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Sprachförderung
Was sie leistet und wie sie
optimiert werden kann
Dossier 14/1
SWISSEducation
Swiss Institute for Educational Issues
Frühe Sprachförderung
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Inhalt
Management Summary .................................................................................................... 8
Schlüsselbotschaften .......................................................................................................12
Briefing Paper 1: Weshalb frühe Sprachförderung wichtig ist und was sie bedeutet ..........16
Frühe Sprachförderung
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Vorwort
Sprachförderung ist in der Weshalb ist es uns bisher somit kaum gelungen,
Bildungs- und Sozialpolitik benachteiligte Kinder mit Sprachdefiziten so zu
ein Dauerbrenner. In den fördern und auszubilden, dass ihre Startchancen
letzten Jahren ist sie zum deutlich höher sind als dies ohne Förderung der
politischen Mainstream- Fall wäre? Wo liegen die Barrieren?
thema geworden. Lag der Eine Antwort ist sicher die, dass wir immer noch
Fokus über Jahre hinweg nicht wissen, wie man Sprachförderung gestal-
auf der Förderung und In- ten sollte, damit sie wirksam wird. Weil uns zu
tegration von zwei- oder wenig gut fundierte und methodisch aussage-
mehrsprachigen Kin-dern kräftige Evaluationen zur Verfügung stehen, wis-
in der Primarschule, so ist er seit einiger Zeit auf sen wir kaum, welche der eingesetzten Mass-
den Vorschulbereich und ganz spezifisch auf nahmen und Programme tatsächlich wirksam
Migrantenkinder aus sozio-ökonomisch benach- sind. «Wirksam» meint dabei, dass Kinder mit
teiligten Familien ausgerichtet. Ihr Anteil ist in Sprachdefiziten durch solche Massnahmen ihren
den letzten Jahren stetig gewachsen. Solche Kin- Rückstand deutlich verringern können.
der sind auf den Schuleintritt ungenügend vor-
bereitet, weil ihre sprachlichen Kompetenzen in Somit nutzen wir das Potenzial zu vieler Kinder
der Zweitsprache Deutsch zu diesem Zeitpunkt nicht oder sehr unzureichend, weil ihnen zu oft
oft schlechter ausgeprägt sind als bei Kindern, Chancen aufgrund mangelnder Sprachbeherr-
deren Erstsprache Deutsch ist. Sprachdefizite schung verbaut werden. Zwar gilt diese Negativ-
zeigen jedoch auch zunehmend Kinder aus ein- bilanz nicht nur für die Schweiz, sondern für den
heimischen Familien. gesamten deutschsprachigen Raum. Im Lande
eines Heinrich Pestalozzi muss uns eine solche
Angesichts dieser Tatsachen besteht in Wissen- Erkenntnis jedoch besonders schmerzen.
schaft und Politik weitgehend Einigkeit, dass die Pestalozzi hat bekanntlich gefordert, dass jedes
Bildungschancen solcher Kinder vor allem dann Kind gemäss seinem Stand und seinen Möglich-
verbessert werden können, wenn sie möglichst keiten erzogen und gebildet werden soll und
früh, also vor der Einschulung, einsetzen. Die auch Arme (resp. Benachteiligte) nicht ausge-
ersten Lebensjahre gelten als die lernsensibels- schlossen werden dürfen.
ten und deshalb als die entscheidendsten, ob
Kinder mit denjenigen Ressourcen ausgestattet Sind somit Erwartungen an die frühe Sprachför-
werden, die für die späteren Bildungschancen derung überhaupt realistisch? Welche Ansätze
massgebend sind. gibt es, und welches sind die Vor- und Nachteile?
Was muss oder müsste in diesem Bereich getan
Eine früh einsetzende Sprachförderung in der werden, damit frühe Sprachförderung wirk-
Familie, in Kindertagesstätten (Krippen resp. sam(er) wird?
Kitas), Tagesfamilien, Spielgruppen und anderen
Einrichtungen ist deshalb eine der wichtigsten Solche Fragen werden in diesem Dossier disku-
integrationspolitischen Aufgaben. In dieser Hin- tiert. Zu beachten ist dabei, dass es ausschliess-
sicht kann sich die Schweiz sehen lassen, ist doch lich auf Kinder mit Sprachförderbedarf und nicht
in den letzten Jahren in die frühe Sprachförde- auf solche mit Sprachentwicklungsstörungen fo-
rung recht viel investiert worden. Somit fehlt es kussiert.
keinesfalls an Engagement. Das eigentliche Prob- Das Dossier stellt das aktuell verfügbare wissen-
lem liegt anderswo: Erstens in der empirisch viel- schaftliche Wissen zu dieser Thematik zusam-
fach belegten Tatsache, dass Kinder, die eine men und zeigt auf, welche Schritte unternom-
frühe Sprachförderung am nötigsten hätten, oft men werden müssten, um Massnahmen guter
gar keine vorschulische Fördereinrichtung besu- Sprachförderung im Vorschulbereich erfolg-
chen. Deshalb sind ihre Chancen für eine erfolg- reich(er) umsetzen zu können.
reiche Schullaufbahn bisher beschränkt geblie-
ben. Zweitens, dass es bis heute nicht gelungen
ist, die Sprachförderung so zu gestalten, dass sie
wirkt, d.h., dass die Chancen von benachteiligten
Migrantenkindern und solchen aus Risikofami- Prof. Dr. Margrit Stamm
lien für eine erfolgreiche Schullaufbahn tatsäch- em. Ordinaria für Erziehungswissenschaften an
lich erhöht werden können. der Universität Fribourg
Swiss Education Bern
Bern, im Februar 2014
Was sie leistet und wie sie optimiert werden kann
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Frühe Sprachförderung
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Frühe Sprachförderung
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Management Summary
Weshalb frühe Sprachförderung wichtig ist der generalisierend verwendete Begriff «Mig-
und was sie bedeutet rationshintergrund» angemessen ist, mag be-
zweifelt werden. Denn es spielt eine wichtige
Im Schweizer Bildungssystem ist der starke Zu-
Rolle, unter welchen Bedingungen Kinder heu-
sammenhang von sozialer Herkunft und Bil-
te aufwachsen.
dungserfolg noch nicht überwunden worden.
Es gibt zu viele Kinder aus benachteiligten Fa- Briefing Paper 2 Seite 18
milien, welche am Ende der Schulzeit nur über
Jede Massnahme zur frühen Sprachförderung
minimale Lesekompetenzen verfügen.
sollte auf der Frage aufbauen, welche Vorschul-
Briefing Paper 1 Seite 16 kinder eigentlich sprachlichen Unterstützungs-
bedarf haben. Leider differenzieren viele der
Bildung und eine gute Berufsausbildung sind für
existierenden Sprachfördermassnahmen zu we-
den Lebenserfolg und die aktive Teilnahme am
nig zwischen den verschiedenen Herkunfts-
gesellschaftlichen Leben zentral. Der Sprach-
milieus der Kinder, ihren sprachlichen Kompe-
kompetenz kommt dabei eine wesentliche Be-
tenzen und Defiziten sowie ihren Bedürfnissen.
deutung zu. Eine zu grosse Gruppe von benach-
teiligten Kindern erreicht jedoch ein zu geringes Familien mit Migrationshintergrund können sich
Kompetenzniveau. Sprachförderung ist deshalb stark voneinander unterscheiden. Das Bildungs-
ein wichtiges Bildungsziel überhaupt, wenn es niveau ist entscheidend. Gut gebildete Migran-
um Integrationsbemühungen und um die Schaf- tenfamilien haben oft ein ähnliches Bildungs-
fung von optimalen Startchancen von Kindern und Erziehungsverständnis wie einheimische
geht. Aktuell existieren in der Schweiz viele Familien, häufig jedoch ein ganz anderes als
Sprachförderprojekte. Der Begriff «Sprachförde- Migrantenfamilien mit niedrigem Bildungsni-
rung» wird jedoch unterschiedlich verwendet. veau.
