REVUZKIJ

KOSENKO
KOLESSA
SCHAMO

VIOLINA PETRYCHENKO
PIANO MINIATURES

IMPRESSUM
Produzent: Annette Schumacher • Tonmeister: Manfred Schumacher • Aufnahme: 17.–19.8.2015,
Immanuelskirche Wuppertal • Layout: Annette Schumacher • Fotos: Mischa Blank • Text: Violina MULTICHANNEL
Petrychenko • Übersetzung: Oliver Motz • Gesamtzeit: 72 : 42 •  2015 plays on
SACD, CD & DVD player
 Lewko Revuzkij (1889-1977) Mykola Kolessa (1903-2006)
3 Präludien op. 4 (1914) »Bilder aus Huzulenland« (1934)
1 Des-dur | 2 : 27 11 Präludium a-moll | 1 : 10
2 fis-moll | 1 : 54 12 Kontraste D-dur | 1 : 16
3 cis-moll | 0 : 58
4 Präludien (1938-1981)
Viktor Kosenko (1896–1938) 13 Herbstprälüdium C-dur | 2 : 40
4 Nocturne-Fantasie op. 4 cis-moll | 6 : 09 14 Fantasiepräludium Es-dur | 2 : 02
15 Über Dovbusch g-moll | 3 : 19

UKRAINIAN 2 Etüden aus op. 8

5 b-moll | 4 : 14
16 Huzulisches Präludium f-moll | 4 : 40

VIOLINA PETRYCHENKO 6 fis-moll | 2 : 30 Igor Schamo (1925-1982)

MOODS 3 Klavierstücke op. 9

7 Trost H-dur | 2 : 07
17
18
»Ukrainische Suite« 1948
Duma | 3 : 52
Vesnyanka | 2 : 26
8 Nocturne fis-moll | 4 : 00 19 Melodie | 3 : 28
9 Mazurka es-moll | 3 : 26 20 Tanz | 3 : 22

10 Verlangen op. 11 cis-moll | 1 : 57 aus dem Zyklus »Zwölf Präludien« (1962)

21 a-moll | 2 : 40
22 G-dur | 2 : 44
23 fis-moll | 4 : 56

Wir bedanken uns beim Steinway-Haus Düsseldorf für die freundliche Unterstützung. W O R L D Jurii Schamo (1947-2015)
PRE M I E RE
Many thanks to Steinway-Haus Düsseldorf for the generous support. RECORDING 24 »Karpatische Fantasie« 1992 | 3 : 26
Unmittelbar nach Abschluss der Arbeit zu dieser CD erfuhr ich vom Tod Juri Schamos. Am
25. August 2015 war der Komponist aus dem Leben geschieden. Ich war davon besonders
erschüttert, weil gerade seine »Karpatische Fantasie« es war, die den Anstoß zu dieser
Aufnahme gegeben hatte. Zufällig stieß ich auf seine Werke, während ich mir vor dem
Abflug nach Deutschland die Zeit in einem Kiewer Notengeschäft vertrieb. Zurück in Köln
war ich ganz hingerissen von seiner »Karpatischen Fantasie« und verspürte den Wunsch,
ein Programm zusammenzustellen, das – genau wie dieses Stück – die Traditionen der
westeuropäischen und der ukrainischen Musik verbinden sollte. Aus diesem Grund ist der
erste Teil der CD solchen ukrainischen Komponisten gewidmet, die eher in der klassischen
Tradition schrieben: Lewko Revuzkij und Viktor Kosenko. Die übrigen, Mykola Kolessa sowie
Igor und Juri Schamo, strebten danach, mehr volkstümliche Motive in ihr Schaffen ein-
fließen zu lassen, indem sie sie mit jenen der klassischen Musik verbanden.

Die ukrainische Musik des 20. Jahrhunderts bietet ein derart schillerndes und vielfältiges
Bild, dass eine Aufnahme wie diese sich unweigerlich auf einige wenige Meister beschränken
muss. Doch auch in den hier versammelten Kompositionen finden sich die vielseitigsten
Formen: lyrische Träume, nachdenkliche Trauer, bunte Lebensgemälde, Humor und vieles
andere.

