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Hermann Lucks

Zülpicherstraße 333
50937 Köln
Rechtswissenschaften (8.Fachsemester)
Matrikelnummer: 5799473
E-Mail: lucks.h@web.de

Vorbereitungsseminar im Öffentlichen Recht


Aktuelle Fragen des öffentlichen Rechts
Sommersemester 2019
Prof. Dr. Johanna Hey

Vorbereitungsseminararbeit
Die Grenzen der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses nach
Art.77 Abs.2 GG- aus Anlass der Beschlüsse des BVerfG vom
11.12.2018 und 15.1.2019 (u.a. 2 BvL 4/11 und 2 BvL 1/09)
Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung 1
II. Der Vermittlungsausschuss 2
1. Aufgabe und Funktion des Vermittlungsausschusses 3
2. Kompetenzen des Vermittlungsausschusses 5
3. Grenzen der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses 7
a.) Meinungsstand in der Literatur 7
b.) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 9
4. Aktuelle Entwicklungen 12
III. Fazit 14

I
Literaturverzeichnis

Axer, Georg Die Kompetenz des


Vermittlungsausschusses
zwischen legislativer
Effizienz und
demokratischer
Legitimation. Dargestellt
am Beispiel des
Steuergesetzgebungsver-
fahrens
Berlin, 2010
zitiert als: Axer, Die Kom-
petenz des Vermittlungs-
ausschusses
Bismark, Hans Grenzen des Vermittlungs-
ausschusses
DÖV 1983, S.269-279
zitiert als: Bismark, DÖV,
1983
Dessens, Marc Kompetenzgrenzen des
Vermitllungsausschusses
NJW 2008, S.2892-2895
zitiert als: Desens, NJW,
2008
Dreier, Horst Grundgesetz, Band2,
Art.20-82
3. Auflage, Tübingen,2013
zitiert als: Bearbeiter, in Dreier
Gröpl, Christoph Staatsrecht I: Staatsgrundlagen,
Staatsorganisation, Verfassungs-
prozessrecht
10. Auflage, München, 2018
zitiert als: Gröpl, Staatsrecht I
Hasselsweiler, Ekkehart Der Vermittlungsausschuss: Ver-
fassungsgrundlagen und
Staatspraxis
Berlin 1981
zitiert als: Hasselsweiler, Der Ver-
mittlungsausschuss
Isensee, Josef/Kirchhof, Paul Handbuch des Staatsrechts der
Bundesrepublik Deutschland,
Band III
3. Auflage, Heidelberg, 2005
zitiert als: Bearbeiter, in: HstR

II
Jarass, Hans/ Pieroth, Bodo Grundgesetz für die Bundesrepu-
blik Deutschland
15. Auflage, München,2018
zitiert als: Bearbeiter, in:
Jarass/Pieroth
Kluth, Winfried/Kring, Günter Gesetzgebung: Rechtssetzung
durch Parlamente und Verwaltung-
en sowie ihre gerichtliche
Kontrolle
1. Auflage, Heidelberg, 2014
zitiert als: Kluth/Kring,
Gesetzgebung
Maunz, Theodor/Dürig,Günter Grundgesetz, Band V, Art.54-85
85. Auflage, München, 2019
zitiert als: Bearbeiter, in:
Maunz/Dürig
Maurer, Hartmut Staatsrecht I: Grundlagen, Verfas
sungsorgane, Staatsfunktionen
7. Auflage, München, 2019
zitiert als: Maurer, Staatsrecht I
Niemann, Helmut Die bundesstaatliche Bedeutung
des Bundesrates unter besonderer
Berücksichtigung des Vermitt-
lungsausschusses
Göttingen, 1978
zitiert als: Niemann, Die bundes-
staatliche Bedeutung des Bundes-
rates unter besonderer Berücksich-
tigung des Vermittlungsausschus
ses
Pabel, Katharina Zu den Grenzen der Kompetenzen
des Vermittlungsausschusses
ZJS 4/2008, S.344-350
zitiert als: Pabel, ZJS 4/2008
Quaas, Michael Zur Verfassungsmäßigkeit der
Verzinsung von öffentlichen Bau-
darlehen gemäß den Änderungen
durch das 2. HStruktG
WuM 1982, S.283-287
zitiert als: Quaas, WuM 1982
Sachs, Michael Grundgesetz
8.Auflage, München,2018
zitiert als: Bearbeiter, in Sachs

III
Schenke, Wolf-Rüdiger Die verfassungsrechtlichen Gren-
zen der Tätigkeit des Vermitt-
lungsausschusses: Dargestellt am
Beispiel des 2. Haushaltsstruktur-
gesetzes
Berlin, 1984
zitiert als: Schenke,
Die verfassungsrechtlichen
Grenzen der Tätigkeit des
Vermittlungsausschusses
Schmidt-Bleibtreu,Bruno/Hofmann,Hans/ Grundgesetz
Heneke, Hans-Günther 14. Auflage, Köln, 2017
zitiert als: Bearbeiter, in: Schmidt-
Bleibtreu/Hofmann/Heneke
Schneider, Hans-Peter/Zeh, Wolfgang Parlamentsrecht und Parlaments-
praxis in der Bundesrepublik
Deutschland
Berlin, 2011
zitiert als: Bearbeiter, in:
Schneider/Zeh
Lehmbruch, Gerhard/ v. Beyme, Klaus/ Demokratisches System und
Fetscher, Iring politische Praxis der Bundes-
republik
München, 1971
zitiert als: Bearbeiter, in:
Lehmbruch/v.Beyne/Fetscher
von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/ Grundgesetz, Band 2, Art.20-82
Starck, Christian 7. Auflage, München, 2018
zitiert als: Bearbeiter, in:
v. Mangoldt/Klein/Starck
von Münch, Ingo/Kunig, Philip Grundgesetz-Kommentar Band 2,
Art.70- 146
6.Auflage, München, 2012
zitiert als: Bearbeiter, in:
v.Münch/Kunig
Ziller, Gebhard Zum Spannungsverhältnis
zwischen Bundestag und Bundes-
rat im Gesetzgebungsverfahren
in: Parlamentarische Demokratie-
Bewährung und Verteidigung
Festschrift für
Hellmut Schellknecht
Heidelberg,1984, S.135-152
zitiert als: Ziller, FS Schellknecht