In diesem Dossier werden darunter alle Mass-
Zudem gibt es auch Gruppen von Kindern ohne
nahmen verstanden, welche auf die gezielte
Migrationshintergrund, die Unterstützungsbe-
Förderung der kindlichen Sprachkompetenz
darf haben. Andererseits trifft man immer wie-
ausgerichtet sind.
der auf Kinder aus benachteiligten Migranten-
Andere wichtige Begriffe sind Mehrsprachigkeit familien, welche sich sprachlich sehr gut entwi-
und Bilingualismus. Mehrsprachigkeit meint, ckeln. Aufgrund eines generalisierenden und oft
dass sich jemand in zwei oder mehr Sprachen plakativ-negativen Blicks auf «Kinder mit Migra-
verständigen kann, Bilingualismus wird mit tionshintergrund» werden zu viele von ihnen al-
Zweisprachigkeit gleichgesetzt. Unterschieden lein aufgrund des Wissens um ihre Herkunft als
werden simultan bilinguale Kinder (welche be- förderbedürftig eingestuft. Oft geschieht dies
reits früh mit zwei Sprachen aufwachsen) und vorschnell, undifferenziert und ohne diagnosti-
sukzessiv zweisprachige Kinder (welche zuerst sche Abklärung.
nur ihre Muttersprache und später eine neue
Die grösste Herausforderung für unser Bildungs-
Sprache lernen). Ferner wird zwischen Alltags-
system sind benachteiligte Migrantenkinder, die
sprache (die im täglichen Umgang benutzte
zu Hause und auch in ihrer sozialen Umgebung
Sprache) und Bildungssprache (die formale,
kein Deutsch sprechen. Diese Kinder haben eine
wohlgeformte und gehobene Ausdrucksweise)
zwei- bis viermal grössere Wahrscheinlichkeit
unterschieden.
als einheimische und/oder gut situierte Migran-
Die Bedeutung der Herkunftssprache ist in der tenkinder, in Armut und Benachteiligung aufzu-
Forschung umstritten, und es liegen auch kaum wachsen. Die Zugangshürden, damit solche Kin-
eindeutige oder hinreichend abgesicherte Be- der eine gute Kita oder eine Sprachfördermass-
funde vor. Weitgehend unbestritten ist jedoch, nahme besuchen können, sind jedoch oft sehr
dass zwei- und mehrsprachiges Aufwachsen für hoch. Viele dieser Kinder, welche eine Förde-
die kognitive Entwicklung von Vorteil ist. rung am nötigsten hätten, fallen durch die Ma-
schen.
Wer braucht Unterstützung beim Sprach- Problematisch ist zudem, dass es in einer Ge-
erwerb?
meinde oft nur ein einziges Angebot gibt und
Ausgangslage vieler Massnahmen zur frühen nicht zwischen Sprachdefiziten und Sprachstö-
Sprachförderung ist die Überzeugung, dass rungen differenziert wird. Dies ist jedoch zent-
Kinder von Migranten generell Sprachförder- ral, denn Sprachdefizite machen eine Sprachför-
bedarf hätten. Ob diese Ausrichtung und damit
Was sie leistet und wie sie optimiert werden kann
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Anders der interkulturelle Ansatz. Er stellt we- scheidenen positiven Ergebnis: Kinder aus be-
der Assimilation noch Defizitausgleich in den nachteiligten Sozialschichten und/oder mit
Mittelpunkt, sondern die kulturellen Unter- Migrationshintergrund sind trotz Sprachförde-
schiede. Wertschätzung und Anerkennung von rung beim Schuleintritt nach wie vor im Hinter-
Vielfalt gelten als wesentlichstes Prinzip der so- treffen. Sie profitieren nur unter gewissen Be-
zialen Teilhabe. Eltern sollen auf diese Weise dingungen.
ermuntert werden, sich aktiv am Entwicklungs-
und Bildungsprozess ihres Kindes zu beteiligen
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und sich stärker in seiner Erziehung und Förde-
Fasst man sowohl die aus der Schweiz als auch
rung zu engagieren.
aus dem Ausland stammenden Wirksamkeits-
Der strukturkritische Ansatz fokussiert weder studien zur frühen Sprachförderung zusammen,
auf zu kompensierende Defizite noch auf kultu- so ergeben sich insgesamt eher schwache Ef-
relle Differenzen, sondern auf das Bildungssys- fekte. Eher stark und damit positiv sind sie je-
tem selbst und seine diskriminierenden Tenden- doch im Hinblick auf einen Bereich: Massnah-
zen. Der Ansatz geht davon aus, dass seine or- men, welche gezielt die Vorläuferfähigkeiten
ganisationellen Strukturen oder institutionellen (wie phonologische Bewusstheit oder Wort-
Regelungen zu Benachteiligungen von Gruppen schatz) betreffen. Die Ergebnisse sind jedoch
führen. Die bekanntesten diskriminierenden nur positiv, wenn das Personal spezifisch ge-
Mechanismen sind die massive Häufung von schult ist und die Förderung regelmässig, relativ
Kindern aus benachteiligten Migrantenfamilien intensiv und langfristig stattfindet.
in Realschulen, Einschulungsklassen oder die
Sprachförderkonzepte, welche spezifisch auf
Warteschlaufen beim Eintritt in die Berufsbil-
benachteiligte Migrantenkinder ausgerichtet
dung, welche solche Jugendlichen viel häufiger
sind, konnten bisher keine nachweislichen Ef-
als Einheimische drehen müssen.
fekte erzielen. Diese unbefriedigende Befund-
Die erste Adressatin des strukturkritischen An- lage hat dazu geführt, dass verschiedentlich ge-
satzes ist deshalb nicht die pädagogische Praxis, fordert wird, das Fachpersonal müsse stärker in
sondern die Bildungspolitik. Trotzdem kommt den Blick genommen werden.
der pädagogischen Praxis die Aufgabe zu, die
Aufgrund solcher Evaluationsergebnisse ist an-
möglicherweise diskriminierenden – ungewoll-
zunehmen, dass nur wenig Kinder in den Genuss
ten und unbeabsichtigten – Mechanismen an ih-
qualitativ hochstehender Sprachförderung
ren Institutionen zu reflektieren, sie zu erken-
kommen und deshalb zu vielen Kindern schuli-
nen und zu Gunsten der Betroffenen zu verbes-
sche Chancen aufgrund mangelnder gezielter
sern.
Sprachförderung verbaut werden.