Am Beginn der ukrainischen klassischen Musik des 20. Jahrhunderts steht Lewko Revuzkij
(1889–1977). Dieser übernahm als Schüler des Pianisten Lysenko vieles aus dessen
Tradition auf dem Weg zum Komponisten, Pianisten, Pädagogen – einer in Musik und
Gesellschaft geachteten Persönlichkeit. Er wurde 1889 in der Kleinstadt Irschawez (Oblast
Tschernigow) in eine musikalische Familie geboren – der Vater spielte Geige, die Mutter
Klavier. Im Hause Revuzkij traf sich die ukrainische Elite und stets wurde Musik gespielt.
Im Alter von vier Jahren begann Revuzkij mit dem Klavierspiel und bereits mit sieben
Jahren mit Improvisationen. Von früher Kindheit an gehörten Volklieder zu seinen
Lieblingsstücken, was auch in seinem späteren Schaffen Niederschlag finden sollte.
1903 wurde Lewko Revuzkij von seinem Bruder Dmitrij mit Lysenko bekannt gemacht, in
dessen Chor jener damals sang. Es war Lysenko, der Revuzkij dazu riet, sich ernsthaft der
Musik zu widmen, und ihn in seine Klavierklasse aufnahm. 1906 trat er in die Universität ein
(zunächst in die mathematische, später in die juristische Fakultät). Während seiner Studien-
jahre weilte er oft in Moskau, wo er sich ganz dem damaligen kulturellen Leben hingab.
1916 nimmt sein Leben eine entscheidende Wendung: Er geht an die Weltkriegsfront und
kehrt erst zwei Jahre später zu seiner Frau nach Irschawez zurück. 1919 wird er verhaftet
und zum Tod durch Erschießen verurteilt. Obwohl es seinem Bruder gelingt, dieses
Schicksal abzuwenden, sieht Revuzkij sich gezwungen unterzutauchen und zieht sich nach
Pryluky zurück. Während der folgenden fünf Jahre arbeitet er als Sachbearbeiter auf den
Eisenbahnstationen von Itschne und später Pryluky.
1924 erhielt Revuzkij einen Ruf an das Lysenko-Institut für Musik und Dramatik. Unter
seinen Studenten waren so talentierte ukrainische Komponisten wie Majboroda,
Filippenko, Schukowski, Kirejko und der ebenfalls auf dieser CD vertretene Igor Schamo.
Revuzkijs weiteres Schicksal war von großen Entbehrung gezeichnet: Krieg und Vertrei-
bung hinterließen ihre Spur in der Persönlichkeit des Komponisten. Der stalinistische Terror
zerstörte das Leben von Millionen Menschen und traf auch zahlreiche Freunde des
Komponisten. Lewko Revuzkij war ein überaus empfindsamer und sanfter Mensch. Diese
schrecklichen Ereignisse führten bei ihm zu einer seelischen Krise und dazu, dass er das
Komponieren aufgab. Seine Schaffensperiode umfasst daher lediglich die fünf Jahre von
1923 bis 1928. Es lohnt sich, hier die Worte von M. Bjalik wiederzugeben:
»Als sanfter und gutmütiger Mensch war er von Natur aus kein Krieger. Er er-
schien in der Welt, um sein Lied zu singen, und es war dies ein leises, überaus
lyrisches Lied, von tiefer Empfindsamkeit und Wahrhaftigkeit. Die offiziös-
deklarativen Lieder zur Aufführung unter Zurschaustellung von Pathos und Pomp,
die man von ihm verlangte, wären ihm einfach nicht gelungen. Und so ver-
stummte er. Sein Schweigen ist eine direkte Anklage der Stalinherrschaft.«
Der Zyklus aus 3 Präludien op. 4, geschrieben in der frühen Schaffensperiode, vereint drei
charakteristische Skizzen, drei verschiedene Blinkwinkel auf die Welt. Die elegische
Kontemplation der ersten Miniatur, die zweite voll angespannter Vorahnung tragischer
Schicksalswendungen mit einer Anspielung auf Beethovens Schicksalsmotiv und schließ-
lich das rastlose Scherzo der dritten und letzten Miniatur – all dies entspricht der charakte-
ristischen Kunst um die Jahrhundertwende, einer Epoche unvorhersehbarer Umwälzungen.
Revuzkij, der ein Zeitgenosse Viktor Kosenkos war und wie dieser als Meister der Romantik
den stilistischen Bahnen Chopins und Skrjabins folgte, sagte über seinen Freund:
»Das Vermächtnis Kosenkos zeichnet sich aus durch einen Reichtum an
Stimmungen, Bildern, Themen und Motiven sowie durch eine Vielfalt von
Genres und Formen… Authentizität, emotionale Fülle, hohe Kultiviertheit und
wahre Meisterschaft – dies sind die charakte-ristischen Züge des Schaffens
dieses Komponisten. All dies gewärmt von der unauslöschlichen Flamme einer
großen Liebe zur Musik als Kunst. Bisweilen werde ich gefragt, ob Kosenko
wirklich zum Nationalkomponisten wurde. Darauf lässt sich kaum eine einfache
Antwort geben. Das Problem des Nationalen wird bei uns nämlich häufig allzu
eng gefasst, indem man diesen weiten Begriff auf den Bestand einer bestimmten
Zahl authentischer volkstümlicher Melodien, Motive, Intonationen, Rhythmen
usw. beschränkt. Ohne die allseitige Verwendung der stilistischen Grundlagen
der Volksmusik in Frage zu stellen, bin ich der Auffassung, dass bei der
Bestimmung des Nationalen andere Eigenschaften wichtiger sind, wie etwa
Bodenständigkeit des musikalischen Ausdrucks im Ganzen, die direkten und
indirekten Verbindungen des Komponisten mit den jahrhundertealten
 Traditionen der Welt- und Nationalkultur, seine Fähigkeit, in die Psychologie
des Kunstverständnisses seines Volkes einzudringen und dieses wahrheits-
getreu und überzeugend nachzubilden. Mir scheint, dass Kosenko seine eigene
Musik schuf – indem er sich an eben diese Prämissen hielt. Deshalb ist
er im gleichen Maße ukrainischer Nationalkomponist wie beispielsweise
Rachmaninow, Skriabin, Medtner russische Nationalkomponisten sind.«
Viktor Kosenko (1896–1938) ist ein Komponist der Poesie, seine Musik ist voll von feinen
Stimmungen der Trauer und Melancholie – einer der bedeutendsten Romantiker seiner Zeit.
Mit seinem Werk schuf der Komponist eine erstaunlich organische Einheit aus ukraini-
schem Melos und den Errungenschaften der russischen und westeuropäischen Musik.
Viktor Kosenko wurde am 24. November 1896 in St. Petersburg in eine Offiziersfamilie
geboren. Bald darauf siedelte die Familie nach Warschau über, eines der kulturellen Zentren
Europas. Bereits im Kindesalter fasste er den festen Entschluss, sich der Musik zu widmen,
und begann früh zu komponieren. Nach Ausbruch des ersten Weltkriegs zog die Familie
nach Petrograd, wo er ins Konservatorium eintrat. Schon in diesen Jahren verwandte der
junge Musiker viel Energie auf das Komponieren – mit besonderem Erfolg in den Genres
Klavier- und Vokalminiatur.
Nach dem Abschluss des Konservatoriums zieht er nach Schytomyr, wo er einen großen Teil
seines Lebens verbringt. Er arbeitet dort als Klavierlehrer in einer Musikschule.
Zusammen mit befreundeten Musikern gründet er einen Künstlerkreis, der jenen in der
Hauptstadt in nichts nachstand. Systematisch baute er seine Auftritte als Pianist aus, seine
Zuhörer waren einfache Leute – Arbeiter, Lehrlinge, Soldaten. Allein für Teile der Roten
Armee gab er im ersten nachrevolutionären Jahrzehnt 250 Konzerte! Doch darauf
beschränkte er sich nicht. Kosenko gründete ein Klaviertrio, zu dessen Besetzung auch der
Violinist V. Skorochod und der Cellist V. Kolomijzew gehörten; Die drei leidenschaftlichen
Musiker brachten die Musik unters Volk, indem sie ihre Zuhörer mit der Kammermusik ver-
traut machten. 1929 wurde ihm eine feste Professorenstelle in Kiew angeboten.
Die zehn Jahre in Schytomyr waren für Kosenko reich an kompositorischen Erfolgen. Alle
seine Stücke auf dieser CD entstanden in eben dieser Periode.
Die Nocturne-Fantasie in cis-moll zeigt sich im Gewand einer elaborierten Arabeske, in der
