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Georg Felser

Werbe-
und Konsumenten-
psychologie
4. Auflage
Werbe- und Konsumentenpsychologie
Georg Felser

Werbe-
und Konsumenten­
psychologie
4. erweiterte und vollständig überarbeitete Auflage


Georg Felser
Wirtschaftspsychologie
Hochschule Harz
Wernigerode, Deutschland

ISBN 978-3-642-37644-3   ISBN 978-3-642-37645-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-37645-0

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V

Vorwort zur vierten Auflage

Die Neuauflage der „Werbe- und Konsumentenpsy- ▶ Kap. 15 „Geschichten als Mittel der Beeinflussung“.
chologie“ zu verfassen, ist eine befriedigende und si- Hierin wird die Geschichtenform, das Storytelling, als
cherlich auch dringend notwendige Aufgabe. Befrie- Methode der sozialen Beeinflussung diskutiert: Ganz
digend daran ist die Gelegenheit, das zahlreiche neue offenbar akzeptieren wir Informationen bereitwilliger,
Material, die Fortschritte und neuen Erkenntnisse in wenn man sie uns als Geschichten präsentiert, und die
diesem sehr lebendigen Feld auch im Text umzuset- Werbepraxis nutzt dies natürlich längst. Diese Praxis
zen. Wenn sich ein Fach intensiv entwickelt, muss sich kann man unter die Überschrift „soziale Beeinflus-
auch die verfügbare Literatur auf dem aktuellen Stand sung“ bzw. „Einstellungsänderung“ subsumieren und
befinden – dies habe ich mit der Neuauflage ange- in einem sozialpsychologischen Kontext diskutieren.
strebt. Ich habe mehr als 600 neue Forschungsarbeiten Allerdings liegen die Gründe, warum das Storytelling
verwertet, die der Leser natürlich wieder im Literatur- so beeinflussend wirkt, vielfach in der Funktionsweise
verzeichnis findet. Damit soll auch die vierte Auflage unseres Gedächtnisses begründet; folglich hängen
den Anspruch erfüllen, nicht nur den Stand der For- ▶ Kap. 4 „Gedächtnis“ und ▶ Kap. 15 „Storytelling“
schung widerzuspiegeln, sondern auch eine Fülle an besonders eng zusammen. Dies ist wie gesagt nur
weiterführender Literatur zu den Themen anzubieten. ein besonders prägnantes Beispiel für die inhaltliche
Verwobenheit der Kapitel, die mit der vierten Auflage
Dass trotzdem viele interessante Entwicklungen nur sicherlich noch stärker geworden ist.
angerissen werden können, liegt auf der Hand, und
mit Sicherheit wird daher mancher Leser sein Lieb-
lingsthema vermissen. Gleichwohl gibt es mit der Ein zentrales Kapitel wurde aufgelöst
vierten Auflage auch thematische Erweiterungen ge- Die vierte Auflage hat 22 Kapitel. Von den 18 Kapiteln
genüber den Vorauflagen – damit gehen Änderungen der dritten Auflage tragen die meisten nach wie vor
in der Kapitelstruktur einher. All dies möchte ich im dieselbe Überschrift, allerdings sind auch neue Kapi-
Vorwort ein wenig erläutern. tel durch Teilung von alten entstanden. Ein zentrales
Kapitel der Vorauflagen ist sogar entfallen – dies ver-
dient eine Erklärung: Es war immer ein besonderes
Aufbau des Buches Anliegen des Buches, auf die überragende Bedeutung
Thematisch bewegt sich das Buch von einem allge- unserer Automatismen, also des automatischen Ver-
meinpsychologischen Schwerpunkt (mit besonderer haltens und der automatischem Prozesse der Infor-
Berücksichtigung der jüngeren sozial-kognitiven For- mationsverarbeitung, hinzuweisen. Seit der ersten
schung) über klassische sozialpsychologische Themen Auflage von 1997 habe ich versucht, dies durch ein
und einem Kapitel zur differentiellen Konsumen- eigenes Kapitel zu diesem Thema deutlich zu machen,
tenpsychologie zu praktischen Fragen wie etwa der was allerdings auch zur Folge hatte, dass mitunter
Werbe- und Preisgestaltung oder der Marktforschung. recht disparate Themen zusammengefasst wurden:
Dieser Aufbau hat sich in der vierten Auflage nicht implizites Erinnern ebenso wie implizite Assoziatio-
verändert. nen, intuitive Entscheidungen gemeinsam mit unter-
schwelligem Priming. Die neue Struktur der vierten
Allerdings hat der Versuch, diesen Aufbau noch strin- Auflage integriert die automatischen Verhaltensas-
genter umzusetzen, zu einer anderen Reihenfolge der pekte stärker in ihre thematischen Zusammenhänge:
Kapitel geführt: Das Buch beginnt mit der Reizauf- Implizites Erinnern wird nun dort diskutiert, wo es
nahme (▶ Kap. 2), dem Erwerb, der Speicherung und um das Gedächtnis geht (▶ Kap. 4), implizite Einstel-
dem Abruf von Informationen (▶ Kap. 3 und 4), geht lungen dort, wo es um Einstellungen geht (▶ Kap. 13),
dann über Prozesse der Verhaltensteuerung (▶ Kap. 5 und so weiter.
und 6), des Urteilens (▶ Kap. 7) und Entscheidens
(▶ Kap. 8 und 9) bis zu den Einflüssen von sozialen Hintergrund dieser neuen Struktur ist zum einen eine
Situationen (▶ Kap. 10 bis 15) und von Personunter- Hoffnung: Man muss vielleicht nicht mehr in einem
schieden (▶ Kap. 16). Die Grenzen zwischen diesen eigenen Kapitel darauf aufmerksam machen, dass
thematischen Schwerpunkten bleiben fließend, und unser Konsumverhalten sehr stark durch automati-
die Bedeutung von Querverbindungen wächst natür- sche, nicht bewusste bzw. implizite Prozesse gesteu-
lich an, je anwendungsnäher ein Kapitel angelegt ist. ert wird. Dies ist mittlerweile vielleicht doch stärker
ins Bewusstsein von Marketing und Marktforschung
Dieser letztere Punkt zeigt sich besonders prägnant an vorgedrungen, als dies zu Zeiten der Vorauflagen der
einem der neu hinzugekommenen Kapitel, und zwar Fall war.
VI Vorwort zur vierten Auflage

Zum anderen aber ist die verstärkte Integration der Vierte Auflage Dritte Auflage
automatischen Prozesse in die einzelnen Kapitel auch 13. Explizite und implizite 13. Einstellung und Ein-
programmatisch gemeint: Unser Konsumverhalten Einstellungen und ihre stellungsänderung
Beziehung zum Verhalten
wird durch beide Facetten geprägt, durch unbewusste
14. Einstellungsänderung 13. Einstellung und Ein-
und automatische wie auch durch bewusste und kon-
stellungsänderung
trollierte. Das Zusammenspiel der beiden ist wich- 15. Geschichten als Mit-
tig, keine hat Vorrang vor der anderen. Deshalb ist tel der Beeinflussung
es angebracht, sie in demselben Zusammenhang zu 16. Differentielle Konsu- 14. Differentielle Konsu-
diskutieren. mentenpsychologie mentenpsychologie
17. Gestaltung der 15. Gestaltung der
Und schließlich noch ein dritter Grund: Ein Kapitel, Werbung Werbung
18. Inhalte der Werbe- 16. Inhalte der Werbe-
das wie in den Vorauflagen automatische Prozesse
und Produktgestaltung und Produktgestaltung
separat von den anderen diskutiert, hätte angesichts
19. Die Wahrnehmung
der Fülle an neuen Erkenntnissen ziemlich monströs von Mengen, Zahlen
ausgesehen. und Zeit
20. Geld- und Preispsy-
chologie
Welche Inhalte sind neu? 21. Messung der Werbe- 17. Messung der Werbe-
wirkung und Methoden wirkung und Methoden
Für die vierte Auflage ist jedes einzelne Kapitel über-
der Marktforschung der Marktforschung
arbeitet worden. Der folgende Überblick kann daher
22. Psychologische Ein- 18. Psychologische Ein-
nur selektiv einige besondere Änderungen und vor al- flüsse auf Ergebnisse der flüsse auf Ergebnisse der
lem Erweiterungen hervorheben. Die Tabelle enthält Marktforschung Marktforschung
eine Übersicht über die Kapitelstruktur der vierten
Auflage und stellt diese in Beziehung zu den Kapiteln Es würde zu weit führen, die inhaltlichen Neuerun-
der dritten Auflage. Dies könnte hilfreich sein für Kol- gen und Erweiterungen einzeln zu erläutern. Darum
leginnen und Kollegen, die bereits mit den Voraufla- möchte ich es an dieser Stelle bei einer stichwortar-
gen gearbeitet haben. Vollständig neue Kapitel sind tigen Aufzählung belassen. Die folgenden Punkte
durch Fettdruck hervorgehoben. orientieren sich an der Reihenfolge der Kapitel und
heben besonders markante Änderungen hervor.
Auch hier werden Abschnitte, die völlig neu sind,
Vierte Auflage Dritte Auflage
durch Fettdruck markiert. Abschnitte, die (nur) stark
1. Werbung und Kaufen, 1. Werbung und Kaufen,
eine Einführung eine Einführung überarbeitet wurden, sind durch Kursivdruck gekenn-
2. Wahrnehmung und 5. Wahrnehmung und zeichnet. Die Aufzählung vermerkt ebenfalls einige
Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit Verschiebungen bisheriger Inhalte in neue Kapitel.
Neuerungen und Erweiterungen z. B.:

-
3. Lernen 6. Lernen
4. Gedächtnis 7. Gedächtnis
1.8.2 Eine kleine Auseinandersetzung mit dem

--
5. Mechanismen der 2. Aktivierende Prozesse
Verhaltenssteuerung: des menschlichen Ver- Neuromarketing
Aktivierende Prozesse, haltens
2.5 Berührung

--
Motive und Ziele
6. Automatische Hand- 3.2 Evaluatives Konditionieren
4. Gedächtnis

-
lungssteuerung von
außen 5.4 Motivation durch Ziele
7. Prinzipien der sozialen 8. Assoziative Bahnung 5.5 Verhaltensregulation und Selbstkontrolle
Urteilsbildung und Kontexteffekte
8. Prinzipien der Kaufent- 3. Prinzipien der Kaufent-
▶ Kapitel 6 beschäftigt sich insbesondere mit der
scheidung scheidung
Beeinflussung durch Priming. Die Ausführungen
9. Zur Psychologie der 4. Zur Psychologie der
Kaufentscheidung Kaufentscheidung zur unterschwelligen Beeinflussung wurden aus Ab-
10. Sozialpsychologische 10. Sozialpsychologische schn. 9.5 der dritten Auflage in das ▶ Kap. 6 integriert
und stark erweitert.

--
Grundlagen Grundlagen
11. Psychologische Kon- 11. Psychologische Kon-
sistenz und Reaktanz sistenz und Reaktanz 7.1 Metakognitionen
12. Bewerten und die 12. Bewerten und die 7.2 Effekte der psychologischen Distanz (Cons-

--
Konstruktion der mensch- Konstruktion der mensch-
trual-Level-Ansatz, Trope & Liberman, 2010)
lichen Zufriedenheit lichen Zufriedenheit
8.3.3 Prospect Theory
9.4 Intuition
VII
Vorwort zur vierten Auflage

Das ehemalige Kap. 13 wurde geteilt. Neu bzw. stark hierbei das und das“ oder „Das Gehirn verarbeitet
überarbeitet sind darin z. B.: die Reize so und so“, ohne dass in dieser Erklärung

- 13.3 Automatische Einstellungen und implizite


auf Gehirnprozesse oder neuronale Vorgänge Bezug
genommen wird. Aber tatsächlich zeigt sich hierin

- Assoziationen
14.3.2 Das Persuasion Knowledge Model

▶ Kapitel 15 ist neu, enthält allerdings einige Absätze


ein Etikettenschwindel: Die meisten erfolgreichen
Verhaltensmodelle sind keine Modelle des Gehirns,
auch wenn dies eine nachlässige Redeweise nahe-
legt. Ich schließe mich diesem Wortgebrauch nicht
aus dem Kap. 7 der Vorauflage (z. B. den ehemaligen an und habe in meinen Formulierungen sehr darauf
Abschn. 7.4). geachtet, dass überall dort, wo „Neurologie“ drauf-

-- 16.5 Marken und Persönlichkeit


17.4 Farbgestaltung
steht, auch Neurologie drin ist. Tatsächlich liegt aber
der Schwerpunkt des Buches auf Modellen des Ver-
haltens und der Informationsverarbeitung, nicht auf
Gehirnprozessen.
In das neue ▶ Kap. 20 ist der Abschn. 16.4 aus der
dritten Auflage integriert worden. Interessanterweise werden auch unter dem Begriff
„Neuromarketing“ meist keine neuronalen Vorgänge
und Gehirnprozesse beschrieben. Achten Sie einmal
Für wen ist das Buch geschrieben und was darauf, wenn Ihnen wieder ein interessantes Verhal-
lernen Sie darin? tensphänomen mit den Worten angekündigt wird:
Bereits die Vorauflagen sind von Angehörigen ganz „Es geht um Ihr Gehirn.“ In vielen Fällen ist dies der
unterschiedlicher Disziplinen genutzt worden. Ich einzige Satz in der ganzen Beschreibung, in dem das
habe mich bemüht, dass dies auch so bleiben kann. Gehirn überhaupt vorkommt – was dann folgt, ist
Zentrale psychologische Ansätze werden zwar erklärt, Psychologie.
aber meist sofort auf konsumpsychologische Frage-
stellungen angewandt. Leserinnen und Leser, die sich Für mich als Autor hat diese Praxis immerhin einen
in der Psychologie gut auskennen, finden auf diese positiven Nebeneffekt: Wenn ich diesen Begriff von
Weise (hoffentlich) eine Menge neuer Anwendungen Gehirnforschung und Neurologie zu Grunde lege,
bereits bekannter Theorien. dann kann ich Ihnen reinen Gewissens versprechen:
Mit der Lektüre dieses Buches erwerben Sie ganz bei-
Andererseits ist das Buch keineswegs nur für psycho- läufig und praktisch ohne dass es eigentlich um das
logische Experten geschrieben – im Gegenteil. Das Organ unter unserer Schädeldecke geht, ein „fun-
Manuskript ist im Rahmen von Lehrveranstaltungen diertes Wissen über die Funktionsweise des Gehirns“
entstanden, die sich häufig an Studierende anderer (Originaltext, mit dem ein „Neuromarketer“ im In-
Fachrichtungen als der Psychologie richteten, vor al- ternet für seine Ratschläge wirbt).
lem an Grafiker, Designer und Ökonomen. Für viele
war es der Einstieg in die Psychologie – und ich hoffe Was Sie aber vor allem lernen werden, ist, wie unser
auch gleichzeitig der Beginn einer engen Freundschaft Konsumverhalten funktioniert, wie wir zu Entschei-
mit dem Fach. dungen kommen, welche Informationen wir dazu
verwenden, welche Rolle dabei Affekte und Emoti-
Sie können das Buch also auch ohne psychologische onen spielen, worauf unsere Zufriedenheit beruht,
Vorbildung lesen, und bei all jenen, die das tun, welche Gestaltungsmittel in Werbung und Marketing
möchte ich natürlich Werbung für meine Disziplin, zu welchen Konsequenzen führen und vieles mehr.
die Psychologie, machen. Anlass dazu besteht sehr Mir hat an diesen Fragestellungen immer besonders
wohl, denn im Laienverständnis besteht nach wie vor gut gefallen, dass sie uns im Alltag auf Schritt und
die Neigung, in den Fragen nach dem menschlichen Tritt begegnen. Vielleicht geht es Ihnen ja auch so:
Verhalten ein unverhältnismäßig großes Terrain Lange bevor Sie möglicherweise professionell – in
den Neurowissenschaften und der Hirnforschung Marketing, Kundengespräch, Werbegestaltung oder
zu überlassen. In der Folge des vergangenen Hype vielleicht auch im Verbraucherschutz – vom Wissen
um Disziplinen wie das Neuromarketing hat sich aus dem Buch profitieren, können Sie die dargestellten
zudem eine inflationäre Verwendung des Begriffs Phänomene im Alltag beobachten und erproben.
„Gehirn“ und „Neuro-“ eingeschlichen. Dem wis-
senschaftlichen Laien mag es nicht auffallen, wenn Georg Felser
zum Beispiel bei der Erklärung eines Wahrneh- Wernigerode, im Februar 2015
mungsphänomens gesagt wird „Das Gehirn macht
VIII

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Konsumentenpsychologie, 4. Auflage im Internet –
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Inhaltsverzeichnis

1 Werbung und Kaufen, eine Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1


Georg Felser
1.1 Werbung in der Wahrnehmung der Konsumenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.1 Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.2 Verarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.1.3 Werbeumfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2 Ziel und Zweck der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.1 „Philosophie“ der Werbung: Begriffliche Bestimmungsstücke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.2 Ziele der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3 Modelle der Werbewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.1 Mechanistische Ansätze zur Erklärung des Konsumentenverhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.2 Hierarchische Modelle der Werbewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.3 Zwei-Prozess-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3.4 Die Vielfalt der Modelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.4 Konzepte und Begriffe zur Werbegestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.4.1 USP-Formel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.4.2 Erlebniswert und Zusatznutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.4.3 Mental Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.4.4 Techniken der Fernsehwerbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.5 Verschiedene Werbeformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.5.1 Blockwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.5.2 Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.5.3 Product Placement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.5.4 Game Shows. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.5.5 Teleshopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.5.6 Videoclips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.5.7 Merchandising. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.6 Grenzen der Wirtschaftswerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.6.1 Gesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
1.6.2 Selbstdisziplinäre Einrichtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.7 Werbung, Konsumverhalten und Neue Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.7.1 Suchmaschinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.7.2 Proaktivität und Electronic Word of Mouth. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.7.3 Gebrauchtware und Share Economy. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.7.4 Online-Auktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.7.5 Piraterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.7.6 Soziale Netzwerke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.8 Werbe- und Konsumentenpsychologie – eine Disziplin mit Zukunft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.8.1 Werbepsychologie als Berufsfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.8.2 Eine kleine Auseinandersetzung mit dem Neuromarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2 Wahrnehmung und Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27


Georg Felser
2.1 Psychophysik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelle und Empfindungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.1.2 Psychophysik in Werbung und Konsumverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.1.3 Einschränkungen der Parallelität zwischen Wahrnehmen und Urteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.2 Das Sehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.2.1 Konstruktive Beiträge des Gesichtssinns zur Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.2.2 Gestaltprinzipien der Wahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.3 Das Hören. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.4 Die Geruchswahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
XI
Inhaltsverzeichnis

2.5 Berührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.6 Das Zusammenspiel der Sinne: Multisensualität und der Effekt von Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.6.1 Multisensualität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.6.2 Die Bedeutung von Erwartung für das Produkterleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.6.3 Multisensuale Produkterlebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.7 Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.7.1 Aufmerksamkeitssteuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.7.2 Reizverarbeitung ohne Aufmerksamkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2.7.3 Aufmerksamkeit und Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.7.4 Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.7.5 Aufmerksamkeitssteuerung durch konkrete Inhalte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

3 Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Georg Felser
3.1 Das klassische Konditionieren nach Pawlow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.1.1 Zentrale Begriffe des Konditionierens I: Klassisches Konditionieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.1.2 Signallernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.2 Evaluatives Konditionieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
3.2.1 Einstellungsbildung über evaluatives Konditionieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
3.2.2 Beziehungen zwischen evaluativem und Pawlow’schem Konditionieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
3.2.3 Bedingungen des evaluativen Konditionierens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.2.4 Evaluatives Konditionieren jenseits der Positiv-negativ-Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3.3 Konsumenten als Pawlow’sche Hunde?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
3.3.1 Bedingungen und Einschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
3.3.2 „I’ll teach you differences“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.4 Operantes Konditionieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
3.4.1 Zentrale Begriffe des Konditionierens II: Operantes Konditionieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.4.2 Die Bedeutung des operanten Konditionierens für das Konsumentenverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

4 Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Georg Felser
4.1 Der Gebrauch des Gedächtnisses – was gehört dazu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4.2 Encodierung und Abruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.2.1 Encodierungsspezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
4.2.2 Bildüberlegenheitseffekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.2.3 Effekte der Verarbeitungstiefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.2.4 Die Interaktion von Codierung und Abruf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.2.5 Vergessen und Interferenzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4.3 Erinnerung und Rekonstruktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3.1 Zur Beeinflussbarkeit des Gedächtnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.3.2 Eindringlinge im Gedächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4.3.3 Konstruktionen und ein „gutes“ Gedächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
4.4 Das Speichermodell des Gedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4.4.1 Sensorischer Speicher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4.4.2 Arbeitsspeicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4.4.3 Langzeitspeicher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.5 Die Organisation von Gedächtnisinhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.6 Serielle Effekte bei der Codierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.6.1 Primacy- und Recency-Effekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.6.2 Die Nennung des Markennamens innerhalb des Spots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
4.7 Implizites Erinnern und der Mere-Exposure-Effekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4.7.1 Effekte des impliziten Erinnerns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4.7.2 Der Effekt der bloßen Darbietung: Mere-Exposure-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.7.3 Anwendung auf die Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
XII Inhaltsverzeichnis

5 Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele. . . . . . . . . . . . . 87


Georg Felser
5.1 Die Energetisierung des Organismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.2 Affekte und Emotionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
5.2.1 Definierende Bestimmungsstücke von Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
5.2.2 Stimmungen und Konsumverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
5.2.3 Neurologische Korrelate von Bewertungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
5.2.4 Embodiment: Die Rückkopplung durch Körperhaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
5.2.5 Das Schachter-Singer-Paradigma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
5.3 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
5.3.1 Annäherungs- und Vermeidungstendenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99
5.3.2 Theoretische Grundpositionen zur Motivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
5.3.3 Inhaltstheorien der Motivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
5.3.4 Expressive Funktionen des Konsums, Konzepte und Codes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
5.4 Motivation durch Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.4.1 Zum Verhältnis von Zielen und Motiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.4.2 Die „kluge“ Wahl von Zielen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
5.5 Verhaltensregulation und Selbstkontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
5.5.1 Das Umsetzen einer Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
5.5.2 Versuchungen widerstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
5.5.3 Automatische Verhaltensregulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5.6 Die Involviertheit des Kunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.6.1 Persönliches Involvement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
5.6.2 Situationsinvolvement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
5.6.3 Produktinvolvement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
5.6.4 Werbemittel- und Medieninvolvement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

6 Automatische Handlungssteuerung von außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115


Georg Felser
6.1 Mimikry und das Nachahmen von Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
6.2 Verhaltenssteuerung durch Priming. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
6.2.1 Konzeptuelles Priming. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
6.2.2 Embodiment zum Zweiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
6.2.3 Das Priming von Metaphern und mentalen Konzepten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
6.2.4 Das Priming von Zielen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
6.3 Beeinflussung durch unterschwellig präsentierte Stimuli. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
6.3.1 Wann sollte man von unterschwelliger Wahrnehmung sprechen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
6.3.2 Können sich unterschwellige Reize auf unsere Absichten, Wünsche und Bedürfnisse auswirken?. . . . . . . . . . . . . . 126
6.3.3 Unterschwelliges Konditionieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
6.3.4 Sind unterschwellige Effekte wirksamer als überschwellige?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
6.3.5 Praktische Probleme einer unterschwelligen Reizdarbietung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

7 Prinzipien der sozialen Urteilsbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133


Georg Felser
7.1 Metakognitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
7.1.1 Die Verfügbarkeitsheuristik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
7.1.2 Subjektive Theorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
7.1.3 Konsumrelevante Effekte der Verarbeitungsflüssigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
7.1.4 Stimmung als Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
7.2 Effekte der psychologischen Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
7.2.1 Ebenen der mentalen Abstraktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
7.2.2 Konsumrelevante Effekte der psychologischen Distanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
7.3 Kontexteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
7.3.1 Empfehlungen zur Erzeugung von Kontrasteffekten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
7.3.2 Priming und Kontexteffekte in Werbung und Konsum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
XIII
Inhaltsverzeichnis

8 Prinzipien der Kaufentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155


Georg Felser
8.1 Arten des Kaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
8.1.1 Extensiver Kauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
8.1.2 Impulsiver Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
8.1.3 Limitierter Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
8.1.4 Gewohnheitskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
8.2 Kaufentscheidungen gegen ein Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
8.2.1 Die Rolle der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
8.2.2 Unternehmensphilosophie und ethisch korrekter Konsum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
8.3 Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
8.3.1 Präskriptive (und normative) Entscheidungsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
8.3.2 Affekte und Kognitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
8.3.3 Prospect Theory. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
8.3.4 Der Fokus auf der Informationssuche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8.3.5 Eine Auswahl an Entscheidungsregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8.3.6 Bewertung der Entscheidungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

9 Zur Psychologie der Kaufentscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175


Georg Felser
9.1 Entscheidungsheuristiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
9.1.1 Die Verfügbarkeitsheuristik (zum Zweiten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
9.1.2 Die Rekognitionsheuristik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
9.1.3 Die Repräsentativitätsheuristik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
9.1.4 Die Budgetheuristik oder mentale Kontoführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
9.1.5 Der Einfluss irrelevanter Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
9.1.6 Verwässerungseffekt und die Wirkung zusätzlicher Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
9.1.7 Das Bemühen um eine Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
9.1.8 Der Ankereffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
9.1.9 Bereitstellen einer Attrappe: Der Attraktionseffekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
9.2 Weitere Urteilsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
9.2.1 Wahrscheinlichkeiten und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
9.2.2 Der Endowment-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
9.2.3 Vergleichsasymmetrien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
9.2.4 Ursprungsabhängigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
9.3 Intuition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
9.3.1 Kann Intuition besser sein als bewusstes Entscheiden?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
9.3.2 Intuition und komplexe Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
9.3.3 Intuition als Vereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

10 Sozialpsychologische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197


Georg Felser
10.1 Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
10.1.1 Selbst und Selbstwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
10.1.2 Konsumentscheidungen in der Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
10.1.3 Dazugehören oder Individuum sein?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
10.1.4 Konsensinformationen und soziale Bewährtheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206
10.1.5 Modell-Lernen: Eine soziale Variante des Lernens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209
10.2 Personwahrnehmung aus der Außenperspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
10.2.1 Der fundamentale Attributionsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
10.2.2 Der Dritte-Person-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
10.2.3 Sechs Merkmale, die sympathisch machen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
10.2.4 Physische Attraktivität in Werbung und Verkauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
10.3 Die Regel der Gegenseitigkeit – quid pro quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
10.3.1 Die Regel der Gegenseitigkeit in der psychologischen Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
10.3.2 Gegenseitige Zugeständnisse und die Tür-ins-Gesicht-Technik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
10.3.3 Gegenseitigkeitsprinzipien im Konsumentenverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
XIV Inhaltsverzeichnis

11 Psychologische Konsistenz und Reaktanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223


Georg Felser
11.1 Konsistenz: Wenn Widersprüche das Verhalten lenken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
11.2 Die Dissonanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225
11.3 Die Bedingung für kognitive Konsistenzmechanismen: Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
11.3.1 Die Größe des Handlungsanreizes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
11.3.2 Wahlfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
11.3.3 Hindernisse, Nachteile, Anstrengungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
11.3.4 Die magische Handlung: Schreiben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .227
11.3.5 Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
11.3.6 Besitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
11.4 Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
11.4.1 Dissonanz nach Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
11.4.2 Die Fuß-in-der-Tür-Technik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
11.4.3 Low Balling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
11.4.4 Oversufficient-Justification-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
11.4.5 Ausgabeneffekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
11.5 Die Reaktanztheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233
11.5.1 Aufwertung durch Unzugänglichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
11.5.2 Der Bumerangeffekt bei der Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
11.6 Einschränkungen und Bedingungen der Reaktanztheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
11.6.1 Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
11.6.2 Reaktanz und Saure-Trauben-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
11.7 Reaktanz und Gesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
11.8 Die Reaktanztheorie in Werbung und Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
11.8.1 Reaktanz und Beeinflussung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
11.8.2 Werbeunterbrechungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
11.8.3 Reaktanz und Kaufentscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
11.8.4 Einschränkung als Werbe- und Verkaufsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

12 Bewerten und die Konstruktion der menschlichen Zufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243


Georg Felser
12.1 Reaktanz und kognitive Dissonanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
12.2 Vorhersage künftiger Zufriedenheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
12.2.1 Vorhersage künftiger Affekte: Facetten des Scheiterns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
12.2.2 Emotionsnormen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
12.3 Nachdenken über das, was nicht der Fall ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
12.3.1 Antizipiertes Bereuen im Konsumentenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
12.3.2 Kontrafaktisches Denken bei Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
12.4 Fluch und Segen der Konsumentenfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
12.4.1 Die Umkehrbarkeit von Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
12.4.2 Die Wahl aus vielen Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
12.4.3 Die freie Gestaltung von Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
12.5 Aufhören, wenn’s am schönsten ist: Die Peak-End-Regel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

13 Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Georg Felser
13.1 Einstellungen und ihre Komponenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
13.2 Einstellung und Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
13.2.1 Das Problem der Verhaltensvorhersage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
13.2.2 Verhaltensänderung ohne Einstellungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
13.2.3 Die Verfügbarkeit einer Einstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
13.2.4 Einstellung und Verhaltensabsichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
13.3 Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
13.3.1 Was bedeutet „implizit“?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
13.3.2 Stärken und Schwächen des IAT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
XV
Inhaltsverzeichnis

13.3.3 Weitere Maße für implizite Einstellungen auf Basis von Parallelaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
13.3.4 Maße für implizite Einstellungen ohne Parallelaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
13.3.5 Die Validität indirekter Verfahren und das Verhältnis von impliziten zu expliziten Einstellungen. . . . . . . . . . . . . . . 267
13.3.6 Bewertung indirekter Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

14 Einstellungsänderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
Georg Felser
14.1 Einstellungsänderung durch Kommunikation: Zwei Wege zur Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
14.1.1 Das Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
14.1.2 Heuristische und systematische Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
14.1.3 Zwei-Prozess-Modelle: Wie wird das Publikum verarbeiten?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
14.1.4 Die Rolle von Argumenten in der beeinflussenden Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
14.2 Strategien der Einstellungsänderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
14.2.1 Glaubwürdigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
14.2.2 Zweiseitigkeit der Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
14.2.3 Immunisierung einer Einstellung gegen Beeinflussung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
14.2.4 Explizite Schlussfolgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
14.2.5 Selbstüberredung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
14.3 Das Wissen um die Beeinflussungsabsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
14.3.1 Widerstand gegen Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
14.3.2 Das Persuasion Knowledge Model. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

15 Geschichten als Mittel der Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289


Georg Felser
15.1 Was sind Geschichten und was tun sie in der Werbung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
15.1.1 Kohärenz, Chronologie und Kausalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
15.1.2 Zielerreichung mit Hindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
15.1.3 Bedeutsamkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
15.1.4 Fiktionale und nicht fiktionale Geschichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
15.1.5 Wirkung von Geschichten in Werbespots und Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
15.2 Über welche Prozesse wirken Geschichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
15.2.1 Korrespondenz zur Arbeitsweise des Gedächtnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
15.2.2 Erhöhte Verarbeitungsflüssigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
15.2.3 Effekte des bloßen Erwägens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
15.2.4 Mimikry, Embodiment und implementation intentions. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
15.2.5 Unterbinden von Gegenargumenten: Erzähltypische Merkmale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
15.2.6 Identifikation und motivationale Prozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
15.2.7 Verblassen des Quellengedächtnisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
15.3 Geschichten und Überredung: Ein Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

16 Differentielle Konsumentenpsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305


Georg Felser
16.1 Probleme einer differentiellen Konsumentenpsychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
16.2 Dimensionen der Konsumentenbeschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
16.2.1 Einstellungen als Persönlichkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
16.2.2 Kaufmotive und die Big Five . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
16.2.3 Meinungsführer, Trendsetter, Innovatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
16.3 Differentialpsychologische Moderatoren im Konsumentenverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
16.3.1 Need for cognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
16.3.2 Das Konsistenzmotiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
16.3.3 Präferenz für bestimmte Heuristiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .314
16.3.4 Präferenz für bestimmte Argumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
16.3.5 Bedürfnis nach Einzigartigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
16.3.6 Bedürfnis nach Berührung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
16.4 Altersunterschiede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
16.4.1 Kindheit und Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
XVI Inhaltsverzeichnis

16.4.2 Über 50-Jährige als Zielgruppe für Marketing und Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
16.5 Marken und Persönlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

17 Gestaltung der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329


Georg Felser
17.1 Die Umgebung der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
17.1.1 Reichweite des Werbeträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
17.1.2 Die Zielgruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
17.1.3 Das Programmumfeld bei Fernsehwerbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
17.1.4 Kontexteffekte bei Zeitschriftenanzeigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
17.1.5 Werbung im Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
17.2 Häufigkeit der Darbietung, Kontinuität und Konsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
17.3 Makrotypische Gestaltungsmerkmale einer Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
17.3.1 Die Überschrift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
17.3.2 Größe und Platzierung einer Anzeige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
17.4 Farbgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
17.4.1 Helligkeit und Sättigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
17.4.2 Farbton. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
17.4.3 Effekte der Farbe Rot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
17.4.4 Farben in Werbe- und Produktgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
17.5 Schriftgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
17.6 Bilder in der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
17.6.1 Das Bild und seine Aussage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
17.6.2 Wie sollen Werbebilder gestaltet sein?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
17.7 Akustische Bilder und Musik im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
17.8 Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
17.8.1 Der Name des Produkts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
17.8.2 Werbetexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

18 Inhalte der Werbe- und Produktgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357


Georg Felser
18.1 Werben mit Angstappellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
18.2 Erotik in der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
18.2.1 Erotische Werbung und Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
18.2.2 Aktivierung und Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
18.2.3 Moderierende Einflüsse: Einstellung und Passung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
18.2.4 Wirkungswege erotischer Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
18.3 Humor in der Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

19 Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371


Georg Felser
19.1 Die Wahrnehmung von Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
19.2 Die Wahrnehmung von Mengen und Größen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
19.2.1 Das Problem der Einheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
19.2.2 Intuitive Mengenschätzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
19.2.3 Verpackungsgrößen und Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
19.2.4 Motivationale Gründe für eine verzerrte Größenwahrnehmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380
19.3 Zeitwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
19.3.1 Ist Zeit nun Geld oder nicht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
19.3.2 Zeit, die vergeht – beim Warten zum Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

20 Geld- und Preispsychologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387


Georg Felser
20.1 Preissensibilität: Wann achten wir überhaupt auf Preise?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
20.1.1 Die Preis-Absatz-Funktion als Ausdruck von Präferenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
20.1.2 Referenzpreise und der Transaktionsnutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
20.1.3 Das Konzept der Preisschwellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
XVII
Inhaltsverzeichnis

20.1.4 Preisschwankungen und dynamische Preisanpassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392


20.2 Das Fehlen von Preissensibilität: Wenn wir „gerne“ hohe Preise zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
20.2.1 Die Preis-Qualitäts-Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
20.2.2 Geltungskonsum und kompetitiver Altruismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
20.2.3 „Pay what you want“ und Selbstbild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
20.2.4 Geschenke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397
20.3 Motivationale Aspekte der Preiswahrnehmung: Der Wunsch zu sparen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
20.3.1 Effekte der letzten Ziffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398
20.3.2 Sonderangebote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
20.3.3 Gewinne und Verluste durch Produktpreise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
20.4 Preisstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
20.4.1 Die „Theorie der relativen Einzelurteile“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
20.4.2 Gewinne und Verluste bei mehrdimensionalen Angeboten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
20.4.3 Gebündelte Preise, Flatrates und Produktabschreibung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410

21 Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413


Georg Felser
21.1 Der Graben zwischen Marktforschern und Praktikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
21.1.1 Die Bäuche der Kreativen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
21.1.2 Das Dilemma der Werbewirkungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
21.2 Erhebungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
21.2.1 Explorative Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
21.2.2 Deskriptive Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
21.2.3 Kausale Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
21.2.4 Qualitative und quantitative Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419
21.2.5 Das Problem der abhängigen Variablen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
21.3 Messmethoden und Variablen in der Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
21.3.1 Aufmerksamkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
21.3.2 Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
21.3.3 Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
21.3.4 Die Produkthandhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
21.3.5 Werthaltungen, Motivation und Emotion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

22 Psychologische Einflüsse auf Ergebnisse der Marktforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431


Georg Felser
22.1 Der Einfluss der Messung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
22.2 Probleme bei Selbstauskünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
22.3 Das Bearbeiten eines Fragebogens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
22.3.1 Skalen und Antwortverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
22.3.2 Formulierung von Fragen und Antworten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .435
22.3.3 Freie und vorgegebene Antwortformate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
22.3.4 Antwortformate und Verteilungseinschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
22.4 Marktforschung und Informationsverarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
22.4.1 Der Nike-Sportschuh. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
22.4.2 Ein konstruktivistisches Modell der Einstellungsmessung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
22.4.3 Effekte vorangehender Fragen auf folgende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
22.4.4 Die Befragung als Intervention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
22.4.5 Einstellungen zu Dingen, die es gar nicht gibt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
22.4.6 Kontexteffekte in Befragungen: Fehlerquellen oder wertvolle Optionen für die Marktforschung? . . . . . . . . . . . . . 441

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
1 1

Werbung und Kaufen,


eine Einführung
Georg Felser

1.1 Werbung in der Wahrnehmung der Konsumenten  –  3


1.1.1 Akzeptanz – 3
1.1.2 Verarbeitung – 5
1.1.3 Werbeumfang – 5

1.2 Ziel und Zweck der Werbung  –  5


1.2.1 „Philosophie“ der Werbung: Begriffliche Bestimmungsstücke  –  6
1.2.2 Ziele der Werbung – 7

1.3 Modelle der Werbewirkung – 9


1.3.1 Mechanistische Ansätze zur Erklärung des Konsumentenverhaltens  –  9
1.3.2 Hierarchische Modelle der Werbewirkung  –  9
1.3.3 Zwei-Prozess-Modelle – 10
1.3.4 Die Vielfalt der Modelle  –  11

1.4 Konzepte und Begriffe zur Werbegestaltung  –  12


1.4.1 USP-Formel – 12
1.4.2 Erlebniswert und Zusatznutzen  –  12
1.4.3 Mental Design – 13
1.4.4 Techniken der Fernsehwerbung  –  13

1.5 Verschiedene Werbeformen – 14


1.5.1 Blockwerbung – 14
1.5.2 Sponsoring – 14
1.5.3 Product Placement – 15
1.5.4 Game Shows – 16
1.5.5 Teleshopping – 16
1.5.6 Videoclips – 16
1.5.7 Merchandising – 16

1.6 Grenzen der Wirtschaftswerbung – 17


1.6.1 Gesetze – 17
1.6.2 Selbstdisziplinäre Einrichtungen – 19

1.7 Werbung, Konsumverhalten und Neue Medien  –  20


1.7.1 Suchmaschinen – 21
1.7.2 Proaktivität und Electronic Word of Mouth  –  21
1.7.3 Gebrauchtware und Share Economy  –  22
1.7.4 Online-Auktionen – 22
1.7.5 Piraterie – 22
1.7.6 Soziale Netzwerke – 23
G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,
DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
1.8 Werbe- und Konsumentenpsychologie –
eine Disziplin mit Zukunft?  –  23
1.8.1 Werbepsychologie als Berufsfeld  –  23
1.8.2 Eine kleine Auseinandersetzung mit dem Neuromarketing  –  24
1.1  •  Werbung in der Wahrnehmung der Konsumenten
3 1

Zusammenfassung 10. Werbepsychologie stellt zurzeit noch kein klar umrissenes Be-
1. Einerseits ist Werbung ein Reizthema mit vielen positiven Assozi- rufs- und Tätigkeitsfeld dar. Eine zentrale Funktion von Psycho-
ationen, zum Beispiel wegen des Unterhaltungswerts, den gute logen in der Werbung liegt im Bereich der Marktforschung.
Werbung hat. Auch als zentrales Element unseres Wirtschafts- 11. Erkenntnisse der Werbe- und Konsumentenpsychologie werden
systems wird Werbung in der Regel befürwortet. Andererseits mit zunehmendem Interesse von der Öffentlichkeit und dem
versuchen die meisten Konsumenten eher, die Werbung zu mei- Markt rezipiert. Sie werden auch unter Bezeichnungen verbreitet
den, anstatt sie zu suchen. Die durchschnittliche Betrachtungs- wie „Neuromarketing“ oder „Verhaltensökonomie“.
dauer von Anzeigen in Zeitschriften beträgt nicht mehr als zwei
Sekunden. Nur 9 % aller Fernsehzuschauer geben an, bei einer
Werbeunterbrechung weder umzuschalten noch den Raum zu 1.1 Werbung in der Wahrnehmung
verlassen. der Konsumenten
2. Jede Form von Werbung hat das Ziel, das Beworbene attrak-
tiv erscheinen zu lassen. Werbung setzt zwar kein spezifisches Werbung gehört zu denjenigen Erscheinungen unseres Lebens,
Interesse, wohl aber eine Identifikation mit dem Beworbenen zu denen fast jeder Mensch eine Meinung hat. Wenn man Perso-
voraus. nen zu einer Meinung über Werbung fragt, kann man ziemlich
3. Mit Sicht auf den Konsumenten hat die Werbung die Funktion, sicher sein, eine Antwort zu bekommen. Und diese Antwort wird
Informationen, Normen und Modelle für das Konsumverhalten von den meisten Antwortenden auch für kompetent gehalten
bereitzustellen. Sie setzt Anreize zum Kauf und Konsum und (Bergler 1984).
bekräftigt bisherige Konsumentscheidungen. Darüber hinaus
erfüllt sie auch eine Unterhaltungsfunktion. Mit Sicht auf das
Produkt hat die Werbung unterschiedliche Funktionen je nach 1.1.1 Akzeptanz
Marktlage.
4. Modelle der Werbewirkung erklären nicht nur, wie Werbung Das Image der Werbung in der Bevölkerung schwankt zwischen
wirkt, aus ihnen lassen sich auch konkrete Gestaltungsempfeh- verschiedenen Standpunkten. Von gut gemachter Werbung geht
lungen ableiten. Aus diesen Modellen ergeben sich außerdem auf die meisten Menschen eine erhebliche Faszination aus. Gut
Testmethoden für die Kontrolle der Werbewirkung. Zudem kann gemachte Werbung prägt unsere Vorstellung von Ästhetik, sie
man aus den Modellen ableiten, welche Ziele für die Werbung stimuliert und unterhält. Viele Werbeformen werden als Infor-
sinnvoll sind. mationsquelle genutzt und bei Kaufentscheidungen berücksich-
5. Wenn man von einfachen Reiz-Reaktions-Modellen absieht, wird tigt (Ehm 1995). Andererseits hat Werbung in weiten Kreisen
Werbewirkung traditionell als eine Abfolge hierarchisch geord- der Bevölkerung das Image, dass sie keine glaubhaften und zu-
neter Effekte verstanden. Dabei wird durchaus zugestanden, treffenden Informationen bereitstellt. Viele Menschen erwarten,
dass die Werbung in manchen Fällen zuerst auf das Verhalten durch Werbung würden Personen überredet, Dinge zu kaufen,
und dann erst auf die Einstellung wirkt, in anderen Fällen ist die die sie nicht brauchen (Haller 1974; Gesellschaft für Konsum-
Einstellungsänderung die Voraussetzung für eine Änderung des forschung 1976).
Verhaltens. Werbung wird von den meisten Konsumenten auch nicht
6. Neuere Werbewirkungsmodelle berücksichtigen die Tatsache, gerade besonders gesucht. Die durchschnittliche Betrachtungs-
dass ein Großteil unseres Verhaltens von automatischen und dauer von Anzeigen in Zeitschriften beträgt nicht mehr als zwei
nicht bewußten Prozessen gesteuert wird. Daher beschreiben bis drei Sekunden (Meyer-Hentschel 1993; Scharf, Schubert &
sie unterschiedliche Wirkmechanismen, je nachdem ob die Kon- Hehn 2009). Viele Erscheinungsformen der Werbung werden
sumenten sich mit der Werbebotschaft bewusst auseinanderset- sogar als lästig und aufdringlich empfunden. Das zeigt sich zum
zen oder nicht. Beispiel in der verbreiteten Praxis, die Annahme von Werbe-
7. Neben den üblichen Formen des Fernsehspots und der Anzeige prospekten bereits am Briefkasten durch einen entsprechenden
lässt sich noch eine Reihe anderer Werbestrategien benennen, Hinweis zu verweigern, oder darin, dass sich in E-Mail-Postfä-
zum Beispiel Sponsoring, Product Placement, Game Shows, Te- chern Spam-Ordner einrichten lassen. Mails, die diesem Ord-
leshopping, Videoclips oder Merchandising. ner einmal zugeordnet wurden, werden zukünftig nicht mehr im
8. Die neuen Medien haben das Konsumverhalten und den Um- Posteingang angezeigt. Das zeigt sich aber auch im Unmut über
gang mit Werbung verändert. Insbesondere für die Suche nach Werbeunterbrechungen bei Spielfilmen im Fernsehen. Die Wer-
Produkten und die dabei ermöglichten Vergleiche ist das Inter- bepausen werden im Fernsehprogramm erfahrungsgemäß dazu
net heute unverzichtbar. Konsumenten nehmen über das Inter- genutzt, Getränke zu holen, die Toilette aufzusuchen oder durch
net aktiver am Markt teil als in früheren Zeiten. So beeinflussen die anderen Kanäle zu schalten (▶ Exkurs 1.1). Mehr als 50 % der
sie Firmenpolitik und Produktentwicklung, treten aber auch Radiohörer und Fernsehzuschauer behaupten von sich, dass sie
häufig selbst als Händler auf, indem sie zum Beispiel gebrauchte das Gerät abschalten, wenn Werbung kommt. In einer Studie
Güter verkaufen. von Van Meurs (1998; zit. n. Busch et al. 2008) zeigte sich, dass
9. Der Werbung werden durch Gesetze und durch selbstdiszipli- während einer Werbeunterbrechung 28,6 % der Zuschauer weg-,
näre Einrichtungen der Werbeindustrie Grenzen gesetzt. Selbst- während 7,1 % hinzuschalteten. Nur 9 % der Fernsehzuschauer
disziplinäre Einschränkungen werden in Deutschland vom Deut- geben an, dass sie bei einer Werbeunterbrechung der Aufforde-
schen Werberat formuliert und überwacht. rung folgen: „Bleiben Sie dran“ (Baacke et al. 1993, S. 208; vgl.
4 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

Exkurs 1.1  Zapping und Zipping  |       | 


1
Das Wort „Zapping“ entstammt eigentlich schied zu 83,5 % bei echter Unterbrecherwer- genden Spots noch dabeibleiben. Zuschauer,

2 der Comicsprache um den Helden Buck


Rogers und bedeutet so viel wie „abknallen“
bung). Scharnierwerbung wird als weniger
ärgerlich empfunden als Unterbrecherwer-
die sehr gezielt fernsehen und dabei ihren
Lieblingssendern treu bleiben, schalten auch
oder „jemandem ein Ding verpassen“. Die bung, was sich in manchen Untersuchungen bei Werbung seltener um als Zuschauer mit
3 Begriffe „Zapping“ und „Zipping“ bezeichnen
bestimmte Nutzungsstile beim Fernsehen.
als in geringerer Erinnerungsleistung für die
Unterbrecher niederschlägt (z. B. Mattenklott
eher wahllosem Fernsehkonsum.
Wenn Zuschauer eine Videoaufnahme an-
Zapping steht für das ständige Umschalten et al. 1997). Bei Spielfilmen wird häufiger fertigen, dann sorgen sie bereits in 10 % der
4 zwischen verschiedenen Kanälen. Dabei
wird die Werbung in der Regel auf diesem
gezappt als bei Game Shows (Stick Values
von 78,8 versus 91,9 %). Spielfilme werden
Fälle dafür, dass sie die Werbung gar nicht erst
aufzeichnen. Mehr als die Hälfte der Zuschauer
Wege gemieden und nur in Ausnahmefällen aber auch vollständiger rezipiert, das heißt, übergehen die Werbung beim Abspielen der
5 direkt gesucht. Zipping steht dagegen für die Stick Values sind für Spielfilme erheblich Aufnahme (mit Fernbedienung sind es 74 %).
das gezielte Vermeiden von Werbepausen in höher als für die Werbeblöcke, während Zum 1. April 2000 hat der vierte Rundfun-
Aufzeichnungen – entweder durch Heraus- das Verhältnis zum Beispiel bei Magazinen känderungs-Staatsvertrag erlaubt, dass bei
6 schneiden während der Aufnahme oder durch umgekehrt liegt. Werbeblöcken der Bildschirm nur teilweise
Schnellvorlauf. Auch das Verlassen des Raums Zapping ist besonders verbreitet bei Männern, mit Werbung belegt wird. Wenn etwa in der
wird gelegentlich unter den Begriff „Zapping“ bei Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren Quizshow die Kandidaten aufgerufen werden
7 subsumiert (Rossmann 2000); man spricht und bei Personen mit höherer Bildung. Es und eigentlich Zeit für Werbung ist, erscheint
dann von physischem Zapping. wird anscheinend auch an Vorbildern erlernt: diese nur auf einem Teil des Bildschirms,
Wenn man die Sehdauer für einen Werbe­ Kinder von Zappern schalten deutlich häufiger während die Zuschauer auf dem anderen
8 block an der tatsächlichen Dauer des Blocks um als Kinder von Stickern (Niemeyer und weiterhin das Geschehen im Studio verfolgen
relativiert, erhält man einen sogenannten Stick Czycholl 1994). können. Die ersten Einsätze dieses sogenann-

9 Value, der den Anteil der tatsächlich betrach-


teten Werbung angibt. Dieser Stick Value ist
Der am häufigsten genannte Grund für das
Umschalten ist der Wunsch, „zu sehen, was
ten Split-Screen-Verfahrens lassen erwarten,
dass die Zapping-Quoten sinken werden. Die
erstaunlich hoch; er liegt im Durchschnitt bei es sonst noch gibt“. Am zweithäufigsten wird Werbezeiten werden übrigens auch beim Split

10 82 % (Ottler 1997).