Insgesamt ist der kompensatorische Ansatz in
Praxis und Bildungspolitik gut akzeptiert. In der Kernelemente früher Sprachförderung:
Fachliteratur wird er jedoch eher kritisch begut- Fünf Empfehlungen
achtet. Anders der interkulturelle Ansatz, der
Sprachfördermassnahmen können nicht einfach
von der Forschung stark getragen wird und auch
optimiert werden, indem mehr Finanzen ge-
im Vorschul- und Kindergartenbereich verbrei-
sprochen werden. Es braucht Anstrengungen in
tet ist. Auch der strukturkritische Ansatz hat in
verschiedenen Bereichen. Notwendig sind aus-
letzter Zeit grosse Beachtung erfahren. Gerade
sagekräftige Wirksamkeitsüberprüfungen und
die Diskussion um die hohe Selektivität unseres
kantonale resp. auf die Gemeinde bezogene Ge-
Bildungssystems hat die Sensibilität für Mecha-
samtkonzepte, auf die Sprachförderung ausge-
nismen institutioneller Diskriminierung geweckt.
richtete Aus- und Fortbildungsmassnahmen des
Im Gegensatz zu den beiden anderen Ansätzen
Personals, optimierte institutionelle und struk-
gewinnt er in der pädagogischen Praxis jedoch
turelle Rahmenbedingungen, verstärkte Fami-
wenig Freunde, vor allem aufgrund seiner oft-
lien- resp. Elternbeteiligung sowie intensivierte
mals das Fachpersonal anklagenden Art.
Massnahmen zur Zusammenarbeit von Politik
und Praxis auf wissenschaftlicher Basis.
Sprachförderung und ihre Wirksamkeit
Die wenigen Studien zur Wirksamkeit früher
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Sprachförderung kommen zu einem relativ be-
Frühe Sprachförderung
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Schlüsselbotschaften
Weshalb frühe Sprachförderung wichtig ist Theoretische Ansätze früher Sprachförde-
und was sie bedeutet rung
Es gibt zu viele Kinder aus benachteiligten Drei theoretische Ansätze leiten am häu-
Familien, welche am Ende der Schulzeit nur figsten die Struktur der Programme und die
über minimale Lesekompetenzen verfügen. Art und Weise ihres Einsatzes: der kompen-
satorische, der interkulturelle und der
Weil die Sprache als Schlüssel zur Bildung
strukturkritische Ansatz.
gilt, wird heute der frühen Sprachförderung
besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der kompensatorische Ansatz ist der belieb-
teste in Politik und Praxis, der interkulturel-
Wer braucht Unterstützung beim Sprach- le Ansatz derjenige, welcher am meisten In-
erwerb? tegrationserfolg hat.
Der Begriff «Kinder mit Migrationshinter-
Sprachförderung und ihre Wirksamkeit
grund» ist irreführend. Nicht alle diese Kin-
der haben Sprachförderbedarf. Es gibt wenig Studien, welche die Wirksam-
keit von Sprachfördermassnahmen anhand
Es gibt Gruppen von Kindern ohne Migrati-
der kindlichen Entwicklungsfortschritte un-
onshintergrund, die Unterstützungsbedarf
tersuchen.
haben. Genauso gibt es Kinder aus benach-
teiligten Migrantenfamilien, welche sich Die Effekte bisheriger Untersuchungen sind
sprachlich sehr gut entwickeln. im Allgemeinen eher schwach, im Hinblick
auf die gezielte Förderung von Vorläu-
Die grösste Herausforderung für unser Bil-
ferfähigkeiten (wie phonologische Bewusst-
dungssystem sind benachteiligte Migranten-
heit oder Wortschatz) jedoch gut.
kinder, die zu Hause kein Deutsch sprechen
und auch in ihrer sozialen Umgebung nicht. Dies trifft aber nur dann zu, wenn das Perso-
nal spezifisch geschult ist und die Förderung
Ursachen und Folgen von Sprachdefiziten regelmässig stattfindet.
Als Ursachen von Sprachdefiziten scheinen
Kernelemente früher Sprachförderung: Fünf
fehlende deutschsprachige Anregungen in
Empfehlungen
der Familie und der fehlende Austausch mit
einheimischen Kindern bedeutsam. Sprachfördermassnahmen können nicht ein-
fach optimiert werden, indem mehr Finan-
Sprachdefizite, die nicht früh schon behoben
zen gesprochen werden.
werden, haben nachhaltige negative Folgen.
Es braucht Anstrengungen in verschiedenen
Aktueller Stand der Sprachförderung Bereichen. Sie reichen von Wirksamkeits-
überprüfungen über Gesamtkonzepte bis zur
Frühe Sprachfördermassnahmen werden im
verbindlichen Elternbeteiligung.
Allgemeinen relativ unsystematisch und von
Fachkräften eingesetzt, die oft keine spezifi-
sche Qualifizierung haben.
In der Regel wird zu wenig zwischen Sprach-
defiziten und Sprachstörungen differenziert.
Erstere machen eine Sprachförderung, letz-
tere eine Therapie notwendig
Viele Verfahren erheben den sprachlichen
Entwicklungsstand ohne zu berücksichtigen,
ob Deutsch die Erstsprache des Kindes ist
oder nicht und wie lange es schon Kontakt
mit der deutschen Sprache hat.
Frühe
Sprachförderung
Was sie leistet und wie sie
optimiert werden kann
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zutreffen. Anzunehmen ist, dass zwei Ursachen sind zwar vielschichtig, doch dürften die folgen-
dafür verantwortlich sind: Je nachdem, mit wel- den besonders zentral sein:
chen Diagnoseinstrumenten der Förderbedarf Ob ein Kind lediglich einen Entwicklungs-
evaluiert wird und welches Angebot dafür zur rückstand hat und deshalb einer temporären
Verfügung steht. Förderung bedarf oder ob es sich um eine
Störung handelt, welche eine Therapie er-
Hürdenlauf in die familienergänzende För- forderlich macht, wird zu wenig differen-
derung ziert. Dies hat zur Folge, dass auch Kinder,
die lediglich eine gezielte Förderung brau-
Auch wenn hierzulande viele Sprachförderpro- chen würden, einer Therapie zugeführt wer-
jekte zur Verfügung stehen (vgl. Briefing Paper den, die jedoch den eigentlichen kindlichen
4), können sie nur wirksam sein resp. werden, Bedürfnissen nicht entspricht.
wenn diejenigen Kinder, welche eine Förderung
am stärksten nötig haben, davon auch tatsäch- Das, was in unserer Gesellschaft als ‚normal‘
angesehen wird, hat sich in den letzten Jah-
lich Gebrauch machen. Der Anteil von Kindern ren immer mehr in Richtung ‚jenseits der
aus benachteiligten Migrantenfamilien, welche Norm‘ verschoben: Weil wir immer mehr
eine Kita besuchen oder von einer Tagesfamilie wissen und die diagnostischen Instrumente
betreut werden, ist jedoch allgemein niedrig. Die differenzierter geworden sind, beobachten
Gründe liegen jedoch nicht in erster Linie in den wir die Entwicklung der Kinder genauer und
grundsätzlich ablehnenden Haltungen der Eltern, stellen dadurch auch mehr Variabilität zwi-
sondern in den hohen Zugangshürden. Eine Stu- schen ihnen fest. Eine Folge davon ist, dass
die der Vodafone Stiftung (Sachverständigenrat viele Abweichungen vom Durchschnitt heute
deutscher Stiftungen für Integration und Migra- als Entwicklungsstörungen deklariert wer-
tion ,2013) kommt zu folgenden Ergebnissen: den, währendem sie vor zehn Jahren noch
im Normbereich angesiedelt wurden.