IV
I. Einleitung

Dem Vermittlungsausschuss kommt in unserer Demokratie ein hoher Stel-


lenwert zugute. Er hat sich seit Inkrafttretens des Grundgesetzes zu einem
wichtigen und anerkannten Institut des Gesetzgebungsverfahrens entwi-
ckelt.1 Er stellt das Vermittlungsorgan zwischen Bundestag und Bundesrat
dar, und versucht die divergierenden Standpunkte beider Verfassungsor-
gane in Einklang zu bringen.2 Dieses Vermittlungsverfahren ist durch
Art.77 Abs.2 GG im Grundgesetz verankert. Nicht grundgesetzlich gere-
gelt sind jedoch die einzelnen Kompetenzen des Vermittlungsausschusses
und die Grenzen selbiger. Diese teils ungeklärten oder strittigen Rechts-
fragen führen immer wieder zu der Anrufung des Bundesverfassungsge-
richts über die Reichweite der Befugnisse des Vermittlungsausschusses im
Lichte unserer Verfassung.

Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, welche Anforderungen an die Ar-
beit des Vermittlungsausschusses zu stellen sind. Zuerst wird erläutert,
was der Vermittlungsausschuss überhaupt ist und wie er sich zusammen-
setzt. Sodann soll der Aufgaben- und Kompetenzbereich des Vermitt-
lungsausschusses herausgearbeitet werden. In einem zweiten Schritt wer-
den die Grenzen der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses aufge-
zeigt. Untersucht wird dies anhand der Bestimmungen im Grundgesetz
und der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses sowie der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ein besonderes Augenmerk
soll dabei auf die aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsge-
richts zu dieser Problematik gelegt werden. Sie sollen durch die vorher
aufgestellten Kompetenzgrenzen analysiert werden. Abschließend werden
die Ergebnisse in einem Resümee zusammengefasst.

II. Der Vermittlungsausschuss

Der Vermittlungsausschuss ist historisch gesehen eine neuartige Erschei-


nung im deutschen Verfassungsrecht.3 In der Literatur umstritten ist , ob

1
Koggel, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, Rechtssetzung durch Parlamente und Ver-
waltungen sowie ihre gerichtliche Kontrolle, S.457.
2
Vgl. Gröpl, Staatsrecht I, Rn.1133.
3
Maurer, Staatsrecht I, §17 Rn.78.
1
er ein „ständiges und gemeinsames Unterorgan“ der beiden Verfassungs-
organe Bundestag und Bundesrat darstellt4 oder ihm nur die Qualität eines
Ausschusses zukommt.5 Allen Meinungen gemein ist jedoch, dass dem
Vermittlungsausschuss eine „besondere organschaftliche Natur“ zu eigen
ist.6 Gemäß Art. 77 Abs.2 S.1 GG besteht er aus Mitgliedern des Bundes-
tages und des Bundesrates. Für die Zusammensetzung des Vermittlungs-
ausschusses gibt das Grundgesetz selbst nicht viel her.7 Es überlässt gemäß
Abs.2 S.2 im Übrigen die Zusammensetzung und das Verfahren einer Ge-
schäftsordnung des Bundestages.8 Die Geschäftsordnung zum Vermitt-
lungsausschuss wurde im Mai 1951 beschlossen und konkretisiert sowohl
die Zusammensetzung des Ausschusses als auch das Vermittlungsverfah-
ren. §1 der Geschäftsordnung bestimmt eine „paritätische Zusammenset-
zung“ des Vermittlungsausschusses.9 Sowohl der Bundesrat als auch der
Bundestag entsenden je 16 ihrer Mitglieder, die den ständigen Vermitt-
lungsausschuss bilden. Der Entsendungsmodus wird in der Geschäftsord-
nung des Vermittlungsausschusses indes nicht gesondert geregelt, sodass
die Geschäftsordnungen des Bundestags und Bundesrates Anwendung fin-
den.10

Aus §11 Abs.2 GO-BR geht hervor, dass jedes Land im Vermittlungsaus-
schuss durch ein Mitglied vertreten wird. Dabei bestimmen gemäß §11
Abs.4 in Verbindung mit Abs.3 GO-BR die Regierungen der Länder über
ihr Mitglied im Ausschuss. Die Entsendung hängt also auch von den Mehr-
heitsverhältnissen im jeweiligen Land ab.11

Für die Besetzung des Vermittlungsausschusses durch Mitglieder des Bun-


destages ist laut Bundesverfassungsgericht der Grundsatz der Spiegelbild-
lichkeit erforderlich.12 Dieser Grundsatz besagt, dass jeder Ausschuss ein
Abbild des Plenums sein muss. Erforderlich ist mithin, dass sich die Zu-
sammensetzung des Ausschusses in der Zusammensetzung des Plenums

4
Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art.77 Rn.17.
5
Masing, in:v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.77 Abs.2 Rn.62.
6
Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuss, S.43.
7
Bryde, in: v.Münch/Kunig, Art.77 Rn.12.
8
Vgl. Mann, in: Sachs, Art.77 Rn.8.
9
Bryde, in: v.Münch/Kunig, Art.77 Rn.12; BVerfGE 112, 118ff.
10
Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuss, S.139.
11
Vgl. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art.77 Rn.20.
12
BVerfGE 112,118.
2
widerspiegeln muss.13 Konkret bedeutet dies, dass sich auch im Vermitt-
lungsausschuss die Mehrheitsverhältnisse der einzelnen Fraktionen gegen-
überstehen müssen.14 Die Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss
stellt also ein Abbild des gesamten Bundestags mit seinen Fraktionen und
„politischen Stärkeverhältnissen“ dar.15 Festzuhalten ist auch hier, dass die
Besetzung der Mitglieder des Vermittlungsausschusses stark von der je-
weiligen Legislaturperiode abhängig ist.

Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses haben gemein, dass sie kei-


nem Weisungsrecht unterworfen sind.16 Für die Mitglieder aus dem Bun-
destag folgt dies bereits aus der Ausübung ihres freien Mandats gemäß
Art.38 Abs.1 S.2. Für die Delegierten aus dem Bundesrat folgt die Wei-
sungsfreiheit aus Art.77 Abs.2 S.3 GG.17

1. Aufgabe und Funktion des Vermittlungsausschusses

Aus der Verfassung ergibt sich aus Art.77 Abs.2 S.1 GG die Aufgabe der
„gemeinsamen Beratung von Vorlagen.“18 Die systematische Stellung der
Norm im Bereich der Mitwirkung des Bundesrates im Gesetzgebungsver-
fahren spricht dafür, dass mit Vorlagen ein strittiger Gesetzesbeschluss des
Bundestages sowie ein sich auf diesen beziehendes Änderungsbegehren
eines Organs gemeint ist.19

Die Beratung hat das Ziel, eine Gesetzesinitiative auch bei Meinungsver-
schiedenheiten und Differenzen zwischen dem Bundesrat und dem Bun-
destag zu erreichen.20 Hierfür ist in den Beratungen ein Einigungsvor-
schlag zu erarbeiten, der möglichst sowohl im Bundestag als auch im Bun-
desrat viel Zustimmung erfährt, um so einen Einspruch des Bundesrates
beziehungsweise, im Falle eines Zustimmungsgesetzes, eine nicht erteilte
Zustimmung herbeizuführen.21

13
BVerfGE 80,188,222; 84,304,323.
14
Masing, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.77 Abs.2 Rn.67f.
15
Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art.77 Rn.21.
16
Mann, in: Sachs, Art.77 Rn.9.
17
Vgl. Stettner, in: Dreier, Art.77 Rn.19.
18
Dietlein, in: Schneider/Zeh, §57, Rn.8f.
19
Axer, Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, S.36.
20
Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsaus-
schusses, S.21f.
21
Axer, Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, S.36.
3
Voraussetzung für eine Aufnahme der Arbeit des Vermittlungsausschus-
ses ist gemäß Art.77 GG, dass ein befugtes Organ seine Einberufung ver-
langt. Die Voraussetzungen zur Einberufung für die verschiedenen Organe
unterscheiden sich indes voneinander. Sie hängen zudem davon ab, ob es
sich bei dem Gesetz um den Regelfall eines Einspruchsgesetzes oder aus-
nahmsweise um ein Zustimmungsgesetz handelt.22

Die Möglichkeit, die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlan-


gen, steht gemäß Art.77 Abs.2 S.1 GG primär dem Bundesrat zu.23 Er hat
das Recht zur Einberufung prinzipiell bei allen Gesetzen. Aus Art. 77
Abs.3 S.1 GG ergibt sich im Falle eines Einspruchsgesetzes sogar eine
Verpflichtung, den Vermittlungsausschuss anzurufen, bevor Einspruch
eingelegt werden kann. Bei Zustimmungsgesetzen ist die Anrufung wie-
derum fakultativ.24 Die Möglichkeit der Anrufung des Vermittlungsaus-
schusses stärkt den Bundesrat in seiner Funktion in der Gesetzgebung. Ihm
steht nicht nur das Recht zu, in Fällen eines Zustimmungsgesetzes die Zu-
stimmung zu verweigern. Durch die Anrufung des Untersuchungsaus-
schusses hat er auch bei anderen Gesetzen die Möglichkeit, „inhaltlich-
gestaltend“ auf einen Einigungsvorschlag einzuwirken, sodass man von
einer institutionellen Stärkung des Bundesrates durch den Untersuchungs-
ausschuss sprechen kann.25

Aus Art.77 Abs.2 S.4 GG ergibt sich, dass im Falle eines Zustimmungs-
gesetzes auch der Bundestag und die Bundesregierung ein Recht zur Ein-
berufung haben.26 Dem Bundestag dient eine Einberufung indes nur für
die Verteidigung eines bereits von ihm beschlossenen Gesetzes.27 Nach
der herrschenden Meinung erfüllt auch ein Anrufungsbegehren der Bun-
desregierung diesen Zweck.28 Es soll für beide Organe mithin sicherge-
stellt werden, dass im Falle einer Versagung der Zustimmung durch den
Bundesrat, das Zustandekommen des Gesetzes noch möglich ist.29 Der

22
Vgl. Stettner, in: Dreier, Art.77 Rn.24.
23
Masig, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.77 Abs.2 Rn.73f.
24
Byrde, in: v.Münch/Kunig, Art.77 Rn.8.
25
Axer, Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, S.39ff.
26
Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art.77 Rn.12.
27
Maunz, in: Maunz/Dürig, Art.77 Rn.15.
28
Byrde, in: v.Münch/Kunig, Art.77 Rn.16; Stettner, in: Dreier, Art.77 Rn.26;
Mann, in: Sachs, Art.77, Rn.25.
29
Vgl. Masig, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.77 Abs.2 Rn.74.
4
Vermittlungsausschuss hat also auch die Funktion die schwächeren Ver-
fahrenspositionen der gesetzgeberischen Organe zu stärken.30

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dem Vermittlungsausschuss die


wichtige Aufgabe zukommt, bundesstaatlichen Risiken der Gesetzgebung
wirksam zu begegnen.31

