielt zu haben, je
nachdem, ob er - wie er betont «ohne vorherige bewußte Überlegung»
- den Begriff need for love anstatt und anstelle des Begriffs demand
for love verwandte, den er zunächst vorgebracht hatte, ohne es sich,
wie wiederum erselbst betont, weiter überlegt zu haben. Wenn diese
Anekdote den Zusammenhang einer Interpretation mit der Ego Psy-
clsrologybelegen soll, die im Titel des betreffenden Aufsatzes firmiert,
so scheint es, daß sie weit eher einen Zusammenhang mit der Ego
Psychology ihres Autors dokumentiert, indem dieser sich mit einem
so schlechten Englisch zufrieden gibt, daß er in seiner Praxis bereits
an die Grenze der Faselei stößt“. ' . 'I
Denn need und demand haben für das Subjekt einen diametral entge-
gengesetztenfSinn, und zu behaupten, daß sie in ihrem Gebrauch auch
nur für einen Moment verwechselt werden können, läuft auf eine
vollkommene Verkennung der intimation des Sprechens hinaus. i
In seiner symbolisierenden Funktion nämlich zielt das Sprechen auf
nichts Geringeres als auf eine Transformierung des Subjekts, an das
es sich mittels einer Verbindung wendet, die es mit demjenigen her-
stellt, der es hervorbringt. Das heißt esieführt eine Signifikanten-Wir-
kung herbei. . r - B
Deshalb müssen wir noch einmal auf die Struktur der Kommunikation
in der Sprache zurückkommen und definitiv das Mißverständnis der
Sprache als Zeichen (langage-signe) zerstreuen, das eine Quelle von
' n
ii" E. Kris «Ego Psychology and Interpretation» in: Psychoanalytic Quarterly, Bd. zo
(1951) S. 15-29; vgl. vor allem S. 27 f. '
78 Dieser Absatz wurde überarbeitet (1966). W ' '
O
9
ı
-v
_.ı
F'-'-`±ıı`ı\\""
Ist es indes eine Sprache? Wir können sagen, daß es sich von einer
Sprache gerade durch die starre Korrelation seiner Zeichen mit der
Realität unterscheidet, die diese Zeichen bedeuten. Denn in einer Spra-
che gewinnen Zeichen ihren Wert aus ihrem wechselseitigen Verhältnis
in'der lexikalischen Verteilung ihrer Semanteme ebenso wie in der
positionellen oder flexionellen Verwendung ihrer Morpheme. Das setzt
sie in einen Gegensatz zu der Starrheit der Kodierung, die das Kom-
munikationssystem der Bienen beherrscht. Die Verschiedenheit mensch-
licher Sprachen erhält unter diesem Aspekt besonderes Gewicht.
Wenn f'erncr eine Botschaft in der hier beschriebenen Art das Handeln
eines socius bestimmt, so wird sie doch nie von ihm weiterübermittelt.
Das wiederum bedeutet, daß sie gebunden bleibt an ihre Funktion
eines handlungsauslösenden Relais, von dem kein Subjekt sie ablöst
und zum Symbol der Kommunikation selbst erhebt“. R
Die Form, in der sich Sprache ausdrückt, definiert durch sich selbst
Subjektivität. Die Sprache sagt: «Geh dort lang, und wenn Du das
und das siehst, biege in die und die Richtung ab.›› Mit anderen Worten:
sie bezieht sich auf den Diskurs des anderen. Als solche ist sie ver-
wickelt in die höchste Funktion des Sprechens, insofern das Sprechen
den, der es hervorbringt, verpflichtet, indem es seinen Adressaten
mit einer neuen Wirklichkeit besetzt. Das geschieht zum Beispiel, wenn
durch ein «Du bist mein Weib» ein Subjekt sich als den Mann des
<<conjungo›› besiegelt. .~ ›
Dies ist in der Tatdie wesentliche Form, aus der alles menschliche
Sprechen eher sich ableitet, als daß es zu ihr hinleitete. '
Daher das Paradox, mit dem einer unserer scharfsinnigsten Hörer
glaubte uns widerlegen zu können, als wir begannen, unsere Ansichten
über die Analyse als Dialektik öffentlich vorzutragen. Er formulierte
es folgendermaßen: <<Die menschliche Sprache bildet also eine Kommu-
nikation, bei der der Sender vom Empfänger seine eigene Botschaft
in umgekehrter Form wieder empfängt.›› Es ist das eine Formel, die
wir aus dem Munde dessen, der sie als Einwand brachte, nur aufzu-
"°'Diese Bemerkung wendet sich an jene, die sie nodı verstehen können, nad-ı_dem sie
im Littré nadı der Rechtfertigung einer Theorie gesucht haben, die aufgrund der
Übersetzung des griediischen pambolê aus dem Sprechen ein «Neben-Handeln» maßht
(doch warum nicht ein «Handeln-im-Hinblids-auf»?), ohne zugleidı zu bemerisfim
daß, wenn dieses Worfimmer bezeichnet, was es bedeutet, der Grund dafür in der
Predigtspradıe liegt, die seit dem ıo. Jahrhundert das «verbum›› dem fleiscl'ıgeworde__-
nen Logos vorbehält. ' " _ _' '
- 141
nehmen brauchten, um an ihr das Gepräge unseres eigenen Denkens
wiederzuerkennen, daß nämlich das Sprechen subjektiv immer seine
Antwort einbezieht, daß das «Du würdest mich nicht suchen, wenn
Du mich nicht gefunden hättest››8° diese Wahrheit nur generell be-
stätigt und daß dies der .Grund dafür ist, warum in der paranoischen
Verweigerung von Anerkennung oder Dankbarkeit die unbekennbare
Empfindung in der Form negativer Verbalisierung in einer quäleri-
schen Verfolgungs-«Interpretation›› zutage tritt._ Ü
Wenn Sie sich beglückwünschen, jemanden getr`offen zu haben, der
dieselbe Sprache spricht wie Sie, lwollen Sie ganz ebenso damit nicht
sagen, daß Sie ihm in einem Allerwelts-Diskurs (discours de tous)
begegnen, sondern daß Sie durch eine besondefe Art zu sprechen (pa-
role particulière) mit ihm verbunden sind.
Man sieht also hier die immanente Antinomie im Verhältnis des Spre-
chens und der Sprache zueinander. In dem Maße, wie die Sprache
funktioneller wird, wird sie für das Sprechen zunehmend ungeeignet;
299
gerät uns die Sprache dagegen allzu privat, verliert sie ihre Funktion
als Sprache. i . Ü , H'
Bekannt ist bei Primitiven die traditionale Verwendung von Gelıeim-
namen, mit denen das Subjekt sich selbst oder seine Götter so weit-
gehend identifiziert, daß, diese Namen zu offenbaren, bedeuten wür-
de, sich selbst zu verlieren oder die Götter zu verraten. Mitteilungen
unserer Patienten, wenn nicht eigene Erinnerungen belehren uns, daß
nicht selten Kinder spontan die Macht dieses Brauchs wiederentdecken.
Schließlich bemißt sich der Wert einer Sprache für das Sprechen an
Ü
142
-rh-Gill*
Für uns ist das überaus lehrreichsı; denn was bei der Information
als Redundanz auftritt, ist genau das, was beim Sprechen als Resonanz
dient. . 1 , 7
Die Funktion der Sprache besteht ja hier nicht darin zu informieren,
sondern zu evózieren. ' _ -
Was ich im Sprechen suche, ist die Antwort des anderen. Was. mich
als Subjekt konstituiert, ist meine Frage. Um vom anderen erkannt
zu werden, spreche ich das, was war, nur aus im Blick auf das, was
seiniwiürd. Um ihn zu finden, rufe ich ihn bei einem Namen, den
er, um mir zu antworten, übernehmen oder ablehnen muß.
Ich identifiziere mich in der Sprache, aber nur indem ich mich dabei
in ihr wie_ein Objekt verliere. Was sich in meiner Geschichte verwirk-
licht, ist nicht die abgeschlossene Vergangenheit (passé défini) dessen,
was war, weil es nicht mehr ist, auch nicht das'Perfekt dessen, der
in dem gewesen ist, was' ich bin, sondern das zweite Futur (futur
antérieur) dessen, was ich für das werde gewesen sein, was zu werden
ich im Begriff stehe.
Stelle ich mich nun dem anderen gegenüber,'um ihn zu befragen,
so kann keinkybernetischer Apparat, wie -kompliziert Sie ihn sich
auch vorstellen mögen, die Antwort zu einer Reaktion machen. Die
Definition der Antwort als response im zweiten Teil des Stimulus-
response-Schemas ist bloß eine Metapher, die sich auf eine dem Tier
zugeschriebene Subjektivität stützt, um sie dann im physikalischen
Schema wegzulassen, auf das die Definition sie reduziert. Wir nennen
das: Ein Kaninchen erst in den Zylinder stecken, um es dann daraus
hervorzuzaubern. Eine Reaktion ist also keine Antwort. t
Wenn« ich einen Knopf drücke und das Licht angeht, so_ist das keine
Antwort außer' für mein Begehren. Wenn ich, um zu dem selben _Er-
gebnis zu kommen, ein ganzes Relaissystem ausprobieren muß, dessen
genaue Einstellung ich nicht kenne, so ist das keine Frage außer für
31 jeder Sprache ihre Übermittlungsform. Da die .Legitimität solcher Forderungen
von' ihrem Erfolg abhängt, ist es nicht verboten, sie moralisierend zu gebrauchen. Be_-
trachten wir z. B. die Maxime, die wir als Motto unseres Vorworts aufgespießt haben.
Belastetimit Redundanzen mag sie vielleicht platt erscheinen. Erleichtern wir sie aber
von dieser Redundanz, so erweist sich ihre Kühnheit des Enthusiasmus würdig, den
sie verdient: «Bessoni vergesdastren unginbry anaphi ologi psysocline indnat nitritt
-- dassini nune n'rbiol' wirtrift ithemensdı zuzumüha . . .›› Hier ist endlich die Rein-
heit der Botsdiaft offengelegt. Sinn hebt hier wieder sein Haupt, das Zeugnis des
Seins entbirgt sich und siegreich vererbt unser Geist der Zukunft unsterblich. sein...-
Wort. ' -_
143
..____„_.--
meine Erwartung. Und die Frage verschwindet, sobald ich eine aus-
reichende Kenntnis des Systems gewonnen habe, um es fehlerfrei zu
handhaben. l
Wenn ich aber den, mit dem ich spreche, bei irgendeinem Namen
nenne, den ich ihm gebe, so lege ich ihm die subjektive Funktion
zu, mir zu antworten, die er auch dann erfüllt, wenn er sie zurückweist.
Hierbei zeigt sidi infolgedessen die entscheidende Rolle meiner eigenen
Antwort. Diese Rolle besteht nicht nur, wie man gesagt hat, darin,
vom Subjekt als Billigung oder Ablehnung seines eigenen Diskurses
aufgenommen zu werden, sondern darin, es als Subjekt anzuerkennen
oder abzutun. Gerade darin bestehtı, jedesmal wenn er sprechend ein-
greift, die Verantwortung des Analytikers. A
Das Problem des therapeutischen Effekts falscher Interpretationen,
das Edward Glover” in einem bemerkenswerten Artikel aufgeworfen
hat, hat ihn zu Schlußfolgerungen geführt, bei denen die Frage der
zutreffenden Genauigkeit von Interpretationen in den Hintergrund
tritt. So wird zum Beispiel nicht nur jede gesprochene Intervention
vom Subjekt seiner Struktur entsprechend aufgenommen, sondern lauf-
grund ihrer Form übernimmt sie Subjekt selber eine strukturierende
Funktion. Gerade die Wirkungsmöglichkeit nicht-analytischer Thera-
pien, ja sogar der einfachsten ärztlichen Rezepteibesteht darin; daß
es sich bei ihnen um einen Eingriff handelt, den man als Zwangssystem
der Suggestion, als hysterische Suggestion phobischer _Natur, ja sogar
als Unterstützung einer Verfolgungsangst betrachten kann. Jeder von
diesen Eingriffen erhält seine besondere Prägung aufgrund der Bestäti-
gung, die Cr der Verkennung der eigenen Realität durch das Subjekt 'Ii
gibt. '
Das Sprechen ist in der Tat eine Gabe aus Sprache, und die Sprache
ist nichts Immaterielles. Sie ist ein subtiler Körper“, aber ein Körper
ist sie. Wörter stecken in allen Körperbildern, die das Subjekt fesseln;
sie können eine I-Iysterikerin schwanger werden lassen, sie können
sich mit dem Obj_ekt`des Penisneids identifizieren, das Harnfließen des
urethralen Ehrgeizes repräsentieren oder das verhaltene Exkrement der
Lust des Geizes.
Darüberhinaus können Wörter selber eine symbolische Beschädigung
144 Q
erfahren und imaginäre Handlungen vollziehen, deren Subjekt der
Patient ist. Man erinnere sich der Wespe, die, um ihren Anfangsbuch-
staben kastriert, in dem Augenblick zu S.P., den Initialen des Wolfs-
manns, wurde, als dieser sich der symbolischen Bestrafung bewußt ge-
worden war, die/Gruscha,idie Wespe, an ihm vorgenommen hatte“.
Man erinnere sich ferner des S, daš das Residuum der hermetischen
Formel darstellt, zu der sich die Zauberworte des Rattenmannes ver-_
dichtet hatten, als Freud aus dieser Chiffre das Anagramm des Na-
mens der Geliebten zog. In dieser Formel wird das S mit dem Amen
vom Schluß seines Stoßgebets vermählt und überschwemmt auf ewig
den Namen der Dame mit dem symbolischen Ausstoß einer impotenten
Begierde“. " s
In gleicher Weise zeigt uns ein von den aufschlußreichen Bemerkungen
Abrahamsinspirierter Artikel von Robert Fliess“, daß der Diskurs
insgesamt gemäß den Verschiebungen iin'Körperbild erotisiert werden
kann, die zu einem gegebenen Moment von der analytischen Beziehung
bestimmt sind. i
Der Diskurs übernimmt dannjeweils eine phallisch-"~urethrale, analero-
tische, ja oral-sadistische Funktion. Es ist übrigens bemerkenswert,
daß der Autor die Wirkung dieser Funktion zumeist im Schweigen
erfaßt, das eine Hemmung der Befriedigung anzeigt, die das Subjekt
im Schweigen empfindet. . .- '
Auf diese Weise kann das Sprechen im Subjekt zum imaginären, ja
sogar zum realen Objekt werden und als solches in mehr als einer
Hinsicht die Funktion der Sprache herabsetzen. Wir stellen es dann
in die Parenthese des Widerstands, den es manifestiert. ,
302 Doch tun wirdas nicht, um es auf den Index der analytischen Bezie-
hung zu setzen; denn die würde damit- bis hin zu ihrer raison d'être
alles verlieren. _ R
Die Analyse kann nur das Heraufkommen des wahren Sprechens (pa-
role vraie) zum Ziel haben und auf Seiten des Subjekts die Verwirk-
lichung seiner Geschichte in ihrer Beziehung zu einer Zukunft. μ A
Diese Dialektik durchzuhalten, bedeutet, sich jeder objektivierenden
Ausrichtung_der Analyse zu widersetzen. Diese Notwendigkeit hervor-
zuheben, ist eine Grundvoraussetzung, um die Verirrungen der neuen
_ __ı.
37 Der Terminus soll hier als Äquivalent zu dem der Zwangsbefürchtung gelten, der
ohne Sinnverlust in seine semantischen Bestandteile zerlegt werden muß.
146 'ii
hilfreichen Kameraden - Freud also läßt seinen Patienten mit der
schicksalhaften Konstellation, die selbst seine Geburt beherrschte, in
seiner Lebensgeschichte das Aufklaffen wiederfinden, das jene sym-
bolische Schuld unmöglich zuzuschütten vermochte, deren Protest die
Neurose ist. ' ~ '
Hier gibt es keine Spur eines Rückgriffs auf das gemeine Gespenst
einer was-weiß-icl_a'-wie-gearteten ursprünglichen <<Furcht››, auf den
doch recht einfach zu mobilisierenden Masoclıismus, noclı gar auf jenen
zwanghaften Gegen-Zwang, den gewisse Analytiker unterm Titel der
Widerstandsanalyse propagieren. Die Widerstände selbst werden, wie
ich anderswo gezeigt habe, so lange wie möglich in Richtung auf
einen Fortschritt des Diskurses genutzt. Und wenn es notwendig wird,
ihnen ein Ende zu setzen, erreicht man es, indem manihnen nach-
gıbt. 3 _
Auf diese Weise' gelingt es dem Rattenmann, subjektiv zu einer wirk-
lichen Vermittlung in F0rm` einer Übertragung zu gelangen, indem
er Freud eine imaginäre Tochter schenkt, um durch sie einen Bund
mit ihm einzugehen. In einem Schlüsseltraum enthüllt sie ihm ihr
wahres Gesicht: das des Todes, der ihn aus seinen Bitumenaugen an-
schautßa. 'i i . c
Wenn nun beim Subjekt mit diesem symbolischen Pakt die Tricks
seinerKnechtschaft verschwinden, läßt die Realität es nicht im Stich
und erfüllt seinen Wunsch nach einer Vermählung mit dem Tod. Die
als Epitaph fungierende Notiz, die Freud 1923 diesem jungen Mann
gewidmethat, der, «wie so viele andere wertvolle und hoffnungsvolle
junge Männer»89, in einem Krieg umgekommen ist, der seinen Fall
mit der Härte des Schicksals beendet hat, diese Notiz also erhebt
den Fall zur Schönheit des Tragischen. I
Um zu wissen, 'wie man dem Subjekt in der Analyse antworten' soll,
muß man methodisch zunächst den Ort ausfindig machen, an dem
sich sein ego befindet. Es handelt sich um jenes ego, das Freud selbst als
durch einen sprachlichen Kern geformt, definiert hat. Anders gesagt:
es geht darum zu erkennen, durch wen und für- wen das Subjekt
seine. Frage stellt. Solange man das nicht erkannt hat, läuft- man
Gefahr, das Begehren, das es in dieser Frage zu erkennen gilt, und
38 A.d.Ü.: Vgl. S. Freud, G. W., Bd. VII, S. 421, wo sich der Ausdruck «Dreckpat-
zen» findet. _ -
3° A.d.Ü.: S. Freud, a. a. O., S. 463. '
c 147
zugleich das Objekt, auf das dieses Begehren sich richtet, widersinnig
zu übersetzen. ~ '
Der Hysteriker fängt sein Objekt mit einer raffinierten Intrige ein,
und sein ego ist der Dritte im Bunde aufgrund einer Vermittlung,
die es dem Subjekt erlaubt, das Objekt zu genießen, in welchem seine
Frage sich inkarniert. Der Zwangsneurotiker zieht die Objekte, in
denen seine Frage in einem vielfachen Alibi tödlicher Figuren. wider-
hallt, in den Käfig seines Narzißmus' undlenkt, indem er als Domp- 304
teurihrer Akrobatik auftritt, ihre zweideutigen Huldigungen in die
Richtung der Loge, in der er selbst den Platz eines Gèbieters einnimmt,
der sich nicht zu selıen vermag. l
Traloit sua qnemque 'volnptas9°; der eine identifiziert sich mit einem
Schauspiel, und der andere setzt sich in Szene. i R '
Dem Hysteriker müssen Sie zur Einsicht darüber verhelfen, wo sein
Handeln abläuft, denn der Begriff des acting ont _ist bei ihm wörtlich
zu nehmen, da er) außerhalb seiner agiert. Den Zwangsneurotiker müs-
sen Sie dahin bringen, Sie als den von der Bühne aus unsichtbaren
Zuschauer zu erkennen, an den er über die Vermittlung des Todes
gebunden ist. . `
Stets muß man im Verhältnis der Instanz des Ich eines Subjekts (moi
du sujet) zum personalen Ich seines Diskurses (je de son discours)
den richtungweisenden Sinn dieses Diskurses begreifen, um die Ent-
fremdung des Subjekts aufzuheben. ~
Doch wird man nicht dahin gelangen, wenn man der Vorstellung
verhafte_t bleibt, daß die Instanz des Ich (moi) im Subjekt identisch
ist mit der Gegenwart, die zu einem spricht. e
Dieser Irrtum wird durch die Terminologie der Topik begünstigt, die O
9" A.d.Ü.: Maxime aus Vergil, Bucolica jl 6;: «Jeden treibt seine eigene Begierde»
Vgl. P. Vergili Maronis, Opera, ed. R. Sabbadini, Bd. I, Rom (Typis Regiae Off-
ficinae Polygraphicae)" 1937, S. 41.
M A.d.U.= s. Freud, G.w., B4. X111, s. 247 ff.
148 '
1-ııııçv
Ein solches Abgleiten kann nur deshalb erfolgen, weil m_an_ nicht er-
kannt hat, daß die Topik von ego, id und superego im Werk Freuds
der Metapsychologie untergeordnet ist, deren Begriffe Freud zur glei-
chen Zeit entfaltet und ¬ohne die die Topik ihren Sinn verliert. Mit
diesem Abgleiten hat man sich einer psychologischen Orthopädie ver;
schrieben, die nicht/aufhöreniwird, Früchte zu tragen.