Gut gebildete Migrantenfamilien und sol-
che, Eltern, welche in einer binationalen Sprachlich akzelerierte Kinder
Partnerschaft leben, erachten die geringe
Qualität sowie die unzureichende interkultu- Obwohl heute allgemein ein Bild vom kleinen
relle Öffnung der Kitas als Haupthindernis, Kind als unterschätztem, neugierigem Lerner ge-
weshalb sie ihr Kind nicht (öfters) familien- zeichnet wird, überwiegt in der frühkindlichen
ergänzend betreuen und fördern lassen. Die Bildungsdiskussion und insbesondere in der
Häufigkeit, mit der sie ihre Kinder in eine Sprachförderung die Defizitperspektive. Diese
Krippe geben, entspricht jedoch derjenigen hat zur Folge, dass Kinder mit deutlichen Kompe-
ähnlich gebildeter einheimischer Familien. tenzvorsprüngen im Sprachbereich («sprachliche
Für schlecht gebildete Migrantenfamilien ist Akzeleration») ins Hintertreffen geraten. Tat-
das Haupthindernis ein doppeltes: über- sächlich hat unsere Längsschnittstudie «Frühle-
haupt einen Betreuungsplatz zu finden sowie sen und Frührechnen als soziale Tatsachen»
die hohen Betreuungskosten. Gegenüber deutlich gemacht, dass etwa 15% der Kinder mit
vergleichbaren einheimischen Familien ge- akzelerierten, d.h. dem Lebensalter markant vo-
ben sie ihre Kinder deutlich seltener in eine rauseilenden Sprachkompetenzen zur Schule
Kita. kommen und bezogen auf den Lehrplan einen
Vorsprung von einem halben bis mehr als einem
Sprachförderbedarf kritisch betrachtet Schuljahr haben und dass dieser Vorsprung be-
Auch bei Kindern, deren Erstsprache Deutsch ist, reits beim Eintritt in den Kindergarten besteht
wird ein zunehmender Förderbedarf festgestellt. (Stamm, 2005).
Dies betrifft nicht nur solche aus bescheidenen, Fachkräfte des Vorschulbereichs leugnen diese
sondern auch aus privilegierteren Familien. Etwa Tatsache zwar in keiner Art und Weise. Doch
15% der Kinder gelten heute als sprach-ent- vertreten sie oft die Meinung, dass es zwar Kin-
wicklungsauffällig und bei ca. 20% werden Spra- der mit sprachlichen Begabungen gäbe, doch
chentwicklungsprobleme festgestellt. Über 50% hätten sie meist Defizite in anderen Bereichen.
aller Kinder bekommen Therapien wie heilpäda- Deshalb seien in erster Linie diese Defizite wett-
gogische Unterstützung, Psychomotorik- oder zumachen. Solche Einstellungen sind jedoch
Rechenschwäche-Therapien, Legasthenie- oder falsch, weil sie die Motivation und Neugier der
Ergotherapien oder Alternativtherapien, um betreffenden Kinder bremsen und ihnen wich-
schulische Schwächen zu beheben. Dies ge- tige Kapazitäten verbauen, die für den Schulein-
schieht meist auf Wunsch der Eltern oder durch tritt wichtig sind.
gesellschaftlichen Druck.
Wenn somit Sprachförderung in Vorschulpro-
Weshalb werden heute so viele Vorschulkinder grammen umfassend betrieben werden soll,
als «therapiebedürftig» etikettiert? Die Gründe
Was sie leistet und wie sie optimiert werden kann
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dann dürfen sie nicht nur auf Kinder mit Entwick- dest liegt ihnen implizite häufig ein Zeichen des
lungs- und Lernschwierigkeiten ausgerichtet Scheiterns zugrunde. Dieser Fokus ist falsch und
sein, sondern müssen auch Kinder mit über- durch den Blick auf die kindlichen Ressourcen zu
durchschnittlichen Begabungen respektive ak- ersetzen. Nur auf diese Weise kann es gelingen,
zelerierten Interessen erreichen. auch Kinder mit Kompetenzvorsprüngen zu er-
fassen und zu fördern. Zwar gibt es viele private
Bilanz sprachliche (und andere) Frühförderangebote,
welche Eltern nutzen können. Dieser Trend steht
Dass in vielen Kantonen und Gemeinden in den
hier jedoch nicht zur Diskussion. Vielmehr geht
letzten Jahren Massnahmen zur frühen Sprach-
es um die Forderung, dass institutionalisierte,
förderung eingeführt worden sind, gilt heute fast
von der öffentlichen Hand getragene Vor-
als Selbstverständlichkeit. Grundlage solcher An-
schulangebote auch auf solche Kinder zuge-
strengungen ist meist die Überzeugung, dass
schnitten werden müssen. Akzelerierte Sprach-
Kinder von Migranten generell Sprachförderbe-
kompetenzen sind im Sinne der Begabungsför-
darf hätten. Ob diese Ausrichtung und damit der
derung ebenso förderwürdig wie Sprachdefizite.
generalisierend verwendete Begriff «Migrati-
onshintergrund» angemessen ist, mag in vielen Grundlegende bildungs- und sozialpolitische Ge-
Fällen bezweifelt werden. Denn Kinder mit Mig- danken sind schliesslich nötig, um benachteiligt
rationshintergrund haben in sehr unterschiedli- aufwachsenden Kindern den Zugang in ein gutes
che Aufwachsbedingungen. Vorschulangebot garantieren zu können. Dem-
entsprechend müssen die Zugangshürden gezielt
Deshalb sollte der Begriff Migrationshintergrund
und systematisch abgebaut werden.
nach sozio-ökonomischem und kulturellem Hin-
tergrund differenziert werden. Kinder sind nicht
per se sprachförderbedürftig, weil sie einen Mig-
Weiterführende Literatur
rationshintergrund haben. Zudem gibt es andere Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für In-
Minoritäten – beispielsweise Kinder aus Risiko- tegration und Migration (Hrsg.) (2013). Hürden-
familien oder solche mit Teilbehinderungen – lauf zur Kita: Warum Eltern mit Migrationshin-
welche zwar in einer deutschsprachigen Umge- tergrund ihr Kind seltener in die frühkindliche
bung aufwachsen, jedoch trotzdem sprachliche Tagesbetreuung schicken. Berlin: Sachverständi-
genrat deutscher Stiftungen für Integration und
Entwicklungsdefizite aufweisen. Migration. Download am 16.01.2014 von
Ferner ist stärker als dies bis anhin der Fall ist http://www.svr-migration.de/content/wp-con-
zwischen Sprachdefiziten und Sprachstörungen tent/uploads/2013/06/SVR_FB_Kita_Web.pdf
zu differenzieren. Erstere machen eine Sprach- Stamm, M. (2005). Zwischen Exzellenz und Ver-
fördermassnahme notwendig, letztere eine The- sagen. Schullaufbahnen von Frühlesern und
rapie. Bisherigen Sprachfördermassnahmen haf- Frührechnerinnen. Zürich/Chur: Rüegger.
tet zudem oft eine Defizitperspektive an. Zumin-
Frühe Sprachförderung
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einrichtung mit einer zusätzlich eingestellten sprachlicher Anregung. Sie brauchen ein kre-
Person, die über Expertise in Sprachförde- atives und anregendes Sprachförderpro-
rung verfügt, eine ergänzende sprachliche gramm, das auf eine Verbesserung und Er-
Förderung einer Teilgruppe im Rahmen des weiterung ihrer Sprachkompetenz zielt.
normalen Kita-Betriebs oder die auf eine Re-
gion beschränkte Entwicklung eines Konzept Sprach- oder Lernstandserhebungen
für die systematische Sprachförderung.