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verfassungsorganen sorgt


er vermittelnd dafür, einen Konsens zwischen den divergierenden Interes-
sen der einzelnen Organe herzustellen und ermöglicht so eine flexiblere
und effizientere Gesetzgebung im Spannungsverhältnis zwischen Demo-
kratie- und Bundesstaatsprinzip.32

2. Kompetenzen des Vermittlungsausschusses

Die Aufgaben und Funktionen des Vermittlungsausschusses wurden oben


bereits herausgearbeitet. Fraglich bleibt jedoch noch, welche konkreten
Kompetenzen der Vermittlungsausschuss im Gesetzgebungsverfahren hat.
Das zentrale Element des Vermittlungsverfahrens stellt der Einigungsvor-
schlag dar.33 Durch diesen soll ein politischer Kompromiss zwischen dem
Bundestag und dem Bundesrat oder der Bundesregierung gefunden wer-
den, um eine Verzögerung oder gar Hemmung in der Gesetzgebung zu un-
terbinden.34

Der Einigungsvorschlag wird auf Grundlage des strittigen Gesetzesent-


wurfs und den Änderungsvorschlägen des anrufenden Verfassungsorgans
bearbeitet. Auf dieser Basis findet das Einigungsverfahren statt, das durch
verschiedene Beratungen gekennzeichnet ist, bevor ein „konsensfähiger
Einigungsvorschlag“ erarbeitet wird.35 Der Einigungsvorschlag wird in
§10 GO-VermA konkretisiert. Er kann gemäß Abs.1 S.1 zum einen eine
Änderung oder eine Aufhebung eines vom Bundestag beschlossenen Ge-
setzes zum Gegenstand haben. Diese Vorschläge können gemäß §10 Abs.3
S.1 aus einzelnen oder mehreren Änderungen des Gesetzesbeschlusses be-
stehen. Aus §10 Abs.2 GO-VermA geht hervor, dass der Bundestag nur

30
Masig, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.77 Abs.2 Rn.61.
31
Pabel, ZJS 4/2008, S.344.
32
Axer, Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, S.41.
33
Hasselsweiler, der Vermittlungsausschuss, S.36.
34
Axer, Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, S.40.
35
Hasselsweiler, der Vermittlungsausschuss, S.45.
5
über den Einigungsvorschlag abstimmt. Daraus folgt, dass der Vorschlag
einer abstimmungsfähigen Vorlage gleichkommen muss, der Inhalt des Ei-
nigungsvorschlages also in der Abstimmung nicht mehr modifiziert wer-
den darf.36§11 GO-VermA sieht darüber hinaus vor, dass ein vom Bundes-
tag beschlossenes Gesetz auch bestätigt werden kann. Das hat zur Folge,
dass es keiner erneuten Beschlussfassung durch den Bundestag mehr be-
darf. Fraglich ist, welche Anforderungen an den Einigungsvorschlag des
Untersuchungsausschusses zu stellen sind.

Die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses, respektive der zulässige


Umfang und Inhalt eines Einigungsvorschlages sind weder in der Verfas-
sung selbst noch in der Geschäftsordnung explizit geregelt.37 Die herr-
schende Literaturmeinung und die Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts leiten die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses und
ihre Grenzen aus der Funktion und Stellung des Ausschusses im Gesetz-
gebungsverfahren her.38 Besondere Beachtung finden dabei die verfas-
sungsrechtlichen Grundgedanken zum Gesetzgebungsverfahren aus Art.
20 Abs.2, Art.38 Abs.1 S.2, Art.42 Abs.1 S.1 und Art.77ff. GG.39

Dem Vermittlungsausschuss steht nach der Rechtsprechung des Bundes-


verfassungsgerichts kein eigenes Gesetzesinitiativrecht zu. Ihm obliegt le-
diglich die Aufgabe, zwischen den zuvor beratenen, parlamentarischen
Regelungsalternativen der Verfassungsorgane zu vermitteln und einen Lö-
sungsansatz zu erarbeiten.40 Er verfügt mithin über keine Entscheidungs-
kompetenz in der Sache, hat aber die Möglichkeit „faktisch-gestaltend“
auf den Gesetzesbeschluss einzuwirken.41 Diese Kompetenz wird in einem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert: Der Vermittlungsaus-
schuss ist auch befugt, inhaltlich im Sachzusammenhang stehende Vor-
schläge in seinem Einigungsvorschlag zu berücksichtigen.42

36
Koggel, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, S.471f.
37
Vgl. Byrde, in: v.Münch/Kunig, Art.77 Rn.12ff.
38
Vgl. BVerfGE 72,175,187; 78,249,271; 101,297 306ff.; 120,56 73ff. Mann, in: Sachs,
Art.77 Rn.28 ff; Byrde, in: v.Münch/Kunig, Art.77 Rn.13f.
39
Koggel, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, S.474.
40
BVerfGE 120,56 ,73ff.
41
Ebenda.
42
BVerfGE 72,175.
6
Festzuhalten ist, dass der Vermittlungsausschuss eine Gestaltungskompe-
tenz hinsichtlich des Einigungsvorschlags besitzt. Er soll schließlich si-
cherstellen, dass im besten Fall ein Kompromiss zwischen den streitigen
Punkten im Gesetzesbeschluss gefunden wird. Für eine Erreichung dieses
Ergebnisses ist er darauf angewiesen, autonom Vorschläge zu erarbeiten,
die bei beiden widerstreitenden Parteien Einklang finden.

3. Grenzen der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses

Fraglich ist sodann, welche Grenzen dem Vermittlungsausschuss bei der


Bearbeitung eines Einigungsvorschlags gesetzt sind.

a.) Meinungsstand in der Literatur

Da das Grundgesetz explizit nichts zum Kompetenzrahmen des Ausschus-


ses hergibt, schlägt ein Teil der Literatur eine umfassende Auslegung der
verfassungsrechtlichen Normen vor.