Michael Balint hat überaus eindringlich die vielfache Verflechtung von
Theorie und Technik bei der Herausbildung einer neuen Konzeption
von Psychoanalyse beschrieben underörtert. Er findet keine bessere
Formel zu charakterisieren, worauf sie hinausläuft, als das von Rick-
man entlehn"te Wort vom Heraufkommen einer itwo-body-psycbology.
Besser kann man es in der Tat nicht ausdrücken. Die Analyse wird
zur Beziehung zweier Körper, zwischen denen sich eine phantasma-
tische Kommunikation herstellt, in der der Analytiker dem Subjekt
beibringt, sich als Objekt. aufzufassen. Subjektivität ist in ihr nur
in der Parenthese der Illusion zugelassen, und das Sprechen wird auf
den Index einer_ Suche nach Erlebnissen gesetzt, die zum obersten
Ziel' der Analyse wird. Das dialektisch notwendige Ergebnis erscheint
in dem Umstand,'°daß die von jeder Zügelung befreite Subjektivität
des Analytikers das Subjekt allen Vorhaltungen überantwortet, die
der Analytiker ihm macht. ' -
Wenn die intrasubjektive Topik einmal zu Einheiten geronnen ist,
setzt sie sich in der Tat in der Arbeitsteilung zwischen den in der
Analyse einander konfrontierten Subjekten durch. 'Diese abwegige An-
wendung der Formel Freuds, daß alles, was id war„eg0 werden sollegz,
tritt in einer entmystifizierten Form auf. Das zu einem Dieses (cela)°3
umgebildete Subjekt muß sich nach einem ego richten, in dem der
Analytiker ohne Schwierigkeit seinen Verbündeten erkennt, da es sich
in Wirklichkeit um sein eigenes ego handelt.) R 8 l _
Genau dieser Vorgang drückt sich in manchen theoretischen Formulie-
rungen vom splitting des ego in' der Analyse aus. Die Hälfte des
ego des Subjekts geht auf die andere Seite der_Mauer, die den Analy-
sanden vom Analytiker trennt, dann die -Hälfte der Hälfte' und
so weiter in einer asymptotischen Prozession, die, wie weit sie auch
immer in die Meinung vorgetrieben wird, die das Subjekt von sich
W A.d.Ü.: Vgl. S. Freud, G.W., Bd. XV, S. 86: «Wo Es war, soll Ich werden» Lacari
verwendet hier (wie zuvor schon) statt der französisdıen die englisd1enTermir1i, um
polemisch deren Differenz zu Freud zu bezeichnen. Ä A
°3 A.d.Ü.: «Cela›› meint eine objektivistische Form des Es (ça). ..
~ .. 149
...-
wird gewonnen haben, nicht ganz die Marge_ zu beseitigen ver-
mag, von der aus es sich auf den Irrweg der Analyse zurückbesinnen
kann. 1
Wie aber kann das Subjekt bei einer Analyse, die nach dem Prinzip
vcrfährt, daß alle seine Formulierungen Widerstandssysteme darstel-
len, gegen die vollständige Desorientierung verteidigt werden, in der
dieses Prinzip die Dialektik des Analytikers beläßt? . 4 r '
Freuds Interpretation,ideren dialektisches Verfahren im Fall der'Do'ra
so deutlich in Erscheinung tritt, weist diese Gefahr nicht auf. Denn
sobald die Vorurteile des Analytikers, (das heißt s_eine Gegenüber-
tragung, ei_n Begriff, dessen korrekter Gebrauch unserer Meinungnach
nicht über die dialektischen Gründe des Irrtums hinaus ausgedehnt
werden sollte), sobald also die Vorurteile des Analytikers ihn bei
seiner Intervention irregeführt haben, zahlt er sofoıi-t den Preis dafür
in Form einer negativen Übertragung. Diese tritt mit desto größerer
Intensität auf, je weiter die Analyse das Subjekt bereits in die authen-
tische Erkenntnis eingeführt hat, und gewöhnlich zieht sie einen Ab-
bruch der Analyse nach sich. A
“Eben das ist ja auch im Fall der Dora aufgrund der Hartnäckigkeit
Freuds geschehen, mit der er ihr die Einsicht hat vermitteln wollen,
daß das verborgene Objekt ihres Begehrens in der Person jenes Herrn
K. zu suchen sei, in dem er wegen der Vorurteile, die seine Gegen-
übertragung bildeten, ein Glücksversprechen für sie zu sehen sich
genötigt fand“. R -
Zweifellos fiel Dora selber in dieser .Beziehung einer Täuschung zum
Opfer, doch_hat sie nicht weniger lebhaft gespürt, daß es Freud mit 306
ihr ebenso erging. Aber als sie ihn nach fünfzehn Monaten wieder
aufsucht, nach einer Zeitspanne also, in die sich die schicksalhafte
Zahl ihrer «Zeit des Verstehens›› einschreibt, beginnt sie, wie man
spürt, mit der Täuschung, vorgetäuslcht zu haben. Die Konvergenz
dieser Täuschung zweiten Grades mit der aggressiven Absicht, die
ihr Freud gewiß nicht ohne Richtigkeit, aber doch in Unkenntnis
des realen Beweggrundes vorhält, zeigi: uns den Umriß einer intersub-
jektiven Komplizenschaft, die eine auf ihre Rechte pochende «Wider-
standsanalyse›› zwischen ihnen beiden hättefortsetzen können. Ohne
Zweifel :hätte sich mit den Mitteln, die uns inzwischen aufgrund
unserer' Fortschritte in der Technik zu Gebote stehen, der menschliche
/
150
Irrtum über 'die Grenze hinaus fortsetzen lassen, jenseits derer er
teuflisch wird.
All das ist nicht auf unserem Mist gewachsen. Freud selbsthat nach-
träglich die für die Beurteilung des späteren Sachverhalts bedeutsame
Quelle seines Scheiterns darin gesehen, daß er während der Analyse
die homosexuelle Stellung de_s Objekts verkannte, auf das das Begehren
der Hysterikerin sich fichtetegs. . '
Zweifelsohne verweist die gesamte Entwicklung, die zur gegenwärti-
gen Tendenz-derPsychoanalyse geführt hat, von Anbeginn an auf
das schlechte Gewissen des Analytikers angesichts des Wunders, das
er durch sein S_prechen wirkt. Er interpretiert ein Symbol, und auf
einmal verschwindet ein Symptom, das jenes Symbol mit Buchstaben
des Leidens ins Fleisch des Subjekts eingeschrieben hat. Diese Wunder-
tätigkeit verstößtgegen die guten Sitten. Schließlich sind wir Wissen-
schaftler und sollten nicht die Praktiken der Magie verteidigen. Man
entledigt sich ihrer, indem man dem Patienten magisches Denken vor-
wirft. Bald sind wir soweit, unseren Kranken das Evangelium nach
Légvy-Br-uhl zu predigen. Einstweilen jedoch sind wir zu Denkern ge-
worden und richten die angemessene Distanz wieder auf, die es den
Kranken gegenüber zu wahren gilt und deren Tradition man ein wenig
zu schnell aufgegeben hat. Überaus vornehm wurde diese Tradition
ausgedrückt von Pierre Janet in seinen Zeilen über die (im Vergleich
mit unserer erhabenen Position) geringen Fähigkeiten einer Hysteri-
kerin: «Die arme Kl'ei'ne››,'so läßt er uns wissen, «versteht nichts von
der Wissenschaft und stellt sich nicht einmal vor, daß man Interesse
an ihr haben könnte . . . Stellt man die Unkontrolliertheit in Rech-
nung, die für das Denken der Hysteriker charakteristisch ist, so wird
man, statt sich über ihre Lügen aufzuregen, die übrigens recht naiv
sind, sich eher darüber wundern, daß es unter ihnen nochiso vieleehr-
liche Leute gibt und so weiter.››
Soweit diese Zeilen eine Einstellung wiedergeben, der heute viele jener
Analytiker verfallen sind, die sich dem Kranken gegenüber dazu her-
ablassen, «seine Sprache» zu sprechen, können sie uns helfen zu begrei-
7 fen, was inzwischen geschehen ist. Wenn Freud intellektuell imstande
gewesen wäre, diese Zeilenzu unterschreiben, wie hätte er dann aus
den kleinen Geschichten seiner ersten Kranken die Wahrheit heraus-
hören können, was ihm ja tatsächlich gelang, oder wie_hätte er gar
152
Psychoanalyse _eine dialektische Beziehung, in der das Nicht-Handeln
des Analytikers den Diskurs des Subjekts zur Verwirklichung seiner
Wahrheit lenkt, oder wird sie reduziert auf eine Beziehung von Phan-
tasmen, in der zwei «Abgründe sich einander nähern››, ohne sich zu
berühren, bis die Skala imaginärer Regressionen erschöpft ist, also
auf eine Art lvundlirzgw, das als psychologische Probe bis an seine
äußersten Grenzen getrieben wird? ›
Diese Illusion, die uns dazu treibt, die Realiiät des Subjekts jenseits der
Mauer der Sprachezu suchen, ist die gleiche, aufgrund derer das Sub-
jekt glaubt, seine Wahrheit sei in uns bereits vorhanden oder wir
wüßten sie im vorhinein. Und eben auch dadurchklafft das Subjekt
unseren objektivierenden Interventionen entgegen.
Ohne Zweifel muß es für seinen Teil diesen subjektiven Irrtum nicht
verantworten, der, ob er nun in seinem Diskurs eingestanden wird
oder nicht, der Tatsache immanent ist, daß es in die Analyse gekom-
men istund dem grundlegenden Pakt zugestimmt hat. Die Subjektivi-
tät dieses Moments sollte man um so weniger vernachlässigen, als wir
in ihm den Grund dessen finden können, was man insofern als die
konstitutiven Faktoren der Übertragung bezeichnen kann, als sie sich
durch einen Realitätsindex von den nur abgeleiteten Faktoren dersel-
ben unterscheidengs. _. . ~-
Wie erinnerlich insistierte Freud, als er die Gefühle berührte, die in
die Übertragung eingebracht werden, auf der Notwendigkeit, in ihnen
einen Realitätsfaktor zu unterscheiden. Es wäre, so schließter, ein
Mißbrauch der Folgsamkeit des Subjekts, wollte man ihm in allen
Fällen einreden, seine Gefühle gegenüber dem Analytiker seien eine
simple Wiederholung seiner Neurose in der Übertragung. Wenn in-
folgedessen diese wirklichkeitsbezogenen Gefühle sich als die primären
“T Man bezeidınet mit diesem Begriff einen ursprünglich keltischen Brauch, den es
nodı bei einigen biblischen Sekten Amerikas gibt. Er gestattet es Verlobten und sogar
durchreisenden Gästen, gemeinsam mit der Tochter'des Hauses unter der Bedingung
im selben Bett zu sdılafen, daß beide ihre Kleider anbehalten. Die Bedeutung des
Wortes stammt daher, daß die Mädchen gewöhnlich wie Bündel in Tüdıer einge-
wickelt wurden. (Quincey erwähnt diesen Brauch; vgl. auch das Buch von Aurand
le Jeune über diese Praktik in der Amish-Sekte.) Der Mythos von Tristan und Isolde,
ja der Komplex,_den er repräsentiert, könnte dem Psychoanalytiker als Garant seiner
Suche nach der Seele dienen, die durch eine allrnähliche Ablösung instinktmäßigcr
Phantasmen eine mystifızierende Vermählung herbeiführt. . _ `
"Ü Man findet hier definiert, was wir später als Stütze der Übertragung bezeichnet
haben, nämlich das angeblich wissende Subjeki (sujet-supposé-savoir) (1966).
i " Išs
_-Mıfl ._i._ _¬`ı____,.-___J
ı-
W' A›d-Ü-¦ SP1'-425, II: «Wie ein Hund sein gespeiets wider frisst / Also istder
Narr der seine narrheit wider treibt.› Zit. nach M. Luther, Die gantze Heilige
Sehrifft Deudsdi, Wittenberg 1545, (repr. München [Rogner ôc Bernhard] 1972,
S.rı29J ,
1
154
Ihr begegnet man zum Beispiel in dem, was wir als aktives Eingreifen
mißbilligen; doch wäre es falsch, ihre Grenzen dadurch zu. bestim-
men. . `
Denn es ist andererseits klar, daßidie Enthaltung des Analytikers,
seine Weigerung zu antwoııten, ein Element der Realität in der Analyse
darstellt. Genauer gesagt liegt in dieser Negativität, soweit sie als
reine Negativität von jedem besonderen Motiv gelöst ist, die Gelenk-
stelle zwischen dem 'Symbolischen und dem Realen. Das folgt einfach
0 daraus, daß dieses Nicht-Handelnsich auf unser durch jenes Prinzip
gestützte Wissen gründet, daß alles,'was wirklich ist, vernünftig ist.
Ferner gründet es sich auf das daraus abzuleitende Motiv, es sei Sache
des Subjekts, sein ihm eigenes Maß wiederzufinden.
Im übrigen wird diese Enthaltung nicht unbegrenzt beibehalten; so-
bald die Frage des Subjekts die Form, eines wahren Sprechens ange-
nommen hat (parole vraie), sanktionieren wir sie durch unsere Ant-
wort. Doch haben wir gezeigt, daß das wahre Sprechen seine Antwort
bereits enthältund daß wir sie nur wie in einer Antiphon verdoppeln.
Kann das nun etwas 'anderes heißen, als daß wir lediglich dem Spre-
chen des Subjekts seine dialektische Interpunktion geben?
Hieraus erhellt das weitere Moment, in dem das Symbolische und
das Reale sich verbinden und das wir theoretisch bereits begründet
haben: die Funktion der Zeit. Es lohnt sich, einen Augenblick bei den
technischen Wirkungen der Zeit zu verweilen.
Die Zeit spielt in der Technik unter verschiedenen Gesichtspunkten
eine Rolle. ' - ' I ~' 1
Zunächst stellt sie sich in der Gesamtdauer der Analyse dar und be-
dingt den Sinn, der einer Beendigung der Analyse zugeben ist. Diese
Frage ist vorrangig vor der nach den Zeichen ihres Endes. Wir werden
das Problem der Festsetzung eines Endes kurz berühren. Doch ist
schon jetzt deutlich, daß die Dauer der Analyse für das Subjekt nur
als unbegrenzt antizipiert werden kann. S
Und das aus zwei Gründen, 'die man nur in dialektischer Perspektive
trennen kann:
Der eine betrifft die Grenzen unseres Feldes und bestätigt unsere
Bemerkungen über die Bestimmung seines Umfangs. Wir können die
Zeit des 'Versiehens bei einem Subjekt insofern nicht vorhersehen,
als sie einen psychologischen Faktor einschließt, der sich uns als solcher
entzieht. '"
_ Iss
-"¬'%I--ı.ı..g"'/ :Z
' u
Der zweite Grund betrifft das Subjekt selbst. Die Festsetzung eines
Endes der Analyse kommt einer verräumlichenden Projektion gleich,
in der das Subjekt je schon von dem Moment an sich selbst entfremdet
ist, in dem seine Wahrheit als terminierbar vorausgesehen werden
kann. Was immer von ihr in einer verräumlichten Intersubjektivität
ankommen mag, es ist dies: daß die Wahrheitbereits da ist; das heißt,
wir würden im Subjekt seine ursprüngliche Täuschung in dem Maße
wieder herbeiführen, in dem es in uns seine Wahrheit setzt, und wir
würden insofern, als wir es mit' unserer Autorität darin bestärkten, die
Analysein eine Verwirrung lenken,deren Resultate unmöglich zu kor-
rigieren wären. s g -
Gerade das ist in dem berühmten Fall des \Volf§manns geschehen,
31
dessen 'exemplarische Bedeutung Freud so gut begriffen hat, daß er
in seinem Aufsatz über «Die endliche und die unendliche Analyse»
wieder auf ihn eingeht. ' , i l
Welche (im eigentlichen Sinne des Wortes) divinatorisclie” Sicherheit
auch immer ein Analytiker bei der vorweggenommenen Festsetzung
eines Endes der Analyse dem Beispiel Freuds folgend unter ,Beweis
stellen mag, der`diese' erste Form aktiven Eingreifens selbst eingeführt
hat (pro pmíorl), diese Festsetzung wird das ,Subjekt stets in einer
Entfremdung von seiner Wahrheit belassen. _ g
Die Bestätigung dessen finden wir darüberhinaus in zwei Tatsachen
des Freudsclıen Falls: A - 'J
Trotz des ganzen Bündels von Beweisen, die die Historizität ,seiner
Urszene belegten, trotz der gegenüber Freuds Versuchen, sie metho-
disch in Zweifel zu stellen, unerschütterlichen Überzeugung von dieser
Historizität vermochte der Wolfsmann erstens nie, ihre Wiedererinne-
rung in seine Geschichte zu integrieren. I H `
Zweitens zeigt er seine Entfremdung schließlich in der kategorischsten
Form, der Paranoia. , ,_
9” Aulus Gellius schreibt: «Wenn es bei einem Prozeß darum geht, wer' mit dem
Amt des Anklägers betraut werden soll und wenn zwei oder mehr Personen
für dieses Amt eingeschrieben zu werden verlangen, heißt das Urteil, mit dem das
Gericht den Ankläger benennt, divinatio . . . Dieses Wort kommt daher, daß, weil
Ankläger und Angeklagrer zwei korrelativc Institutionen sind, von 'denen eine nicht
ohne die andere existieren kann, und weil die Art des Urteils, um die es hier~gel_ıt,
einen Angeklagten ohne Ankläger präsentiert, daß man sich also auf die divinatio
stützen muß, um zu finden, was der Fall nicht hergibt, vielmehr noch unerkannt läßt,
eben einen Ankläger.›› A.d.Ü.: Aulus Gellius, Noctes Atticae, ed. P. K. Marshall, Ox-
ford (Clarendon Press) 1968, II. 4. 3., S. 82. i
_/
156
--1.17
|
ı
ı
Tatsächlich spielt hier noch ein anderer Faktor mit, durch den die
Wirklichkeit in die Analyse eingreift, nämlich die Übergabe des Gel-
des, dessen symbolischen Wert wir uns anderswo darzustellen vorbe-
halten, dcssen Reichweite aber bereits angedeutet ist in dem, was
wir über die Verbindung des Sprechens mit einer für den primitiven
Tausch grundlegenden Gabe geäußert haben. Hier nun ist die Gabe
des Geldes aufgrund der Initiative Freuds verweigert worden, in der.
wir, ebenso wie in der Beharrlichkeit, mit der er'auf den Fall zurück-
kommt, eine in ihnf selbst nicht aufgelöste subjektive Form der Pro-
bleme erkennen können, die dieser Fall offenläßt. Niemand zweifelt
12 daß dies ein auslösender Faktor der Psychose gewesen ist, ohne indes
genauer zu wissen, warum. i
Begreift man denn nicht, 'daß man ein Subjekt entschieden in die
Entfremdung von seiner Wahrheit hineintreibt, wenn man zuläßt,
daß es aufgrund der Verdienste seines Falls um die Wissenschaft als
Pensionär der Psychoanalyse ernährt wird? (Denn nur aufgrund einer
Sammlung unter den Analytikern vermochte der Wolfsmann mit einer
Rente seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.) i '
Das Material der nachfolgenden Behandlung, in der der Kranke Frau
Ruth -MacBrunswi“ck anvertraut wurde, belegt die Verantwortung
jener ersten Kur, indem es unsere These über den jeweiligen Ort des
Sprechens und der Sprache in der psychoanalytischen Vermittlung er-
härtet.. vg _ .,
Darüberhinaus kann man unterm Gesichtspunkt des Sprechens und
der Sprache begreifen, wie Ruth MacBrunswid< sich im ganzen nicht
schlecht mit ihrer 'delikaien Rolle gegenüber der Übertragung zurecht-
gefunden hat. (Man wird sich der Mauer in unserer Metapher erinnern,
die ebenfalls in einem der Träume auftaucht. Die Wölfe des Schlüssel-
traums gieren danach, um sie herumzugelangen . . Den Hörern un-
seres Seminars ist all das bekannt, und die übrigen mögen sich darin
übengga. - ' y t
Wir wollen ein anderes, uns gegenwärtig besonders unter den Nägeln
brennendes Problem der Funktion der Zeit in der analytischen Technik
angehen. Wir wollen über die Sitzungsdauer sprechen. . S
Es handelt sich auch hierbei um ein Element, das ,tatsächlich zur Reali-
tät gehört, denn es stellt unsere Arbeitszeit dar, und damit fällt es
unter die Rubrik einer beruflichen Arbeitsregelung, die man für vor-
dringlich halten mag.
9°* Zwei Abschnitte neu geschrieben (ı966).
~ i 1:7
HI!-1'-
.,~.-J
153 '
_!