Will man die Sprachförderung an den jeweiligen
Des Weiteren können solche spezifischen Entwicklungsstand des einzelnen Kindes anpas-
Fördermassnahmen gezielt auf spezifische sen, sind Sprachstandsfeststellungen oder Lern-
Sprachebenen, wie den Wortschatz oder die
phonologische Bewusstheit, ausgerichtet standsmessungen notwendig. Dabei werden
sein. entweder punktuelle Tests eingesetzt, die auf
einer Momentaufnahme beruhen oder dann
Familiäre Literacy-Programme: Familiäre Verfahren zur Dokumentation der Sprachent-
Sprachförderung im Vorschulalter ist be- wicklung über eine längere Zeit. Oft bildet die
wusster oder unbewusster Teil der alltägli- Sprachstandsdiagnose auch die Ausgangslage für
chen familialen Sozialisation. Sie kann aber
auch in systematischen Familienförderpro- eine zusätzliche Sprachförderung. Unterschieden
grammen oder mittels Interventionen in werden Schätzverfahren, Beobachtungen, Pro-
Kinderbetreuungseinrichtungen erfolgen. filanalysen und Tests.
Zentrale Ansatzpunkte sind die Bereitstel- Schätzverfahren erheben mittels standardi-
lung förderrelevanter Ressourcen, die Sensi- sierter Befragungen den Sprachstand eines
bilisierung und Anleitung der Eltern und ev. Kindes und ziehen das Wissen der Eltern und
weiterer Familienmitglieder, die Verbesse- des Fachpersonals ein.
rung der Eltern-Kind-Interaktionen oder
auch Trainings bestimmter Kompetenzen. Bei Beobachtungen wird das sprachliche
Programme, die Familien in den Mittelpunkt Handeln der Kinder in alltäglichen bzw. ge-
rücken, existieren insbesondere in Form von stellten Handlungssituationen beobachtet
(Haus-)Besuchsprogrammen, oft verbunden und dokumentiert (z. B. SISMIK [für nicht
mit Gruppentreffen. Gezielt auf sprachliche deutschsprechende Kinder]; SEDLAK [für
Kompetenzen ausgerichtet sind z.B. das deutschsprachige Kinder]).
Hamburger «Family Literacy»-Projekt oder Bei Profilanalysen geht es um die Ermittlung
das Schweizer Projekt «Schenk mir eine Ge- der sprachlichen Kompetenz von Kindern in
schichte – Family Literacy» oder den Um- Alltagssituationen.
gang mit Büchern (z.B. «Buchstart» und «Le-
sestart»). Standardisierte Sprachtests untersuchen be-
stimmte Teilaspekte der Sprachfähigkeit (z.B.
Zur Problematik des Einsatzes generalisier- Sprachtest Delfin4).
ter Sprachförderprogramme Aus entwicklungs- und pädagogisch-psychologi-
Überblickt man den Status Quo in der Schweiz, scher Perspektive gelten einige dieser Verfahren
dann entsteht der Eindruck, dass Sprachförder- als valide und verlässlich. Sie erlauben jedoch
programme verbreitet sind, jedoch relativ unsys- nur bei professioneller Anwendung eine korrekte
tematisch eingesetzt werden und dass das Per- Diagnose, und eine solche ist mit Kosten verbun-
sonal oft keine spezifische Qualifizierung hat. den. Die in der pädagogischen Alltagspraxis ak-
Diese Tendenz ist deshalb problematisch, da tuell verwendeten Verfahren sind leider oft we-
Sprachdefizite bei Kindern sehr vielfältige Ursa- nig erprobt. Der Sprachförderbedarf von Kindern
chen haben können. Wird ein einziges Förder- lässt sich jedoch nur zuverlässig identifizieren,
programm für alle Kinder mit Sprachförderbe- wenn die Verfahren, theoretisch begründet, em-
darf eingesetzt, dann wird es kaum erfolgreich pirisch validiert und normiert sind. Bei vielen
sein können. Denn die Bedürfnisse sind für fol- Verfahren problematisch ist, dass sie nicht be-
gende Gruppen jeweils sehr unterschiedlich: rücksichtigen, ob Deutsch die Erstsprache des
Kindes ist oder nicht und wie lange es schon
Kinder mit spezifischen Spracherwerbsstö- Kontakt mit der deutschen Sprache hat. Deshalb
rungen. Sie brauchen eine gezielte logopädi- kann die Frage oft gar nicht beantwortet wer-
sche Therapie.
den, ob sich die Sprachkompetenz in Deutsch als
Kinder aus Migrationsfamilien, welche nur zweiter Sprache im Normbereich befindet oder
mangelnde Deutschsprachekenntnisse ha- nicht.
ben. Sie brauchen ein Sprachförderpro-
gramm, das ihnen systematisch hilft, die Ärztliche Untersuchungen
deutsche Sprache zu erlernen.
Im Rahmen der ärztlichen Vorsorgeuntersu-
Einheimische Kinder mit eingeschränkten
Sprachkompetenzen aufgrund mangelnder chungen bei Kinderpädiatern wird die Sprach-
Frühe Sprachförderung
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entwicklung des Kindes ebenfalls dokumentiert, wenig theoretisch fundiert und kaum erprobt.
und es werden bei Bedarf Fördermassnahmen Übersehen worden ist dabei, dass ein Sprachför-
initiiert. Die Vorgehensweise ist jedoch regional derprogramm nicht einheitlich für alle Kinder mit
und kantonal unterschiedlich. Sprachförderbedarf (Defizite wie auch Vor-
sprünge) sowie Sprachstörungen angewendet
Allgemein werden verschiedene Vorsorgeunter-
werden kann und dass Kinder nicht deutscher
suchungen empfohlen, die im ersten Monat ein-
Muttersprache andere Bedürfnisse haben als
setzen und regelmässig bis zum Schuleintritt
einheimische Kinder deutscher Muttersprache.
(und dann bis zum 15. Altersjahr) durchgeführt
werden sollen. In Bezug auf die Sprachentwick- Damit bleibt offen, in welche Massnahmen zu-
lung sind die Untersuchungen im sechsten Mo- künftig investiert werden soll, damit sprach-
nat (Gehör), im 12. Monat (Spielverhalten; Beur- schwache und/oder zweisprachig aufwachsende
teilung des geistigen und sozialen und motori- Migrantenkinder den sprachlichen Rückstand in
schen Entwicklungsstandes), im 18. und 24. Mo- der deutschen Sprache aufholen und durch eine
nat (Spielverhalten und Sprachentwicklung, Er- gute Integration ihr Potenzial umsetzen können.
ziehungsfragen), zwischen drei und vier Jahren Dies wird sich auch in Briefing Paper 6 zeigen,
(Sprache/Zeichen, Beurteilung des Eintritts in wo es um die Wirksamkeit von Sprachförderpro-
den Kindergarten) wichtig (vgl. Flyer Kinderärzte grammen geht.
Schweiz, o.J.).
Weiterführende Literatur
Qualifikationen des Personals Kinderärzte Schweiz (o. J.). Flyer Vorsorgeunter-
In fast jedem pädagogischen Konzept oder in suchungen. Zürich: Kinderärzte Schweiz.
den Leitideen von Kitas oder Spielgruppenorga- Lisker, A. & Dietz, S. (2008). Sprachstandsfest-
nisationen steht, dass Erzieherinnen und Erzie- stellung und Sprachförderung im Kindergarten.
her die Kinder individuell und kompetent fördern München: Deutsches Jugendinstitut e.V. Down-
und nicht mehr ‚nur‘ betreuen sollen. Damit wird load am 16.01.2014 von
implizite an das Fachpersonal die Erwartung ge- http://www.dji.de/bibs/Sprachstandsfeststel-
stellt, dass es in der Lage ist, effektiv zu erken- lung_Dietz_Lisker.pdf
nen, ob ein Kind sprachliche Auffälligkeiten zeigt, Tracy, R. (2007). Wie Kinder Sprachen lernen.
um es bei Bedarf individuell fördern zu können. Und wie wir sie dabei unterstützen können. Tü-
bingen: Francke.
