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Zur Spezifikation der kritischen Theorie

1) Einbeziehung des subjektiven Faktors. „Der Kitt“. Notwendigkeit eines psychologischen Surplus
über die objektive Ökonomie, um die Gesellschaft zusammenzuhalten.

2) Marxismus als kritische Theorie der Gesellschaft heißt, daß er nicht hypostasiert, nicht einfach
Philosophie werden kann. Die philosophischen Fragen sind offen, nicht durch Weltanschauung
vorentschieden.

3) Kritische Theorie geht nicht auf Totalität sondern kritisiert sie. Das heißt aber auch, daß sie ihrem
Inhalt nach anti-totalitär ist, mit aller politischen Konsequenz.

4) Kritische Theorie ist keine Ontologie, kein positiver Materialismus. In ihrem Begriff liegt, daß
die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse die notwendige, aber nicht die zureichende Bedingung
einer befreiten Gesellschaft ist. Der verwirklichte Materialismus ist zugleich die Abschaffung des
Materialismus als der Abhängigkeit von blinden materiellen Interessen.
Über das Tauschprinzip hinausgehen heißt zugleich es erfüllen: keiner darf weniger mehr
bekommen als das Äquivaent der durchschnittlichen gesellschaftlichen Arbeit.

5) Für die kritische Theorie ist Wissenschaft eine unter anderen gesellschaftlichen Produktivkräften
und verflochten in die Produktionsverhältnisse. Sie selbst unterliegt jener Verdinglichung, gegen
welche die kritische Theorie sich richtet. Sie kann nicht das Maß der kritischen Theorie, diese kann
nicht Wissenschaft sein wie Marx und Engels es postulierten.

6) Das heißt soviel wie daß in der kritischen Theorie der Marxismus – ohne daß er aufgeweicht
würde – sich selbst reflektieren muß. Er ist dem Positivismus unversöhnlich. Dieser ist eine
beschränkte Gestalt der Vernunft. Seine Unvernunft ist immanent bestimmbar. Die kritische Theorie
wird motiviert von einem veränderten Vernunftbegriff.

7) Kritische Theorie nimmt – gegen den Materialismus als Metaphysik – Dialektik unvergleichlich
viel schwerer als der etablierte Marxismus. Das gilt vor allem auch für die Ideologie. Kritische
Theorie kann nicht den Überbau von oben her abfertigen. Im Ideologiebegriff, als dem
gesellschaftlich notwendigen Scheines, ist der eines richtigen Bewußtseins enthalten. Nicht aller
Geist ist Ideologie. Kritische Theorie heißt immanente Kritik auch des Geistes.

8) Kritische Theorie ist motiviert vom Interesse an einer menschenwürdigen Gesellschaft, insofern
praktisch. Aber sie nicht nach Praxis als einem Thema probandum zu messen; Objektivität der
Wahrheit, Vernunft sind ihr verbindlich. Sie hypostasiert nicht eine Einheit von Theorie und Praxis,
die unter der gegenwärtigen Gesellschaft gar nicht möglich ist. Zwischen Theorie und Praxis
herrscht kein Kontinuum.
(Typoskript im Max-Horkheimer-Archiv)

Adorno, Theodor W., Zur Spezifikation der kritischen Theorie (1969), in: Theodor W. Adorno
Archiv (2003), Adorno. Eine Bildmonographie, 2003, Frankfurt a.M., 292.

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