Art.77 Abs.2 S.1 GG spricht von einem „für die gemeinsame Beratung von
Vorlagen“ gebildeten Ausschuss. Eine grammatikalische Interpretation
des Art.77 Abs.2 GG impliziert, dass der Einigungsvorschlag nicht über
das hinausgehen darf, was im Gesetzesbeschluss des Bundestages inhalt-
lich vorgebeben wird.43 Verstärkt wird diese Interpretation auch durch Art.
77 Abs.2 S.5 GG. Hiernach hat der Bundestag bei einer Änderung des Ge-
setzesbeschlusses erneut Beschluss zu fassen. Das Grundgesetz geht mit-
hin grammatikalisch von einer vorangegangenen Beschlussfassung des
Bundestages über das gleiche Thema aus.44 Ferner gebiete laut Schenke
auch eine systematisch-teleologische Interpretation des Art.77 Abs.2 GG
eine inhaltliche Begrenzung durch den Gesetzesbeschluss.45 Art. 77 Abs.2
stehe mit Art.77 Abs.1 GG in einem untrennbaren Zusammenhang. Aus
diesem ergebe sich, dass die Anrufung des Vermittlungsausschusses nur
der Funktion dient, den Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bun-
destag und dem Bundesrat zu begegnen.46 Daraus folgt, dass eine Beschäf-
tigung mit Themen, die nicht Gegenstand des konkreten

43
Bismark, DÖV 1983, S.271; Quaas, WuM 1982, S.283.
44
Vgl. Schenke,Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsaus-
schusses, S.21.
45
Schenke,Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschus-
ses, S.22.
46
Ebenda.
7
Gesetzesbeschlusses waren, einen Kompetenzverstoß des Untersuchungs-
ausschusses begründet.47 Ferner gebiete auch der Umstand, dass der Ver-
mittlungsausschuss kein Initiativrecht hat, eine Begrenzung auf den Ge-
setzesbeschluss. Teleologisch stärke Art.77 Abs.2 die Rechte des Parla-
ments, um die parlamentarisch-demokratische Willensbildung zu gewähr-
leisten.48

Schließlich werden als Indizien für eine Beschränkung der Vermittlungs-


kompetenz die Normen der GO-VermA angeführt.49

Sie sind als Teile einer Geschäftsordnung zwar als rangniedrige Vorschrif-
ten zu klassifizieren, können jedoch auch als Auslegungshilfe für verfas-
sungsrechtliche Normen herangezogen werden.50 Die Begrenzung der
Vermittlungskompetenzen ergebe sich vor allem aus §10 GO-VermA.
Hier ist von einem Einigungsvorschlag auf Änderung und Aufhebung ei-
nes Gesetzes die Rede. Diese Wortwahl impliziert, dass der Gegenstand
der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses auf einer Divergenz im
Gesetzesbeschluss zwischen Bundestag und Bundesrat fuße.51 Allen oben
dargestellten Stimmen in der Literatur ist gemein, dass sie die Kompeten-
zen des Vermittlungsausschusses eng und restriktiv bestimmen wollen.

Ein anderer Teil in der Literatur spricht sich gegen eine inhaltliche Be-
grenzung auf den Gesetzesbeschluss aus. Teilweise wird lediglich eine
Missbrauchskontrolle hinsichtlich des Vermittlungsergebnisses verlangt.52
Die Kriterien für eine Kompetenzeinschränkung werden unterschiedlich
gewichtet. Eine Meinung knüpft an den Umfang der Materie an und hält
es für erforderlich, dass die Kompetenzen des Ausschusses weiter zu be-
stimmen seien, um einen Gesetzesbeschluss zu ermöglichen.53 Der Effek-
tivität der Gesetzgebung komme also im Kompetenzgefüge eine bedeu-
tende Rolle zu. Die politische Aufgabe des Ausschusses dafür zu sorgen,
einen Kompromiss zu finden, erfordere also einen weiten Beurteilungs-

47
Quaas, WuM 1982, S.283.
48
Bismark, DÖV 1983, S.269.
49
Vgl. Schenke,Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsaus-
schusses, S.23.
50
Scheuner, in: Lehmbruch/ von Beyme/ Fetscher, S.143.
51
Schenke,Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschus-
ses, S.24.
52
Kersten, in: Maunz/Dürig, Art.77, S.72ff.
53
Ziller, FS Schellknecht, S.135ff.
8
und Beschlussspielraum des Vermittlungsausschusses.54 Nur so könne ge-
währleistet werden, dass der Ausschuss seine Rolle im Gesetzgebungsver-
fahren pragmatisch erfüllt. In der Literatur wird das Anrufungsbegehren
also auch als „Ausgangspunkt der Vermittlung“ interpretiert und nicht als
die Grenze der Kompromisserarbeitung.55 Festzuhalten ist, dass die Lite-
ratur den Kompetenzrahmen des Vermittlungsausschusses unterschiedlich
weit interpretiert, verschiedene Gründe für die Begrenzung anführt und
eine genaue Festlegung der Kompetenzgrenzen schwierig erscheint.56

b.) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt dem Ver-


mittlungsausschuss im Laufe der Jahre unterschiedliche Kompetenzgren-
zen auf.