sich zwei Bildersphären vermischen: Elegische Trauer und das unauslöschliche Licht der
Hoffnung. Sie stützt sich auf die Tradition des romantischen Klavierspiels, dessen charakte-
ristische psychologische Tiefe (Chopin, Schumann, Brahms) sich hier mit Elementen der
Skrjabin'schen Harmonik verbindet.
Ein eigentümliches Diptychon bilden die erste und achte der elf Etüden von op. 8.
Melancholie und Konzentration, Kummer und innere Fassung, die rhythmische Ordnung
der Etüde in b-moll mit ihrer bis zum dramatischen Höhepunkt anschwellenden
Emotionalität kontrastieren mit der bedächtigen Heiterkeit der Etüde fis-moll. Deren melo-
dische Linien erinnern an das Streichen eines frischen Windes, der die zwielichtigen
Stimmungen des vorhergehenden Stückes vertreibt.
Programmstücke finden sich im Œuvre Kosenkos vergleichsweise selten. »Trost« erinnert an
Franz Liszts romantischen Zyklus »Consolations«, unterscheidet sich davon jedoch deutlich
in Stil und Gestaltung. Das mehrfach variierte Atem-Motiv bildet einen eindringlichen
Dialog mit zusätzlichen melodischen Linien und erzeugt so eine Atmosphäre der Zärtlich-
keit, des Vertrauens und Verstehens. Das Stück findet seinen Abschluss in vergeistigten,
choralhaften Akkorden. »Verlangen« op. 11 ist eine zutiefst persönliche, lyrische Offen-
barung heimlicher Gedanken und Gefühle. Diese Klavierminiatur gehört zu den durch-
dringendsten Seiten von Kosenkos Klavierlyrik.
Die Nocturne aus opus 9 lässt – im Gegensatz zu ihrem Namen – eher an eine helle, morgend-
liche Sommerlandschaft denken – mit raschelnden Blättern und schwärmenden Vögeln vor
tiefblauem Himmel. Die paradoxe Verbindung des tragischen es-moll mit einer für Tänze
typischen elastischen Rhythmik macht das dramaturgische Wesen der Mazurka op. 9 aus.
Man fühlt sich an die Zeilen Dantes erinnert:
Nessun maggior dolore Kein größerer Schmerz
che ricordarsi del tempo felice als sich erinnern glücklich heiterer Zeit
ne la miseria… im Unglück…
Die welkenden Motive der einleitenden Abteilung weichen vor dem Ausbruch eines freien
lyrischen Traums, der Erlösung von den Leiden bringt. Doch die Reprise bringt den Kummer
des Daseins wieder ins Bewusstsein.
Kosenkos späte Schaffensperiode stand sehr unter dem Einfluss der politischen Umstände.
Wie so viele andere Komponisten war auch er gezwungen, massentaugliche Lieder zu
Ehren der Kommunistischen Partei zu schreiben. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die fein-
nervige, romantische Natur dieses Komponisten wirklich zu einem solchen Thema hinge-
zogen fühlte. Andere Werke aus diesen Jahren sind das Klavierkonzert, vollendet von Lewko
Revuzkij, die »Heldenouvertüre«, die »Moldawische Poeme« und andere. Die letzten Jahre
seines Lebens waren von Krankheit verfinstert bis ihn im Jahre 1938 der Tod ereilte.
Ein jüngerer Zeitgenosse Kosenkos war Mykola Kolessa, ein Komponist, der in seiner unge-
wöhnlich langen Lebensspanne (1903–2006) enorme Beiträge zur ukrainischen Kultur des
20. Jahrhunderts lieferte. Mykola Kolessa wurde in eine Musikerfamilie hineingeboren. Sein
Vater, Filaret, war ein bekannter ukrainischer Musikwissenschaftler und Volkskundler.
Zusammen mit der Schriftstellerin Lesja Ukrainka fertigte er Aufnahmen und eine
Systematik ukrainischer Volkslieder an. Mykola war von frühester Kindheit an von Musik
umgeben. Seine Ausbildung erhielt er in Prag: 1928 machte er den Abschluss an
Universität und Konservatorium, 1931 an der Prager Kunsthochschule. Er entfaltete eine
rege Lehrtätigkeit. Zwischen 1931 und 1939 lehrte er an der Lysenko-Hochschule für
Musik. Zurück in Lemberg vertiefte er sich in das künstlerische Leben Galiziens. Besondere
Aufmerksamkeit verwandte er auf das Dirigieren, in einer Zeit, da diese Kunst in Galizien
noch nicht auf eine gefestigte Tradition zurückblicken konnte. Kolessa kann ohne Über-
treibung als Gründer einer westukrainischen Dirigierschule bezeichnet werden.
Ab 1940 Dozent, 1953–1965 Rektor, ab 1957 Professor am Lemberger Konservatorium,
arbeitete er zugleich als Dirigent in Iwano-Frankowsk und an der Lemberger Oper.
Kolessas Schaffen steht in der Tradition von Lysenko und Ljudkewitsch ebenso wie Bartók,
dessen Können Kolessa hoch schätzte. Mit der huzulischen Folklore als Fundament verbin-
den sich Avantgardismus, Präzision und Herbe des tonalen Formenbestandes der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts. In seinen Werken spiegeln sich lyrische Stimmungen ebenso
wie fantastische Bilder, inspiriert von Volksweisen und -legenden, die romantisch verklärte
Vergangenheit und die Elementarkraft der Volkstänze. Kleinere Klavierstücke fasste er
gewöhnlich in Zyklen zusammen (»Bilder aus Huzulenland«, »Drei Kolomyjki«, »Vier
Präludien«,…). Die Wechselwirkung zwischen Poesie, der Farbenpracht des Frühlings und
dem Ausdruck von Lebensfreude bildet das Wesen der »Bilder aus Huzulenland« (1934).
Diese Suite steht am Anfang der Linie »regionaler« Zyklen in der ukrainischen Musik des
20. Jahrhunderts und spiegelt das besondere Kolorit von Natur und Musik der Westukraine
wider. Zu Recht wird Kolessa als Meister der filigranen, detailliert ausgearbeiteten Klavier-
miniatur angesehen. Dies wird besonders in seinen »Vier Präludien« spürbar, von denen
jedes aus einer anderen Periode im Schaffen des Komponisten stammt: das »Fantastische«
1938, das »Herbstliche« 1969, das »Huzulische« 1975, »Über Dowbusch« 1981. Doch dank
der aufgeregt-emotionalen, lebhaft-romantischen Ausdruckskraft des Autors bilden sie
einen in Bildgehalt und emotionaler Spannung ganzheitlichen Zyklus.
Das Klavierpräludium »Über Dowbusch« zeichnet das Bild des Anführers der »Oprischki«. Als
»Oprischki« bezeichnete man die Teilnehmer an einer historischen Aufstandsbewegung des
15. bis 19. Jahrhunderts in Galizien, Pokutien und den Karpaten. Sie richtete sich gegen das
Burgrecht und die Willkürherrschaft der Großgrundbesitzer.
Die Grundlage des Stücks bildet das Volkslied »Oj, popid gaj seljonenki«. Es handelt sich um
einen rastlosen Monolog voll von Dramatik und romantischem Pathos. In den Stücken
Kolessas hört man Motive und Rhythmen des Genres der Kolomijka, die Rhythmik des
Männertanzes »Arkan«, die Nachahmung des Klangs von Volksinstrumenten: Sopilka und
Trembita, Zymbal und Tamburin. Perlende, fließende Passagen, kühne Verzierungen im
»fantastischen« Präludium kontrastieren mit fanfarenhaften Ausrufen im Lied über
Dowbusch. Kolessa benutzt die huzulische Tonart (zweifach harmonisches Moll), abge-
wandelte Tonarten, nicht-terzbasierte Akkorde und Orgelpunkt.
Die Nachkriegszeit war schwer für Kolessa. Unter den Bedingungen des unerbittlichen
Regimes von kommunistischer Ideologie, Verfolgung jeglicher innovativer oder gar scharfer
Kritik fand sich der Komponist gezwungen, überaus »vorsichtig« zu schreiben. Er fand einen
Ausweg in den folkloristischen Motiven, an denen sein Werk so reich ist.
Diesen Weg nahm auch Igor Schamo (1925–1982), der die ukrainische Klavierliteratur
ganz außerordentlich bereichert hat. Unter seinen Klavierwerken finden sich eine
»Ukrainische Suite«, die Suiten »Freundschaftslieder« und »Taras-Lieder«, eine »Tanzsuite«,
»Zwölf Präludien« und »Huzulische Aquarelle«.