Wir spielen eine Rolle des Aufzeichnens, indem wir die in jedem
symbolischen Austausch fundamentale Funktion übernehmen, das zu
sammeln, was do /eamo99°, der Mensch in seiner Authentizität, das blei-
bende Sprechen nennt (parole qui dure). i g ' `
Als Zeuge aufgerufen für die Ehrlichkeit des Subjekts, als Verwahrer
der Prozeßakten seines Diskurses, als Referenz für seine Genauigkeit,
als Garant seiner Aufrichtigkeit, als Hüter seines Testaments, als Ge-
richts_schreiber seines jeweils letzten Willens hat der Analytiker etwas
von einem Kopisten. /r _ ' _ I i,
Doch er bleibt Herr der .Wahrheit, deren' Fortschritt dieser Diskurs
ist. Vor allem er ist es, der, wie wir gesagt haben, dessen Dialektik
interpunktiert; Hier nun wird er als Preisrichter dieses Diskurses auf-
gefaßt. Das hat die folgenden zwei Konsequenzen.
Die Unterbrechung der Sitzung kann vom Subjekt nicht als keine
Interpunktion in seinem Fortschritt empfunden werden. Wir wissen,
wie es sie in ihrer Terminiertheit einkalkuliert, um sie in seine eigenen
Fristen, ja sogar in' seine Ausreden einzuplanen, wie es sie vorweg-
nimmt, indem es sie wie eine :Waffe in der Hand wiegt und sie wie
eine Deckung belauert. _ - „
Beim Studium symbolischer Schriften, ob es sich um die Bibel handelt
oder um chinesische kainonische Texte, läßt sich in der Tat feststellen,
daß das Fehlen der Interpunktion .eine Quelle von Zweideutigkeiten
ist. Eine vorgegebene Interpunktion fixiert den Sinn; ihre Änderung
erneuert ihn oder stößt ihn um, und ist sie falsch, kommt sie einer
Entstellung des Sinns gleich. _,
Die Indifferenz, mit der ein Einschnitt des timing die,Augenblicke
der Hast im Diskurs' des Subjekts unterbricht, kann sich fatal auf
den Schluß auswirken, zu dem dieser Diskursssich überstürzt, ja sie
kann ein Mißverständnis festigen oder gar einen Vorwand liefern
für eine abweisende List.
Anfänger scheinen von den Auswirkungen solcher Vorfälle stärker
beeindruckt zu sein, was zu der Vermutung Anlaß gibt, daßidie anderen
sich ihrer wie einer Routineangelegenheit unterziehen. t
Gewiß bleiben wir mit der Neutralität, die wir bei der strikten Anwen-
dung der Regel über die Länge der Sitzung an den.Tag legen, auf
der Linie des Nicht-Handelns. ` - . , ,
Doch hat dieses Nicht-Handeln seine Grenzen, oder aber es gibt
- “ 159
Z_ ¬*--~-~f
« 1
keine Intervention des Analytikers mehr. Und warum soll man sie
gerade in diesem so hervorragend wichtigen Punkt unmöglich ma__
chen? i "
Die Gefahr, daß dieser Punkt für den Analytiker zwanghaften Wert
gewinnt, liegt einfach darin, daß er dem Einverständnis des .Subjekts
Vorschub leistet, das nicht bloß dem Zwanghaften gegenüber offen
ist, sondern beim Analytiker auch eine besondere Kraft gerade' anf...
grund des Gefühls seiner Arbeit entwickelt. Bekanntlich durchzieh;
ein Moment von Zwangsarbeit beim Subjekt selbst seine Freizeit.
Aufrechterhalten wird es durch die, subjektive Beziehung zum Herrn,
insofern es dessen Tod erwartet.
Der Zwanghafte zeigt in der Tat eine der Verhaltensweisen, die Hegel
in der Dialektik von Herr und Knecht nicht entwickelt hat'°°.' Der
Knecht hat angesichts der Todesgefahr nachgegeben, in der die Gele-
genheit zu herrschen ihm im Kampf um reine Anerkennung angeboten
worden ist. Da. er aber weiß, daß er sterblich ist, weiß er auch, daß
der Herr sterben kann. Infolgedessen kann er sich darauf einlassen,
für den Herrn zu arbeiten und in der Zwischenzeit auf Genuß zu
verzichten. In der Ungewißheit über den Augenblick, in dem der Tod
des Herrn eintreten wird, wartet er. T I .*
Das ist der intersubjektive Grund des Zweifelns wie des Aufschiebens,
die Charakterzüge des Zwanghaften sind.
All seine Arbeit verläuft unter Anleitung dieser Intention und wird
durch sie doppelt entfremdend: ,Denn nicht bloß wird das Werk des
Subjekts ihm von einem anderen entwendet, was die Grundbezie-
hung jeder Arbeit ist, sondern die Anerkennung seines eigenen' Wesens
durch sich selbst entgeht dem Subjekt nicht weniger in seinem Werk,
in dem diese Arbeit ihre Begründung findegdenn es 5e1b5t'«igt nicht
in ihm››. Es ist in dem antizipierten Augenblick des Todes des Herrn,
von dem an es selbst leben wird; doch während es diesen Augenblick
erwartet, identifiziert es sich mit dem Herrn als einem Toten und ist
aufgrund dessen selbst bereits tot. A
Nichtsdestoweniger bemüht es sich, den Herrn durch die Vorführung
der guten Absichten zu täuschen, die in seiner Arbeit zutage treten.
Die braven Kinder des analytischen Katechismusunterrichts drücken
diesen Sachverhalt in ihrer rüden Sprache aus, wenn sie sagen, das
ego des Subjekts traclıte danach, das szøperego zu verführen.
10° A.d.Ü.: G. W. F. I-Iegel «Phänornenologie des Geistess, ed. J. Hoffmeister, Harn-
burg (Meiner) °ı952, S. r4ı_ ff.
160
Diese intrasubjektive Formulierung wird unmittelbar entmystifiziert,
sobald man sie in der analytischen Beziehung sieht, in der dasworking
through des Subjekts in der Tat zur Verführung des Analytikers be-
nutzt wird. _ i
Wenn der dialektische Fortschritt der Kur sich einer Infragestellung
der Intentionen des ego bei unseren Subjekten nähert, ist es denn
auch kein Zufall, daß das Phantasma vom Tod des Analytikers, oft
in der Form einer Befürchtung, ja der Angst niemals ausbleibt.
Das Subjekt 'beginnt dann stets erneut mit einer noch demonstrati-
veren Vorführung seines «guten Willens››.
Wie kann man,infolgedessen'die` Wirkung einer gewissen Geringschät-
zung bezweifeln, die der Herr dem Produkt einer solchen Arbeit entge-
genbringt? Der Widerstand des Subjekts kann ihretwegen völlig durch-
einandergeraten.› - i 1
Von. diesem Augenblick an ,beginnt sein bis dahin tinbewußtes Alibi
sich ihm zu offenbaren, und manisieht es leidenschaftlich nach einem
Grund für so viele Anstrengungen suchen. i "
Wir würden uns hierüber nicht in dieser Weise verbreiten, wenn wir
nicht überzeugt wären, daß wir mit unseren Experimenten in Bezug
auf das, was man unsere Kurzsitzungen genannt hat, während einer
erfolgreich abgeschlossenen Phase unserer analytischen Erfahrung in
der Lage waren, Phantasmen von einer analen Schwangerschaft, ver-
bunden mit ihrer im Traum stattfindenden Beendigung durch einen
Kaiserschnitt bei 'einemigewissen männlichen Subjekt in einem Zeit-
raum ans Tageslicht zu fördern, in dem wir uns. sonst noch seine
Spekulationen über die Kunst Dostojewskis hätten anhören müssen.
Wir sind indes nicht dazu da, dieses Verfahren zu verteidigen, sondern
zu zeigen, daß es in seiner Anwendung als Technik einen genauen
dialektischen Sinn hatm. ~ T
Wir sind zudem nicht die einzigen, die bemerkthaben, daß dieses
Verfahren sich der Technik annähert, die man mit dem Namen Zen be-
zeichnet und die als Mittel der Offenbarung des Subjekts in der tradi-
tionellen Askese gewisser fernöstlicher Schulen angewandt wird. ;
6 Wir wollen nicht so weit gehen wie diese Technik, die in ihren Extre-
men gewissen Beschränkungen sich widersetzt, die unsere Technik Sifill
auferlegt; doch scheint uns eine zurückhaltende Anwendung ihrer
1°* Mag man dies nun für einen zum Bauen ungeeigneten Stein halten oder für den
Eckstein unserer Konstruktion, unsere Stärke liegt jedenfalls darin, in diesem Punkt
nicht nadıgt-:geben zu haben (1966). ~
. v 161
4 .
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164 '
net hat, noch' auch die historische Vergangenheit, in der der Mensch
einen Garanten seiner Zukunft findet, sondern die Vergangenheit,
die sich in der Wiederholung als umgekehrte manifestiert“.
Dies ist der Tote, den die Subjektivität sich zum Partner in einer
Triade macht, die durch ihre Vermittlung im universalen Konflikt
von Philia, der Liebe, und von Nai/eos, der Zwietracht, entsteht.
Infolgedessen ist es micht mehr nötig, auf den veralteten Begriff des
ursprünglichen Masochismus zu rekurriefen, um den Sinn der Wieder~
holungsspiele zu begreifen, in denen die Subjektivität die Beherr-
schung ihrer Gottverlassenheit und die Geburt des,Symbols hervor-
bringt. â ' ' „
Freud hat uns in genialer Intuition diese Verdunkelungsspiele vor
Augen geführt, damit wir in ihnen erkennen, daß der Moment,
in dem das Begehren sich vermenschlicht, zugleich der ist, in dem
das_Kind zur Sprache geboren wird. ' B
Wir können heute daran begreifen, daß das Subjekt in diesem Vor-
gang nicht nur einen Verlust bewältigt, indem es ihn auf sich nimmt,
sondern daß es sein Begehren durch ihn zur zweiten Potenz erhebt.
Denn sein Handeln zerstört das Objekt, das es in der antizipierenden
Provokation seiner Anwesenheit und seiner Abwesenheit erscheinen
und verschwinden läßt. Dieses Handeln negativiert damit das Kräfte-
feld des Begehrens, um sich selbst zum eigenen Objekt zu werden.
Und dieses Objekt, das sogleich in. dem symbolischen Paar zweier
elementarer Stoßgebete' Gestalt annimmt, verkündet im Subjekt die
diachronische Integration einer Didıotomie von Phonemen, deren
synchronische Struktur eine bestehende Sprache ihm *zur Assimilation
anbietet; so beginnt das Kind sich auf das System des konkreten Dis-
kurses seiner Umgebung einzulassen, in dem es mehr oder weniger
näherungsweise in seinem Fort! und in seinem Da! die Vokabeln re-
produziert, die es daraus erhält1°°. 4 '
Fort! Da! Schon in seiner' Einsamkeit ist das Begehren des Menschen-
jungen das Begehren eines anderen geworden, eines alter ego, von
dem es beherrscht wird und dessen Begierdeobjekt von jetzt an sein
eigener Schmerz ist. _ ' ~ . A
1°” Die vier Worte «in der Wiederholung umgekehrt», in denen unsere letzte Formu-
lierung der Wiederholung steckt (1966), wurden an die Stelle eines ungeeigneten Re-
kurses auf die «ewige Wiederkehr» gesetzt, der alles war, was wir damals von uns
geben konnten. '_ . _
1°* A.d.U.= vgl. s. Freud, G. w., Bd. X111, s. 11-14.
165
J
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Ü- *¬-H
Q
4.
Ob das Kind sich nun an einen imaginären oder realen Partner wendet,
es wird ihn gleichermaßen der Negativität seines Diskurses gehorchen
sehen, und da sein Ruf die 'Wirkung hat, diesen Partner verschwinden
zu lassen, wird es in beschwörender Vorladung die Provokation seiner
Rückkehr suchen, die seinem Begehren den Partner wiedergibt.:
Das Symbol stellt sich so zunächst als Mord der Sache dar, und dieser
Tod konstituiert im Subjekt die Verewigung seines Begehrens.
Das erste Symbol, in dem wir Humanität in ihren Überresten erken-
nen, ist das Beg`räbnis, und die Vermittlung des Todes ist in jeder
Beziehung zu erkennen, in der der Mensch zum Leben seiner Geschichte
gelangt. i L p
Dieses Leben allein überdauert und ist wahrhaftig, denn es wird,
ohne sich zu verlieren, in einer ununterbrochenen Tradition von Sub-
jekt zu Subjekt übermittelt. Wie kann man nur übersehen, wie weit
es jenes ererbte Leben des Tieres transzendiert, in dem das Individuum
in der Gattung verschwindet, da kein Grabmal seine ephemere Erschei-
nung von der unterscheidet, die es in der Unveränderlidıkeit des Typus
wieder hervorbringt.. Läßt man jene hypothetischen Mutationen des
phylum beiseite, die von einer Subjektivität, der der Mensch sich vorerst
nur von außen nähert, integriert werden müssen, so unterscheidet sich
durch nichts außer durch die Experimente, denen der Mensch sie unter-
wirft, eine Ratte von einer Ratte, ein Pferd von einem Pferd, es
sei denn durch diesen haltlosen Übergang vom Leben zum Tod, wäh- 32
rend Empedokles, der sich in den Ätna stürzt, im Gedächtnis der Men-
schen diesen symbolischen Akt seines Seins zum Tode für immer leben"-
dig erhält.
Die Freiheit des Menschen ist ganz innerhalb des grundlegenden Drei-
ecks eingeschrieben, das gebildet wird aus dem Verzicht, den er wegen
des Genusses der Früchte seiner Knechtschaft dem Begehren des ande-
ren durch die Todesdrohung auferlegt, ferner aus dem Einverständnis
mit dem Opfer seines Lebens aus Gründen, die dem menschlichen
Leben sein Maß geben, und schließlichaus der selbstmörderischen Ent-
sagung des Besiegten, die den Herrn bei/seinem Sieg frustriert, indem
sie ihn seiner unmenschlichen Einsamkeit überläßt.
Von diesen Gestalten des Todes stellt die dritte den äußeren Umweg
dar, durch den die unvermittelte Besonderheit des Begehrens, indem
sie ihre unaussprechliche Form zurückerobert, in der Verleugnung einen
letzten Triumph erlangt. Weil wir es mit ihr zu tun haben, müssen Hu..
wir ihren Sinn erkennen. Sie ist in der Tat keine Perversion des
166 L '
Instinkts, sondern jene verzweifelte' Affirmation des Lebens, die die
reinste Form darstellt, in der wir den Todestrieb erkennen. ›
Das Subj ekt-sagt Nein zu diese1ríWieselspiel1°9“ der Intersubjektivität, in
dem das Begehren sich nur für einen Moment zu erkennen gibt, um sich
in einem Wollen zu verlieren, das das Wollendes anderen ist. Geduldig
entzieht es sein ungewisses Leben den schäfchenwolkigen Vereinigun-
gen des Eros des Symbols, um dieses schließlich in wortloser Ver-
wünschung zu bestätigeiı. Z
Wenn wir im Subjekt an das heranreidıen wollen, was vor den seriellen
Spielen des Sprechens dawar und was für die'Geburt von Symbolen
von größter ,Bedeutung ist, so finden wir es im Tode, aus dem seine
Existenz allen Sinn gewinnt, den sie besitzt. In der Tat behauptet
es sich für die anderen als Begierde des _Todes; wenn es sich mit dem
anderen identifiziert, so tut es das, indem es ihn in der Metamor-
phose des Bildes seines Wesens erstarren läßt, und alles Seiende wird
von ihm niemals anders als unter dem Schatten des Todes evozicrt.
Zu sagen, daß dieser Todessinn im Sprechen einen der Sprache äußer-
lichen Mittelpunkt aufdeckt, ist mehr als bloß eine Metapher; er zeigt
eine Struktur. Diese ist verschieden von der Verräumlichung eines
Kreisumfangs oder einer Kugel,fin der manche gern dieiGrenzen des
Lebendigen und seines. Milieus schematisch darstellen. Sie entspricht
vielmehr jener Gruppe von Beziehungen, die die symbolische Logik
topologisch als Ring bezeichnet. . p 1
Um eine intuitive Vorstellung davon zu geben, scheint es, daß man,
21 eher als auf die Oberfläche einer Zone, auf die dreidimensionale Form
eines Torus insofern rekurrieren müßte, als dessen peripheres und zen-
trales Äußeres nur eine einzige Fläche bilden“°.
Dieses Schema tut der endlosen Kreisbewegung des dialektischen Pro-
zesses Genüge, die sich ergibt, wenn das Subjekt, sei es in der lebens-
wichtigen Zweideutigkeit des unmittelbaren Begehrens oder in der
vollen Übernahme seines Seins zum Tode, seiner Einsamkeit gewahr
wird. i A ` B
Doch man kann an diesem Schema zugleich begreifen, daß die Dialek-
tik nichts Individuelles ist und daß die Frage der Beendigung der
Analyse die Frage nach dem Augenblick ist, in dem die Befriedigung des
1°°a A.d.Ü.: Vgl. Die Ausridıtung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht, unten
S.23;Anm.35. , _
11° Es sind dies Prämissen der Topologie, die wir seit fünf Jahren anwenden (1966).
_ _ 167
Ü
1" A.d.Ü.: Französische Kinder lernen mit dieser Silbenfolge das Lesen; vgl. außer-
dem S. Freud, G. W., Bd. V, S. 198. . L
168 B
ip-.__
diese Erfahrung Sie endlich begreifen lassen, daß in der Gabe (don)
des Sprechensm alle Realität ihrer' Wirkungen liegt; denn aufgrund
dieser Gabe ist die gesamte /Realität auf den Menschen gekommen
und durch sein fortgesetztes Handeln behauptet er sie. `
Wenn das Gebiet, das diese Gabe des Sprechens definiert, Ihrem Han-
deln wie Ihrem Wissen genügen muß, so wird es auch Ihrem persön-
lichen Einsatz genügen. Denn es bietet ihm ein hervorragendes Be-
tätigungsfeld. , ' -
Als die Devas, die Menschen und die Asuras, so lesen-wir im ersten
Brâhmana der fünften Lektion der Brihadâranyaka-Upanishad112“, ihr
Noviziat bei Prajapâti beendeten, richteten siean ihn die Bitte: «Sprich
ZU 11115.?) ' -
«Da››, sagte Prajapâti, der Gott des Donners. «Habt Ihr mich verstan-
den?›› Und die Devas antworteten: «Du hast uns gesagt: Damyata,
beherrscht Euch.›› Der heilige Text will sagen, daß die höheren Mächte
sich dem Gesetz des Sprechens unterwerfen. W
«Da››, sagte Prajapâti, der Gott des Donners. «Habt Ihr mich verstan-
den?›› Und die Menschen antworteten: <<Du hast uns gesagt: DMM,
gebet einander.›› Der heilige Text will sagen, daß die Menschen sich
durch die Gabe des Sprechens erkennen. _ p
«Da», sagte Prajapâti, der'Gotf des Donners. «Habt Ihi' mich verstan-
den?›› Und die Asuras antworteten: «Du hast uns gesagt: Däyadbfvam,
laßt Gnade walten.›› Der heilige Text will sagen, daß die Mächte
der Tiefe der Anrufung des Sprechens Resonanz bietenm. p t
Das, so fährt der Text fort, läßt die Stimme Gottes im Donner ver-
nehmen: Unterwerfung, Gabe, Gnade. Da, da, da. , , I
Denn Prajapâti anwortet allen: «Ihr habt mich verstanden.» `
113 Es handelt sich hier, richtig verstanden, nicht um jene «Gaben», deren Fehlen man
den Novizen ankreidet, sondern um einen Ton, der ihnen häufiger fehlt, als ihnen
recht ist. - i- ^ W
"za A.d.Ü.: Vgl. die engl. Übersetzung von F. Max Müller, in: The Upanishads,
Part II, Oxford (Clarendon Press) 1884, S. 189 f. (== The..Sacred B001<S Of the
East, Bd. 15) (repr. Delhi, Patria, Varanasi [Motilal Banarsidass] 1965). '
"3 Ponge schreibt das «résom (1966). A.d.Ü.: Ein Wortspiel auf raison (Vernunft).
. ` 169
_
`›`__
___
ı1.
.
_'I`
DIE AUSRICHTUNG DER KUR UND
DIE PRINZIPIEN IHRER MACHT
_. I
1
vl
Ü _.
1 Erster Vortrag des an diesem Datum auf Einladung der Société française de psy-
cbanalyse versammelten internationalen Kolloquiums, ersdıienen in La Psycbanalyse,
vol. 6.
ı
1 I .
ı
3. Im übrigen haben wir angezeigt, daß wir unser Thema von der
Seite des Analytikers her angehen wollen.