Zapping ist besonders wahrscheinlich, wenn
bereits der Wunsch geäußert, die Werbung ge-
zielt zu meiden. Wann, wie oft und wie lange
Screen voll angerechnet; es werden also mit
dieser Technik unter dem Strich nicht mehr
Zuschauer hoffen, damit einer übergroßen das Programm unterbrochen wird, lernen Werbeminuten herauskommen als früher
11 Informationsflut zu entgehen, wenn sie
Werbung uninteressant finden und wenn das
Zuschauer sehr schnell und richten sich darauf
ein, indem sie ihre anfallenden Bedürfnisse
(Feldmeier 2000, S. 144 f.; zum Thema Zapping
siehe auch Heeter und Greenberg 1985; Yorke
Programm, das der Werbung vorangegangen gezielt auf die Werbepause verschieben. und Kittchen 1985; Meyers 1986; Gatter 1987;
12 ist, nach der Werbung nicht mehr fortgesetzt
wird. In diesem Fall spricht man nicht von Un-
Die Zuschauer zappen vor allem am Anfang ei-
nes Blocks, und zwar nach etwa einer bis zehn
Brockhoff 1988; Brockhoff und Dobberstein
1989; Gleich 1997; Ottler 1997, 1998; Schi-
terbrecher-, sondern von Scharnierwerbung. Sekunden. Wer die ersten Spots angeschaut mansky 1999; Stout und Burda 1989; Mayer
13 Der Stick Value liegt hier bei 80,3 % (im Unter- hat, wird dagegen meist auch bei den fol- 1993, S. 115 f.)

14 aber Tasche und Sang 1996). So ist es zu einem Werbeargument Im Jahr  1986 stimmten noch 91 % der bundesdeutschen
der DVD-Verleihe und des Pay-TV geworden, dass man dort Bevölkerung der Aussage zu: „Werbung gehört in unsere Welt
15 keine Werbeunterbrechungen zu fürchten hat. und sollte erhalten bleiben.“ Zwischen 37 und 44 % der Bevöl-
In welchem Umfang Zuschauer tatsächlich Werbung vermei- kerung halten Werbespots im Fernsehen für unterhaltsam, und
den, ist unklar; sicher scheint aber, dass Menschen in Befragun- zwischen 43 und 53 % sagen, Werbeinformation sei nützlich
16 gen ihr tatsächliches Vermeidungsverhalten übertreiben (z. B. (Schwenckendiek 1990; Mayer 1993, S. 107; von Ciriacy-Want-
Ottler 1998; Roßmann 2000). Laut Befragungen würde mehr als rup 2008). Von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen werden
17 die Hälfte der Werbung durch Zapping vermieden (z. B. Weber beim Urteil über Werbung unterschiedliche Gesichtspunkte in
2012). Verhaltensdaten lassen allerdings andere Schlüsse zu. den Vordergrund gerückt. So zeigte sich in den 1970er Jahren,
Wenig zuverlässig sind die Schätzungen für das Verlassen des dass Gastarbeiter in Deutschland Werbung grundsätzlich an-
18 Raums oder die geistige Abgelenktheit während der Werbepause. genehmer fanden als die einheimischen Deutschen. Als Grund
Dagegen sind die Erkenntnisse zum tatsächlichen Umschalten wurde vor allem angegeben, dass Werbung „das Leben bunter“
19 verhältnismäßig genau; hier rechnet man mit einem Reichwei- mache und „zum Träumen verleite“ (Bergler 1984, S. 21). Diese
tenverlust zwischen elf und 20 % durch Umschalten (Niemeyer Beurteilung war besonders bei den damaligen jugoslawischen
20 und Czycholl 1994; Rossmann 2000; Weber 2012). Gästen ausgeprägt, die ja aus einem kommunistischen System
Die Akzeptanz der Werbung soll nicht zuletzt durch den Hin- stammten.
weis gesteigert werden, dass die Medien nur mit der Werbung Eine Studie von Mittal (1994) zeichnet dagegen ein anderes
21 preiswert zu haben sind. Auch die öffentlich-rechtlichen Rund- Bild: Nur 23 % der Befragten bewerteten Werbung positiv, der
funkanstalten, die sich nur zum Teil über Werbung finanzieren, Rest hatte eine ablehnende Haltung. Die häufigsten Kritikpunkte
22 betonen immer wieder, dass ohne Werbung alles noch viel teurer betrafen den Einfluss der Werbung auf Kinder (90 %), Verstär-
wäre. Trotzdem haben in einer Umfrage von 1995 noch immer kung einer materialistischen Lebenseinstellung (70 %) oder sexu-
zwei Drittel der befragten Fernsehzuschauer erklärt, sie würden elle Darstellungen in der Werbung (72 %). Zudem waren 70 % der
23 es nicht begrüßen, wenn in den öffentlich-rechtlichen Fernseh- Befragten der Meinung, Werbung verteuere die Produkte, ohne
sendern nach 20 Uhr Werbung gezeigt würde, selbst wenn dabei dabei wesentlich zur Kaufentscheidung beizutragen. Insgesamt
die Gebühren gesenkt werden könnten (Brammen 1995). habe die Werbung zu geringe Informationsqualität bei gleichzeitig
1.2  •  Ziel und Zweck der Werbung
5 1

Exkurs 1.2  Werbezeiten  |       | 


Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gen eines Films sind erst ab einer Länge von diesem Betrag sind nicht nur die Geldbußen
dürfen täglich nur insgesamt 20 Minuten Wer- 60 Minuten zulässig. Es gilt die Programmzeit für verschiedene Einzelfälle von Überschrei-
bung bringen, nach 20 Uhr gar keine Werbung ohne Werbung. Es wird auch zwischen der tung enthalten, sondern auch die unzulässig
mehr. Eine Ausnahme bildet hier seit 1994 Art eines Programms unterschieden: Ein erzielten Mehreinnahmen. Üblicherweise
das Programmsponsoring mit dem Hinweis Spielfilm darf zum ersten Mal nach 45 Minu- gelten Trailer und Programmhinweise nicht
einzelner Unternehmen, dass sie das folgende ten unterbrochen werden, ein zweites Mal als Werbung und werden daher nicht auf die
Programm „präsentieren“ oder „unterstützen“. bei einer Länge von 90 Minuten, dreimal bei Werbezeiten angerechnet. Dies gilt auch für
An bundesdeutschen Feiertagen entfällt das einer Länge von 110 Minuten und ein weiteres die Fremdpromotion, also die Werbung für das
Werberecht für die öffentlich-rechtlichen Mal bei je zusätzlichen 45 Minuten Dauer. Bei Programm eines anderen Senders.
Sender. einer Serie ist die erste Unterbrechung bereits Verschiedene Produktgruppen dürfen in
Die privaten Fernsehanstalten unterliegen nach 20 Minuten zulässig. Wird die zulässige Deutschland nicht oder nur zu bestimmten
keinen Einschränkungen, was Tag und Uhrzeit Werbezeit überschritten, drohen Geldbu- Uhrzeiten beworben werden. Hierzu zählen
betrifft, sie dürfen aber ihr Programm höchs- ßen. So musste beispielsweise SAT.1 für die Tabakwaren und erotische Angebote (zusam-
tens zu 20 %, also zwölf Minuten pro Stunde, Überschreitung der Werbezeiten 1,14 Millio- ▶
menfassend vgl.  http://www.alinki.com/
mit Werbung bestreiten. Werbeunterbrechun- nen Deutsche Mark an Geldbußen zahlen. In artikel/214/, Abruf 5.3.2013).

fehlendem Unterhaltungswert oder intellektuellem Niveau. Eine was wir nicht bewusst aufnehmen, durchaus bedeutsame Wir-
althergebrachte Kritik gegen die Werbung richtet sich insbeson- kungen haben kann (z. B. in den ▶ Kap. 4, 6 oder 13).
dere auf den Konsumzwang, der durch Werbung gefördert werde,
und auf die Beeinflussung, die von Werbung ausgehe – eine Be-
einflussung, der man sich oft nicht entziehen könne. 1.1.3 Werbeumfang
Interessanterweise sind es in den Augen der Konsumenten
vor allem die anderen, die sich von Werbung beeinflussen las- Das finanzielle Werbevolumen ist riesig: Der Zentralverband der
sen. In entsprechenden Umfragen sind 70 % der Befragten mit deutschen Werbewirtschaft gibt für das Jahr 2011 29,92 Milliar-
der Feststellung einverstanden, dass Werbung die Konsumenten den Euro in 2011 – mit einem Rückgang auf 29,68 Milliarden
zu Käufen veranlasse, die eigentlich unnötig wären. Gleichzeitig Euro für 2012 (−0,8 %) an (▶ http://www.zaw.de/index.php?me-
glauben aber 85 %, dass sie selbst solchen Einflüssen nicht un- nuid=98&reporeid=853, Abruf 5.3.2013).
terliegen (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982, S. 12). Die- Nach der Auswertung der Nielsen-Werbeträgerstatistik er-
ser Effekt lehnt sich an den sogenannten Dritte-Person-Effekt höhte sich der Gesamtwerbeaufwand (Brutto) für Above-the-
(Davison 1983; siehe auch ▶ Abschn. 10.2.2): Offenbar tendieren Line-Medien per Juni 2011 gegenüber dem Vergleichszeitraum
Menschen extrem dazu, sich selbst für weniger beeinflussbar zu des Vorjahres um 4,3 % (▶ http://blog.hemartin.net/2011/07/niel-
halten als die meisten anderen (Moser und Hertel 1998). sen-werbetrend-deutschland-1.html, Abruf 5.3.2013). Das Fernse-
hen hatte 2011 in Deutschland einen Marktanteil von 43,1 %; das
ist auch gleichzeitig der größte Anteil. Die Printmedien (Zeitun-
1.1.2 Verarbeitung gen, Zeitschriften, Plakate) kommen auf 39,9 %, Online-Werbung
auf 11,4 und Hörfunk auf 5,5 % (▶ http://www.marketing-blog.
Die immer stärker werdende Informationsflut führt dazu, dass biz/archives/2055-Marktanteile-der-Mediengattungen-im-Werbe-
einzelne Informationsangebote immer kleinere Chancen haben, markt.html, Abruf 6.3.2013).
wahrgenommen zu werden. Die Entwicklung führt zu unter- Mittlerweile ist der Besitz eines Fernsehgeräts so weit ver-

-
schiedlichen Schätzungen des Informationsüberschusses:
„Über 85 Prozent der Werbung verpufft wirkungslos, das
haben Untersuchungen von 1986 in den USA ergeben. Von
ca. 1600 Werbeanstößen würden nur 80 bewußt aufgenom-
breitet, dass damit praktisch alle soziodemographischen Grup-
pen erreicht werden können (Franz und Bay 1993). Zudem ist
wohl das Fernsehen der Werbeträger, der beim Nachdenken über
Werbung als Erstes in den Sinn kommt. Gleichwohl unterliegt
men und 28 davon positiv registriert“ (Schwenckendiek Fernsehwerbung, auch wenn sie der Prototyp der Werbung zu

- 1990, S. 6).
„Die Informationsüberlastung durch gedruckte Werbung
beträgt […] mehr als 95 Prozent. Es ist damit zu rechnen,
daß Werbung in elektronischen Medien noch mehr Infor-
sein scheint, einer Reihe von Einschränkungen (für Beispiele
siehe ▶ Exkurs 1.2).

mationsüberlastung verursacht. Das bedeutet: Höchstens 1.2 Ziel und Zweck der Werbung
5 Prozent der angebotenen Werbeinformationen erreicht
ihre Empfänger: Der Rest landet auf dem Müll“ (Kro- Natürlich geht es bei der Werbung – zumindest der Wirtschafts-
eber-Riel 1993b, S. 15). werbung – darum, Umsatz und Verkaufszahlen zu beeinflussen.
Man lernt allerdings nicht viel über Werbung, wenn man darin
Mit Sicherheit sind unsere Möglichkeiten zur Informations- ihr Ziel sieht, denn das wäre ungefähr so präzise, als würde man
verarbeitung durch die Menge an Reizen überfordert. Zu einer den Zweck eines Haushaltsmessers im Kartoffelgratin sehen;
bewussten Verarbeitung kann es nur noch in Ausschnitten kom- selbst wenn man das Messer wirklich nur zum Kartoffelschälen
men. Wir werden allerdings noch sehen, dass tatsächlich vieles, benutzt, ist der spezifische Witz dieses Instruments nicht mit
6 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

diesem Zweck erfasst. Im Folgenden möchte ich die Frage nach wenn diese Bewerbung zum Erfolg führt. Diese Beispiele legen
1 Ziel und Zweck der Werbung etwas präziser stellen, dabei aber die Vermutung nahe, dass Werbung auch immer mit einem Ei-
keine Definition, sondern eher eine Reflexion von zentralen und geninteresse verbunden ist. Das ist aber vermutlich falsch: Der
2 peripheren Merkmalen der Werbung liefern. Missionar, der für seinen Glauben wirbt, will auch eine Sache
Hierbei möchte ich zwischen zwei Arten von Zwecken un- attraktiv machen, hat aber in vielen Fällen kein persönliches oder
terscheiden: zum einen dem Zweck der Werbung, den sie bereits gar egoistisches Interesse dabei – jedenfalls nicht notwendiger-
3 hat, bloß weil sie Werbung ist, ihrer inhärenten Teleologie sozu- weise.
sagen; zum anderen weiteren darüber hinausgehenden Zwecken,
4 die sie aber eher zufällig hat. Der Zweck, Umsatz und Verkauf zu Der Unterschied zwischen Empfehlung
beeinflussen, gehört auf jeden Fall zu letzterem. und Werbung
5 Von Studierenden werde ich oft nach Literatur zu diesem oder je-
nem Thema gefragt. Manche Texte empfehle ich dann, für andere
1.2.1 „Philosophie“ der Werbung: Begriffliche jedoch mache ich regelrecht Werbung. Was ist der Unterschied?
6 Bestimmungsstücke Wenn ich für einen Text werbe, dann liegt mir offenbar daran,
dass auch die anderen diesen Text gut finden. Dies ist aber noch
7 Typischerweise versucht Werbung, das Beworbene attraktiv er- nicht alles; wenn der Begriff der Werbung in diesem Zusammen-
scheinen zu lassen. Letztlich will sie damit eine bestimmte Ein- hang korrekt verwendet wird, liegt mir nicht allein der Studie-
stellung erzeugen, also eine Grundbereitschaft, sich dem Einstel- renden wegen daran, dass sie den Text gut finden (etwa, weil sie
8 lungsgegenstand zu- oder abzuwenden. nur so gute Psychologinnen und Psychologen werden). Offenbar
muss auch eine gewisse Identifikation von meiner Seite hinzu-
9 Kann man werben, ohne das Beworbene selbst kommen – ich werbe für den Text, weil ich mich damit identifi-
gut zu finden? ziere. Hier haben wir erneut den Punkt von oben: Werbung setzt
10 Eine interessante Frage ist, warum wir werben. Gibt es ein Mo- offenbar immer eine zustimmende Haltung des Werbenden zum
tiv, aus dem heraus man wirbt und ohne das man nicht werben Beworbenen voraus.
kann? Was könnte ein solches Motiv sein? Zum Beispiel, dass
11 man selbst die Sache gut findet, für die man wirbt. Machen Sie Der Unterschied zwischen Anreiz und Werbung
es sich an dieser Stelle nicht zu leicht: Natürlich fallen uns sofort Alles Werben hat letztlich das Verhalten der Umworbenen im
12 viele Beispiele ein, wo wir nicht erwarten, dass die Präsentatoren Blick. In diesem Sinne ist Werbung eine Handlungsweise, die
der Werbung das, was sie bewerben, besonders gut finden: Wer das Ziel hat, die Verhaltens- und Entscheidungsspielräume von
weiß schon, was die Fußball-Nationalmannschaft über Nutella, Personen zu Gunsten einer bestimmten Sache zu beeinflussen.
13 Barbara Schöneberger über Du darfst-Lebensmittel, Sebastian Daher ist sie auch immer ein versuchter Eingriff in Verhaltens-
Vettel über Head&Shoulders-Shampoo, Johannes B. Kerner über möglichkeiten – und muss als ein solcher Eingriffsversuch auch
14 Gutfried-Wurst oder Thomas Gottschalk wirklich über AOL, Mo- moralisch bewertet werden.
biltelefone, Aktien, Haribo und so weiter denken? Hier soll jedoch zunächst ein anderer Punkt betrachtet wer-
15 Aber das dürften bereits degenerierte, gewissermaßen pa- den: Verhalten im Markt kann ich auch durch andere Maßnah-
rasitäre und auf jeden Fall uneigentliche Formen der Werbung men beeinflussen als durch Werbung. Wenn ich zum Beispiel
sein; zudem werben ja nicht wirklich diese Personen, sogenannte meine Seife radikal verbillige, dann kann ich damit rechnen,
16 Testimonials, sie tun das vielmehr im Auftrag von Personen, die dass ich damit meinen Verkauf verbessere. Der geringe Preis
ihrerseits durchaus dafür in Frage kommen, dass sie die bewor- ist ein besonderer Anreiz zum Kauf, ist er aber auch Werbung?
17 bene Sache gut finden. Außerdem geben die Testimonials in einer Eher nicht, denn die Art der Verhaltensbeeinflussung, die mit
Werbung auf jeden Fall vor, die beworbene Sache gut zu finden. Werbung versucht wird, verlangt, dass die Käufer meiner Seife
Wenn Sie so wollen, spielen die Testimonials ja eine Rolle; und diese auch gut finden. Mehr noch: Die Zustimmung muss Er-
18 die Personen, die sie spielen, die finden auf jeden Fall gut, wo- gebnis der Werbung sein. Das Marketing über den Preis ist also
für sie werben. Wenn aber eine eigene positive Einstellung zum nur dann Werbung, wenn es bewirkt, dass die Konsumenten das
19 Beworbenen – und sei sie auch nur gespielt – immer mitgedacht Produkt gut finden, und wenn das auch die Absicht der Marketer
werden muss, dann ist dies ein wesentliches Kernelement der war.
20 Handlungsweise „Werben“. Wahrscheinlich ist die Zustimmung Welche Art von Werbung ist es nun, wenn Media Markt
zur beworbenen Sache auf Seiten des Werbenden genauso wich- mit dem Slogan wirbt: „… wir können nur billig“? Ist dann der
tig wie das Ziel, sie attraktiv darzustellen. Kaufanreiz auch gleichzeitig Werbung? In der Tat kann Media
21 Markt durch die Preise Werbung machen, allerdings weniger
Setzt Werben ein Interesse voraus? für die Produkte, die so billig verkauft werden, sondern eher
22 Woher nun kommt diese Zustimmung? Im Falle der Wirtschafts- für sich selbst. Die billig verkauften Produkte werden durch
werbung werden Sie vielleicht sagen: Wer ein Produkt verkauft, den billigen Preis nicht unbedingt attraktiver. Im günstigsten
wird es mindestens insofern gut finden, als es sein Interesse för- Fall bleibt ihre Attraktivität konstant (z. B. wenn das Marken­
23 dert, wenn das Produkt verkauft wird (zum Begriff des Produk- image so stark ist, dass es selbst durch Dumping-Preise nicht
tes siehe ▶ Exkurs 1.3). Wer eine Stelle haben will, muss seine beschädigt werden kann). In ungünstigen Fällen jedoch leidet
Bewerbung schon deshalb gut finden, weil es ihm nützen würde, das Image durch zu niedrige Preise. Dieses Phänomen ist psy-
1.2  •  Ziel und Zweck der Werbung
7 1

Exkurs 1.3  Der Begriff des Produkts  |       | 


Im Folgenden wird in der Regel von der Auch wenn man Werbung nur als „Wirtschafts- der Ware, Kundenbetreuung nach dem Kauf,
Werbung für ein bestimmtes Gut oder eine werbung“ versteht, kommen als Gegenstände weltweite Verbreitung des Unternehmens und
Dienstleistung die Rede sein. Diese Rede wird der Werbung noch immer mehr Gesichts- so weiter (vgl. auch Kotler und Bliemel 1995,
erleichtert durch den Begriff des Produkts, wie punkte in Frage als nur Güter und Dienstleis- S. 71). Daher scheint es gelegentlich sinnvoll
er im Marketing verstanden wird: „Ein Produkt tungen. Wenn die Produkte von verschiedenen zu sein, den „Begriff ‚Produkt‘ im weitesten
ist alles, was einer Person angeboten werden Unternehmen einander immer ähnlicher Sinne zu verstehen, [er] umfaßt also alles, was
kann, um ein Bedürfnis oder einen Wunsch werden, konzentriert sich die Werbung oft als Element des Austauschs mit dem Kunden
zu befriedigen. […] Wir sehen ‚Produkt‘ als auf andere Aspekte der Transaktion, etwa die eine Rolle spielt“ (Kotler und Bliemel 1995,
Oberbegriff für Güter und Dienstleistungen Identität des Unternehmens, seine Unterneh- S. 70).
an“ (Kotler und Bliemel 1995, S. 9; Hervorhe- mensphilosophie (wie sie sich beispielsweise
bungen im Original). in Sponsoringaktivitäten äußert), Auslieferung

chologisch keineswegs unplausibel: Hohe Anreize sind oft eine Sonderpreispackungen sind zur kurzfristigen Stimulierung
schlechte Werbung, wie wir noch sehen werden (z. B. in den des Absatzes besonders wirksam. Die interessantesten Varianten
▶ Abschn. 11.3.1 und 20.2.1). sind Mehrfachpackungen, in denen zweimal dasselbe Produkt zu
Eine mögliche Konsequenz aus dem Gesagten ist, dass nicht einem wesentlich günstigeren Gesamtpreis angeboten wird, oder
unbedingt alles, was im Werbefernsehen läuft, in einem engen sogenannte Kopplungspackungen, in denen verschiedene, aber
Sinne Werbung ist. Manche Formen der Werbekommunikation funktional zusammenhängende Produkte wie etwa Zahnbürste
fallen vielleicht eher unter den allgemeineren Begriff der Ver- und Zahncreme enthalten sind.
kaufsförderung (siehe unten). Manche Beispiele sind nur darauf Geschenke sind verschiedene Formen der Dreingabe zu ei-
aus, ein Angebot, nicht aber unbedingt das angebotene Produkt nem Produkt. Darunter fällt kleines Kinderspielzeug, das einem
attraktiv zu machen. Bei anderen Versuchen der Beeinflussung Produkt wie Nutella oder Cornflakes beigefügt ist. Darunter
geht es vielleicht in erster Linie darum, dass ein bestimmtes fallen aber auch die sogenannten Zweitnutzenpackungen, also
Produkt gewählt wird, ganz unabhängig von der dazugehörigen Verpackungen, die so attraktiv oder stabil sind, dass sie der Kon-
Einstellung (auch hier ist es psychologisch nicht unplausibel, dass sument gerne behält und weiter verwendet, zum Beispiel Keks-
sich der Effekt der Attraktivitätssteigerung später erst ergibt, als dosen oder Senfgläser.
Folge der Wahl, ▶ Kap. 11). Probenutzungsangebote ermöglichen dem Konsumenten, ein
Produkt kostenlos zu testen. Die Hoffnung besteht, dass der Kon-
Werbung und Verkaufsförderung sument nach der Probe, etwa einer Probefahrt mit einem Auto,
Ein Beeinflussungsversuch, der die Einstellungen völlig umgeht, eher zu einem Kauf geneigt ist.
besteht darin, Anreize für ein Verhalten zu setzen. Im Marketing Garantieleistungen übersteigen immer häufiger die gesetzlich
ist das Setzen von Anreizen für den Kauf als Verkaufsförderung vorgeschriebene Gewährleistungspflicht. Damit macht ein Her-
eine eigenständige Maßnahme neben der Werbung. Die Möglich- steller sein Angebot interessanter und schafft zusätzliche Anreize
keiten hierzu sind vielfältig: Produktproben, Gutscheine, Rück- zum Kauf.
vergütungsrabatte, Sonderpreispackungen (Aktionspackungen),
Geschenke, Gewinnspiele, Treueprämien, Probenutzungsange-
bote, Garantieleistungen und Produktvorführungen  … Kauf- 1.2.2 Ziele der Werbung
nachlässe, Gratiswaren, Funktionsrabatte, Gemeinschaftswer-
bung und Händlerwettbewerbe … Verkaufswettbewerbe, Messen Mit dem Ziel, das Beworbene attraktiv erscheinen zu lassen,
und Werbegeschenke (zu den psychologischen Aspekten dieser haben wir einen zentralen Zweck der Werbung angesprochen.
Verfahren siehe z. B. ▶ Abschn. 11.3.1 und 13.2.2). Hier noch ei- Im Folgenden möchte ich nun die eher peripheren Zwecke dis-
nige praktische Beispiele (Kotler und Bliemel 1995, S. 1004 ff., kutieren, die vor allem auf die Wirtschaftswerbung zutreffen.
insbesondere Exkurs 24-1): Lachmann (2003) sieht die beiden Hauptziele der Werbung im
Produktproben sind zur Einführung eines neuen Angebots Verkaufen und im Vorprägen. Das Verkaufen soll die Werbung
besonders beliebt und besonders wirksam. Allerdings sind sie für kurzfristig leisten. Die Prüfgröße hierfür ist der Umsatz.
den Anbieter teuer, vor allem wenn der Konsument den Umfang Darüber hinaus soll die Werbung aber auch künftige Käufe
der Probe selbst bestimmen darf. von langer Hand vorbereiten. Das jedenfalls ist der Sinn beim
Gutscheine und Coupons können dem Kunden einen be- Aufbau von Markenimages bzw. von starken Gedächtnisspuren.
stimmten Preisnachlass garantieren. Im Schnitt werden zwischen Insofern ist die Prüfgröße für das Vorprägen der Gedächtnistest
zwei und höchstens 30 % der ausgegebenen Gutscheine eingelöst. oder andere Tests, die das Image einer Marke oder eines Pro-
Die mögliche Ersparnis beträgt bis zu 20 %. dukts erfassen. Letztlich dient freilich auch das Vorprägen dem
Rückvergütungsrabatte erhält der Käufer nach dem Kauf. Eine Verkauf.
Spezialform sind Treueprämien, die erst nach wiederholtem Kauf So gesehen ist der Umsatz immer die kritische Größe, um
gewährt werden. Zum Beispiel liegen dem Produkt Coupons mit gute von schlechter Werbung zu unterscheiden. Freilich kann
Treuepunkten bei, die der Konsument später einschicken und auf man aus dem Umsatz nicht eindeutig auf den Erfolg oder Misser-
diesem Wege einlösen kann. folg einer Werbung schließen, da für den Umsatz viele Ursachen
8 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

in Frage kommen, Werbung ist nur eine davon (Lachmann 2003). Ebenfalls augenfällig ist die Sozialisationsfunktion bei Pro-
1 Zudem darf man nicht erwarten, dass der Werbeerfolg kurzfristig dukten, für deren Erfolg die Konsumgewohnheiten geändert
und relativ schnell ablesbar ist. Lachmann (2003, S. 90 f.) zitiert werden müssen, etwa alkoholfreies Bier oder in der Vergangen-
2 hierzu eine experimentelle Untersuchung der Gesellschaft für heit Instantkaffee, Kunststoffe, Fertiggerichte oder Filterzigaret-
Konsumforschung (GfK) von 1988/89: „Während einer Testperi- ten (ZAW 1993b).
ode von 20 Wochen wurde der Werbedruck bei einer Testgruppe Die Verstärkerfunktion führt uns direkt zu einem der wich-
3 von Haushalten (gegenüber einer Kontrollgruppe) verdreifacht. tigsten Begriffe der Psychologie: Ein Verstärker ist derjenige
Der Umsatz (beim Testprodukt Waschmittel) wuchs nur um Reiz, der ein bestimmtes mit ihm verbundenes Verhalten wahr-
4 17 % in dieser Periode. Anschließend wurden beide Vergleichs- scheinlicher macht (siehe ▶ Abschn. 3.4). Eine Art der Verstär-
gruppen ein ganzes Jahr lang weiter beobachtet.“ In dieser Zeit kung besteht im Aufbau und der Aufrechterhaltung angenehmer
5 bestand zwischen Experimental- und Kontrollgruppe kein Un- Assoziationen zu dem Produkt. In einem weiteren Sinne von Ver-
terschied mehr im Werbedruck. Die Verkaufszahlen lagen aber stärkung geht es bei der Werbung auch darum, Markentreue zu
in der Experimentalgruppe im ersten Vierteljahr um 22 % über verstärken. Es zeigt sich nämlich, dass Werbung weniger geeignet
6 der Kontrollgruppe, im zweiten gar bei 29 %, und nach einem ist, einem Produkt neue Kunden, die das Produkt noch gar nicht
Jahr war der Verkauf in der Experimentalgruppe immer noch kennen, zu verschaffen. Stattdessen lässt sich aber nachweisen,
7 um 17 % höher. Diese Daten belegen eine „Depotwirkung“ der dass mit verstärkter Werbung die Stammkunden auch dazu nei-
Werbung. Hier hat der Werbedruck kurzfristig zwar nur geringe gen, höhere Produktmengen zu kaufen (Tellis 1988). Die Unter-
Erfolge gebracht, langfristig blieb aber – ohne jeden Mehrauf- stützung eines Verhaltens, das auch ohne die Werbung bereits
8 wand – ein erheblicher Vorteil erhalten. gezeigt wurde, ist also eine sehr wichtige Funktion, auf der ein
großer Teil der Werbewirkung beruht.
9 Ziele in Bezug auf die Konsumenten Mit dem ersten Aufkommen der interaktiven Kabelpro-
Kroeber-Riel (1992, S. 612; vgl. auch Mayer 1993) unterscheidet gramme haben einige Anbieter in aufrichtigem Stolz auf ihre
10 die folgenden Funktionen der Werbung: Produkte eine Chance gesehen, den einfachen 30-Sekunden-Spot
1. Sie soll informieren. hinter sich zu lassen. Sie bereiteten große Datenbanken vor, in
2. Sie soll motivieren. denen sich die Konsumenten über Produkteigenschaften, neue
11 3. Sie soll sozialisieren. Anwendungsmöglichkeiten und konkrete Problemlösungen in-
4. Sie soll verstärken. formieren konnten. Niemand interessierte sich für diese Infor-
12 5. Sie soll unterhalten. mationen (Pratkanis und Aronson 1992, S. 231). Als Werbung
waren sie so lange ungeeignet, solange sie nicht unterhaltsam
Diese unterschiedlichen Funktionen sind bei verschiedenen waren. Wir erwarten von Werbung stets ein Minimum an Unter-
13 Werbebeispielen unterschiedlich ausgeprägt. Die Informations- haltung oder angenehmem Zeitvertreib. Besonders eindringlich
funktion ist zum Beispiel wichtig bei Produkten, die „erklärungs- zeigt sich die Unterhaltungsfunktion in der alljährlichen Samm-
14 bedürftig“ sind (Bergler 1984, S. 22), etwa neue Technologien lung prämierter Werbespots in der Cannes-Rolle. Ihren Unter-
oder Produkte, die auch Gesundheitsrisiken bergen wie etwa haltungswert und ihren ästhetischen Reiz gewinnt Werbung aber
15 Haarfärbemittel. manchmal nur dadurch, dass wir sie nicht mehr als Werbung,
Unter die Motivationsfunktion fällt sicher auch die Funk- sondern eher als Kunstwerk betrachten.
tion zu aktivieren bzw. zu emotionalisieren. Der Begriff der Ak-
16 tivation ist in der Forschung zum Konsumentenverhalten sehr Ziele in Bezug auf den Markt
geläufig (z. B. Kroeber-Riel 1992; Meyer-Hentschel Mangement Funktionen der Werbung kann man auch daran unterscheiden,
17 Consulting 1993; siehe auch ▶ Abschn. 5.1). Der Punkt ist wohl, welche Situation auf dem Markt herrscht und welche Ziele ein
dass vielfach nicht spezifiziert werden kann, welche Emotion Unternehmen mit der Werbung verfolgt. Ist zum Beispiel ein
durch die Werbung beim Konsumenten geweckt werden soll. Die Produkt neu, so hat die Werbung eine andere Funktion, als wenn
18 Werbung soll zwar „emotionale Konsumerlebnisse“ verschaffen ein Produkt bereits lange existiert. Insgesamt kann man zwischen
(Kroeber-Riel 1992, S. 612), das heißt aber nicht, dass eine spe- vier Formen unterscheiden (Rippel 1990, S. 54 ff.):
19 zielle genau umrissene Emotion erzeugt werden soll. Der Emo- 1. Einführungswerbung: Das Produkt soll beim Verbraucher ein-
tionsbegriff im Marketing ist oft sehr unscharf, ▶ Abschn. 5.2 geführt werden. Der Verbraucher soll Interesse am Produkt
20 wird sich damit etwas intensiver beschäftigen. In vielen Fällen aufbringen und sich ein positives Urteil über das Produkt
jedenfalls vermittelt Werbung eher Stimmungen als Emotionen. bilden. Am Ende steht das Ziel, den Verbraucher als loyalen
Werbung soll „Normen und Modelle für das Konsumverhal- Kunden zu gewinnen.
21 ten“ bereitstellen (Kroeber-Riel 1992, S. 612). Dies geschieht zum 2. Durchsetzungswerbung: Im Vordergrund steht hier die Ab-
Beispiel dann, wenn die Werbung Verhaltensmöglichkeiten zeigt, grenzung gegen die Konkurrenz. Das Ziel ist, eine dauerhafte
22 die normal sind oder sein können. Gerade in solchen Fällen sozi- Präsenz auf dem Markt neben den Mitbewerbern zu sichern.
alisiert sie. Besonders prominent ist diese Funktion beim Beispiel 3. Verdrängungswerbung: Im Unterschied zur Durchsetzungs-
der AIDS-Prophylaxe, wo die Werbung sowohl hinsichtlich des werbung legt es die Verdrängungswerbung direkt darauf an,
23 Safer Sex als auch hinsichtlich des Umgangs mit HIV-Infizierten den Konkurrenten Marktanteile abzunehmen. Diese Strate-
Verhaltensweisen zeigt, die wahrscheinlich in dieser Form und gie wird notwendig, wenn der Markt eine Ausweitung nicht
mit dieser Selbstverständlichkeit noch nicht genug verbreitet sind. mehr zulässt, womöglich weil er gesättigt ist und zu viele
1.3 • Modelle der Werbewirkung
9 1

Stimulus Black Box Reaktion Stimulus Organismus Reaktion

.. Abb. 1.1  Behavioristisches Modell der S-R-Theorien. .. Abb. 1.2  Neobehavioristisches Modell der S-O-R-Theorien.

Angebote einer geringen und stagnierenden Nachfrage ge- Als Erklärung für ein Verhalten kommen also in den
genüberstehen. S-R-Theorien nur beobachtbare Stimuli in Frage. Differentielle
4. Expansionswerbung: Im Falle der Expansionswerbung ver- Personenunterschiede wie Einstellungen, Temperamentsmerk-
suchen die Anbieter neue Kunden zu gewinnen. Im Unter- male oder Motive sind allenfalls in ihren Auswirkungen zu be-
schied aber zur Verdrängungswerbung setzt die Expansions- obachten.
werbung voraus, dass es ansprechbare Konsumenten gibt, die Eine einfache Ableitung aus einer S-R-Theorie wäre die, dass
das Produkt noch nicht verwenden und die dem Markt neu die Werbung als ein Stimulus immer ein bestimmtes Kaufverhal-
hinzugewonnen werden können. ten als Reaktion hervorruft. Kommt es trotz Werbung nicht zum
Kauf, lag es am Stimulus. Man muss dann die Werbung so lange
verändern, bis sie das Verhalten quasi automatisch hervorruft.
1.3 Modelle der Werbewirkung Wegen ihrer Festlegung auf das beobachtbare Verhalten
nennt man S-R-Theorien auch behavioristisch. Die sogenannten
Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Vorstellungen darü- neobehavioristischen Ansätze haben ihre Scheu vor der Black
ber diskutieren, wie Werbung ihre Wirkung erreicht. Solche Mo- Box zum Teil aufgegeben. Hier wird zumindest zugestanden,
delle der Werbewirkung haben vier Funktionen (Moser 1997a, dass die Reaktionen auf gleiche Stimuli eben nicht immer gleich
S. 282 f.): ausfallen. Im reagierenden Organismus wirkt eine Reihe von in-
1. Sie erklären die Entstehung der Werbewirkung. Sie unter- tervenierenden Variablen, die ihrerseits erst bestimmen, wie ein
scheiden dabei auch oft verschiedene Ebenen der Werbe- Stimulus wirkt. Weil sie die Black Box durch einen immerhin
wirkung, und sie spezifizieren Bedingungen, unter denen erforschbaren Organismus ersetzt haben, bezeichnet man neobe-
bestimmte Wirkungen zu erwarten sind. havioristische Ansätze auch als S-O-R-Theorien (. Abb. 1.2).
2. Sie erlauben die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen. S-O-R-Theorien sind insofern unpraktisch, als streng ge-
Aus einem Werbewirkungsmodell lässt sich ableiten, wie nommen die Möglichkeiten des Anwenders lediglich darin be-
eine Vorlage gestaltet sein soll, damit der erwünschte Erfolg stehen, den Stimulus immer wieder zu verändern, bis die Reak-
möglichst wahrscheinlich ist. tion kommt, die man erreichen will. Andererseits funktioniert
3. Sie legen fest, welche Testmethoden für die Messung von Wer- menschliches Verhalten in vielerlei Hinsicht mechanisch. Ge-
bewirkung angemessen sind. Aus dem Modell geht dann zum rade die unbewussten und automatischen Prozesse des Verhal-
Beispiel hervor, ob die Erinnerung an das Produkt genügt, tens werden uns im Folgenden noch häufig beschäftigen, etwa
um Werbeerfolg festzustellen, oder ob andere Methoden bes- wenn es um evaluatives Konditionieren (▶ Abschn. 3.2), um den
ser geeignet sind. Effekt der bloßen Darbietung (▶ Abschn. 4.7.2), um Mimikry
4. Sie begründen Werbeziele. In dem Modell wird gesagt, worauf oder die automatische Aktivierung von Zielen (▶ Kap. 6) oder
es in der Werbekommunikation ankommt, ob zum Beispiel um implizite Assoziationen (▶ Abschn. 13.3) geht. Insofern wäre
Aufmerksamkeit, Verständnis der Werbebotschaft, Einstel- es sicher nicht gerechtfertigt, eine mechanistische Sicht auf das
lungsänderung oder andere Ziele erreicht werden müssen, Verhalten als veraltet zurückzuweisen.
um den Werbeerfolg sicherzustellen.

Im Folgenden soll eine Auswahl an zentralen und traditionellen 1.3.2 Hierarchische Modelle
Werbewirkungsmodellen diese vier Funktionen illustrieren. der Werbewirkung

Intervenierende Variablen, die die frühere Black Box füllen, wer-


1.3.1 Mechanistische Ansätze zur Erklärung den zum Beispiel in Stufen- oder hierarchischen Modellen der
des Konsumentenverhaltens Werbewirkung beschrieben. Diese Modelle stellen die Werbewir-
kung als das „geordnete Durchlaufen verschiedener Wirkungs-
In der Konsumentenpsychologie dominierte über lange Zeit ein stufen und -ebenen“ (Moser 1997a, S. 270) dar. Eine erfolgreiche
Denkmodell, das mit dem Oberbegriff S-R-Theorien bezeichnet Wirkung auf der unteren Ebene ist dabei Voraussetzung für das
wird. Hierbei steht S für „Stimulus“ und R für „Reaktion“ oder Erreichen der nächsthöheren Stufe.
„Response“. Die Grundidee hierbei war, dass ein Konsumverhal-
ten von bestimmten Reizen abhängt und dass man das Verhalten AIDA-Modell
erklären und vorhersagen kann, wenn man verstanden hat, von Eine der bekanntesten hierarchischen Modellvorstellungen zur
welchen Reizen es abhängt. Was sich zwischen Stimulus und Re- Werbewirkung ist das sogenannte AIDA-Modell. Darin wird eine
aktion abspielt, wurde dabei nicht berücksichtigt, sondern in die bestimmte Sequenz von Reaktionen und Verhaltensweisen unter-
berühmte Black Box verbannt, in der sich alle nicht beobachtba- stellt, die auf Werbung hin erfolgen soll. Die Buchstaben in AIDA
ren psychischen Phänomene sammelten (. Abb. 1.1). stehen für die einzelnen Elemente dieser Sequenz:
10 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

Definition 
psychologischen Ausdrucksweise heißt das dann: Das Verhalten
1 A Attention: Die Reaktion beginnt mit der Aufmerksam- wird auf positive Merkmale der Verhaltensfolgen „attribuiert“ –
keit. daher die Terminologie.)
2 I Interest: Wenn es zu einer aufmerksamen Reaktion In der Dissonanz-Attributions-Hierarchie wird also deutlich,
kommt, kann sich Interesse entwickeln. dass sich Einstellungen oft erst nachträglich an ein längst gezeig-
D Desire: Auf der Basis des Interesses wiederum muss sich tes Verhalten anpassen. Da es obendrein auch als dissonant erlebt
3 ein Wunsch nach dem Produkt entwickeln, damit es zum werden kann, wenn man ein Verhalten nur einmal und dann nie
letzten Element der Sequenz kommt. wieder zeigt, spricht auch einiges dafür, dass es zu Wiederholun-
4 A Action: Die Konsumhandlung wird vollzogen. gen, also einem Lerneffekt, kommt. Ausführlich werden diese
Phänomene in ▶ Kap. 11 diskutiert.
5 Eine dritte Hierarchie gilt, wenn die Konsumenten nur mit
Unklar ist an diesem Modell, ob es sich um ein deskriptives oder geringem Engagement an die Konsumentscheidung herantreten,
präskriptives Modell handelt (Moser 1997a). Wird hier beschrie- die Geringes-Involvement-Hierarchie (zum Begriff „Involvement“
6 ben, wie Werbung wirkt, oder wie sie wirken soll? Unter einer siehe ▶ Abschn. 5.6). Zunächst einmal lernen die Konsumenten
präskriptiven Perspektive ließe sich ableiten, dass ein Werbebei- durch ständige Wiederholung der Werbung. Die vielen Wieder-
7 trag möglichst mit dem Wecken von Aufmerksamkeit beginnen holungen sind nötig, denn das Interesse der Konsumenten ist
und mit einem Hinweis auf die Handlungsmöglichkeiten enden bei dieser Hierarchie nicht besonders hoch. Mangels Engage-
sollte. Dazwischen hätte dann das Wecken von Interesse und ment ergibt sich auch das Kaufverhalten direkt aus dem Lernen;
8 Wunsch stattzufinden, etwa durch eine persönliche Anspra- Einstellungen sind hierfür meist gar nicht nötig. Sollte es aber
che an die Adressaten und einen Appell an allgemeine Motive. – etwa in Form von Probekäufen – zu einer Verhaltensänderung
9 Hier gibt es durchaus eine Reihe von Situationen, in denen das kommen, kann sich immer noch eine Einstellungsänderung er-
AIDA-Modell passen würde. geben. Entweder führen die Erfahrungen mit dem Produkt zu
10 Versteht man das AIDA-Modell allerdings deskriptiv, muss den entsprechenden Einstellungen, oder die bereits oben zitier-
man feststellen, dass darin zu viel behauptet wird. Die folgenden ten Mechanismen der Dissonanzreduktion setzen ein, und das
Ausführungen werden zeigen, dass die unterstellte Grundvoraus- gewählte Produkt wird im Nachhinein aufgewertet.
11 setzung von Werbewirkung, nämlich die Aufmerksamkeit, nur . Tabelle 1.1 fasst die drei Modelle zusammen. Hierin werden
sehr selten erfüllt ist, dass es aber eine ganze Reihe von Wirkme- auch die Bedingungen genannt, die entscheiden, wann welches
12 chanismen gibt, die auf eine aufmerksame Rezeption von Infor- Modell gilt. Es kommt offenbar darauf an, ob die Rezipienten
mationen nicht angewiesen sind (siehe z. B. ▶ Kap. 4). involviert sind und ob die Produktalternativen deutliche Unter-
schiede aufweisen oder nicht.
13 Drei Hierarchie-von-Effekten-Modelle
Das AIDA-Modell unterstellt, dass Werbung immer auf eine
14 ähnliche Weise wirkt, was eigentlich unrealistisch ist. Aber auch 1.3.3 Zwei-Prozess-Modelle
wenn man diese Annahme aufgibt, ist es gleichwohl immer noch
15 möglich, Regeln, immer wiederkehrende Muster, der Werbewir- Offenbar ist eine der wichtigsten Weichen für die Werbewirkung
kung zu unterscheiden. Auch der Gedanke einer hierarchischen das Involvement, das wir hier der Einfachheit halber und vor-
Wirkung auf einzelnen Stufen muss nicht unbedingt aufgegeben läufig als eine Art von Aufmerksamkeit verstehen wollen (Nä-
16 werden. Ray (1973; Moser 1997a, S. 273 f.) unterscheidet drei heres zum Involvement-Begriff in ▶ Abschn. 5.6). Auch in den
verschiedene Modelle, die alle von einer bestimmten Effekt­ Zwei-Prozess-Modellen ist die alles entscheidende Frage, ob die
17 hierarchie ausgehen, bei denen aber die Reihenfolge und damit Rezipienten sich der Werbeinformation aufmerksam zuwenden
auch die entscheidenden Wirkmechanismen verschiedene sind. oder nicht. Je nachdem bewegen sie sich auf einem von zwei We-
Die vermutlich einfachste dieser Hierarchien ist die Lern­ gen der Beeinflussung, bzw. es setzt einer von zwei möglichen
18 hierarchie: Die Rezipienten erhalten Informationen über das Pro- Prozessen ein.
dukt, sie gewinnen daraufhin eine bestimmte Einstellung oder Bei hohem Involvement hängt die Kommunikationswirkung
19 Gefühlshaltung gegenüber dem Produkt und verhalten sich als ausschließlich an der Qualität der Argumente. Bei starken Argu-
Folge davon entsprechend. Nach dieser Idee resultiert das Ver- menten ist eine Einstellungs- und in der Folge eine Verhaltensän-
20 halten aus den Gefühlen und Einstellungen. derung zu erwarten, bei schwachen Argumenten nicht.
Die zweite Hierarchieform dreht diese Richtung um. In der Ist das Involvement niedrig, setzt der andere der beiden Pro-
Dissonanz-Attributions-Hierarchie ist das Verhalten die unabhän- zesse ein. Darin spielen für die Wirksamkeit andere Merkmale
21 gige und die Einstellung die abhängige Variable. Es zeigt sich als die Qualität der Argumente eine Rolle, zum Beispiel die Sym-
nämlich, dass nach einem Verhalten die Einstellungen sehr viel pathie für die Vorführung und die Häufigkeit der Darbietung
22 eher zu dem Verhalten passen als davor. Die Tatsache, sich so und (Moser 1997a, S. 277). Es ist sogar möglich, dass bei geringem
so verhalten zu haben, schafft offenbar vor sich und anderen den Involvement (also auch bei geringem allgemeinem Interesse an
Druck zur Rechtfertigung. Ein unvernünftiges Verhalten würde der Kaufentscheidung) das Verhalten gezeigt wird, ohne dass es
23 als dissonant erlebt, daher werden positive Merkmale, die sich eine starke Einstellung hierzu gibt. Trotzdem kann sich hier in
aus dem Verhalten ergeben, aufgewertet. Mit diesen positiven der Folge die Einstellung ändern, nachdem sich das Verhalten
Merkmalen erklärt sich eine Person ihr eigenes Verhalten. (In der geändert hat (siehe oben). Ein prominentes Zwei-Prozess-Modell
1.3 • Modelle der Werbewirkung
11 1