Schamo wurde in Kiew geboren und die Liebe zu dieser Stadt begleitete ihn sein ganzes
Leben. Auch seine musikalische Ausbildung erhielt er in Kiew. Während der Kriegsjahre
wurde er zunächst nach Ufa evakuiert, wo er an der medizinischen Fakultät studierte. Im
Mai 1942 ging er an die Front und beendet seinen Dienst erst 1946. Die Erlebnisse dieses
Krieges finden einen Widerschein in vielen seiner Kompositionen.
Enormen Einfluss auf das Schaffen Schamos nahm der bereits vorgestellte Lewko Revuzkij,
mit dem er während seiner Studienjahre am Konservatorium zwischen 1946 und 1950 in
regem Austausch stand. Ihn faszinierten Revuzkijs Ideen, folkloristische Elemente in der
klassischen Musik zu verwenden. So entstand die »Ukrainische Suite« (1948), deren
Besonderheit im völligen Verzicht auf Zitate und echte Volksmelodien besteht, die aber
doch den Geist der volkstümlichen, ukrainischen Melodik voll trifft.
Die Suite besteht aus vier Teilen. Den dramatischen Anfang bildet der Zyklus »Duma«. Eine
langsame Erzählung weicht spannungsvollen, heftigen Ausrufen im Mittelteil. Der
Komponist stützt sich auf typische Kennzeichen des ukrainischen Volkslieds: die Tonart
(dorisch, mit zusätzlich angehobener vierter Stufe), die für Kobsarenlieder typische Form:
Drei Teile (klagender Anfang, Haupterzählung und Schluss) und eine rhythmisch-metrische
Wechselhaftigkeit, die der Erzählung einen improvisierten Charakter verleiht.
Die »Wesnjanka« (eine zeremonielle Anrufung des Frühlings) setzt mit ihrer Bildersprache
ein Gegengewicht. Ihre Grundlage bildet eine einfache Melodie mit der Quinte als
Grundbaustein, die durch das ganze Stück hindurch variiert wird. Das Thema hat erkenn-
bare Anklänge an die bekannte Wesnjanka-Melodie »Komm raus, Komm raus, Iwan«.
»Melodie«, ein Stück, das man ebenfalls als Volkslied bezeichnen könnte, steht dem Genre
der Protjaschnaja, dem typisch slawischen langgezogenen Gesang, nahe. Diese schöne,
innige Melodie ähnelt in ihrer Melodik den typischen ukrainischen Volksliedern so sehr,
dass sie das Gefühl des Bekannten und Vertrauten nahezu schmerzlich hervorruft. Das
Thema des Liedes ist mehrstimmig ausgestaltet und bildet so Chorgesang nach. Der
Stimmung nach nähert sich »Melodie« wieder dem ersten Stück des Zyklus und zieht damit
bildliche Parallelen.
»Tanz« versetzt den Hörer in die Welt der Dorffeste mit ihrer eigentümlichen Ausge-
lassenheit. Das Stück vereinigt in sich Züge verschiedener Volkstänze: des Arkan, des
Kasatschok (wörtlich »Kosakentanz«) und des Hopak. Die Melodie des Tanzes ähnelt in seiner
Intonation dem Thema der »Wesnjanka«. Im Ergebnis beschreibt die Suite damit einen
dramatischen Bogen.
1964 komponierte Igor Schamo den Zyklus »Zwölf Präludien«. Kleinste, kaum zu fas-
sende Details in Bildersprache, Intonation und Faktur verbinden sich mit dem Besten, was
das Genre des Präludiums im 19. und 20. Jahrhundert zu bieten hatte: die Traditionen
Chopins, Skrjabins, Debussys und Prokofjews. Die Präludien 2, 3 und 8 bilden zusammen
einen eigenen Mikrozyklus. In jedem dieser Stücke wird ein anderes Bild der Zeit ent-
worfen, des Ewigen und des fortwährenden Wandels.
Eine charaktervolle, elegische Semantik in a-moll bietet das Präludium № 2; eine verborgene
Trauer dringt aus seinen Tönen. Das matte Ostinato einer figurativen Begleitung erinnert
an raschelndes Laub, wandernde Konturen von Wolken, ein fernes, undeutliches Raunen. Vor
diesem Hintergrund ertönt eine kummervolle, langgezogene, singende Melodie.
Das Präludium № 3 ist schon die nächste Seite des Tagebuchs, einer Chronik unruhiger
Tage. Es ist eine Zeit des Umbruchs. Es braust eine ungezähmte Naturkraft. Läufe, Sprünge,
Bewegung, flimmernde Töne, Ausrufe, Grimassen… Ein perpetuum mobile, das keine
Schranken kennt und alles auf seinem Weg hinfort fegt. Das Stück ist mit dem Genre des
dramatischen Scherzo, der Etüde und Toccata verwandt.
№ 8 in fis-moll. Hier steht die Zeit unter einem epischen Blickwinkel. Die Zeit, erstarrt in
labyrinthischen Katakomben, im strengen Rhythmus von Steinsäulen monumentaler
Bauten. Die Zeit uralter Weisheit und der knappen Erzählweise eines lakonischen
Geschichtsschreibers. Der archaische Klang choraler Akkorde in den extremsten Registern.
Der stete Rhythmus gemessener Schritte. Fortklingender Widerhall, gleich einem Echo. Die
Zeit, die einen Schlussstrich unter alles Nachdenken über das Leben zieht.
Der Zyklus »Zwölf Präludien« ist dem Sohn des Komponisten gewidmet, dem eingangs er-
wähnten, kürzlich verstorbenen Jurij Schamo (1947-2015), der seit dem Jahr 2000 in Deutsch-
land (Fulda) lebte. Wie auch sein Vater hatte Jurij Schamo am Konservatorium in Kiew studiert
und wurde nach dem Abschluss in den ukrainischen Komponistenverband aufgenommen. Er
entfaltete eine rege Lehrtätigkeit und trug Großes zur Entwicklung der ukrainischen Musik
bei. Obwohl er sich in vielen Genres bewegte, galt der größte Teil seiner Tätigkeit der Klavier-
musik. Unter seinen Kompositionen für Klavier finden sich 15 Sonaten, eine »Karpatische
Suite«, eine Suite nach Motiven von Andersens Märchen, eine Kindersuite und viele andere.
Die »Karpatische Fantasie« entstand 1992. Jurij Schamo sagte von sich selbst, dass ihn die
Kultur und Musik der Westukraine schon immer angezogen hätten, und dass diese
Anziehungskraft der Ausgangspunkt für die Arbeit an diesem Stück gewesen sei. Dieses
ungewöhnliche, vielseitige Stück, fesselt den Hörer durch seine Bildkraft, durch die einzig-
artige Kombination volkstümlicher und jazztypischer Motive; es bietet eine wundervolle
Synthese aus westeuropäischer und westukrainischer Kultur.
Ganz zu Beginn der Arbeit am Programm dieser CD, nahm ich mit Jurij Schamo Kontakt
auf, um Noten zu weiteren Stücken zu erhalten. Doch der bereits schwer kranke Komponist
konnte meiner Bitte nicht entsprechen, da die handschriftlichen Noten in Kiew aufbewahrt
waren und er in seinem Zustand eine solche Reise nicht auf sich nehmen konnte. Dennoch
sah er, genau wie ich, der Veröffentlichung dieser CD mit Freude entgegen…
Ich hoffe, dass die Musik ukrainischer Komponisten einen Widerhall in den Herzen vieler
europäischer Hörer findet und so aus der Vergessenheit befreit wird; dass man sie öfter auf
Konzerten hören und ihre Noten nicht länger nur in den Archiven der Ukraine finden kann,
sondern auch als europäische Ausgaben.
Violina Petrychenko, Übersetzung Oliver Motz
This recording had only just been finished when I got news of Yuri Shamo's death (August
25 2015). This came as a shock to me, since it was his Carpathian Fantasy that had pro-
vided the impetus for the current project. I had come across his works by pure chance
while browsing through music in a bookstore in Kiev before my flight back to Germany. In
Cologne I was captivated by his Carpathian Fantasy and decided to put together a program
that would combine – just like this work – the musical traditions of Western Europe and
Ukraine. For that very reason the first part of the program presents two composers whose work
is rooted in the classical traditions: Levko Revutsky and Viktor Kosenko. The remaining three,
Kolessa as well as Igor an Juri Shamo, strove to draw on a greater number of folkloristic
motifs.

