VIII INTERVIEW
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avid Lama passt nicht zu den
Superlativen, mit denen er be-
schrieben wird: Wunderkind,
Jahrhunderttalent. Wenn ei-
nem der 20-Jährige gegenüber-
sitzt, ist von Superlativen nichts zu
hören. Nüchtern schildert er Kletter-
touren auf bis dahin unbestiegenen
Routen. Große Abenteuer? Sie sind
sein Job. Der Sohn einer Tirolerin und
eines Nepalesen gehört seit Volks-
schultagen zu den besten Kletterern
der Welt. Vor drei Jahren hat er die
Schule geschmissen, wurde Profi. Der
Verkauf seiner Taten liegt ihm nicht.
„Redner bin ich keiner“, sagt er.
Schreiber auch nicht – darum ent-
stand sein eben erschienenes Buch
(„High – Genial unterwegs an Berg
und Fels“, Knaus Verlag) gemein-
sam mit dem Journalisten Christian
Seiler. Lama hat es in einem Ein-
kaufszentrum bei Innsbruck prä-
sentiert. „Draußen wäre fein“, sagt
er während der Suche nach einem
Café, in dem wir reden können.
SN: Kein Tag ohne Berg, oder?
Lama: Na ja, raus muss ich auf jeden
Fall. Ich bin ein Outdoortyp.
SN: In Ihrem Buch steht: „Was fad ist, ist
zäh.“ Was ist denn nicht fad?
Lama: Klettern zum Beispiel.
SN: Dieses „fad“ bezieht sich ja aber auf
das Klettern – nämlich auf das Training.
Lama: Ja, es gibt diese Momente, in denen
ich sozusagen gezwungen bin, etwas tun
zu müssen – zum Beispiel trainieren.
SN: Ist nicht jede Tour auch ein Training?
Lama: Für Wettkämpfe nicht. Da hilft mir
das alpine Klettern nichts. Die Sportklet-
terei hat ein extrem hohes Niveau er-
reicht. Da hat sich ein Spezialistentum
entwickelt. Nur wer viel Zeit in der Halle
hängt, wer unglaublichen Aufwand ins
Training steckt, hat eine Chance, an der
Spitze dabei sein zu können – und wenn
ich beim Weltcup antrete, will ich schon
eine Chance haben, erfolgreich zu sein.
Das geht nur mit viel Training.
SN: Und das freut Sie jetzt nicht mehr?
Lama: Beim Sportklettern ging es mir im-
mer rein um die Leistung und ich merke,
dass mich das nicht mehr erfüllt nach der
langen Zeit, die ich das schon mache. Ich
erlebe da nichts mehr Neues. Beim alpi-
nen Klettern geht es um etwas anderes.
Da existieren auch andere Dinge als nur
die Idee, dass man eine Tour schaffen will.
Da geht es um ein Gesamterlebnis. Das be-
ginnt schon auf dem Weg, bevor man
überhaupt am Einstieg steht. Wenn man
da vorher stundenlang durch den Dschun-
gel oder am Ende der Welt zelten muss,
dann gehört das auch dazu. Solche Erleb-
nisse werden mir immer wichtiger.
SN: Die Wettkämpfe finden ja weltweit
statt. Da lässt sich nichts erleben?
Lama: Na ja, ich war etwa schon ein paar
Mal in China. Da sitzt du im Hotel, das
ausschaut wie alle anderen Hotels auf der
Welt. Du schaust, dass du dich richtig und
vorsichtig ernährst. Alles ist nur auf den
Wettkampf ausgerichtet. Von China – und
auch ein paar anderen Ländern, in denen
ich öfter war – kenne ich gar nichts. Ich
ahne aber, dass es da etwas gibt, das ich
gern entdecken möchte. In dieser Hin-
sicht üben Wettkämpfe im Moment kei-
nen Reiz mehr auf mich aus, und drum
lass ich das im kommenden Jahr.
SN: Sie haben ja viele andere Expeditionen
gemacht, gehören zu den wenigen, die in
der Halle und auf dem Berg erfolgreich sind.
Was bedeutet Ihnen denn Klettern?