.. Tab. 1.1  Die drei Hierarchie-von-Effekten-Modelle. (Moser 1997a, S. 273, Tab. 2; in Anlehnung an Ray 1973)

Lernhierarchie Dissonanz-Attributions-Hierarchie Geringes-Involvement-Hierarchie

(learn – feel – do) (do – feel – learn) (learn – do – feel)

Wenn Rezipienten involviert sind und Wenn Rezipienten involviert sind und Wenn Rezipienten wenig involviert sind und

Wenn Alternativen klar unterscheidbar sind Wenn Alternativen kaum unterscheidbar sind Wenn Alternativen kaum unterscheidbar sind

1. Lernen 1. Verhaltensänderung 1. Lernen


2. Einstellungsänderung 2. Einstellungsänderung 2. Verhaltensänderung
3. Verhaltensänderung 3. Lernen 3. Einstellungsänderung

aus der Persuasionsforschung, das Modell der Elaborationswahr- schn. 3.3.1), allerdings muss hier schon davor gewarnt werden,
scheinlichkeit, wird in ▶ Abschn. 14.1.1 vorgestellt. dass er – gerade im Marketing – eine etwas inflationäre Ver-
Zwei-Prozess-Modelle sind in der Psychologie allerdings wendung findet. Überzeugen Sie sich selbst davon, indem Sie
generell sehr populär (z. B. Chaiken und Trope 1999), und es zum Beispiel im Internet dem Begriffspaar „Implicit Marketing“
werden verschiedene Prozesspaare diskutiert, deren Wirksamkeit nachspüren. Tatsächlich ist ja bereits die Kombination der Wör-
nicht nur vom Involvement abhängt. Weitere Beispiele sind etwa ter missverständlich, denn streng genommen würde implizites
das Modell der impulsiven und reflektiven Verhaltenssteuerung Marketing eine Form des Marketings sein, die sozusagen nur er-
von Strack und Deutsch (2004; für eine Anwendung auf das schlossen werden kann, die aber als solche nicht auftritt. Gemeint
Konsumentenverhalten vgl. Strack et al. 2006), das Modell der ist freilich etwas anderes, nämlich: Marketing auf der Grund-
dualen Einstellungen von Wilson et al. (2000), die Differenzie- lage bzw. unter Berücksichtigung impliziter mentaler Prozesse.
rung zwischen assoziativen und propositionalen Prozessen der Und diese Idee hat bereits eine Menge Anwendungen gefunden,
Einstellungsbildung (Gawronski und Bodenhausen 2006) oder wenn sie auch häufig nicht die Psychologie, sondern eher die
die Unterscheidung von zwei Systemen der Verhaltenssteuerung, Hirnforschung als „Paten“ anzusehen scheint (z. B. Scheier und
System 1 und System 2 (Stanovich und West 2000), das von Kah- Held 2007). Auch von der Rolle der Hirnforschung zum Ver-
neman (2011) aufgegriffen und damit einem breiteren Publikum ständnis impliziter Informationsverarbeitung wird noch zu reden
bekannt gemacht wurde. sein (▶ Abschn. 1.8.2). Zunächst soll es genügen, die Zwei-Pro-
Entscheidend an den meisten dieser Zwei-Prozess-Modelle zess-Modelle als eine besonders zentrale Modellvorstellung zur
ist, dass sie einen automatischen Modus der Verhaltenssteuerung Werbewirkung herauszustellen, die wohl am ehesten den State
unterstellen, der keine bewusste Steuerung braucht und dessen of the Art darstellt.
Wirkung vom handelnden Subjekt oft gar nicht bemerkt wird.
Dieser Verhaltensmodus gilt als sehr effizient – eben weil er ja au-
tomatisch funktioniert – und hat deshalb häufig Vorrang gegen- 1.3.4 Die Vielfalt der Modelle
über der bewussten Verhaltenssteuerung, dem zweiten der bei-
den Prozesse. Was von diesem System der Verhaltenssteuerung Sie sollten die Vielfalt der Modelle, von denen ich oben nur ei-
ausgelöst und gesteuert wird, ist meist nicht direkt beobachtbar nen kleinen Ausschnitt gezeigt habe, nicht als einen Nachteil
bzw. lässt sich nicht an Versuchspersonen „abfragen“ – es muss betrachten. Die Techniken, mit denen Werbung auf unser Ver-
vielmehr indirekt gemessen und erschlossen werden (z. B. durch halten wirkt, sind allein schon deshalb schwer unter einen Hut
Reaktionszeitexperimente oder neurologische Messungen). Da- zu bringen, weil Werbung auf verschiedene Aspekte unseres Ver-
her kommt die weit verbreitete Redeweise von „impliziten Pro- haltens wirkt. Eine wesentliche Unterscheidung ist zum Beispiel
zessen“, „implizitem Erinnern“, „impliziten Einstellungen“ und die zwischen kontrollierten und überlegten Verhaltensweisen auf
so weiter. der einen Seite und automatisierten bzw. reflexartigen Verhal-
Die Unterscheidung dieser zwei Prozesse ist wie gesagt bei- tensweisen auf der anderen Seite. Das Kaufverhalten besteht aus
nahe ein Leitmotiv der Psychologie – eigentlich schon seit den beidem, aus kontrollierten und überlegten ebenso wie aus auto-
Zeiten von Sigmund Freud, später dann zunächst in der kogni- matisierten Abläufen. Für verschiedene dieser psychologischen
tiven Psychologie, bis sie dann in den 1980er und 1990er Jahren Vorgänge gibt es unterschiedlich sinnvolle Werbetechniken und
von der Sozialpsychologie aufgegriffen wurde (einen historischen -strategien, die von unterschiedlichen Modellen beschrieben
Überblick geben Payne und Gawronski 2010). Der Unterschied werden. Die verschiedenen psychologischen Abläufe sind Thema
und das Wechselspiel zwischen automatischen und kontrollierten dieses Buches.
Prozessen der Informationsverarbeitung prägt in der Psychologie Die Vielfalt der Werbung wird oft außer Acht gelassen, ge-
die Vorstellungen über die unterschiedlichsten Formen des Ver- rade dann, wenn Kritik an der Werbung geübt wird oder wenn
haltens (Gawronski und Payne 2010); das Konsumentenverhalten die Werbung sich gegen solche Kritik verteidigt. Die Diskussion
ist nur eine davon. um die Werbung krankt sehr häufig daran, dass verschiedene
Der Begriff des Impliziten hat sich mittlerweile nicht nur in Erscheinungsformen der Werbung über einen Kamm geschoren
der Konsumentenpsychologie (Felser 1997), sondern auch da- werden. Werbung ist ein sehr vielfältiges Phänomen, und es lohnt
rüber hinaus etabliert. Was er genau bezeichnet, wird in spä- sich zum besseren Verständnis, Unterschiede auch zwischen sol-
teren Kapiteln des Buches noch diskutiert (vor allem in ▶ Ab- chen Beispielen zu vermuten, die oberflächlich betrachtet gleich
12 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

aussehen. Ein Gedanke, der alle folgenden Kapitel durchzieht, In einer anderen Bedingung wurden dieselben Produkte mit dem
1 ist: Nicht alles, was gleich aussieht, sollte auch in derselben Weise Hinweis beworben, es sei kein Rezitin enthalten. Dies hatte zur
beschrieben werden. Folge, dass Rezitin als Nachteil angesehen und sein Fehlen als ein
2 Vorzug des jeweiligen Produkts gewertet wurde.
Allem Anschein nach kann man also ein Produkt allein schon
1.4 Konzepte und Begriffe dadurch aufwerten, dass man bei ihm das Fehlen einer beliebi-
3 zur Werbegestaltung gen schädlichen Zutat hervorkehrt. Wänke et al. (2008) nutzten
eine fiktive Zutat, um Einflüsse des Vorwissens ihrer Probanden
4 In den folgenden Abschnitten werden verbreitete Begriffe vor- ausschließen zu können. Tatsächlich sind aber viele Hinweise auf
gestellt, die den Aufbau und die Technik der Werbung charak- tatsächliche Produkteigenschaften für die Konsumenten nicht
5 terisieren. wesentlich informativer als diese fiktive Zutat. Wer weiß schon,
was Sophorin in der Gesichtscreme oder Catechine im Tee sind?
Normalerweise führt die bloße Erwähnung der jeweiligen Eigen-
6 1.4.1 USP-Formel schaft dazu, dass man sie eher für einen Vor- als einen Nachteil
hält. Wenn aber zum Beispiel der Juwelier einen „Diamant mit
7 Ein besonderes Merkmal des Aufbaus ist die Unique Selling Pro- Inklusion“ bewirbt, trifft diese Erwartung keineswegs zu. Inklu-
position (USP-Formel, nach Reeves 1961). Nach dieser Strategie sion bedeutet bei einem Diamanten „Verunreinigung“, aber wer
geht es darum, in der Werbung nur ein einziges Argument he- weiß das schon? Ich jedenfalls hätte es vor dem Schaufenster
8 rauszustellen. Einige Beispiele aus der Werbung, bei denen das noch nicht gewusst und demnach die Inklusion genauso gut für

9
-
USP-Prinzip sehr gut funktioniert hatte (Clark 1989, S. 48):
M&M’s der Firma Mars: „Schmilzt im Mund, nicht in der
einen Vorteil halten können (Beispiele nach Wänke und Reutner
2010, S. 187).

10 - Hand.“
BIC-Kugelschreiber: „Er schreibt jedes Mal wie das erste
Die Absicht der USP-Strategie besteht auch nicht allein darin,
einen Aspekt des Produkts hervorzuheben, der bisher verborgen

11 -- Mal.“
Navy: „Es ist nicht nur ein Job, es ist ein Abenteuer.“
Exquisa: „… keiner schmeckt so gut wie dieser …“
geblieben ist. Im Zentrum steht das Ziel, die Werbebotschaft ein-
facher, klarer, prägnanter, eingängiger und vor allem „schneller“
zu machen.
Die Fähigkeit zu dieser Strategie wird in der Werbebranche
12 Günstig ist es, wenn die USP ein Merkmal hervorhebt, das das als eine Stärke gewertet:
Produkt von allen Konkurrenten unterscheidet. Am besten sollte
13 es also ein Merkmal sein, das kein Konkurrent vorzuweisen hat. » Wichtige Voraussetzung für schnelles Verständnis ist die Be-
Wenn es ein solches Merkmal nicht gibt, dann ist die zweitbeste schränkung auf eine zentrale Information. […] Es gibt kaum
Option, ein Merkmal herauszuheben, das das Produkt in be- eine Kommunikations-Regel, über die so große Einigkeit
14 sonderer Weise und besser als die anderen bietet. Es gibt aber herrscht. Es gibt aber auch kaum eine Kommunikations-Re-
auch noch eine dritte Möglichkeit, die erfahrungsgemäß nicht gel, gegen die so oft verstoßen wird. Warum? Man unterliegt
15 chancenlos ist: Eines der frühesten berichteten Beispiele für eine immer wieder dem Denkfehler: „Viel hilft viel.“ Zweifellos […]
USP-Formel war nämlich bei näherem Hinsehen eine Trivialität: erscheint [es] sicherer, vier oder fünf Argumente anzuführen
Der amerikanische Werbetexter Claude Hopkins stellte bei der als ein einziges. Klare Entscheidungen zu treffen ist nicht
16 von ihm betreuten Brauerei heraus, dass sie ihre Bierflaschen jedermanns Stärke. Statt dessen betreibt man Werbung „mit
durch Dampf sterilisierten und keimfrei machten. Dies machte Netz und doppeltem Boden“. (Meyer-Hentschel Managment
17 er zum zentralen Verkaufsargument – ohne freilich damit be- Consulting 1993, S. 157)
haupten zu können, das sei bei dem Unternehmen etwas Beson-
deres oder Einzigartiges. Genau dasselbe Reinigungsverfahren In Ausnahmefällen können auch mehrere Merkmale als USP
18 wurde von jeder anderen Brauerei auch angewandt (Rippel 1990, eingesetzt werden. In diesen Fällen ist es allerdings günstig,
S. 52 f.). An dieser Stelle profitiert das Marketing von einer men- wenn diese Merkmale aufeinander verweisen oder zumindest
19 talen Grundhaltung der Rezipienten, die in einer Kommunika- hoch verträglich sind. Zum Beispiel hat Volvo lange Zeit mit
tionssituation stets unterstellen, dass relevante Informationen den Merkmalen „Sicherheit“ und „Langlebigkeit“ geworben
20 ausgetauscht werden (Grice 1975). Wenn also die Einzigartig- (Meyer-Hentschel 1996, S. 52) – zwei Merkmale, die durchaus
keit des Produkts nicht explizit behauptet wird, so geht doch der zueinander passen.
Empfänger der Werbebotschaft davon aus, dass das mitgeteilte
21 Produktmerkmal nicht völlig trivial, ja sogar dass es besonders
vorteilhaft ist. Wänke, Reutner und Friese (2008; zit. n. Wänke 1.4.2 Erlebniswert und Zusatznutzen
22 und Reutner 2010, S. 187) zeigten ihren Probanden unterschied-
liche Produkte, mit dem Hinweis, sie enthielten die (fiktive) Zutat Mit dem Begriff des Zusatznutzens ist gemeint, dass bei einem
Rezitin. In einer späteren Befragung gaben die Probanden stets Produkt nicht der eigentliche Gebrauchswert hervorgekehrt
23 an, dass diese Zutat für das jeweilige Produkt einen Vorteil dar- wird, sondern ein Nutzen, der nicht zentral ist, aber mit dem
stellte. Wenn also eine Hautcreme beworben wurde, stimmten Produkt einhergeht. Typische Fälle von Zusatznutzen sind zum
die Probanden eher der Aussage zu, dass Rezitin die Haut pflege. Beispiel das Prestige, das mit einem Produkt verbunden ist, sein
1.4  •  Konzepte und Begriffe zur Werbegestaltung
13 1

„Drumherum“, etwa sein Design. Träger des Zusatznutzens ist Das physische Design ist freilich ein wichtiger erster Schritt;
meist die Marke. damit kann man bereits Assoziationen und Gedanken der Kon-
Viele Konsumenten erwarten von den Produkten einen sumenten lenken. Ein weiterer Schritt wäre etwa die Personali-
Beitrag zu ihrem eigenen Lebensstil. Produkte mit einem klar sierung: Das Produkt soll einen Namen haben, dann ist es zum
beschriebenen Gebrauchswert werden zunehmend unattraktiv Beispiel keine Uhr mehr, sondern eine Swatch. Noch besser ist
und durch Angebote ersetzt, die einen zusätzlichen „Erlebnis- es, wenn weitere menschliche Merkmale hinzukommen – so-
wert“ bieten. Dieser Bedarf wird zum Beispiel daran deutlich, fern sich das von der Logik her anbietet. Meyer-Hentschel (1996,
dass immer weniger Menschen einfache Schwimmbäder und S. 58 f.) zitiert als genialen Fall von Mental Design die Filmfigur
immer mehr Menschen sogenannte Erlebnisparks besuchen E.T. Die Handlung des Films macht nicht viel her, Eindruck hat
(Kroeber-Riel 1992, S. 111 ff., 1993b, S. 21). vor allem die außerirdische Filmfigur gemacht: E.T. tritt mensch-
Wie steht es nun um die Objektivität eines Zusatznutzens, lich auf, er hat einen Charakter – und entspricht zudem einer
wenn er einmal geschaffen ist? Wenn man versucht, verschie- Alien-Version des Kindchenschemas.
dene Zigarettenmarken zu unterscheiden, wird es bei gleichen
Schadstoffwerten bei den meisten Marken nicht gelingen, einen
geschmacklichen Unterschied festzustellen. Raucher können 1.4.4 Techniken der Fernsehwerbung
diesen Test leicht selbst durchführen. Fragen Sie sich selbst: Was
bringt Raucher dazu, eher die eine als die andere Marke zu wäh- Werbebotschaften werden unterschiedlich eingekleidet. Werfen
len? Glauben Sie, sie hätten die verschiedenen Marken probiert? wir einmal einen kurzen Blick in die Garderobe der Fernsehwer-
Wohl kaum. Was hier gewählt wird, ist ein Zusatznutzen, ein bung. Dort können wir mindestens neun verschiedene Grund-
Image, ein Erlebniswert (vgl. auch Ogilvy 1984, S. 14). Wenn techniken unterscheiden (Shimp 1976; Kotler und Bliemel 1995,
nun viele Konsumenten in der Wahrnehmung unterschiedli- S. 968 f.):
cher Erlebniswerte übereinstimmen, dann wird die Annahme 1. Slice of Life: Bei dieser Technik sieht man Menschen in ih-
einer objektiven Gleichwertigkeit der Produkte problematisch. rem Alltag, die das Produkt verwenden, zum Beispiel die Ra-
Gerade von einem psychologischen Blickwinkel wird man sagen ma-Familie beim Frühstück oder der alleinerziehende Vater
müssen: Die Produkte verschiedener Marken können sich auch bei Melitta.
dann objektiv voneinander unterscheiden, wenn der Unterschied 2. Lifestyle: Es wird herausgekehrt, dass ein Produkt besonders
ohne Kenntnis der Marke nicht feststellbar ist (z. B. Allison und gut zu einem bestimmten Lebensstil passt. Darunter fällt zum
Uhl 1964). Diese Überlegung wird auch durch die neurologi- Beispiel die Werbung für Diebels Alt, einige Süßwaren, etwa
sche Forschung untermauert: So bevorzugen Konsumenten zwar Bounty, Ferrero Rocher oder Raffaello, und viele Light-Pro-
im Blindtest Pepsi vor Coca-Cola (so jedenfalls wird es im Pepsi dukte, zum Beispiel Du darfst, Weight Watchers, Krönung light
Challenge behauptet; ▶ http://en.wikipedia.org/wiki/Pepsi_Chal- oder Yogurette, weiterhin Beck’s oder Jever-, Actimel, der Nis-
lenge, Abruf  14.2.2013), diese Präferenz kehrt sich aber um, san Juke, Milchschnitte und Landliebe.
wenn die Marke bekannt ist. Nun zeigen aber zum Beispiel Mc- 3. Traumwelt: Eine im Grunde irreale Szenerie wird um das
Clure et al. (2004), dass sich die neuronalen Erregungsmuster, Produkt aufgebaut, zum Beispiel die Punica-Oase, in die der
die den Konsum von Coca-Cola mit und ohne Markenkenntnis Zuschauer direkt entführt werden kann (ähnlich Fanta Bam-
begleiten, wesentlich unterscheiden. Dies könnte dafür sprechen, bucha).
dass in der Tat durch das Wissen um die Marke und damit durch 4. Stimmungs- oder Gefühlsbilder: Es werden nur sehr stim-
die Aktivation des Erlebniswerts ein objektiv anderes Produkter- mungsvolle Bilder gezeigt, ohne dass irgendeine Aussage zum
leben erzeugt wird. Produkt getroffen wird. Das bekannteste Beispiel hierzu ist
der Marlboro-Cowboy.
5. Musical: In solchen Spots dominiert die Musik. Meistens wird
1.4.3 Mental Design dabei gesungen, allerdings nicht immer (z. B. im Fall von Li-
cher-Bier, wo eine Melodie aus „Peer Gynt“ ohne den Gesang
Hinter der Idee des Mental Design steht die Absicht, ein Produkt gespielt wird). Ein Beispiel für einen gesungenen Spot ist die
nicht nur physisch, sondern auch mental, im Kopf der Konsu- Kaffeewerbung für Krönung light, für Beck’s („Sail away“) oder
menten zu gestalten. Mentale Gestaltung sollte also den oben für Merci („Merci, dass es dich gibt“).
zitierten Effekt zur Folge haben, nämlich dass das Produkt ohne 6. Persönlichkeit als Symbolfigur: Um das Produkt ist eine zen-
weitere physische Veränderung gleichwohl für die Konsumenten trale Persönlichkeit entstanden, die als Repräsentant einge-
eine andere Qualität bekommt. setzt wird. Diese Persönlichkeiten können real (z. B. Klemen-
Die Mittel hierzu decken sich zum Teil mit denen, die man tine, der ERGO-Direkt-Mann) oder künstlich (z. B. Meister
zum Aufbau einer Markenidentität einsetzt. Entsprechend nennt Proper, Bärenmarke-Bär; Schwäbisch-Hall- oder Spee-Fuchs)
Meyer-Hentschel (1996, S. 59) das Mental Design ein „Instru- sein.
ment zur Feinsteuerung des Markenimages“. Diese Feinsteuerung 7. Technische Kompetenz: Im Mittelpunkt steht die Behauptung,
könne man auch nicht aufgeben, wenn die Markenidentität erst in der Produktkategorie konkurrenzlos gut zu sein. Die tech-
einmal besteht, denn ohne Pflege eines Mental Design könne nische Kompetenz wird oft aus Argumenten abgeleitet. Oft
auch jedes Markenprodukt sehr schnell wieder als austauschbar sind aber Argumente gar nicht nötig. Aus einem Spruch wie
erlebt werden. „It’s a Sony“ spricht in diesem Sinne eine geradezu unver-
14 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

schämte Überzeugung von der eigenen Überlegenheit (ähn- Manche Werbeformen können dabei von vornherein mit
1 lich „With Canon you can“, „O2 can do“ oder „The ultimate größerer Aufmerksamkeit rechnen als andere: Das Plakat in der
driving machine“ von BMW). U-Bahn wird höchstwahrscheinlich länger betrachtet als das am
2 8. Wisenschaftlicher Nachweis: Man weist auf wissenschaftliche Straßenrand, der Spot im Kino erhält größere Aufmerksamkeit
Erkenntnisse hin, die eine Überlegenheit des eigenen Pro- als der im Fernseher. Diese Unterschiede sind für die Verarbei-
dukts begründen. Elmex-Zahngel zeigt das mit einem Säure- tung der Werbung von großer Bedeutung. Sie sollten daher ei-
3 schutztest: Ein Ei wird drei Minuten lang in einen Eierbecher gentlich bei der Gestaltung berücksichtigt werden, was allerdings
gelegt, der mit Elmex-Gelee gefüllt ist. Danach wird das Ei nur selten geschieht (vgl. auch Lachmann 2003).
4 abgespült und in einen Becher mit Essig gegeben. Auf der Die Verquickung von Werbung mit anderen Elementen des
unbehandelten Fläche der Eierschale bilden sich Bläschen, täglichen Lebens geht besonders weit, wenn es um Kinder als
5 die die Auflösung der Schale durch die Säure anzeigen (Vgl. Zielgruppe geht. Zum einen verfügen Kinder über eine beach-
auch ▶ http://www.gaba-dent.de/htm/480/de_DE/elmex-ge- tenswerte Kaufkraft. Zum anderen können Werbungtreibende
lee-Saeureschutz-Test.htm?Subnav2=Fluorides&Article=17661; an dieser zahlungskräftigen Zielgruppe spezifisch kindliche
6 Abruf 6.3.2013). Oft genügt aber auch hier nur der entspre- Schwachstellen ausnutzen.
chende Kontext, etwa der Mann mit grauen Schläfen im Besonders erfolgversprechend scheint auch die Werbung im
7 weißen Kittel oder der einleitende Spruch „Neues aus der Internet (z. B. Newsletter, E-Mail-Werbung, Bannerwerbung,
Blend-a-med-Forschung“ (ähnlich die Herren im Laborkittel, Online-Werbevideos, individualisierte Werbung am Seitenrand)
die Zahnbürsten (Oral-B) oder Shampoo anpreisen, z. B. Dr. zu sein – nicht unbedingt immer für die Absender der Werbung,
8 Adolf Klenk von Alpecin). aber die Betreiber von Webseiten können mit Werbung viel Geld
9. Testimonial-Werbung: Eine glaubwürdige Person spricht sich verdienen. Zum Beispiel „knackte“ Google in 2012 erstmals die
9 für das Produkt aus. Dabei kann es sich um eine bekannte 50-Milliarden-Dollar-Gewinnmarke, was laut einem Bericht von
Persönlichkeit handeln, zum Beispiel um Thomas Gottschalk, N24 (▶ http://www.n24.de/news/newsitem_8542720.html) haupt-
10 der für Haribo, oder Johannes B. Kerner, der für Gutfried sächlich auf eingebettete Werbung auf der Seite zurückzuführen ist.
wirbt, oder generell um populäre Sportler (Boris Becker, die Betrachten wir im Folgenden einige Beispiele für Werbe-
Fußball-Nationalmannschaft), die für Nutella werben. Dies formen aus verschiedenen Bereichen (z. B. Baacke et al. 1993,
11 wären dann Star-Testimonials. Eine andere Kategorie bil- S. 55 ff.).
den die Experten-Testimonials, etwa Dr. Best, als Experte für
12 Zahnbürsten, die Köchin im Maggi-Kochstudio, der Monteur
als Fachmann für die Verkalkung von Waschmaschinen, der 1.5.1 Blockwerbung
Hundezüchter als Experte für Hundefutter und sogar der
13 Italiener als Experte für Espresso (Mayer 2000, S.  167 f.). Mit Blockwerbung ist die Fernsehwerbung neben dem Pro-
Es kann aber auch einfach eine Person wie du und ich sein, gramm gemeint. Innerhalb eines umrissenen Blocks werden
14 die besonders gut zur Identifikation taugt (z. B. die Knop- Spots ausgestrahlt, oft, indem sie ein anderes gerade laufendes
pers-Konsumenten morgens um halb zehn in Deutschland Programm unterbrechen. Wenn es gelingt, einen Bezug zwi-
15 oder die Fielmann-Werbung mit bewusst unprofessioneller schen dem Programm und der Werbung herzustellen, spricht
Tonqualität und offenkundig ungeschulten Darstellern). Vor man von Narrow Casting. Bei dieser Methode hofft man, dass
allem die letztere Version mit einem „typischen Produktver- die Zuschauer des speziellen Programms ein Grundinteresse am
16 wender“, den Laien-Testimonials, scheint besonders effektiv Thema des Programms mitbringen und folglich auch einer the-
zu sein (Laskey et al. 1994). matisch ähnlichen Werbung gegenüber offener sind. Eine Form
17 der Blockwerbung ist die sogenannte Moderatorenwerbung.
Damit ist eine Werbesendung gemeint, die wie eine Nachrich-
1.5 Verschiedene Werbeformen tensendung aufgemacht ist. Ein Moderator vermittelt zwischen
18 verschiedenartigen Werbeinformationen. Die Atmosphäre wird
Werbungtreibende sind „auf unermüdlicher Suche nach neuen betont sachlich gehalten. Hier soll der Eindruck nüchtern-kom-
19 Werbeträgern“ (Kotler und Bliemel 1995, S. 980 f.). So wird der petenter Informationsvermittlung gegeben werden. Innerhalb
Verkaufsort selbst, der Point of Purchase (POP) oder Point of Sale der Blockwerbung werden häufig „Tandemspots“ eingesetzt.
20 (POS), durch großes Displaymaterial zur Werbung genutzt. Sogar Dabei wird zunächst ein Basisspot mit der vollständigen Wer-
der geflieste Boden eines Supermarktes kommt als Werbeträger bebotschaft geschaltet. Nach einigen anderen Spots folgt dann
in Frage. Einkaufswagen tragen bereits aktuelle Werbebotschaf- der Reminder, eine Kurzversion zur vorgeschalteten Basis. Der
21 ten, die in einigen Fällen nicht auf Schildern, sondern auf inte- Vorteil dieses Vorgehens liegt vor allem in der besseren Erinne-
grierten Computerbildschirmen dargeboten werden. Auch die rungsleistung durch die Wiederholung (Fahr 1996).
22 Wartezimmer von Ärzten bieten sich zu gezielter Werbung an.
Weil sie warten müssen, lesen viele Menschen dort Zeitschriften,
die sie sonst nicht lesen würden. Wenn der Arzt nun darauf ver- 1.5.2 Sponsoring
23 pflichtet werden kann, nur bestimmte Magazine auszulegen, lässt
sich dadurch ein Wettbewerbsvorteil erzielen (zu den Beispielen Ein Unternehmen beteiligt sich an den Kosten einer Veranstal-
vgl. Kotler und Bliemel 1995, S. 980 f.). tung von allgemeinem Interesse und sorgt dabei dafür, dass sein
1.5  •  Verschiedene Werbeformen
15 1

Name erwähnt wird. Im deutschen Fernsehen wurde das Spon- die gesamten Finanzmittel allein einstecken. Die Hälfte aller
soring im großen Stil etwa für die Olympischen Spiele oder die Ausgaben für das Sponsoring muss in Begleitmaßnahmen wie
Fußball-Weltmeisterschaft eingesetzt. Seit der Rundfunkstaats- Öffentlichkeitsarbeit investiert werden.
vertrag 1994 geändert wurde, ist es im öffentlich-rechtlichen Am weitesten verbreitet ist Sportsponsoring (worin mit über
Fernsehen erlaubt, dass sich die Sponsoren zu Anfang und zum 77 % der Fußball den größten Anteil hat). Es folgen Kunst und
Ende eines Programms zu erkennen geben. Der Sponsor handelt Kultur und – mit deutlichen Zuwächsen im Untersuchungsjahr
dabei im Interesse seines Unternehmens, die Förderung der je- 2008 – Bildungs- und Soziosponsoring (Hermanns 2008).
weiligen Aktivität ist nur ein Nebeneffekt. Sponsoring unterliegt Empirische Kontrolle von Sponsoringaktivitäten ist aller-
dem Prinzip „Leistung und Gegenleistung“. Das unterscheidet dings eher die Ausnahme als die Regel: Über zwei Drittel aller
einen Sponsor zum Beispiel von einem „Mäzen“. Veranstaltungen werden nicht qualitativ evaluiert. Veranstalter
In der letzten Zeit ist sogenanntes Öko- und Soziosponsoring und Sponsoren gaben 2009 ca. ... 4,2 Mrd. für Sponsoring ... al-
populär geworden. „Ob Pflege und Aufforstung des Regenwaldes leine in Deutschland aus und stellen dabei noch nicht einmal die
am Amazonas (Daimler-Benz), die Renaturierung geschundener Frage, wofür eigentlich?" (Castan 2011, S. 8).
Skihänge im Allgäu (Allianz) oder Hege der Kolbenente im Woll- Die vorliegenden Untersuchungen lassen aber durchaus er-
matinger Ried (Lufthansa) – deutsche Konzerne denken nicht warten, dass Sponsoring grundsätzlich geeignet ist, den Bekannt-
nur an den Profit. Öko- und Soziosponsoring ist für sie Teil der heitsgrad eines Unternehmens zu erhöhen und vom Image der
Unternehmens-Gesamtkommunikation. Deren Motto lautet: Tu gesponserten Veranstaltung, Person oder Ähnlichem zu profi-
Gutes und rede darüber“ (Bottler 1995, S. 53). Dabei haben die tieren. Außerdem geht man davon aus, dass Sponsoring noch
Konzerne es keineswegs leicht, über ihre Sponsoringaktivitäten effektiver ist, wenn es mit anderen Instrumenten der Marke-
zu reden, denn eine direkte Werbung mit dem Sponsoring ist tingkommunikation kombiniert wird (für einen Überblick vgl.
nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb untersagt Hermanns et al. 2007; Kahle und Riley 2004).
(Bottler 1995, S. 55). Zu den besonderen Vorteilen des Sponsorings zählt nicht
Wird von einem Unternehmen eine Stiftung eingerichtet, zuletzt, dass die Unternehmen ihre Zielgruppen in nicht kom-
darf ebenfalls „nicht ein einziger Pfennig für Werbezwecke aus- merziellen Situationen anspricht, die gleichwohl eine hohe gesell-
gegeben werden“ (Bottler 1995, S. 54). Um trotzdem den posi- schaftliche und emotionale Relevanz besitzen (z. B. Sport- oder
tiven Imagetransfer von der Stiftung zum Unternehmen zu ge- Kulturereignisse). Hierbei können Zielgruppen erreicht werden,
währleisten, bleibt in erster Linie eine Namensentsprechung von die klassische Werbung kaum rezipieren (Hermanns et al. 2007).
Stiftung und Unternehmen. Unternehmen versuchen durch ihre
Sponsoringaktivitäten nicht, Produkte zu verkaufen. Vielmehr
dienen diese Projekte dem Ziel „Glaubwürdigkeit und Vertrauen 1.5.3 Product Placement
[zu schaffen]“ (H. A. Hartwig; zit. n. Bottler 1995, S. 54). Die
Öffentlichkeit registriert das Engagement der Unternehmen. Die In vielen Film- und Fernsehproduktionen werden im Rahmen der
Firma erhält ein bestimmtes Profil und eine positive Bewertung. Spielhandlung tatsächlich existierende Produkte verwendet und
Für das Engagement in ökologischen oder sozialen Projekten gilt deutlich gezeigt. Von Product Placement im engeren Sinne spricht
aber: „Höchstens fünf Jahre – dann ist die öffentliche Wirkung man eigentlich erst, wenn das Zeigen des Produkts über das Maß
verpufft“ (P. Philipp; zit. n. Bottler 1995, S. 54). hinausgeht, das unverzichtbar ist, um eine natürliche Situation
Das Debakel des Shell-Konzerns, der im Juni 1995 mit dem darzustellen. Es ist dem Product Placement zu verdanken, dass so
Versuch scheiterte, eine gebrauchte Ölplattform im Meer zu viele von uns wissen, welches Auto in 2 Fast 2 Furious oder von
versenken, hat die Praktiker des Ökosponsorings vorsichtig ge- James Bond gefahren werden (Baacke et al. 1993, S. 59). Manch-
macht. mal werden in einem Film bestimmte Produkte so konsistent
eingesetzt, dass man sich später noch daran erinnern kann. Zum
» „Niemand sponsert ungestraft“, warnt Bernhard Bauske, Beispiel ist Homer Simpsons Stammmarke Duff Beer so gut wie
Umweltbeauftragter beim Worldwide Fund for Nature (WWF): jedem Zuschauer der Simpsons bekannt – interessanterweise ist
„Das Engagement von Unternehmen, die in Umweltskandale diese Marke für die Serie geschaffen worden und wird seitdem in
verwickelt sind, fällt nicht nur negativ auf die gesponserte (mehr oder weniger) lizensierten Versionen von unterschiedlichen
Organisation, sondern auch auf das Unternehmen selbst Brauereien angeboten. Weitere Beispiele für Product Placement
zurück.“ […] Glaubwürdigkeit ist entscheidend für gemeinnüt- bilden die Filme Keinohrhasen und Zweiohrküken von Til Schwei-
ziges Sponsoring. „Umweltgerechte Unternehmensführung ist ger (unterstützt von Mercedes-Benz) oder SOKO Leipzig (BMW).
Pflicht, Umweltsponsoring dagegen die Kür“, lautet daher das Eine interessante Facette dieser Werbeform ist der touristi-
Credo von [Lufthansa-Chef ] Jürgen Weber (Bottler 1995, S. 53). sche Werbeeffekt, der von Serien wie Die Schwarzwaldklinik, Der
Bulle von Tölz, Forsthaus Falkenau, Die Bergretter, Küstenwache
Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 entfallen durch- oder Das Haus am Wörthersee ausgeht.
schnittlich 14,6 % des gesamten Kommunikationsbudgets der Ein Beispiel für das sogenannte Creative Placement, bei dem
Unternehmen auf Sponsoring, in einer etwas jüngeren Studie wesentliche Bereiche des erzählten Programms auf das Produkt
(Hermanns 2008) waren es 16,6 %. Nur noch 35 % gingen da- zugeschnitten sind: In dem Kinofilm Zurück in die Zukunft
mals in die klassische Werbung – verglichen mit 70 bis 80 % in wird der Held der Geschichte durch eine Zeitmaschine in die
den frühen 1990er Jahren. Freilich kann der Gesponserte nicht 1950 Jahre zurückversetzt. In einer Milchbar bestellt er sich wie
16 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

Exkurs 1.4  He-Man  |       | 


1
Zur Technik des Merchandisings gibt es einen Helden sind selbstverständlich ebenfalls als puterspiel) und Ninja Hero Turtles (ebenfalls

2 interessanten Spezialfall, der die Verhältnisse


umdreht (Baacke et al. 1993; Clark 1989). Den
Plastikpuppen erhältlich. Die Neigung der
Kinder, das Gesehene nachzuahmen, wird hier
Plastikfiguren). Die große Vorliebe der Turtles
für Pizza erklärt sich daher, dass die Serien von
Anfang hat die Figur des He-Man gemacht, zielgenau genutzt. Dabei ist die Vorgabe, wie einer Pizzafirma finanziert werden. Diese Wer-
3 eine kleine bewegliche Plastikpuppe. Die
Hersteller von He-Man schufen einfach selbst
gesagt, keineswegs ein Spot, sondern eine
längere zusammenhängende Handlung in
beform tritt nicht mehr in der ursprünglichen
Gestalt des Spots auf. Sie hat in erster Linie das
ein Kinderprogramm, eine Trickfilmserie, in einem Trickfilm. Ziel, das Produkt „in den Herzen und Köpfen
4 dem ihr Produkt die Hauptrolle spielte. Die
verschiedenen Verbündeten und Feinde des
In gleicher Weise finden sich Trickfilmreihen zu
den Figuren Super Mario (eigentlich ein Com-
der Kinder zu verwurzeln“ (Kline 1991, S. 224;
zit. n. Baacke et al. 1993, S. 70).

5
selbstverständlich eine „Cola ohne“, nämlich eine Coca-Cola tend. Der Erfolg gibt den Anbietern recht: Innerhalb von zwei
ohne Kalorien. „Der Barkeeper, der dieses neuere Produkt nicht Wochen wollten über 1,2 Millionen Konsumenten Informations-
6 kennen kann, fragt verdutzt und verärgert zurück: ‚Was? Eine material und das Angebot einer Probefahrt bei Daewoo nutzen.
Cola ohne Glas?‘ Filmgag und Werbung sind nicht voneinander Brockhaus wurde über DRTV um 25 % mehr Enzyklopädien los
7 zu trennen“ (Baacke et al. 1993, S. 60). als über das traditionelle Mailing.
Von Product Placement spricht man auch, wenn in einem Psychologisch ist zu fragen, ob mit der Methode des DRTV
Warenkatalog andere existierende Produkte vorkommen. Syste- nicht eine charakteristische Wechselwirkung des Produktinte-
8 matisch wurde diese Werbemöglichkeit von den Versandhäusern resses mit einem anderen Merkmal der Konsumenten erreicht
Quelle und Otto betrieben: „Die Katalog-Kühlschränke etwa sind wird. Gerade sehr impulsive Menschen – Personen, die zu stim-
9 stets mit Fisch von Frosta vollgestopft. Auf Geschirrspülern steht mungsregulierenden Impulskäufen neigen (z. B. Baumeister
Henkels Somat Supra, und alle Fernseher sind auf SAT.1 geschal- 2002) oder deren Fähigkeit zum Belohnungsaufschub gering ist
10 tet“ (Manson 1996, S. 90). Mit Hilfe dieser Platzierung werden (Mischel und Ayduk 2004) – dürften den Angeboten des DRTV
die Produkte zielgruppengerecht dargeboten. besonders aufgeschlossen gegenüberstehen.
Wenn eine lokale Tageszeitung in ihrem redaktionellen Teil
11 von einem Firmenjubiläum oder der festlichen Eröffnung einer
Filiale berichtet, dann zerfließen die Grenzen zwischen Informa- 1.5.6 Videoclips
12 tion und Product Placement. Die Praxis sieht aber so aus, dass
oft ein gezielter Einfluss der Unternehmen die Berichterstattung Mit dem Videoclip als visuelle Umsetzung eines Musikstücks ist
prägt (Röper 1989), so dass hier durchaus von einer weiteren gleichzeitig eine wirksame Werbemethode gegeben. Zum einen
13 Form der Werbung gesprochen werden kann. ist der Clip selbst Teil der Public Relation eines Künstlers. Inso-
fern schwankt er zwischen Werbung und Kunstwerk. Darüber
14 hinaus können aber auch Videoclips Werbung im engeren Sinne
1.5.4 Game Shows sein, etwa als Michael Jackson im Rahmen eines solchen Clips für
15 Pepsi warb oder wenn Euro Disneyland mit einem Clip beworben
Quizsendungen werden vor allem in den privaten Kanälen oft zur wird. Auch Trailer eines Kinofilms etwa in Form von Kurzfilmen
Werbung genutzt. Dabei finanzieren Produktanbieter das Unter- lassen sich in die Nähe von kleinen Kunstwerken rücken. Beson-
16 haltungsprogramm und benutzen die Gelegenheit, ihre Produkte ders beliebt sind auch (möglicherweise sogar individualisierte)
im Rahmen der Spielshow in Szene zu setzen – meist indem die Werbevideoclips auf viel besuchten Webseiten (z. B. ▶ Web.de,
17 Produkte als Preis zur Verfügung gestellt werden. Diese Strategie, Yahoo, MSN, Spiegel Online). Hier bestehen fließende Über-
Programm gegen Werbung zu tauschen, nennt man im Fachjar- gänge zwischen Kunst und Werbung.
gon Bartering.
18
1.5.7 Merchandising
19 1.5.5 Teleshopping
Mit Merchandising ist die Vermarktung von populären Themen
20 Beim Teleshopping können die Betrachter der Fernsehwerbung in- oder Personen gemeint. Das Prinzip des Merchandisings ist ein-
nerhalb kurzer Zeit auf ein Angebot reagieren, indem sie eine Tele- fach ausgedrückt: „Wenn die Kasse zweimal klingelt …“ (Winkler
fonnummer anrufen, um sich weitere Informationen zu besorgen 1995). Typische Situationen für den Einsatz dieser Technik sind
21 oder gar eine Bestellung aufzugeben. Diese Werbeform wird auch große einflussreiche Veranstaltungen, wie etwa Olympische Spiele,
als Direct Response Television (DRTV) bezeichnet (Jäger 1995). erfolgreiche Kinofilme oder Serien. Das Angebot besteht meist aus
22 Der vernünftige Vorteil des Direct-Response-Konzepts ist si- Spielzeug, T-Shirts, Mützen, Tassen, Puppen, Stickers, Ansteck-
cher, dass mit diesem Mittel besonders leicht und kostengünstig buttons, CDs mit der passenden Musik, Bildbänden, Fähnchen,
diejenigen Konsumenten erreicht werden, die wirklich an dem Schlüsselanhängern und so weiter. Zu manchen Fernsehveran-
23 Produkt interessiert sind. Eine herkömmliche Werbemethode, staltungen, Serien etwa oder Talk-Shows, werden Magazine und
beispielsweise das Werben auf dem Postwege über Mailing, ist Zeitungen mit Hintergrundinformationen herausgebracht. Vor
demgegenüber aufwendiger, weniger effektiv und umweltbelas- allem Kinder sind für Merchandisingprodukte zu gewinnen.
1.6 • Grenzen der Wirtschaftswerbung
17 1

Exkurs 1.5  Vergleichende Werbung  |       | 


Wenn man dem Konsumenten demonstrieren In der fernen Zukunft besucht eine Schul- über ein unerschöpfliches historisches Wissen
will, dass es ungerechtfertigt ist, der Konkur- klasse mit ihrem Lehrer eine Ausgrabungs- zu verfügen. Als schließlich ein Schüler eine
renz eine höhere Qualität zu unterstellen, stätte. Die archäologischen Funde, die alte verkrustete Glasflasche anbringt, erkennt
dann verfolgt man eine Strategie, die im Mar- dort zu Tage gefördert werden, kommen jeder Zuschauer sofort den Hauptkonkurren-
keting „Depositionierung der Wettbewerber“ uns wohlbekannt vor. Es sind in der Regel ten von Pepsi an der eindeutigen unverwech-
heißt (Kotler und Bliemel 1995, S. 314). Eine Gegenstände unseres täglichen Gebrauchs. selbaren – weil gesetzlich geschützten – Form
Spielart dieser Strategie ist die vergleichende Die Schüler schlendern über das Gelände, der Coca-Cola-Flasche. Der Lehrer säubert das
Werbung. Eines der interessantesten und origi- schlürfen aus ihren Pepsi-Cola-Dosen und Objekt, betrachtet es lange, und auf die Frage,
nellsten Beispiele für aggressive vergleichende bringen ihrem Lehrer immer neue Funde, mit was denn dieses merkwürdige Objekt sei,
Werbung ist ein Spot für Pepsi-Cola, der beim denen sie nichts anfangen können. Der Lehrer antwortet er schließlich bedauernd: „I have
Filmfestival von Cannes vor etlichen Jahren als erklärt geduldig bei jedem Gegenstand, wozu no idea!“
Sieger hervorging: das Ding damals, 1987, gut war. Er scheint

Der Sinn ist, die Popularität einer Sache auszunutzen und


sich mit dem Produkt gleichsam parasitär in diese Popularität
einzuklinken. Sehr nachdrücklich hatte das zum Beispiel die
Firma Nestlé mit einem Vertrag gemacht, der ihr die Rechte an
Walt-Disney-Figuren für zehn Jahre sicherte (Baacke et al. 1993,
S. 71). Die Disney-Figuren sind die erfolgreichsten Stützen des
Merchandisings. Mit ihnen lassen sich die Einspielergebnisse eines
Films oft erheblich übertreffen. So lag beispielsweise der Profit an
Merchandising bei dem Film Der König der Löwen mit fast einer
Milliarde Dollar um das Dreifache über dem Ergebnis an den Ki-
nokassen (Winkler 1995; für weitere Beispiele siehe ▶ Exkurs 1.4).

1.6 Grenzen der Wirtschaftswerbung

Der Werbung werden durch den Gesetzgeber Grenzen gesetzt.