Ukrainian 20th century music comes in many diferent forms, and although the current disc
restricts itself to a handful of composers, they represent a variety of archetypes, such as:
lyrical, sorrowful musings, colorful tableaux, humorous works and many others.

The prelude to Ukrainian 20th century music is made by Levko Revutsky (1889–1977).
As a student of the pianist Lysenko, he took over many of his teacher's traditions on his
way to becoming a composer, pianist and teacher – a public figure well respected in the
worlds of music and the wider society. He was born into a musical family in the small town
of Irzhavets (Chernigov Region). His father played the violin, his mother the piano. Their
house was a meeting place for the Ukrainian elite, and there was always music. He began
playing the piano at the age of four and improvising at seven. It was also in these very
early years when he discovered his love for folk-songs, a love that would re-emerge in his
later works.

In 1903 Dmitry Revutsky introduced his brother Levko to Lysenko, in whose choir he sang
at the time. It was Lysenko who recommended him to take up music seriously and accepted
him into his piano class. In 1906 he enrolled at the university (first at the faculty of mathe-
matics, then law). He spent much of his student life in Moscow, where he indulged in the
cultural life of the day. In 1916 his life takes a decisive turn: He goes to the western front,
returning to his wife in Irzhavets two years later. In 1919 he is arrested and sentenced to
death by firing squad. However, his brother manages to save him from this fate.
Nevertheless Revutsky sees the need to go into hiding and retires to the small town of
Priluki. During the following years he works as an official at the trains stations of Ichne
and later Priluki.
In 1924 Revutsky was invited to teach at the Lysenko Institute of Music and Drama.
Among his students were some of the most talented Ukrainian composers such as
Mayboroda, Filippenko, Zhukovsky, Kireyko and Igor Shamo (who is also represented on this
disc). Revutsky's subsequent fate was filled with hardship. The war, displacement, the
oncoming stalinist regime all left indelible marks on the composer's personality. The cruel
stalinist terror had an impact on millions of lives and took many of the composer's friends.
In a man as sensitive and tender as Revutsky, these events led to an emotional crisis that
kept him from composing. His creative period comprises only the five years between 1923
and 1928. M. Blyanka commented on Revutsky's silence:
A tender, good-natured and humble man he was not born to be a warrior. He
appeared in this world to sing his song – and a quiet song it was, supremely
lyrical, deeply felt and genuine. He simply wouldn't have succeeded at the official
and declamatory works to be played with gaudiness and pathos, that were asked
of him. So he went silent. His silence was a direct accusation of stalinist rule.
The trilogy of preludes (op. 4), written in the early period (1914), brings together three
different views of the world. The elegiac contemplation of the first miniature, the tension
and the premonition of tragic changes of fortune alluding to Beethoven's fate motive
which we find in the second, finally the disquieting scherzo of the third miniature. All this
corresponds to the type of art characteristic for the turn of the century, a time of unfore-
seeable changes.
Revutsky, a coeval of Kosenko's and like him, a master of the neo-romantic movement
wrote about his friend:
Konsenko's legacy excels with its wealth of moods, imagery, themes and motives
as well as the diversity of genres and forms. Authenticity, emotional richness,
refinement and genuine professional mastery – these are the character traits
of this composer's work. And all of this is warmed by the eternal flame of a
great love for the art of music. Sometimes I am asked if Kosenko has really
become our national composer. One can hardly give a definitive answer to such
a question. After all, our people tend to understand the problem of nationalism
all to narrowly, restricting this wide concept to a certain inventory of folk
melodies, motifs, intonations, rhythms and so on. Without wishing to criticize
the ubiquitous use of the stylistic principles of folk music I contend that in
determining the national there are more important categories such as gene-
rally down-to-earth means of musical expression, the composer's direct and
indirect connections with the centuries-old national and international cultures,
his capacity to grasp the psychology of his people's artistic thinking and the
ability to portray it. To me it seems that Kosenko created his own Music by
following these very presuppositions. This is what makes him as much of a
Ukrainian national composer as for instance Rachmaninoff, Scriabin, Medtner
are Russian national composers.
Viktor Kosenko (1896–1938) is a lyrical composer, his music is filled with refined grief
and melancholy. He is one of the greatest romanticists of his time. In his work he manages
to combine into a stunningly organic whole the intonation of Ukrainian melos with the
achievements of Russian and Western European music. Kosenko was born in St. Petersburg
into an officer's family, which soon moved to Warsaw, one of the cultural centers of Europe.
At a tender age he firmly decided to devote himself to music and began composing. After
the outbreak of World War I the entire family retired to Petrograd, where he entered the
conservatoire. In these early years the young composer spent a lot of time and energy on
composing, with particular success in the genres of piano and vocal miniature. After
graduating from the conservatoire he moved to Zhitomir, where spent a big part of his life
and worked as a piano teacher at a music school.
Together with some fellow musicians he founded an artistic circle, in no way inferior to
those in Kiev. He regularly appeared in concerts as a pianist: His audience consisted of
workers, students, soldiers. He performed no less than 250 concerts during the first post-
revolutionary decade for the Red Army alone! Beyond that Kosenko founded a piano trio
with the violinist V. Skorokhod and the violoncellist V. Kolomiytsev; These three enthusi-
asts did a lot to spread classical music among a wider audience by familiarizing it with
chamber music. In 1929 he was offered a permanent position as a teacher in Kiev.
Kosenko's ten years in Zhitomir were years of prolific composing. The works recorded on
this disc were written in this very period.
The nocturne-fantasy in C-sharp minor gives the impression of a sophisticated arabesque,
blending two sets of imagery: elegiac grief and the eternal light of hope. Traditions of
romantic piano works with psychological depth (e.g. Chopin, Schumann, Brahms) are com-
bined here with harmonic elements in the style of Scriabin.
Numbers two and eight of the eleven etudes collected in Op. 8 give the impression of a
somewhat idiosyncratic diptychon. Melancholy and concentration, grief and inner firmness,
the rhythmic order of the etude b-flat minor with its swelling emotionality and dramatic
culmination give way to the light images of the etude f-sharp minor. Its melodic lines are
reminiscent of a fresh breeze dissipating the shady moods of the preceding piece.
Program music is rarely found in Kosenko's œvre. Solace is reminiscent of a romantic cycle