Sagen wir, bei der Kapitaleinlage im gemeinsamen Unternehmen inve- 587
stiert nicht allein der Patient mit seinen Schwierigkeiten. Auch der
Analytiker mtíß bezahlen:
174
-“V
' «Wie die analytische Behandlung absdıließem, Revue franç. de Psycbanalyse, 1954,
IV, p. 519 et passim. Um den Einfluß einer solchen Ausbildung erkennen zu können,
lese man:Ch'.-H.Nodet, «Le Psydıa_naliste››, Uëvolution psychiatrique, 1957, No IV,
p. 68 9-691. ' _
175
“L-"""
5 Wir versprechen unsern Lesern, daß wir sie im Folgenden nicht mehr mit solchen
läppischen Formeln langweilen werden, die hier wirklich nur den Zweck haben zu
zeigen, wcihin es mit dem analytischen Diskurs gekommen ist. Wir sind somit bei
unsern ausländischen Hörern entschuldigt, die sicher dergleichen* nicht weniger in
ihrer Sprache haben, vielleicht aber nicht ganz so plattes Zeug. -
176
'WV'
wie jede andere sein soll. Er sagt sich, daß er hier mit einer Erscheinung
redinen muß, für die er nicht verantwortlich ist, und man weiß_,;mit
welchem Nachdruck Freud auf deren spontanes Auftreten beim' Pa-
tienten hingewiesen hat. »
Seit einiger Zeit belieben die Analytiker in den umwerfenden Revisio-
nen, mit denen sie uns beglücken, uns beizubringen, daß dieser Nach-
druck, hinter den sie sich lange verschanzt hatten, bei Freud eine Art
Flucht vor dem Engagement meine, welches im Situationsbegriff not-
wendig mitgedacht sei. Sie sehen, man ist hier ganz auf der Höhe.
Dabei ist's eher das bequeme Hochgefühl der Gebärde, mit der sie
die Gefühle, die sie ihrer Gegenübertragung zuschreiben, in die Schale
einer Waage werfen, auf der die Situation durch ihren Druck ins
Gleichgewicht kommen soll - wa_s für uns von der Misere eines Be:
wußtseins zeugt, die mit dem .Verzicht zusammenhängt, die wahre
Natur der Übertragung zu begreifen. R
Über das, was der Analysierte an phantasmatischen Gebilden auf
die Person des Analytikers ablädt, sollte man nicht in der gleichen
Weise vernünfteln wie darüber, wie ein idealer Spieler die`Absichten
seines Partners zu erraten versucht. Sicher auch Strategie gibt es dai,
aber man täusche sich nicht bei der Metapher des Spiegels, die ja
die glatte Oberfläche meint, die der Analytiker dem Patienten prä-
sentiert. Verschlossenes Gesicht und zugenähter Mund haben hier
durchaus nicht denselben Zweck wie beim Bridge. Eher versichert sich
der Analytiker damit der Hilfe dessen, was in diesem Spiel die franzö-
sische_Sprache «den Toten›› nennt, aber es geht hier darum, den Vierten
in Erscheinung treten zu lassen, der hier Partner des Analysierten wird,
dessen Spiel diesen der Analytiker durch seine Würfe erraten lassen
möchte: Dies ist die Fessel der, sagen wir: Selbstverleugnung, die der
Einsatz der Partie dem Analytiker in der Analyse anlegt. ,A
Man könnte hier bei der Metapher bleiben und sein Spiel bestimmen
je nachdem ob er <<rechts›› oder <<links›› vom Patienten Platz nimmt,
das heißt eine Stellung einnimmt, aus der er nach oder vor dem Vierten
spielt, das heißt vor oder nach diesem mit dem «Toten›› spielt. .
Dabei ist aber gewiß, daß die Gefühle des.Analytikers nur einen
möglichen Platz in diesem Spiel haben, den des «Toten››; und daß
durch dessen Wiedererweckung das Spiel läuft, ohne daß man weiß,
wer es führt. -
Dies der Grund, wafum der Analytiker weniger frei ist in seiner
Strategie als in seiner Taktik.
. _ 177.
6. Gehen wir weiter. Noch weniger frei ist der Analytiker in dem,
was Strategie und Taktik dominiert: in seiner Praxis nämlich, wo
er besser daran täte, sich nach seinem Seinsverfehlen als nach Seinem
Sein zu richten. '
Um die Dinge anders zu formulieren: Sein auf den Patienten gerichte..
tes Handeln entgeht ihm mit der Vorstellung, die er sich davon macht,
wenn er nicht dessen Anfang wieder aufgreift in dem, wodurch es
möglich wird, wenn er nicht an dem Paradox festhält, daß es etwas
von einer Vierteilung an sich hat, und noch einmal im Prinzip sich die
Struktur vornimmt, nach der jedes Handeln in die Realität eingreift.
Für die Psychoanalytiker von heute versteht sich dieser Bezug auf
die Realität von selbst. Abweichungen davon beim Patienten messen
sie nach dem Autoritätsprinzip der Erziehung aller Zeiten. Nur beru-
fen sie sich dabei auf die Lehranalyse, die garantieren soll, daß der
Realitätsbezug bei den Analytikern in ausreichendem Maße da ist,
was nicht darüber hinwegtäuschen kann", daß sie, wenn sie sich den
Problemen der Menschheit stellen, die sich an sie richtet, in ihren An-
sichten bisweilen doch ein wenig provinziell sind. Damit wird das
Problem nur auf eine individuelle Stufe zurückgeschoben..
Wenn sie also das Verfahren der Analyse bestimmen als Reduktion
der Abweichungen beim Subjekt, die dessen Übertragung und dessen
Widerständen zugeschrieben werden, die aber ausgezeichnet sind durch
Bezug auf die Realität, so kann es kaum beruhigen, wenn sie sich
laut auf die «ganz einfache Situation››- berufen, die die Analyse als
Maßstab dafür offerieren soll. Nun, bis zur Erziehung der Erzieher,
die so leicht über eine Erfahrung urteilen, die sie immerhin durchlaufen
mußten, wird noch einige Zeit verstreichen. . - _
Bei einer solchen Einschätzung nimmt man unwillkürlich an,.die Ana-
lytiker hätten dieser Erfahrung andere Richtungen geben müssen,
wenn sie, um sie selber zu erfinden, sich auf ihren Realitätssinn ver-
lassen mußten: ein Vorrang, den man sich nur schwer vorstellen kann.
Ein wenig sind sie selber unsicher, und sie bemühen sich drum so
peinlich, dabei die Formen zu bewahren.
Man begreift auch, daß, um eine so offensichtlich prekäre Konzeption
zu unterstützen, gewisse Leute jenseits des Ozeans das Bedürfnis ge-
habt haben, hier einen festen Wert einzuführen, der gleichsam das
Urmeter fürs Reale abgeben soll: das autonome ego. Dieses stellt
das vermeintlich organisierte Ensemble disparatester Funktionen dar,
durchdie dem Subjekt ein Gefühl der Angeborenheit vermittelt wer-
178
-flııgív
den soll. Das Subjekt hält man „dann für autonom, weil es abge-
schirmt sein soll von allen Konflikten der Person (non-conflictual
sp/oere)_[14]. _ „
Man erkennt hier eine uralte Täuschung, die von der allerakademisch-
sten Selbstbeobachtungspsychologie bereits als unhaltbar verworfen
wurde. Trotzdem wird ein Regredieren dieser Art gefeiert als Heim-
kehr in den Schoß einer «Allgemeinen Psychologie››. R t
Jedenfalls löst es die Frage nach dem Sein des Analytikersó. Eine
ganze Mannschaft von egos, die allerdings weniger gleichóe sind als
autonom (aber an welchem Ursprungssiegel sollten sie sich erkennen
im Dünkel ihrer Autonomiel) bietet sich den Amerikanern an mit
dem Versprechen, sie zur bappiness zu führen ohne die Autonomien,
gleichviel ob egoistische oder nicht, durcheinanderzubringen, die, um
soweit zu kommen, den American way of life mit ihren «konfliktloåfifl
Sphären» pflastern. p, r .
° In Frankreich hatte der oben zitierte Doktrinär des Seins prompt die folgende Lö-
sung parat: Das Sein des Psychoanalytikers ist angeboren [vgl. La P.D.A., I, p. r36].
'ia A.d.Ü.: Gleichklang von «egos» und migaux» im Französischen.
179
P-
von dem übrig bleibt, wenn er vor der Aufgabe' steht, zu deuten.
Daß er's doch selber sage, wenn, daß er ein Mensch sei, alles ist,
was er uns zur Antwort zu geben hat. Ob er's hat oder nicht, wäre
schon die ganze Geschichte: Trotzdem ist hier der Punkt, an dem
er umlenkt, nicht nur vor der Unverschämtheit des Geheimnisses, son-
dern weil es in diesem Haben um das Sein geht, und darum, wie.
Wir werden noch sehen, daß dieses Wie nicht bequem ist. F
So zieht er sich lieber auf sein Ich zurück und auf die Realität, von
der er einen Zipfel in der Hand hält. Aber nun ist er mit seinem
Patienten auf ich und Ich". Und was geschieht, wenn sie spinnefeind
sind aufeinander? Hier rechnetman dann listigerweise auf die Kom-
plizenschaft dessen, was man bei der Gelegenheit den gesunden Teil
des Ich nennt, denjenigen, der so denkt wie wir. _
-W. U. A. Z., kann man schließen, was uns zum Ausgangsproblem zu-
rückführt: meinetwegen die Analyse wiederzuerfinden.
Oder sie noch einmal zu machen: wobei wir die Übertragung als eine 592
besondere Form des Widerstands behandeln. A - ii
Viele verkünden dies. Ihnen stellen wir die Frage, die über diesem
Kapitel steht: Wer ist der Analytiker? Der, der interpretiert, indem
er sich die Übertragung zunutze macht? Der, der diese analysiert als
Widerstand? Oder der, der seine Vorstellung von der Realität auf-
zwingt? y ' ' `
Eine Frage, die denen, an die sie gerichtet ist, näher auf den Pelz
rückt und der man nicht so leicht ausweichen kann wie der Frage:
Wer spricht, mit der ein bestimmter meiner Schüler ihnen Löcher in
den Bauch redete, was die Patienten angeht. Denn ihre Antwort
ist die von'Ungeduldigen; wäre die Frage anders gestellt, ein Tier
unserer Spezies »wäre in noch ärgerer Weise tautologisch, sagen zu
müssen: Ich.
Ganz roh.
7 A.d.Ü.: Mais alors le voilà å je et ci moi avec son patient. Das Französische erlaubt
zu unterscheiden zwischen je als Subjekt eines Satzes in direkter Rede und dem Per-
sonalpronomen moi, das auclı für die Bezeichnung der psychischen Instanz des Ich ver-
wendet wird. Vgl. Funktion und Feld des Sprechens und der Sprache in der Psychoana-
lyse, oben S. 89 u. 148 und Das Spiegelstadium als Bilder der Ichfunktion, Oben
S. 61 ff. .-
180
II. Welcher Platz gehörtder Interpretation?
tung der Analyse, die zur Zeit in der Diskussion sind, zusammenfassen
soweit diese Aktualität die gegenwärtige Praxis derselben widerspie-
gelt, glauben wir, die Proportionen richtig wiedergegeben zu haben.
Will sagen: die untergeordnete Stellung, die die Interpretation gegen-
wärtig in der Psychoanalyse einnimmt. Nicht daß man den Sinn für
dieselbe verloren hätte, nur zeugt die Art und Weise, wie man an
diesen Sinn herangeht, durchweg von einer Verlegenheit. Kein Autor
stellt sich hier, ohne es mit allen möglichen Weisen verbaler Interven-
tion zu versuchen, die nichtDeutung sind: Erklärungen, Gratifika-
tionen, Antwortenauf den Anspruch und so weiter. Das Verfahren
verrät sich, sewie es dem Brennpunkt des Interesses sich nähert. Es
hat notwendig zur Folge, daß selbst ein Gedanke, der ausgesprochen
wird, das Subjekt zur Einsicht (insight) in eine seiner Verhaltensweisen
zu führen, speziell in die Bedeutung einer solchen als Widerstand,
jeden andern Namen annehmen kann: Konfrontation zum Beispiel
und wär's die des Subjekts mit seiner eigenen Aussage, nur nicht
Deutung, da es doch lediglich um eine erhellende Aussage geht. R
Auf rührende Weise bemüht sich ein Autor, der Gestalttheorie mit
Gewalt die Metapher abzugewinnen, mit deren Hilfe er zum Ausdruck
bringen könnte, was die Interpretation an' Entschiedenheit in eine
93 intentionale Ambiguität hineinbringen kann, welchen Abschluß in ein
2. Was sich so den Blicken entzieht, ist, wie man spürt, das Wesen
einerTransmutation im Subjekt, und dies ist um so schmerzlicher für
das Denken, als diese ihm- just in dem Augenblick entwischt, da sie
vor sich geht. Tatsächlich, den Finger zu heben genügt nicht, wenn
man zeigen will, wo Interpretation wirksam wird, man muß sich
schon radikal zu einem Konzept der Funktion des Signifikanten be-
kennen, um in den Griff zu bekommen, wie hier das Subjekt sich
einer Ordnung unterwirft, um von ihr verführt zu werden.
Will sie die Diachronie der unbewußten Wiederholungen entziffern,
muß die Interpretation in die Synchronie der hier sich zusammen-
fügenden Signifikanten etwas einführen, das schlagartig die Überset-
181
zung möglich macht - dies genau ist die Funktion des Andern im
Unterschlagungsgeschäft des Codes: seinetwegen erscheint in diesem
das fehlende Element.
Filigranartig taucht diese Bedeutung des Signifikanten in der Ortung
der analytischen Wahrheit auf, sobald ein Autor bei der Definition
der Aporien sich strikt an den Erfahrungszusammenhang hält. Man
lese Edward Glover und man ermißt, wie hoch der Preis ist, den
er für das Fehlen dieses Terminus zu zahlen hat. In seinen triftigsten
Konzeptionen findet er die Interpretation überall, weil er sie nirgends
festzumachen weiß, sogar noch in einer simplen ärztlichen Verordnung,
und man weiß nidıt, ob er sich selbst versteht,wenn er ganz einfach
erklärt, die Symptombildung sei eine fehlerhafte Interpretation des
Subjekts [13].
So gesehen wird die Interpretation zu einer Art Phlogiston: manifest
in allem, was man' zu Recht oder zu Unrecht versteht, sofern es nur
die Flamme des Imaginären speist mit jener reinen Parade, die unter
dem Namen der.Aggressivität sich an der Technik jener Zeit schadlos
hält (193 1, das ist noch neu genug, um noch von heute sein zu können.
Vgl. [1 3]).
Nur dadurch, daß die Interpretation schließlich im Hier uncl jetzt
dieses Spiels kulminiert, unterscheidet sie sich noch von der Lektüre
der signatura rerum, in der Jung mit Böhme rivalisiert. Ihr dahin
zu folgen, ginge nur wenig ans Sein unserer Analytiker.
Zu wissen, wieviel es bei Freud geschlagen hat, steht auf einem andern
Zifferblatt, weshalb es nicht überflüssig ist, zu verstehen, wie das
Uhrwerk auseinanderzunehmen ist. - 2
4. Wir wollen uns die Mühe ersparen, die Regeln der Interpretation
aufzuzählen. Nicht daß solche Regeln nicht zu formulieren wären, aber
5 Formeln machen Erklärungen notwendig, die wir nicht als bekannt
voraussetzen dürfen und die hier in der Kürze nicht zu geben sind.
Halten wir uns lieber an das, was man' beim Lesen der klassischen
Kommentare zur Interpretation immer wieder mit Bedauern feststellt:
wie wenig Vorteil man gerade aus den Gegebenheiten zieht, die man
vorantreibt. R
Um ein Beispiel zu geben: jeder bezeugt es auf seine Weise, daß,
damit eine Interpretation wohl begründet sei, nicht die Überzeugung
3 O, das statt vokalisiert zu werden als symbolischer Budıstabe für Sauerstoff, wie es
die Metapher nahelegt, der wir nachgehen, eher gelesenwerden kann als: Null, sofern
diese Ziffer die essentielle Funktion der Stelle in der Struktur des Signifikanten sym-
bolisiert.
183
J
zählt, die sie transportiert, sondern daß das Kriterium der Interpreta-
tion viel eher im Material zu sehen ist, das diese in der Folge zutage
bringt.
Indessen ist der psychologisierende Aberglaube so mächtig in den G31..
stern, daß man das Phänomen andauernd auf eine Zustimmung deS
Subjekts hin betrachtet und dabei völlig außer Acht läßt, was Freud
über die Verneinung° als Form der Bejahung ausführte, von der man
zumindest doch sagen muß, daß sie nicht einfach Luft ist. 3
So übersetzt Theorie, wie der Widerstand in der Praxis erzeugt wird.
Nichts anderes wollen auch wir zeigen, wenn wir sagen, es gibt keinen
andern Widerstand gegen die Analyse als den~des Analytikers selber.
u
I8/4 i
ıı
186
daß dies in diesem Fall nicht besser als durch den Vater geschehen
konnte, der ja, tatsächlich tot, die Position eingenommen hat, die
Freud als die des absoluten Vaters erkannt hat.
, _
9. Man kann sagen, daß die neuen Wege, durch die man den Marsch,
den der Entdecker eröffnet hat, legalisieren wollte, Zeugnis ablegen
von einer Begriffsverwirrung, die nur das Studium des besonderen
Falls rückgängig machen kann. Wir greifen daher im Folgenden ein
Beispiel auf,.das bereits zu unserer Lehre beigetragen hat. Es ist;
wohlgemerkt, von einem Autor von Rang, der durch seine Abstam-
mung ein besonderes Gespür für die Dimension der Deutung besaß.
187
Es handelt sich um Ernst Kris und um einen Fall, den er, was er uns
nicht verschweigt, von Melitta Schmideberg übernommen hat [1 5].
Es geht um ein in seinem intellektuellen Leben gehemmtes Subjekt, das
insbesondere unfähig ist zu einer Publikation seiner Forschungen -
es
dies wegen eines Zwangs zum Plagiat, dessen es anscheinend nicht
Herr zu werden vermag. Soweit das subjektive Drama.
Nach Melitta Schmidebergs Auffassung handelt es sichgum die Rekur-
renz eines kindlichen Vergehens - der Patient hatte Süßigkeiten
und Bücher gestohlen -, und auf diesem Wege unternahm sie dann
auch die Analyse des unbewußten Konflikts. I
Ernst Kris schmeichelt sich, den Fall in einer methodischen Deutung
wiederaufzunehmen, die von der Oberfläche in~die Tiefe vordringen
soll, wie er sagt. Daß er sie in den Schutz der Hartmannschen Ich-Psy-
chologie stellt, die er unterstützen zu müssen glaubt, ist.Beiwerk ange-
sichts dessen, was nun geschieht. Ernst Kris ändert die Perspektive
des Falls und gibt vor, dem Subjekt den insig/at eines neuen Anfangs
zu vermitteln ausgehend von einer Tatsache, die nur eine Wiederho-
lung von dessen Zwang darstellt, bei der Kris jedoch lobenswerterweise
sich nicht mit den Aussagen des Patienten -zufriedengibt. Als dieser
nämlich behauptet, er hätte gegen seinen Willen die Ideen zu einer
von ihm eben fertiggestellten Arbeit einem Werk éntnommen, das
ihm nun ins Gedächtnis kommt, wodurch ihm eine nachträgliche Kon-
trolle möglich wird, schlägt _er nach undentdeckt, daß nichts VOD
alledem über das in wissenschaftlichen Kreisen übliche Maß hinaus-_
geht. Kurz, als er sich vergewissert hat, daß sein Patient nicht plagia-
torisch belastet ist, so sehr er es zu sein glaubt, geht er daran ihm
zu zeigen, daß er es sein will, um sich daran zu hindern, es wirklich
zu sein - was heißt: die Abwehr vor dem Trieb zu analysieren,
der sich hier in der Hinneigung zu den Ideen der andern manifestiert.
Dieses Eingreifen kann man als einen Irrtum ansehen aus dem ein-
fachen Grund, weil es Abwehrund Trieb als konzentrisch auffaßt
und meint, es sei sozusagen das eine nach dem andern gemodelt. '
Der Beweis dafür, daß es auch wirklich Irrtum ist, liegt da, wo Kris
es bestätigt sieht: In dem Augenblick nämlich, als er den Kranken
glaubt fragen zu können, was er von der dergestalt umgekehrten Weste
hält, gibt ihm der nach kurzem Nachsinnen zur Antwort, seit einiger
Zeit streiche er nach Verlassen der Sitzung durch eine Straße voll
netter kleiner Restaurants und halte auf den Speisekarten Ausschau
nach seinem Lieblingsgericht: frischem Hirn.
188
I
4 _J
Ein Geständnis, das nicht so sehr als eines betrachtet werden darf,
das durchs Material, das es bringt, das Gelingen des Eingreifens bestä-
tigt, sondern uns vielmehr den korrigierenden Wert eines acring out
zu haben scheint im Bericht selbst, den es davon gibt.
Solcher Senf nach dem Essen, der dem Patienten in die Nase steigt,
scheint mir eher dem Gastgeber zu sagen, daß er beim Auftragen
fehlte. So zwanghaft, ihn zu riechen, sein mag, er ist ein him; als
zweifellos passageres Symptom warnt er den Analytiker: Sie sind
daneben. p
Sie sind daneben, wiederhole ich, und wende mich der Erinnerung
an Ernst Kris zu, die in mir iaufsteigt, denk ich an den-Kongreß
von Marienbad, wo ich am Tag nach meinem Vortragüber das Spiegel-
stadium mich verabschiedete, um dem Wind der Zeit nachzuspüren,
einer Zeit voll .dunkler Verheißungen, an der Olympiade in Berlin.