Hierbei wird zum einen auf geltendes Wettbewerbsrecht, zum
anderen auf die guten Sitten verwiesen. Werbung zu treiben, ist
ein Recht, das durch Meinungs- und Gewerbefreiheit geschützt
wird. Unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich die Zulässigkeit
der Werbung als Institution bereits aus dem Grundgesetz. Dem-
gegenüber wird die Ausübung dieser Rechte durch verschiedene
Gesetze und Gepflogenheiten eingeschränkt. Es war bislang
ein Charakteristikum der deutschen Werbung, dass in ihr kein
Konkurrenzprodukt namentlich genannt werden darf. Allerdings
wurden die Beschränkungen der vergleichenden Werbung für
Europa einheitlich gelockert. Danach sollen zum Beispiel direkte
Preisvergleiche mit anderen existierenden Produkten erlaubt
sein. Der Vergleich in der Werbung soll aber durch ausführli- .. Abb. 1.3  Vergleichende Werbung für eine Frauenzeitschrift. (© Jahreszei-
ten-Verlag 2000)
che Datendetails begründet werden. Dies erfüllt die Anzeige in
. Abb. 1.3: Verglichen werden hier die Reichweiten verschiede-
ner Frauenzeitschriften. Die Anzeige richtet sich nicht an die Le- der EU-Kommission an Bedeutung gewinnen. Hinzu kommen
serinnen, sondern an potentielle Werbekunden. In den USA ist freiwillige und selbstdisziplinäre Rahmenbedingungen der deut-
vergleichende Werbung bereits in einem viel größeren Umfang schen Werbewirtschaft, die ich in ▶ Abschn. 1.6.2 diskutiere. Die
etabliert, was nach einer verbreiteten Meinung das Werbegesche- Rechtsnormen, die die Gestaltung der Wirtschaftswerbung re-
hen dort aggressiver macht (▶ Exkurs 1.5). geln, kann man in drei Kategorien unterteilen (Kienscherf 1990,
S. 253; vgl. auch ▶ http://mgu2.digital-players.de/lahresprojekt_
bjoern.pdf, Abruf 6.3.2013):
1.6.1 Gesetze 1. Normen allgemeinen Charakters, etwa das Grundgesetz, das
Bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Gesetz
Ein spezielles Werberecht gibt es nicht. Vielmehr besteht die ju- gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz), der Ju-
ristische Regulierung aus einer Vielzahl von Einzelgesetzen, Ver- gendmedienstaatsvertrag (JMStV) und vor allem das Gesetz
ordnungen und Erlassen, von denen insbesondere die Richtlinien gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) mit seinen Ge-
18 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

neralklauseln und Regelbeispielen, etwa gegen irreführende Produkt den niedrigsten Rangplatz ein. Diese Informa-
1 Werbung, Belästigung durch Direktmarketing oder strafbare tion soll nachvollziehbar sein, sonst gilt die Werbung als
Werbung für Schneeballsysteme, das Gesetz gegen Wettbe- irreführend. Ebenso irreführend ist es, das Testdatum zu
2 werbsbeschränkungen, das Preisangaben- und Preisklausel- verschweigen oder mit einer Teilnote zu werben, obwohl

3
gesetz, das Lebensmittel-, das Berufsstände- oder das Heil-
mittelwerbegesetz.
2. Urheberrechtliche Gesetze, die sich auf verschiedene Bereiche
beziehen, seien sie eher künstlerischer oder technischer Art.
- die Gesamtnote schlechter ist.
Eine Werbung preist das Produkt in ungerechtfertigten Su-
perlativen. Der Gebrauch von Superlativen ist dann unzu-
lässig, wenn die Gleichwertigkeit der Konkurrenzprodukte
4 In letzterem Fall handelt es sich vor allem um Patent- und nachgewiesen werden kann. Unbedenklich ist, wenn der
Gebrauchsmustergesetze. Im Falle der Werbung werden Ur- Superlativ nur als Übertreibung verstanden wird, die man
5 heberrechte auch auf bestimmte Designs und Warenzeichen nicht wirklich nachprüfen kann (z.B. „Kellogg's - Das Beste
angewandt. Ebenso gelten Urheberrechte beispielsweise bei am Morgen“).Wenn dagegen T-Online behauptet „Europas
der Erfindung von Geschmacksmustern. größter Onlinedienst“ zu sein, ist das nach verschiedenen
6 3. Kennzeichnungsrechtliche Bestimmungen, insbesondere das Kriterien nachprüfbar (z.B. Kundenzahl, Nutzungshäu-
Warenzeichengesetz. figkeiten), und wenn eines davon nicht zutrifft, ist die
7 Werbung unzulässig (▶ http://www.slogans.de/magazine.

8
In den Gesetzen und Einzelvorschriften wird Rücksicht darauf
genommen, dass es besonders sensible Gebiete des ökonomi-
schen Wettbewerbs gibt, die einer gesonderten Regelung be-
dürfen, etwa die Arzneimittelbranche. Zulässig ist nur die Wer-
- php?Op=Article&Id=12; Abruf 22.5.2015)
Eine Werbung stellt Informationen bereit, die zwar der
Wahrheit entsprechen, aber gleichwohl irreführende
Vorstellungen beim Konsumenten wecken (entsprechende
9 bung in Fachzeitschriften, etwa für Ärzte oder Apotheker. Dem Mechanismen diskutiert unter anderem das ▶ Kap. 15).
normalen Endverbraucher bzw. Patienten kann allerdings zum So durfte der meistverkaufte Elektrorasierer der Welt in
10 Beispiel über das Internet der Inhalt der Packungsbeilage zu- Deutschland nicht mit seiner Spitzenstellung werben. Viele
gänglich gemacht werden. Allerdings ist auch die nur im Sinne Konsumenten neigen nämlich zu dem Fehlschluss, der
eines „Pull-Dienstes“ zulässig, also nur als Folge eines aktiven meistverkaufte Rasierer der Welt müsse auch der meist-
11 Suchschritts durch den Verbraucher (▶ http://www.it-recht-kanz- verkaufte in Deutschland sein. Da diese Annahme nicht
lei.de/werbung-arzneimittel-hwg-novelle.html, Abruf 22.5.2015). der Wahrheit entsprach, galt die Werbung als irreführend,
12 Die Psychologie spielt bei den rechtlichen Einschränkungen
eine erhebliche Rolle. Manchen Werbe- und Verkaufsstrategien
haben wir als Konsumenten oft nur wenig Widerstand entge- - obwohl sie nur wahre Angaben enthielt.
Eine Werbung oder ein Verkaufsgespräch wird so lästig,
dass der Kunde das Produkt kauft, um dieser Belästigung

-
13 genzusetzen, und diese Techniken werden im Gesetz besonders zu entgehen.
berücksichtigt. Betrachten Sie zum Beispiel folgende Auswahl In Briefkästen mit dem Aufkleber „Bitte keine Werbung“
14 von Praktiken, die nach dem UWG nicht erlaubt sind (z. B. Mayer darf auch keine Werbung eingeworfen werden. Ausgenom-
et al. 1982; Bultmann 1989; Lehmann 1989; Rost 1989; Kien- men sind hiervon allerdings Prospektwerbung politischer
15 scherf 1990; Hinweis: Die verwendete Literatur bezieht sich auf Parteien und die Werbung, die der Tagespresse beigefügt

16
den Stand vor den beiden UWG-Novellen 2000 und 2004; in
Klammern finden Sie die Passagen, in denen wir im Folgenden
die dahinterstehenden psychologischen Prozesse ausführlich dis- - ist.1
Werbeanrufe, die vom Angerufenen nicht ausdrücklich
genehmigt wurden, gelten als rechtswidrige Eingriffe in die

17
-
kutieren werden):
Ein Händler zeichnet eine bekannte Marke in seinem Sor-
timent besonders billig aus, um den Eindruck zu erwecken,
alle – auch die weniger bekannten Artikel – seien bei ihm
Privatsphäre und sind nach dem UWG untersagt. Seit 2013
sind bei Zuwiderhandlungen Bußgelder bis zu 300.000
Euro möglich (Paragraph 20 UWG). Verstöße können Be-

-
18 so billig (▶ Abschn. 9.1.3).
1 Adressierte Werbebriefe lassen sich – zumindest teilweise – vermeiden,
Ein Verkäufer bezeichnet eine Ware als verkauft, die in

-
19 Wirklichkeit noch nicht verkauft ist (▶ Abschn. 11.5).

wenn man sich kostenlos in die Robinson-Liste eintragen lässt (  http://
www.robinsonliste.de). In Deutschland haben etwa zehn Prozent der
Eine Ware wird mit hohen Phantasiepreisen ausgezeichnet Haushalte den Aufkleber „Bitte keine Werbung“. Die Quote der Ver-
20 und später mit viel niedrigeren handelsüblichen Preisen

-
weigerer ist in Universitätsstädten wie Freiburg oder Tübingen beson-
verkauft (▶ Abschn. 9.2.3). ders hoch, während in gutsituierten Wohnvierteln fast kein Haushalt
die Annahme von Werbeprospekten verweigert (Ehmw 1995, S.  132).
Der Kunde erhält im Geschäft Zuwendungen, die es ihm
21 unmöglich machen, aus dem Geschäft zu gehen, ohne
Eine interessante Variante zur Werbung über Infopost, sogenannte Kun-

-
den-Mailings, besteht in der Strategie, in Zeitschriften personalisierte An-
etwas gekauft zu haben (▶ Abschn. 10.3.1). zeigen zu platzieren. So hat beispielsweise der Otto-Versand im Juli 1995
22 Eine Werbung erzeugt massive Angst, damit die Kunden

-
die Abonnenten der Zeitschrift Super TV in seinen Werbeanzeigen direkt
das Produkt kaufen (▶ Abschn. 18.1). angesprochen. Diese Technik wird dadurch möglich, dass Abonnenten
ohnehin ein persönliches Exemplar der Zeitschrift erhalten, so dass auch
Ein Produkt wirbt mit seiner Testnote der Stiftung Waren-
23 test, ohne gleichzeitig seinen Testrang anzugeben. Wenn
in der Zeitschrift prinzipiell Seiten enthalten sein können, die sich ganz
persönlich an den betreffenden Leser richten. Die Portokosten sinken bei
zum Beispiel alle anderen getesteten Produkte „sehr gut“ diesem Verfahren gegenüber dem traditionellen Mailing erheblich. Aller-
bewertet wurden, dann nimmt ein mit „gut“ eingestuftes dings sind die sonstigen Kosten für dieses Verfahren sehr hoch.
1.6 • Grenzen der Wirtschaftswerbung
19 1

Exkurs 1.6  Telemarketing  |       | 


Als einen zusätzlichen Kundenservice bieten Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ständnis zu dem Anruf gegeben hat. Dagegen
viele Firmen Telefonleitungen an, über die (UWG § 1) für gesetzeswidrig. Die Recht- ist es aber gestattet, wenn bereits Geschäfts-
Informationen, Bestellungen, Beschwerden, sprechung unterscheidet deutlich zwischen beziehungen vorliegen, der Werbeanruf den
Nachkaufbetreuung und andere Dienst- Telemarketing im privaten und im gewerb- eigentlichen Geschäftsgegenstand betrifft
leistungen laufen können. Wenn der Kunde lichen Bereich. Bei ersterem ist es nicht oder der Anrufer das Einverständnis des Ange-
das Unternehmen anruft, spricht man vom erlaubt, Inhaber von Fernsprechanschlüssen rufenen vermuten kann. Nach einer Entschei-
Inbound-Telemarketing, im Gegensatz zum unaufgefordert anzurufen, auch wenn der dung des OLG Hamburg muß hier allerdings
Outbound-Marketing, bei dem der Kontakt Anruf vorher brieflich angekündigt wurde. Im ein im Einzelfall herleitbarer konkreter Grund
vom Unternehmen ausgeht. Zur Rechtslage: gewerblichen Bereich ist Telemarketing nicht vorliegen, warum der Anzurufende mit dem
„Grundsätzlich hält die deutsche Rechtspre- erlaubt, wenn der Anzurufende nicht vorher Anruf einverstanden sein könnte“ (W. E. Müller
chung das Telefonmarketing im Sinne des ausdrücklich und konkludent sein Einver- 1995, S. 126).

troffene bei der Bundesnetzagentur über ein Formblatt oder kaufsversuch durch eine Umfrage einzuleiten und ihn dadurch
per E-mail (rufnummernmissbrauch@bnetza.de) melden als Marktforschung zu tarnen. Überhaupt gehört es zu den selbst

- (siehe auch ▶ Exkurs 1.6).


Paragraph 6d UWG untersagt die Werbung mit mengen-
mäßig beschränkten Angeboten, etwa „Abgabe nur in
auferlegten Einschränkungen, dass im Rahmen von Marktfor-
schung keine Versuchsperson ihr eigenes Geld einsetzen darf.
Das führt dazu, dass die Probanden in simulierten Kaufsitua-

- haushaltsüblichen Mengen“ (▶ Abschn. 11.8.4).


Nach Paragraph 6e UWG ist es nicht erlaubt, mit genauen
Preisgegenüberstellungen zu werben, etwa: „Jetzt € 5020
statt früher € 7520.“
tionen oft symbolisches Geld, sogenannte Tokens, oder echtes
Geld aus dem Forschungsetat erhalten, damit der Kauf möglichst
authentisch erscheint (Kotler und Bliemel 1995, S. 210 ff.; Salcher
1995, S. 107).
Zurück zur Werbung: Als eine Art Gewissen der deutschen
Die sogenannte Zugabeverordnung, die unter anderem verhin- Werbeindustrie, vertreten durch den Zentralausschuss der Wer-
dern sollte, dass der Kunde durch Werbegeschenke in ein Ge- bewirtschaft (ZAW), fungiert der Deutsche Werberat. Nach
genseitigkeitsverhältnis zum Verkäufer gedrängt wird, ist mitt- dem Vorbild vieler anderer Länder beurteilt und beanstandet
lerweile aufgehoben worden. Der Wert von Werbegeschenken der Werberat auch in Deutschland jene Grauzone der Werbebe-
und Rabatten darf also den bisher üblichen Rahmen von 3 % des mühungen, die nicht gesetzlich geregelt wird (zur Organisation
Warenpreises übersteigen. Die Aufhebung gilt auch für das Ra- der Werbewirtschaft vgl. Pflaum 1990). Den Deutschen Werbe-
battgesetz und bringt mit sich, dass der Kunde in Zukunft mit rat kann jede Person anrufen, um über eine Werbemaßnahme
dem Verkäufer den Preis einer Ware frei aushandeln kann. Sie Beschwerde zu führen. Nach bestimmten Grundsätzen werden
bringt also mit Sicherheit einen Zuwachs an Wettbewerb. Sol- die Werbebeispiele geprüft und gegebenenfalls beanstandet.
che Änderungen in der Rechtsordnung zeigen die Schwierigkei- Manche Beschwerden werden an zuständige Stellen weiterver-
ten, in denen sich die Gesetzgeber befinden, wenn sie zwischen wiesen.
Wettbewerbs- und Verbraucherinteressen vermitteln müssen. In den letzten Jahren ist sowohl die Menge der Beschwerden
Grundgedanken von Rabattgesetz und Zugabeverordnung ha- überhaupt als auch die Menge der betroffenen Kampagnen stark
ben allerdings durch die Generalklausel des UWG (§ 3) durch die angestiegen. Zum Beispiel gab es im Jahr 2009 noch 584 Einzel-
Hintertür wieder Eingang in die Rechtspraxis gefunden. beschwerden, die sich auf 255 Kampagnen bezogen. 2010 waren
es 907 Beschwerden über 298 Kampagnen.2 Damit ist die Zahl
der Beschwerdeführer um 55 % gestiegen, die Menge der Kam-
1.6.2 Selbstdisziplinäre Einrichtungen pagnen, auf die sich die Beschwerden bezogen, aber nur um
17 %. Gründe für diese Zuwächse sieht der Deutsche Werberat
Es gibt bereits seit 1937 einen internationalen Code der Werbe- zum einen in der zunehmenden Einfachheit der Beschwerde-
praxis (ICC, International Code of Advertising Practice), der in führung – mittlerweile reicht hierfür ein Online-Formular –,
selbstdisziplinierender Absicht von Industrie und Handel for- aber auch in der Kommunikation über soziale Netzwerke, die
muliert und mehrfach revidiert wurde. Darin ist in allgemeiner dafür sorgt, dass eine unpopuläre Kampagne schneller bekannt
Form niedergelegt, welche Verhaltensweisen in Werbung und wird.
Konsumforschung von Seiten der Betreiber als unethisch gelten Freilich bedeutet eine Beschwerde noch nicht, dass der Wer-
(Kienscherf 1990, S. 254 ff.). Die Marktforschung wird ihrerseits berat interveniert. Die überwiegende Mehrzahl der Beschwerden
noch von einem Kodex geleitet, der von der Internationalen Han- sind „überzogen oder zu weit weg von der aktuellen Lebensrea-
delskammer (IHK) und der European Society for Opinion and lität […] So empörte sich ein Beschwerdeführer über einen Ra-
Marketing Research (ESOMAR) entwickelt wurde. Dieser Kodex diospot, der die verdauungsfördernde Wirkung des beworbenen
untersagt zum Beispiel unethische Datenerhebungsmethoden,
etwa das Verletzen der Intimsphäre bei der Konsumentenbe-
2 Die Daten und die folgenden wörtlichen Zitate sind der folgenden URL ent-
obachtung. Er regelt zudem den Umgang mit der Anonymität ▶
nommen:  http://www.werberat.de/content/starker-anstieg-der-be-
der Probanden, die natürlich nicht geringer sein darf als bei der schwerden-deutlich-mehr-arbeit-fuer-den-werberat (Abruf 14.2.2013).
Datenerhebung angekündigt. Außerdem verbietet er, einen Ver- Ebenfalls nachzulesen in ZAW (2012).
20 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

Exkurs 1.7  Einige Daten zum Internetkauf  |       | 


1
Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2012 den Online-Kauf benannt. Immerhin 65 % Be- Als Hauptvorzug des Internets wird die Mög-

2 (Hilpert 2012) kaufen nur 4 % der Befragten


gar nichts im Internet, und immerhin die
fragten erklären, dass sie bestimmte Produkte
grundsätzlich nicht im Internet kaufen, weil
lichkeit zum Preisvergleich gesehen. Ähnlich
wichtig sind die Unabhängigkeit von Öff-
Hälfte behauptet, die meisten Einkäufe online sie die Beratung brauchen. Das Einkaufser- nungszeiten und die Schnelligkeit der Suche.
3 zu tätigen. Die bevorzugten Artikel für den
Internetkauf sind Bücher (68 %), Kleidung/
lebnis fehlt dagegen nur 33 %. Die Strategie,
Artikel im Laden zu erproben und dann im
Internetshopper bezahlen am liebsten per
Rechnung oder via Bezahlsystem. Selten
Schuhe (61 %) und Haushaltsgeräte (54 %). Internet zu bestellen, geben (nur) 40 % der dagegen werden Vorkasse, Nachnahme oder
4 Am seltensten werden Lebensmittel (14 %) für Befragten an. gar Ratenkredit verwendet.

5
Müslis anpries. Er habe die Werbung während seines Mittages- Veränderung betrifft unseren Umgang mit Informationen: Wir
sens gehört, da sei ihm der Appetit vergangen.“ recherchieren Informationen über Produkte im Internet, verglei-
6 Nach Stand von 1990 wurde etwa ein Fünftel der vorgeleg- chen und kaufen häufig auch dort (▶ Exkurs 1.7). Dieser Punkt
ten Werbebeispiele beanstandet (Baacke et al. 1993), 2009 wa- allein allerdings wirft bereits Fragen auf, die gegenwärtig schwer
7 ren es 27 % und 2010 rund 30 %. Demnach ist auch die Menge zu beantworten sind: Beim Internetkauf fehlen bestimmte Reiz-
der tatsächlich beanstandeten Werbung deutlich angestiegen. dimensionen. Produkte können nicht berührt oder „beschnup-
Verantwortlich für diesen Anstieg sei mindestens zum Teil die pert“ werden, und Menschen, denen diese sensorischen Erfah-
8 „mangelnde Professionalität kleinerer Unternehmen im Netz, rungen wichtig sind, erleben dies beim Online-Shopping auch als
die meinten, ‚Aufmerksamkeit‘ für eine Werbeaktion sei bereits frustrierend (z. B. Nuszbaum et al. 2010). Dies könnte bedeuten,
9 gelungene Markt-Kommunikation.“ dass bestimmte Kundengruppen prinzipiell dem Online-Kauf
Üblicherweise genügt die Beanstandung durch den Deut- zurückhaltend gegenüberstehen – es könnte aber auch bedeuten,
10 schen Werberat, damit die betroffenen Unternehmen die Wer- dass bestimmte Präsentationsstrategien diesen Mangel ausglei-
bung einstellen oder verändern. Nur in weniger als 10 % wi- chen können. Zum Beispiel zeigen Peck und Childers (2003),
dersetzen sich die Unternehmen einer Korrektur, was dann dass Produktbeschreibungen, die auf den haptischen Eindruck
11 eine öffentliche Rüge des Werberats zur Folge hat. Die auf der eingehen, zumindest für einige Produktkategorien die fehlende
Internetseite des Werberats genannten Beispiele (▶ http://www. Möglichkeit des Anfassens kompensieren.
12 werberat.de) bieten auch gleichzeitig einen guten, wenngleich Auch die Unabhängigkeit der Anbieter von bestimmten
nicht völlig repräsentativen Einblick in die Themen, auf die sich Standorten gilt nur für bestimmte Facetten des Online-Marke-
die Beschwerden üblicherweise erstrecken. tings. Zu den traditionellen Funktionen des iPhones zum Beispiel
13 Entscheidungsgrundsätze sind für folgende Themen formu- gehört die Applikation „AroundMe“, die anzeigt, welche interes-

14
-
liert (▶ www.werberat.de, Abruf 14.2.2013):
Verhaltensregeln für die Werbung mit und vor Kindern
santen Punkte sich in einer jeweiligen Umgebung befinden. Wer
beispielsweise in einer fremden Stadt unterwegs ist, findet mit

15 - (1998),
Verhaltensregeln des Deutschen Werberats über die kom-
dieser Funktion Cafés, Bankfilialen, Apotheken, Kinos und man-
ches andere in der Umgebung. Es könnte durchaus von Interesse

- merzielle Kommunikation für Lebensmittel (2009),


Verhaltensregeln für die Werbung für alkoholische Ge-
sein, sich bei einer solchen Gelegenheit als besonders günstiger
Anbieter von Gütern zu präsentieren, die ansonsten online be-

-
16 tränke (2009), stellt würden (z. B. als Anbieter im Rahmen eines Schuh-Outlets).
Grundsätze zur Herabwürdigung und Diskriminierung von Schon dieser einfache Punkt, also die wachsende Bedeutung
17
- Personen (2004),
Verhaltensregeln des Deutschen Werberats über die kom-
des Online-Shoppings, zeigt, dass man zu den konsumentenpsy-
chologischen Folgen der Neuen Medien mehr Fragen aufwerfen
18
- merzielle Kommunikation für Glücksspiele (2012),
Verlautbarung zur Werbung mit unfallriskanten Bildmoti-
als beantworten kann. Dies liegt an mindestens drei Gründen:
Zum ersten verändern sich das Internet und seine Möglichkeiten

19
-- ven (1974),
Verlautbarung zur Reifenwerbung (1974),
sehr schnell. Innovationen wie das schon erwähnte iPhone müs-
sen innerhalb von kurzer Zeit „evolutioniert“ und erweitert wer-

20 - Verlautbarung zur Werbung mit Prominenten (2000),


Verlautbarung zum verantwortungsvollen Umgang mit
Verkehrsgeräuschen in der Hörfunkwerbung (2000).
den. Auch das Nutzungsverhalten der Konsumenten verändert
sich. Teils ist das die Folge solcher technologischen Veränderun-
gen, teils stoßen aber auch Verhaltensweisen der Konsumenten
ihrerseits die Veränderungen an.
21 Zweitens hängen die Einflussfaktoren im Internet mitei-
1.7 Werbung, Konsumverhalten und Neue nander zusammen. Eindimensionale Vorstellungen von Wir-
22 Medien kungszusammenhängen wie etwa „Wenn du A tust, geschieht
B (und nicht viel mehr als das)“ oder „Kleine Ursachen haben
Mit dem Internet hat die Bedeutung der Fernsehwerbung abge- kleine Wirkungen“ treffen die Realität nur unvollkommen. Hen-
23 nommen, und die sogenannten Neuen Medien haben unser Kon- nig-Thurau et al. (2010, S. 313) vergleichen daher das Marketing
sumverhalten auch auf anderen Ebenen zweifelsohne beeinflusst. über Neue Medien mit einem Flipper-Spiel: Man bringt den Ball
Eine besonders augenfällige und sicherlich auch nachhaltige ins Rollen, wo er dann einer Unmenge von zufälligen Einflüssen
1.7  •  Werbung, Konsumverhalten und Neue Medien
21 1

ausgesetzt ist und wo die seltenen eigenen Einflussmöglichkeiten gen nicht zu einer Angleichung der Preise auf dem Markt geführt
im Grunde ähnlich zufällig aussehen. Etwas weniger fatalistisch (Hennig-Thurau et al. 2010, S. 320). Gründe könnten aber auch
könnte man das Online-Marketing auch als ein „komplexes Pro- darin liegen, dass nur bestimmte Konsumenten Preisvergleiche
blemlösen“ im Sinne von Dörner (1992) verstehen: Die Dynamik machen (z. B. korreliert die Tendenz zum Smart-Shopping positiv
des Internets stellt den Nutzer vor Herausforderungen, auf die mit dem Persönlichkeitsmerkmal „Gewissenhaftigkeit“; Moora-
er von Natur aus nicht vorbereitet ist und für die die gewohnten dian und Olver 1996; ▶ Abschn. 16.2.2) und dass es noch im-
Strategien nicht ausreichen. mer auf die Kommunikation von Preisen ankommt (ausführlich
Die genannten beiden Punkte sind sicherlich mit dafür ver- hierzu siehe ▶ Kap. 20).
antwortlich, dass drittens noch immer wenig seriöse Forschung Zudem spielt Loyalität auch beim Internetkauf noch eine
zum Online-Marketing vorliegt. Die Überblicksarbeit von Hen- Rolle. Eine Frage wäre daher, was die Faktoren sind, die Kon-
nig-Thurau et al. (2010) resümiert die vorliegenden Erkenntnisse sumenten auch einem Internetpartner gegenüber loyal machen,
und formuliert auf deren Basis Fragen an die zukünftige For- so dass sie nicht beim billigeren Mitbewerber kaufen. So bietet
schung. Diese Fragen leiten uns auch im Folgenden. Amazon die Amazon Card an, eine fiktive Kreditkarte, die den
Zahlungsprozess bei ▶ amazon.de erheblich beschleunigt und
vereinfacht. Diese Maßnahme nutzt die Tatsache aus, dass der
1.7.1 Suchmaschinen komfortable Zahlvorgang einer der Gründe für das Aufblühen
des eCommerce ist.
Mit Hilfe von Suchmaschinen und anderen Diensten suchen Kon-
sumenten bei ihren Entscheidungen die Information aktiv und
sind nicht mehr nur passive Rezipienten. Eine mögliche Folge 1.7.2 Proaktivität und Electronic Word
hiervon ist, dass die Einfachheit, mit der Informationen beschafft of Mouth
werden können, die Chancen für kleinere Marken erhöht: Es be-
steht deutlich weniger Bedarf für Konsumenten, Informationen Über das Internet können sich Konsumenten „proaktiv“ an der
mental bereitzuhalten (z. B. sich Marken zu merken), da Informa- Produktentwicklung beteiligen. Dies beginnt mit Kundenrezen-
tionen mit minimalem Aufwand wieder generiert werden können. sionen oder gar Fansites und führt bis hin zu einer intensiven
Einen entsprechenden Effekt beschreibt Anderson (2007) unter Mit-Entwicklung von Produkten (Testen von „Beta“-Versionen,
der Bezeichnung „The Long Tail“. Die Metapher bezieht sich auf Mitteilen von Mängeln an den Herstellern, kollektive Entwick-
die Graphik, die man erhält, wenn man die Häufigkeiten, mit der lung von Open-Source-Produkten, z. B. Firefox; oder der Fiat 500,
Artikel verkauft werden, gegen ihren Verkaufsrang nach Popula- der vor seiner Markteinführung im Internet präsentiert wurde –
rität abträgt. Es gibt eine geringe Menge an Artikeln, die sehr häu- jeder Interessent, Fan oder potentielle Kunde hatte hier die Mög-
fig, dagegen eine sehr hohe Menge, die nur gelegentlich verkauft lichkeit, eigene optische, technische und ausstattungsbezogene
werden. Die Häufigkeitsgraphik hat daher bei den vorderen Rang- Feinschliffe vorzunehmen).
plätzen ein beeindruckendes Maximum bei den Verkaufszahlen. Von besonderer Bedeutung ist natürlich die Möglichkeit,
Die Werte fallen aber recht schnell ab – der „Rattenschwanz“, der über unterschiedliche Portale nahezu beliebige Ansichten über
sich anschließt, scheint dagegen endlos zu sein. In einer Statistik Unternehmen und Produkte zu verbreiten, die man unter dem
für die Popularität von Online-Musik finden sich selbst auf den Begriff „Electronic Word of Mouth“ (EWOM) zusammenfassen
Rangplätzen nach 900.000 noch nennenswerte, wenn auch geringe kann. Es gibt eine Vielzahl von Motiven, EWOM zu posten, für
Verkaufszahlen (Anderson 2007; vgl. auch ▶ http://www.iwiki.de/ das Lesen sind die Gründe weniger vielfältig: Rezipienten ver-
wiki/index.php/Long_Tail, Abruf 15.3.2013). Anders ausgedrückt: sprechen sich davon Entscheidungshilfen und Rat. Dabei berück-
Dank dem Internet kann man eigentlich mehr Geld damit ver- sichtigen sie Reviews und Rezensionen mehr als Gesamtstatisti-
dienen, die unendlich vielen Nischenprodukte bereitzuhalten, ken und ziehen dabei vermutete Expertise und Glaubwürdigkeit
als die wenigen populären Produkte zu verkaufen. Dies verdankt des jeweiligen Autors in Betracht. Gleichwohl werden auch in
sich freilich vor allem einer gelingenden Kommunikation, die vielen Fällen quantitative Informationen gegeben, so etwa die,
potentielle Interessenten erfolgreich an die Anbieter vermittelt. wie viele Leser eine Information hilfreich fanden. Diese Bestäti-
Suchmaschinen und damit verbunden die Empfehlungen durch gung ist besonders wichtig für Kunden, die bei ihren Entschei-
andere Konsumenten spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Die dungen die „Konsensheuristik“ anwenden, die also der Regel
Rolle von Empfehlungen wird noch einmal unterstrichen durch folgen: „Was viele Leute tun bzw. gut finden, kann so schlecht
Befunde, nach denen die Menge an berücksichtigten Produkten nicht sein“ (▶ Abschn. 10.1.4).
durch Empfehlungen im Internet wesentlich beeinflusst wird (zit. In Foren spielt die Historie der Beiträge eine Rolle, so etwa
n. Hennig-Thurau et al. 2010, S. 322). die Geschwindigkeit und Ausführlichkeit, mit der Antworten
Das Marketing mit Schlüsselwörtern bei Google gilt im Ver- gegeben werden (zusammenfassend vgl. Hennig-Thurau et al.
gleich etwa zur Bannerwerbung als deutlich effektiver – wohl 2010, S. 217). Tendenziell scheinen auch extreme Bewertungen
einer der Gründe dafür, dass der Marktwert von Google um ein ein größeres Gewicht zu haben, vor allem wenn sie nicht durch
Vielfaches höher ist als der von Yahoo (das Fünffache per Ap- ein abwägendes „einerseits – andererseits“ wieder abgeschwächt
ril 2010; zit. n. Hennig-Thurau et al. 2010, S. 320). werden (vgl. auch Schlosser 2011). Man kann vermuten, dass
Die Möglichkeit, mit Hilfe bestimmter Suchfunktionen Preis- extreme Bewertungen eher von einer hohen Einstellungsstärke
vergleiche anzustellen, hat entgegen ursprünglichen Befürchtun- zeugen, dass also die Person, die den Beitrag geschrieben hat, als
22 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

überzeugter wahrgenommen wird und daher auch überzeugen- beimisst. Sicherlich spielt für die Beliebtheit dieses Verhaltens-
1 der wirkt. Zudem scheint bei einer extremen Bewertung dem musters auch eine Rolle, dass es offensichtlich sinnvoll ist, Res-
Rezipienten das Motiv klarer, warum der Betreffende überhaupt sourcen zu schonen und Güter zu teilen. Zudem birgt das Teilen
2 eine Bewertung gegeben hat. in manchen Fällen auch die Möglichkeit zu Erfahrungen, die
Unklar scheint, welche Faktoren das EWOM effektiv machen. man sonst nie hätte machen können – zum Beispiel das zeitwei-
So stellt sich z. B. die Frage, ob (a) die Menge an EWOM den lige Wohnen in einer attraktiven Stadt. Schließlich schafft das
3 Hauptausschlag bei den Effekten gibt oder (b) nur die Valenz Teilen auch Nähe zu anderen Personen, was allerdings schon auf
oder (c) die Kombination. Antworten auf diese Fragen hängen eine Ambivalenz hindeutet. So wird es für sich genommen meist
4 offensichtlich von den Methoden ab, mit denen die Variablen eher als aversiv erlebt, ein Produkt zu nutzen, das bereits andere
gemessen werden. Evidenz gibt es jedenfalls anscheinend für alle Menschen angefasst haben (Peck 2010). Dass diese Aversion im
5 drei Thesen (Hennig-Thurau et al. 2010). Fall des Wiederverkaufs und der Share Economy eine unterge-
EWOM kann sehr schnell reagieren, und in vielen Fällen gibt ordnete Rolle spielt, könnte daran liegen, dass nur bestimmte
es Reaktionen noch bevor das Produkt überhaupt auf dem Markt Menschen zu den Nutzern zählen, die zur Berührung durch an-
6 ist (z. B. Filme, Spiele). Das beeinflusst die Konsumentenhaltung dere ein weniger gespanntes Verhältnis haben. Es könnte aber
und die Erfolgschancen für das Produkt. auch bedeuten, dass diese Aspekte durch die Online-Situation
7 In extremen Fällen führt EWOM zu regelrechten Shitstorms, so wenig salient sind, dass sie kaum wahrgenommen werden.
in denen Unternehmen wie Personen Beschimpfungen und
Hetze ausgesetzt sind. Den Unternehmen wird hier Wachsamkeit
8 empfohlen, um frühzeitig zu reagieren, wenn ein „PR-Gau“ droht 1.7.4 Online-Auktionen
(z. B. Schwarz 2010, S. 403 ff.). Ob und in welcher Form Interven-
9 tionen von Seiten des Unternehmens Negativkampagnen durch Plattformen wie eBay bieten neben der Möglichkeit des Wie-
EWOM eindämmen können, ist allerdings noch unzureichend derverkaufs gebrauchter Güter auch noch die Besonderheiten
10 untersucht (Hennig-Thurau et al. 2010). einer Online-Auktion. Teilnehmer solcher Auktionen verhalten
sich nicht selten ökonomisch irrational, indem sie zum Beispiel
Güter für einen Preis ersteigern, der deutlich über dem Neupreis
11 1.7.3 Gebrauchtware und Share Economy liegt. Sie unterliegen dabei einer Dynamik, die für Auktionen
und teilweise auch speziell für die Online-Situation spezifisch
12 Durch das Internet ist der Umgang mit Gebrauchtware keine Ni- sind – dies wird in ▶ Exkurs 20.1 ausführlich diskutiert (vgl. auch
schenaktivität mehr, die auf Flohmärkte beschränkt bleibt, son- Ku et al. 2006).
dern ein Massenphänomen. Konsumenten treten zunehmend Online-Auktionen haben zudem gelegentlich die Beson-
13 auch als Händler auf, nehmen also multiple Rollen ein und wer- derheit, dass sie alternativ zum Bieten dieselben Waren zum
den einmal mehr proaktive Teilnehmer am Markt. Festpreis anbieten. Solche Möglichkeiten hängen mit weiteren
14 An den Fall des Wiederkaufs knüpft sich zum Beispiel die psychologischen Prozessen zusammen, die im Folgenden an
Frage, inwieweit Konsumenten bereits beim Kauf einkalkulieren, unterschiedlichen Stellen angesprochen werden. Aus psycholo-
15 dass sie ein Produkt gegebenenfalls wiederverkaufen werden. Na- gischer Sicht sind die Gebote in Auktionen oder Verhandlungen
türlich kann die häufige Zweitnutzung den Verkauf neuer Pro- nicht als ein Ausdruck stabiler Präferenzen zu verstehen. Sie
dukte beeinträchtigen. Andererseits ergibt sich möglicherweise hängen vielmehr sehr stark von äußeren Ankern ab (siehe ▶ Ab-
16 auch ein Imagevorteil für Produkte, die durch den Wiederver- schn. 9.2.3 und 20.1.1), und zudem verändert sich die Zahlungs-
kauf Langlebigkeit und Robustheit beweisen. Insofern wäre auch bereitschaft über die Zeit auch unabhängig von dem Nutzen, den
17 zu fragen, ob der Wiederverkauf bei der Produktkonzeption ein- ein Gut hat (▶ Exkurs 20.1). Variable Preise, wie etwa in einer
kalkuliert und im Marketing offensiv angesprochen werden sollte Auktion, können daher beim Konsumenten auch Gedanken da-
(Hennig-Thurau et al. 2010, S. 218). rüber auslösen, ob nicht noch ein besserer Preis möglich gewesen
18 Ein ähnliches, aber anders gelagertes Phänomen betrifft die wäre, was bei Festpreisen nicht der Fall ist. Dies kann zu der
synchrone oder parallele Zweitnutzung von Produkten, indem sie scheinbar paradoxen Beobachtung führen, dass Konsumenten,
19 getauscht oder geteilt werden. Den Beginn dieses Verhaltensmus- die zu einem höheren Festpreis gekauft haben, mit dem Preis
ters markieren wohl Modelle des Car- oder Bike-Sharings oder zufriedener sind als Konsumenten, die einen niedrigeren Preis in
20 der Mitfahrzentralen. Andere Formen erstrecken sich nun aber einer Verhandlung oder Auktion erzielt haben (▶ Abschn. 12.3.2;
auch auf Kleidung oder Unterhaltungsmedien, die geteilt und ge- vgl. auch Galinsky et al. 2002).
tauscht werden. Im Rahmen der Share Economy kann man nicht
21 nur die eigene Wohnung in Zeiten des Leerstands (z. B. im Ur-
laub) untervermieten, sondern auch den Garten mit Menschen 1.7.5 Piraterie
22 teilen, die sonst kein eigenes Beet hätten. Auch hier ermöglicht
das Internet ein enormes Wachstum dieses Wirtschaftszweigs, Der illegale Austausch von Dateien (meist Filme oder Musik)
indem es effizient Menschen, die etwas haben, mit anderen zu- erlaubt allem Anschein nach kaum Rückschlüsse darauf, dass
23 sammenbringt, die etwas brauchen. die jeweiligen Personen auch andere illegale Verhaltensweisen
Man kann spekulieren, dass die Share Economy einen Wer- an den Tag legen. Es scheinen im Gegenteil sogar inkonsistente
tewandel anzeigt, der dem Besitz nur eine geringe Bedeutung Verhaltensmuster nicht selten vorzukommen, wo etwa eine Per-
1.8  •  Werbe- und Konsumentenpsychologie – eine Disziplin mit Zukunft?
23 1

son Raubkopien von Musik anfertigt, für Handy-Klingeltöne aber derspruch zu fürchten. Andererseits kann man aber fragen, wo
bezahlt. Insofern ist es eine offene Frage, wo Konsumenten eine in Werbung und Marketing Psychologinnen und Psychologen
Bezahlung angemessen finden und was aus ihrer Sicht eigentlich arbeiten und welche psychologischen Kenntnisse und Fertigkei-
gratis sein sollte (Hennig-Thurau et al. 2010, S. 323). Sicherlich ist ten dort gefordert sind. Zudem werden konsumpsychologische
das Unrechtsbewusstsein bei Musikpiraterie nicht besonders aus- Erkenntnisse häufig unter Bezeichnungen verbreitet, die eher
geprägt. In einer umfangreichen Inhaltsanalyse zeigt Haupt (z. B. verschleiern, wo diese Erkenntnisse eigentlich herkommen. Die
2007), dass Raubkopierer praktisch das ganze Arsenal an Rechtfer- Schlagworte „Neuromarketing“, „Implicit Marketing“ oder „Ver-
tigungsstrategien verwenden, das aus der Gerechtigkeitsforschung haltensökonomie“ (behavioral economics) sind dafür besonders
bekannt ist. Hierzu zählen z. B. beschönigende Etikettierungen prominente Beispiele. Es lohnt sich also zu fragen, wie die Dis-
(der Download wird etwa als „teilen“, „laden“ oder sogar als „Wer- ziplin „Werbe- und Konsumentenpsychologie“ sich versteht und
bung“ für die jeweilige Musik bezeichnet), Dehumanisierung der wie sie sich vermutlich entwickelt.
Geschädigten („irgend so ein Major Label“), Schuldzuschreibung
(„Das Bedürfnis, diese Musik zu haben, wird ja von der Wirtschaft
und vom Werbemarkt künstlich erzeugt“), moralische Rechtferti- 1.8.1 Werbepsychologie als Berufsfeld
gungen („Wenn ich den Interpreten nicht kenne und nur antesten
will, ist Runterziehen okay“), Herunterspielen der Konsequenzen Betrachtet man die ausgeschriebenen Stellen im Bereich Wer-
(„Jetzt soll mir mal einer erzählen, dass das nicht der Verbreitung bung allerdings genauer, stellt man fest, dass die Berufsbezeich-
guttut“), Verdammung der Verdammenden („Eigentlich sind die nung „Werbepsychologin/Werbepsychologe“ darin fehlt. Der
die Verbrecher, die die Leute haben. Du kannst nicht Leuten ihr Grund hierfür ist einfach: Es gibt kein klar umrissenes Berufsfeld
Leben zerstören, nur weil sie mal was runtergeladen haben“), ba- für Psychologen in der Werbung. Dies ist als Tatsache zunächst
gatellisierender Vergleich („Es gibt tausende Verbrechen, die viel einmal einfach hinzunehmen – und ist auch nicht besonders be-
schlimmer sind, als ein bisschen Musik aus dem Netz zu laden“) dauerlich: Wer in der Wirtschaft tätig ist, findet nicht immer eine
und Verschiebung der Verantwortlichkeit („Es lässt sich halt nicht Tätigkeit, die genau seiner Ausbildung entspricht; er muss viel-
verhindern; es ist eben kopierbar“). mehr häufig sehr flexibel sein und sich ein Aufgabenfeld selbst
gestalten – Psychologen bilden da keine Ausnahme.
Wirtschaftspsychologie jedenfalls scheint ein Markt mit Zu-
1.7.6 Soziale Netzwerke kunft zu sein: Immerhin zeigt sich, dass von den Stellenangebo-
ten der Online-Portale, die sich an Psychologen richten, bereits
Die Motive, warum Menschen (bzw. insbesondere Konsumen- etwa ein Drittel aus dem Bereich der Wirtschaft kommt (Frensch
ten) in Online-Communities sind, sind einigermaßen gut unter- 2013).
sucht. Unklar ist dagegen das Verhältnis zwischen Online- und Allerdings müssen Psychologen im Bereich des Marketings
Offline-Verhalten: Kommunizieren Personen offline genauso viel und der Werbung auf einige Erwartungen und Vorurteile gefasst
wie online, oder korrelieren die Kommunikationsmuster negativ? sein. Eine davon ist: Das psychologische Knowhow ist insbeson-
Viele Nutzer von Angeboten wie „Second Life“ oder „World of dere wegen seiner Methodik gefragt. Daher werden Psycholo-
Warcraft“ sehen ihre Online-Identitäten als Erweiterung ihrer ginnen und Psychologen vor allem in der Marktsondierung, der
eigenen Person – gilt dies auch für die sozialen Identitäten in Werbewirkungs- und Marktforschung eingesetzt. Dieses Tätig-
sozialen Netzwerken? keitsfeld ist gegenwärtig noch bei weitem das wahrscheinlichste
Manche Online Social Communities werden von Unterneh- für Sie, wenn Sie als Psychologin oder Psychologe in die „Wer-
men gestützt oder initiiert (z. B. Hewlett Packard), um Konsu- bung“ wollen.
menten die Möglichkeit zu geben, einander bei Fragen zu helfen. Dabei haben Marktforscher in der Wirtschaftspraxis nicht
Eine offene Frage hierbei ist: Wie weit sollten Unternehmen hier immer einen leichten Stand. Nicht selten müssen die Kolle-
eingreifen, falls z. B. Antworten unrichtig oder beleidigend sind ginnen und Kollegen aus der Marktforschung gegenüber dem
(Hennig-Thurau et al. 2010, S. 319)? Management eine hinderliche „Kommunikationsmauer“ (Lach-
Sehr heterogen wird auch die Frage diskutiert, ob es für mann 1994) überwinden, um ihre Arbeit zu verkaufen. Das Ma-
Unternehmen hilfreich ist, wenn Konsumenten sie zu virtuel- nagement seinerseits beklagt, dass die Ergebnisse der Markt-
len „Freunden“ erklären. Was müssen Unternehmen tun, damit forschung oft zu spät einträfen, zu komplex, zu unverständlich,
Konsumenten sie zu Freunden erklären? Welche Risiken beste- zu vieldeutig und zu teuer seien und keine Folgerungen für die
hen, wenn Unternehmen solche Möglichkeiten nicht bieten (z. B. Praxis abwerfen würden (Lachmann 1994, S. 32). Oft genug be-
Konkurrenzmarken drängen sich in eine Community; für einen vorzugen Mediaplaner am Ende auch angesichts umfangreicher
Überblick vgl. Hennig-Thurau et al. 2010)? und zuverlässiger Daten und Erfahrungswerte noch immer die
„Bauchentscheidung“ (Schüür-Langkau 2000), lassen sich also
nicht durch Daten, sondern durch andere Impulse leiten. Dieses
1.8 Werbe- und Konsumentenpsychologie Problem haben freilich nicht nur Psychologen in der Marktfor-
– eine Disziplin mit Zukunft? schung.
Ein anderes Vorurteil, mit dem Sie in der Wirtschaftspraxis
Wer behauptet, dass das Geschehen auf den Märkten und speziell rechnen müssen: Unter psychologischen Methoden verstehen
in der Werbung „alles nur Psychologie“ sei, braucht kaum Wi- viele Praktiker der Wirtschaft vor allem den Umgang mit quali-
24 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

tativen Daten, Interviews, assoziativen Verfahren, Gruppendis- genteil: Es ist guter wissenschaftlicher Stil, das Wissen allen zur
1 kussionen, projektiven Tests und so weiter. Dieses Vorurteil wird Verfügung zu stellen, die damit arbeiten wollen.
verstärkt durch eine unglückliche Tendenz, immer dann von psy- Gleichwohl muss man zur Argumentation innerhalb des
2 chologischer Marktforschung zu sprechen, wenn man eigentlich Neuromarketings vielerlei einwenden, und der Vorwurf, dass das
nur einen kleinen Ausschnitt aus der Marktforschung meint (z. B. Umetikettieren von Erkenntnissen und Methoden (sozusagen
Kepper 1996; Salcher 1995). vom Psycho- zum Neuro-Label) unverschämt und ärgerlich ist,
3 Mit psychologischer Marktforschung ist oft ein Untersu- ist von den Einwänden noch der leichteste.
chungsansatz gemeint, der in besonderem Grade am Individuum Direkt an diesen Einwand schließt sich ein zweiter an, der
4 ansetzt, mehr auf Verstehen als auf Beschreiben ausgerichtet ist deutlich schwerer wiegt: Tatsächlich beruht ja ein Großteil des-
und insbesondere tieferliegende, nicht offen artikulierte Motiv- sen, was als Neuromarketing verkauft wird, nicht auf neurolo-
5 und Bedürfnisstrukturen aufdeckt. Somit gilt beispielsweise die gischer Forschung. Der oben genannte IAT ist hierfür ein gutes
Motivforschung (Felser 2008) als eine besondere Domäne der Beispiel: Weder werden bei dieser Methode (die in ▶ Abschn. 13.3
psychologischen Marktforschung. Die zentrale Kompetenz von beschrieben wird) neurologische Daten gesammelt, noch bezie-
6 psychologischer Seite wird bei der Durchführung und Auswer- hen sich die konkurrierenden Erklärungen für seine Ergebnisse
tung solcher qualitativer Verfahren gesehen. auf neurologische Prozesse (z. B. Wittenbrink und Schwarz
7 Bei dieser Sicht auf die psychologischen Beiträge zur Markt- 2007). Das allerdings sollte eine Minimalforderung an Erkennt-
und Konsumentenforschung bleibt freilich ein sehr umfangrei- nisse sein, die das Neuro-Label tragen. Wo weder neurologische
ches Potential ungenutzt. Dies betrifft nicht nur die Kompeten- Daten eine Rolle spielen noch neurologische Prozesse Teil der
8 zen im Umgang mit quantitativen Daten. Die folgenden Kapitel Erklärungsmodelle sind, ist das Neuro-Label irreführend: Es ist
zeigen – so hoffe ich wenigstens –, dass die Psychologie praktisch nicht drin, was draufsteht – ein einfacher Etikettenschwindel.
9 zu allen Bereichen des Konsumentenverhaltens wichtige Beiträge Damit die Bezeichnung „Neuro“ für eine Methode oder eine
leisten kann. Erkenntnis gerechtfertigt ist, sollte wenigstens eine von zwei Be-
10 Viele auch überraschende Phänomene der Konsumenten- dingungen zutreffen:
psychologie sind in der jüngeren Vergangenheit besser erforscht 1. Die Methode sollte neurologische Daten erheben bzw. die
worden, so dass man sie nicht mehr einfach als Anomalien oder Erkenntnis sollte auf neurologischen Daten beruhen.
11 irrationales Verhalten hinnehmen muss, sondern sie im Gegen- 2. Methode oder Erkenntnis sollten sich in der Erklärung oder
teil vorhersagen und bei Bedarf bewusst steuern kann. In solchen in der dazugehörigen Modellvorstellung auf neurologische
12 Forschungsergebnissen zeigt sich ein bedeutender Vorsprung der Prozesse beziehen.
Psychologie als einer empirischen Wissenschaft, die noch immer
sehr von ihren neuesten Forschungsergebnissen geprägt wird. Wenn keine der beiden Bedingungen zutrifft, ist das Neuro-Label
13 nicht angemessen.
Nun sind vielleicht manche hartnäckigen Freunde der Neuro-
14 1.8.2 Eine kleine Auseinandersetzung mit forschung geneigt einzuwenden, dass der Bezug auf unbewusste
dem Neuromarketing und automatische Informationsverarbeitung ein ausreichender
15 Grund sei, von Neuroforschung zu sprechen. Dieses Argument
In den letzten Jahren ist durch die Fortschritte in den neurologi- übersieht allerdings einen wichtigen Unterschied: In der Tat
schen Methoden die Hoffnung gewachsen, durch Hirnforschung beziehen sich die Aussagen des Neuromarketings ja meistens
16 noch klarere Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten zu auf automatische Prozesse der Informationsverarbeitung – aber
gewinnen. Für eine kurze Zeit hat sich gar eine regelrechte Mode dieser Bezug ist dann auch gleich das Problem: Mit „Informati-
17 um das sogenannte Neuromarketing entwickelt. Ein Schwerpunkt onsverarbeitung“ ist ja nicht die Ausschüttung von Neurotrans-
des Neuromarketings war ein Thema, das eigentlich in erster Li- mittern oder die Durchblutung von Hirnarealen gemeint. Es
nie der Psychologie zuzuordnen ist, nämlich die unbewussten geht vielmehr um Entscheidungen, Assoziationen, Handlungs-
18 und automatischen Einflüsse auf unser Verhalten, insbesondere impulse, Bewertungen, Motive, Emotionen und dergleichen.
auf unsere Entscheidungen. Allerdings waren die Antworten der Kurz gesagt: Es geht um mentale Prozesse der Informationsver-
19 Hirnforschung auf die Frage nach diesen Einflüssen nicht immer arbeitung, also um Dinge, die zunächst einmal verschieden sind
neu, vor allem aber enthielten sie in der Regel deutlich weniger von Hirnprozessen und deren Verbindung zu neurologischen
20 Neurologie, als eigentlich zu erwarten war. Prozessen erst noch gezeigt werden muss.
So wurden zum Beispiel genuin psychologische Verfah- Die Unterscheidung zwischen mentalen Prozessen der In-
ren wie der Implizite Assoziationstest (IAT; Greenwald et  al. formationsverarbeitung und physiologischen Vorgängen kann
21 1998) oder das Priming unbekümmert unter die Methoden des man auf unterschiedlich weit reichende Weisen verstehen. Wenn
Neuromarketings subsumiert (z. B. ▶ http://www.implicit-mar- man bei dieser Unterscheidung etwas weiter ausholt, gelangt
22 keting.de/weblog/2006/08/10/implizite-messverfahren bzw. man schnell zu einer der ältesten Fragen der Philosophie, dem
▶ http://www.train-und-coach.de/neuromarketing-revolutionae- Leib-Seele-Problem. Dieses Problem besteht kurz gesagt in der
res-marketing-konzept-oder-verbraucher-manipulation.html, Ab- Frage, wie aus mentalen Vorgängen physische Ereignisse werden
23 ruf 25.6.2012). Man kann nun fragen, was daran denn schlimm können und umgekehrt.
sein soll. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden sind ja Man muss nun aber nicht gleich mit der großen Philoso-
kein Exklusiveigentum bestimmter Disziplinen – ganz im Ge- phie-Keule ausholen, um den Gedanken zurückzuweisen, dass
1.8  •  Werbe- und Konsumentenpsychologie – eine Disziplin mit Zukunft?
25 1

automatische Informationsverarbeitung per se bereits auf Hirn- Die genannten Argumente zeigen zumindest, dass der Blick auf

-
prozesse verweist.
Zum einen fehlt, solange keine der beiden oben genann-
ten Bedingungen erfüllt sind, ohnehin die Verbindung
zwischen neurologischen Prozessen und der Informations-
Hirnprozesse wenig weiterhilft, wenn man verstehen will, wie
Menschen die „Codes“ in der Produktwelt deuten.
Natürlich kann man immer noch davon sprechen, dass das
Gehirn die Codes „entschlüsselt“ oder „interpretiert“ – und diese
verarbeitung. Wer unter diesen Umständen Verfahren wie Redeweise ist sogar sehr verbreitet. Wenn wir aber fragen, wie
den IAT unter das Neuromarketing subsumiert, begründet viel wir durch diese Redeweise über die Phänomene lernen, so
das Neuro-Label im Grund allenfalls mit folgender Über- ist sie im besten Falle nutzlos, wahrscheinlich aber schlimmer
legung: „Ich weiß zwar nicht wie, aber irgendwie braucht noch: rückschrittlich. Wenn wir uns nämlich darauf einlassen,
man das Gehirn für diese Prozesse.“ Das ist als Begründung das Gehirn zum handelnden Subjekt unserer unbewussten Infor-

- natürlich etwas mager.


