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Protokoll (erste Hälfte) zur Sitzung vom 28.11.2019 zu Max Horkheimer: Nachtrag zu
Traditionelle und kritische Theorie. In: Gesammelte Schriften, hg. von A.Schmidt und
G.Schmid Noerr, Frankfurt/M.1988. Bd. 4.
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Hierdurch soll verdeutlicht werden, dass Horkheimer im „Nachtrag“ versucht zu
klären, in welchem Verhältnis die Kritische Theorie zur Philosophie steht und wieso
sie nicht ohne letztere auskommen. Außerdem stellt sich die Frage, inwiefern Marx
schon philosophisch war und es auch bleibt.
• Ergänzung durch weitere Leitfrage: „Wie sieht das Verhältnis zwischen „Philoso-
phie“, „Kritischer Theorie“ und „Kritik der politischen Ökonomie“ aus?“
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Absatz 2 („um die gesellschaftliche Arbeit“):
• Hier stand die Frage im Raum, ob es sich um einen weiten Begriff von Arbeit als
zweckgerichteter Tätigkeit oder um eine engere Auffassung von Arbeit als die spezi-
fische Reproduktion des physischen Lebens handelt. Diese Frage blieb noch offen.
Absatz 3: Emanzipation als Ziel kritischer Theorie und als philosophisches Ziel
1. Die Rolle der Fachwissenschaften
Zuerst wurden die ersten beiden Sätze des dritten Absatzes besprochen: Hier wurde insbe-
sondere auf das Verhältnis „Kritische Theorie – Fachwissenschaften“ eingegangen (2. Satz,
3. Absatz: „Bei aller Wechselwirkung zwischen der Kritischen Theorie und den Fachwissen-
schaften […], zielt sie nirgends bloß auf die Vermehrung des Wissens als solchen ab, sondern
auf die Emanzipation des Menschen aus versklavenden Verhältnissen“). Die Beschäftigung
mit den Fachwissenschaften ist für die Kritische Theorie dahingehend wichtig, da die Fach-
wissenschaften etwas über den aktuellen Zustand der Verhältnisse aussagen. Die gesellschaft-
lichen Antagonismen fügen den Individuen jedoch Leid zu und machen somit Philosophie
und Kritische Theorie als eine Art der Philosophie nötig. Die Kritische Theorie geht nämlich
über die deskriptiven Analysen der Fachwissenschaften hinaus und stellt somit eine Kritik der
Verhältnisse an sich dar. So beschäftigt sie sich mit den von Kant explizit formulierten, all-
gemeinen Fragen wie: „Was können wir wissen?“; „Was können wir hoffen?“; „Was wollen
wir tun?“. Diese Fragen kulminieren in den Fragen: „Was ist der Mensch?“; „Was ist das
menschliche Leben?“; „Was ist das gute Leben?“; „Wie sollen wir (gut) leben?“. Diese Fra-
gen stellen Metafragen der Philosophie dar, die durch empirische Untersuchungen nicht be-
antwortet werden können und die von den Fachwissenschaften nicht gestellt werden.
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Absatz 5: Kritik der politischen Ökonomie und ihr Verhältnis zum Ganzen sowie die Er-
läuterung der gesellschaftlichen Antagonismen
Eine der wichtigsten Methoden der Kritischen Theorie ist eine Art der immanenten Kritik. In
dieser werden Implikationen (auch normative) der untersuchten Begriffe identifiziert und mit
der sozialen Wirklichkeit und Möglichkeit konfrontiert. Dadurch werden inhärente Wider-
sprüche offengelegt und Ansatzpunkte für weitere Analysen geschaffen. Die Kritische Theo-
rie versucht zudem in ihren Betrachtungen gesellschaftliche Prozesse ganzheitlich zu betrach-
ten. Dazu schreibt Horkheimer: „[J]edoch [ist] die kritische Theorie der Gesellschaft auch als
Kritik der Ökonomie philosophisch geblieben: ihren Inhalt bildet der Umschlag der die Wirt-
schaft beherrschenden Begriffe in ihr Gegenteil[.][...] Es handelt sich hier nicht so sehr um
das, was gleichbleibt, als um die geschichtliche Bewegung der Epoche, die zum Abschluss
kommen soll. [...] Der Hinblick auf die Tendenzen der gesamten Gesellschaft, [...] bezeichnet
den Unterschied zu rein fachlichen Betrachtungen“ (Hervorhebung von mir, M.S.). Den In-
halt der Kritischen Theorie bilden in dieser Hinsicht also zum einen die Erkenntnisse der im-
manenten Kritik, zum anderen werden jedoch Veränderungen in der Gesellschaft betrachtet
und ins Verhältnis zum Ganzen gesetzt. Dadurch betont die Kritische Theorie einerseits die
Erkenntnis gesellschaftlicher Prozesse und reflektiert andererseits, dass die Kritische Theorie
auch die Realisierungsmöglichkeiten in der gegenwärtigen Gesellschaft mitdenken muss. Sie
betrachtet gerade das Veränderbare, was sonst oft als notwendig verkannt wird und reflektiert
dessen Kontingenz.