In der ersten Entscheidung bezüglich dieser Problematik57 stellte das Bun-


desverfassungsgericht fest, dass auch ein nicht vom Bundestag vollständig
beratener Gesetzesentwurf in einem Vorschlag des Vermittlungsausschus-
ses einbezogen werden dürfe. Der in Rede stehende Gesetzesentwurf war
lediglich in den Ausschüssen des Bundestages besprochen worden, nicht
in den Lesungen. Es stellt fest, dass zwar Bedenken gegen eine weite Aus-
legung der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses bestehen. Als
Gründe für Risiken werden eine mögliche Rechtsverletzung der Abgeord-
neten und eine Umgehung der „parlamentarischen Öffentlichkeit“ ge-
nannt.58 Das Gericht hat es jedoch als ausreichend angesehen, wenn zwi-
schen dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses und dem Ge-
setzesentwurf ein „inhaltlicher Sachzusammenhang“ besteht.59 Dieser in-
haltliche Sachzusammenhang bestünde nach Auffassung des Gerichts mit-
hin auch, wenn der Einigungsvorschlag auf parallelen Gesetzgebungsver-
fahren fuße.60 Ferner wird angeführt, dass der „Spielraum“ für Alternativ-
und Vermittlungsvorschläge umso größer sei, je umfangreicher die

54
Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berück-
sichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S.179; Ossenbühl, in: HstR,
§102 Rn.62.
55
Hasselsweiler, der Vermittlungsausschuss, S.49.
56
Axer, Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, S.206.
57
BVerfGE 72,175.
58
BVerfGE 72,175 (187).
59
Ebenda.
60
Vgl. Desens, NJW 2008, S.2892.
9
Materie und das Regelungsziel des Gesetzesbeschlusses sind.61 Auch in
der zweiten Entscheidung zur Problematik62 fasst das Bundesverfassungs-
gericht den Kompetenzbereich des Vermittlungsausschusses weit und be-
ruft sich auf das erstgenannte Urteil.63 Festzuhalten ist, dass das Bundes-
verfassungsgericht in seinen ersten Entscheidungen die Grenzen für Eini-
gungsvorschläge in dem Kriterium des Sachzusammenhangs zieht. Diese
Grenze wird indes großzügig bemessen und anhand des Umfangs der Ma-
terie und des Regelungsziels des Gesetzes ausgedehnt.64

Von dieser Rechtsprechung wich das Bundesverfassungsgericht dann


1999 in seiner Arbeitszimmer-Entscheidung ab.65 Es begrenzt hier den
Kompetenzbereich des Vermittlungsausschusses auf die Aufgabe, das Ge-
setzgebungsziel auf Grundlage des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens
zu ermöglichen. Konkret bedeute dies, dass Änderungen, Streichungen o-
der Ergänzungen in den Einigungsvorschlag nur eingebracht werden dür-
fen, sofern sie im Rahmen des Änderungsbegehrens des Verfassungsor-
gans im konkreten Gesetzgebungsverfahren bleiben.66 Hierbei wird erst-
malig die Funktion des Vermittlungsausschusses als Vermittler „zwischen
den parlamentarisch zuvor beratenen Regelungsalternativen“ konkreti-
siert.67 Diese Funktion sei geboten, um die zuvor umrissenen Risiken einer
möglichen Rechtsverletzung der Abgeordneten zu wahren und um dem
Grundsatz der Öffentlichkeit bei Gesetzgebungsentscheidungen gerecht zu
werden.68 Um diesem Grundsatz zu genügen sei erforderlich, dass der Ver-
mittlungsvorschlag in gewissen Teilen mit der Debatte im Bundestag de-
ckungsgleich ist. Er muss jedenfalls als zurechenbares Ergebnis eines par-
lamentarischen Vorgangs erkennbar sein.69 Das Bundesverfassungsgericht
stellt durch diese Entscheidung mithin deutlich strengere Maßstäbe bezüg-
lich der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses auf.

61
BVerfGE 72,175,187.
62
BVerfGE 78,249.
63
BVerfGE 78,249, 271.
64
Vgl. Kersten, in: Maunz/Dürig, Art.77, S.67.
65
BVerfGE 101,297.
66
BVerfGE 101,297, 308.
67
BVerfGE 101,297, 306.
68
BVerfGE 101,297 ,306f.
69
BVerfGE 101,297, 307.
10
In seinem Beschluss aus dem Jahr 200870 knüpft das Bundesverfassungs-
gericht an die strengeren Maßstäbe seiner vorherigen Entscheidung an und
hat die anfänglich weite Grenzziehung gänzlich aufgegeben.71 Entschei-
dungserheblich war der Umstand, dass eine Änderung des Umwandlungs-
steuergesetzes erst im Rahmen des Vermittlungsverfahrens vorgeschlagen
wurde und nicht erkennbar war, auf wessen Initiative hin diese Änderung
in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden war.72

Das Gericht stellt in seinem Beschluss eine Vielzahl von verfassungs-


rechtlich gebotenen Grenzen für die Kompetenzen des Vermittlungsaus-
schusses auf. Zum einen stelle das fehlende Gesetzesinitiativrecht des Ver-
mittlungsausschusses gemäß Art.76 Abs.1 GG eine Begrenzung dar. Das
Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Abgeordneten mit
einem bereits fertigen Gesetzesentwurf konfrontiert würden und sie in die-
sem Rahmen nicht die Möglichkeit zur Stellungnahme hätten. 73 Ferner
wird eine Begrenzung in dem Prinzip der Öffentlichkeit der Parlaments-
debatte (Art.42 Abs.1 S.1 GG), den Rechten der Abgeordneten gemäß
Art.38 Abs.1 Satz2 und dem Demokratieprinzip aus Art.20 Abs.2 GG ge-
sehen. Hiermit konkretisiert das Bundesverfassungsgericht erstmals mit
Normen des Verfassungsrechts die in vorherigen Entscheidungen bereits
aufgestellten Gebote, dass es durch den Einigungsvorschlag des Vermitt-
lungsausschusses nicht zu einer Beschränkung der Rechte der Abgeordne-
ten oder zu einem Ausschluss des Prinzips der Öffentlichkeit einer Parla-
mentsdebatte kommen darf.74 Durch diesen Beschluss festigt das Bundes-
verfassungsgericht seine bisherige Judikatur. Es hält an den strengeren
Maßstäben der Grenzen des Vermittlungsausschusses fest. Der Vermitt-
lungsausschuss kann nur darüber debattieren, was in einem vorherigen Ge-
setzgebungsverfahren Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten der
Verfassungsorgane war. Der Zweck kann mithin vor allem im Schutz vor
einer „Entparlamentisierung“ des Gesetzgebungsverfahrens gesehen wer-
den.75