Liebenswürdig hielt mir Kris entgegen: «ça ne se fait pas››, hier bereits
diesem Hang zum. Respektierlichen nachgebend, der im vorliegenden
Fall vielleicht sein Vorgehen beeinflußt hat. -
Ist's das, Ernst Kris, was Sie in die Irre führt, oder nur, daß Ihre Ab-
sichten gerade seien, weil's Ihr Urteil auch ist, woran kein Zweifel sein
kann, wenn nicht die Dinge wären, die schuld sind an der Schikane.
Nicht daß Ihr Patient nicht stiehlt, ist hier entscheidend. Entscheidend
ist, daß er nicht . .. Nein, nicht «nicht››: daß er nic/ots stiehlt. Und
genau das hätte man ihm zu verstehen geben sollen.
Gerade umgekehrt als Sie glauben läßt ihn nicht seine Abwehr gegen
die Idee zu stehlen in der Meinung, daß er stiehlt. Vielmehr: daß
er einen Gedanken haben könnte, wozu.ihm der Gedanke nicht kommt
oder ihiı doch kaum streift. - t
Es ist also nutzlos, ihn in diesen Prozeß zu verwickeln und durch-
blicken zu lassen, wo Gott selbst sich nicht erkennen könnte, was
sein Kollege ihm an 'mehr oder weniger Originellem klaut, wenn er
mit ihm ein Schwätzchenmacht. B I
Sollte diese Lust auf frisches Hirn nicht Ihre eigenen Begriffe aufzu-
frischen vermögen und Sie in den Thesen von Roman Jakobson an
die *Funktion der Metonymie erinnern, auf die wir gleich noch zu
sprechen kommen werden. A
Sie reden von Melitta Schmideberg, als ob sie die Kriminalität mit
dem Es verwechselt hätte. Ich bin da nicht so sicher, und wenn ich
an den Aufsatz denke, in dem sie den Fall zitiert, so suggeriert mir
die Abfassung des Titels eine Metapher. A .
. 189
- - . " ~___' _. .. ' 'I.:-im
190 I
ıı.
Die Vorstellung aber, daß die Oberfläche die Ebene des Oberflächlichen
ist, ist selbst gefährlich. R _
Eine andere Topik tut ınot, damit man sich nicht im Platz des Be-
gehrens irre.
02 Das Begehren von der Karte wischen, das doch schon in der Landschaft
des Patienten verschüttet ist, ist nicht die beste Nachfolge, die Freuds
Unterweisung haben konnte. P .
Noch ist dies das Mittel, mit der Tiefe Schluß zu machen, denn diese
wird auf der Oberfläche sichtbarfwie eine Flechte, die an Festtagen
im Gesicht erblühtı. i i
Q
I .
1. Wir wollen uns auf die Arbeit unseres Kollegen Daniel Lagache
beziehen, um uns ein exaktes historisches Bild machen zu können
von den Arbeiten, die in Freuds Umkreis in Fortsetzung seines Werks
und in der Folgezeit der von ihm entdeckten Übertragung gewidmet
worden sind. Indem Lagache in die Funktion des Phänomens Struktur-
unterscheidungen einführt, die für die Kritik desselben von essentieller
Bedeutung sind,. erweitert er den Gegenstandsbereich seiner Arbeit.
Wir erinnern hier nur an die recht gelungene Formulierung einef Wech-
selbeziehung zwischen Wiederholungsbedürfnis und Bedürfniswieder-
holung, die das Phänomen in seiner letzten Natur erfaßt. _
Nun wird durch eine Arbeit dieser Art, wenn anders wir daraus in
unserer Lehre die gemeinten Konsequenzen gezogen haben, speziell
durch die Einteilung, “die sie einführt, recht deutlich, wie sehr die
Diskussion des Problems auf Teilaspekte sich versteiftıhat, insbeson-
dere wie der allgemeine Gebrauch des Begriffs, selbst in der Analyse,
seiner fragwürdigsten, wenn auch geläufigsten Auslegung verhaftet
bleibt: indem man aus ihm die Abfolge oder Summe aller positiven
oder negativen Gefühle macht, die der Patient seinem Analytiker
zuwendet. A e
Um abschätzen zu können, wie weit wir damit in unserer wissenschaft-
lichen Gemeinsdıaft sind, ist zu sagen, daß, so' sehr dies auch zu
fordern wäre, weder Ubereinstimmung noch Klarheit herrschen in den
folgenden Punkten: Handelt es sich um denselben Effekt der Bezie-
_ I9I
--¬-:-_--- -
-¬-a:-_-3.
2. Dieser Begriff ist für die analytische Aktion, zu der wir hier zurück-
kehren wollen, von so zentraler Bedeutung, daß, wie wir hier sagen
können, an ihr sich der Partialcharakter der Theorien messen läßt,
an welchem die Reflexion derselben haltmacht. Damit ist gesagt, daß
man nicht fehlgehen kann im Urteil, wenn man sich an die Hand-
habung der Übertragung hält, die ausiihnen folgt. Solcher Pragma-
tismus ist angemessen. Denn diese Handhabung der Übertragung ist
eins mit ihrem Begriff, und so geringfügig bearbeitet dieser in der
Praxis auch sein mag, er kann sich nur an den Einseitigkeiten der
Theorie ausrichten.
Andererseits kann man nicht sagen, daß die verschiedenen gleichzeitig
nebeneinander bestehenden Einseitigkeiten sich ergänzten. Worin sich
bestätigt, daß sie an einem zentralen Fehler leiden.
Um hier bereits ein wenig Ordnung einzuführen, reduzieren wir diese ~.
Besonderheiten der Theorie auf drei, auch wenn wir uns damit selbst
zu einer Parteinahme bekennen müßten, die aber weniger gravierend
ist, weil sie nur der Darstellung dient.
4
will, mit einer besonderen Technik, derjenigen nämlich, die das We-
sentliche dieses Vorgehens in der Analyse der Abwehrmechanismen
erblickt.
Diese Verbindung ist historisch offenkundig. Man kann sogar sagen,
daß sie anders gar nicht besteht, weil sie ausschließlich konstituiert
ist durch ein Versagen der Solidarität, die sie vorgibt. .
Ausgangspunkt derselben ist, wie man zeigen kann, der legitime Glau-
be an den Begriff eines unbewußten Ich, in dem Freud seine Lehre
einer Neuorientierung unterzog. Weiterzugehn bis zu der Annahme,
die unter seiner Funktion versammelten Abwehrmechanismen folgten
in ihrem Auftreten ihrerseits einem Gesetz, das jener Abfolge von
Phasen gleichen, ja sogar mit ihr korrespondieren sollte, durch' die
Freud das Zutagetreten des Triebs mit der Physiologie zu verknüpfen
versucht lıatte, ist der Schritt, den Anna Freud in ihrem Buch «Das
Ich und die Abwehrmechanismen» vorschlägt, und den sie durch die
Erfahrung überprüft haben wollte. t . ` -
Dies hätte in der Tat die Gelegenheit sein können für eine fruchtbare
Kritik der Beziehungen zwischen der Entwicklung und jenen offenbar
komplexeren Strukturen, die Freud in die Psychologie eingeführt hat.
Aber die Operation rutschte tiefer, so viel größer war die Verlockung,
in die beobachtbaren Etappen dersensomotorischen Entwicklung und
des intellektuellen Wachstums jene Mechanismen hereinzunehmen, die
vom Fortschritt derselben sich sollten abheben lassen, wieeman glaub-
IIC.
Man kann sagen, daß die Hoffnungen, die Anna 'Freud an dieses
Unternehmen knüpfte, enttäuscht worden sind. Die analytische Tech-
nik ist damit in nichts aufgeklärt worden, wenn auch die Details,
die eine durch die Analyse aufgeklärte Beobachtung von Kindern zu-
tage fördern konnte, manchmal sehr suggestiv sind. '
Der hier als Alibi für eine verunglückte Typologie fungierende Begriff
des pattern begünstigt eine Technik, die zur Aufdeckung eines in-
aktualen pattern sich an dessen Differenz zu einem pattern festklam-
mert, das_ in seinem Konformismus die Garantie seiner Konformität
hat. Beschämend, welche Erfolgskriterien aus solcher Falschmünzerei
resultieren: Aufstieg in eine .höhere Gehaltsklasse„der Notausgang
einer Liaison mit der Sekretärin, welche den biederen Ehetrabern zu
einem gelegentlichen Galopp verhilft, der Beruf und die politische
Gemeinschaft, das alles scheint uns nicht so recht würdig, den im
planning des Analytikers, ja sogar in seiner Interpretation artikulier-
_ 193
ten Appell an die Zwietrachtnfi der Lebens- und Todestriebe zu
erheischen - selbst wenn es sich noch so präremiög als ein Beitı-Q
zum Problem der «Ökonomie›› versteht, die hier, völlig widersprüqhlicš
zum Denken Freuds, als Spiel eines in seinem Gegensatz homologen
Kräftepaars auftritt.
194
Dieses erstrangige Thema erfährt eine summarische Entwicklungda-
durch, daß`dem prägenitalen Charakter insgesamt die Züge eines pro-
jektiven Irrealismus, eines mehr oder weniger dosierten Autismus,
der Befriedigungsrestriktion durch Abwehr, der Objektkonditionie-
rung verliehen werden, diese letzte durch eine Isolation, die doppelt
Schutz bieten soll vor den Zerstörungskräften, die auf ihn gerichtet
sind, ein Amalgam also sämtlicher Störungen der Objektbeziehung,
das die extreme Abhängigkeit aufweisen soll, die daraus für das Sub-
jekt resultiert. Ein Gemälde, das trotz seiner gewollten Verworrenheit
recht zweckmäßig wäre, müßte es nicht als Negativ dienen zu jenem
Schäferidyll des «Übergangs von der prägenitalen zur genitalen Form››,
wo' die Triebe <<nicht länger jenen Charakter eines unbändigen, gren-
zenlosen, unbedingten, Zerstörung nach sich ziehenden Besitzstrebens
annehmen.›› Sie sind dann «wahrlich zärtlich und liebevoll, und zeigt
sich das Subjekt hier nicht allzu opferwillig, das heißt' desinteressiert,
und sind diese Objekte» (hier erinnert sich der Autor an meine Bemer-
kungen) «zutiefst narzißtische Objekte wie indem oben geschilderten
Fall, wird es ihm möglich, den andern zu begreifen, sich ihm anzu-
passen. Überhaupt zeigt die innerste Struktur dieser objektalen Bezie-
6 hungen, wie unabdingbar es für das Glück des Subjekts ist, daß das
Objekt an seiner eigenen Lust teilhabe. Die Vorlieben, die Begierden,
die Bedürfnisse des Objekts (was für ein Salat!)12 sind von allergrößter
Wid1tigkeit.›› B `
Gleichwohl ist dann «das Ich hiervon einer Beständigkeit, die nicht Ge-
fahr läuft, durch den Verlust eines bedeutenden Objekts” gefährdet zu
werden. Es bleibt unabhängig von seinen Objekten.›› ' :-
«Seine Organisation verlangt, daß das Denken, das es sich aneignet,
essentiell logisch ist. Es kennt nicht die spontane Regression auf ar-
chaische Weisen in -der Auffassung der Realität, affektives Denken
und magischer Glaube spielen dabei nur eine absolut zweitrangige
Rolle, die Symbolisierung geht in ihrem Ausmaß und in-ihrer Be-
deutung nicht über das hinaus, was im Leben üblich (!!)14 ist. Der
Stil der Beziehungen zwischen Subjekt und Objekt ist hier auf das
Höchste entwickelt (sic).››14“ , s
Das also ist jenen versprodıen, die «am Schluß einer geglückten Ana-
lyse . . . sich des enormen Unterschieds bewußt werden zwischen dem,
1' Klammer vom Autor dieses Vortrags.
13 A.d.Ü.: Großgeschrieben im Original.
1' und "R Klammer vom Autor dieses Vortrags.
r 19:
was sie sich ehedem unter Seırualfreuden vorstellten und dem, was
nun ihre Empfindung ist.›› L ~
Man versteht, daß für die, die von vorneherein über diese Freude
verfügen, «die Genitalbeziehung sich - um es direkt zu sagen - ohne
große Geschichten vollzieht» [21
Ohne Geschichten außer der, auf umwerfende Weise sich zu paaren
in dem Wort: se taper le derriêre au lustrels, dessen Platz uns hier
markiert scheint für den künftigen Scholiasten, der hier sein ewiges
Geschäft wird aufnehmen können. t
196
diese heftigen Ausfälle sich praktisch richteten), sich vorstellen können,
unsere Kunst hätte darin bestanden, den sexuellen Appetit bei Drüsen-
gestörten anzuregen _-_ und dabei haben wir zur Physiologie der Drü-
sen nicht dås Geringste beigetragen und brauchen auch herzlich wenig
davon zu verstehen.
6. Wenigstens drei Seiten braucht eine Pyramide, auch eine aus Häre-
sie. Die, welche den hier im Aufklaffen der Übertragungskonzeption
beschriebenen Zweiflächer schließt, möchte, wenn man so sagen darf,
dessen Ränder wieder verbinden. t - '
Wenn die Übertragung ihre Kraft daran hat, daß sie auf die Realität
zurückgeführt wird, deren Repräsentant der Analytiker ist, und es
sich darum handelt, das Objekt” in der Treibhausluft einer geschlosse-
nenSituation heranreifen zu lassen, bleibt dem Analysierten, wenn der
Ausdruck erlaubt ist, nur noch ein Objekt zu knacken: und das wäre
der Analytiker. ._ .;
Daher der Begriff einer intersubjektiven Introjektion, der, unglücklich
in einer Zweierbeziehung installiert, unsere dritte Verwechslung dar-
stellt. . , , i ' ~
Tatsächlich geht es um einen verbindenden- Weg, dessen Metapher
die diversen theoretisd-ıen Soßen, die ihn, bezogen auf die jeweilige
Topik, gängig machen, nur bewahren können, indem sie sie variieren
nach dem Operationsniveau, das sie für seriös halten: Introjektion
bei Ferenczi, Identifizierung mit dem Über-Ich des Analytikers bei
Strachey, narzißtische Endverzückung bei Balint.
8 Wir' wollen die Aufmerksamkeit auf die Substanz dieser mystischen
Speisung lenken, und wenn wir uns dabei einmal mehr auf das be-
ziehen müssen, wa_s vor unserer Türe passiert, so deshalb, weil die
analytische Erfahrung bekanntlich ihre Kraft aus dem Besonderen
schöpft. t
So scheint uns, daß man die Wichtigkeit, die in der Kur dem Phan-
tasma des phallischen Verschlingens beigemessen wird, für welches
das Bild des Analytikers herhalten muß, hervorheben sollte -in ihrem
Zusammenhang mit einer Ausrichtung der_Kur, die sie ausschließlich
mit der Einrichtung der Distanz zwischen dem Patienten und dem
Analytiker als Objekt der Dualbeziehung in Verbindung bringt. il
Denn so schwachsinnig die Theorie auch sein mag, vermittels welcher
i 197
'ff-f- f :. „_“--"jij E _- _ ____.L_ '___ 2 ¦ ¦ ' ._ _. . _- _ _: _-___-†_ .. ---'HP'
8. Daß der Nichtanalytiker unter den Lesern sich nur nicht täusche:
Durchaus nicht soll hier der Wert einer Arbeit herabgemindert werden,
auf die das Vergilsche Epitheton improbus genau zutrifft.
612 Wir verfolgen hier keine andere Absicht als den Analytikern warnend
` ıoı
F-.4-ø - “ '
vor Augen zu führen, wie ihre Technik ins Gleiten gerät, wenn Sle
nicht erkennen, wo in Wahrheit sich deren Wirkung entfaltet.
Bei all der Hartnäckigkeit in den Versuchen, eine Definition dieses
Orts zu finden, kann man nicht sagen, daß die Erfahrung, die dıe
Analytiker aufrollen, so bescheiden sie auch sein mag und so fiktıv
die Positionen auch sind, auf die sie sich zurückziehen, immer un-
fruchtbar bliebe. . t
Genetische Untersuchungen und direkte Beobachtung haben sich durch-
aus nicht von einer eigentlichen analytischen Beseelung abgelöst. Wır
selbst haben, als wir uns in unserem“ Seminar ein Jahr lang mit dem
Thema-der Objektbeziehungen beschäftigt haben, auf den Wert einer
Konzeption hingewiesen, die in aller Deutlichkeit herausstellt, iílnß
die Beobachtung des Kindes an der Funktion des-Bemutterns in _Clf›`I`
Objektgenese sich zu orientieren hat. Wir denken an den Begriff elflee
Übergangsobjekts, der, eingeführt von D. W. Winnicott, ein Schlüssel
zur Erklärung der Genese des Fetischismus ist [27]. ~
Bleibt,`daß die offenkundigen Zweifel über die großen Freudschen
Begriffe, die einem bei der Lektürekommen, den Schwächen korrelle*
ren, die die praktische Arbeit erschweren. Was wir damit sagen Wollen
ist, daß Forscher und Forschergruppen, je deutlicher Sie SPÜf°n› fíaß
sie in Sackgassen geraten bei dem Versuch, ihr Handeln in seiner
Authentizität zu bestimmen, dieses um so eher in die Richtung emef
Machtausübung zwingen wollen. _
Soldıe Macht substituieren sie der Beziehung zum Sein, in der jeneS
Handeln seinen Platz einnimmt, und begeben sich so seiner Mıttel,
namentlich der der Sprache, ihrer wahrhaften Erhabenheit. Daher
ist es eine, wenn audi noch so befremdliche, Art Wiederkehr des Ver-
drängten, die von Anmaßungen aus, die am wenigsten dazu angetan
sind, sich mit der Würde jener Mittel zu belasten, diesen Bindungsfehler
aus einem Rekurs auf das Sein als Gegebenheit des Realen entstehen
läßt, wobei der hier herrschende Diskurs jede Frage von sich weıst, die
superbe Plattheit nicht schon erkannt hätte.
202
¦'¬-ıııııılIl""'»~ f
ı-
_,
13 Berichtigung des Textes im vorletzten Satz und in der ersten Zeile des folgenden
Abschnittes (ı966)._ v
203
peutin wie Schriftstellerin aiıszeichnet. Es ist kein gewöhnlicher Zug,
daß sie ihre Eitelkeit nicht verbergend vom Analytiker eine Allwissen-
heit verlangt, mit deren Hilfe dieser die Absichten in den Diskursen
des Analysierten soll lesen können.
Man muß ihr dafür danken, daß sie, was die Schulung des Praktikers
anbelangt, literarische Bildung an die ersteiStelle setzt, selbst wenn
ihr dabei zu entgehen scheint, daß in der vorgeschlagenen Minimallek-
türe Werke der Einbildungskraft dominieren, in denen der Signifikant
61
des Phallus kaum verhüllt eine zentrale Rolle spielt. Das beweist
nur, daß die Auswahl ebenso von Erfahrung geleitet ist wie es ihr
glüdtt, prinzipielle Unterweisung zu geben. ~ ' ~
\
die das Ende der Analyse auf das Kategorischste durch die Identifika-
tion des Subjekts mit dem Analytiker definiert haben. Gewiß, die
Auffassungen darüber, ob es sich dabei um dessen“ Ich oder Über-Ich
handelt,_gehen auseinander. So leicht läßt sich die Struktur, die Freud
im Subjekt freilegte, nicht meistern, wenn man versäumt, in der-
selben das Symbolische vom Imaginären und vom Realen zu unter-
scheiden. ` _
Sagen wir nur, daß Anstoß erregende -.Aussagen dieser Art nicht ge-
macht würden, wenn die, die sie vortragen, nichts dazu drängte. Die
von Melanie Klein in der Praxis entfaltete Dialektik der phantasierten
Objekte läßt sich tendenziell in eine Theorie übersetzen, die auf Iden-
tifikationsbegriffen aufbaut. e t
Denn diese Objekte, die, partial oder nicht partial, bestimmt signifi-
kant sind, Brust, Kot oder Phallus, gewinnt oder verliert zweifelsohne
das Subjekt, das von ihnen zerstört wird oder sie beschützt, das vor
allem aber diese Objekte ist je nach dem Platz, an dem diese in seinem
fundamentalen Phantasma funktionieren, und dieser Modus der Iden-
tifikation zeigt nur die Pathologie der abschüssigen Bahn, auf die
das Subjekt gestoßen wird in einer Welt, in der seine Bedürfnisse
auf Tauschwerte reduziert sind, wobei diese abschüssige Bahn ihre
radikale Möglichkeit nur an jener Mortifikation hat, die der Signifi-
kant über das Leben des Subjekts verhängt, indem er es nummeriert.
