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Medien

1,3 Millionen Zuschauer rein. Im Durch- Ist gerade wieder so ein ermüdender
T V- E V E N T S
schnitt bleiben sie mehr als eine Stunde Fachvortrag über Gleise, Weichen, Steigun-

Großer dabei. gen vorbei, presst er das Gesagte so lange


Für das Format ist das eine Riesenleis- zusammen, bis ihm eine Pointierung ge-
tung. Denn auch wenn die „Frankfurter lingt. Bei der Einfahrt in den alten Kopf-

Bahnhof Allgemeine Sonntagszeitung“ die Media- bahnhof, sagt er dann, „rumpelt man über
tion als „Selbstinszenierung der Zivilge- viele Weichen, und wenn jemand auf der
sellschaft“ lobt, ist das ja erst einmal Toilette ist, dann haut’s den runter.“ Oder
nichts, was die Leute massenhaft anlockt. er fängt einen herumeiernden Redner ab:
Die Stuttgart-21-Schlichtung
Auch die von der „taz“ diagnostizierte „Habe ich Sie richtig verstanden, dass
gerät beim Spartensender Phoenix „Dialog- und Demokratieorgie“ ist im alle Alternativen verfassungswidrig sind?
zum Quotenrenner. Das liegt Fernsehen noch lange nicht sexy. Es muss Warum sitzen wir dann noch hier?“
vor allem am Unterhaltungstalent schon ein bisschen Show dabei sein. Und Einmal verstieg er sich gar zu der Be-
des Moderators Heiner Geißler. Geißler liefert die. hauptung, sein chronisch in Sitzungen
Er macht Minister, Bahn-Vorstände und klingelndes Handy habe einst schon Kohl

M
anuel Andrack ist wieder da. aufsässige Aktivisten gleichermaßen ge- im Kabinett gestört. Zwar gab es damals
Nicht der Mensch, aber der Ty- fügig, behält stets das letzte Wort und in Deutschland noch gar keine Mobil-
pus. Andrack war mal Stichwort- fährt allen in die Parade: „Sie sind jetzt telefone. Aber Hauptsache, die Pointe
geber von Harald Schmidt und zeichnete nicht dran.“ – „Ich empfehle, bei der sitzt. „Das war komplett erfunden“, gibt
sich dadurch aus, dass er sich an seinen Wahrheit zu bleiben.“ – „Lassen Sie sich Geißler nach der Sitzung zu und setzt
Chef anbiederte und bei dessen Witzen nicht von Menschen irritieren, die den nach: „Da kann ich doch nichts dafür,
in sich hineingluckste. Kopf schütteln oder in der Nase bohren.“ wenn das einer glaubt.“
Er selbst darf das Ganze natürlich nicht
als Show sehen. „Das hier ist eine auf-
klärerische Aktion“, sagt er also. Und es
gehe nicht um Unterhaltung, sondern um
die Sache. Aber da gibt er sich naiver, als
er ist. Nur sehr humorlose Menschen se-
hen in Aufklärung und Unterhaltung ei-
nen Widerspruch.
Der Mann war schließlich mal Wahl-
kämpfer und weiß, dass in Fernsehen und
Demokratie vor allem die Quote zählt.
Und die kriegt man nicht mit Langeweile.
Immer wieder mahnt er live: „Sonst schal-
ten die Leute ab.“ Als er bei der zweiten
Sitzung die Top-Quote der ersten Sendung
verkündet – die zweitbeste in der Geschich-
te von Phoenix –, grinst Geißler breit.
FRANZISKA KAUFMANN / ACTION PRESS

Von niemandem lässt sich der Polit-Ve-


teran die Show stehlen. Als der baden-
württembergische Ministerpräsident Ste-
fan Mappus zu Gast war, vergaß er glatt,
ihn vorzustellen. „Es ist mir völlig uner-
klärlich, wie ich ihn überspringen konn-
te“, sagt Geißler und verzeiht sich gleich
selbst: „Aber es ist okay.“
Schlichter Geißler: „Da kann ich doch nichts dafür, wenn das einer glaubt“ Für den 80-Jährigen sind alle Akteure
um ihn herum Kinder, irgendwie. „Das
Der neue Andrack heißt Boris Palmer. Geißler kann Klartext. Das hat er haben Sie prima gemacht“, sagt er etwa
Im Hauptberuf ist er Grünen-Politiker schon früher bewiesen, als er noch Hel- zu einem Vortrag des Bahn-Vorstands Vol-
und Oberbürgermeister von Tübingen. mut Kohls Mann fürs Grobe war und die ker Kefer. Oder er maßregelt seinen Fan
Doch seine wahre Bestimmung entdeckt Sozis abwatschte. Er mag es nicht, wenn Palmer: „Man redet nur, wenn man dran
er gerade als Heiner Geißlers Schlich- einer in Fachkauderwelsch abdriftet. ist. Alles andere macht nämlich keinen
tungslehrling. Wann immer der Ex-Gene- „Das versteht doch kein Mensch“, blafft guten Eindruck.“ Ein wenig erinnert er
ralsekretär der CDU eine Pointe landet, der Politpensionär dann. „Das macht da an Günther Jauch, wenn der bei „Wer
muss Palmer zeigen, dass er die als Erster mich ganz wirr.“ wird Millionär?“ seine Kandidaten auf
verstanden hat. Einmal brachte er Geißler Was er auch hasst, sind Redner, die ihre Kinderstube abklopft.
sogar Schokolade mit und überreichte sie immer wieder auf ihre Vorredner verwei- Geißler funktioniert im Fernsehen tat-
ihm als „Schlichterstückchen“. sen. „Wir machen hier kein historisches sächlich ein bisschen wie Schmidt und
So viel Devotheit hat seine Gründe. Seminar.“ Jauch. Er ist der Star, im Zweifel selbst
Was Harald Schmidt mal für die Late Geißler ist ein großer Vereinfacher – der Klügste und jederzeit bereit, mit Lob
Night in Deutschland war, ist Geißler für und darin Überzeugungstäter. „Theoreti- und Tadel zuzuschlagen. „Nondum om-
das neue Wutbürger-Fernsehen: ein unum- sieren ist relativ einfach. Aber es gehört nium dierum solem occidisse“, doziert er
strittener Meister im Nischenprogramm. Intelligenz dazu, komplizierte Dinge in in Latein. Auf Deutsch klingt das nur halb
Vergangenen Freitag ging die Schlich- einfacher Sprache zu erklären“, sagt er so erhaben: Noch sei nicht aller Tage
tung in die fünfte Runde, und die Reso- zu seiner neuen Fernsehrolle, ohne einen Abend. Aber wer weiß das schon. Grin-
nanz ist für Phoenix-Verhältnisse gerade- Zweifel daran zu lassen, dass er selbst das send liefert Geißler gern selbst die Über-
zu atemraubend: Jedes Mal schalten rund natürlich kann. setzung. M����� B�����, S����� K�����

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