by Franz Liszt, but differs considerably from it in terms of style and imagery. The sigh motif
in its many variations depicts a vivid dialog with supplementary melodic lines, thus creating
an atmosphere of tenderness, trust and understanding. The piece closes in sublimated
choral chords. Yearning (Op. 11) is a deeply personal, lyrical expression of secret thoughts and
feelings. This piano miniature is among the most enthralling works in Kosenko's output.
Despite the nightly images called forth by the title, the Nocturne Op. 9 brings to mind a bright
summer's morning with rustling treetops and flying birds before the blue of the sky. The
paradoxical combination of the tragic key (e-flat minor) and the improvised plasticity of a
dance makes for the dramatic climax of of the mazurka op. 9. One is reminded of Dante's lines:
Nessun maggior dolore There is no greater sorrow
che ricordarsi del tempo felice Than to be reminded of happier times
ne la miseria… in one's misery…
The withering motifs of the opening part make way for the outbreak of a liberated lyrical
dream, bringing redemption from suffering. However, the recapitulation reminds us of the
sorrow of being.
Kosenko's late works are tremendously influenced by the political circumstances of the
time. As many other composers he was obliged to write songs for the masses in honor of
the communist party. One can hardly imagine, that the composer's refined romantic nature
was inclined to this subject. Among other works of these years we find his piano concerto,
completed by Revutsky, the Hero's Overture, the Moldovan Poem. His last years were
eclipsed by illness.
One of Kosenko's younger coevals was Mykola Kolessa, a composer with a most impressive
lifespan (1903–2006) who made a tremendous contribution to Ukrainian culture of the
20th century. Mykola Kolessa was born into a family of musicians. His father, Filaret, was
a renowned musicologist and folklorist. Together with the writer L. Ukrainka he collected
and systematized Ukrainian songs. Since his childhood Mykola was immersed in music. He
received his education in Prague, graduating from the university and conservatoire in 1928
and from the Prague academy of higher mastership in 1931. He was active as a teacher:
Between 1931 and 1939 he taught at the Lysenko Academy of Music. Back in Lvov he
delved into the cultural life of Galicia. He put particular emphasis on conducting, in a time
when in Galicia this art had not yet been developed into a firm tradition. It is not an over-
statement to call Kolessa the founder of a Western Ukrainian school of conducting. A
teacher since 1940, headmaster during the years of 1953–1965, he took a professor's posi-
tion at the conservatoire of Lvov while he worked as conductor in Ivano-Frankovsk and the
opera of Lvov.
His creations stand in the tradition of Lysenko and Lyudkevich as well as Bartók, whose
compositions Kolessa held in high esteem. The Hutsulian traditional sources are combined
with the avant-gardism, ingenuity and acerbity of the tonal inventory of the first half of
the 20th century. His works mirror lyrical moods, fantastic images inspired by lore and
popular belief, romantically transfigured past and the elemental force of folk dances.
Smaller piano works are combined into cycles (e.g. the Hutsulian Images, Three Kolomiyki,
Four Preludes). The interplay of poetry and lyricism with a blaze of colors and the expression
of sheer zest for life makes the essence of the Hutsulian Images (1934).
This suite marks the beginning of the line of “regional” cycles in Ukrainian 20th century
music and displays the richness of nature and music of the respective Region. Kolessa is
correctly taken to be a master of the filigrane, sophisticated piano miniature. This can be
seen most clearly in his Four Preludes, each written in a different period: the Fantastic
(1938), Autumnal (1969), Hutsulian (1975), On Dovbush (1982). Due to its agitated emo-
tionality and the author's buoyant romantic expressivity they form a cycle consistent in
imagery and emotional intensity.
The piano prelude On Dovbush portrays the leader of the “Oprishki” – Oleksy Dovbush.
(Oprishki is the name of the participants in a historic insurgency movement that took place
in the 15th–19th centuries in Galicia, the Carpathians and Pokuttya. It targeted the town
privileges and the despotism of the squires). The work is based on the folk song Oy, popid
gay zelyonenki, a restless monologue full of drama and romantic pathos. In Kolessa's works
one can hear the motifs and rhythms of the genre of Kolomiyka, the lad's dance Arkan, the
imitation of the sound of various folk instruments: sopilka and trembita, cimbalom and
tambourine. Rhythmically flowing passages, bold adornments in the “fantastic” prelude
contrast with the fanfaric outcries in the song on Dovbush. Kolessa makes use of the hut-
sulian tonality (a twofold harmonic minor), adapted tonalities, chords not based on thirds,
and pedal points.
The postwar period was a hard time for Kolessa. Under the circumstances of the relentless
regime of the communist ideology and the persecution of all innovative or sharp criticism
the composer found himself constrained to write with utmost caution. He found a way out
in the use of folk motifs, in which his music is particularly rich.
This was also the way of Igor Schamo (1925–1982), who considerably enriched Ukrainian
piano literature. Among his piano works we find a Ukrainian Suite, the suites Song of
Friends and Songs of Taras (an hommage to the Ukrainian national poet Taras Shevchenko),
a Dancing Suite, twelve preludes and Hutsulian Watercolors.
Shamo was born and received his musical education in Kiev. His love towards this city
would last his whole life. During the years of war he was first evacuated to Ufa, where he
went to study at the faculty of medicine. In May of 1942 he went to the front, not to
return until 1946. His experiences of the war find expression in many of his works.
His work received major influence from Revutsky, with whom he was active in exchanging
views while he was studying at the conservatoire (between 1946 and 1950). He was fas-
cinated by Revutsky's ideas to use folklore within classical music. This is how the Ukrainian DANK — ACKNOWLEDGMENT — БЛАГОДАРНОСТЬ
Ich möchte mich bei Familie Obertrifter herzlich für die
Suite (1948), came into being which is unusual as it does away with quotes and actual folk
Unterstützung bedanken. - Many thanks to family Obertrifter for
melodies, but nevertheless manages to render the genuine spirit of Ukrainian melos. the generous support. - Сердечая благодарность семье
Обертрифтер за поддержку.
Violina Petrychenko
The suit consists of four parts, with Duma as the dramatic opening. A staid narration alters
with fierce and agitated outcries in the middle parts. The composer takes as a basis the
typical traits of the Ukrainian folk song: the tonality (Dorian with a raised fourth), the typi-
cal forms of the Kobsar songs: three parts (opening lament, main narration and ending),
the rhythmic and metric variability giving the impression of improvised storytelling. The
Vesnyanka (a ritual invocation of spring) presents us with a contrasting imagery. It revol-
ves around a simple melody based on fifths undergoing variations throughout the whole
composition. The theme resembles the well-known melody of the vesnyanka: come out,
come out, Ivan.