7. Der Analytiker ist der Mensch, zu dem man spricht und zu dem
man frei spricht. Dafürist er da. Washeißt das? _
Alles, was man über die Verbindung von Ideen sagen kann, ist nur
psychologistische Einkleidung. Die mitgeteilten Wortspiele sind weit
davon entfernt - und"außerdem ihrem Begriff nach so unfrei wie nur
etwas. V
Die Freiheit, die das Subjekt, eingeladen in der Analyse zu sprechen,
zeigt in dem, was es sagt, ist in Wirklichkeit nicht allzu groß. Nicht,
daß es streng an der Kette seiner Assoziationen liegt, die es ohne
Zweifel unterdrücken, sondern daß diese auf ein freies Sprechen, auf
ein volles Sprechen zusteuern, könnte ihm peinlich werden.
Nichts fürchtet man mehr, als etwas zu sagen, das wahr sein könnte.
Denn es würde es ganz und gar, wenn es das wäre, und Gottweißwas
geschieht, wenn etwas, weil es wahr ist, nicht mehr in die Ungewißheit
zurücktreten kann. a '
Ist dies der Prozeß der Analyse: ein Fortschreiten' der Wahrheit?
132 A.d.Ü.: tour pour Pautre, mon semblable heißt eigentlich «Alles für den andern,
meinen Nädıstens, wobei aber das Wortspiel mit semblable untergeht.
206 ' ,
Schon höre ich die Jüngelchen tuscheln von meinen intellektualistischen
Analysen und daßich, wenn ich pointiert formuliere, das Unaussprech-
liche zu bewahren wisse. i
Daß unser Hören sich jenseits des Diskurses einrichte, ich weiß es
so gut wie irgendwer, wenn ich mich nur entscheide zu hören und
nicht abzuhören. Ja, gewiß, nicht den Widerstand abzuhören, nicht
die Spannung, den Opisthotonus, die Blässe, nicht die_Adrenalinentla-
dung (sic), in der sich ein stärkeres Ich (resic) weiterbilden soll: was
ich höre, höre ich nach dem Vernehmen. s
Das Vernehmen zwingt mich nicht zu verstehen. Was ich vernehme,
bleibt darum nicht weniger ein Diskurs, und wäre dieser so wenig
diskursiv wie ein Ausruf. Denn ein Ausruf ist der Sprache (langage),
nicht dem expressiven Schrei zuzuordnen. Es ist ein Teil des Diskurses,
der_das keinem andern abtritt wegen der Syntaxwirkungen in einer
bestimmten gegebenen Sprache (langue déterminée). < A
7 Auf das, was ich zweifelsfrei vernehme, habe ich nichts wieder zu sa~
gen, wenn ich davon nichts verstehe, und verstände ich etwas, wäre ich
sicher, mich zu täuschen. Das könnte mich nicht daran hindern, darauf
zu antworten. Das geschieht außerhalb der Analyse in einem solchen
Fall. Ich schweige. Jedermann ist einverstanden, daß ich den Sprecher
frustriere, er selber zuerst, ich auch. Warum? ~
Wenn ich ihn frustriere, so weil er von mir etwas beansprucht. Ihm
zu antworten eben. Aber er weiß wohl, daß es nur Worte wären.
Wie er sie von jedem beliebigen haben kann. Es ist nicht einmal
sicher, ob er es mir zu danken hätte, wenn es gute Worte, noch weniger,
wenn es schlechte wären. Solche Worte beansprucht er garnicht von
mir. Er beansprucht von mir . . . aus der Tatsache heraus, daß
er spricht: sein Anspruch ist intransitiv, er verlangt nicht nach einem
Objekt. . .
Gewiß, sein Anspruch erhebt sich auf dem Feld eines impliziten An-
spruchs desjenigen, um dessen willener da ist: ihn zu heilen, ihn
ihm selbst zu enthüllen, ihn mit der Psychoanalyse bekannt zu machen,
ihn zum Analytiker zu qualifizieren. Aber dieser Anspruch, er weiß
es, kann warten. Sein momentaner Anspruch hat damit nichtszu
tun, es ist nicht einmal seiner, denn letztlich habe ich ihm ja angeboten
zu sprechen. (Einzig das Subjekt ist hier transitiv.) '
Es ist mir also alles in allem gelungen, was man allgemein in der
Handelswelt gerne mit solcher Leichtigkeit zustande gebracht sähe:
Mit dem Angebot habe ich die Nachfrage geschaffen. -
a ' 207
8. Aber es ist dies, wenn man so sagen kann, ein radikaler Anspruch,
Ganz bestimmt hat Madame Macalpine recht, ausschließlich in der
analytischen Regel den Motor der Übertragung zu suchen. Doch sie
irrtisich, wenn sie im Fehlen jedes Objekts einen offenen Zugang
zur infantilen Regression sieht [24]. Solches wäre eher ein Hindernis,
denn wie jedermann, an erster Stelle der Kinderanalytiker, weiß,
braucht es eine Menge kleiner Gegenstände, um eine Beziehung mit
dem Kind zu unterhalten. j
Durch das Mittel des Anspruchs öffnet sich die ganze Vergangenheit
bis zum. Grund der ersten Kindheit. Ansprüche stellen, das Subjekt
tat nie anderes, konnte überhaupt dadurch_ nur leben, und wir greifen
dies auf. _ i
Diesen Weg kann die analytische Regression nehmen und sie stellt
sich in der Tat auch so dar. Man redet von ihr, als ob das Subjekt
sich als Kind gebärden wollte. Zweifelsohne kommt so etwas vor,
wobei solches Getue nichts Gutes ahnen läßt. Sie weicht jedenfalls
von dem ab, was man für gewöhnlich in dem, was man für Regression
hält, beobachtet. Denn die Regression demonstriert.ja nichts anderes
61
als die Wiederkehr und Vergegenwärtigung von Signifikanten, die
in Ansprüchen kursieren, die verjährtsind. A `
11. Es besteht nun also kein Bedürfnis mehr, noch weiter die Trieb-
feder der Identifikation mit dem Analytiker zu suchen. Die Identifika-
tion kann sehr unterschiedlich sein, aber es wird immer eine Identifi-
kation mit Signifikanten sein.
In dem Maße wie eine Analyse sich entwickelt, hat es der~Analytiker
nach und nach mit sämtlichen Artikulationen des Anspruchs des Sub-
jekts zu tun. Er darf darauf, wie wir später noch sagen werden,
nur aus der Übertragungshaltung antworten.
Wer würde im übrigen nicht unterstreichen wollen, wie wichtig das
ist, was man die permissive Hypothese der Analyse nennen könnte!
y zog
1
Indessen bedarf es, damit das, was nicht verboten ist, obligatorisch
werde, keiner eigenen Politik.
Analytiker, die wir fasziniert nennen von Folgeerscheinungen der Fru-
stration, nehmen nur eine Suggestionshaltung ein, die das Subjekt
aufs Herumreichen seines Anspruchs reduziert. Ohne Zweifel ist mit
emotionaler Reedukation gerade das gemeint. W
Güte ist dabei zweifelsohne nötiger als anderswo, doch kann diese die
Übel nicht heilen, die sie selber auf den Plan ruft. Ein Analytiker,
der das Wolıl des Subjekts will, wiederholt, wozu er selber gebildet,
ja manchmal sogar verdreht wurde. Auch die abwegigste Erziehung
hatte nie anderes im Auge als das Wohl des Subjekts. i
Es gibt eine Theorie der Analyse, die im Gegensatz zum vorsichtigen
Aufbau der Analyse bei Freud den Bereich der Symptome auf die
Angst reduziert. Daraus folgt eine Praxis, in der sich das, was _ich
gelegentlich die-obszöne und blutrünstige Erscheinungsform des Über-
Ich genannt habe, niederschlägt, .woraus für die Übertragungsneurose
kein anderer Ausgang ist als: den Kranken sich setzenzu heißen,
ihm durch das Fenster die ladıenden Seiten der Natur zu zeigen und
zu sagen: «Los! Nun seien Sie mal ein artiges Kind» [22].
I. Ein Traum ist schließlich nur ein Traum, wie man heute hören
kann [22]. Ist das nichts, daß Freud in ihm das Begehren” erkannte?
Das Begehren, niclıt die Triebe. Man muß eben die «Traumdeutung››
lesen, wenn man wissen will, was Freud dort <<Wunsch›› nennt.-
Halten wir bei der Vokabel «Wunsch›› und dem entsprechenden 'wish
im Englischen und unterscheiden wir beide von dësir, da beide losgehen
1° A.d.Ü.: Die folgenden Sätze sind ein Grund, daß wir Lacans zentralen Begriff des
dëfíf mit "Be8°hI'ßn», nicht mit «Wunsdu übersetzen. Daraus ergeben sich Probleme
der Rückübersetzung. So folgt aus unserer Entscheidung, daß der Satz le rêfve est la
rëalisatiøn d'ım dêsir wiederzugeben wäre rnit: «Der Traum ist die Verwirklidıung
eines Begehrens››, wobei der deutschsprachige Leser im Auge behalten muß, daß bei
Freud von «Wunsd1erfüllung» die Rede ist. Lacan selbst verweist auf «Begehren››, so
in dem Vortrag über die «Bedeutung des Phalluss, der in «Sdıriften II» enthalten
sein wird. Vgl. audı J. Laplandıe und J.-G. Pontalis, Das Vokabular der Psychoana-
lyse, Frankfurt a. Main 1972, S. 634 ff. ' . '
210
wie naß gewordene Knallfrösche, was nichts weniger als die Vorstel-
lungvon Konkupiszenz erweckt. Dem entspricht im Französischen
das Wort voeu.
Voenx, Wünsche, können fromm sein oder sehnsüchtig, sie können
aufsässig sein und sie können einen hereinlegen. Eine Frau kann einen
Traum haben, der von keinem andern Begehren beseelt ist, als Freud,
der sie mit der Theorie bekannt gemacht hat, derzufolge der Traum
ein Begehren ist, den Beweis zu liefern, daß es sich damit durchaus
nicht so verhält. Der entscheidende Punkt ist, daß das Begehren sich
artikuliert in einem Diskurs, der voll List ist. Nicht weniger wichtig
ist es jedoch zu sehen, was die Konsequenz davon ist, daß Freud
sich begnügt, hierin das Traumbegehren und die Bestätigung seines
Gesetzes zu erkennen, denn nurso läßt sich begreifen, was Begehren
in seinem Denken_heißen soll. _ A
Dessen Exzentrik geht bei ihm sogar noch weiter, da ein Straftraum
mitunterdas Begehren nada dem bezeichnet, was die Strafe ,unter-
drückt. = _ _
Bleiben wir nicht bei den Schubladenetiketten stehen, obschon nicht
wenige sie mit der Frucht der Wissenschaft verwechseln. Lesen wir die
Texte und folgen wir Freuds Denken auf jenen Umwegen, die es uns
aufnötigt, und vergessen wir nicht, daß derselbe Freud, der im Blick auf
das Ideal eines wissenschaftlichen Diskurses diese Umwege bedauert,
auch versichert, sein Gegenstand hätte ihn dazu gezwungen“.
Man sieht also, daß dieser Gegenstand identisdı ist mit den besagten
Umwegen, denn Freud kommt bei der ersten Gelegenheit in seinem
Werk, als er den Traum einer Hysterika berührt, auf den Umstand
zu sprechen, *daß sich in diesem durch Verschiebung, genau gesagt
hier durch die Anspielung auf das Begehren einer andern, ein Begehren
vom Vorabend befriedigt, das in seiner herausragenden Position unter-
stützt wird von einem Begehren, das wohl auf eine andere Ebene
gehört, denn Freud ordnet es ein als das Begehren, ein unbefriedigtes
Begehren zu haben [7]21.
2° Vgl. Brief 118 vom 11.9.1899 an Fließ in: Aus dem Anfängen der Psychoanalyse,
Frankfurt a.Main' 1962, S. 254f. ı
21 Hier der Traum, wie ihn die Patientin in ihrer Erzählung auf S. 152 der G. W.,
II-III wiedergibt: «Ich fwiii ein Soııper geben, babe aber nichts *vorrätig als etwas
geräucberten Lachs. Ich denke daran, einkaufen zu geben, erinnere mich aber, daß es
Sonntag Nachmittag ist, wo alle Läden gesperrt sind. Ich will mm einigen Lieferan-
ten telephonieren, aber das Telepbon ist gestört. So muß ich auf den Wunsch, ein
Souper zu geben, -verzichten» -
21 1
Man rechne nach, wie vieler Verweisungen es hier bedarf, damit das
Begehren zu einer geometrisch wachsenden Kraft werden kann. Ein
Indiz allein würde nicht genügen, deren 'Grad zu beschreiben. Man
müßte schon zwei Dimensionen in diesen Verweisungen unterscheiden:
ein Begehren des Begehrens, anders gesagt ein durch ein Begehren
bedeutetes Begehren (das Begehren der Hysterika, ein unbefriedigtes
Begehren zu habe, ist bedeutet in ihrem Wunsch nach Kaviar: der
Wunsch nach Kaviar ist sein Signifikant) schreibt sich ein in das zweite
Register eines Begehrens, das einem Begehren substituiert. ist (im
Traum ist der Wunsdı der Freundin nach geräucherteın Lachs dem
Wunsch der Patientin substituiert, der auf Kaviar sich richtet, was
die Substitution eines Signifikanten unter einen andern Signifikanten
wäre)22.
212
a) die Substitution eines Terms unter einen andern, wodurch der Me-
taphereffekt,
b) die Kombination eines Terms mit einem andern, wodurch der Me-
tonymieeffekt entsteht [1 7].
Wenden wir diese Gesetze hier an, so können wir erkennen, daß,
wenn im Traum unserer Patientin der geräucherte Lachs, Objekt des
Begehrens ihrer' Freundin, alles ist, was sie anzubieten hat, Freud
in der Annahme, der geräucherte Lachs sei hier dem Kaviar substi-
tuiert, den er ja als Signifikanten des Begehrens der Patientin auffaßt,
uns den Traum als Metapher des Begehrens vorstellt.
Was aber ist die Metapher anderes als eine positive Sinnwirkung,
das heißt ein gewisser Übergang des Subjekts zum Sinn und in die
Richtung des Begehrens? 1 '
Nachdem hier das Begehren des Subjekts als das vorgestellt wird, was
sein (bewußter) Diskurs impliziert, nämlich als vorbewußtes - was
offenbar ist, denn ihr Mann ist bereit, ihr Begehren zu befriedigen,
während die Patientin, die ihn von der Existenz eines solchen Begeh-
rens überzeugt hat, will, daß er nichts dazu tue, was dann erst ein Freud
als Begehren, ein unbefriedigtes Begehren zu haben, zur Artikulation
bringen wird -, sollten wir nun weiter gehen, wenn wir wissen wollen,
was ein solches Begehren im Unbewußten sagen will. '
Der Traum ist nicht das Unbewußte, aber wie' Freud uns sagt, sein
Königsweg. Das befestigt uns in der Meinung, daß er durch Wirkung
der Metapher verfährt. Diese Wirkung entdeckt der Traum. Für wen?
Darauf kommen wir gleich zurück.
Halten wir für den Augenblick fest, daß das Begehren, wenn es als
unbefriedigtes bezeichnet ist, dies durch den Signifikanten: Kaviar
ist, sofern der. Signifikant es als unerreichbar symbolisiert, daß aber,
sowie es' als Begehren in den Kaviar schlüpft, das Begehren nach
Kaviar seine Metonymie ist, die notwendig wird durch das Seinsver-
fehlen, in dem es sich hält. L
Die Metonymie ist, wie ich 'Sie lehre, der Effekt, der möglich wird
dadurch, daß es keine Bedeutung gibt, die nicht auf eine andere Bedeu-
tung verwiese, und wo deren allgemeinster Nenner entsteht, dieses
Wenige an Sinn nämlich (das für gewöhnlich mit dem Insignifikan-
ten verwechselt wird), dieses Wenige an Sinn, sage ich, das sich im
Grund des Begehrens herausstellt und ihm den Akzent von Perversion
gibt, den wir in der vorliegenden Hysterie zu entlarven versucht
sind. i
N213
Das Wahre an dieser Erscheinung ist, daß das Begehren die Metonymie
des Seinsverfehlens ist.
3. Kommen wir nun auf das Buch zurück, das im Französischen <<La
science des rêves» betitelt ist; das deutsche Wort <<Deutung›› bezieht
sich eher auf Mantisches oder besser: auf die Signifikanz. Freud be-
hauptet durchaus nicht, in diesem Buch eine erschöpfende Behandlung
der psychologischen Probleme zu geben. Man lese es nur und man
wirdfeststellen, daß Freud dieseiwenig erforschten Probleme (spärlich,
um nicht zu sagen kümmerlich, sind die Untersuchungen zu Raum
und Zeit im Traum, über den sensoriellen Stoff des Traums, Träume
in Farben oder atonale Träume, und wie steht's mit dem Riechbaren,
mit dem Schmeckbaren, mit der Berührungsqualität, wenn das Schwin-
delerregende, das Geschwollene, das Schwere da sind?) nicht einmal
berührt. Die Freudsche Lehre für eine Psychologie zu halten, ist eine
grobe Verwechslung. R i „ 4
Freud ist weit davon entfernt, dieser Verwechslung Vorschub zu leisten.
Er weist im Gegenteil darauf hin, daß ihn am'Traum allein dessen
Bearbeitung interessiert. Was ist damit gesagt? Genau das, was wir
übersetzen mit seiner Sprachstruktur. Wie aber soll Freud dies aufge-
gangen sein, wo doch diese Struktur von Ferdinand de Saussure erst
später artikuliert worden ist? Wenn sie seine eigenen Termini über-
lagert, ist nuf um so erstaunlicher, daß Freud sie vorwegnahm. Jedoch
wo hat er sie entdeckt? In einem signifikanten Fluß, dessen Geheimnis
ist, daß das Subjekt noch nicht einmal weiß, woes, Organisator des-
selben zu sein, vortäuschen soll. _
Es sich darin wiederfinden zu lassen als begehrend heißt umgekehrt
machen, daß es darin sich als Subjekt anerkenne, denn das Rinnsal
des Begehrens zweigt gleichsam ab von der signifikanten Kette und
das Subjekt muß von einem Zubringer profitieren, um sein eigenes
feedback zu erhaschen. .
Das Begehren unterwirft nur das (ne fait qu'assujettir), was die Ana-
lyse subjektiviert (subjecltive). ' 4 _ f Ø
4. Und das führt uns auf die Frage zurück, dieswir weiter oben ver-
lassen haben: Wem entdeckt der Traum seinen Sinn, bevor der Analy-
tiker kommt? Dieser Sinn geht seiner Lektüre wie auch der Wissen-
schaft von seiner Entzifferung voraus. .
Eins wie das andere zeigt, der Traum ist gemacht zur Anerkennung
214 _
ı
` ı
5. Ein Traum ist letzten Endes nur ein Traum. Wer heute den Traum
als .Instrument für die Analyse verschmäht, hat, wie wir sehen konn-
ten, sicherere und direktere Wege gefunden, den Patienten auf gute
Grundsätze zurückzuführen und auf normale Begierden, die den wah-
ren Bedürfnissen genüge tun. Welchen? Den Bedürfnissen von jeder-
mann, mein Lieber. Wenn's das ist, was Dir Angst macht, so vertraue
Deinem Analytiker, steig auf den Eiffelturm und sieh, wie herrlich
Paris ist. Schade nur, daß einige schon von der ersten Etage aus über
die Brüstung springen, und justament solche, deren Bedürfnisse sämt-
lich auf das richtige Maß zurückgeführt worden sind.. Negative thera-
peutische Reaktion, nennen wir das. i
Gottseidank geht die Verweigerung nicht bei allen so weit. Das Symp-
tom bricht ganz einfach wieder durch wie wildes Gras: Wiederholungs-
zwang. A _ _
Indessen sind hier die Karten nur falsch herum ausgegeben: Man
wird nämlich nicht gesund, weil man sich erinnert. Man erinnert sich,
weil man gesund wird. Seitdem man diese Formel gefunden hat, ist
die Reproduktion der Symptome unproblematisch geworden, ein Pro-
blem ist nur noch die Reproduktion der Analytiker. Die der Patienten
ist gelöst. 5 V _ '
215
y I --in-íııı.-ıı-ı_±,|-ı-I'-'JC ol'-\""'
6. Ein Traum ist also nur ein Traum. Aus der Feder eines Psychoana-
lytikers, der sich auch in die Lehre einmischt, stammt sogar der Satz
er sei eine Produktion des Ich. Das beweist, daß man nicht allzuviel
riskiert, wenn man die Menschen aus dem Traum holen will: dieser
geht dann eben am hcllichten Tage weiter, wie man sehen kann, und
dies sogar bei Leuten, die sich aufs Träumen kaum einlassen,
Doch selbst die sollten, wenn sie Psychoanalytiker sind, Freud zum
Traum lesen, anders können sie unmöglich verstehen, was er mit dem
Begehren des Neurotikers, mit verdrängt, mit unbewußt, mit Deutung
mit Analyse selbst sagen will, und anders ist unmöglich einzugané
zu finden zu allem, was seine Technik oder seine Doktrin angeht,
Wir werden noch die Quellen des kleinen Traums sehen, den wir
weiter oben für unsere Zwecke herausgegriffen haben.
jenes Begelıren unserer (wie Freud selbst sie nennt) witzigen Hysteri-
kerin, ich spreche von ihrem wachen Begehren, ihrem Wunsch nach
Kaviar, ist das Begehren einer überglücklichen Frau, die dies gerade
nicht sein will. Ihr Metzger von Mann nämlich versteht sich darauf,
an der Stelle der Befriedigungen, die jeder braucht, das Tüpfelchen
aufs i zu setzen. _ 3
So gibt cr, als ihm ein Maler, gottweiß mit welchen Hintergedanken,
Komplimente wegen seines interessanten Schädels macht, diesem in
seiner derben Manier zu verstehen, da könne er noch lange warten,
ein Stück vom Hintern eines schönen Mädchens sei ihm ja sicher lieber,
und falls er erwarte, daß er ihm ein solches noch hinterhertrüge, könne
er ihn mal. 5 .