Zum anderen muss man bezweifeln, dass die im Marketing
interessierenden mentalen Konzepte überhaupt jemals
mehr als nur ausschnitthaft durch Gehirnprozesse abge-
mationsverarbeitung zu erklären, lenkt das den Blick ab von den
Fragen, die wir uns eigentlich stellen sollten – und die wir uns
ohne diese Sichtweise gestellt hätten. Im Fall der oben zitierten
Codes sind dies zum Beispiel die kulturellen Zusammenhänge,
bildet werden können. Zwischen mentalen und neurologi- in denen Codes stehen und die sie zuallererst definieren. In an-
schen Prozessen besteht auch dann ein prinzipieller, nicht deren Fällen sollte man mehr auf Prozesse der Informationsver-
überwindbarer Unterschied, wenn man gar nicht davon arbeitung schauen als auf neurologische Vorgänge – allein schon
ausgeht, dass Leib und Seele unterschiedliche Substanzen damit man versteht, was passiert und wie es passiert, bevor man
oder Entitäten sind. sich fragt, wo es geschieht (vgl. Strack 2010).
Die kognitive Psychologie reagiert besonders sensibel auf
In ▶ Abschn. 5.2.3 (insbesondere ▶ Exkurs  5.2) zeige ich ein Theorien, die einen Homunculus postulieren. „Ein Homuncu-
solches prinzipielles Problem am Beispiel von Emotionen auf. lus ist ein kleines Wesen, das über eine vergleichbar komplexe
Hier soll eine abgeschwächte Version des Arguments genügen: Leistungsfähigkeit wie der Mensch verfügt“ (Wentura und Frings
Um Verhalten zu verstehen, muss man neben einer naturwis- 2013, S. 43). Wenn wir also als treibende Kräfte hinter dem Ver-
senschaftlichen auch eine kulturwissenschaftliche Perspektive halten Homunculi annehmen, dann heißt das, dass wir „Struk-
einnehmen. Zum Beispiel wird unser Verhalten und Erleben turen und Prozesse … [postulieren], die derart komplex und un-
in hohem Maße durch Eigenheiten der Sprache geprägt, etwa verstanden sind, dass man wieder den kompletten Menschen in
durch Redewendungen und Metaphern (z. B. Lakoff und John- seiner Leistungsfähigkeit dafür benötigt. Man merkt dies daran,
son 2004; konsumpsychologische Anwendungen diskutiere ich dass Begriffe verwendet werden, die wir gemeinhin nur auf Men-
in ▶ Kap. 6), oder durch unsere impliziten Theorien darüber, wie schen beziehen“ (Wentura und Frings 2013, S. 43). Die kognitive
Kommunikation funktioniert (z. B. Grice 1975). Diese Eigenhei- Psychologie ist immer wieder davon bedroht, solche Homucu-
ten sind zwar nicht völlig beliebig (und vielleicht ist es sogar ge- lus-Theorien aufzustellen – manchen davon sieht man ihren ge-
nau die Funktionsweise des Gehirns, die ihre Grenzen bestimmt), ringen Erklärungswert nicht auf Anhieb an. Darum benutzen
aber sie variieren von Kultur zu Kultur und manchmal auch von Wentura und Frings (2013) zur Veranschaulichung auch ein Bei-
Mensch zu Mensch. spiel, in dem nach ihrer Ansicht die Substanzlosigkeit der Ho-
Ein anderes Beispiel: Scheier et al. (2010) analysieren soge- munculus-Erklärung besonders ins Auge springt: „Falls jemand
nannte mentale Codes, die durch Produkte angesprochen wer- sagt: ‚Die Außenwelt wird über die Augenlinse auf die Netzhaut
den. So zeigen sie zum Beispiel auf, dass die physischen Pro- projiziert; diese Projektion wird dann vom Gehirn interpretiert‘,
dukteigenschaften und die Zubereitungsart von Bohnenkaffee im so ist das mindestens sehr leichtfertiges Gerede; im Grunde ist
Unterschied zu Instantkaffee sehr unterschiedliche mentale Kon- es Blödsinn. Das Gehirn besteht aus sehr vielen hochgradig ver-
zepte anstößt (S. 40 ff.). Bedenken Sie nur, welche unterschied- netzten Neuronen; in diesem Neuronennetz laufen physiologi-
lichen Situationen vor dem geistigen Auge aufkommen, wenn sche Prozesse ab. ‚Interpretieren‘ gehört sicherlich nicht zu diesen
man den Kaffee bereits riecht, während er zubereitet wird. Dies Prozessen“ (Hervorhebung im Original).
geht nur beim Bohnenkaffee, und in der Tat ist dieses sensorische Seien Sie also auf der Hut, wenn Ihnen mal wieder präsen-
Erlebnis sehr viel enger mit Konzepten wie „Gemeinschaft und tiert wird, ein mentales Phänomen sei „entschlüsselt“, weil man
Wertschätzung“ verknüpft als der Geruch des fertigen Getränks die korrespondierenden Gehirnprozesse beobachtet hat. Meist
beim Instantkaffee, der seinerseits aus diesen und anderen Grün- erklären diese Beobachtungen an den Phänomenen wenig bis
den vielleicht eher mentale Konzepte wie Individualität anregt. gar nichts – eher noch setzen sie bestimmte (psychologische)
Verantwortlich für solche wichtigen Assoziationen ist nicht Erklärungen voraus. Und wenn dann jemand davon spricht, dass
die Funktionsweise des Gehirns, sondern die der Kultur, in der unsere mentalen Phänomene im Grunde Tätigkeiten des Gehirns
die jeweiligen Konsumenten leben. Scheier et al. (2010) sprechen seien, dann teilt er uns damit meist eher mit, dass er die genauen
von der „Statistik der Umwelt“, die mentale Konzepte prägt. Ge- Prozesse hinter diesen Phänomenen nicht kennt und sich lieber
hirnprozesse tragen vielleicht die Spuren dieser Statistik, aber einen Homunculus denkt, der entscheidet, interpretiert, Disso-
sie erklären damit nicht die Bedeutungen, die durch die Kultur nanzen beseitigt und so weiter.
geprägt werden. Dies ist erst möglich, wenn man zum einen die Es ist erfahrungsgemäß nicht einfach, Ökonomen von psy-
kulturellen Bedeutungen selbst und zum anderen die Deutungs- chologischem Denken zu überzeugen. Ganz inoffiziell und unter
gewohnheiten und -strategien der Konsumenten betrachtet. vier Augen bestätigen mir das auch die Kolleginnen und Kolle-
26 Kapitel 1  •  Werbung und Kaufen, eine Einführung

gen, die sich darum verdient machen, Erkenntnisse der Psycho- behaupteten die Vertreter der Dissonanztheorie, kognitive Dis-
1 logie nicht nur über Bücher, sondern in der direkten Interaktion sonanz sei ein physisch unangenehmer Zustand und die Einstel-
in die Wirtschaft zu tragen. Was sich dabei auch zu bestätigen lungsänderung sei ein Weg, diesen Zustand zu beheben. Diese
2 scheint – wie gesagt inoffiziell und unter vier Augen –, ist, dass These wurde z. B. von Bem (1972) herausgefordert, und für einige
Ökonomen mehr Wissenschaft und Seriosität hinter einer Er- Zeit blieb strittig, ob Dissonanzreduktion wirklich eine Strategie
kenntnis über Verhalten und Erleben vermuten, wenn man sie ist, physische Anspannung abzubauen. Die Daten von van Veen
3 auf neurologische Daten gründet oder sonst irgendwie das Ge- et al. (2009) kommen der Dissonanztheorie so gesehen ganz ge-
hirn ins Spiel bringt. In der der Tat kann man auch empirisch zei- legen, denn sie belegen physische Spuren der Dissonanz in Hirn-
4 gen, daß Laien psychologische Erklärungen eher glauben, wenn regionen, die mit negativen Affekten einhergehen. Allerdings ist
man sie mit neurologischen Weihen ausstattet. Selbst sinnlose, die Streitfrage um die physische Anspannung durch Dissonanz
5 weil zirkuläre psychologische Erklärungen für Alltagsphänomene bereits vor Jahrzehnten zugunsten der Dissonanztheorie in einer
wirken auf Laien plausibel, wenn man sie mit Sätzen garniert wie: originellen Versuchsanordnung von Zanna und Cooper (1974)
„Brain scans idicate…“ (Weisberg et al. 2008). Das berührt zwar entschieden worden – ohne bildgebende Hirnforschung.
6 nicht die hier vorgestellten Argumente, aber es erklärt trotzdem Man wird wohl auf Dauer weiterhin andere Daten als neu-
so einiges – und rettet vielleicht auch ein wenig die Ehre mancher rologische brauchen, um zu brauchbaren Erklärungsmodellen
7 Psychologinnen und Psychologen, die sich auf die oben kritisierte für mentale Vorgängen zu kommen. Diese Erklärungsmodelle
Redeweise einlassen. werden eher in psychologischen als in neurologischen Begriffen
Wenn Sie sich im Folgenden mit unterschiedlichen psycho- formuliert – und erst wenn man solche Modelle hat, kann man
8 logischen Denkansätzen beschäftigen, lohnt sich vielleicht hin versuchen zu zeigen, wie mentale Prozesse mit Hirnprozessen
und wieder die Frage: Wie hätte eigentlich die Hirnforschung zusammenhängen. Ein umgekehrter Weg scheint eher unwahr-
9 die jeweilige Frage beantwortet? Wie könnte man zum Bei- scheinlich, und daher ist wohl John Kihlstrom zuzustimmen, den
spiel auf Basis von neurologischen Befunden Phänomene wie Strack (2010, S. 205) mit den Worten zitiert: „Psychology without
10 Gestaltwahrnehmung (▶ Abschn. 2.2.2), kognitive Dissonanz neuroscience is still the science of mental life, but neuroscience
(▶ Abschn. 11.2) oder Metakognitionen (▶ Abschn. 7.1) erken- without psychology is just a science of neurons.“
nen? Vermutlich wären solche Phänomene nie entdeckt worden, Es bleibt zu hoffen, dass die Beiträge der Psychologie zum
11 wenn man Verhalten und Erleben in erster Linie als neurologi- Verständnis des Konsumentenverhaltens auch unter ihrem eige-
sche Prozesse verstehen würde. nen Label (und nicht unter Bezeichnungen wie „Neuromarke-
12 Sicherlich werden manche Anhänger der Neuroforschung ting“ oder „Verhaltensökonomie“) in Zukunft noch mehr nach-
einwenden, dass aus diesem Grund Disziplinen wie das Neuro- gefragt – freilich von den praktisch arbeitenden Psychologinnen
marketing eben auch interdisziplinär angelegt sind und nicht nur und Psychologen auch entsprechend gut „verkauft“ – werden.
13 aus Neuroforschung allein bestehen. Dies suggeriert allerdings Mit diesem Buch habe ich versucht, dazu beizutragen. Die Zu-
eine Gleichberechtigung, die so nicht besteht. Die psychologi- kunft der Werbepsychologie kann davon nur profitieren – und
14 schen Konzepte und Modelle sind ja die Voraussetzung dafür, mit ihr der ganze Markt.
dass Neurologen überhaupt über irgendetwas anderes Auskunft
15 geben können als über Neuronen. Mindestens insofern besteht
ein Primat der Psychologie gegenüber der Neurologie, und es
scheint sehr fraglich, ob sich die Richtung dieses Vorrangs auch
16 umdrehen kann.
Geschehen würde dies, wenn tatsächlich einmal eine neuro-
17 logische Erkenntnis eine psychologische Annahme verändern
würde. Tatsächlich geschehen ist das bislang noch nicht (Strack
2010). Und wir werden in ▶ Abschn. 5.2.3 sehen, dass beispiels-
18 weise im Falle der Emotionen auch prinzipielle (begriffliche)
Gründe verhindern, dass dies überhaupt geschehen kann.
19 Die genannten Einwände bedeuten nicht, dass man Phäno-
mene wie kognitive Dissonanz nicht auf neurologischer Ebene
20 untersuchen könnte. Natürlich geschieht das; zum Beispiel iden-
tifizieren van Veen et al. (2009) den anterioren zingulären Kor-
tex und die Insula als Regionen, die aktiviert werden, wenn eine
21 Person auf Grundlage einer kognitiven Dissonanz ihre Einstel-
lung ändert. Forschungen wie diese haben eher den Zweck, die
22 Funktionen der genannten Hirnregionen genauer zu bestimmen
– und das wiederum gelingt deshalb, weil man psychologische
Modelle hat, die erklären, was mental geschieht und wie daher
23 ein neurologisches Befundmuster zu deuten ist.
Vielleicht würden Befunde wie die von van Veen et al. (2009)
auch unser Verständnis der kognitiven Dissonanz bereichern. So
27 2

Wahrnehmung
und Aufmerksamkeit
Georg Felser

2.1 Psychophysik – 28
2.1.1 Empfindungsschwelle, Unterschiedsschwelle
und Empfindungsmessung – 28
2.1.2 Psychophysik in Werbung und Konsumverhalten  –  29
2.1.3 Einschränkungen der Parallelität zwischen Wahrnehmen und Urteilen  –  30

2.2 Das Sehen – 31


2.2.1 Konstruktive Beiträge des Gesichtssinns zur Wahrnehmung  –  31
2.2.2 Gestaltprinzipien der Wahrnehmung – 32

2.3 Das Hören – 33


2.4 Die Geruchswahrnehmung – 34
2.5 Berührung – 35
2.6 Das Zusammenspiel der Sinne: Multisensualität
und der Effekt von Erwartungen  –  38
2.6.1 Multisensualität – 38
2.6.2 Die Bedeutung von Erwartung für das Produkterleben  –  38
2.6.3 Multisensuale Produkterlebnisse – 40

2.7 Aufmerksamkeit – 41
2.7.1 Aufmerksamkeitssteuerung – 41
2.7.2 Reizverarbeitung ohne Aufmerksamkeit  –  42
2.7.3 Aufmerksamkeit und Entscheidungen  –  44
2.7.4 Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung  –  44
2.7.5 Aufmerksamkeitssteuerung durch konkrete Inhalte  –  46

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
28 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

Größen, Empfindungen werden. Der Wahrnehmungsprozess hat

-
Zusammenfassung:
1 1. Beim Prozess der Wahrnehmung werden Reize der Außenwelt demnach drei Komponenten:
Physikalische Komponente: zum Beispiel Wellenlänge des

-
in Sinnesempfindungen übersetzt. Es sind aber nicht alle phy-
2 sikalisch messbaren Reize der Außenwelt für den Menschen Lichts, Schallintensität, Frequenz einer Schwingung.
Physiologische Komponente: bestimmte Tätigkeit der Ner-

-
wahrnehmbar. Zum Beispiel sind einige Reize zu schwach, um
wahrgenommen zu werden. Sie liegen unterhalb der Empfin- venzellen.
3 dungsschwelle. Auch Unterschiede zwischen verschiedenen Psychologische Komponente: zum Beispiel Farbempfindung,
Reizstärken kann der Mensch nicht perfekt wahrnehmen. Die Lautstärke oder Höhe eines Tons.
4 Sensibilität für Unterschiede wird bei zunehmender Reizstärke
immer geringer. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die psychologische
5 2. Die Wahrnehmung folgt den Gestaltgesetzen. Unter die Gestalt- Komponente. Die Psychophysik hat sich damit beschäftigt, wie
gesetze fällt zum Beispiel die Tendenz, unvollständige Figuren physikalische Reize zu unseren Empfindungen in Beziehung ste-
vollständig wahrzunehmen. Andere Gestaltgesetze sind: die hen. Als Erstes muss man zu dieser Beziehung sagen, dass nicht
6 Gliederung nach Figur und Grund, das Gesetz der Nähe, der alles, was physikalisch messbar ist, auch zu einer Empfindung
Ähnlichkeit und der Kontinuität. Außerdem prägen Erfahrung führt. Für manche Reize sind unsere Sinnesorgane qualitativ
7 und Erwartungen unsere Wahrnehmung. nicht ausgerüstet, zum Beispiel für bestimmte Wellenlängen des
3. Durch das Zusammenspiel der Sinne werden auch unter- Lichts (Radio- oder Mikrowellen, Röntgenstrahlen) oder be-
stimmte Frequenzen des Schalls.
8 schiedliche Produkterlebnisse erzeugt. So kann der Wahr-
nehmungseindruck auf der einen Sinnesdimension (z. B. wie
sich ein Produkt im Gebrauch anhört) Erwartungen an die
9 andere Sinnesdimension erzeugen (z. B. mit welcher Kraft es 2.1.1 Empfindungsschwelle,
arbeitet). Auch der ästhetische und eher affektive Eindruck von Unterschiedsschwelle
und Empfindungsmessung
10 Produkten ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel mehrerer
Sinne.
4. Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit, einigen Informationen vor Physikalische Reize können aber auch einfach zu schwach sein,
11 anderen den Vorzug in der Verarbeitung zu geben. Sie kann als dass wir sie wahrnehmen könnten. Qualitativ sind sie zwar
willentlich gesteuert werden. Grundsätzlich ist die Aufmerk- zur Wahrnehmung geeignet, nur eben quantitativ nicht. Sie sind
12 samkeit begrenzt. Der Verlauf unserer Informationsverarbei- nicht intensiv genug. Diejenige Intensität eines Reizes nun, bei
tungsprozesse hängt in vielen Fällen davon ab, welchen Grad der Menschen beginnen, etwas wahrzunehmen, nennt man ab-
solute Reiz- oder Empfindungsschwelle. Dabei ist zu bedenken,
13 der Aufmerksamkeit wir diesen Prozessen widmen.
5. Unsere Aufmerksamkeit wird in erster Linie durch unsere Ziele dass in einem bestimmten Intensitätsbereich derselbe schwache
bestimmt. Erst in zweiter Linie spielt es eine Rolle, ob ein Reiz aus Reiz von derselben Person einmal wahrgenommen wird und ein
14 sich heraus Aufmerksamkeit an sich bindet. Die Aufmerksam- anderes Mal nicht. Doch genau um diesen Bereich geht es bei der
keit steigern vor allem farbige, neuartige, intensive und große Festlegung der absoluten Reizschwelle. Um zu einem Ergebnis
15 Reize, Dinge, die sich bewegen, und Reize, die ohne besondere zu kommen, legt man fest, wie häufig sich die Versuchspersonen
Anstrengung aufgenommen werden können. noch irren dürfen, also falschen Alarm geben oder einen Reiz aus-
6. Starke Aufmerksamkeit genießen jene Inhalte, mit denen wir uns lassen. Bei einer Entdeckungswahrscheinlichkeit von 50 % ist die
16 aktuell gerade beschäftigen oder die aktuell in der Öffentlichkeit Schwelle überschritten. Liegt der Reiz unterhalb dieser Schwelle,
eine Rolle spielen. Erotische Reize können fast immer mit Leich- wird er zwar immer noch gelegentlich wahrgenommen, nur nicht
17 tigkeit Aufmerksamkeit auf sich ziehen. mehr häufig genug; die Irrtumswahrscheinlichkeit ist zu hoch.
Wahrnehmungsschwellen hat bereits vor mehr als hundert
Von den Prozessen der menschlichen Wahrnehmung möchte Jahren der Leipziger Philosoph und Physiker Gustav Theodor
18 ich nur wenige sehr grundlegende Dinge ansprechen, die später Fechner bestimmt, und seine Methoden sind für uns bis heute
noch einmal aufgegriffen werden. Ein weiterer Abschnitt wird interessant (▶ Abschn. 2.1.2). Fechner nutzte drei verschiedene
19 sich dann mit dem Begriff der Aufmerksamkeit und der Auf- Methoden (für einen Überblick vgl. Anderson 2001): Bei der
merksamkeitssteuerung beschäftigen. Grenzmethode werden der Versuchsperson einzelne Reize in auf-
20 oder in absteigender Folge präsentiert. Die Probanden müssen
dann angeben, ob sie den Reiz bemerken oder nicht. Fechner
2.1 Psychophysik wusste bereits, dass Personen dazu neigen, bei folgenden Urteilen
21 ähnlich zu antworten wie im Urteil zuvor. Um diese Antwortten-
Zunächst sollte man bei den Wahrnehmungsprozessen folgende denzen auszugleichen, wechselte er in den Versuchsdurchgängen
22 Unterscheidung treffen: Bis wir etwas wahrnehmen, also bis wir zwischen einer auf- und absteigenden Folge.
sagen können, „ich sehe oder höre … das und das“, muss der Dies gilt auch für die Herstellungsmethode. Hier werden die
Körper mit seinen Sinneszellen physikalische Reize in körpe- Reize nicht als einzelne diskrete Stimuli, sondern kontinuierlich
23 reigene physiologische Energie umgewandelt haben. Aus die- dargeboten. Zum Beispiel würde ein Ton kontinuierlich immer
ser physiologischen Energie müssen psychologisch gehaltvolle lauter oder leiser, und die Probanden müssen diejenige Reiz-
stärke identifizieren, ab der sie gerade nichts mehr hören oder ab
2.1 • Psychophysik
29 2

der sie beginnen, etwas zu hören. In manchen Varianten der Her- 14

subjektive Empfindung
stellungsmethode können die Probanden die kritische Reizstärke 12
sogar selbst von Hand einstellen. Diese Methode ist die schnellste 10
zur Schwellenbestimmung, sie ist aber auch die ungenaueste. 8
Genauer, aber auch aufwendiger ist die Konstanzmethode. 6
Hier werden wieder diskrete Reize von unterschiedlicher Stärke 4
präsentiert, dies aber in zufälliger Anordnung. Die Probanden 2
sollen pro Durchgang sagen, ob sie etwas bemerken oder nicht.
0
Mit allen drei Methoden erhält man über verschiedene Pro- 0 10 20 30 40 50 60
banden und Durchgänge hinweg eine Verteilung von Ja-Ant- Menge an Teelöffeln Salz
worten auf die Reizstärken, und es wird diejenige Reizstärke als
.. Abb. 2.1  Zuwachs der Empfindungsstärke als logarithmische Funktion der
absolute Schwelle identifiziert, die eine Entdeckungswahrschein- Reizstärke.
lichkeit von 50 % hat.
Die nächste wichtige Frage ist nun, wie stark sich Reize phy- Teelöffel Salz enthält (Empfindungsstärke von 8), brauchen wir
sikalisch unterscheiden müssen, damit der Unterschied wahrge- bereits mehr als drei neue Löffel, um den Zuwachs zu bemerken.
nommen wird. Stellen Sie sich vor, Sie hätten an der Stereoanlage
einen Regler mit 100 Punkten. Wenn Sie zum Beispiel von 10
nach 20 drehen, empfinden Sie die Musik als wesentlich lauter, 2.1.2 Psychophysik in Werbung
drehen Sie aber von 90 nach 100, merken Sie den Unterschied und Konsumverhalten
gar nicht. Dieses Phänomen liegt nicht (nur) an der mangelhaf-
ten Leistung Ihres Verstärkers oder Ihrer Lautsprecher, sondern Warum beschäftigen wir uns so ausführlich mit Psychophysik
am Verhältnis zwischen Schallintensität und Lautheit, allgemein und der Beziehung zwischen Reiz- und Empfindungsstärke?
zwischen Reizintensität und Empfindung. Je höher die Intensität Nun, alle diese Punkte haben für die Konsumentenpsychologie
des Reizes ist, desto größer müssen auch Unterschiede sein, um wichtige Implikationen.
eben noch wahrgenommen zu werden. Die Unterschiedsschwelle Der Begriff der absoluten Reizschwelle ist zum Beispiel
ist also umso höher, je höher die Reizintensität ist. wichtig, wenn es um die Frage der „unterschwelligen Wahrneh-
Die Unterschiedsschwelle ist zur Reizintensität konstant mung“ geht. Dieser Begriff ist seit Jahrzehnten Teil des populä-
proportional. Dieses Prinzip nennt man nach seinem Entdecker ren Verständnisses von Werbewirkung (z. B. Packard 1974). Laut
Weber’sches Gesetz. Das heißt zum Beispiel für die Lautstärke, verschiedenen Umfragen in den USA kennen zwischen 75 und
dass ein Schallreiz gegenüber seinem Vorgänger um 9 % inten- 81 % der Bevölkerung den Begriff, 74 bis 81 % glauben, dass die
siver sein muss, um als unterschiedlich wahrgenommen zu wer- Werbung mindestens „manchmal“ unterschwellige Botschaften
den (Bourne und Ekstrand 1992, S. 88). Wenn mein Regler 10 aussendet, und zwischen 68 und 72 % glauben, dass die Werbung
anzeigt, muss ich ihn nur auf 11 drehen, um einen Unterschied damit auch Erfolg hat (Rogers und Smith 1993; Smith und Rogers
zu bemerken. Zeigt er mir aber 80 an, muss ich auf ungefähr 87 1994, S. 866 f.; vgl. auch Zanot et al. 1983).
weiterdrehen, damit ich es überhaupt als lauter empfinde. Weniger verbreitet ist dagegen die Tatsache, dass mit der ab-
Betrachten wir hierzu ein einfaches Beispiel: Der Weber’sche soluten Reizschwelle keineswegs eine invariante, für alle Men-
Quotient für den Geschmack von Salz in Wasser ist 1/3 (Levine schen und alle Bedingungen gleiche Reizstärke gemeint ist. So
2000, S. 15). Stellen wir uns nun der Einfachheit halber vor, wir geht aus der Definition der absoluten Reizschwelle offenbar nicht
hätten eine Wassermenge, in die man genau einen Teelöffel Salz hervor, dass unterhalb dieser Reizstärke kein Mensch mehr et-
geben muss, damit wir das Salz bemerken. Damit wäre die abso- was bewusst wahrnimmt. Die Wahrscheinlichkeit der bewussten
lute Reizschwelle für Salz in diesem Fall also eins, und die Einheit Wahrnehmung ist vielmehr nur kleiner als 50 %. Eine bewusste
ist ein Teelöffel. Nun gibt jemand weitere Teelöffel in das Wasser, Reizaufnahme kann also bei Stimuli, die nur knapp unterschwellig
und wir sollen angeben, wann das Wasser salziger schmeckt als dargeboten werden, nicht ausgeschlossen werden. Zusätzlich wird
zuvor. Bei einem Weber’schen Quotienten von 1/3 würden wir der Nachweis unterschwelliger Wahrnehmung dadurch erschwert,
den ersten Unterschied bereits bemerken, wenn nur ein Drit- dass Reizschwellen in der Regel nur unter bestimmten Bedingun-
tel Teelöffel hinzugegeben wurde. Nun sind also 1,33 Teelöffel gen gelten. So wird beispielsweise die Reizschwelle zur Wahrneh-
Salz im Wasser. Den nächsten Unterschied bemerken wir, wenn mung von kurzen visuellen Reizen (im populären Verständnis ist
die Salzmenge demgegenüber wieder um 1/3 steigt , wenn also das vermutlich der Prototyp einer unterschwelligen Darbietung)
1,78 Teelöffel darin sind. . Abb. 2.1 drückt diese Funktion aus: stark von der Kontextbeleuchtung bestimmt. Wird die räumliche
Auf der Abszisse sehen Sie die Salzmenge in Teelöffeln und auf Umgebung heller oder dunkler, ändert sich die Reizschwelle, und
der Ordinate ein Maß für unsere subjektive Empfindung. Dieses was zuvor noch unterschwellig war, ist es nun vielleicht nicht mehr.
Maß ist natürlich nichts anderes als die jeweiligen Unterschieds- Ein weiterer Anwendungsgesichtspunkt der Psychophysik:
schwellen für bestimmte Ausgangsmengen von Salz. Die Techniken Fechners zur Schwellenbestimmung sind eine in-
In die Punkte der Abbildung ist bereits eine kontinuierliche lo- teressante Möglichkeit, Preisschwellen zu bestimmen. So könnte
garithmische Funktion gelegt; in Wirklichkeit erscheint es ja eher man an Stelle physischer Reize Preise präsentieren und ermitteln,
so, als bewege sich unsere Wahrnehmung stufenweise von einer ob ein Produkt zu diesem Preis noch gekauft wird. Die Kaufhäu-
Reizschwelle zur nächsten. Sobald das Wasser bereits etwa zehn figkeit kann man gegen die Höhe des Preises abtragen und würde
30 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

auf diese Weise Schwellen und Unstetigkeiten in der Preis-Ab- teren Artikel hinzu, wird der Preis hierfür als weniger gravierend
1 satz-Funktion erkennen. wahrgenommen, als wenn man diesen Artikel gleich zu Anfang
Unterschiedsschwellen sind bereits auf einer sehr wahrneh- (bei einem niedrigen Ausgangsreiz) gewählt hätte (. Abb. 2.1).
2 mungsnahen Ebene bedeutsam. Denken Sie etwa an die folgende Um die These von der Psychophysik des Geldausgebens zu
Frage: Wie groß soll eine Anzeige sein, damit sie optimale Wir- prüfen, ließ Christensen (1989) ihre Probanden anhand eines
kung erzielt? Eine minimale Vergrößerung mag vielleicht die Katalogs eine Stereoanlage zusammenstellen. Manipuliert wurde
3 Kosten für die Anzeige nennenswert steigern, aber wird sie auch die Position, an der die Kopfhörer in dem Katalog auftauchten.
wahrgenommen (▶ Abschn. 17.3.2; vgl. auch Mayer 1993, S. 61)? Wenn die Kopfhörer bereits auf den ersten Seiten enthalten wa-
4 Die Fragen „Merkt der Betrachter überhaupt, dass die An- ren, wurde ein wesentlich günstigeres Exemplar gewählt, als wenn
zeige größer geworden ist?“ und „Wirkt eine große Anzeige an- die Kopfhörer erst auf den letzten Seiten vorgestellt wurden.
5 ders als eine kleine?“ sind übrigens durchaus verschieden. Eine Dieser Positionseffekt ist einer von mehreren Gründen, aus
wahrnehmbare Vergrößerung garantiert keine veränderte Wirk- denen heraus es für Verkäufer Sinn macht, am Ende des Einkaufs
samkeit. Umgekehrt kann man zeigen, dass es nicht wahrnehm- noch einmal zusätzliche Produkte anzubieten: Der für diese Pro-
6 bare Unterschiede gibt, die sich in der Produktwahrnehmung dukte noch anfallende Betrag wird von den Käufern als relativ
niederschlagen (▶ Exkurs 6.3; Naylor 1962). gering empfunden.
7 Das Weber’sche Gesetz hat aber noch andere ökonomische
Bezüge. Historisch geht es nämlich auf eine Beobachtung zu-
rück, die im 18. Jahrhundert der Mathematiker Daniel Bernoulli 2.1.3 Einschränkungen der Parallelität
8 machte. Der subjektive Wert eines Guts steigt nicht linear mit zwischen Wahrnehmen und Urteilen
seiner Menge an. Zum Beispiel weiß jeder, dass Schokolade glück-
9 lich macht. Ein Riegel Schokolade steigert also mein Glück um Bei aller Ähnlichkeit der oben diskutierten Wahrnehmungs- und
den Betrag x. Zwei Riegel allerdings steigern mein Glück keines- Urteilsphänomene können durchaus unterschiedliche Gesetz-
10 wegs um den Betrag x mal zwei. In den meisten Fällen nimmt die mäßigkeiten hinter den Effekten stehen. Dies gilt jedenfalls für
Steigerung des Nutzens immer weiter ab, je mehr man von dem die Kontextabhängigkeit unserer Wahrnehmung. Betrachten wir
Gut bereits hat. Anders gesagt: „Für die meisten Menschen ist dazu zwei Beispiele:
11 der Nutzen von zwei Millionen Mark nicht doppelt so hoch wie 1. Sie haben vor sich drei Kübel mit Wasser stehen. Die Tempe-
der Nutzen von einer Million, der Zuwachs an Nutzen von einer ratur im linken Kübel beträgt 40 °C, die im rechten 27 °C. Der
12 auf zwei Millionen nicht so hoch, wie der Zuwachs von keiner mittlere Kübel hat eine Wassertemperatur von 33,5 °C. Wenn
Million auf eine Million“ (Jungermann et al. 2005, S. 64; Her- Sie nun Ihre rechte und linke Hand jeweils in den beiden
vorhebungen im Original). Webers Beobachtung ist also nicht außen stehenden Kübeln vorwärmen bzw. -kühlen und dann
13 nur ein Grundprinzip der sinnlichen Wahrnehmung. Es findet beide Hände in den mittleren Kübel stecken, dann wird die
sich auch bei der Bewertung ökonomischer Größen wieder (dort Hand, die „aus der Kälte kommt“, eine Erwärmung verspü-
14 etwa im Prinzip des abnehmenden Grenznutzens), und es fließt ren, die Hand aus der Wärme dagegen wird das Wasser im
als wesentliches Element in die bislang vermutlich einflussreichste mittleren Kübel als kalt empfinden.
15 wirtschaftspsychologische Theorie ein: Sie bestimmt den Verlauf 2. Kenrick und Gutierres (1980) ließen Versuchspersonen die
der Wertfunktion in der Prospect Theory von Kahneman und Attraktivität einer Person auf einem Foto einschätzen. Alle
Tversky (1979; ausführlicher in ▶ Abschn. 8.3.3). Offenbar können Versuchspersonen sollten ihre Einschätzungen vor einem
16 wir in . Abb. 2.1 die Abszisse auch mit abstrakteren Reizstärken laufenden Fernseher abgeben. Lief nun während der Ein-
beschriften, eben zum Beispiel Geld. Die subjektive Empfindung schätzung die Serie Charlie’s Angels, eine Serie mit attrakti-
17 würde sich dann zum Beispiel in Zufriedenheit äußern. Die Funk- ven Models in der Hauptrolle, dann wurden die weiblichen
tion ist dieselbe: Die Zufriedenheit mit dem monatlichen Ein- Personen auf der Photographie wesentlich weniger attraktiv
kommen etwa hängt in ähnlich logarithmischer Form vom tat- eingeschätzt, als wenn ein neutrales Programm lief.
18 sächlichen Einkommen ab wie die Empfindung der Lautheit vom
Schalldruck oder das Erleben der „Salzigkeit“ von der Salzmenge. Das zweite Beispiel gibt einen entscheidenden Effekt der sozi-
19 Es ist also nicht ganz falsch, die Gesetze der sinnlichen Wahr- alen Urteilsbildung wieder: Unser Urteil hängt oft von einem
nehmung auf abstraktere Repräsentationen zu übertragen und so Bezugspunkt ab, einem Anker, den wir für unsere Betrachtung
20 etwa eine „Psychophysik des Geldausgebens“ (Christensen 1989) einmal gesetzt haben. Vergleichsobjekte werden vor allem in ih-
zu formulieren. Nach dieser Idee steigt auch der erlebte „negative rer Abweichung von diesem Ankerpunkt gesehen. Liegt aber das
Nutzen“ von Geldausgaben im Bereich niedriger Beträge sehr viel erste Beispiel auf derselben Ebene? Auch hier findet auf Grund
21 stärker an als im Bereich hoher Ausgaben. vorher gesetzter Reize eine Wahrnehmungsverzerrung statt. Aber
Von großer Bedeutung ist dabei aber, wie Konsumenten Aus- diese Wahrnehmungsverzerrung ist nicht psychologisch, sondern
22 gaben gedanklich kategorisieren und welche Aufwendungen für physiologisch bedingt: Die Haut misst Temperatur mit speziellen
sie subjektiv zusammengehören. So kann man zum Beispiel davon Nervenzellen für Wärme und für Kälte. Wenn die Wärmezellen
ausgehen, dass bei einer Reihe von zusammengehörigen Ausgaben lange genug gereizt werden, dann ermüden sie und geben keine
23 die bisherigen kumulierten Ausgaben den Ausgangsreiz bilden, an Meldung mehr weiter. Dasselbe gilt für die Kältezellen. Daher
dem die folgenden Ausgaben relativiert werden. Fügt man nun am hat die warme Hand beim Eintauchen in den mittleren Kübel
Ende eines Einkaufs (bei relativ hohem Ausgangsreiz) einen wei- gut ausgeruhte Kälterezeptoren, die auch prompt mit der Arbeit
2.2 • Das Sehen
31 2

.. Abb. 2.2 Zylindertäuschung. (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung .. Abb. 2.3  Hermann’sches Gitter. (Nachdruck mit freundlicher Genehmi-
von Sandra Rüttger) gung von Sandra Rüttger)

beginnen, dagegen sehr träge Wärmezellen. Entsprechendes gilt einem regelrechten Bildüberlegenheitseffekt (z. B. Childers und
für die kalte Hand (Plattig 1984, S. 20). Houston 1984). Kroeber-Riel (1993) oder Meyer-Henschel (siehe
Die beiden Kontrasteffekte sind sich somit zwar ähnlich, aber Meyer-Henschel Management Consulting 1993) sehen daher die
sie funktionieren nach verschiedenen Prinzipien. Diese Unter- Bildkommunikation als den entscheidenden Erfolgsfaktor für
schiede haben praktische Konsequenzen. Gegen die physiolo- die Werbung an.
gisch bedingte Verzerrung ist kein Kraut gewachsen. Sie können Nehmen wir im Folgenden das Sehen auch beispielhaft für
sich nicht dagegen wehren. Die Wahrnehmungsverzerrungen verschiedene Wahrnehmungsprobleme allgemein, etwa Wahr-
beim sozialen Urteil hingegen könnten prinzipiell durchbro- nehmungstäuschungen oder Gestaltwahrnehmung.
chen werden (siehe z.B. ▶ Exkurs 7.5). Die Moral: Nicht alles, Die Netzhaut, also sozusagen die Projektionsfläche für vi-
was gleich aussieht, funktioniert nach demselben Muster. suelle Reize, besitzt einen bestimmten „Punkt des schärfsten
Eine weitere Einschränkung der Parallelität ergibt sich aus der Sehens“, die Fovea centralis. Die Fovea wird gereizt, wenn man
Tatsache, dass Webers Gesetz nicht für alle Reizdimensionen gilt. einen Gegenstand im geraden Blick fixiert. Was sich in diesem
So werden Menschen bei zunehmender Stärke von Stromstößen Moment am Rande des Blickfelds befindet, kann nur unscharf
nicht etwa immer unempfindlicher für deren Unterschiede – die wahrgenommen werden.
Stärke der Empfindung wächst vielmehr überproportional mit An der Fovea findet sich die größte Dichte von Rezeptor-
der Reizstärke. Der genaue Zusammenhang wird erst mit dem zellen. Die Lichtinformation wird über zwei unterschiedliche
Stevens’schen Potenzgesetz (Stevens 1957; zit. n. Goldstein 2001) Rezeptorarten weitergegeben, einerseits über die farbempfind-
exakt beschrieben. Eine ähnliche Kritik wurde übrigens auch an lichen Zapfen, andererseits über die auf Hell-Dunkel-Kontraste
dem unterstellten Verlauf der Wertfunktion in der Prospect The- spezialisierten Stäbchen. In der Fovea befinden sich relativ mehr
ory formuliert: Coombs und Avrunin (1977; zit. n. Betsch et al. Zapfen als Stäbchen – dieses Verhältnis kehrt sich immer weiter
2011) unterstellen unterschiedliche Verläufe für unterschiedliche um, je weiter man an die Peripherie der Netzhaut geht. Daher
Klassen von Konsequenzen. Nach dem Prinzip „Good things sati- sehen wir Dinge aus dem Augenwinkel nicht nur weniger scharf,
ate, bad things escalate“ gehen sie davon aus, dass die Wertkurve sondern auch weniger farbig. Dagegen sind wir im Augenwin-
im Bereich von Verlusten positiv beschleunigt verläuft: Verluste kel – besser: in der Peripherie unseres Gesichtsfelds – sensibler
werden danach also immer aversiver erlebt, je größer sie werden. für Hell-Dunkel-Kontraste bzw. Flimmern und Bewegung. Diese
Tatsache wird zum Beispiel bei der Bannerwerbung am Compu-
ter relevant: Mitten im Gesichtsfeld wäre Buntheit ein mögliches
2.2 Das Sehen Mittel der Aufmerksamkeitssteuerung. An der Peripherie würde
dagegen Bewegung eher wahrgenommen als Farbigkeit.
Unter mancherlei Gesichtspunkten erscheint der Gesichtssinn als
der für die Wahrnehmung von Werbung vermutlich wichtigste
Sinn. Warum ist das Sehen so wichtig? Dies liegt zunächst einmal 2.2.1 Konstruktive Beiträge des Gesichtssinns
an der subjektiven Einschätzung: Die meisten Menschen bezeich- zur Wahrnehmung
nen das Sehen als den wichtigsten Sinn und erwarten, dass sie
einen Verlust des Augenlichts gravierender erleben würden als Was wir sehen, ist ein Abbild der Realität – oder etwa nicht? Es
den Wegfall anderer Sinne. Objektiv ist die überwiegende Menge gibt gute Argumente gegen die Vorstellung, dass die Außenwelt
an aufgenommener und verarbeiteter Information visueller Na- bei uns auf einer „inneren Leinwand“ abgebildet wird, die eine
tur. Schließlich scheint auch der Gesichtssinn die anderen Sinne naturgetreue Nachbildung der Welt darstellt – holographisch, ver-
zu dominieren. So macht es Probanden große Schwierigkeiten, steht sich, denn wir können schließlich dreidimensional sehen
Getränke im Geschmackstest richtig zu identifizieren, wenn die (Frisby 1983). Argumente gegen diese Theorie bestehen beispiels-
Farbe nicht zum Produkt passt (Hoegg und Alba 2007; Lind- weise in optischen Täuschungen. Betrachten wir nur zwei Bei-
strom 2005). Außerdem können sich Konsumenten meist Bilder spiele (. Abb. 2.2 und 2.3). Das erste ist die Zylinder-Illusion (vgl.
aus Werbeanzeigen besser merken als Text; man spricht hier von auch Frisby 1983, S. 16): Vertikale Linien, die eine gleichlange
32 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

Gleichheit. Das, was in diesem Fall gleich ist, was also über die
1 Elemente hinaus das Ganze charakterisiert, ist die Gestalt.
Reize und Reizgruppen, die eine gute Gestalt aufweisen, sind
2 beim Rezipienten stets im Vorteil: Sie werden schneller wahrge-
nommen, identifiziert und prägen sich leichter ein. Reize, die
gegen die Gesetze der Gestaltwahrnehmung verstoßen, können
3 nicht leicht mit Zuwendung rechnen, vor allem weil der Wahr-
nehmungsaufwand höher ist. Im Folgenden möchte ich einige
4 Prinzipien der Gestaltwahrnehmung nennen.