Melody, a beautiful and heartfelt song-like tune, is so close to typical Ukrainian folksongs
in terms of its melodic attributes that it almost painfully stirs up the feeling of something
familiar and intimate. The theme is rendered for several voices, thus imitating a chorus. The
mood conveyed by Melody is close to the cycle's first part, thus drawing parallels.

Dance moves on to the realm of the village fetes and their typical jollity. It reunites the
characteristics of several traditional dances: the arkan, the kozachok (dance of the cossacks)
and the hopak. The melody of Dance is related to the theme of Vesnyanka, as a result of
this, the suite forms a dramatic arc.

In 1964 Igor Shamo created the cycle “Twelve Preludes”. Refined and almost intangible
subtleties in imagery, intonation and facture join the best the genre of prelude had to offer
in the 19th and 20th centuries: the traditions of Chopin, Scriabin, Debussy and Prokofiev. WWW.VIOLINA-PETRYCHENKO.DE
Preludes 2, 3 and 8 constitute their very own micro-cycle. Each of them presents us with
a different depiction of time: eternity and constant change. The second prelude offers an
elegiac use of a minor full of character; it's sounds hint at inner grief. A low ostinato brings
to mind rustling foliage, the constantly changing outlines of clouds, a distant, indistinct
mutter. On this background rises a sustained, distraught, lyrical, song-like melody.
Prelude №3 turns the page of this diary, these chronicles of turbulent days. It is a time of
change. Here, one hears the roaring of rampant elemental forces. Chasing, leaps, move-
ment, flashing sounds, outcries, grimaces,… A movement knowing no limits, sweeping
away anything in its path. The work is akin to the genres of dramatic scherzo, etude and
toccata.
№8 in f sharp minor. Here time is approached from an epic point of view. Time congealed
in the mazes of catacombs, in the strict rhythm of monumental stone pillars. The time of
eternal wisdom and the laconic narration of historiography. The archaic sound of choral
unisons in the utmost registers. A measured, striding rhythm. Repetitive, echo-like reverbe-
rations. Time as it sums up all thoughts on life.
very diverse piece of music captivates by its vivid imagery, the unique combination of folk-
loristic and jazzy motifs. It demonstrates a wonderful synthesis of Western European and
Western Ukrainian cultures.
At the very outset of the work on this program I contacted Yuri Shamo in an attempt to
obtain more of his compositions. But he was already gravely ill at the time, and was un-
able to help me. The hand-written scores were kept in Kiev, where his physical condition
wouldn't allow him to travel. He was looking forward to the publication of this CD.
I hope that the music of Ukrainian composers will find an echo in the hearts of European
listeners and rising from oblivion, will be heard in concerts and be found not only in
Ukrainin archives, but also published in Europe.
Violina Petrychenko, Translation Oliver Motz

The cycle Twelve Preludes is dedicated to his son, the Ukrainian composer Yuri Shamo,
deceased recently after having lived in Germany (Fulda) since the year 2000. Just like his
father, Yuri studied at the Kiev conservatoire. After graduation he was accepted into the
Ukrainian composers' union. He actively engaged in teaching and made a tremendous con-
tribution to the development of Ukrainian music. While he composed in many genres,
piano works constitute a large part of his output. Among his piano compositions we find
15 sonatas, a Carpathian Suite, a suite composed to Andersen's fairy-tales, a suite for
children and others.