So spricht ein ganzer Mann, über den eine Frau sich nicht beklagen
braucht, ein genitaler Charakter, der, wie sich's gehört, darauf acht gibt,
daß die seinige, wenn er mit ihr geschlafen hat, sich's nicht nachher noclı
selber besorgen muß. Freud verschweigt uns übrigens nicht, daß -sie
selbst ganz verliebt ist und sich dauernd mit ihm herumneckt.
Nur: Sie will nicht in ihren tatsächlichen Bedürfnissen allein befriedigt
werden. Sie will noclı andere als Draufgabe, und um sicher zu gehen,
daß sie dies auch sind, sjie nicht befriedigen. Darum kann auf die
Frage: Was steht im Begehren der witzigen Fleischersfrau? zur Antwort
gegeben werden: Kaviar. Diese Antwort ist aber_ hoffnungslos, denn
Kaviar, das will sie auch wieder nicht. I
7. Darin liegt aber nicht alles, nicht ihr ganzes Geheimnis. Denn nicht
ı
nur schließt eine solche Sackgasse sie nicht ein, sie findet hier sogar
216
ıı
ıı
den Schlüssel ins Freie, der der Schlüssel des Begehrens aller gewitzten
Hysterikerinnen auf der ganzen Welt ist, egal ob Fleischersfrauen oder
nicht. ii 1 A
Genau dies sieht Freud in einem jener Seitenblicke, in welchen er
das Wahre überrascht, während er im Vorbeigehen noch jene Abstrak-
tionen zerstört, die, wenn's nach den positiven Geistern ginge, alles
und jedes erklären sollen: hier die Nachahmung, an der Tarde so
sehr hängt. Auf den essentiellen Dreh, den Freud hier an der hysteri-
schen Identifikation aufdeckt, muß man im Besonderen kommen.
Wenn unsere Patientin sich mit ihrer Freundin identifiziert so deshalb,
62 weil diese unnachahmlich ist in dem unbefriedigten Begehren nach
jenem Lachs, den Gott verdamme, wenn nicht Er es ist, der ihn räu-
chert. .
So antwortet der Traum der Patientin auf den Anspruch ihrer Freun-
din, die gern zu ihr zum Abendessen kommen möchte. Und man
weiß nicht, was sie, abgesehen davon, daß man bei ihr gut ißt, dazu
wohl antreibt, es sei denn der Umstand, den unsere Fleischersfrau nicht
aus den Augen verliert, daß nämlich ihr_Gatte immer gerne davon
spricht. Doch mager, wie sie ist, kann sie ihm, der die Rundungen über
alles liebt, doch kaum gefallen.
Sollte er indessen auch ein Begehren haben, das ihm in der Quere
bleibt, während alles in ihm befriedigt ist? Dies gehört in denselben
Zusammenhang, der im Traum aus dem Begehren ihrer Freundin das
Scheitern ihres Anspruchs macht. '
Denn so präzis der Anspruch durch das Requisit des eben geborenen
Telefons auch symbolisiert sein mag, esist vergebens. Der Anruf der
Patientin kommt nicht an; ein starkes Stück, wenn die andere immer
dicker würde, damit ihr Mann dann an ihr sichergötzsen könnte.
Aber wie kann eine andere geliebt werden (genügt nicht, damit die
Patientin daran denkt, der Umstand, daß der Mann ihr Beachtung
schenkt) von einem Mann der an ihr sich nicht befriedigen könnte
(er, der Mann mit dem «Stück vom Hintern››)? Hier stellt sich in
aller Schärfe die Frage, die sehr allgemein die nach der hysterischen
Identifikation ist. '
8'. Zu dieser Frage wird das Subjekt hier genau. Worin, sich die Frau
mit dem Mann identifiziert und die Schnitte geräucherter Lachs an
die Stelle des Begehrens des Andern tritt.
Da dieses Begehren zu nichts langt (wie sollten mit einer einzigen
217
.-
-¬gq›.r
insofern der Andere, Ort des Sprechens, auchder Ort dieses Verfehlens
ıst. 3 8
Was damit dern Andern zu erfüllen aufgegeben ist und eigentlich
das ist, was er nicht hat, da auch ihm das Sein abgeht, ist das, was
Liebe heißt, aber auch Haß ist und Ignoranz. e
Es ist auch, Leiden des Seins, was jeder Anspruch über das sich in
ihm artikulierende Bedürfnis hinaus evoziert, und es ist wohl das,
was dem Subjekt um so gründlicher vorenthalten bleibt als das im
Anspruch artikulierte Bedürfnis befriedigt wird. _
Mehr noch, die Bedürfnisbefriedigung erscheint hier -nur als der Trug,
in dem der Liebesanspruch zerschellt, wobei das Subjekt auf den Schlaf
verwiesen wird, wo es sein Wesen treibt am Rande des Seins, das
es in sich sprechen läßt. Denn das Sein der Sprache ist das Nicht-Sein
der Objekte, und daß das Begehren von Freud an seinem Platz im
Traum entdeckt wurde - immer schon der Skandal sämtlicher An-
strengungen des iDenkens, sich in der Wirklichkeit anzusiedeln -,
genügt uns zu unserer Instruktion. '-
Sein oder nicht sein, schlafen, träumen vielleicht, noch die, vermeint-
lich, schlichtesten Träume des Kindes.(<<schlicht››. wie die analytische
Situation zweifelsohne) zeigen schlichterweise wunderbare oder verbo-
tene Objekte. i L
ro. Aber nicht immer schläft das Kind wie hier ein im Herzen des
Seins, besonders dann nicht, wenn der Andere, der ja auclı seine Vor-
stellungen von seinen Bedürfnissen hat, sich einmischt, und es anstelle
von dem, was er nicht hat, bis zum Ersticken vollstopft mit dem
Brei dessen, was er hat, und» so seine Pflege mit dem Geschenk seiner
Liebe verwechselt. 1
Gerade das Kind, das man mit dem höchsten Maß an Liebe nährt,
verweigert die Nahrung und spielt mit seiner Weigerung wie mit
einem Begehren (mentale Anorexie). i
An diesen äußersten Grenzen begreift man wie nirgendwo, daß der
Haß auf die Liebe herausgibt (rend la monnaie de l'amour), daß aber
Ignoranz ohne Vergebung bleibt. _
Schließlich: Fordert nicht das Kind, das sich weigert, den Ansprudı
.der Mutter zu befriedigen, daß diese außer ihm noch ein Begehren
habe, weil hier der Weg zum Begehren ist, der ihm fehlt?
11. Tatsächlich ist eines der Prinzipien, die aus diesen Prämissen fol-
gen, dieses, daß
I 219
-
ııııı-I
220 ' I
daß die Signifikanz des Traums hier das Begehren maskiert, während
sein Motiv, das nur problematisch ist, verblaßt. v
-1» '
der dem Ennui des Andern reservierten Loge aus die zirzensisohen
Spiele zwischen den zwei andern (des kleinen a und des Ich, seines
Schattens) arrangieren läßt. _, _. _
Bestimmt genügt es, um die Zwangsneurose auf diesen Rond-point
zu bringen, nicht, indieser ihrer wohlbekannten Ecke rundzulaufen,
noch, diesen Rond-point zu kennen, um sie auf ihn hinzuführen, auf
einem Weg, der nie der direkteste sein wird. Dazu braucht es nicht
nur den Plan eines wiederaufgebauten Labyrintlıs, nicht nur einen
ganzen Stoß bereits entdeckter Pläne. Es braucht vor allem eine 'all-
gemeine Kombinatorik, die zweifelsfrei über der Vielfalt der Pläne
steht, die aber auch, was viel nützlicher ist, die optischen Täuschungen,
besser die wechselnden Perspektiven des Labyrinths erfassen kann.
Denn weder die einen noch die andern fehlen in der Zwangsneurose, Q
2.52
ı
drückt, und abgeschlafften Geistes uns gerne betrügen würde mit dem
Gaukelspiel einer Menopause auf seiner Seite, die eine plötzliche Im-
potenz entschuldigen soll, nur um die unsere anzuklagen.
Tatsächlich kostet die Neuverteilung der Libido gewissen Objekten
den Posten, und wär dieser auch unkündbar.
Kurz, es ist impotent im Verkehr mit seiner Geliebten und schlägt
ihr rückgreifend auf seine Erkenntnisse über die Funktion des poten-
tiellen Dritten im Paar vor, sie solle-mit einem andern Mann ins
Bett gehen, damit man sehe. Wenn sie nun an der Stelle bleibt, an
die sie die Neurose gestellt hat, und die Analyse sie dort trifft, so
deshalb, weil sie ohne allen Zweifel seit langem den Begierden des
Patienten, mehr aber noch den sich in diesen durchsetzenden unbe-
wußten Postulaten stattgegeben hat. v
Man wird auch niehtverstaunt sein, daß sie dann prompt, in derselben
Nacht noch jenen Traum hat, densie unserem Helden brühwarm
erzählt. ' ,
Sie besitzt einen Phallus, dessen Umrisse sie unter ihren Kleidern
spüren kann, was sie aber nicht hindert, auch eine Vagina zu haben
und vor allem zubegehren, daß dieser Phallus in sie komme.
Als unser Patient dies vernimmt, spürt er plötzlich seine Kräfte wie-
derkehren und er liefert davon auf der Stelle seiner Gevatterin den
glänzen_dsten Beweis. -
Was für eine Interpretation wäre hier angezeigt?
Erraten haben wir bei dem Anspruch, den unser Patient an seine
Geliebte stellte, daß er uns schon lange dazu bringen will, ihm seine
verdrängte Homosexualität zu bestätigen. B
Eine Erscheinung, die Freud sehr rasch voraussehen konnte ausseiner
Entdeckung des Unbewußten: Unter den regressiven Ansprüchen gibt
es einen auf Fabelbildung, der sich an den durch die1Analyse ausgebrei-
teten Wahrheiten vollsaugen möchte. Die aus Amerika wiedergekehrte
Analyse hat die Erwartungen Freuds noch weit übertroffen.
Wir haben uns aber an dem.Punkt, wie man sich denken kann, eher
spröde verhalten. '
32 Wir wollen bemerken, daß die Träumende hier ebensowenig sich dar-
auf einläßt, da ihr Szenario jeden Helfer ausschließt. Was selbst einen
Anfänger dazu anhielte, voll und ganz dem Text zu vertrauen, sofern
er eine Ausbildung nach unsern Prinzipien erfahren hat.
Wir analysieren gleichwohl nicht ihren Traum, sondern die Wirkung
dieses Traums auf unsern Patienten. T
i 223
ı~
Wir könnten uns anders verhalten und diesem jene weniger offen-
kundige, in der Geschichte versteckte Wahrheitunseres Beitrags zu
verstelıen geben: daß die Kastrationsabwehr, wenn irgend etwas ihr
gleicht, in erster Linie eine Abwehr der Kastration des Andern (der
Mutter zuerst) ist. g
Wahre Meinung ist nicht Wissen, und Gewissen ohne Wissen ist nichts
als Komplize der Ignoranz. Unsere Wissenschaft läßt sich nur vermit-
teln, indem sie in der Gelegenheit das Besondere artikuliert. 4 B
Hier ist die Gelegenheit einmalig zu zeigen, was gemeint ist, wenn
wir sagen: daß das unbewußte Begehren das Begehren des Andern
ist - denn der Traum ist dazu da, dem Begehren des Patienten
jenseits von dessen Anspruch stattzugeben, was dadurch sich zeigt,
daß er Erfolg hat. Wenn es auch kein Traum des Patienten ist, ist
er uns doch genau so viel wert, denn wenn er zwar nicht .in gleicher
Weise an uns sich wendet, wie er ausgeht vom Analysierten, so wendet
er sich an diesen so gut als es der Analytiker tun könnte. ;
Wir haben die Gelegenheit, den Patienten die Funktion des Signifi-
kanten begreifen zu lassen, die der_ Phallus in seinem Begehren hat.
Als solcher nämlich fungiert der Phallus im Traum, damit der Patient
den Gebrauch des Organs wiederfinde, das er repräsentiert, wie wir
zeigen werden durch die Stelle, auf die der Traum zielt in der Struktur,
in der sein Begehren gefangen ist. - .
Nicht nur träumte die Frau, sie hat ihm von dem Traum auch erzählt.
Wenn sie nun in diesem Diskurs als Besitzerin eines Phallus sich aus-
gibt, sollte das schon alles sein, wodurch ihm sein erotischer Wert
wiedergegeben ist? Einen Phallus zu haben genügt tatsächlich nicht,
ihr eine Objektposition wiederzugeben, die sie einem Phantasma über-
antwortet, von dem aus unser Patient als Zwangsneurotiker sein -Be-
gehren behaupten könnte in einem Unmöglichen, das dessen metony-
mische Bedingungen aufrecht erhielte. Diese letzteren machen seine
Wahl immer von neuem zu einem Spiel des Entwischenlassens, in
das die Analyse störend eingebrochen war, das aber die Frau wieder
herstellt mit 'Hilfe einer List, hinter deren handfestem Charakter
sich ein Raffinßmßflt Vfirbirgt, das sehr gut zu illustrieren vermag,
wie das Unbewußte Wissen einschließt.
Unserm Patienten nämlich hilft dieser Phallus nichts, nichts, ihn zu
haben; denn sein Begehren ist, Phallus zu sein. Und das Begehren
der Frau tritt ihm diesen hier ab, indem es ihm zeigt, was sie nicht
hat. ' ›
224
Die Beobachtung, der alles gleich viel bedeutet, wird die Entdeckung
einer kastrierenden Mutter immer an die große Glocke hängen, so-
wenig die Anamnese Anlaß dazu geben mag. Sie macht sich hier
breit wie man's erwartet.
Man glaubt, damit hätte man alles zu Ende gebracht. Wir indessen
können so nichts anfangen bei einer Deutung, wo, sich darauf zu
berufen, nicht weit führen könnte, oder nur dazu, den Patienten aber-
mals auf den Punkt zu bringen, wo er sich zwischen dem Begehren
und dessen Verachtung hindurchwinden muß: natürlich der Verachtung
seiner mürrischen Mutter, die das allzu heftige Begehren tadelte, dessen
Bild ihm sein Vater hinterlassen hat. - B
Aber das hieße, ihm' weniger mitteilen, als ihm seine Geliebte sagt:
daß nämlich ihr Traum, einen -Phallus zu haben, nicht ausschließt,
daß sie ihn auch nochibegehre. Insofern war sein eigenes Seinsverfehlen
berührt. T 4 r a
Ein Verfehlen, das von einem. Exodus herrührt: Sein Sein ist immer
anderswo. Er hat es «auf die Seiteigebracht››, wie man sagen kann.
Sagen wir das, weil wir die Schwierigkeit des Begehrens motivieren
wollen? Eher doch, weil das Begehren eines nach Schwierigkeiten ist.
Lassen wir uns nur nicht täuschen bei der Sicherheit, die das Subjekt
daran hat, daß die Träumende einen Phallus habe, daß sie ihm diesen
nicht mehr zu nehmen brauche - und sei's auch nur, um gelehrt
darauf hinzuweisen, daß die Sicherheit hier zu sehr betont ist, um
nicht problematischzu sein. f _
Denn das hieße gerade verkennen, daß diese Sicherheit gar nicht soviel
Gewicht forderte, wenn sie nicht in Gestalt eines Zeichens sich aus-
drücken müßte, und daß sie gerade dadurch ihre Wirkung tut, daß
das Zeichen als solches gezeigt wird, daß es dort erscheint, wo es
nicht sein kann. '
Die Bedingung des Begehrens, die den Zwangsneurotiker vor allem fest-
hält, ist jenes Mal selbst, mit dem das Begehren, so wie er es vorfindet,
verderbt ist vom Ursprung seines Objekts her: die Schmuggelei.
Einzigartiger Modus der Gnade, der nur durch die Verleugnung
der Natur sich darstellt. Hierin verbirgt sichleine Gunst, die bei un-
serem Subjekt dauernd Einlaß begehrt. Und eines Tageswird es sie,
indem es sie wegschickt, eintreten lassen.
14. Weil es von großer Wichtigkeit ist, daß das Begehren in der Aus-
richtung der Kur seinen Platz behält, sind wir gehalten, diesen Platz
0 .
1'
, 225
I.
0 _
226
Indesist das Begehren nichts anderes als die Unmöglichkeit solchen
Sprechens, das, wenn es auf das erste antwortet, nicht umhin kann,
sein Mal zu verdoppeln und so jene Spaltung” aufzunehmen, der das
Subjekt unterworfen ist, weil es Subjekt nur ist, sofern es spricht.
(Symbolisiert ist dies in dem Querbalken edler Bastardschaft3°, mit
dem wir das S des Subjekts versehen, um festzuhalten, daß eseben jenes
Subjekt S ist“. T . -
5 Die Regression, die man in der Analyse an die erste Stelle setzt (zwei-
felsohneizeitlidıe Regression, wobei man aber präzisieren muß, daß
es sich um die Zeit der Wiedererinnerung handelt), bezieht sich nur
auf die (oralen, analen.etc.) Signifikanten des Anspruchs: und 'auf
den entsprechenden Trieb ausschließlich über diese. K
Reduziert man diesen Anspruch auf seinen Platz, kann dies auf das
Begehren einen Schein von Reduktion durch die Bedürfniserleichterung
werfen.
Dies ist dann aber eher ein Effekt der Schwerfälligkeit des Analytikers.
Denn wenn es stimmt, daß die Signifikanten des Anspruchs die Fru-
strationen unterstützt haben, wo das Begehren sich fixiert hat (Freuds
Fixierung), so ist das Begehren subjektzwingend nur an ihrer Stelle.
Ob sie sich nun als frustrierend oder gratifizierend versteht, jede Ant-
wort auf den Anspruch in der Analyse führt hier die Übertragung
auf die Suggestion zurück.
Tatsächlich bestehtzwischen Übertragung und Suggestion, dies genau
ist die Entdeckung Freuds, eine Beziehung in dem Sinne, daß Über-
tragung auch Suggestion ist, Suggestion aber, die allein vom Liebesan-
spruch aus wirksam wird, der nicht mit irgendwelchen Bedürfnisan-
sprüchen gleichgesetzt werden darf. Daß dieser Anspruch als solcher
sich nur konstituiert, insofern das Subjekt Subjekt des Signifikanten
ist, macht es überhaupt erst möglich, daß man ihn' mißbräuchlich auf
die Bedürfnisse zurückführt, denen diese Signifikanten entlehnt sind
3° A.d.Ü.: Im Original: «refente (Spaltung)›.
*° A.d.Ü.: Begriffe aus der Wappenbesthreibung. -
31 Vgl. das (S 0 An) und das (S <3' a) unserer Skizze, die wir in '«Subversion des Sub-
jekts» wiederaufgenommen haben (A.d.Ü.: Erscheint in «Sdıriften II››). Das Zeichen
O bezeichnet die Beziehungen: Einsdıließung - Aussdıließung - Konjunktion -
Disjunktion. Die Verbindungen, die es in diesen zwei Klammern bezeichnet, erlauben
das S mit Querstrieh zu lesen: S im Prozeß des fading im Schnitt des Anspruchs: S, im
Prozeß des fadíng vor dem Objekt des Begehrens. Namentlich: Trieb und Phan-
tasma. A.d.Ü.: Wir setzen für Anspruch das Zeichen An, da A bereits besetzt ist für
der / das Andere. -
227
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Oi'
15. Hier sind ein paar Bemerkungen zur Bildung der Symptome am
Platz. - Ü
Seit Freud in seiner demonstrativen Studie über die subjektiven Phä-
nomene: Träume, Versprecher, Witze, die, was er uns ausdrücklich
zu verstehen gegeben hat, mit jenen identisch sind inihrer Struktur
(aber für unsere Weisen liegt dies wohlgemerkt alles viel zu tief unter
ihrer Erfahrung, die _sie - Gottweiß auf welchen Wegen! - sich erwor-
ben haben, viel zu tief, als daß sie auch nur im Traum daran däch-
ten, darauf zurückzukommen) -, Freud also hat hundertmal betont:
die Symptome sind überdeterminiert. Für den durchschnittlichen Phra-
sendrescher, der uns für morgen schon verspricht, die Analyse auf
ihre biologischen Grundlagen zurückzuführen, ist das alles eine große
Selbstverständlichkeit. Das redet sich so leicht daher, daß er es gar
nicht zu begreifen braucht. Was aber dann? ' A r
Lassen wir beiseité, was ich zur Überdeterminierung im strengen Sinne
bemerkt habe: daß sie nur in der Struktur der Sprache erfaßbar ist.