70
BVerfGE 120,56.
71
Desens, NJW 2008, S.2892.
72
Vgl. Pabel, ZJS 4/2008, S.347.
73
BVerfGE 120,56, 75; vgl. auch Kersten, in: Maunz/Dürig, Art.77, S.69.
74
BVerfG, 2 BvL 12/01, Rn.60; BVerfGE 72, 175, 191.
75
Desens, NJW 2008, S.2892.
11
4. Aktuelle Entwicklungen

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich jüngst in zwei aktuellen Ent-


scheidungen erneut mit der Problematik der Reichweite der Kompetenzen
des Vermittlungsausschusses zu befassen.

In dem Beschluss am 11.12.2018 ging es um einen Gesetzesbeschluss, der


eine Änderung des Biersteuergesetzes zum Gegenstand hatte.76 Der Bun-
desrat rief den Vermittlungsausschuss an, um die Änderungen des Bier-
steuergesetzes auf Grundlage eines Arbeitspapiers der Ministerpräsidenten
Koch und Steinbrück vorzunehmen. Dieses Papier wurde jedoch in einer
internen Arbeitsgruppe erstellt. Der Vermittlungsausschuss griff daraufhin
die Bestimmungen des Arbeitspapiers auf und machte sie zum Gegenstand
des Vermittlungsvorschlages. Diesen Vermittlungsvorschlag hat der Bun-
destag sodann mit überwiegender Mehrheit angenommen. Auch der Bun-
desrat stimmte dem Gesetzesbeschluss zu, sodass die Änderung des Bier-
steuergesetzes verkündet wurden und sodann in Kraft getreten sind.77

Das Bundesverfassungsgericht prüfte sodann, ob die Änderungen des Ge-


setzes formell verfassungsmäßig waren. Problematisch ist vor allem, ob
Grundlage eines Vermittlungsvorschlags ein arbeitsgruppeninternes Pa-
pier sein darf. Diese Prüfung wurde anhand der Kriterien vorgenommen,
die das Bundesverfassungsgericht in vorherigen Entscheidungen aufge-
stellt hat. Es bestätigte, dass die Grenze des Vermittlungsvorschlages der
zuvor behandelte Gesetzesbeschluss im Bundestag darstellt. Dem Vermitt-
lungsausschuss kommt kein eigenes Gesetzesinitiativrecht aus Art.76
Abs.1 GG zu. Der Vermittlungsvorschlag selbst muss der vorangegangen
Debatte im Deutschen Bundestag zurechenbar sein, um den verfassungs-
rechtlichen Erfordernissen der Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs.1
S. 2 GG und dem Grundsatz der Öffentlichkeit des Parlaments gemäß
Art.42 Abs.1 S.1 GG gerecht zu werden.78

Das Gericht stellte sodann fest, dass die Aufnahme des arbeitsinternen Pa-
piers in den Vermittlungsvorschlag einen Kompetenzverstoß des Vermitt-
lungsausschusses begründet. Das Arbeitspapier wurde in einer internen

76
BVerfG, 2 BvL 4/11.
77
BVerfG, 2 BvL 4/11, Rn.29f.
78
BVerfG, 2 BvL 4/11, Rn.80ff.
12
Arbeitsgruppe erstellt. Dadurch konnte es nicht Gegenstand einer kontro-
versen Diskussion im Deutschen Bundestag werden. Die Abgeordneten
hatten nicht die Möglichkeit, Stellung zu nehmen oder Regelungsalterna-
tiven vorzuschlagen. Der Vermittlungsvorschlag konnte mithin nicht ei-
nem Gesetzesbeschluss des Bundestages zugerechnet werden. 79 Die Ein-
beziehung des Arbeitspapiers in den Vermittlungsvorschlag könne auch
nicht damit begründet werden, dass der Bundesrat dies in seinem Anru-
fungsbegehren verlange.80 Ließe man dies zu, so würde das verfassungs-
rechtlich vorgesehene „Rollenverhältnis“ des Bundestages und Bundesra-
tes im Gesetzgebungsverfahren untergraben werden.81 Die Anrufung des
Vermittlungsausschusses darf also nicht ein zusätzliches Gesetzesinitiativ-
recht des Bundesrates begründen. Dies sei nur unter dem verfassungsrecht-
lich zulässigen Weg möglich. Das Bundesverfassungsgericht stellte mithin
fest, dass die Änderung des Biersteuergesetzes in formell verfassungswid-
riger Weise zustande gekommen ist.

Auch in einer Entscheidung diesen Jahres hatte das Bundesverfassungsge-


richt über die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses zu entschei-
den.82 Das Gericht entschied, ob §54 Abs.9 S.1 des Körperschaftssteuer-
gesetzes (KstG) gegen Artikel 20 Abs.3 und Artikel 76 Abs.1 GG verstößt.
Der in Rede stehende Paragraf war zunächst vom Bundestag auf Grund-
lage einer im Finanzausschuss empfohlenen Fassung beschlossen worden.
Der Bundesrat verlangte gemäß Art.77 Abs.2 GG die Einberufung des
Vermittlungsausschusses, mit dem Ziel die Paragrafen aus dem Gesetzes-
beschluss zu streichen, die die Besteuerung von Kapitallebensversiche-
rung zum Gegenstand haben.83 Das Anrufungsbegehren des Bundesrates
war mithin auf die Streichung der Besteuerung der Kapitallebensversiche-
rung begrenzt. Der Vermittlungsvorschlag schlug die Streichung der Para-
grafen, die die Besteuerung der Kapitallebensversicherung regelten, vor.
Er nahm in seinem Vorschlag jedoch auch zahlreiche andere Ergänzungen
und Änderungen des Gesetzes mit auf, die keinen inhaltlichen Bezug zur

79
BVerfG, 2 BvL 4/11, Rn.85ff.
80
BVerfG, 2 BvL 4/11, Rn.101.
81
Ebenda.
82
BVerfG, 2 BvL 1/09.
83
BVerfG, 2 BvL 1/09, Rn.10ff.
13
Besteuerung von Kapitallebensversicherungen haben.84 Der Bundestag
nahm den Vermittlungsvorschlag an und auch der Bundesrat stimmte der
geänderten Fassung zu. Das Gesetz wurde sodann ausgefertigt und ver-
kündet.