Der Inhalt der Kritik der Ökonomie fußt in der Methode der immanenten Kritik und dem An-
spruch die Ökonomie im Verhältnis zur ganzen Gesellschaft zu betrachten, sowie durch ihre
Kritik zu einer vernünftigen Neuorganisation der gesellschaftlichen Verhältnisse beizutragen.
Deshalb sieht sie, dass in den ökonomischen Grundbegriffen gewisse Versprechen zum Aus-
druck kommen, die in der wirklichen gesellschaftlichen Praxis nicht realisiert werden oder
dass ihre Wirkungen diesen sogar diametral entgegenlaufen. So ist zum Beispiel eine Wir-
kung des als gerecht angesehenen Äquivalententauschs (Tausch Lohn gegen Arbeit), dass
sich die sozialen Ungleichheiten verschärfen. Ein weiterer Fall ist die Umschlagung der als
belebend und innovierend verstandenen Konkurrenzverhältnisse in Monopolismus. Indem sie
diese Umstände ins Verhältnis zu den gesamtgesellschaftlichen Prozessen setzt, sieht sie aber
ebenso, dass diese gesellschaftlichen Antagonismen, wie sie sich in den inhärenten Wider-
sprüchen der ökonomischen Grundbegriffe spiegeln, ihre Bedingungen in den Verhältnissen
der Warenproduktion haben.
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Absatz 6: Beherrschung der Menschen durch die Wirtschaft
In ihrer normativen Stoßrichtung zielt die Kritische Theorie auf die Emanzipation und glück-
liche Existenz aller Individuen in einer Welt in der die Individuen ihre Bedürfnisse befriedi-
gen können, indem die Kritische Theorie einen notwendigen Teil zu der vernünftigen Organi-
sation der gesellschaftlichen Arbeit beiträgt (Abschnitt 2 & 3). Dazu ist es allerdings notwen-
dig, dass die gegenwärtige, „geschichtliche Bewegung der Epoche“, in der den Individuen
viel Leid verursacht wird, zum Abschluss kommt.
2. Kritik am Nationalsozialismus
Die Kritik am Nationalsozialismus bezieht sich an dieser Stelle vor allem auf die Verblen-
dung der Menschen, da mit dem Begriff „des Lebensinteresses der eingebildeten Volksge-
meinschaft“ das „Interesse der wirklichen Menschen auf ungehinderte Entfaltung und glück-
liche Existenz mit dem Machthunger der ausschlaggebenden Gruppen vertauscht [wird]“. Der
völkischen Ideologie liegt zum einen eine doppelte Täuschung zugrunde. Die Volksgemein-
schaft ist erstens eine Illusion und zweitens bewirkt sie einen Irrtum darüber, welchen Grup-
pen die gesellschaftlichen Verhältnisse nützen. Zum anderen wird die Widersprüchlichkeit
der völkischen Ideologie und der Warenproduktion auf einer tieferen Ebene zwar erkannt, da
die Widersprüche im Denken der Menschen an die Oberfläche treiben, aber diese Wider-
sprüchlichkeit wird soweit unterdrückt, dass die völkische Ideologie zumindest oberflächlich
geglaubt werden kann. Die Überzeugungen der völkischen Ideologie sind somit doppelt defi-
zitäre Überzeugungen. Sie sind einerseits illusionär und andererseits notwendig instabil, da
die Widersprüche zum Liberalismus sich in Zeiten der Krise manifestieren und die eingebil-
dete Volksgemeinschaft zerbricht. Diese Zwiespältigkeit der völkischen Ideologie verweist
auch auf eine Ambivalenz des Ideologiebegriffs.
Die Werturteilsfreiheit der traditionellen Theorie ist nur eine Scheinbare. Da durch die gesell-
schaftliche Arbeit alle Bereiche des Lebens geprägt werden, schlagen sich die gesellschaftli-
chen Verhältnisse auch in den Sinneserfahrungen, den Erkenntnisweisen und somit ebenso in
den wissenschaftlichen Theorien nieder. Wenn diese Wirkungen in den Fachdisziplinen aus-
geblendet werden und angenommen wird, dass die Welt so erkannt werden kann wie sie an
sich ist, dann verleitet dies zur Affirmation der bestehenden Verhältnisse. Die gesellschaftli-
chen Prägungen der Theorien bleiben unsichtbar und somit kann auch nicht reflektiert wer-
den, wie sich die bestehenden Verhältnisse durch die mit ihnen geprägte Theorie selbst bestä-
tigen. Kritische Theorien gehen mit dieser Unmöglichkeit eines objektiven Blickes auf „nack-
te“ Fakten progessiv um: Sie reflektieren dies und bekennen sich zu ihren Idealen und sie
verstehen sich gerade auch dabei als geschichtlich wandelbar bis in den Wahrheitsgehalt hin-
ein.