The Carpathian Fantasy was written in 1992. The composer said that his attraction to
Western music and culture provided the inital spark for this composition. This unusual,
VIOLINA PETRYCHENKO Konzertpianistin

Violina Petrychenko kommt aus der Ukraine. Sie wurde in Saporoschje als Kind einer
Musikerfamilie geboren, wo sie bereits mit 6 Jahren mit dem Klavierspiel begann. Am
Musikgymnasium in Saporoschje studierte sie in den Hauptfächern Klavier und
Musikwissenschaft. Beide Diplome bestand sie mit Auszeichnung. Violina begann ein
Studium an der Nationalen Tschaikowsky-Musikakademie der Ukraine (Kiew) im Hauptfach
Klavier bei Prof. B. Archimovitsch. Seit 2007 studierte sie an die Hochschule für Musik
„Franz Liszt“ Weimar und dann an der Hochschule für Musik und Tanz Köln bei Prof. Jacob
Leuschner weiterhin Klavier. Violina vervollständigt nun ihr Studium in der Klasse von Prof.
Evgueni Sinaiski an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Ausserdem nahm sie an
Meisterkursen bei Peter Nagy, Ferenz Rados, Jeffry Swann, Evgeny Skovorodnikov, Konrad
Elser, Bernd Goetzke und Pierre-Laurent Aimard teil.

Zudem erhielt Violina zahlreiche Auszeichnungen, Stipendien und Förderpreise, u. a. von der
Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, der
Neuen Liszt Stiftung Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Anna-Ruths Stiftung, der Stadt Köln,
Werner Richard-Dr. Carl Dörken Stiftung und Theodor-Rogler Stiftung. Für besondere
akademische und künstlerische Leistungen erhielt sie den DAAD-Preis, beim Rosario
Marciano Wettbewerb wurde sie mit einem Diplom ausgezeichnet, beim Medenuswett-
bewerb erhielt sie den Publikumpreis, sowie 2014 den Folkwang-Preis in der Sparte Musik.

Dabei kann sie auf eine sehr aktive Konzerttätigkeit zurückblicken. Konzertreisen führten
sie durch Deutschland, Holland, Frankreich, Spanien, Tschechien und in der Ukraine. Violina
hat mehrmals für Deutschlandradio Kultur sowie Radio und Fernsehen MDR und WDR
gespielt. Sie spielte bei mehreren Festivals (u. a. Bayreuther Klavierfestival, Euro Music
Festival, Rösrath Klavierfestival). Einen großen Teil ihrer Konzerte spielt sie auch als
Kammermusikpartnerin und Liedbegleiterin, sie gründete im Jahr 2011 das Duo Kiol mit der
Saxofonistin Kirstin Niederstraßer. Ausserdem befasst sie sich zusäztlich mit historischen
Tasteninstrumenten. Zur Zeit wohnt Violina in Köln und ist Klavierdozentin an der Music
Academy Köln.
Violina Petrychenko was born in Zaporizhia (Ukraine) into a family of musicians, and began
to play the piano at 6 years of age. In 2000 she joined the musicology department of
Maiboroda Music Academy to become a music scholar. One year later she began to study
piano performance with A. Kasaryan. She received both diplomas with honours and began
her tertiary studies at the “Tchaikovsky” national music academy of Ukraine specialising in
piano perfomance. In 2007 she went to study at the Lizst School of Music Weimar
(Germany) with Jacob Leuschner as her teacher, with whom she continued her studies in
Cologne. In 2011 she founded the “Duo Kiol” together with the saxophonist Kirstin
Niederstraßer with whom she studies in the class of E. Sinaiskiy in Essen.
Violina has taken master classes with world famous pianists such as P. Notch, F. Rados
(Hungary), J. Swann (USA), E. Skovorodnikov (Canada), K. Elser and P.-L. Aimard (Germany).
The young pianist has been awarded scholarships, by the Booster Club of the Lizst School
of Music Weimar, the Liszt Foundation, the Weimar Classics Foundation, the Anna Ruths
Foundation, the City of Cologne, the Werner Richard-Dr. Carl Dörken Foundation and the
Theodor Rogler Foundation. In 2009 she won the award for excellent performance of inter-
national students from the German Academic Exchange Service (DAAD). She won prizes at
several competitions (Vienna, Austria. Rösrath, Germany).
Besides giving concerts she also played on festivals in Spain, the Netherlands, France,
Germany Austria and other countries. On many occasions Violina performed on TV and
radio in Germany (WDR, MDR), Spain and Ukraine. As of 2014 Violina lives in Cologne and
works as a piano instructor at the Music Academy of Cologne.
Виолина Петриченко родилась в Запорожье в семье музыкантов. Обучаться
музыке начала с шести лет в Детской музыкальной школе при Музыкальном
Училище имени П.И. Майбороды по классу фортепиано. В 2000 году поступи-
ла в Музыкальное Училище на факультет Музыковедение, годом позже начала
обучение на фортепианном факультете в классе преподавателя А.Казарян. С
отличием окончив оба факультета, поступила в Киевскую консерваторию в
класс Б.Архимовича. В 2007 году поступила в Высшую школу музыки в Веймаре
(Германия) под руководством Я.Лешнера, у которого она продолжила обучение
с 2010 года в Аспирантуре в Кёльне. В 2011 году основала Дуэт Киоль вместе
с саксофонисткой Кирстин Нидерштрассер. С 2013 года участницы дуэта учат-
ся в аспирантуре в Эссене (класс Е.Синайского).
Виолина получала мастер-классы у таких всемирно известных пианистов, как:
П.Ночь, Ф.Радош (Венгрия), Д.Свон (США), Е.Сковородников (Канада), К.Ельзер
и П.Аимар( Германия). Молодая пианистка - стипендиат многих фондов в
Германии – Общество друзей и спонсоров высшей школы музыки в Веймаре,
Общество нового фонда Ф.Листа, Классический фонд в Веймаре, фонд Анны
Рутс, стипендия города Кёльна, концертная стипендия Вернера Рихарда Др.
Дёркена , фонд Теодора Роглера. За особые заслуги в искусстве получила ДААД
Приз. и приз Фолькванга в категории Музыка.Виолина лауреат различных кон-
курсов.(Вена, Австрия. Рёсрат Германия)
Пианистка ведет активную концертную деятельность, играет концерты и была
гостем на фестивалях в Испании, Голландии, Франции, Германии, Австрии и в
других странах. Виолина много раз выступала на радио и ТВ в Германии (WDR,
MDR, немецкое радио культуры ), Испании, Украины.
В настоящий момент Виолина живет в Кельне и является Доцентом в Академии
музыки Кельна.