Lama: Es ist für mich eine Lebenseinstel-
lung. Und ich hab das Glück, dass ich da-
raus meinen Beruf machen konnte.
SN: Es gibt den im Bezug aufs Bergsteigen
immer wieder gern verwendeten Spruch:
„Der Weg ist das Ziel“. Beschreibt der, wor-
um es Ihnen geht, wenn Sie klettern?
Lama: Für einen Bergsteiger ist der Gipfel
das Ziel. Heutzutage muss man sich als Al-
pinist allerdings einen schweren Weg auf
den Gipfel suchen, weil es Erstbesteigun-
gen ja kaum noch gibt. Für Kletterer ist
einzig der Weg interessant, die Herausfor-
derung, diesen einen Weg, den man sich
durch eine Wand ausgesucht hat, auch zu
schaffen. Ich verbinde beides. Es zieht
mich immer mehr zum Alpinen hin. Für
mich zählt mittlerweile beides: Weg und
Ziel. Das erfüllt mich schon mit Befriedi-
gung, wenn man ankommt und weiß, dass
man was geschafft hat, das noch keinem
gelungen ist.
S A M S TA G , 13.
Bild: SN/VISUALIMPACT/RAINER EDER
Hoch
hinaus
Am Vormittag stieg David
Lama auf die Nockspitze
gleich über Götzens, wo er
wohnt. Im Vorjahr verlor er
dort einen Ski. „Es war ein
guter Ski“, sagt er. Darum war
er einige Male oben auf Suche
in den „echt hohen Latschen“.
So nüchtern, wie er von der
vergeblichen Suche erzählt,
berichtet er nachmittags von
anderen Abenteuern. Nun,
sie sind ja auch sein Alltag.
BERNHARD FLIEHER
SN: Und was ist mit der Möglichkeit des
Scheiterns?
Lama: Ja, die gibt es.
SN: Und davor haben Sie Angst?
Lama: Angst . . . hmmm. Nein, Angst nicht.
Ich respektiere den Berg, habe Respekt
vor den Anforderungen, die sich stellen.
SN: Anforderungen? Meinen Sie da die im-
mer größeren Schwierigkeiten, die bewäl-
tigt werden müssen, um aufzufallen?
Lama: Schwierigkeiten nehme ich ja in An-
griff, weil ich die Möglichkeit sehe, sie zu
überwinden. Man klettert heute schneller
als früher. Das Material ist besser. Früher
scheiterte man, weil man zu spät dran war
oder man zu langsam war. Heute komme
ich so schnell voran, dass dort, wo früher
etwa durch die Wärme des Tages der Eis-
schlag ein Problem war, ich längst vorbei
bin, ehe es runterkracht. Es geht aber
nicht immer nur um Schwierigkeiten. Je-
der Kletterer probiert, an seine Grenzen
zu gehen. Aber große Erlebnisse findet
man nicht nur im Extremen.
SN: Gefahr und Angst spielen keine Rolle?
Lama: Angst ist ein Ausdruck, den nur die
verwenden, die von unten raufschauen.
SN: Es wird also beim Zuschauen etwas
verspürt, das sie gar nicht kennen?
Lama: So ähnlich. Das passiert, weil viele
nicht genau wissen, was ich da tue.
SN: Und Sie wissen es immer genau?
Lama: Schon, sonst tät’ ich ja nicht versu-
chen, eine Tour zu klettern.
SN: Das klingt sehr selbstsicher. Gibt es nie
Momente der Unsicherheit?
Lama: Doch. Sicher gibt es Zweifel. Es wird
immer wieder kritische und gefährliche
Situationen geben. Die Kunst liegt halt da-
rin, diese Gefahren möglichst weit zu mi-
nimieren.
SN: Woher kommen denn Lust am und Ta-
lent fürs Klettern?
Lama: Ich denke, dass ich da schon ein
paar Sachen geerbt habe. Da existiert ge-
wiss ein Grundtalent, aber ich hab mir das
meiste schon erarbeitet. Und ich hab halt
schon früh anfangen können und bald
auch mit Trainer gearbeitet und bin nicht
allein und ahnungslos herumgestiegen.