Solche Ansprüche erweisen sich angesichts des
aktuellen Ausbildungsstandes eines Grossteils
des Fachpersonals jedoch als überzogen. Weil
linguistisches Fachwissen selten vorhanden ist,
fällt es vielen Fachkräften schwer, Kinder mit
Sprachauffälligkeiten differenziert beurteilen zu
können, ob und welche Art von Sprachförderung
oder Sprachtherapie notwendig wäre. Das ist
angesichts der oft ungenügenden Qualität be-
stehender Sprachstandserhebungen, die Hilfe-
stellungen bei der Differenzierung der verschie-
denen Ursachen von Sprachauffälligkeiten bieten
sollten, auch keine leichte Aufgabe.
Bilanz
In Vorschuleinrichtungen ist aktuell eine Vielzahl
an Sprachförderkonzepten und -programmen im
Einsatz. Einerseits entspricht dies einer wün-
schenswerten pädagogischen Vielfalt. Anderer-
seits ist diese Vielfalt derart unübersichtlich ge-
worden, dass man sich oft des Eindrucks einer
gewissen Orientierungslosigkeit kaum erwehren
kann. Die Angebote unterscheiden sich nicht nur
inhaltlich und in der Art der Umsetzung erheb-
lich voneinander, sondern sie sind zum Teil auch
Migrantenkindern vor einer folkloristischen Ver- Die erste Adressatin des strukturkritischen An-
klärung geschützt wird. satzes ist deshalb nicht die pädagogische Praxis,
sondern die Bildungspolitik. Trotzdem kommt
Stärken: Dem interkulturellen Ansatz wird attes-
der pädagogischen Praxis die Aufgabe zu, die
tiert, gegenüber neuen Perspektiven und Er-
möglicherweise diskriminierenden – ungewoll-
kenntnissen offen, reflexionsbereit und auch
ten und unbeabsichtigten – Mechanismen an ih-
selbstkritisch zu sein. Zudem hat er gerade im
ren Institutionen zu reflektieren, sie zu erkennen
Frühbereich zu vielen neuen Konzepten und pä-
und zu Gunsten der Betroffenen zu verbessern.
dagogischen Ansätzen geführt. Hier gilt die Ver-
Als Massnahmen vorgeschlagen werden dabei
bindung von interkultureller Erziehung und El-
die Beobachtung und Dokumentation der Ent-
ternarbeit als Grundstein für eine erfolgreiche
wicklungsfortschritte der Kinder, das Führen von
Integration von Kindern mit Migrationshinter-
Tagebüchern und Bildungsbüchern, der ver-
grund. Betont wird, dass Eltern auf diese Weise
stärkte Austausch von vorschulischen und schuli-
ermuntert werden können, sich aktiv am Ent-
schen Einrichtungen etc. Die Hauptarbeit seitens
wicklungs- und Bildungsprozess ihres Kindes zu
der Bildungspolitik wird im Bildungs- und So-
beteiligen und sich stärker für die Arbeit in der
zialmonitoring gesehen, damit die Bildungsbe-
Kita resp. der Tagesfamilie und im eigenen Integ-
teiligung von Vorschulkindern mit und ohne Mig-
rationsprozess zu engagieren.
rationshintergrund erfasst werden kann.
Schwächen: Die Kritik am interkulturellen Ansatz
Demzufolge ist das Integrationsziel des struktur-
ist vielfältig. Erstens wird ihm vorgeworfen, er
kritischen Ansatzes die Inkorporation. Gemeint
gewichte die kulturellen Differenzen zu stark und
ist damit, dass jedem Kind im Sinne der Chan-
die sozialen Bedingungen zu wenig. Zweitens
cengerechtigkeit die gleichen Partizipations-
wird immer wieder darauf hingewiesen, er wür-
chancen auf allen Ebenen des Bildungssystems
de ein Bild vom unschuldigen Kind zementieren,
eingeräumt werden müssen.
das durch negative Einflüsse nicht beeinflussbar
sei. Gemäss verschiedener empirischer Studien Stärken: Dass der strukturkritische Ansatz die
(vgl. Diehm & Kuhn, 2006) sind Kinder jedoch Benachteiligungen bestimmter sozialer Her-
sehr wohl zu Rassismus und antisozialem Verhal- kunftsgruppen in der Schule unter die Lupe
ten fähig. Ein dritter Vorwurf betrifft die Ver- nimmt und mit den Mechanismen des Bildungs-
nachlässigung der auf den Schulerfolg ausge- systems in einen Zusammenhang bringt, wird als
richteten Förderperspektive, die gerade für be- seine grosse Stärke betrachtet. Damit erweitert
nachteiligte Kinder mit Migrationshintergrund dieser Ansatz die Sicht auf die Situation benach-
besonders wichtig sei. Viertens wird kritisiert, teiligt aufwachsender Kinder und Jugendlicher
der interkulturelle Ansatz verschleiere die soziale um organisations- und systemtheoretische Ge-
Benachteiligung von bestimmten Kindergruppen, sichtspunkte. Diese werden von den beiden an-
weil er kulturelle Differenzen romantisiere, an- deren Ansätzen nicht oder nur ganz am Rande
statt sich in Gesellschaft und Politik für Struktur- berücksichtigt. Eine weitere Stärke liegt darin,
veränderungen einzusetzen. dass er bestimmte etablierte pädagogische Stra-
tegien (z.B. Empfehlungspraxen fürs Gymna-
Der strukturkritische Ansatz sium) einer kritischen Prüfung unterzieht. Zudem
identifiziert er lokale Disparitäten, beispiels-
Im Unterschied zu den beiden bisher diskutier-
weise, dass in gewissen Schulen sehr viele be-
ten Ansätzen fokussiert der strukturkritische An-
nachteiligte Kinder in Sonderförderprogrammen
satz weder auf zu kompensierende Defizite noch
resp. weniger anspruchsvollen Schultypen plat-
auf kulturelle Differenzen, sondern auf das Bil-
ziert werden, in anderen jedoch sehr wenige –
dungssystem selbst und seine diskriminierenden
und dass sogar zwischen Stadtteilen deutliche
Tendenzen. Im Fokus steht somit das (institutio-
Unterschiede bestehen können.
nell) diskriminierte Kind (Tabelle 1). Bei der insti-
tutionellen Diskriminierung wird davon ausge- Schwächen: Oft wird der strukturkritische Ansatz
gangen, dass organisationelle Strukturen oder mit dem Vorwurf konfrontiert, er verfolge eine
institutionelle Regelungen des Bildungssystems überaus enge Perspektive. Soziale und instituti-
zu Benachteiligungen von Gruppen führen. Die onelle Faktoren würden unter-, institutionelle
bekanntesten diskriminierenden Mechanismen Faktoren hingegen übergewichtet. Ein gewichti-
werden beispielsweise in der massiven Häufung ger Einwand betrifft ferner den Umstand, dass
von Kindern mit Migrationshintergrund in Real- Kinder und ihre Familien mit Migrationshinter-
schulen, Einschulungsklassen oder in den Warte- grund ausschliesslich aus der Defizitperspektive
schlaufen beim Eintritt in die Berufsbildung betrachtet werden und sie deshalb – ähnlich wie
sichtbar, welche solche Jugendlichen viel häufi- dies für den kompensatorischen Ansatz zutrifft –
ger als Einheimische drehen müssen. per se als behandlungsbedürftig gelten. Auf die-
Frühe Sprachförderung
-29-
se Weise werden sie zu kollektiven und passiven Bislang gibt es keine Projekte oder Untersuchun-
Opfern ohne konkrete Handlungsperspektiven. gen zur Mischung dieser drei Ansätze. Dies wäre
Kritisiert wird auch, dass sozio-ökonomische As- ein empfehlenswertes Unterfangen, hat doch je-
pekte unter den Tisch gewischt werden, weil der der in spezifischer Hinsicht seine eigenen Stär-
Ansatz keine Unterschiede zwischen Sozial- ken. Eine solche Synthese wäre mit Sicherheit
schicht und Migrationshintergrund macht. angemessener oder effektiver als die straffe Ver-
teidigung des jeweiligen Ansatzpunktes.