Figur und Grund


5
Eine Szene wird bei der Wahrnehmung in Figur und Grund ein-
geteilt. Figur ist das, worauf es ankommt, was heraustritt, was
6 .. Abb. 2.4  Gesetz der Geschlossenheit: Auch unvollständige Figuren wer- prägnante Konturen hat, was hervorsticht. Grund ist das, wovon
den immer noch als Vierecke wahrgenommen. (Nachdruck mit freundlicher es sich abhebt – Hintergrund eben. Es gibt interessante graphi-
7 Genehmigung von Sandra Rüttger) sche Beispiele, in denen Figur und Grund bei der Wahrnehmung
austauschbar sind. Die vielleicht bekannteste Variante ist wohl
Horizontale halbieren, erscheinen im Vergleich zu der Linie, auf der Rubin’sche Becher, ein Bild von zwei gegenüberstehenden
8 der sie stehen, viel länger (. Abb. 2.2). Das andere Beispiel ist dem Profilen, die nach Vertauschung von Figur und Grund eine Vase
Hermann’schen Gitter nachempfunden (. Abb. 2.3). Wir können bilden. Die Werbegestaltung hat freilich normalerweise kein
9 uns nicht dagegen wehren, in den Punkten, in denen sich die besonderes Interesse am spielerischen Umgang mit Figur und
weißen Flächen kreuzen, das Weiß dunkler, unsauberer zu sehen. Grund. Suchbilder, die erst nach längerer Betrachtung ihren Sinn
10 Ausgenommen ist allenfalls der Punkt, den wir gerade fixieren, offenbaren, werden kaum die berühmten zwei Sekunden überle-
ansonsten sehen wir an den Kreuzungen stets dunklere Flecken. ben, die einer Werbeanzeige vom nicht involvierten Betrachter
Die Fixation überzeugt uns aber davon: Die Kreuzungen sind vergönnt sind. Werbepraktiker versuchen solche Fälle in der Re-
11 nicht wirklich dunkler als das restliche Weiß. Offenbar sehen wir gel zu vermeiden.
also in beiden Vorlagen etwas anderes als objektiv vorhanden ist.
12 Die Gründe für solche Täuschungen können vielfältig sein. Ähnlichkeit
Einige liegen in psychologischen Mechanismen, andere haben, Ähnliche Figuren werden als zusammengehörig wahrgenom-
wie zum Beispiel auch das Hermann’sche Gitter, wahrscheinlich men. Dieses Prinzip lässt uns zum Beispiel beim Gruppentanz
13 eine physiologische Basis (diskutiert wird z. B. die laterale oder diejenigen Tänzer als zusammengehörig wahrnehmen, die die
Umfeldhemmung; Galley 1984). Aber eines können wir in jedem gleichen Bewegungen machen, unter Umständen auch dann,
14 Fall aus den Beispielen lernen: Wir „sehen“ nicht immer das, was wenn sie nicht nahe beieinander stehen. Nur so sind wir über-
man physikalisch in der Außenwelt nachweisen kann. haupt in der Lage, kunstvolle Figuren ganzer Tänzergruppen zu
15 erkennen und zu würdigen.

2.2.2 Gestaltprinzipien der Wahrnehmung Geschlossenheit


16 Wir sehen Figuren lieber als ein Ganzes. Zum einen kann das
Ist es Ihnen schon passiert, dass Sie einen Tippfehler übersehen heißen, dass wir Figuren, die Lücken aufweisen, ohne diese
17 haben? Mir passiert so etwas ständig – Sie hätten einmal frühere Lücken wahrnehmen. Betrachten Sie dazu die „Vierecke“ in
Versionen dieses Manuskripts sehen sollen. Gerade Schreibfehler . Abb. 2.4. Sie sehen in der Tat Vierecke, auch mit den Lücken.
werden leicht übersehen, weil die Erwartungshaltung schon so Darin äußert sich das Streben nach der guten Gestalt: Die gute
18 stark ist, dass die Form nur noch grob als ganze erkannt, aber Gestalt ist vollständig! Ein anderes Prinzip der guten Gestalt ist,
nicht mehr eigentlich analysiert wird. Dieser Vorgang, nämlich dass sie alles Wahrnehmbare integriert: Ein Wahrnehmungsbild
19 Wahrnehmungseindrücke als Ganzes und nicht in Teilen auf- wird so organisiert, dass möglichst alle Wahrnehmungseindrücke
zunehmen, wird von der Gestaltpsychologie behandelt. Für die verarbeitet werden und „ohne Rest aufgehen“.
20 Gestaltwahrnehmung gilt mit vollem Recht, dass das Ganze mehr
Nähe
ist als die Summe seiner Teile. Die Gestaltpsychologen unterstel-
len dem Menschen ein Streben nach der „guten Gestalt“. Da- Was nahe beieinander steht, gehört auch zusammen und wird
21 mit ist Ordnung, Prägnanz, Einklang, Harmonie oder sinnvolle als zusammengehörig gesehen. Das Gesetz der Nähe ist inter-
Form gemeint. Dass es überhaupt etwas gibt wie eine Gestalt, die essanterweise so stark, dass es sich im Zweifelsfall sogar gegen
22 nicht auf die Einzelteile eines komplexen Reizes reduziert werden andere Wahrnehmungsgewohnheiten durchsetzt. Davon kön-
kann, sieht man daran, dass eine bestimmte Melodie, wenn sie nen Sie sich durch die Wörter in . Abb. 2.5 überzeugen. Welches
in einer anderen Tonart mit einem anderen Instrument gespielt Wort haben Sie zuerst gelesen, das in der Spalte oder das in der
23 wird, noch immer als dieselbe Melodie erkannt wird. Das heißt, Zeile? Die räumliche Nähe der „Spaltenwörter“ setzt sich gegen
selbst wenn kein Element der Ausgangs- und der Zielmelodie die gewohnte zeilenweise Leserichtung durch. Bei Mitteilungen
gleich ist, bemerkt man beim Hören der gesamten Melodie die und Hinweisen wie einem Straßenschild schafft die Einhaltung
2.3 • Das Hören
33 2

des Gesetzes der Nähe Übersicht und Verständlichkeit. Zum Bei-


spiel sind Wegweiser oder ein Flussdiagramm dann besonders
hilfreich, wenn die passenden Erläuterungen möglichst nahe am
N E U
richtigen Pfeil oder dem richtigen Knotenpunkt stehen. Das Ge- A S T
setz der Nähe wird aber auch ausgenutzt, wenn in der Anzeigen-
werbung Slogans und Behauptungen über das Produkt so nahe
S E E
wie möglich an dem Produkt platziert werden. E L
Kontinuität
.. Abb. 2.5  Gesetz der Nähe: Die größere Nähe setzt sich gegen die ge-
Verschiedene räumlich oder zeitlich aufeinanderfolgende Wahr- wohnte Leserichtung durch. (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von
nehmungseindrücke werden derart wahrgenommen, dass sie Sandra Rüttger)
sich aufeinander beziehen und ein sinnvolles Ganzes ergeben.
Das einfachste Beispiel ist ein Argument von Max Wertheimer, benenfalls verändert werden. Die Geräuschkomposition, die ein
nach dem die menschliche Wahrnehmung dazu neigt, diskonti- Auto bietet, kann zu einem regelrechten Corporate Sound wer-
nuierliche visuelle Stimulation nicht als ein Staccato von Licht- den, an dem die Marke ebenso erkannt werden kann wie am
reizen, sondern, wenn es irgend möglich ist, als Bewegung wahr- Logo (Bröder 2006).
zunehmen. Das ist das Grundprinzip einer Filmprojektion, die ja Aber nicht nur scheinbar natürliche Geräusche wie das oben
ihrerseits nur aus vielen einzelnen Bildern besteht, die in großer zitierte Brummen der Küchenmaschine werden von den Konsu-
Geschwindigkeit nacheinander gezeigt werden. menten begrüßt. Auch offensichtlich beliebige Zuordnungen von
Klängen zu Ereignissen können anscheinend die Kauflust stimu-
Erfahrung und Erwartung lieren. Die Klingeltöne beim Handy sind nur ein besonders pro-
Was im Einzelfall als gute Gestalt wahrgenommen wird, hängt minentes Beispiel. Weidt (2006) berichtet von einem Kühlschrank,
zum Teil davon ab, was wir erwarten oder gewohnt sind. Warum der sich in den USA „sensationell gut“ verkaufe, weil er beim
entdecken wir Tippfehler nicht so leicht? Weil wir die richtige Schließen klinge „wie die Tür einer Cadillac Limousine“ (S. 2).
Buchstabenanordnung bereits erwarten. Wir nehmen die Wörter, Die Lebensmittelakustik macht auf eine wichtige Besonderheit
mit denen auf jeden Fall zu rechnen ist, vorweg und analysieren des Gehörs aufmerksam: Das Ohr ist auch nach innen gerichtet;
sie nicht mehr wie ein ABC-Schütze. Erfahrung sorgt dafür, dass man hört, was man isst. Damit hat der akustische Sinn gewisser-
eine – meist angemessene – Erwartung an das Wahrnehmungs- maßen einen privilegierten Zugang zu Konsumvorgängen, die für
objekt herangetragen wird. Das Objekt wird in einen Erfahrungs- das Auge schon weitgehend abgeschlossen sind. Auch in anderen
kontext gestellt. Aspekten unterscheidet sich das Gehör vom Auge: Das Spektrum
an möglichen Schallreizen, die das Ohr noch registrieren kann, ist
außerordentlich groß. Die Spanne zwischen kleinster und größter
2.3 Das Hören Schalldruckwahrnehmung ist mit eins zu einer Million differen-
zierter als die entsprechenden Wahrnehmungsmöglichkeiten im
Konsumenten schließen aus dem Klang beim Gebrauch eines Auge. Außerdem ist das Gehör stärker als der visuelle Sinn bereits
Produkts auf die Eigenschaften des Produkts. Wenn man beim im Mutterleib einer Reihe von Umweltsignalen ausgesetzt, die
Staubsaugen das Telefonklingeln noch mehrere Zimmer weiter auch im späteren Leben eine wichtige psychologische Bedeutung
hören kann, dann ist der Motor des Staubsaugers offensichtlich haben. Dies gilt nicht nur für Herzschlag und Stimme der Mutter,
zu schwach. Wenn die Küchenmaschine beim Kneten des Hefe- sondern auch für die akustische Umwelt, in der sich die Mutter
teigs nicht mehr wie beim Bereiten der Quarkspeise leise brummt, bewegt, also die Stimme von Vater und Geschwistern oder Musik,
sondern höhere und lautere Klänge vernehmen lässt, dann scheint die die Mutter hört (Beispiele nach Bröder 2006).
sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Aber nicht nur Ge- Das Ohr ist auch ein sehr wichtiges Organ zur räumli-
brauchsgegenstände, sondern auch Lebensmittel induzieren über chen Orientierung. Dies liegt nicht nur daran, dass im Ohr das
die mit ihnen verbundenen Klänge Erwartungen: Das Kauen von Gleichgewichtsorgan liegt. Bedenken Sie nur, dass das Ohr jede
Kartoffelchips verursacht ein charakteristisches Krachen und räumliche Ausdehnung relativ zur wahrnehmenden Person re-
Knacken, und gute Chips unterscheiden sich auch im Klang von präsentiert – damit ist der Raum für das Ohr wesentlich größer
schlechten (Beispiele nach Bröder 2006; Weidt 2006). als für das Auge, das seinerseits ja nur den Raum vor der Person
In keinem der genannten Fälle sind die Geräusche der Pro- repräsentiert und zudem nicht permanent empfangsbereit ist.
dukte noch original und ursprünglich. Im Dienste der Multi- Auch aus einer anderen Perspektive heraus scheint das Gehör
sensualität manipulieren Akustikdesigner bzw. Lebensmittela- oder zumindest die durch das Gehör dargebotene Sinnesmodali-
kustiker die natürlichen Geräusche der Produkte so, dass sie bei tät einen Vorrang gegenüber dem Gesichtssinn zu haben: Allem
den Konsumenten die passenden Erwartungen erzeugen. Ein Vermuten nach sind für das Gedächtnis das Sprachverstehen und
Staubsauger könnte längst nahezu geräuschlos funktionieren, die sprachliche Codierung von Informationen entscheidende
aber das klingt dann nicht kraftvoll. Auch gute Küchenmaschi- Faktoren. Zwei Punkte, die später noch eine Rolle spielen wer-
nen klingen bei schwerem Teig anders als beim Sahneschlagen, den, sollen das illustrieren:
aber das Geräusch sollte tunlichst keine Schwäche suggerieren. 1. Die Theorie der dualen Codierung (Paivio 1971) unterstellt,
All diese Geräusche müssen also noch einmal geprüft und gege­ dass Informationen besser behalten werden, wenn sie sowohl
34 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

sprachlich als auch bildhaft abgespeichert werden können. zehn Millionen Rezeptorzellen für Geruch, der Hund dagegen
1 Sie profitieren dabei von einer doppelten – eben dualen – Ab- ungefähr eine Milliarde (Goldstein 2001). Außerdem sind die
speicherung in zwei Codes (▶ Abschn. 4.2.2). Der sprachliche Geruchsnerven die einzigen menschlichen Sinnesneuronen, die
2 Code dominiert dabei insofern, als er bei sprachlich codier- ohne eine Verbindung zur Großhirnrinde direkt in die phyloge-
baren Informationen nahezu immer, der bildhafte aber nur netisch älteren Regionen des zentralen Nervensystems laufen,
manchmal genutzt wird. Zum Beispiel weckt das Wort „Rose“ nämlich vor allem in das limbische System, das Emotion, Moti-
3 vielleicht das Bild einer Rose (z. B. wenn der Kontext ohnehin vation und die Empfindung von Lust und Unlust reguliert.
starke Vorstellungsbilder weckt oder wenn Probanden eigens Diese Besonderheiten machen den Geruchssinn andererseits
4 zum Imaginieren instruiert sind). Das Bild einer Rose akti- auch wieder beachtenswert. Trotz der relativ geringen Menge
viert allerdings beinahe mit Sicherheit das Wort. an Rezeptorzellen besitzen die vorhandenen Zellen doch eine
5 2. Das Modell des Arbeitsspeichers von Baddeley (2009, siehe hohe Empfindlichkeit. Sie werden bereits durch ein einziges Ge-
. Abb. 4.1) geht davon aus, dass auch visuell dargebotene In- ruchsmolekül gereizt – eine höhere Empfindlichkeit gibt es nicht
formationen zum dauerhaften Abspeichern in den verbalen (Goldstein 2001). Dies hat bei der Arbeit mit Gerüchen – sei es
6 Zwischenspeicher, die artikulatorische Schleife, eingelesen im Experiment oder im Marketing – zur Folge, dass bereits ge-
werden müssen. Der bekannte Vorteil von multimedialem ringe Veränderungen in der physikalischen Reizstärke bemerkt
7 Lernen (z. B. Ginns 2005) ist demzufolge damit zu erklären, werden. Berichtet werden Weber’sche Quotienten von 11 %, was
dass der Wechsel in der Modalität (also der Wechsel von Bild sich kaum von den Unterschiedsschwellen der visuellen oder
zu Text beim Einlesen in die artikulatorische Schleife) nicht akustischen Wahrnehmung unterscheidet. Demnach stören be-
8 mehr vollzogen werden muss, wenn die visuell präsentierte reits minimale Schwankungen in der Konzentration oder kleinste
Information auch gesprochen bzw. vorgetragen wird (Rum- Verunreinigungen das Geruchserlebnis etwa bei einem Produkt
9 mer et al. 2008). Das Modell geht davon aus, dass verbales (Knoblich et al. 2003, S. 18).
Material ausschließlich in der phonologischen Schleife ver- Eine weitere Besonderheit der Geruchsnerven ist ihre äußerst
10 arbeitet wird. Die visuelle Präsentation eines Textes zum Le- schnelle Adaptation (z. B. Goldstein 2001): Wenn Nervenzellen
sen ist also nach dieser Idee eher ein Hindernis (jedenfalls über eine längere Zeit gereizt werden, ermüden sie und hören
solange es keine parallele auditive Präsentation gibt). auf zu feuern, und das geschieht bei Geruchsnerven besonders
11 schnell. Sie brauchen dann auch relativ lange, um sich wieder zu
Man merkt sich also Dinge besser, die man nicht nur sieht, son- erholen. Dies bedeutet, dass der Mensch sich an Gerüche sehr
12 dern auch hört. Dieser Effekt ist nicht auf die Kombination von viel schneller gewöhnt als etwa an Geräusche. Diese schnelle Ver-
Bild und Text beschränkt: Texte werden generell besser behal- minderung der Empfindungsintensität mag ein Hinweis darauf
ten, wenn sie akustisch statt (nur) visuell aufgenommen werden sein, dass für den Menschen im olfaktorischen Bereich nur die
13 (Rummer et al. 2008). Veränderung von Reizen bedeutsam ist, nicht die Konstanz.
Nach diesen Überlegungen ist Bildkommunikation nicht des- Die ungewöhnlich direkte Verbindung der Geruchsnerven
14 halb so wirksam, weil der bildhafte Code der überlegene wäre mit dem limbischen System wird gern als Grund dafür angese-
(wie es der Begriff „Bildüberlegenheitseffekt“ ja nahelegt; siehe hen, dass Geruchserlebnisse besonders stark emotional gefärbt
15 oben), sondern weil Bilder eben oft in Sprache übersetzt werden – sind (Goldstein 2001; Wrzesniewski et al. 1999). So kann man in
und man muß hier ergänzen: Eine überlegene Gedächtniswirkung psychologischen Experimenten Gerüche zur Manipulation von
haben Bilder aber auch nur, wenn sie in Sprache übersetzt werden. Stimmungen einsetzen (z. B. Baron 1997; Zillmann et al. 1981).
16 Diese Überlegung wird übrigens gestützt durch Befunde, nach Eng mit der emotionalen Bedeutung hängt auch die in-
denen Probanden, die das Ziel haben, sich eine Anzeige zu mer- terpersonelle Funktion von Gerüchen zusammen. So ist es in
17 ken, Bilder länger fixieren, als wenn sie andere Ziele haben (z. B. letzter Zeit in der Partnerschaftsforschung populär geworden,
die Marke zu bewerten; Pieters und Wedel 2007). Die lange Be- gegenseitige Anziehung als eine Funktion spezieller, an die Kör-
trachtungszeit legt nicht eben nahe, dass Bilder besonders einfach peroberfläche tretender Hormone, der Pheromone, zu untersu-
18 zu verarbeiten sind – sie passt eher zu der Erwartung, dass die chen. Menschen versuchen aber auch, ihre Attraktivität durch
Bildinformation für die Encodierung verbalisiert werden muss. nicht körpereigene Duftstoffe in Deos und Parfums zu steigern,
19 In diesen Überlegungen geht es freilich nicht um das Hören und in der Tat scheint eine solche Steigerung möglich zu sein.
im engen Sinne, sondern generell um die serielle Verarbeitung Allerdings zeigen die Befunde von Aune (1999), dass der Effekt
20 von sprachlichem Material. Diese Verarbeitung findet zum Bei- von Parfums relativ schnell ins Negative umschlägt: In seiner Un-
spiel auch beim „inneren Vorsprechen“ statt. Außerdem beziehen tersuchung hatte Parfum nur dann einen positiven Effekt auf die
sich die Effekte nicht auf Geräusche oder Melodien (sofern sie Sympathiewahrnehmung, wenn es sehr dezent aufgetragen war.
21 nicht sprachlich codiert werden). Höhere Mengen gingen stets mit einer negativen Bewertung der
Person einher.
22 Aber nicht nur auf Sympathie oder Antipathie haben unsere
2.4 Die Geruchswahrnehmung Geruchserlebnisse einen Einfluss. Mindestens ebenso wichtig ist
der Effekt auf das Gedächtnis. Menschen sind sehr gut in der
23 Der menschliche Geruchssinn ist in gewisser Hinsicht eine ver- Lage, vertraute Personen allein an ihrem Geruch, zum Beispiel
gleichsweise wenig entwickelte Sinnesmodalität. Dies gilt zum dem Geruch von getragenen Kleidungsstücken, zu erkennen
Beispiel im Vergleich zu vielen Tieren: Der Mensch besitzt etwa (Goldstein 2001, S. 473).
2.5 • Berührung
35 2

Auch ein anderes interpersonelles Phänomen scheint über Auf die Kaufneigung wirken Düfte nicht in einheitlicher
die Geruchswahrnehmung vermittelt zu sein: die Synchronisa- Weise. Morrin und Chebat (2005) führen dies auf Unterschiede
tion von Menstruationszyklen. Frauen, die durch Arbeit oder in der Grundhaltung der Konsumenten und der Kaufart zurück.
Wohnung häufigen Kontakt miteinander haben, gleichen sich Sie können in einem Experiment zeigen, dass eine beduftete
in ihren Zyklen mit der Zeit an (McClintock 1971). Russell et al. Umgebung, die ihrer Erwartung eher kognitive Prozesse anstößt,
(1980) zeigten, dass dieses Phänomen durch Körpergerüche her- auch eher bedachte und reflektierte Konsumhandlungen anregt.
vorgerufen wird: Sie strichen dreimal pro Woche ihren Proban- Auf eher impulsive Kaufhandlungen wirkten in der Untersu-
dinnen Wattebäusche unter die Nase, die von einer Gruppe von chung dagegen eher affektive Gestaltungselemente wie Musik.
„Spenderinnen“ jeweils über 24 Stunden eng am Körper getra- In der Tat scheint der Effekt von Düften nicht nur bzw. nicht
gen worden waren. Den Probandinnen waren die Spenderinnen immer ein affektiver zu sein. Zwar vermutet man wegen der
unbekannt. Trotzdem glich sich der Menstruationsbeginn der erwähnten neurophysiologischen Besonderheit der Geruchs-
Probandinnen an den der Spenderinnen an: Wenn zu Beginn des nerven (da sie ohne Umweg über höhere Hirnregionen direkt
Experiments der durchschnittliche Zeitabstand bei 9,3 Tagen lag, mit dem limbischen System verbunden sind), dass Gerüche vor
verringerte sich der Unterschied auf durchschnittlich 3,4 Tage. allem affektive Reaktionen auslösen. Dies wird aber nicht unbe-
Die oben angedeutete Gedächtniswirkung von Gerüchen ist dingt durch die Befunde zu den Verhaltenskonsequenzen von
über den interpersonellen Bereich hinaus bedeutsam. Geruch- Düften gestützt. Baron (1997) zum Beispiel zeigt, dass Düfte
serlebnisse werden außerordentlich gut erinnert. Ein berühmtes die Kooperationsbereitschaft erhöhen. Dieser Effekt geht aber
literarisches Beispiel hierfür zitiere ich in ▶ Abschn. 4.2.1. Expe- nicht darauf zurück, dass ein angenehmer Duft die Stimmung
rimentell zeigen zum Beispiel Goldman und Seamon (1992), dass hebt und Menschen in guter Stimmung eher kooperieren. Mor-
selbst Gerüche, die Probanden seit ihrer Kindheit nicht mehr rin und Ratneshwar (2003) zeigten in einem Experiment, dass
gerochen haben, überzufällig korrekt identifiziert und beim Na- Konsumenten Produkte und Marken besser erinnerten, wenn die
men genannt werden können. Umgebung, in der die Produkte präsentiert wurden, angenehm
Gerüche sind zwar emotional bedeutsam, jedoch sind sie das beduftet war. Der Erinnerungsvorteil hängt dabei mehr von der
nicht für jedermann in der derselben Weise. Wrzesniewski et al. Beduftung während der Produktpräsentation und weniger vom
(1999) zeigen, dass Menschen in unterschiedlichem Grade bereit Geruch während der Erinnerung ab. Die Autoren gehen davon
sind, positive Assoziationen auf Basis von Gerüchen aufzubauen. aus, dass der Effekt auf die Erinnerung nicht so sehr in einer
Menschen, die diese Bereitschaft nicht mitbringen, lassen sich verbesserten Stimmung als in einer erhöhten Aufmerksamkeit
auch weniger gut konditionieren (▶ Abschn. 3.2.3). besteht, dass also bei angenehmen Begleitdüften Produkte länger
Überhaupt kann das, was an Geruch angenehm und un- oder intensiver betrachtet werden. Stöhr (1998) fand in einer Un-
angenehm empfunden wird, variieren: Zum einen kann man tersuchung von bedufteten Verkaufsräumen sowohl affektive als
Geruchsvorlieben und -aversionen im Laufe der Zeit erwerben, auch kognitive Wirkungen auf die Konsumenten: So waren die
zum anderen spielt auch die eigene aktuelle Befindlichkeit bei Konsumenten in der bedufteten Umgebung subjektiv zufriedener
der Bewertung eine Rolle. So ist etwa der Hormonstatus für die und schätzten auch das Sortiment positiver ein, meinten aber
Bewertung wichtig, so dass man zum Beispiel in sexuell erreg- auch, mehr Informationen aufzunehmen.
tem Zustand andere Gerüche angenehm findet als in unerregtem Insgesamt ist Wirkung von Düften auf Konsumenten
Zustand. Ähnlich unterschiedliche Präferenzen finden sich bei komplex und nach Datenlage nicht auf affektive Reaktionen
Hunger im Unterschied zu einer satten und übersatten Befind- beschränkt. Zudem scheinen positive Einflüsse von Düften
lichkeit (z. B. Knoblich et al. 2003). auf geringe Mengen der Duftstoffe nur knapp oberhalb der
Für das Marketing mit Düften wird eine Vielzahl von An- Wahrnehmungsschwelle beschränkt zu sein (z. B. Aune 1999).
wendungsbereichen diskutiert: von der Beduftung der Produkte Offensichtliche Beeinflussungsabsichten, wie sie sich in allzu
selbst über die geruchliche Gestaltung von Werbemitteln bis hin aufdringlichen Düften zeigen, lösen Bumerangeffekte aus, bei
zur Ausstattung von Verkaufsräumen, Displaymaterial oder Mes- denen sich Konsumenten dem Beeinflussungsziel verschließen
seständen mit Duft (Knoblich et al. 2003). (▶ Abschn. 11.5.2).
So hat zum Beispiel der Geruch in Verkaufsräumen eine
Reihe von Effekten, etwa auf die Dauer des Einkaufs. Wie es
scheint, verbringen Konsumenten mehr Zeit in einer bedufte- 2.5 Berührung
ten Umgebung (Stöhr 1998), empfinden aber gleichzeitig im
Vergleich zu Probanden in unbedufteten Verkaufsräumen ih- Der Tastsinn scheint einerseits besonders eingeschränkt zu sein:
ren Aufenthalt als kürzer (Spangenberg et al. 1996). Dabei liegt Er setzt voraus, dass sich die Objekte der Außenwelt in der un-
die Fehleinschätzung bei den Probanden in der unbedufteten mittelbaren Umgebung befinden, und zudem ist er sequentiell
Bedingung: Diese waren nämlich der Meinung, sie seien länger angelegt – man kann nicht wie bei Auge, Ohr oder Geruchssinn
in den Verkaufsräumen gewesen, als es tatsächlich der Fall war. mehrere Dinge simultan erfassen. Andererseits aber ist es viel-
Probanden in der bedufteten Umgebung hatten dagegen eine leicht gerade die Unmittelbarkeit der Erfahrung, die dem Tastsinn
einigermaßen zutreffende und unverzerrte Zeitwahrnehmung. seine Besonderheit verleiht. Der Tastsinn wurde schon als der
Auch eine positivere Bewertung der Produkte war zu beobach- Wirklichkeitssinn („reality sense“; Heller und Clark 2008; zit. n.
ten, diese war allerdings nicht über alle Produktkategorien gleich Nuszbaum et al. 2010, S. 263) bezeichnet, weil er weniger anfällig
stark (Spangenberg et al. 1996). gegenüber Wahrnehmungstäuschungen ist als etwa das Sehen.
36 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

Das primäre Organ für den Tastsinn ist wohl die Hand – was könnte ein Stück weit dadurch aufgefangen werden, dass Konsu-
1 übrigens auch sprachlich reflektiert wird, denn das griechische menten ermutigt werden, sich den Besitz vorzustellen.
haptikos bedeutet „greifbar“. Überhaupt spielt die Sprache beim In weiteren Versuchen der Reihe konnten die Ergebnisse auch
2 Tastsinn eine besondere Rolle, denn es beziehen sich besonders für Verkäufer (aktuelle Besitzer) und andere Produktkategorien
viele psychologische Effekte sprachlicher Metaphorik auf taktile repliziert werden. Bei Produkten, die sich unangenehm anfühlten
Erfahrungen (siehe unten bzw. ▶ Abschn. 6.2.3). (im Experiment war das z. B. Knetseife), erhöhte das Anfassen
3 Mit dem Tastsinn nehmen wir Objekteigenschaften wahr, zwar den „gefühlten“ Besitz, nicht aber den subjektiven Geldwert.
zum Beispiel Textur (Beschaffenheit einer Oberfläche), Härte, Die Tatsache, dass das Anfassen eines Produkts bereits das
4 Temperatur oder Gewicht. Wenn Konsumenten diese Informa- Gefühl des Besitzens anregt, kann marketingtechnisch ausge-
tionen nicht einholen können – wie etwa beim Online-Kauf –, nutzt werden. Man kann Konsumenten direkt auffordern, ein
5 kann das dazu führen, dass sie frustriert sind und nicht das Ge- Produkt in die Hand zu nehmen. Sie tun das dann natürlich auch
fühl haben, ein belastbares Urteil über das Produkt abgeben zu häufiger, und damit steigt die Zahl der Käufe, insbesondere der
können (Nuszbaum et al. 2010). ungeplanten (Peck und Childers 2006).
6 Die taktilen Eigenschaften eines Produkts sind sowohl für Wie schon gesagt: Es kann genügen, wenn Konsumenten von
das Wiedererkennen als auch für die Beurteilung sehr wichtig: dem Produkt nur mental „Besitz ergreifen“ – der metaphorisch
7 Meyer (2001) zeigt, dass Personen Alltagsgegenstände am Ta- bedeutungsvolle Akt des „Greifens“ scheint sich dadurch bereits
steindruck doppelt so gut wiedererkennen können wie am Ge- zu vollziehen. Die Metaphorik des Tastsinns zeigt sich aber noch
ruch. Der direkte Kontakt zum Objekt schafft anscheinend einen in vielen anderen Zusammenhängen. Hart und weich, schwer
8 Gedächtnisvorteil. Außerdem entwickeln Menschen auch emo- und leicht, warm und kalt oder rau und glatt sind Eigenschaf-
tionale Schemata anhand von haptischen Eindrücken: Glatte ten von physischen Objekten, die man ebenso auf andere Dinge
9 Flächen wirken entspannend, kühle und glatte gar erotisch, und anwenden kann, zum Beispiel Personen, Situationen oder Auf-
raue Flächen gehen mit der Assoziation „herb“ einher (Meyer gaben. Tatsächlich weckt die taktile Erfahrung dieser Attribute
10 2001). bei uns gleichzeitig die metaphorische Bedeutung, und wir sind
Da es sich bei den Assoziationen um Schemabilder handelt, in der Folge eher geneigt, diese Bedeutung auch anzuwenden.
lassen sie sich auch aktivieren, ohne dass der Konsument das Pro- Es macht beispielsweise einen Unterschied, ob man beim
11 dukt wirklich berühren muss: Bilder von streichelnden Händen, Gespräch mit einem Bewerber ein schweres oder ein leichtes
sichtbar raue oder samtige Oberflächen, kratzende Bewegung Klemmbrett für seine Notizen in Händen hält: Die Person, die
12 und erst recht die dazugehörenden Geräusche können durchaus man bewerten soll, erscheint bei einem schweren Brett wichtiger
taktile Eindrücke mit dem Produkt verbinden (Meyer 2001). als bei einem leichten. Ebenso ließen raue Objekte eine soziale
Konsumenten entnehmen aber der Berührung nicht nur Interaktion schwieriger erscheinen, und harte Objekte induzier-
13 faktische, sondern auch „symbolische“ Informationen. Um die ten einen unnachgiebigen Verhandlungsstil (Ackerman et  al.
Produkteigenschaften zu prüfen, führen wir sehr spezifische Be- 2010). Williams und Bargh (2008) ließen ihre Probanden unter
14 wegungen aus, die uns die nötigen Informationen liefern. Diese einem Vorwand für einen Augenblick einen Becher mit Eiskaffee
Spezifität der Bewegung gibt der Handmotorik eine bestimmte oder warmem Kaffee halten. In der Folge sollten sie mit einem
15 Bedeutung: Wenn wir beispielsweise die Kappe des Deos mit den Verbündeten des Versuchsleiters interagieren. Nach dieser Inter-
Fingerspitzen entfernen müssen (Scheier et al. 2010, sprechen aktion beschrieben sie die Person, mit der sie zu tun hatten, als
von einem Feingriff), erleben wir das ganze Produkt anders, als wärmer, großzügiger und fürsorglicher, wenn sie zuvor den war-
16 wenn zum Öffnen die ganze Hand (also ein Kraftgriff) gebraucht men Kaffee gehalten halten. In einem zweiten Experiment waren
wird. Damit vermittelt das Produkt Männlichkeit oder Weiblich- die Probanden eher geneigt, ein Geschenk für einen Freund als
17 keit, noch bevor man es riecht. für sich selbst zu wählen, wenn sie zuvor einen warmen Gegen-
Eine andere Symbolik, die mit dem Greifen einhergeht, be- stand gehalten hatten.
trifft das Gefühl von Besitz. In einem Experiment von Peck und Der Zusammenhang zwischen interpersoneller und phy-
18 Shu (2009) sollten Probanden einen Becher bewerten, der auf sischer Wärme nimmt auch den umgekehrten Weg: In einem
ihrem Tisch stand. Teilnehmer einer Gruppe durften den Becher Experiment von Zhong und Leonardelli (2008) mussten Pro-
19 anfassen, Probanden einer anderen Gruppe betrachteten ihn le- banden die Erfahrung sozialer Ausgrenzung machen – entwe-
diglich. Ein Teil der Teilnehmer sollte sich zusätzlich Gedanken der indem sie entsprechende Situationen lebhaft imaginierten
20 darüber machen, was sie mit dem Becher zu Hause machen wür- oder indem sie am Computer ein Ballspiel spielten, in dem sie
den – sich also vorstellen, ihn zu besitzen. Anschließend kreuzten aber von ihren Mitspielern nicht angespielt wurden. In der Folge
alle auf einer Skala an, wie sehr sie mehreren Aussagen zustim- schätzten sie die aktuelle Raumtemperatur im Durchschnitt um
21 men, zum Beispiel: „Es fühlt sich so an, als ob das mein Becher 3,5 °C geringer als in der Kontrollbedingung bzw. bevorzugten
ist.“ Ebenso gaben sie den Geldwert des Bechers an. Die These in einem angeblichen Produkttest eine heiße Suppe oder einen
22 wurde bestätigt: Wer den Becher anfassen konnte, hatte eher das Kaffee gegenüber kalten Nahrungsmitteln wie Cola, Cracker oder
Gefühl, diesen zu „besitzen“, und schätzte ihn als teurer ein als einem Apfel. Die Experimente von Zhong und Leonardelli (2008)
die Probanden, die ihn nur anschauen durften. Allerdings hatte zeigen, dass die Metaphorik von sozialer Wärme sehr wörtlich
23 die Vorstellung des Besitzes den gleichen Effekt. Diese Erkenntnis zu nehmen ist.
ist besonders für Hersteller interessant, die ihre Produkte on- Berührung hat im interpersonellen Bereich weitere Effekte:
line vertreiben: Das Problem der fehlenden taktilen Erfahrung In den Experimenten von Hornik (1992) berührten jeweils Ver-
2.5 • Berührung
37 2

Exkurs 2.1  Magie durch Berührung  |       | 


Jimmy Page spielte eine Gibson Les Paul, Joe Vorstellung, dass Dinge, die gleich aussehen, Bevor man diesen Gedanken verallgemei-
Satriani eine Ibanez JS 100. Ganz gleich, ob auch gleich sind. So ist die Saite, die mein Idol nert, muss man wohl einige Differenzie-
diese Gitarristen nun als Testimonials für ihre gespielt hat, sozusagen veredelt und trägt nun rungen berücksichtigen: Die Gitarre ist für
Instrumente auftreten oder nicht, die Fans einige von seinen Eigenschaften – und meine den Gitarristen – zumindest für die in der
wissen so oder so, worauf ihre Helden gespielt Gitarre rückt der meines Stars ein wenig näher, Stichprobe von Fernandez und Lastovicka
haben. Dieses Wissen wird aber nicht einfach wenn sie ihr ähnlicher wird. Das Instrument, (2011) – kein einfacher Gebrauchsgegen-
nur wie eine Empfehlung genutzt, es inspiriert oder besser: das, was es mit dem Star verbin- stand. Sie hat einen hohen emotionalen Wert
allem Anschein nach Vorstellungen, die man det, wirkt magisch, wie ein Fetisch. Sicherlich und ist häufig sehr eng mit dem Selbstbild
als „magisch“ bezeichnen kann. Dies zeigt spielt man nicht unbedingt besser, bloß weil und vor allem dem Selbstwert des Besitzers
sich in einer Untersuchung von Fernandez Ritchie Blackmore oder Robert Fripp die Gitarre verbunden. Wo die Kaffeemaschine es nicht
und Lastovicka (2011): Gitarristen kaufen einmal kurz in Händen gehalten und vielleicht zu diesem Status gebracht hat, wird sie von
genaue Nachbildungen der Gitarren, die ihre sogar signiert hat. Aber für die betroffenen einem prominenten Testimonial vermutlich
Idole spielen. Sie lassen ihre Instrumente von Amateurgitarristen stiftet dieses Bewusstsein in einer wenig magischen Weise profitieren.
ihren Stars signieren. Ein Befragter, selbst ein Zuversicht, hebt das Selbstbewusstsein und Hier werden dann Merkmale wie Sympathie,
etablierter Musiker, nutzte die abgelegten spornt an (Fernandez und Lastovicka 2011), Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit
Saiten seines Stars. Das eigene Instrument so dass diese Magie durch Berührung eben von Testimonial und Botschaft wichtiger sein
wird, wenn es keine genaue Nachbildung ist, doch einen gewissen rationalen Kern hat und ▶
(  Abschn. 14.2.1).
dem des bewunderten Musikers so ähnlich ge- zumindest motivational Nutzen stiftet. Außerdem ist zu bedenken, dass die „magi-
macht wie möglich – auch wenn das bedeutet, Was zeigen diese Ergebnisse zur Wirkung schen“ Vorstellungen der Amateurmusiker
dass man Funktionen ausbauen oder Regler von Testimonials? Wenn meine Gitarre besser im Detail auch unterschiedlich waren. Nicht
entfernen muss. klingt, weil sie der von Keith Richards ähnlich jeder fühlt sich gleich wie Jimi Hendrix, bloß
Die Motivation hinter diesen Verhaltensweisen ist, wird dann auch mein Espresso besser, weil weil er die gleiche Sorte von Saiten benutzt.
bringen die Autoren mit zwei Begriffen auf den ich die gleiche Maschine habe wie George Gemeinsamer Nenner ist die Magie durch
Punkt: „contagious magic“, also die Vorstellung, Clooney? Ist die Magie hinter den Musik- Berührung und durch Ähnlichkeit – was das
dass Dinge einander durch Berührung beein- fetischen nicht die gleiche, die auch hinter aber konkret heißt, kann sehr unterschiedlich
flussen können, und „imitative magic“, also die anderen Testimonialeffekten liegt? sein.

käufer in unterschiedlichen Umgebungen (Buchladen, Restau- Bei einer positiven Person dagegen scheinen regelrecht magische
rant und Supermarkt) die Kunden beiläufig und nahezu unbe- Vorstellungen darüber zu bestehen, nach denen die Berührung
merkt. Kunden, die in dieser Weise berührt wurden, bewerteten das Gut bedeutender und wertvoller macht. Newman et al. (2011)
sowohl externe Stimuli (z. B. den Buchladen) als auch die Quelle präsentierten ihren Probanden Güter von positiven wie negati-
der Berührung positiver und waren dieser Quelle gegenüber auch ven „Berühmtheiten“ und variierten dabei das Ausmaß der Be-
kooperationsbereiter. rührung durch den vorherigen Besitzer. Es zeigte sich, dass die
Berührung durch einen anderen Menschen hat allerdings Zahlungsbereitschaft umso höher war, je häufiger eine bewun-
sehr komplexe konsumpsychologische Folgen – und dies beginnt derte Person das Gut berührt hatte – bei einer negativen Person
bereits bei der Berührung der Produkte durch andere Personen: war es dagegen umgekehrt. Sollten Sie also das Taschentuch von
Konsumenten werten normalerweise Produkte ab, wenn sie er- George Clooney verkaufen, dann wäre es hilfreich, wenn es sich
fahren, dass diese Produkte bereits von anderen berührt worden dabei um dessen Lieblingsstück handelt, das er jahrelang bei sich
sind (Morales 2010). Dabei muss diese Berührung nur suggeriert getragen hat. Wenn Sie dagegen den Schreibtisch von Saddam
werden. Der Effekt tritt bereits ein, wenn zum Beispiel ein (tat- Hussein anbieten, sollte dieser möglichst selten daran gesessen
sächlich nie getragenes) Kleidungsstück in der Umkleidekabine haben (▶ Exkurs 2.1).
gefunden wird. Er ist schwächer, aber noch immer vorhanden, Die vermittelnde Rolle des Ekels zeigt sich auch, wenn Pro-
wenn es am Haken hängt, um von der Umkleidekabine wieder dukte einander berühren. Eine Packung Kekse beispielsweise
in den Verkauf zurückgebracht zu werden. sollte im Einkaufswagen nicht unmittelbar bei einem Produkt
Morales (2010) führt diese Abwertung auf Gefühle von Ekel wie etwa Einwegwindeln, Toilettenpapier oder Tampons liegen
zurück, die durch den körperlichen Kontakt mit Fremden her- oder diese gar berühren (Morales und Fitzsimons 2007). Die
vorgerufen werden. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen Eigenschaften des „ekligen“ Produkts werden gleichsam auf
– eine davon allerdings sind attraktive Personen des anderen die Kekse übertragen – in einem entsprechenden Experiment
Geschlechts: Frauen wie Männer bewerten ein Produkt positi- nahmen Probanden weniger von hochwertigen Keksen, die mit
ver, wenn sie glauben, eine sehr attraktive Person des anderen einem ekligen Produkt in Berührung gekommen waren, und
Geschlechts hätte es zuvor berührt. bevorzugten stattdessen minderwertige Kekse. Die Übertra-
Eine weitere Ausnahme zeigt sich in der Bereitschaft, hohe gung der Eigenschaften ist sehr spezifisch: So lässt eine Packung
Preise für Gegenstände zu zahlen, die Prominente besessen und Schweineschmalz, wenn sie eine Packung Reiswaffeln berührt,
berührt haben. Solche Gegenstände erzielen bei Auktionen diese fetter erscheinen (Morales 2010, S. 58). Außerdem bleiben
regelmäßig hohe Preise – ob sie nun einer bewunderten oder die Eigenschaften, die übertragen werden, auf den Bereich „Ekel“
verachteten Person gehörten. Bei näherer Betrachtung zeigt sich beschränkt. Andere Produkte, die ebenfalls mit negativen Asso-
allerdings, dass im Fall von negativ bewerteten Besitzern der ent- ziationen einhergehen – Morales und Fitzsimons (2007) nahmen
scheidende Faktor nur im erwarteten Marktwert des Guts liegt. beispielsweise eine Software zur Erstellung der Steuererklärung,
38 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

aber auch der Anteil von Erwartungen – Wahrnehmung kommt


1 nicht ohne den konstruktiven Anteil des Wahrnehmenden aus,
und dieser wird wesentlich durch seine Erwartungen und Sche-
2 mata geprägt.