Was heißt dann: in den neurotischen Symptomen?
Das heißt, daß Interferenzbeziehungen bestehen zwischen den Wir-
kungen, die bei einem Subjekt auf einen bestimmten Anspruch ant-
worten, und denen ausieiner Position, die das Subjekt als solches inbe-
zug auf den andern (den andern, hier Seinesgleichen) einnimmt.
«Die das Subjekt als solches einnimmt›› soll heißen, daß die Sprache
ihm erlaubt, sich als den Maschinisten, als eigentlidien Inszenator
der ganzen imaginären Verhaftung zu betrachten, deren lebende Ma-
rionette es anders nur darstellte. s
' 229
FW
230 ›
1'
man sie nun vonden ersten unterscheiden müßte, denn sie hätten
gar nicht daran gedacht es zu tun, wenn sie nicht zuvor sich dem
Irrtum der ersten hätten entgegensetzen müssen.
16. Die Art also wie der Neurotiker auf das Begehren bezogen ist,
kurz gesagt: sein Phantasma prägt durch sein Vorhandensein die Ant-
wort des Subjekts auf den Anspruch,'anders gesagt die Bedeutung
seines Bedürfnisses.
Aber dieses Phantasma hat nichts zu tun mit der Bedeutung, in die
es interferiert. Diese Bedeutung kommt in Wirklichkeit aus dem An-
dern, soweit von ihm abhängt, ob der Anspruch Erhörung findet.
Und das Phantasma gelangt dahin nur, weil es sich auf dem Rückweg
befindet aus einer größeren Kreisbahn, die, indem es den Anspruch
bis an die Grenzen des Seins führt, das Subjekt sich die Frage stellen
läßt nach jenem Mangel, dem Verfehlen,_ in dem es sich selber als
Begehren erscheint. _ i
Es ist kaum zu glauben, daß die Analyse bestimmte immer schon
ins Auge fallende Züge des menschlichen Handelns als solchen hier
nicht ans Licht gebracht hat. Wir wollen davon sprechen, wodurch
dieses Handeln des Menschen zur Geste” wird, die auf- ihr Chanson
sich stützt. Dieser Aspekt von Tat, Leistung, von durchs Symbol einge-
engtem Ausgang, das, 'was diesen also symbolisch macht (aber nicht
in dem entfremdeten Sinne, den dieser Ausdruck für gewöhnlich hat),
das schließlich, um dessentwillen man von einem Übergang zur 'Tat
ı
sprechen kann, dieser Rubikon, der für ein Begehren steht, das immer
verborgen bleibt in der Geschichte um seines Erfolges willen, all das,
auf das hin jene vom Analytiker acting out genannte Erfahrung die-
sem einen gleichsam experimentellen Zugang erschließt, und~ worin
sich seine ganze Kunst zeigt - der Analytiker verkürzt es im günstig-
sten Falle auf einen Rückfall des Subjekts, im schlechtesten auf einen
Fehler des Therapeuten. .
Verwundert konstatiert man, wie den Analytiker angesichts des Han-
delns falsche Scham anfällt, worin sich zweifelsohne eine echte ver-
birgt: die, die ihm aus einem Handeln kommt, dem eigenen, einem
der höchsten, wenn es in die Niederungen der Verworfenheit hinab-
steigt.
9 Was ist es denn anderes, wenn der Analytiker sich dazwischenwirft
32 A.d.Ü.: «Geste›› hier ein Wortspiel im alten Sinne der Chanson de geste = Tat.
. 231
und die Botschaft der Übertragung, die er deuten soll, als eine trügeri-
sche Bedeutung des Realen entlarvt, die nur Mystifikation ist?
Der Analytiker von heute glaubt doch die Übertragung genau da
fassen zu können, wo nach seiner Definition das Phantasma und die
sogenannte passende Antwort auseinandergehen. Auf was passend,
wenn nicht auf den Anspruch des Andern, und Worin sollte dieser An-
spruch mehr Bestand oder weniger Bestand haben als die erhaltene
Antwort, wenn der Analytiker sich nicht für autorisiert hielte, jeden
Wert des Phantasmas zuverleugnen, indem er seine eigene Realität
ausmißt. G A I
Genau der Weg, auf dem er vorangeht, verrät ihn, wenn er auf diesem
Weg sich ins Phantasma einführenimuß und sich als imaginäre Hostie
anbietet für Fiktionen, in welchen ein stumpfsinniges Begehren wu-
chert, anbietet als ein unerwarteter Odysseus, der. sich zur Speise gibt,
damit der Schweinestall der Circe gedeihe.
Man sage ja nicht, ich wolle hier jemandem die Ehre abschneiden,
denn dies genau ist der Punkt, an dem alle die,i die ihre Praxis nicht
anders zu artikulieren vermögen, von selber sich Gedanken machen
und sich beunruhigt fragen: Ist? es nicht bei den Phantasmen, wo
wir dem Subjekt die Gratifikationlverschaffen, an der sich die Ana-
lyse festfährt? Dies dieFrage, die sie immer wiederholen in dem
ausweglosen Insistieren des Unbewußten, das sie quält“. F
232 i
kationsmodus zu unterscheiden, der bestimmt ist durch seine Funktion
als Träger des Begehrens und damit insbesondere durch die Beliebigkeit
seines Objekts.
Aber unsere Psychoanalytiker bleiben hart: Dieses beliebige Objekt
ist die Substanz des Objekts, nehmet hin meinen Leib, nehmet hin
mein Blut (diese Profanation stammt aus ihrer Feder). Das Geheimnis
0 der Erlösung des Analysierten ist in dieser imaginären Vergießung,
deren Oblat der Analytiker ist. A
Wie sollte das Ich, mit dem sie sich hier zu helfen behaupten, nicht
unter die verstärkte Entfremdung fallen, der sie das Subjekt überant-
worten. Immer schon und lange vor Freud haben die Psychologen,
wenn sie sich auch nicht in diesen Wendungen ausgedrückt haben,
gewußt, daß, wenn das Begehren die Metonymie des Seinsverfehlens
ist, das Ich die Metonymie des Begehrens ist. A r
So funktioniert die abschließende Identifizierung, deren sich die Ana-
lytiker rühmen. A Q i '
Geht es um Ich oder Über-Ich ihres Patienten, so zögern sie oder
besser: machen sich nichts aus der Kur, 'um's genau zu sagen, und
der Patient kann sich dann mit ihrem starken Ich identifizieren.
Freud hat dieses Resultat in dem eben zitierten Aufsatz s_ehr genau vor-
ausgehen, indem er zeigte, wie bei der Entstehung einer Führergestalt
das unbedeutendste Objekt die Rolle eines Ideals übernehmen kann.
Nicht von ungefähr orientiert sich die analytische Psychologie immer
mehr an der Gruppenpsychologie, beziehungsweise an der Psychothe-
rapie desselben Namens. i
Beobachten wir die Auswirkungen davon in der analytischen Gruppe
selbst. Es stimmt einfach nicht, daß die so betitelten Lehranalysanden
sich nach dem Bild ihres Analytikers ausrichten, auf welcher Ebene
man dieses auch betrachten mag. Viel eher sind die Analysanden eines
Analytikers untereinander verbunden durch einen Zug, der in der
Ökonomie eines jeden durchaus von sekundärer Bedeutung sein kann,
in dem sich aber die Unzulänglichkeit des Analytikers in bezug auf
seine Arbeit abzeichnet. i
So läßt beispielsweise der, für den das Problem des Begehrens sich
reduziert 'auf die Enthüllung der_Angst, in diesem Leichentuch all
diejenigen zurück, die er geführt hat.
18. Wir sind nun also bei dem verflixten Prinzip dieser Macht, die
immer offen ist für eine blinde Ausrichtung. Es ist die Macht, das
_ 233
Gute zu tun, keine Macht hat ein anderes Endziel, und darum hat
die Macht kein Ende. Hier aber geht es um anderes, es geht um
die Wahrheit, um die einzige, um die Wahrheit über die Wirkungen
der Wahrheit. Als Ödipus sich auf diesen Weg machte, hatte er bereits
auf die Macht verzichtet. _
Worauf zielt folglich die Ausrichtung der Kur? Vielleicht genügt es,
ihre Mittel zu befragen, um sie in ihrer Richtigkeit zu definieren. A
Halten wir fest: s
I. Daß das Sprechen hier alle Gewalten hat, die besonderen Gewalten
der Kur; ~ _
2._Daß man weit davon entfernt ist durch die Regel das Subjekt
auf das volle Sprechen oder auf den zusammenhängenden Diskurs
zu verpflichten, sondern ihm die Freiheit 'läßt, sich hierin zu ver..
suchen;
3. Daß es gerade diese Freiheit sehr schlechtverträgt; I .
4. Daß der Anspruch eigentlich das ist, was in der Analyse ausgeklam-
rnert bleibt, da ausgeschlossen ist, daß der Analytiker einem solchen
stattgibt; j s i
5. Daß dem Eingeständnis des Begehrens kein Hindernis in den Weg
gelegt werden darf, und daß dies der Punktist, auf den hin das
Subjekt auszurichten, ja sogar zu kanalisieren ist;
6. Daß der Widerstand gegen solches Eingeständnis in letzter Analyse
hier 2111 Hißhffi anderem liegen kann als an der Unverträglichkeit des
Begehrens mit dem Sprechen. s
Sätze, die in meinem Diskurs zu finden vielleicht einige, selbst einige
meiner gewohnten Hörer wundern wird. _,
Man spürt hier die brennende Versuchung beim Analytiker, auf den
Anspruch zu antworten, so wenig es auch sein mag.
Mehr noch, wie ist das Subjekt daran zu hindern, ihm eine solche
Antwort zu unterstellen in der Gestalt seines Anspruchs auf Heilung
und gemäß dem Gesichtskreis eines Diskurses, den es ihm imputiert
mit um 30 größerem Recht, als unsere Autorität Anspruch aufcihn
erhebt, egal ob zu Recht oder sonstwas.
Wer wird nun dieses Nessushemd vonuns nehmen, das wir uns selber
gfiwifht hfi1h@I1¦id9~ß diflfñnalyse auf sämtliche Desiderate des An-
SPrUChS 2111tW01'IBI Und Zwar mittels verbreiteter Normen? Wer wird
diesen ungeheuren Mist der analytischen Literatur aus dem Augiasstall
hinauskehren? g
Zu welchem Schweigen muß deriAnalytiker nun sich verpflichten,
234 _
_ ______ J
3'* A.d.Ü.: Gemeint ist Walter Muschg, dessen Zürcher Antrittsvorlesung über «Psy-
choanalyse und Literaturwissenschaft» handelte und der ab 1936 in Basel gelehrt hat.
Die Freudschule von Paris würdigte Muschg mit einer Übersetzung eines seiner Auf-›
sätze zu diesem Thema und einem längeren Kommentar dazu. S. La Psychanalyse,
Vol. 4, Paris.
35 A.d.Ü.: Ein französisches Kinderspiel, bei dem ein Ring, der an einer Schnur
hängt, im Kreis von Hand zu Hand gleitet. Zu erraten ist,- in wessen Hand der Ring
am Ende eines Versspruchs sich befindet. _
7-35
:fc:
Wer hat wie dieser Kliniker, der gebunden War an die Alltäglichkeit
des Leids, das Leben ähnlich unerschrocken abgefragt nach seinem
Sinn, und das nicht um zu sagen, daß es keinen hat, was bequem
wäre, wollte man sich die Hände in Unschuld waschen, sondern nur
einen, wo das Begehren getragen ist vom Tod?
Begehrensmensch, Mensch eines Begehrens, das er gegen seinen Willen
verfolgte auf Wegen, wo es sich spiegelt im Riechen, im Herrschen
und im Wissen, der es hier .aber verstand, er allein, eingeweiht in
abgelebte Mysterien, den Signifikanten ohne Gleichen zu enthüllen;
diesen Phallus, den zu bekommen wie zu geben gleichermaßen unmög-.
lich ist für den Neurotiker, gleichviel ob _er weiß, daß der Andere
ihn nicht hat, oder hat, weil in beiden Fällen sein Begehren anderswe
ist: nämlich Phallus zu sein, und daß der Mensch, ob Mann oder
Frau, akzeptieren muß, ilın zu haben und nicht zu haben, ausgehend
von der Entdeckung, daß er nicht Phallus ist.
Hier schreibt sich jene letzte Spaltung“ ein, durchdie das Subjekt
dem Logos sich artikuliert und über die Freud, als er über sie zu
schreiben begann [r2], auf dem letzten Gipfel eines Werkes von den
Dimensionen des Seins uns die Lösung dert«unendlichen›› Analyse
gab, als sein Tod das Wort Nichts darunter setzte. _ g
2 36
_ __ _________
Dieser Vortrag ist ein ausgewähltes Stück aus unserer Lehre. Unser Diskurs auf dem
Kongreß und die Antworten, die dieser erhielt, haben ihn in seinen Zusammenhang
gestellt. -
Wir haben damals eine Skizze vorgelegt, die die Ausrichtungen, die wir hier in bezug
auf das Feld der Analyse und die Handhabung derselben vorstellen, präzise erfaßt,
Wir geben hier alphabetisch geordnet nach Autoren die Belegstellen, auf die unser
Text durch die Zahlen in eckigen Klammern verweist. › 4
Wir verwenden folgende Abkürzungen: _
G. W.: Sigmund Freud, Gesammelte Werke (Imago-Ausgabe). Die römische Zahl
meint die Bandnummer. -
I.].P.: International journal of Psychoanalysis. _
The P. Q.: The Psychoanalytic Quarterly. `
La P. D. A.: Ein Werk mit dem Titel: La psychanalyse d'aujourd'hui, erschienen bei
den Presses uniVCI'SiIfiifßS de Ffaflßß, auf das wir uns nur um der naiven Einfalt
willen beziehen, mit der sidi darin der Hang dokumentiert, in der Psychoanalyse die
Ausrichtung der Kur und die Prinzipien ihrer Madıtherabzusetzen. Eine Arbeit, die
sicher nach außen wirkt, aber auch nach innen: als Obstruktion.Wir zitieren also nicht
die Autoren, die durch keinerlei wissenschaftlichen Beitrag im strengen Sinne auf-
treten.
[1] Karl Abraham, Die Psychosexuellen Differenzen der`Hysterie und der Dementia
praecox (Erster Internationaler psydnoanalytischer Kongreß in Salzburg, 26. April
1908), Centralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie, 2. Heft, Juli 1903, Neue
Folge Bd. 19, S. 521-533, und in Klinische Beiträge zur Psychoanalyse (Internatio-
naler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig-Wien--Zürich 1921).
[1] G'-f01'g°5 DCVef°UX› 501110 Criteria for the timing of confrontations and interpre-
tations, I. J. P. XXXII, 1 (Januar 1951), p. 19-24.
[3] Sandor Ferenczi, Introjektion und Übertragung, Jahrbuch für psychoanalytisdıe
und psychopathologische Forschungen Bd. I (1909), S, 422-457 und 3_ F” Bausteine
zur Psychoanalyse, Bd. I, Bern 19642, S. 9-5 7. - '
[4] Anna Freud, Das Ich und die Abwehrmechanismen, 1936, Kap. IV; Die Abwehr-
mechanismen. Vgl. Versuch einer Chronologie, S. 60--63 (Internationaler Psychoann-
lytischer Verlag, Wien 1936). i I I _
[5] Sigmund Freud, Studien über Hysterie, 1895, G. W., I, Fall Elisabeth von R..
S. 196-151, S. 12;-127. -
[6] Sigmund Freud, Die Traumdeutung, G. W., II-III. Vgl. Kap. IV: Die Traum-
entstellung, S. 152--156, S. 157 und S. 163-168. Kern unseres ,Wesens, S. 609.
I7] Sigmund Freud' Bruchstück einer HYSterie-Analyse (Dora), beendet am 24. Jan.
1901 (vgl. Sigmund Freud, Aus den Anfängen der Psychoanalyse, Frankfurt am Main
1962, S. 280, Brief 140).
[8] Sigmund Freud, Bemerkungen über einen Fall von Zwangsneurose, 1909, G. W.,
VII. Vgl. in I, d) Die Einführung ins Verständnis der Kur, S. 40:.--404 und die Fuß-
note S. 404 f., dann I, f) Die Krankheitsveranlassung, also Freuds entscheidende Deu-
137
tung dessen, was wir mit «Das Thema (Sujet) der Krankheit» übersetzen Würden,
und I, g) Der Vaterkomplex und die Lösung der Rattenidee, auf S. 417--438.
[9] Sigmund Freud, jenseits des Lustprinzips, 1920, G. W., XIII: Vgl. wenn noch
nötig S. 1 1--14 des II. Kap. '
[10] Sigmund Freud, Massenpsydıologie und Ich-Analyse, i 1921, G» W-2 XIII,
Kap. VII: Die Identifizierung, S. 116-1 18.
[11] Sigmund Freud, Die endliche und die unendliche Analyse, 1937, G. W., XVI,
S. 59-99, ins Französische übersetzt unter dem Titel: Analyse terminëefl) et analyse
ı'ntermz`nahle(!!). Unsere Ausrufezeidıen gelten den Standards, die in der französi-
schen Übersetzung von Freuds Werken praktiziert werden.
[12] Sigmund Freud, Die Ichspaltung im Abwehrvorgang,-G. W., XVII, Schriften
aus dem Nadılaß, S. 58-62. Datum des Manuskripts: 2. Jan. 1938 (unvol-lendet).
[13] Edward Glover, The therapeutic effect of inexact interpretation: a contribution
to the theory of suggestion, I._].P., XII, 4 (Okt. 1931),'S. 399-411.
[14] Hartmann, Kris and Löwenstein, ihre Veröffentlichungen im Team, in The
psychoanalytic study of the child, seit 1946. __ _ _
[15] Ernst Kris, Ego psychology and interpretation in psychoanalytic therapy, The
P.Q., XX, No 1, jan. 1951, S. 21-25.
[16] Jacques Lacan, Unser Vortrag von Rom, 26-27. Sep. 1953; Funktion und Feld
des Sprechens und der Sprache in der Psychoanalyse, siehe oben S. 71 ff.
[17] Jacques Lacan, Die Instanz der Letter im Unbewußten oder die Vernunft seit
Freud, 9. Mai 1957, ersdıeint in «Sdıfifçen 11,., ' , _
[18] Daniel Lagache, Le problème dutransfert (Vortrag an der XIV. Konferenz der
Psychoanalytiker französischer Sprache, 1. Nov. 1951), Rev. franç. Psychan., t. XVI,
1952, No 1-2, S. 5-115.
[19] Serge Le_c1aire, A la recherdıe des principes d'une psychothérapie des psychoses
(K0I1gfCß V011 BOIIHCVRI, I 5- April 1957), L'Evolution psydıiatrique, 1958, fasc. 2, p.
377-419-
[20] Ida Mâcalpine, The development of the transference, The P.XIX, No 4,
Okt. 1950, S. 500-539, besonders S. 502-508 und S. 522-528.
ill] L9- P-D-A» 5- SI f. (über «prägenital›› und «genital››), passim (über die Ichstär-
6
kung und die Methode derselben), S. 102 (über die Distanz zum Objekt, methodi-
sches Prinzip einer Kur). ' '
[22] La P. D. A. Vgl. in der Reihenfolge S. 133 (emotionale Reedukation), S. 133
(Gegensatz der P.D.A. zu Freud in der Frage über die Bedeutung der Zweierbezie-
hUf18)› 5' 132 (die Heilung «von innen heraus››), S. 135 (wichtig ist . . . nicht so sehr,
was der Analytiker sagt oder tut, als vielmehr das, was er ist), und S. 136, etc.,
passim und auch S. 162 (über den Abschiedam Ende der Behandlung), S. 149 (über
den Traum). 1 i L "
[2 3: R. L., Perversion sexuelle transitoire au cours d'un traitement psydıanalytiqüßs
Bulletin d'activités de 1'Association des Psychanalystes de' Belgique, No 25, 3- I-17›
1 18, rue Froissart, Brüssel.
[24] Ella Sharpe, Technique of psychoanalysis, Coll. Papers, Hogarth Press. Vgl.
S. 81 (über das Bedürfnis, seine Existenz zu rechtfertigen); S. 12-14 (über die Kennt-
nisse und die erforderlidıen Techniken des Analytikers).
238 I
,.
139
Begriffsregister
Aufgenommen in dieses Register, das im zweiten Band dieser Ausgabe : er s änzt wer-
_
den wird, sind mit wenigen Ausnahmen nur Termini Laca ns 'ım engeren Sinne.
` Die
Entspredıungen des psychoanalytısdıen Vokabulaısfindet man bei J. Laplanche und,
J.-B. Pontalis, Das Vokabular der Psydıoanalyse › Frankfur t am M aın` 1972, in der
Übertragung von Emma Moersch 1 der wir n 111' In
` d en Begriffen
` <Spıegelstadıum»
' ' und
«Phantasma» nidit folgen. '
Slgfilfikat =
240
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