Bilanz
Vergleicht man die Akzeptanz der drei Ansätze in
Weiterführende Literatur
Bildungspolitik und pädagogischer Praxis, dann Diehm, I. & Kuhn, M. (2006). Doing Race/Doing
fällt als erstes auf, dass der kompensatorische Ethnicity in der frühen Kindheit. Zeitschrift für
Ansatz eine allgemein grosse Akzeptanz hat. Die- Sozialpädagogik und Sozialpolitik, 8, 140-151.
se kommt denn auch in vielen Projekten, ins- Heckman, J. (2011). The American Family in
besondere in Sprachförderprojekten, zum Aus- Black and White: A Post-Racial Strategy for Im-
druck. In der Fachliteratur wird er jedoch eher proving Skills to Promote Equality. IZA Discussion
kritisch begutachtet. Ausnahmen, die positiv be- Paper No. 549. University College Dublin und
urteilt werden, sind die Projekte «BiKS» (Bil- Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit. Down-
dungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Se- load am 16.01.2014 von
lektionsentscheidungen im Vorschul- und Schul- http://ftp.iza.org/dp5495.pdf.
alter) und das «Nationale Bildungspanel» in Schmidt, T. (2012). Förderung von Kindern mit
Deutschland sowie das Projekt «Zeppelin» (Zür- Migrationshintergrund. Eine empirische Studie
cher Equity Präventionsprojekt Elternbeteiligung zu Zielen und Massnahmen im Kindergarten.
und Integration) in der Schweiz. Anders hinge- Wiesbaden: VS Fachverlag (Kapitel 1.3).
gen der interkulturelle Ansatz, der von der For- Stamm, M. & Burger, K. (2011). Integrationsför-
schung stark getragen wird und auch im Vor- derung im Frühbereich. Was Frühkindliche Bil-
schul- und Kindergartenbereich verbreitet ist. dung, Betreuung und Erziehung (FBBE) benötigt,
Auch der strukturkritische Ansatz hat in letzter damit sie dem Anspruch an Integration gerecht
Zeit grosse Beachtung erfahren. Gerade die Dis- werden kann. Universität Fribourg: Departement
kussion um die hohe Selektivität unseres Bil- Erziehungswissenschaften (Zusammen mit K.
dungssystems hat die Sensibilität für Mechanis- Brandenberg, M. Holzinger, L. Negrini, M. Wet-
men institutioneller Diskriminierung geweckt. Im zel, C. Müller & D. Edelmann).
Gegensatz zu den beiden anderen Ansätzen ge-
winnt er in der pädagogischen Praxis jedoch we-
nig Freunde, vor allem aufgrund seiner oftmals
das Fachpersonal anklagenden Art.
Abbildung 1: Lernfortschritte im Lesen nach sozio-ökonomischer Herkunft in der Grund- und Basis-
stufe während den ersten 36 Monaten (in Anlehnung an Moser & Bayer, 2010, S. 98)
Abbildung 1 zeigt die Leistungsfortschritte der reneffekt. Insgesamt konnten die Kinder aus be-
Kinder im Lesen von zwei Extremgruppen: von nachteiligten Familien, welche Deutsch als
solchen aus sozio-ökonomisch benachteiligten Zweitsprache erlernten, zwar auch bedeutsame
Familien mit Deutsch als Zweitsprache sowie von Fortschritte erzielen, privilegiert aufwachsende
Kindern aus privilegierten Familien mit Deutsch und Deutsch sprechende Kinder jedoch vom pä-
als Erstsprache. Basis bildete das Testinstrumen- dagogischen Modellkonzept stärker profitieren.
tarium «wortgewandt und zahlenstark», das so-
Diese Ergebnisse wurde vor allem von der Bil-
wohl sprachliche als auch mathematische Aufga-
dungspolitik derart interpretiert, dass das neue
ben enthält. Es liegen insgesamt fünf Messzeit-
Schuleingangsmodell keine Startchancengleich-
punkte (T1 bis T5, vgl. Abbildung 1) vor.
heit für alle Kinder zu schaffen in der Lage sei.
Die Abbildung verdeutlicht, dass sozio-ökono- Obwohl dieses Ziel so im Schulversuch gar nie
misch privilegierte Kinder (mit Deutsch als Erst- formuliert worden war, verweisen diese Evalua-
sprache) nicht nur einen statistisch signifikant tionsbefunde nicht nur auf die enormen Schwie-
höheren Ausgangsmittelwert als benachteiligt rigkeiten, die Stabilität interindividueller Unter-
aufwachsende Kinder (mit Deutsch nicht als Erst- schiede möglichst früh aufzulösen, sondern
sprache) hatten, sondern auch, dass die Vorteile ebenso auf die Problematik, solche Zielsetzun-
der ersten Gruppe bis zum vierten Erhebungs- gen überhaupt zu formulieren.
zeitpunkt stabil blieben und benachteiligte Kin-
der ihren Rückstand nicht kompensieren konn-
ten. Vielmehr zeigte sich ab T4 sogar ein Sche-
Frühe Sprachförderung
-31-
Internationale Ergebnisse zur Wirksamkeit Intervention auf Kinder während der Kindergar-
von Sprachförderung tenjahre überprüft. Zudem wurden die Eltern
gezielt in die Sprachförderung ihrer Kinder ein-
In internationaler Sicht existieren zwar einige
bezogen. Wie Moser et al. (2008) verdeutlichen,
Wirksamkeitsstudien, doch sind sie auf be-
fiel die Wirkung der Intervention auf die Sprach-
stimmte Bereiche beschränkt. Nachweise zu
kompetenzen unterschiedlich aus. Während sich
ganzheitlichen Sprachfördermassnahmen (vgl.
tendenziell positive Effekte auf die Entwicklung
Briefing Paper 4) sind quasi inexistent. Etwas
der Sprachkompetenzen in der Erstsprache zeig-
günstiger sieht es in Bezug auf familienbezogene
ten, war dies für die Zweitsprache Deutsch nicht
Frühförderprogramme aus. Besonders bekannt
der Fall. Der Rückstand gegenüber Kindern, de-
ist die Meta-Analyse von McElvany et al. (2010).
ren Erstsprache Deutsch war, konnte nicht ver-
Sie berücksichtigte 15 Wirksamkeitsstudien aus
ringert werden. Und dies, obwohl der bilinguale
den Jahren 1990 bis 2007 unter Einbezug der
Zugang zur Sprachförderung von den beteiligten
methodischen Fundiertheit. Im Ergebnis zeigten
Eltern als Wertschätzung aufgefasst wurde und
sich eher schwache Effekte der untersuchten
der Zusammenarbeit zwischen Schule und El-
Programme. Als besonders problematisch erwie-
ternhaus zugutekam. Eine neue Wirksamkeits-
sen sich dabei oft die methodischen Anlagen der
studie von Moser et al. (2014) …
Studien.