3 2.6.1 Multisensualität

4 Wie würden Sie es machen, wenn Sie ohne Worte den Wahr-
.. Abb. 2.6  Zwei Figuren, eine heißt Maluma, die andere Takete. Welche nehmungseindruck von Schwere durch eine Melodie darstellen
5 der beiden trägt Ihrer Meinung nach welchen Namen? (Beispiel nach Köhler sollen? Keine unlösbare Aufgabe, sollte man meinen. Menschen
1929; Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Katrin Dreyer) haben die grundsätzliche Bereitschaft, die Wahrnehmung in
einer Sinnesmodalität in Begriffen einer anderen zu beschrei-
6 die mit Ärger und Frustration assoziiert ist –, bleiben ohne Effekt ben. Es ist sogar möglich, dieses Phänomen zur Messung von
auf die Produkte, die sie berühren. Wahrnehmungseindrücken zu nutzen, die schwer zu beschreiben
7 sind. Man kann beispielsweise die Versuchspersonen bitten, ein
Geruchserlebnis durch die Wahl einer Farbe auszudrücken.
2.6 Das Zusammenspiel der Sinne: In den genannten Fällen haben wir es mit sogenannten un-
8 Multisensualität und der Effekt echten Synästhesien zu tun, die man auch, um Verwechslungen
von Erwartungen zu vermeiden, als intermodale Analogien bezeichnet (zu echten
9 Synästhesien siehe ▶ Exkurs 2.2).
Wenn der Dirigent im Symphoniekonzert die hohen Töne an- Synästhetische Wirkungen spielen auch bei der Wahrneh-
10 zeigt, hebt er den Stab, bei den tiefen senkt er ihn. Die Über- mung von Produkten eine große Rolle. So wird zum Beispiel
setzung von Tonhöhe in räumliche Höhe ist eine synästhetische die Viskosität von Öl bei unterschiedlichen Farben verschieden
Entsprechung, die praktisch jeder nachvollziehen kann – man erlebt. Rote Farbtöne erwecken eher den Eindruck eines dickflüs-
11 spricht hierbei sogar von einer „Ur-Synästhesie“ (Wellek 1931; sigen Öls, während gelbe Farbtöne auf eine dünnflüssige Konsis-
zit. n. Haverkamp 2003). In anderer Hinsicht ist die Dirigen- tenz hinweisen. Diese Wahrnehmungswirkung ist besonders zu
12 tentätigkeit für den Zuschauer sogar eine einfache Form eines beachten, wenn man, wie in der Anzeigenwerbung, nur Bilder
multisensualen Konsumerlebnisses, indem hier der akustische zeigen und die Konsistenz des Produkts also nur statisch visua-
Eindruck visualisiert wird. Der Musikgenuss kann dadurch auch lisieren kann (Kroeber-Riel 1992, S. 118).
13 gesteigert werden. Zum Beispiel lenkt die Beobachtung des Di-
rigenten die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Musik,
14 auf bestimmte Instrumentengruppen etwa, wodurch die jeweilige
Interpretation des Stücks deutlicher und verständlicher wird.
2.6.2 Die Bedeutung von Erwartung
15 Im Vordergrund steht bei der Beobachtung des Dirigenten
für das Produkterleben
also nicht so sehr der „Show“-Aspekt, sondern mehr noch die
Rückkopplung der verschiedenen Sinneseindrücke, die dann als
16 Ganzes über die Summe der Einzeleindrücke hinausgehen. Margarine hat normalerweise ein weißliches Aussehen und
Diese vorangegangene Formulierung gibt das Stichwort für schmeckt ein wenig ölig, Butter sieht gelblich aus und schmeckt
17 ein weiteres bekanntes Phänomen, das die Vernetztheit der Sinne eher cremig. Heutzutage wird Margarine mit Karotin eingefärbt,
dokumentiert. Wolfgang Köhler, einer der Begründer der Ge- wodurch sie eine gelbliche Färbung wie Butter erhält. Dies ist
staltpsychologie (▶ Abschn. 2.2.2), zeigte seinen Probanden zwei nach Ergebnissen von Cheskin (1957) erforderlich, da der wenig
18 Figuren, ähnlich wie sie in . Abb. 2.6 dargestellt sind. Eine dieser beliebte ölige Geschmack von Margarine sehr stark mit der wei-
Figuren sollte Maluma, die andere Takete heißen. Die Proban- ßen Färbung verbunden ist. (Kroeber-Riel 1993a, S. 268) macht
19 den sollten die „richtigen“ Namen zuordnen – es wird Sie nicht allerdings auf Befunde aufmerksam, nach denen Margarine in
wundern, dass hierbei 90 % der Befragten, davon ausgingen, dass ihrer hellgelben Farbe eine leichte Rotbeimischung haben sollte,
20 die eckige Figur Takete und die runde Maluma heißen müsse damit sie als streichfähig wahrgenommen werde.) Cheskin zeigte,
(Köhler 1929). dass von weiblichen Versuchspersonen der Geschmack von wei-
Auch hier findet sich also wieder der gestaltpsychologische ßer Butter als ölig und der Geschmack von gelber Margarine als
21 Grundgedanke: Das Ganze unseres Eindrucks ist nicht versteh- cremig beschrieben wird.
bar, wenn man es als die Summe seiner Teile betrachtet. Die Den Erwartungseffekt bei der Geschmackswahrnehmung
22 Laute des Worts haben eine bestimmte Qualität, eine Anmutung, können Sie auch daran überprüfen, wenn Sie einmal frischen
die offenbar in hohem Grade nahelegen, sie mit der einen, aber Ananassaft probieren. Durch jahrelange Erfahrung mit dem me-
nicht mit der anderen Figur zu assoziieren. tallenen Geschmack, den Ananassaft in Dosen annimmt, entwi-
23 Im Folgenden soll es daher um das Zusammenspiel der Sinne ckeln wir bereits das Gefühl, mit dem natürlichen Saft müsste
gehen, so etwa um den Begriff der Synästhesie oder der Multi- etwas nicht stimmen (Schrank 1977; zit. n. Mullen und Johnson
sensualität von Produkterlebnissen. Wichtig scheint mir dabei 1990: „the pineapple juice bias“).
2.6  •  Das Zusammenspiel der Sinne: Multisensualität und der Effekt von Erwartungen
39 2

Exkurs 2.2  Synästhesien  |       | 


Echte Synästhesien sind im Unterschied zu den Synästhetikern auf, sie können sich nicht Jeder Synästhetiker hat seine eigenen Assozi-
unechten ein äußerst seltenes Phänomen – es dagegen wehren. So haben Synästhetiker, ationen, allerdings bleiben diese dann meist
werden Häufigkeiten zwischen 1:500 (Emrich die zum Beispiel die Zahl 5 in Pupur erleben, ein Leben lang stabil. Demgegenüber stellen
et al. 2004) und 1:25.000 (Cytovic 2002) auch dann eine purpurfarbene Wahrnehmung, sich unechte Synästhesien weniger zwangs-
geschätzt, wobei Frauen bei dieser Begabung wenn ihnen die 5 in der Peripherie ihres läufig ein, sie sind daher auch stärker formbar,
überrepräsentiert sind. Menschen, die zu Gesichtsfelds, umgeben von einer Vielzahl was sie für das Marketing viel interessanter
dieser Wahrnehmung fähig sind, erleben zum ähnlicher Stimuli, zum Beispiel der Zahl 3, macht. Noch wichtiger freilich ist, dass Men-
Beispiel Buchstaben, Zahlen oder Wochentage präsentiert wird (Ramachandran und Hubbard schen bei unechten Synästhesien viel stärker
zusätzlich als Farben und Formen, so dass 2001). Dies zeigt, dass ein bewusstes Erkennen übereinstimmen als bei echten (z. B. Freuwört
etwa der Mittwoch stets gelb und der Montag der auslösenden Stimuli nicht erforderlich ist 2004).
violett erlebt wird. Dieses Erleben drängt sich (vgl. auch Kher 2001).

In allen Beispielen wurde über den visuellen Eindruck eine Probanden gaben demnach auch an, dass sie bei der Wahl von
Erwartung erzeugt, die dann die anderen Empfindungen und ihrem Markenbewusstsein Gebrauch gemacht hatten. Auffällig
Erfahrungen praktisch dominierte. Brochet (2001) begründet ist vor allem, dass die Information über die Marke die eigentlich
dies damit, dass der Geschmackssinn weniger wichtig ist und entscheidende Information über die Qualität überdecken konnte.
auch langsamer arbeitet als der visuelle Sinn. Dies würde dafür Obwohl der Qualitätsunterschied für die Probanden in der Kon-
sprechen, dass in den meisten vergleichbaren Fällen der visuelle trollbedingung ja offensichtlich wahrnehmbar war, ließen sich
Sinn Geruchs- und Geschmackssinn dominieren dürfte. die Probanden in der Markenbedingung durch die Markenin-
Aber auch eine rein kognitive Erwartung kann einen senso- formation beirren.
rischen Eindruck verändern: Der berühmte Weinkenner Émile Wenn kognitive Erwartungen für die Produktwahl eine so
Peynaud wird mit den Worten zitiert: „Blind tasting of great wi- große Rolle spielen, ändern sie dann möglicherweise auch die
nes is often disappointing“ (zit. n. Brochet 2001, S. 12). Auch tatsächliche Wahrnehmung? Indirekte Hinweise darauf finden
die Experten bekennen sich offenbar dazu, dass der zentrale sich in der neurologischen Forschung: So replizierten beispiels-
geschmackliche Eindruck des Produkts erst aus dem Zusam- weise McClure et al. (2004) den bekannten Befund, dass die Be-
menspiel mehrerer Sinne und der Kognitionen hervorgeht. Die urteilung der Marken Pepsi und Coca-Cola sehr unterschiedlich
Klassifizierung der Weine als Tafelweine im Unterschied zu Prä- ausfällt, je nachdem, ob Probanden wissen, welche Marken sie
dikatsetiketten beeinflusst das Urteil erheblich. Selbst Experten trinken oder nicht. Die Autoren zeigen, dass nicht nur die Urteile,
lassen sich durch diese Klassifizierung beeinflussen und bewer- sondern auch die physiologischen Erregungsmuster zwischen
ten dieselben Weine schlechter, wenn sie statt als Prädikats- als Blindverkostung und markenbewusstem Konsum systematisch
Tafelweine ausgewiesen sind (Brochet 2001). Offenbar ist das variieren. Unter Blindverkostung war vor allem der ventromedi-
Etikett des Weins, seine „Marke“, ein nicht unwesentlicher Teil ale präfrontale Kortex aktiviert. Erregungen in dieser Hirnregion
des Produkterlebnisses. hängen eng mit dem wahrgenommenen Belohnungs- oder Be-
Was dies bedeuten kann, zeigt sich in den Befunden von strafungswert von Stimuli zusammen. Wenn die Probanden die
Hoyer und Brown (1990; vgl. auch Allison und Uhl 1964). Die Marke kennen, zeigt sich bei der Verkostung zusätzliche Aktivität
Autoren ließen ihre Probanden drei Gläser mit Erdnussbutter in Hippocampus, Mittelhirn und dorsolateralem präfrontalem
beurteilen. In den Gläsern waren Produkte von unterschiedli- Kortex. Hippocampus und dorsolateraler Kortex sind an der
cher Qualität, und zwar unabhängig vom Etikett. Die Probanden Steuerung von Verhaltensweisen beteiligt, die auf Affekten und
konnten vor einem Präferenzurteil mehrmals probieren. In der Emotionen beruhen.
Markenbedingung war eines der Etiketten sehr bekannt, in der Man kann die Befunde als einen Hinweis darauf deuten,
Kontrollbedingung waren alle drei Marken unbekannt. (Die Mar- dass hinter der unterschiedlichen Beurteilung wirklich ein un-
kenbekanntheit haben die Autoren nicht manipuliert, sondern terschiedliches Geschmackserleben steht.

-
vorgefunden.) Die Ergebnisse:
Wenn die Marke bekannt war, wurde fast immer die Marke
Aber es gibt auch direktere Hinweise darauf, dass sich bei
Markenkenntnis wirklich der Geschmackseindruck ändert. In

- gewählt.
Dieser Effekt galt auch dann, wenn in dem Markenglas ein
diesem Sinne interpretieren zum Beispiel Lee et al. (2006) ihre
Befunde: Sie ließen ihre Probanden ein Bier probieren, das mit

- eigentlich minderwertiges Produkt enthalten war.


Wenn die Marke nicht bekannt war, testeten die Probanden
einigen Tropfen Balsamessig versetzt war. Die meisten Biertrin-
ker halten diese Manipulation nicht eben für einen geschmack-

- intensiver.
Wenn die Marken nicht bekannt waren, wählten die Pro-
banden mit höherer Wahrscheinlichkeit auch das höchst-
wertige Produkt. Sie verließen sich also sehr viel mehr auf
lichen Gewinn, obwohl sie im Blindtest gar nicht so schlecht
beurteilt wird. Interessant waren nun aber vor allem diejenigen
Durchgänge, in denen die Probanden über die ungewöhnliche
Zutat aufgeklärt wurden. Diese Information beeinflusste die Be-
ihr Geschmacksurteil, als wenn die Marke bekannt war. wertung des Biers nämlich nur, wenn sie vor der eigentlichen
Verkostung bereits bekannt war. Probanden, die erst im Nach-
Die Ergebnisse zeigen, dass die Markenbekanntheit eine sehr hinein erfuhren, dass ihr Bier Balsamessig enthielt, bewerteten
wichtige Heuristik bei der Produktwahl darstellt. Die meisten der es nicht schlechter als Probanden in der Blindverkostung. Wie
40 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

es scheint, wirkt die Information über die Inhaltsstoffe des Biers Produkt beurteilt wird, hängt möglicherweise von Signalen auf
1 nicht so sehr auf die Präferenz, sondern eher auf das Geschmack- Sinnesdimensionen ab, an die der Hersteller gar nicht gedacht
serlebnis – und darüber vermittelt erst auf die Bewertung. hat und die für die Bewertung eigentlich so irrelevant erschei-
2 Der vermutlich direkteste Nachweis, dass Erwartungen das nen wie die Farbe des Worts für seine Bedeutung. So zeigt zum
Produkterlebnis tatsächlich verändern, stammt von Litt und Shiv Beispiel Lindstrom (2005), dass Konsumenten zwar die Quali-
(2012). In ihren Studien nutzten sie das Glykoprotein Miraculin, tät von Fruchtsaft erwartungsgemäß nach dem Geschmack be-
3 ein natürlich vorkommender Stoff, der für kurze Zeit die Sensibi- urteilen, die Bewertung von Handys aber ganz wesentlich von
lität für Säure betäubt. Miraculin wird von der Wunderbeere pro- deren taktilen Eigenschaften abhängt, dass Konsumenten also
4 duziert, die ihrerseits ihren Namen daher hat, dass ihre Frucht in ihr Urteil aufnehmen, wie sich das Handy „anfühlt“. Der Be-
zwar kaum einen Eigengeschmack aufweist, dafür aber geeignet griff „Multisensualität“ bedeutet zunächst eigentlich nur, dass
5 ist, unangenehme (vor allem eben saure) Geschmacksnuancen das Produkterlebnis selbst mehrere Sinne anspricht. Ein ver-
anderer Speisen zu neutralisieren. hältnismäßig einfaches und verbreitetes Beispiel hierfür ist der
Die Probanden von Litt und Shiv (2012) ließen eine Tab- Surround-Klang im Kino und auf DVD: Hier soll das zweidimen-
6 lette mit Miraculin auf der Zunge zergehen und sollten in der sionale visuelle Erlebnis akustisch um eine weitere Dimension
Folge Rotwein probieren. In einer Kontrollbedingung hatten bereichert werden. Ein denkbarer weiterer Schritt besteht in der
7 die Probanden keinerlei Erwartung an den Geschmack des Beduftung von Filmen oder auch Theaterstücken.
Weins. In der Experimentalbedingung jedoch induzierte man Die folgenden Ausführungen sollen aber ein besonderes
die Erwartung, der Wein könnte einen sauren Beigeschmack Verständnis von Multisensualität in den Mittelpunkt rücken,
8 haben. Wenn nun diese Erwartung keinerlei Effekt auf den nämlich die Interaktion der Sinne. Wie oben schon betont: Das
tatsächlichen Geschmack hat, dann sollte die Bewertung des Zusammenspiel der einzelnen Sinne ist meist nicht zu verstehen
9 Weins dieselbe sein, egal ob die Probanden Säure überhaupt als die „Summe der Einzelerlebnisse“. Der Input über den ei-
schmecken können oder nicht. Dies war aber nicht der Fall: nen Sinneskanal kann das Erlebnis auf dem anderen verändern,
10 Ob die Probanden einen sauren Wein erwarteten oder nicht, ähnlich wie Erwartungen und Kognitionen sinnliche Eindrücke
hatte einen sehr unterschiedlichen Effekt je nachdem, ob die verändern.
Probanden Säure schmecken konnten oder nicht. Probanden Zum Beispiel scheint der Kaffee aus einem Pappbecher nicht
11 mit einer normalen Sensitivität werteten den Wein deutlich ab, gar so gut zu schmecken wie aus einer echten Tasse. Ebenso wirkt
sie passten also das Urteil an die Erwartung eines unangenehm das Wasser in einem weichen Plastikbecher verglichen mit dem
12 schmeckenden Weins an. Probanden, die durch das Miraculin Wasser in einem Glas billiger und minderwertig – der billige
unfähig waren, Säure zu schmecken, bewerteten dagegen den haptische Eindruck wirkt negativ auf das Produkterlebnis (Kris-
mutmaßlich sauren Wein sogar positiver. Vermutlich prüften hna und Morrin 2008). Auch die Farbe eines Gefäßes beeinflusst
13 sie infolge der Erwartung ihr Geschmackserlebnis besonders die Geschmackswahrnehmung, wenngleich die Effekte hier an-
auf Säure, was dann das Fehlen eines sauren Geschmacks noch scheinend sehr komplexen Regeln folgen. Piqueras-Fiszman
14 besonders auffällig machte. und Spence (2012) zum Beispiel zeigen, dass Kakao am besten
Ganz ähnlich sind möglicherweise auch die Effekte der Mar- schmeckt, wenn die Tasse orange oder cremefarben ist. Die Auto-
15 kenkenntnis zu verstehen: Wenn sich die Produktbewertung än- ren betonen freilich, dass es keine festen Regeln gibt, nach denen
dert, sobald das Markenwissen hinzukommt, dann beruht dies Farben das Geschmackserlebnis verändern. Dass sie es aber tun,
nicht unbedingt nur darauf, dass nun in das Urteil unabhängig zeigt sich auf verschiedenen Dimensionen und mit verschiede-
16 vom sensorischen Eindruck auch stabile Präferenzen und kultu- nen Lebensmitteln. Einige der berichteten Befunde lassen sich
relles Wissen einfließen. Ein Teil der Veränderung verdankt sich freilich noch recht gut durch Erwartungen erklären, die kulturell
17 vermutlich tatsächlich einem durch das Markenwissen veränder- oder über die Statistik der Umwelt geprägt wurden: Gelbe Gefäße
ten Geschmackserlebnis. verstärken den Geschmack von Zitrone, Gefäße in kühlen Farben
(z. B. Blau) lassen ein Getränk eher als durstlöschend erscheinen
18 als Gefäße in warmen Farben (z. B. Rot), Pinkfarbene Gefäße las-
2.6.3 Multisensuale Produkterlebnisse sen ein Getränk als süßer erscheinen.
19 Nun betreffen die genannten Befunde stärker die Präferenz
Bei der berühmten Stroop-Aufgabe (Stroop 1935) sollen die Pro- für das Produkt als den eigentlichen sensorischen Eindruck. Aber
20 banden Farbbegriffe benennen, die ihrerseits in unterschiedli- auch für diese Art der Interaktion findet sich Evidenz: So ist es
chen Farben geschrieben sind. Dabei wird das Wort „Blau“ in für den Geschmack einer Speise entscheidend, in welcher Tem-
blauer Farbe schneller identifiziert (gelesen) als das Wort „Gelb“ peratur sie dargeboten wird, wie sie riecht, wie sie sich anfühlt,
21 in grüner Farbe. Dies zeigt, dass die Farbwahrnehmung und die wie sie klingt (z. B. beim Abbeißen oder Kauen) und vor allem
Semantik des Worts nicht unabhängig voneinander verarbeitet natürlich wie sie aussieht (Delwiche 2004). Manche Einflüsse sind
22 werden. Eine Unabhängigkeit kann man auch nicht willentlich praktisch kaum zu isolieren, so etwa der Einfluss des Geruchs auf
herbeiführen; die Reaktionszeiten bei der Benennung verzögern den Geschmack. Um hier den Einfluss des reinen Geschmacks
sich immer, wenn die beiden Farben nicht überstimmen. bestimmen zu können, müssen Probanden in entsprechenden
23 Offenbar ist es nur schwer möglich, verschiedene Kanäle der Untersuchungen die Verkostung mit Nasenklammern vorneh-
Informationsverarbeitung voneinander zu isolieren – dies dürfte men. Tatsächlich ist ein solches isoliertes Geschmackserlebnis
bei der Wahrnehmung von Produkten nicht anders sein. Wie ein ebenso unnatürlich wie die Versuchsanordnung.
2.7 • Aufmerksamkeit
41 2

Sehr viel leichter lässt sich dagegen der Einfluss des Gesichts- zunutze und kombinierten in ihren Experimenten zum Beispiel
sinns vom Geschmackserlebnis trennen, und in der Tat sind auch „männliche“ Düfte mit „weiblich“ anmutenden Oberflächen. Al-
die Effekte des Gesichtssinns auf das Geschmacksurteil beson- lem Anschein nach macht die „weibliche“ Tasterfahrung einen
ders gut untersucht. „männlichen“ Duft nicht weniger männlich. (Krishna et al. 2010,
Zum Beispiel wird die Identifikation von Fruchtsäften erheb- finden hierfür keine Effekte,) Die Produkte wurden aber jeweils
lich erschwert, wenn der Saft nicht die übliche Farbe hat (Still- positiver erlebt, wenn Erfahrungen in den beiden Sinnesmodali-
man 1993). Einen entsprechenden Effekt erzeugten Tom et al. täten kongruent waren (also z. B. wenn das Produkt sich sowohl
(1987) mit Pudding: Sie ließen ihre Versuchspersonen einen Va- männlich anfühlte als auch männlich roch).
nillepudding probieren, der aber schokoladenbraun gefärbt war.
Niemand bemerkte den Vanillegeschmack.
Blind und nur auf Basis des Geschmacks lassen sich oft nicht 2.7 Aufmerksamkeit
einmal Weißweine von Rotweinen unterscheiden. Und auch
Kenner beschreiben einen Weißwein in roter Farbe beim Ge- Für die Werbepsychologie sind der Umgang, die Steuerung, viel-
schmackstest mit Begriffen, die normalerweise nur auf Rotweine leicht auch die Manipulation der Aufmerksamkeit zentral. Der
angewendet werden (Morrot et al. 2001). erste Schritt im AIDA-Modell besteht ja im Wecken von Auf-
Hoegg und Alba (2007) präsentierten ihren Probanden merksamkeit (▶ Abschn. 1.3.2). Wenn sich ein Angebot gegen
Orangensäfte, die sich nur leicht in dem orangefarbenen Farbton ein anderes durchsetzen soll, dann muss es zunächst im Bereich
unterschieden. Die Säfte sollten daraufhin eingeschätzt werden, der Aufmerksamkeit des Kunden liegen. Diese Forderung wird
ob sie ähnlich oder unähnlich schmeckten. Unabhängig von dem durch Befunde zugespitzt, nach denen Kunden bei der Kaufent-
Farbton variierten der Grad der Süße des Safts, die angebliche scheidung nur einen Bruchteil der Produkte in Erwägung ziehen,
Herkunft, der Preis und die Marke. Keines dieser Merkmale hatte die sie kennen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Konkurrenz-
auf das Geschmacksurteil einen ähnlich großen Einfluss wie der produkte scheidet schon aus, bevor es überhaupt zur Abwägung
Farbton. kommt – eben weil sich die Aufmerksamkeit des Käufers nicht
Große Einflüsse auf das Geschmacksurteil hat auch die auf das gesamte Angebot erstreckt (Kroeber-Riel 1992, S. 410).
Textur eines Nahrungsmittels. „Knusprig“, „weich“, „bissfest“, Wir müssen uns im Folgenden also damit beschäftigen, wie man
„zähflüssig“ sind alles Merkmale, die das Geschmackserlebnis Aufmerksamkeit steigern und steuern kann.
für eine Speise verändern. Mit der Textur hängen auch viele un-
terstellte Effekte des Klangs zusammen (so etwa beim Merkmal
„knusprig“). Insofern liefert das Ohr für den Geschmackssinn 2.7.1 Aufmerksamkeitssteuerung
redundante Informationen, die Struktur der Speise wird auch
über andere Sinneskanäle vermittelt. Delwiche (2004) folgert Haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Sie in ei-
daher in ihrer Überblicksarbeit, dass allem Vermuten nach der ner Gruppe von Menschen stehen, alle reden durcheinander,
eigenständige Beitrag des Gehörs auf das Geschmackserleben Ihnen gegenüber steht Ihr Gesprächspartner und langweilt
gering ist. Sie tödlich? Statt ihm zuzuhören, lauschen Sie einem anderen
Es ist vielleicht kein Zufall, wenn ein Großteil der Forschung Gespräch. Und obwohl dieses andere Gespräch weiter weg ist
zu der Interaktion zwischen den Sinnen auf den Geschmacks- und Sie viel leiser erreicht als das, was Ihr Gegenüber Ihnen
sinn entfällt. Elder und Krishna (2010) betonen: „despite our see- erzählt, haben Sie kaum Schwierigkeiten, woanders zuzuhören.
mingly constant exposure to food, we have remarkable difficulty Dieses Phänomen, den Cocktailparty-Effekt (Anderson 2001),
in discerning one taste from another with just our taste buds“ verdanken Sie Ihrer Fähigkeit, Ihre Aufmerksamkeit willentlich
(S. 749). Zwei Gründe mögen – neben anderen – dafür verant- zu steuern. Ein Wirrwarr von Stimmen wird dadurch handhab-
wortlich sein: Zum einen können wir physiologisch nur zwischen bar, und Sie können sich trotz der komplexen Geräuschkulisse
fünf unterschiedlichen Geschmacksrichtungen differenzieren: auf einen Punkt konzentrieren. Man spricht hier von selektiver
süß, sauer, salzig, bitter und umami. (Letzteres ist eine erst An- Aufmerksamkeit.
fang des 20. Jahrhunderts entdeckte Geschmacksqualität. Der Das Cocktailparty-Phänomen ist die akustische Version der
Begriff stammt aus dem Japanischen und bedeutet „fleischig“, Figur-Grund Wahrnehmung: Wir versuchen, bestimmte Struk-
„herzhaft“, „wohlschmeckend“. Für umami können physiologisch turen in den Vordergrund zu heben und zur „Figur“ zu machen.
eigene Rezeptorzellen identifiziert werden; Elder und Krishna Stellen Sie sich ein gutes Musikstück vor. Wenn die Musik hin-
2010.) Zum anderen erleben wir Geschmack im Alltag so gut wie reichend komplex ist, dann besteht ein besonders Vergnügen
nie isoliert. Dies dürften Gründe sein, warum Geschmackserleb- darin, bei wiederholtem Hinhören jeweils verschiedene Stim-
nisse besonders stark mit den Informationen aus den anderen men zu beachten. Die Kompositionsweise der Fuge ist besonders
Sinneskanälen interagieren. für diese Art von Hörerlebnis geeignet, denn sie spielt ja gerade
Ein Beispiel für die Interaktion zweier anderer Sinnesdi- mit unserem ständigen Bemühen, Ordnung und Struktur in das
mensionen stammt von Krishna et al. (2010): Die Autoren kom- Gehörte zu bringen. Das Thema, das durch häufige Wiederho-
binierten Gerüche mit taktilen Produkterlebnissen. Produkte lung und besondere Melodik als Figur etabliert ist, taucht immer
werden von Konsumenten in beiden Sinnesmodalitäten relativ wieder an verschiedenen Stellen auf, drängt damit eine Stimme
übereinstimmend auf den Dimensionen „männlich – weiblich“ in den Vordergrund, zwingt sie aber gleich darauf wieder zum
oder „warm – kalt“ eingeordnet. Dies machten sich die Autoren Zurücktreten.
42 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

Der russische Kognitionspsychologe Alfred Yarbus (1967; zit. besonders offen für bestimmte Stimuli, aber gleichzeitig verengt
1 n. Pieters und Wedel 2007) untersuchte die visuelle Aufmerksam- sich auch unsere Aufnahmebereitschaft für andere Reize. Diese
keit beim Betrachten eines Bilds (des realistischen Gemäldes Ein Doppelfunktion der Aufmerksamkeit ist wichtig, denn an ihr
2 unerwarteter Besucher von Ilja Repin). Er zeigte hierbei, dass die hängen auch zwei unterschiedliche, aber gleichermaßen wichtige
Blickbewegungen nahezu ausschließlich davon abhingen, was Prozesse. Einerseits nämlich wird bei erhöhter Aufmerksamkeit
der Betrachter dem Bild entnehmen wollte bzw. instruktionsge- ein bestimmter Bereich der Informationsverarbeitung besonders
3 mäß entnehmen sollte. Er folgerte daraus, dass die Aufmerksam- aktiviert, andererseits werden aber auch andere Informationsver-
keitsverteilung nur wenig durch die Eigenschaften der Stimuli arbeitungskanäle und andere Inhalte gezielt unterdrückt (z. B.
4 und nahezu ausschließlich von den Wahrnehmungszielen des Broadbent 1958; Easterbrook 1959).
Betrachters bestimmt werde. Diese These bestätigen Pieters und Übrigens scheint sich die Fähigkeit zum Ausblenden irre-
5 Wedel (2007) für die Werberezeption: Sie weisen in Blickbewe- levanter Informationen mit dem Alter abzuschwächen. Dieses
gungsstudien nach, dass Probanden jeweils nur das betrachten, Phänomen wird in der Forschungsliteratur als „loss of inhibi-
was zu ihrem jeweiligen Ziel passt. So zeigen sich zum Beispiel tion“ (Hasher und Zacks 1988) bezeichnet. Mit diesem Argu-
6 hohe Betrachtungszeiten für Werbebilder vor allem dann, wenn ment lässt sich die Forderung mancher Werbepraktiker begrün-
die Probanden sich die Anzeigen einprägen wollten. Wenn sie den, man sollte besonders Werbung, die sich an ältere Personen
7 dagegen etwas über die Marke erfahren wollten, erhöhte sich die richtet, nicht mit ablenkenden Informationen überfrachten
Aufmerksamkeit auf den Text und im selben Ausmaß verringer- (Meyer-Hentschel 1996, S. 76).
ten sich die Betrachtungszeiten für die Bildelemente.
8 Pieters und Wedel (2007) führten ihre Blickbewegungsstu-
dien ohne Zeitdruck durch – die Probanden konnten sich nach 2.7.2 Reizverarbeitung ohne Aufmerksamkeit
9 Belieben Zeit nehmen (im Durchschnitt 4,1  Sekunden). Bei
dieser Methode mischen sich automatische mit kontrollierten Im Prinzip gilt: Je größer die Aufmerksamkeit, desto besser
10 Prozessen der Aufmerksamkeitsregulation. Es ist daher immer- für die Werbewirkung – allerdings nur im Prinzip. Es gibt Ein-
hin möglich, dass die Aufmerksamkeit der Betrachter durch die schränkungen. So zeigt sich zum Beispiel, dass es gar nicht so
Gestaltung der Anzeige zunächst an bestimmte Punkte gezogen günstig ist, wenn ich bei einem Beeinflussungsversuch die volle
11 und durch willentliche Kontrolle der Probanden erst wieder da- Aufmerksamkeit meines Publikums bekomme. Ein mittleres
von abgezogen werden musste. Tatsächlich belegen aber andere Aufmerksamkeitsniveau scheint für die Einstellungsänderung
12 Studien, dass auch die unwillkürliche und automatische Auf- am besten, da auf diese Weise Gegenargumente nicht so leicht
merksamkeitsverteilung von den Zielen der wahrnehmenden aktualisiert werden (kritisch hierzu z. B. Ray und Ward 1976). In
Person abhängt. Koranyi und Rothermund (2011) zeigen dies einem Experiment von Festinger und Maccoby (1964) „hörten
13 zum Beispiel für die Ablenkbarkeit durch attraktive Personen Mitglieder einer Studentenvereinigung eine Rede, in der Studen-
des anderen Geschlechts: Wer sich gebunden fühlt, ist bereits tenvereinigungen kritisiert wurden. Dazu lief entweder ein Video
14 im automatischen Verhalten weniger ablenkbar, wenn man ihm der Rede oder ein sehr unterhaltsamer Stummfilm, der mit dem
attraktive alternative Partner präsentiert (Maner et al. 2009) – Vortrag nichts zu tun hatte. Die Einstellungen der Probanden zu
15 und dieser Effekt zeigt sich bereits unmittelbar nachdem man Studentenvereinen wurden unter der zweiten Bedingung mehr
mit einem potentiellen Partner eine Verabredung eingegangen beeinflusst als unter der ersten, offenbar, weil der unterhaltsame
ist (Koranyi und Rothermund 2011). Film die Probanden davon abhielt, die Argumente des Überzeu-
16 Generell scheint also die Aufmerksamkeitsverteilung eher die gungsversuchs für sich zu entkräften“ (Bourne und Ekstrand
Ziele des Betrachters widerzuspiegeln als die Eigenschaften der 1992, S. 410).
17 Reizvorlage. Trotzdem gibt es aber auch Umgebungsreize, die un- Es ist zumindest unter diesem Gesichtspunkt gar nicht so
sere Aufmerksamkeit unabhängig von unseren Zielen und relativ ungünstig, wenn die Werbung nicht mit voller Aufmerksamkeit
unwillkürlich binden. In der oben beschriebenen Cocktailpar- rezipiert wird. So fanden zum Beispiel Tavassoli et al. (1995),
18 ty-Situation braucht nur jemand in Hörweite Ihren Namen im dass Werbung, die nur mit einem mittleren Involvement rezipiert
Gespräch zu erwähnen, und schon wird Ihre Aufmerksamkeit in wurde, effektiver war als solche, bei der das Involvement hoch
19 seine Richtung gelenkt (Cherry 1953). Dieses Beispiel zeigt, dass war. Aus einer ZDF-Studie aus dem Jahr 1988 wurde gefolgert,
die Aufmerksamkeit von außen beeinflussbar ist. Und es zeigt „daß ablenkende Beschäftigungen keine Beeinträchtigung der
20 darüber hinaus – und das ist wichtig –, dass auch Reize, denen Werbewirkung nach sich ziehen“ (Baacke et al. 1993, S. 157).
wir keine Beachtung schenken, irgendwie verarbeitet werden und Die Autoren erklären sich den Effekt damit, dass Werbung auf
bei uns eine Wirkung hinterlassen. Wir werden darauf vor allem mehreren Kanälen läuft (beim Zuschauer, nicht im Fernsehen).
21 in den ▶ Kap. 4 und 6 zurückkommen. Die Person vor dem Fernseher, während sie Kreuzworträtsel löst,
Ein wichtiger Punkt bei der Aufmerksamkeit ist nun folgen- kann immer noch merken, ob für sie etwas Interessantes kommt.
22 der: Sie ist prinzipiell begrenzt (Anderson 2001). Man kann nicht Außerdem wird Werbung ja immer wiederholt, so dass ein Zu-
unbegrenzt viele Dinge gleichzeitig beachten. Nicht alles, was schauer, der bei der einen Darbietung unaufmerksam war, bei
wir wahrnehmen, erhält unsere Aufmerksamkeit. Aufmerksam der anderen wieder dabei sein kann. Eine zusätzliche Erklärung
23 sein heißt gerade, dass man die Menge der verarbeiteten Infor- mag sein, dass eine Darbietung, die nur beiläufig bemerkt wird,
mationen gegenüber der Menge der verfügbaren Informationen auch keine Widerstände gegen die Beeinflussung auslösen kann
klein hält. Sind wir aufmerksam, dann sind wir zwar einerseits (▶ Abschn. 11.5.2), so wie vermutet wird, dass das Formulieren
2.7 • Aufmerksamkeit
43 2

von Gegenargumenten schwieriger ist, wenn man abgelenkt wird eine Taste drücken müssen), neigen Sie in der Folge dazu, fal-
(▶ Kap. 14). sche Aussagen für wahr zu halten. Dass Sie den umgekehrten
Die Werbung selbst sorgt bereits ausgiebig dafür, dass ihre Fehler (wahre Aussagen für falsch zu halten) unter Ablen-
Botschaften nicht ohne ablenkende Reize dargeboten werden. kung deutlich weniger begehen, belegt, dass es einen Auto-
Solche Reize können Erotik, Musik, eine Geschichte, in die die matismus gibt, nach dem man Aussagen zunächst für wahr
Werbung eingebettet ist, schöne Bilder oder irrelevante Zusatz­ hält. Das Klassifizieren einer Aussage als falsch ist ein eigener
informationen sein. Eine beeinflussende Kommunikation pro- Schritt, der Aufmerksamkeitsressourcen beansprucht. Dieser
fitiert von Ablenkung besonders dann, wenn sie nur schwache Schritt wird ausgelassen, wenn diese Ressourcen fehlen (Gil-
Argumente aufzuweisen hat. Wenn die Argumente der Nachricht bert et al. 1990; siehe auch ▶ Abschn. 15.2.3).
stark sind, dann wäre es für die Beeinflussungsabsicht günstiger,
wenn die Kommunikation auch die volle Aufmerksamkeit er- Das Zwei-Aufgaben-Paradigma ist besonders beliebt, um Folge-
hält. Ablenkung dämpft dagegen den Vorteil starker Argumente rungen der zweiten Art zu ermöglichen, also ein Verständnis da-
(▶ Abschn. 14.1.1). für zu gewinnen, welche Prozesse der Informationsverarbeitung
Wir haben festgestellt, dass die Aufmerksamkeit prinzipiell automatisch ablaufen und nicht auf bewusste Steuerung angewie-
begrenzt ist. Das kann zweierlei bedeuten: Zum einen kann die sen sind. Werbung wird in aller Regel mit geringer Aufmerksam-
Aufmerksamkeit ermüden, das heißt, sie ist begrenzt über die keit rezipiert. Eine Werbeanzeige wird im Durchschnitt lediglich
Zeit. Wenn Sie schon sehr viel Werbung an einem Stück rezipiert zwei Sekunden betrachtet. Die meisten Effekte der Werberezep-
haben, dann sinkt Ihre Aufmerksamkeit dafür immer mehr, und tion beruhen somit vermutlich auf genau diesen automatischen
in der Folge sinkt auch der Effekt der Werbung auf Ihr Gedächt- Prozessen der Informationsverarbeitung.
nis und Ihre Einstellungen (Mord und Gilson 1985). Wenn man also darauf setzt, durch originelle Gestaltung,
Zum anderen treffen wir bei der Aufmerksamkeit auch auf etwa durch Verstoß gegen die Gestaltprinzipien, Aufmerksam-
typische Ressourcenprobleme, das heißt, wir können einem zwei- keit zu erzeugen, dann muss man sich zuvor fragen, ob der an-
ten Gegenstand weniger Aufmerksamkeit schenken, wenn wir gestrebte Effekt nicht durch die ziemlich sichere Knappheit an
uns bereits einem ersten Gegenstand widmen. Wir müssen daher Aufmerksamkeit wieder zunichte gemacht wird. Ein Experiment
immer damit rechnen, dass die Beschränkung der Aufmerksam- von Houston et al. (1987) zeigt, wie diese Knappheit den Effekt
keit auch die psychologischen Prozesse beeinflusst, die bei der beeinflussen kann. Betrachten wir hierzu die Darstellung aus
Verarbeitung von Reizen normalerweise ablaufen. Meyer-Hentschel (1993). Es geht um das Verhältnis zwischen
Aus diesem Grundgedanken entwickelte der Psychoanalytiker Überschrift und der bildlichen Darstellung in einer Anzeige:
Carl Gustav Jung um 1900 eine originelle Versuchsanordnung, die
bis heute verwendet wird, um automatische Prozesse der Infor- » „Die Illustration muß dasselbe Versprechen telegraphieren
mationsverarbeitung zu untersuchen (siehe Jung und Riklin 1979; wie die Überschrift.“ In einer Untersuchung versuchten Hous-
orig. 1904): Jung war daran interessiert, wie sich automatische ton et al. (1987), die Erkenntnis der Altmeister zu widerlegen
Wortassoziationen von reflektierten unterscheiden. Hierzu erfand – vergeblich. Ihre Hypothese: Wenn zwischen Bild und Text
er ein Verfahren, das die psychologischen Grundlagenforschung eine Diskrepanz besteht, fördert dies die Erinnerungsleis-
heute als Zwei-Aufgaben-Paradigma (Dual Task Paradigm) kennt. tung. Erklärung: Der Leser beschäftigt sich intensiver mit
Dabei sollen Probanden zwei Aufgaben gleichzeitig erfüllen, die der Anzeige, um die Diskrepanz zu beseitigen. Ergebnis der
beide ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit beanspruchen. Studie: Die Hypothese wurde bestätigt. Bild und Text sollten
Jung ließ zum Beispiel seine Probanden parallel zu den ge- unterschiedliche Inhalte transportieren. Aber: Kein Grund zur
forderten Wortassoziationen im Takt eines Metronoms Striche Aufregung! Die Forscher haben ihr Ergebnis mit theoretischer
zeichnen. So konnte er – dank dem Mentronom beinahe stu- Raffinesse (sprich: Weltfremdheit) erreicht. Sie ließen ihren
fenlos – immer weiter Aufmerksamkeit von der Primäraufgabe studentischen Testpersonen 15 (!) Sekunden Zeit, sich mit der
abziehen und schauen, wie sich die Assoziationen verändern, getesteten Anzeige zu beschäftigen. Als sie in einem weiteren
wenn die Probanden ihre Antworten immer weniger kontrol- Experiment vorsichtig eine verkürzte Bearbeitungszeit von
lieren können. Zwei weitere Beispiele aus aktuellerer Forschung: 10 Sekunden probierten, löste sich der wundersame Effekt
1. Wenn Ihnen jemand eine Wortliste vorliest, Sie aber paral- in akademischen Rauch auf. (Meyer-Hentschel Managment
lel dazu ständig das Wort „Persil“ sprechen müssen, können Consulting 1993, S. 193).
Sie sich die Wortliste deutlich schlechter merken als wenn
Sie parallel ein paar Tasten in einer bestimmten Reihenfolge Ich habe das Experiment von Houston et al. (1987) im Wortlaut
drücken oder einen Punkt auf einem Monitor verfolgen sol- von Meyer-Hentschel Managment Consulting (1993) zitiert, weil
len. Dies gilt als Argument dafür, dass im menschlichen Ar- man hieran sehen kann, wie man sich durch eine bestimme Art,
beitsspeicher ein verbaler und ein visueller Zwischenspeicher wissenschaftliche Überlegungen zu rezipieren, völlig die Mög-
unterschieden werden müssen (mehr dazu in ▶ Abschn. 4.4.2; lichkeit nehmen kann, daraus zu lernen. Nach der vorangegan-
Befunde zitiert nach Buchner und Brandt 2002, S. 528 f). genen Darstellung würde der Witz der Untersuchung von Hous-
2. Ihnen werden eine Reihe von Aussagen präsentiert, von de- ton et al. (1987) darin bestehen, dass man bestätigt hat, was die
nen man Ihnen allerdings jeweils nach der Präsentation er- Altmeister sowieso schon immer wussten. So kann man solche
klärt, ob sie wahr oder falsch sind. Wenn Sie während dieser Untersuchungen natürlich sehen und sich auch trefflich darüber
Erklärung eine Zusatzaufgabe erfüllen (z. B. auf ein Signal hin lustig machen. Aber mit einer solchen Sicht manövriert man sich
44 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

selbst in eine Sackgasse. Was hilft die ganze ausgelassene Hei- aber auch umdrehen: Wenn man die Darbietungszeit für ein Pro-
1 terkeit angesichts der weltfremden Wissenschaftler, wenn man dukt erhöht (etwa indem man bestimmte Wahloptionen länger
selbst jedenfalls die Bedingungen nicht spezifiziert hat, wann präsentiert als andere), erhöht sich für die länger präsentierten
2 die Vorhersagen der Altmeister eintreffen und wann sie schei- Optionen auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie gewählt werden
tern werden? Vielleicht hat man auf Grund der eigenen Weisheit (Armel et al. 2008). Eine Erklärung für diesen Befund könnte in
überhaupt nicht erwartet, dass die Vorhersagen der Altmeister metakognitiven Überlegungen der Betrachter liegen: „Ich habe
3 auch scheitern könnten. Vergessen wir nicht: Sie scheitern ja in lang drauf geschaut, dann muss ich es bevorzugen.“ Metakogni-
der Tat – bei langer Darbietungszeit nämlich. Der Effekt ist alles tionen werden in ▶ Abschn. 7.1 ausführlicher diskutiert.
4 andere als „akademischer Rauch“. Warum auch? Erstens tritt er
ein. Zweitens ist er plausibel und lässt sich auf gut fundierte und
2.7.4 Aufmerksamkeitssteuerung
5 gleichzeitig alltagsnahe Modellvorstellungen vom Funktionieren
durch formale Gestaltung
des kognitiven Apparats beziehen. Und drittens deutet er auf die
sehr wichtige Tatsache hin, dass Informationsverarbeitungspro-
6 zesse ohne Aufmerksamkeit, mitunter wesentlich anders funk- Der oben zitierte Yarbus-Effekt lässt nur wenig Raum für die
tionieren als solche mit Aufmerksamkeit. Von ▶ Abschn. 4.7, Erwartung, Aufmerksamkeit allein durch die Gestaltung von
7 in dem ich diese Gedanken vertiefen werde, gehen also einige Werbung zu erzielen. Auch in der Werberezeption hängt die Auf-
beachtenswerte „akademische Rauchzeichen“ aus. merksamkeit sehr viel mehr von den Zielen der Konsumenten als
Plausible Effekte werden durch Knappheit der Verarbeitungs- von den Merkmalen der Umwelt ab (Pieters und Wedel 2007).
8 kapazitäten beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung kann bis zur Insofern ist es vermutlich ein vielversprechender Weg, die Ziele
Umkehrung der Effekte gehen. Wir erhalten widersprüchliche der Konsumenten durch Umweltreize zu gestalten (▶ Kap. 6).
9 Befunde je nachdem, wie groß die investierte Aufmerksamkeit Im Folgenden werden einige Techniken genannt, mit deren
war. Der praktische Schluss liegt auf der Hand: Da man nicht da- Hilfe man Aufmerksamkeit steigern kann. Wenn wir als proto-
10 von ausgehen darf, dass Werbung hohe Aufmerksamkeit genießt, typischen Fall Werbeanzeigen betrachten, können wir als allge-
sollte man bei widersprüchlichen Ergebnissen denjenigen den meine Faustregel vorwegnehmen: Eine Anzeige hat umso bessere
Vorzug geben, die mit dem niedrigeren Aufmerksamkeitsniveau Chancen auf Aufmerksamkeit, je stärker sie sich von anderen
11 erzeugt wurden. Anzeigen unterscheidet (Andrews et al. 1992). Es kommt also
mehr auf den Kontrast zu dem Umfeld als auf ein isoliertes Ein-
12 zelmerkmal an.
2.7.3 Aufmerksamkeit und Entscheidungen Lachmann (2003) unterscheidet zwei Arten von Kontrast:
Der A-Kontrast folgt dem Prinzip „Auffallen, Erregen von Auf-
13 Milosavljevic et al. (2012) zeigen, dass bei sehr schnellen Ent- merksamkeit, Aktivieren“. Um diesen Kontrast zu erreichen,
scheidungen Objekte bevorzugt werden, die sich visuell von eignen sich Reize, die innovativ und überraschend sind. Ein
14 anderen abheben. Sie manipulierten hierzu die Helligkeit von A-Kontrast ist im Grunde schon erreicht, wenn ein Stimulus sich
Produktpräsentationen am Bildschirm. Besonders bei sehr von seinem aktuellen Reizumfeld hinreichend abhebt. Wenn sich
15 schnellen Entscheidungen bzw. Entscheidungen unter Ablen- etwa die Werbung mit hoher Reizstärke, laut, schrill und grell,
kung (cognitive load) kommt es vor, dass nicht das bevorzugte, in unsere Aufmerksamkeit drängt, dann hat das sicher einen Ef-
sondern eher das auffällige Produkt gewählt wird. Dieser Effekt fekt auf unsere Aufmerksamkeit. Möglicherweise werden aber
16 ist besonders stark für Personen, die nur eine schwache Präfe- diese Strategien von mehreren Kampagnen gleichzeitig einge-
renz für ihr bevorzugtes Produkt zeigen. Auffälligkeit kann also setzt. Dann wäre zwar der A-Kontrast gegeben, nicht aber der
17 unter bestimmten Bedingungen wichtiger sein als die tatsäch- B-Kontrast. Mit Hilfe dieses Kontrastes soll der Reiz in der Folge
liche Präferenz. leicht wiedererkannt und identifiziert werden. Hierzu eignen sich
Durch Maßnahmen wie die Farbe der Verpackung oder die Reize, die eigentypisch und vertraut sind, die also nur für eine
18 Beleuchtung eines Regals kann man also die Wahl der Konsu- bestimmte Kampagne gelten. Während also der A-Kontrast auf
menten unabhängig von deren Präferenzen beeinflussen. Diese das aktuelle Stimulusumfeld bezogen bleibt, gilt der B-Kontrast
19 Effekte wären vor allem dann zu erwarten, wenn Konsumenten für einen viel weiteren, oft nur potentiellen bzw. allenfalls im
aus mehreren positiv bewerteten Versionen des Produkts wäh- Gedächtnis repräsentierten Stimuluskontext.
20 len, bei denen die Präferenz für die bevorzugte Marke nur unwe- Im optimalen Fall geht der A-Kontrast mit der Zeit in den
sentlich höher ist als die für andere Produkte (was ja besonders B-Kontrast über, wie es etwa mit Milkas lila Kuh geschehen ist:
dort bedeutsam ist, wo sich Produkte nur wenig voneinander Die zunächst nur verrückt-neuartige Darstellung hat sich mitt-
21 unterscheiden). lerweile zu einem unverwechselbaren Markenzeichen entwickelt.
Generell sagt die Dauer der Betrachtung die Produktwahl
22 vorher (für einen Überblick vgl. Plassmann et al. 2012, S. 21). Farbe
Dies zeigt zum Beispiel eine Untersuchung von Lohse (1997). Bunte Gegenstände, vor allem bunte Anzeigen in Zeitungen, ha-
Probanden sollten sich aus den Gelben Seiten für bestimmte ben eine größere Chance auf Aufmerksamkeit als schwarzweiße.
23 Anbieter entscheiden. Diejenigen Unternehmen, die später auch Der Effekt ist aber nicht überragend, und es ist im Einzelfall frag-
gewählt wurden, wurden um 54 % länger betrachtet als nicht ge- lich, ob sich der Mehraufwand für farbige Anzeigen angesichts
wählte Unternehmen. Interessanterweise kann man den Befund dessen lohnt (Mullen und Johnson 1990). Das entscheidende
2.7 • Aufmerksamkeit
45 2