Das Bundesverfassungsgericht stellte im oben geschriebenen Gesetzge-


bungsverfahren einen Verfassungsverstoß fest. Es führt aus, dass §54
Abs.9 S.1 KStG formell verfassungswidrig zustande gekommen ist. Be-
gründet wird dies mit einem Kompetenzverstoß des Vermittlungsaus-
schusses. Das Gericht hält in diesem Zusammenhang an seiner bisherigen
Judikatur fest. Der Vermittlungsvorschlag werde inhaltlich einerseits
durch den konkreten Gesetzesbeschluss und andererseits durch das kon-
krete Anrufungsbegehren begrenzt.85 Falls diese Kompetenzbegrenzungen
überschritten werden, liegt ein Verstoß gegen Art.20 Abs.2, Art.38 Abs.1
S.2, Art.42 Abs.1 S.1 und Art.76 Abs.1 GG vor.86

In dieser Entscheidung hat das Gericht jedoch auch die Kompetenzgrenzen


des Vermittlungsausschusses aufgeweicht. Es führt aus, dass der Aus-
schuss im Rahmen einer funktionsfähigen Gesetzgebung auch dazu befugt
ist, ohne erneute Einschaltung der gesetzgeberischen Organe, Korrekturen
des Gesetzesbeschlusses vorzunehmen. Diese Korrekturen seien jedoch
auf Rücksicht der alleinigen Kompetenzen der Gesetzgebungsorgane auf
einen sehr engen Rahmen begrenzt und beziehen sich lediglich auf die
Korrektur „offensichtlicher Unrichtigkeiten.“87 Eine Abweichung vom
Gesetzesbeschluss ist mithin in engen Grenzen möglich.

III. Fazit

Die Bestimmung der Reichweite der Kompetenzen des Vermittlungsaus-


schusses im Gesetzgebungsverfahren und seiner Kompetenzgrenzen ge-
staltet sich als schwierig. Problematisch ist, dass die Kompetenzgrenzen
weder in der Verfassung selbst geregelt sind noch in der Geschäftsordnung
des Vermittlungsausschusses näher konkretisiert werden. Es gilt also einen
Ausgleich zu finden, der dem Spannungsfeld zwischen legislativer

84
BVerfG, 2 BvL 1/09, Rn.13.
85
BVerfG, 2 BvL 1/09, Rn.61.
86
BVerfG, 2 BvL 1/09, Rn.80.
87
BVerfG, 2 BvL 1/09, Rn.63.
14
Effizienz einerseits und der Beachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze
in der Gesetzgebung andererseits gerecht wird. In der Literatur werden zu
dieser Problematik verschiedene Standpunkte vertreten. Sie haben jedoch
zum großen Teil gemein, dass dem Vermittlungsausschuss im Gesetzge-
bungsverfahren kein allzu großes Gewicht zuteilwerden darf. Dieser Linie
entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es
betont in seinen Entscheidungen immer wieder, dass dem Vermittlungs-
ausschuss kein eigenes Gesetzesinitiativrecht zusteht und dass bei einer
Kompetenzüberschreitung Rechte der Abgeordneten und der Grundsatz
der öffentlichen Parlamentsdebatte tangiert werden können. Zudem legt es
in seinen Entscheidungen den Grenzbereich der Kompetenzen des Ver-
mittlungsausschusses fest. Hat es in seiner ersten Entscheidung noch jeden
inhaltlichen Sachzusammenhang zum Gesetzesbeschluss für ausreichend
erachtet, entspricht es mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass der Ei-
nigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses inhaltlich sowohl durch
den Gesetzesbeschluss als auch durch das Anrufungsbegehren des jewei-
ligen Verfassungsorgans begrenzt wird. Im Laufe der Zeit hat das Bundes-
verfassungsgericht in seinen Entscheidungen also sukzessive die Kompe-
tenzen des Vermittlungsausschusses eingegrenzt und bestimmbar ge-
macht. Diese Linie lässt erkennen, dass die Rechte des Parlaments in Sa-
chen Gesetzgebung gestärkt werden sollen. Die Anrufung des Vermitt-
lungsausschusses soll nicht dazu führen, dass Gesetze auf einem anderen
als in der Verfassung vorgesehenen Wege beschlossen werden können.
Das Bundesverfassungsgericht hat also eine wichtige Frage im Gesetzge-
bungsverfahren konkretisiert. In höchstrichterlicher Rechtsprechung wur-
den die Grenzen der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses gemäß
Art.77 Abs.2 zunächst festgelegt und in ständiger Rechtsprechung auch
gefestigt. Fraglich bleibt jedoch, ob nicht auch der Gesetzgeber diesen Er-
fordernissen mit einer Grundgesetzänderung begegnen sollte. Gerade das
Gesetzgebungsverfahren ist ein wichtiges Instrument einer Demokratie.
Eine flüssige und verfassungsrechtlich unbedenkliche Gesetzgebung er-
fordert auch eine klare gesetzliche Grundlage, die die Kompetenzen fest-
legt und bestimmbar macht. Dies ist bis heute lediglich durch die Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts geschehen.

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