Auch Ergebnisse aus kleineren Wirksamkeitsstu-
In anderen Studien konnten die positiven Effekte
dien stehen zur Verfügung. Das Projekt «Schenk
spezifischer Sprachförderung gut belegt werden,
mir eine Geschichte – Family Literacy» des
etwa von Massnahmen, welche die Vorläuferfä-
Schweizerischen Instituts für Kinder- und Ju-
higkeiten (wie phonologische Bewusstheit oder
gendmedien (SIKJM) zielt auf soziokulturell be-
Wortschatz) betreffen. Allerdings wird in solchen
nachteiligte Familien mit Migrationshintergrund
Evaluationsstudien jeweils nur untersucht, wie
ab. Die Eltern von Klein-/Vorschulkindern sollen
weit das Programm die versprochene Wirkung
sensibilisiert und animiert werden, literale Akti-
hervorruft, wenn es ganz genau so wie vorgege-
vitäten in der Familie zu unternehmen. Das Pro-
ben umgesetzt wird. Schröder und Schründer-
jekt wurde zwar evaluiert, doch hatte die Evalua-
Lenzen (2012) berichten, dass die Effekte deut-
tion lediglich projektunterstützenden Charakter
lich geringer ausfallen, wenn das Personal nicht
(PHZH, 2008). Deshalb wurden weder Erhebun-
spezifisch geschult ist und wenn die Förderung
gen mit Eltern und Kindern noch Beobachtungen
nicht regelmässig stattfindet. Ein grosses Prob-
durchgeführt, sondern lediglich Einschätzungen
lem besteht zudem darin, dass die Programme
der AnimatorInnen festgehalten.
kaum eins zu eins in den Alltag übertragen wer-
den können, sondern meist in die sonstigen An- Zur Qualität und Wirksamkeit von Spielgruppen
gebote integriert werden müssen. Dass unter gibt es ebenfalls ein paar wenige Forschungser-
solchen Umständen die Wirkung beeinträchtigt gebnisse. In Zürich wurde das Projekt «Spiel-
wird, ist nachvollziehbar. gruppe plus» von 2006 bis 2008 vom Marie Mei-
erhofer Institut begleitet und evaluiert (Diez
Sprachförderkonzepte, welche spezifisch auf
Grieser & Simoni, o. J.). Die Absicht des Projekts
Migrantenkinder ausgerichtet sind, konnten bis-
war es, den späteren Schulerfolg von sozial be-
her keine nachweislichen Effekte erzielen. Diese
nachteiligten Vorschulkindern zu verbessern.
unbefriedigende Befundlage hat dazu geführt,
Spielgruppe plus integriert im Spielgruppenalltag
dass verschiedentlich gefordert wird, das Fach-
zusätzliche spielerische Sprachfördersequenzen
personal müsse stärker mit seinen Sprachkom-
in deutscher Sprache. Die Längsschnittstudie mit
petenzen in den Blick genommen werden. Ge-
Interventions- und Kontrollgruppendesign zeigte
nannt werden in erster Linie ihr positives
auf, dass die Kinder aus der Interventionsgruppe,
Sprachvorbild, d.h. ihr sprachliches Verhalten
die während anderthalb Jahren sprachlich geför-
mit den Kindern.
dert worden waren, im Vergleich zu den Kindern
der Kontrollgruppe ihre sprachlichen Kompeten-
Schweizer Wirksamkeitsstudien zen deutlich verbessern konnten. Weniger deut-
Die grösste Schweizer Wirksamkeitsstudie zur liche Ergebnisse liefert die Evaluation des St. Gal-
Sprachförderung von Migrantenkindern wurde ler Projekts «SpiKi», welches zum Ziel hat, die
im Rahmen des nationalen Forschungspro- Bildungsqualität in der Spielgruppe zu fördern.
gramms NFP56 «Sprachenvielfalt und Sprach- Die Evaluation von Vogt et al. (2010) zeigt, dass
kompetenz in der Schweiz» von Urs Moser und die Ressourcen und die Einflussnahme der SpiKi-
seinem Team durchgeführt. Auf der Basis von Spielgruppen verhältnismässig gering waren und
Sprachstandserhebungen und einem quasi-expe- deshalb in den Bereichen Weiterbildung, Aus-
rimentellen Design wurden sowohl die Sprach- tausch und Teamarbeit, Elternbildung sowie
kompetenzen als auch die Auswirkungen einer
Was sie leistet und wie sie optimiert werden kann
-32-
Förderung und Professionalität der Spielgrup- McElvany, N., Herppich, S., van Steensel, R. &
penleiterinnen investiert werden sollte. Kurvers, J. (2010). Zur Wirksamkeit familiärer
Frühförderungsprogramme im Bereich Literacy –
Bilanz Ergebnisse einer Meta-Analyse. Zeitschrift für
Pädagogik, 56(2), 178-192.
Der Blick auf die Wirksamkeit von Sprachförde-
rung macht drei Sachverhalte deutlich: Erstens, Moser, U. & Bayer, N. (2010). 4 bis 8. Schlussbe-
dass Wirksamkeitsstudien selten sind; zweitens, richt der summativen Evaluation. Lernfort-
schrittte vom Eintritt in die Eingangsstufe bis
dass die zur Verfügung stehenden Studien oft zum Ende der 3. Klasse der Primarschule. Bern:
methodische Mängel aufweisen resp. wesentli- Schulverlag plus.
che Fragen nicht beantwortet werden (können).
So handelt es sich häufig lediglich um Zufrieden- Moser, U., Bayer, N., Tunger, V. & Berweger, S.
heits- oder Einschätzungserhebungen beim Per- (2008). Entwicklung der Sprachkompetenzen in
sonal, ohne dass die sprachlichen Fortschritte der Erst- und Zweitsprache von Migrantenkin-
dern. Zürich: Institut für Bildungsevaluation.
der Kinder objektiv gemessen worden wären.
Zudem fehlen oft Angaben zur Frage, wie viele Pädagogische Hochschule Zürich PHZH (2008).
Familien/Kinder ursprünglich angesprochen Evaluation des Projekts «Schenk mir eine Ge-
wurden, wie die Teilnahmequote war, welche schichte – Family Literacy». Schlussbericht.
Gründe Familien für eine Nicht-Teilnahme hat- Download am 15.01.2014 von
ten und ob es systematische Unterschiede zwi- http://www2.phzh.ch/ForschungsDB/Files/284/S
chlussbericht_Eva_FamLit.pdf
schen den Gruppen gab. Der dritte Sachverhalt
ist schliesslich der, dass die Effekte der Pro- Schröder, M. & Schründer-Lenzen, A. (2012). Zur
gramme schwach sind. Anzunehmen ist deshalb, Wirksamkeit von Sprachförderung im Elemen-
dass nur wenig Kinder in den Genuss qualitativ tarberiech. Zeitschrift für Grundschulforschung,
hochstehender Sprachförderung kommen. 2, 20-33.
Vogt, F. et al. (2010). Formative Evaluation des
Weiterführende Literatur Projekts SpiKi. Download am 15.011.2014 von
http://www.phsg.ch/Portaldata/1/Resources/for
Diez Grieser, M. T. & Simoni, H. (o.J.). Projekt schung_und_entwicklung/lehr_lernforschung/Be
Spielgruppe plus. Download am 15.01.2014 von richt_Evaluation_SpiKi_100419.pdf
http://www.bi.zh.ch/internet/bildungsdirektion/
de/unsere_direktion/veroeffentlichungen1.html
Frühe Sprachförderung
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Frühe Sprachförderung