Merkmal ist auch nicht die Buntheit. Zunächst kommt es hier lerin erklärte, wie wenig „es“ ihr beim ersten Mal gefallen habe
ebenfalls auf den Kontrasteffekt an. In einer bunten, farben- und wie sie erst habe lernen müssen, „es“ zu lieben. Der Leser
frohen Umgebung kann man eher mit einem schwarzweißen merkte erst am Ende der Anzeige, dass „es“ um das Trinken von
Gegenstand auf Aufmerksamkeit hoffen. Farben steigern also Campari, dem bitter schmeckenden Aperitif, ging.
die Aufmerksamkeit in ihrer Eigenschaft als Förderer von Kon- Es ist vielleicht nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, dass
trasten! Neuartigkeit nur wirken kann, wenn sie im Kontext von Vertrau-
Dieser Gedanke hat noch eine andere Konsequenz: Kont- tem steht. Nur die Kombination von Dingen, die man kennt, und
raste innerhalb einer Vorlage werden durch Buntheit verrin- Dingen, die neu sind, hat etwas Anregendes. Wenn alle Elemente
gert. Je bunter eine Anzeige ist, desto weniger wird eine deut- einer Situation neu und ungewohnt sind, sind Aversion, Irritation
liche Gestaltwahrnehmung zu erwarten sein. Meyer-Hentschel und Abwendung die wahrscheinlichere Folge (Kover et al. 1995).
(1993 S. 54) empfiehlt als Test, von einer bunten Vorlage eine
schwarzweiße Kopie, im einfachsten Falle eine Fotokopie zu Intensität und Menge
erstellen. Daran erkenne man die tatsächlichen Kontraste in Klar, ohne jede Frage: Viel, laut, grell, schrill … all das kann un-
der Vorlage. Zu bunte Vorlagen verhindern eine deutliche Fi- sere Aufmerksamkeit binden. Viele Werbeanzeigen nutzen diese
gur-Grund-Gliederung. Eine häufig praktizierte Alternative zur Binsenweisheit auch ausgiebig. Ein interessantes und etwas un-
bunten Anzeige besteht darin, in der Werbung nur einen einzigen gewöhnliches Anwendungsbeispiel stammt von LaBarbera und
Farbton dominieren zu lassen. Tatsächlich folgen mehr als zwei MacLachlan (1979; siehe auch ▶ Exkurs 14.1). Sie setzten ihre
Drittel aller Werbespots diesem Gestaltungsprinzip (zu Farbge- Versuchspersonen verkürzten Werbespots im Radio aus. Durch
staltung siehe auch ▶ Abschn. 17.4). Kürzen von Sprechpausen und längeren Vokalen gelang es ihnen,
in dieselbe Zeit, das 1,3fache an Information zu packen, ohne die
Mehrdeutigkeit und Neuartigkeit Werbebotschaft unverständlich zu machen oder die Stimmen zu
Mehrdeutigkeit und Neuartigkeit verweisen auf einen der wich- verzerren. Die komprimierten Spots erhielten mehr Aufmerk-
tigsten aufmerksamkeitssteuernden Mechanismen. Kaum et- samkeit und wurden besser erinnert.
was kann so gut die Aufmerksamkeit an sich binden wie ein
Gegenstand, der neuartig ist und mit dem man noch nichts Größe
anzufangen weiß. Solche Dinge rufen eine Orientierungsre- Je größer eine Sache ist, desto mehr Aufmerksamkeit erregt sie.
aktion hervor, man kommt ins Stutzen. Was fällt alles unter Allerdings besteht keine 1:1-Beziehung zwischen Größe und
die Kategorie? Zunächst einmal alles wirklich Neue, noch nie Aufmerksamkeitssteigerung. Der Effekt wird als die Wurzel aus
Dagewesene, aber auch Dinge, die unklar erscheinen. Dazu dem Betrag des Mehraufwands geschätzt. Eine doppelt so große
zählen auch bewusste Verstöße gegen Wahrnehmungs- und Anzeige würde also eine Effektsteigerung um den Faktor  1,4
Gestaltgesetze (▶ Abschn. 2.2.2). Heller (1956) konnte zeigen, versprechen, eine viermal so große nur den zweifachen Effekt
dass Versuchspersonen Werbeslogans, bei denen jeder siebte (Mullen und Johnson 1990, S. 18; vgl. auch Meyer-Hentschel
Buchstabe fehlte, besser erinnerten als vollständige Slogans. Die Management Consulting 1993, S. 44). Also stellt sich auch hier
Firma Kellogg hat in einer Werbekampagne ihren Namen auf wie schon beim Thema „Farbe“ das Problem der Kosten-Nut-
das äußerste Ende einer Reklametafel anbringen lassen, wobei zen-Abwägung.
der letzte Buchstabe, das zweite „g“ durch den Rand der Tafel Zudem ist der Kontext zu beachten, in dem die Anzeigen
abgeschnitten wurde. Die unvollständige Figur hatte Irritation stehen. Ulin (1962; zit. n. Mullen und Johnson 1990, S. 18) stellte
und damit größere Aufmerksamkeit zur Folge (Myers und Rey- für ein Experiment zwei Exemplare derselben Zeitschrift her, von
nolds 1967). denen eine das Format von Reader’s Digest (etwas weniger als
Ein ähnliches Ergebnis erzielten Heimbach und Jacoby DIN A5) und die andere die Größe des Life-Magazin hatte (etwas
(1972; zit. n. Mullen und Johnson 1990, S. 21), die ihren Ver- weniger als DIN A4). Natürlich waren auch die Anzeigen in den
suchspersonen unvollständige Werbespots darboten. Offenbar jeweiligen Ausgaben entsprechend vergrößert bzw. verkleinert.
wird der Wahrnehmungsapparat aktiv, indem er versucht, eine Ulin konnte aber nicht nachweisen, dass die kleine Version der
„gute Gestalt“ herzustellen. Diese nahezu unwillkürliche Ten- Anzeigen etwa weniger beachtet worden wäre als die große. Al-
denz führt zu Aufmerksamkeitssteigerung. Irritierende Ele- lenfalls zeigten sich Unterschiede für die relative Anzeigengröße,
mente in der Werbung haben nach einer Untersuchung von Witt so dass Anzeigen, die innerhalb des jeweiligen Hefts zu den klei-
und Witt (1990) aber nur bei jüngeren Zielgruppen bis etwa neren zählten, zu geringerer Aufmerksamkeit führten. Demnach
26 Jahren Aussicht auf Erfolg. Zu den eingesetzten Methoden ist die Aufmerksamkeitswirkung von Größe auch eine Frage des
zählen dabei „kurze Bild- und Tonstörung am Anfang von Fern- Kontexts und der Bezugspunkte.
sehspots, Fernsehspots ohne Ton, Schreibfehler in Anzeigenwer- Praktiker sollten aber nicht vergessen, dass sich bei konstan-
bungen, ‚Auf-dem-Kopf-Stehen‘ von Objekten“ (Groebel und ten Kosten sehr leicht durch Größenveränderung ein Aufmerk-
Gleich 1991, S. 209). samkeitsgewinn erzielen lässt. Denn: „Je größer die Abbildung
Mehrdeutigkeit kann aber auch als die semantische Mehr- im Verhältnis zum Text, desto größer das Aktivierungspotential“
deutigkeit im engeren Sinne verstanden werden. Mullen und (Meyer-Hentschel 1993, S. 45). Ebenso steigert sich die Aktiva-
Johnson (1990) erinnern an eine Kampagne für Campari: In den tion bei einem besonders großen Bildausschnitt, also einer Nah-
Anzeigen wurde regelmäßig eine bekannte Schauspielerin in ei- aufnahme, bzw. die überdimensionierte Darstellung von Gegen-
nem Interview nach ihrem „ersten Mal“ befragt. Die Schauspie- ständen (. Abb. 2.7).
46 Kapitel 2  •  Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

und Yund 1996; beide zit. n. Plassmann et al. 2012, S. 21). Nisbett
1 und Wilson (1977) variierten die Position eines Kleidungsstücks
auf dem Tisch – das Produkt auf der äußerst rechten Position
2 wurde unabhängig davon, was dort konkret lag, überzufällig häu-
fig gewählt. Chandon et al. (2009) zeigen, dass Produkte im Regal
mehr beachtet und häufiger gewählt werden, wenn sie tendenziell
3 eher oben stehen.
Die größte Chance auf Aufmerksamkeit haben Gegenstände,
4 die ohne Aufwand wahrgenommen werden können. Man kann
zum Beispiel die Verkaufschancen eines Produkts vergrößern,
5 wenn man es so platziert, dass es mühelos wahrgenommen und
gegriffen werden kann. Dieser Vorteil wird manchmal eingesetzt,
um einen Nachteil auf einer anderen Dimension auszugleichen.
6 So werden beim Gestalten der Regale im Verkaufsraum eines
Supermarkts gelegentlich die weniger populären Artikel in Au-
7 genhöhe platziert, während die populären Artikel etwas tiefer
untergebracht werden (Schober 1976; Mullen und Johnson 1990;
Kirchler 1995, S. 151 f.). Es scheint auch eine kulturell geprägte
8 Gewohnheit zu geben, beim Betrachten einer Szene (oder einer
Zeitschriftenseite) entsprechend der Leserichtung links oben zu
9 beginnen, so dass diese Ecke bevorzugt ins Zentrum der Auf-
merksamkeit rückt (▶ Abschn. 17.3.2).
10 Eine hohe Aufmerksamkeitswirkung ist freilich auch zu er-
warten, wenn ein Gegenstand an einem unerwarteten Ort er-
scheint. So sicherte sich beispielsweise ein amerikanischer Her-
11 steller von Suppen die Aufmerksamkeit der Betrachter, indem er
in lokalen Kirchenblättern inserierte (Rhodes 1997, S. 88).
12 .. Abb. 2.7  Aufmerksamkeitsbindung durch Größe. (Mit freundlicher Geneh-
migung der Alfred Schladerer Alte Schwarzwälder Hausbrennerei GmbH)
2.7.5 Aufmerksamkeitssteuerung
13 Bewegung durch konkrete Inhalte
Bewegung in unserer unmittelbaren Umgebung führt geradezu
14 unwillkürlich zu Orientierungsreaktionen. Stellen Sie sich nur Es lassen sich auch ganz konkrete Inhalte benennen, die eine
vor, jemand geht dicht an Ihnen vorbei. Sie drehen fast auto- besonders große Chance haben, Aufmerksamkeit zu erregen.
15 matisch Ihren Kopf nach ihm um. Dieses Phänomen wird zum Vor einigen Jahren kündigte in einer Kampagne der Werbe-
Beispiel durch ganz spezielle Anordnungen in Schaufenstern, und Anzeigenindustrie auf einem weithin sichtbaren Plakat an:
an Häuserfassaden oder im Verkaufsraum von Kaufhäusern ge- „Hier eine Liste der Personen, die ihre Fernsehgebühren nicht
16 nutzt, wo durch kleine Motoren eine ausgestellte Werbegruppe zahlen.“ Darunter befand sich eine Menge Kleingedrucktes in
in ständiger Bewegung gehalten wird. Auch Abbildungen in An- unregelmäßigen kurzen Zeilen – genau wie eben eine Adressen-
17 zeigen, die man ja nun an keinen Motor anschließen kann, sollen liste aussieht. Eine andere Anzeige derselben Reihe verspricht:
häufig Bewegung suggerieren. Bewegungen kann man graphisch „Hier die Privatadressen aller Millionäre, die noch unverheiratet
auch durch Mittel wie Spiralen oder Wellenlinien andeuten. sind.“ Geht man näher, erkennt man allerdings in dieser Liste
18 Ein originelles Beispiel für bewegte Werbung am Verkaufsort nur den ständig wiederholten Text: „Werbung macht neugierig,
stammt von Pepsi aus einer Kampagne in den frühen 1980er Werbung macht neugierig …“ Man kann davon ausgehen, dass
19 Jahren: Zum einen gab es die pouring bottle oder die pouring can: die meisten Menschen in irgendeiner Weise ein Interesse an den
Eine rotierende Acrylmasse erzeugte den Eindruck, dass Pepsi versprochenen Informationen haben, zumindest ruft man durch
20 permanent aus seinem Behälter gegossen wurde. Das Beste war das ungewöhnliche Versprechen eine Orientierungsreaktion her-
allerdings die tipping can. Dabei handelt es sich um einen Sech- vor und macht sich auf diese Weise die Effekte der Neuartigkeit
serpack Pepsi-Dosen, der aussieht, als falle er jeden Augenblick eines Reizes zu Nutze.
21 aus dem Regal, sich aber immer selbst im letzten Augenblick Wenn Personen auf die Reizaufnahme eingestimmt sind,
fängt und wieder in eine stabile Position bringt (Sales & Marke- dann haben nicht nur neuartige Reize, die von der Erwartung
22 ting Management 131/1983, S. 21; zit. n. Mullen und Johnson abweichen, eine Chance auf Aufmerksamkeit. Zunächst werden
1990, S. 19). grundsätzlich solche Reize besser aufgenommen, die auf ein aku-
tes Bedürfnis bezogen sind. Wenn ich einen Computer kaufen
23 Platzierung möchte, dann beachte ich Computeranzeigen mit größerer Auf-
Generell spricht die Befundlage für eine Bevorzugung des oberen merksamkeit. Aber nicht nur das. Andere, eher ungewöhnlich
und rechten Teils des visuellen Felds (Durgin et al. 2008; Efron Dinge werde ich womöglich gezielt ausblenden. Stellen wir uns
2.7 • Aufmerksamkeit
47 2

vor, ich betrete das Computergeschäft. Die Aufmerksamkeit rich- Exkurs 2.3  Anagramme in der Werbung  |       | 
tet sich hier vor allem auf solche Reize, mit denen ich sowieso
schon gerechnet habe. Meine Erwartung beeinflusst meine Auf- Die Holsten-Brauerei veränderte nach einer Idee der Werbeagentur
Gold Greenless Trott den Produktnamen Holsten Pils so, dass zwar un-
merksamkeit. Ein Radio, das vielleicht ebenso in dem Geschäft
gewöhnliche, aber doch nicht völlig unsinnige Begriffe herauskamen.
zu bemerken wäre, wird mir in dieser Situation entgehen (Kotler Entsprechend dem englischen Ideenlieferanten waren dies etwa
und Bliemel 1995, S. 298). „Heltons Lips“, „Hillson Pets“, „Spot ill hens“ und „Hellins post“. Der
Eine grundlegende aufmerksamkeitsfördernde Wirkung Schriftzug und der deutlich gelbe Farbton der normalen Anzeigen
unterstellt zum Beispiel Teigeler (1982) der intellektuellen An- wurden beibehalten, so dass stets eine weitere Gedächtnisstütze das

regung durch Rätsel (siehe z. B. ▶ Exkurs 2.3), unerwartete Zu-


Lösen der Anagrammaufgaben erleichterte (Diekhof 1995).

sammenhänge, unerwartete Unterschiede und Neugierfragen.


Intellektuelle Reize in der Werbung wirken aber grundsätzlich
schwächer als affektiv besetzte. Vor allem nutzen sie sich schnell derschultern ist der Kopf eines Haustiers, das grimmige Gesicht
ab. „Der sinnvollste Einsatzbereich gedanklicher Reize liegt des Chefs oder gar ein einfacher Fußball zu sehen. Alle diese
wohl bei gebildeten Zielgruppen mit hohem Produktinteresse“ Ersatzköpfe sollen daran gemahnen, dass uns oft andere Dinge
(Meyer-Hentschel 1993, S. 40). wichtiger sind als unsere eigenen Kinder. Aber dadurch, dass
Mehr noch darf man Aufmerksamkeit bei besonderen die Gesichter der Kinder fehlen, verschenken diese Anzeigen
Schlüsselreizen erwarten, denen man eine biologische Basis un- ihr wirksamstes Kapital.
terstellen kann. Ein solcher Reiz wäre zum Beispiel Erotik. Den
meisten von uns würde es schwerfallen, die Orientierungsreak-
tion zu unterdrücken, die sich aus der Wahrnehmung von offen-
sichtlich nackter Haut ergibt. Auch hierzu hat die Werbeindustrie
vor einigen Jahren eine passende Kampagne durchgeführt: Auf
einem großen Plakat war ein weiblicher Hintern mit knappem
Slip zu sehen, darüber stand: „Schau weg.“ Das Üble an der Sache
war, niemand konnte wegschauen, ohne genau zu registrieren,
was da zu sehen war. Beim Einsatz von Erotik müssen wir kaum
berücksichtigen, ob die Betrachter besonders für Erotik motiviert
sind. Der Betrachter braucht aktuell gar kein besonderes Inter-
esse an Erotik zu haben. Die Ansprechbarkeit auf sexuelle Reize
ist uns angeboren. Die Werbungtreibenden können sich auf sie
verlassen. Kroeber-Riel (1979) konnte zeigen, dass bei der Ver-
wendung von erotischem Material auch die Dauer anstieg, mit
der das Werbematerial betrachtet wurde. Ob die Strategie, mit
Erotik zu werben, allerdings mehr verspricht als nur Aufmerk-
samkeitsvorteile, ob sich also die erhöhte Aufmerksamkeit auch
in einem Verlangen nach dem beworbenen Artikel niederschlägt,
ob die Einstellung zu dem Artikel durch Erotik verbessert wird,
soll in ▶ Abschn. 16.2 diskutiert werden.
Die konkreten Inhalte, mit denen man Aufmerksamkeit
binden kann, hängen auch von aktuellen Strömungen, Modeer-
scheinungen oder dem Tagesgeschehen ab. Ein Hinweis auf
jüngste bedeutende oder nur interessante Ereignisse in einer
Schlagzeile stößt oft auf Interesse. Aber nicht alle Inhalte, die
Aufmerksamkeit auf sich ziehen, lösen gleichzeitig positive As-
soziationen aus. Blutige Schlachtfelder werden zwar bemerkt, sie
werden aber nicht mit angenehmen Gefühlen verbunden. Der
Erfolg bei der Aufmerksamkeitslenkung entspricht nicht unbe-
dingt einem Erfolg in der Werbewirkung. Dies gilt nicht nur für
abstoßende oder angsteinflößende Inhalte. Auch Verfremdun-
gen können aversiv wirken. Stellen wir uns eine Werbeanzeige
vor, in der die Personen verzerrt abgebildet werden, etwa so wie
in den Zerrspiegeln auf dem Rummelplatz. Eine Orientierungs-
reaktion beim Betrachter kann man ziemlich sicher erwarten,
aber kann man auch mit positiven Reaktionen rechnen? Ein Bei-
spiel für solche Werbegestaltungen ist eine Anzeigenkampagne
von 1995, mit der dafür geworben werden sollte, dass man mehr
Zeit mit seinen Kindern verbringen soll. Auf den kleinen Kin-
49 3

Lernen
Georg Felser

3.1 Das klassische Konditionieren nach Pawlow  –  50


3.1.1 Zentrale Begriffe des Konditionierens I: Klassisches Konditionieren  –  50
3.1.2 Signallernen – 51

3.2 Evaluatives Konditionieren – 52


3.2.1 Einstellungsbildung über evaluatives Konditionieren  –  52
3.2.2 Beziehungen zwischen evaluativem und Pawlow’schem Konditionieren  –  53
3.2.3 Bedingungen des evaluativen Konditionierens  –  56
3.2.4 Evaluatives Konditionieren jenseits der Positiv-negativ-Dimension  –  57

3.3 Konsumenten als Pawlow’sche Hunde?  –  59


3.3.1 Bedingungen und Einschränkungen  –  59
3.3.2 „I’ll teach you differences“  –  61

3.4 Operantes Konditionieren – 62


3.4.1 Zentrale Begriffe des Konditionierens II: Operantes Konditionieren  –  63
3.4.2 Die Bedeutung des operanten Konditionierens
für das Konsumentenverhalten  –  64

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
50 Kapitel 3 • Lernen

Zusammenfassung: wir eine Änderung in den Verhaltensmöglichkeiten einer Person.


1 1. Mit „Lernen“ bezeichnet man den Erwerb neuer Verhaltens- Diese Änderung kann bedeuten, dass die Person in Zukunft Vo-
möglichkeiten. Eine Grundform des Lernens ist der Aufbau von kabeln verwenden kann, die sie vorher nicht verwenden konnte.
2 bedingten Reflexen, das sogenannte klassische Konditionieren. Sie kann aber auch bedeuten, dass die Person in einer Situation
Dabei werden die Reaktionen des Organismus auf bestimmte angstfrei ist, in der sie sich vorher gefürchtet hat.
Reize durch zeitliches Zusammentreffen auf andere, ursprüng- Aber nicht jede Veränderung in den Verhaltensmöglichkeiten
3 lich neutrale Reize übertragen. Diese Art, assoziative Verbin- einer Person ist gleich Lernen. Das entscheidende Merkmal des
dungen herzustellen, wird als ein zentrales Modell der Werbe- Lernens ist, dass die Änderung erworben ist. Sie kommt von au-
4 wirkung diskutiert. ßen und war nicht in der Person (etwa biologisch) angelegt. Zu-
2. Die Pawlow’sche Variante des klassischen Konditionierens kann dem bedeutet Lernen eine Änderung in den Verhaltensmöglich-
5 man auch als Signallernen bezeichnen. Sie besteht im Aufbau keiten (Bredenkamp und Wippich 1977, Bd. I, S. 19). Das besagt:
einer Erwartung: Der vormals neutrale Reiz kündigt den un- Nicht alles, was gelernt wurde, zeigt sich sofort im Verhalten.
konditionierten Reiz an. Da in der Wirklichkeit eher selten auf
6 das Produkt der Stimulus folgt, der in der Werbung eingesetzt
wurde, ist das Signallernen für das Konsumverhalten eher we- 3.1 Das klassische Konditionieren
7 niger relevant. nach Pawlow
3. Von großer Bedeutung für die Werbewirkung ist dagegen das
Der Pawlow’sche Hund muss vermutlich nicht mehr vorgestellt
8 evaluative Konditionieren. Diese Lernform besteht aus dem Er-
werb von Werturteilen und Einstellungen. Evaluatives Konditi- werden. Rekapitulieren wir: Wenn man einem Hund sein Fressen
onieren entsteht vermutlich über unterschiedliche Prozesse. hinstellt, zeigt er reflexartig eine verstärkte Speichelsekretion. Der
9 4. Signallernen setzt voraus, dass der Organismus die Koppelung russische Physiologe Iwan Pawlow ließ vor der Fütterung eines
der Stimuli bemerkt. Dagegen gilt zumindest für einige Formen Versuchshundes stets einen Glockenton erklingen. Nach einigen
10 des evaluativen Konditionierens, dass auch nicht bemerkte Zu- Versuchsdurchgängen zeigte der Hund den Speichelreflex auch
sammenhänge (z. B. durch unterschwellig präsentierte Reize) auf den bloßen Glockenton, ganz unabhängig von der Fütterung.
eine Wirkung haben. Zudem sind evaluativ konditionierte Re- Damit war ein bedingter Reflex geschaffen worden. Das Fut-
11 aktionen stabiler als die Ergebnisse des Pawlow’schen Konditi- ter löste die Speichelreaktion unter allen Umständen aus, also
onierens. unbedingt. Die Speichelreaktion auf den Glockenton war aber
12 5. Neben Bewertungen können auch Bedeutungen konditioniert von der Koppelung zwischen Glocke und Fütterung abhängig
werden. So ist es möglich, Markenimages über konzeptuelles und erfolgte nur unter der Bedingung, dass beide Ereignisse ge-
koppelt waren.
13 Konditionieren aufzubauen.
6. Im Unterschied zum klassischen Konditionieren muss beim Der Pawlow’sche Grundansatz ist ein prominentes Beispiel für
operanten Konditionieren der Organismus selbst aktiv werden. eine S-R-Theorie, die Verhaltenserklärungen auf das Zusammenspiel
14 Diese Form des Lernens folgt dem einfachen Grundgedanken, von Stimuli und darauf einsetzenden Reaktionen reduzieren (▶ Ab-
dass ein Verhalten durch seine Konsequenzen kontrolliert wird. schn. 1.3.1). S-R-Theorien waren in früheren Zeiten auch bei der
15 Diejenige Konsequenz, die geeignet ist, die Auftretenswahr- Erklärung von Werbewirkung einflussreich. Es bietet sich an, die
scheinlichkeit des Verhaltens zu erhöhen, wird Verstärker ge- Werbung als den Stimulus und das Kaufverhalten als die dazuge-
nannt. Typische Verstärker sind Belohnungen oder die Linde- hörige Reaktion zu betrachten. Im Rahmen der S-R-Theorien war
16 rung unangenehmer Zustände. nur nach der wirksamsten Koppelung zwischen Reiz und Reaktion
7. Neutrale Reize können durch Koppelung an einen Verstärker zu fragen, ohne dass dabei irgendwelche vermittelnden Prozesse,
17 selbst Verstärkungswert erhalten. Man spricht von sekundären etwa Bewertung oder Entscheidung, beschrieben werden mussten.
Verstärkern. Ein denkbares Modell der Werbewirkung könnte da- Diese mechanistische Sicht auf das Konsumentenverhalten trug
nicht wenig zum schlechten Ruf der Werbepraktiker bei. Daher
18 her darin bestehen, dass ein Produkt durch Koppelung an einen
Verstärker zu einem sekundären Verstärker wird. werden sie auch heute nicht müde zu betonen, dass S-R-Theorien
überholt seien und längst nicht mehr den State of the Art wider-
19 Das Erste, was uns im Alltag zum Begriff „Lernen“ einfallen spiegeln (z. B. Baacke et al. 1993, S. 122; Nickel 1993, 1998).
würde, ist sicher die Schule. Man lernt Vokabeln oder Mathe-
20 matik. Man lernt einen Text oder ein Computerprogramm. Man
3.1.1 Zentrale Begriffe des Konditionierens I:
lernt aber auch Autofahren, Tanzen oder Klavierspielen. Schließ-
lich, so wird man einräumen, lernt man auch so schwierige Dinge Klassisches Konditionieren
21 wie Verzichten, Verzeihen oder den Geschmack von schwarzen
Oliven lieben. Der Begriff, den die Psychologie traditionell vom Den Vorgang der Koppelung von Verhalten an äußere Bedin-
22 Lernen hat, umfasst alle diese Dinge und noch mehr. Gelernt gungen nennt man Konditionieren. Grundsätzlich werden zwei
werden nach dieser Begriffsverwendung bestimmte Fertigkeiten Arten des Konditionierens unterschieden: klassisches und ope-
und Techniken, spontane Reaktionen, überlegtes Handeln, Re- rantes Konditionieren. Pawlows Ansatz gilt als klassisches Kon-
23 flexe, ja sogar Emotionen und Einstellungen. Alle diese Merk- ditionieren. (Dem operanten Konditionieren wenden wir uns in
male des menschlichen Verhaltens sind prinzipiell durch Lernen ▶ Abschn. 3.4 zu.) Hierbei werden neutrale Stimuli mit anderen
beeinflussbar. Allgemein gesprochen: Unter Lernen verstehen nicht neutralen Reizen gekoppelt. Betrachten wir zunächst das
3.1  •  Das klassische Konditionieren nach Pawlow
51 3

klassische Konditionieren in Reinform. Der unkonditionierte Durchgänge benötigen – man erzielt also eine Lernersparnis.
Reiz löst eine unkonditionierte Reaktion aus. Im Pawlow’schen Beide Phänomene zeigen, dass es leichter ist, eine Reaktion zu
Beispiel war der unkonditionierte Reiz das Fressen und die un- erlernen, als sie wieder zu verlernen.
konditionierte Reaktion der Speichelfluss. Der Glockenton war Als Nächstes möchte ich Sie mit dem kleinen Albert bekannt
demgegenüber ein neutraler Reiz. Auf den Ton hin erfolgte al- machen (Lefrançois 1976, S. 50; Bredenkamp und Wippich 1977,
lenfalls eine Orientierungsreaktion. Bd. I, S. 10): Als Albert elf Monate alt war, geriet er zu seinem
Wir wissen, dass die Glocke später den Speichelfluss von Pech dem Behavioristen John B. Watson in die Hände. Watson
selbst ausgelöst hatte. Offenbar kam es darauf an, dass der Ton wollte demonstrieren, dass auch Emotionen nichts anderes als
hinreichend oft und hinreichend präzise der Darbietung des klassisch konditionierte Reaktionen sind. Er ließ hierzu den klei-
Fressens voranging. Der Hund musste die Zusammengehörig- nen Albert mit einer kleinen weißen Ratte spielen, was Albert
keit von Ton und Fressen erleben können. Der Begriff hierfür ist normalerweise auch sehr gern tat. Im Versuchsdurchgang wurde
„Kontiguität“, was „Berührung“, „zeitliches Zusammentreffen“ aber gemeinsam mit dem kleinen Nager ein sehr unangenehmes
bedeutet. Die räumliche und zeitliche Nähe der beiden Reize gal- Geräusch laut. Albert fürchtete sich vor diesem Geräusch, und
ten lange Zeit als die Grundlage des Lernprozesses. nach einiger Zeit fürchtete er sich ebenso vor der Ratte. Es ge-
Über den beschriebenen Konditionierungsprozess ist also nügte schon der Anblick der Ratte, um bei Albert Fluchtreakti-
der vormals neutrale Reiz zum konditionierten Reiz geworden. onen auszulösen. Aber nicht nur die Ratte selbst, sondern auch
In der Literatur zum Konditionieren hat sich eine Terminologie andere Pelztiere, zum Beispiel ein Kaninchen, konnten bei Albert
eingebürgert, die vielleicht am Anfang etwas gewöhnungsbe- Furcht erzeugen. Die Reaktion wurde also auf andere, gleichartige
dürftig, auf die Dauer aber sehr hilfreich ist: Der zuerst neutrale, Reize ausgeweitet. Sie wurde generalisiert. Ein längeres und um-
dann konditionierte Reiz wird mit CS (conditioned stimulus) ab- ständlicheres Verfahren hätte bei Albert vielleicht zur Diskrimi-
gekürzt, der unkonditionierte dementsprechend mit US (manch- nierung geführt. Wäre nämlich auf Dauer bei dem Kaninchen, bei
mal auch UCS). Ich werde diese Notation im Folgenden hin und Plüschtieren und Hunden der Ton ausgeblieben, hätte sich seine
wieder verwenden. Furchtreaktion wahrscheinlich nur noch auf die Ratte beschränkt.
Wenn nun der Glockenton häufiger dargeboten wird, ohne Das nächste wichtige Phänomen ist die Konditionierung zwei-
dass Fressen in Sichtweite kommt, dann wird sich der Hund das ter Ordnung. Die Idee ist einigermaßen einfach: Wenn ein vor-
Sabbern wieder abgewöhnen. Die Wirksamkeit des konditionier- mals neutraler Reiz bereits eine konditionierte Reaktion hervor-
ten Stimulus ist also nur erborgt. Das Verschwinden der kondi- rufen kann, kann er nun seinerseits mit anderen neutralen Reizen
tionierten Reaktion, nachdem dem konditionierten Reiz über gekoppelt werden, so dass diese nun die Reaktion hervorrufen.
längere Zeit der unkonditionierte nicht mehr gefolgt ist, nennt Die Glocke beim Pawlow’schen Hund kann an ein Lichtsignal ge-
man Löschung oder Extinktion. koppelt werden, Alberts Ratte kann – ganz ohne Generalisierung
Die Löschung ist einer von zwei Prozessen, mit deren Hilfe – mit einem anderen Signal, etwa ihrem Käfig, dem Versuchslei-
eine einmal konditionierte Reaktion wieder „verlernt“ werden ter oder anderen Dingen verbunden werden, so dass die jewei-
kann. Der andere ist die Gegenkonditionierung. Hierbei muss ligen Reaktionen auf die neuen Reize übertragen werden. Geht
ein weiterer US ins Spiel kommen, der eine Reaktion hervorruft, man davon aus, dass Konditionierungseffekte höherer Ordnung
die mit der bisherigen konditionierten Reaktion nicht verträglich möglich sind, dann erweitern sich damit die Gelegenheiten, bei
ist. Ein Beispiel hierfür berichtet Jones (1924): Der dreijährige denen Konditionierungseffekte im Alltag vorkommen, erheblich.
Peter hat Angst vor einem Kaninchen. Ihm wird regelmäßig seine Ein Konditionierungseffekt höherer Ordnung setzt nämlich nicht
Lieblingsspeise serviert, wenn das Kaninchen zugegen ist. Dabei voraus, dass der konditionierte Stimulus gemeinsam mit den un-
wird ihm das Kaninchen schrittweise nähergebracht. Die Reak- konditionierten aufgetreten sein muss.
tion auf das Essen (Freude, Appetit) ist inkompatibel mit der
Reaktion auf das Kaninchen (Angst). Die Prozedur setzt voraus,
dass die Reaktion auf das Essen stärker ist als die auf das Kanin- 3.1.2 Signallernen
chen, denn sonst würde Peter lernen, vor Süßigkeiten Angst zu
haben (Konditionierung höherer Ordnung; siehe unten). Um den Entgegen früheren Erwartungen entsteht im Pawlow’schen Ver-
Unterschied in der Stärke zu gewährleisten, bringt man Peter das suchsansatz noch keine konditionierte Reaktion, wenn der un-
Kaninchen nur allmählich näher. Bei den ersten Durchgängen ist konditionierte und der neutrale Stimulus nur räumlich und zeit-
es noch weit entfernt in einer anderen Ecke des Raums. lich aufeinandertreffen. Die oben zitierte Kontiguität reicht für
Grundsätzlich ist aber das Verlernen von konditionierten Re- die Pawlow’sche Konditionierung nicht aus. In der Pawlow’schen
aktionen – ob über Löschung oder Gegenkonditionierung – eine Variante des klassischen Konditionierens wird nämlich nicht ei-
problematische Angelegenheit. Dies zeigen zwei Phänomene, die gentlich derjenige Reiz gelernt wird, der mit dem unkonditio-
schon Pawlow beschrieb: die spontane Erholung und die Lern- nierten Stimulus zusammentrifft, sondern derjenige, der über
ersparnis. Zum einen kann es vorkommen, dass der Hund auch den unkonditionierten Reiz die meiste Information birgt. Man
nach einer längeren Zeit ohne Fressen und nach scheinbar er- kann zeigen, dass der Organismus – auch der Hund – sensibel ist
folgreicher Löschung wieder auf den Glockenton speichelt. Hier für bedingte Wahrscheinlichkeiten, nämlich für die Wahrschein-
„erholt“ sich also die konditionierte Reaktion ohne einen be- lichkeit für das Auftreten des unkonditionierten Stimulus unter
stimmten äußeren Anlass. Zum anderen würde man, wenn man der Bedingung, dass der neutrale Stimulus vorliegt. Gelernt wird
die gelöschte Reaktion erneut erlernen möchte, deutlich weniger nur dort, wo diese bedingte Wahrscheinlichkeit größer ist als die
52 Kapitel 3 • Lernen

unbedingte (Rescorla 1988), wo also die Wahrscheinlichkeit für sumenten auf den Krombacher-Spot hin die Beine hochlegen und
1 Fressen unter der Bedingung Glocke größer ist als die übliche sich auf einen gemütlichen Krimiabend freuen, ist das Pawlow’sche
Wahrscheinlichkeit für Fressen. Konditionieren zwar gelungen, aber Krombacher wird deshalb
2 Wenn dagegen vor jeder Fütterung die Glocke klingelt, es nicht besser verkauft. Außerdem ist die Signalfunktion des Pro-
gleichzeitig aber auch sonst regelmäßig bimmelt, dann verbessert dukts für den unkonditionierten Stimulus in den meisten Fällen
die Glocke für den Hund nicht die Vorhersage des Fressens. Er höchst instabil: Wenn in der Werbung die Marke Nespresso das Er-
3 lernt keine Reaktion. scheinen von George Clooney ankündigt, dann wird diese Erwar-
Was heißt das praktisch? Stellen wir uns vor, wir wollten un- tung vermutlich in der Realität schnell gelöscht. In den meisten,
4 ser Produkt mit einer sehr angenehmen Musik einführen. Wir eigentlich in so gut wie allen Fällen außerhalb der Werbung kün-
können zwar jede einzelne Darbietung des Produkts mit der digt nämlich Nespresso das Nichterscheinen von George Clooney
5 Musik koppeln, so dass ein perfektes Zusammentreffen garan- viel zuverlässiger an – und vermutlich wird auch diese Erwartung
tiert ist. Wenn aber die Musik zu allen möglichen anderen Ge- viel besser konditioniert (vgl. auch Walther et al. 2011, S. 523).
legenheiten ohne unser Produkt ebenfalls erklingt, dann enthält Tatsächlich möchte die Werbung ja etwas anderes erreichen:
6 unser Produkt in einem technischen Sinne trotzdem nur geringe Das Produkt soll positiver wahrgenommen, es soll durch den un-
Information über die Musik. Den Rezipienten wird das Erklingen konditionierten Stimulus (z. B. attraktives Programm bzw. Testi-
7 der Musik mit unserem Produkt genauso wahrscheinlich vor- monial) aufgewertet werden (z. B. Miller und Allen 2012). Dies
kommen wie ohne unser Produkt. Aus diesem Grund empfiehlt ist aber nicht mehr die Logik des Pawlow’schen Konditionierens,
etwa Solomon (1999, S. 75): „a novel tune should be chosen over das ich als Signallernen bezeichnet habe –, dies leistet vielmehr
8 a popular one to pair with a product, since the popular song das sogenannte evaluative Konditionieren. In der Grundform
might also be heard where the product is not present“ (siehe auch wird ein neutraler Stimulus gemeinsam mit einem unbedingten
9 McSweeney und Bierley 1984). Reiz präsentiert, der eindeutig positiv oder negativ bewertet wird.
Das Pawlow’sche Konditionieren kann man als Signallernen Dabei wird der vormals neutrale Stimulus nun in ähnlicher Weise
10 bezeichnen. Es betrifft den Aufbau der Erwartung, dass der un- bewertet wie der unbedingte Reiz. Im Unterschied zum Signaller-
konditionierte Stimulus folgt, wenn der konditionierte gegeben nen geht es beim evaluativen Konditionieren nicht um Vorhersa-
wird. Daher ist der Konditionierungsprozess eigentlich auch gen über die Umwelt. Es werden vielmehr Assoziationen gebildet.
11 nicht als das Erwerben von bedingten Reflexen zu sehen, son-
dern als der Aufbau einer möglichst brauchbaren Repräsentation
12 der Welt. Hierzu müssen die konditionierten Stimuli für die un- 3.2.1 Einstellungsbildung über evaluatives
konditionierten möglichst informativ sein, sonst misslingt die Konditionieren
Koppelung.
13 Diese Argumente zeigen, dass es vom Standpunkt des Signal- Einen ersten experimentellen Nachweis solcher Assoziationen
lernens aus nicht ohne weiteres empfehlenswert ist, bei der Wer- legt Razran (1954) unter der Bezeichnung „kognitives Konditi-
14 bung auf weithin bekannte Kontextreize zurückzugreifen. Gerade onieren“ vor. Probanden sollten politische Slogans bewerten. Sie
solche Stimuli, die wirklich immer wieder im Alltag auftauchen, wurden dabei unterschiedlich angenehmen Kontextbedingungen
15 etwa Hits, die häufig im Radio gespielt werden, oder Filmszenen, ausgesetzt: entweder einem freien Mittagessen oder einem un-
die jeder Mensch mindestens schon hundertmal gesehen hat, angenehmen Geruch. Die Assoziationen mit einem freien Essen
werden kaum noch wirksam mit einem anderen Reiz gekoppelt. verbesserte die Einschätzung des Slogans, die Assoziation mit
16 Aus demselben Grund darf der Reiz, der den unkonditionier- einem unangenehmen Geruch verschlechtere sie.
ten Stimulus ankündigt, nicht redundant sein (Rescorla 1988, In ihrem klassischen Experiment gelang es Staats und Staats
17 S. 153). Dies wäre der Fall, wenn der Pawlow’sche Hund bemerkt, (1958), eine Nationalitätenbezeichnung mit negativen Reizen
dass die Schritte des Wärters das Fressen noch zuverlässiger an- derart zu koppeln, dass die Nennung der Nation bereits unan-
kündigen als die Glocke. In der Werbung träfe dies zu, wenn die genehme Gefühle auslöste. Ihren Versuchspersonen wurden un-
18 Produktpräsentation regelmäßig auch von anderen, für die Wer- angenehme Gefühle beim Hören des Worts „holländisch“ und
bung irrelevanten Signalen begleitet wird, die eine feste Assozia- angenehme beim Hören von „schwedisch“ induziert. Dies gelang
19 tion verhindern. So kündigt sonntagabends ein Krombacher-Spot ihnen durch die gleichzeitige Darbietung von positiven Wörtern
den Tatort an, darauf folgt stets der bekannte Tatort-Vorspann in dem einen und negativen Wörtern in dem anderen Fall. Die
20 mit dem Auge im Fadenkreuz. Dieser Vorspann ist allerdings ein Beliebigkeit dieses Vorgehens lässt sich daran bemessen, dass die
noch spezifischeres Signal für den Tatort – allein schon deshalb, Autoren in einer Kontrollbedingung die positiven und negativen
weil das Programm nie ohne diesen Vorspann, sehr wohl aber Kontexte umkehren und auf die jeweils andere Nation anwenden
21 ohne die Werbung gezeigt wird. konnten, ohne dass der Effekt dadurch beeinträchtigt worden
wäre. Zudem funktionierte dieselbe Versuchsanordnung auch
22 mit beliebigen Männernamen.
3.2 Evaluatives Konditionieren Selbstverständlich kann dieses Verfahren auch im Produkt-
bereich angewandt werden: Stuart et al. (1987) haben in einer
23 Nun ist es sicher für die Werbung nur von untergeordnetem Inte- Experimentreihe versucht, ihre Probanden durch angenehme
resse, wenn sie – wie im Krombacher-Beispiel von oben – einiger- Bilder auf eine erfundene Zahncreme zu konditionieren. Es ge-
maßen eindeutig ein attraktives Programm ankündigt. Wenn Kon- lang in der Tat, die Einstellung gegenüber dem Produkt durch
3.2 • Evaluatives Konditionieren
53 3

die Darbietung von schönen Naturszenen, Wasserfällen, Son- lerdings erhoben Janiszewski und Warlop (1993) als abhängige
nenuntergängen oder einem wunderschönen blauen Himmel Variable keine Bewertungsurteile, sondern die Aufmerksamkeit
zu verbessern. Ähnliche Ergebnisse erzielten dieselben Autoren auf die präsentierten Marken, die sie über die Aufzeichnung von
(Shimp et al. 1991) mit mehr oder weniger bekannten Cola-Mar- Blickbewegungen ermittelten. Die positiv assoziierten Getränke
ken als konditionierte Stimuli. Der Konditionierungseffekt war wurden signifikant länger bzw. häufiger fixiert. Der Effekt für
allerdings größer für wenig bekannte Marken, und er trat nur auf, die konditionierten Marken zeigte sich unabhängig davon, ob
wenn die Probanden die Beziehung zwischen konditioniertem die Probanden eine entsprechende Beeinflussungsabsicht unter-
und unkonditioniertem Stimulus auch bemerkten. stellten.
Kroeber-Riel (1992, S. 128 ff) berichtet von einem eigenen Auch beim evaluativen Konditionieren finden wir Phäno-
Experiment, in dem Phantasiemarken mit emotionalen Bildern mene, die wir von anderen Formen des Konditionierens kennen,
dargeboten wurden. Er konnte zeigen, dass sich die Einstellung etwa die Reizgeneralisierung: Till und Priluck (2000) präsentier-
gegenüber der bislang unbekannten HOBA-Seife durch klassi- ten ihren Probanden fiktive Namen von Produkten gemeinsam
sches Konditionieren auf ein beeindruckend hohes Niveau heben mit angenehmen Bildern. In einer späteren Befragung bewer-
ließ. Gleichzeitig betont er, dass dieser Effekt unabhängig davon teten die Probanden in der Experimentalgruppe die gesehenen
erzielt wurde, ob in der Werbung auch Informationen über das Namen positiver als in der Kontrollgruppe. Dieser Effekt wurde,
Produkt enthalten waren. Mit anderen Worten: Informationen wie es beim Konditionieren üblich ist, auf ähnliche Stimuli ge-
sind für Effekte des klassischen Konditionierens von Produkt- neralisiert: Wenn der konditionierte Stimulus etwa der Name
einstellungen überflüssig. Garra war, wurde auch ein ähnlich klingender Name wie Gurra
Gorn (1982) präsentierte seinen Probanden angenehme und positiver bewertet.
unangenehme Musik, die die Werbung für einen Füllfederhalter
begleitete. Die Probanden wählten später mit erhöhter Wahr-
scheinlichkeit den Federhalter, der mit der angenehmen Musik 3.2.2 Beziehungen zwischen evaluativem
einherging, bzw. mieden den Stift, der von unangenehmer Musik und Pawlow’schem Konditionieren
begleitet war. Das Experiment von Gorn (1982) gilt bereits als Be-
leg für eine Konditionierung höherer Ordnung, da Musik nicht Der augenfälligste und werbepsychologisch relevante Unter-
aus sich heraus, sondern wegen ihrer Assoziation zu positiven schied zwischen Pawlow’schem und evaluativem Konditionie-
Erlebnissen (z. B. Partys, gute Stimmung) angenehm – oder in ren ist natürlich der, dass bei der evaluativen Variante eine Be-
entsprechenden Fällen eben auch unangenehm – sei (vgl. auch wertung gelernt wird. Mit anderen Worten: Das konditionierte
Kardes 1999, S. 216). Subjekt erwartet nicht, dass der unkonditionierte Stimulus folgt,
Walther und Grigoriadis (2004) präsentierten ihren Proban- wenn der konditionierte präsent ist. Es mag aber den konditi-
den Bilder von sympathischen bzw. unsympathischen Gesichtern onierten Reiz mehr (bzw. weniger), wenn er zuvor mit einem
gemeinsam mit Abbildungen von neutral bewerteten Schuhen. positiven (bzw. negativen) unkonditionierten präsentiert wurde.
Es genügten jeweils sechs Präsentationen, damit in einer späteren Walther et al. (2011) weisen darauf hin, dass das Pawlow’sche
Bewertung die vormals neutralen Schuhe, je nachdem, welches Konditionieren traditionell häufiger mit aversiven Stimuli (z. B.
Gesicht gleichzeitig zu sehen war, positiver bzw. negativer be- Elektroschocks im Tierexperiment) als mit positiven untersucht
wertet wurden. wurde. Dies habe vor allem daran gelegen, dass die positive Va-
Grossmann und Till (1998) präsentierten ein fiktives Mund- lenz von appetitiven Reizen wie Futter schnell abnimmt, die ne-
wasser Garra gemeinsam mit sehr angenehmen oder neutra- gative Valenz eines Schmerzreizes dagegen stabil bleibt. Dies ist
len Bildern. Die interessierenden Zielpräsentationen waren in beim evaluativen Konditionieren anders: Die konditionierten Be-
eine ganze Reihe von anderen sehr unterschiedlichen Bildern wertungen bleiben gleich stabil, ob es sich nun um positive oder
montiert, so dass die Konditionierungsabsicht nicht offensicht- negative US handelt. Auch dies ist für die werbepsychologische
lich war. Hierzu wurden in die Präsentation andere Bilder und Anwendung natürlich von großer Bedeutung.
andere Namen als ablenkende Reize, sogenannte Distraktoren, Es fragt sich freilich, ob dies auch die einzigen Unterschiede
gemischt. Eine Kontrollgruppe sah dieselben Reize, allerdings zum Pawlow’schen Konditionieren sind. Frühe Darstellungen des
in einer anderen Abfolge, bei der die interessierenden Namen evaluativen Konditionierens (z. B. auch in Felser 2001, S. 140 ff.;
nicht gleichzeitig mit den positiven Stimuli gezeigt wurden. Die für einen Überblick vgl. Hofmann et al. 2010) folgten noch dem
konditionierte positive Bewertung war auch noch nach drei Wo- anfänglichen Eindruck, dass es mindestens drei weitere wesent-
chen nachweisbar. liche Unterschiede gebe:
Es scheint übrigens fraglich, ob es wirklich nötig ist, die Kon- 1. Beim evaluativen Konditionieren wird nicht vorausgesetzt,
ditionierungsabsicht zu verschleiern: Janiszewski und Warlop dass Personen die Verbindung zwischen konditioniertem
(1993) boten ihren Probanden Bilder von nicht alkoholischen und unkonditioniertem Reiz erkennen.
Getränken als konditionierte und Bilder von attraktiven jun- 2. Eine erfolgreiche evaluative Konditionierung wird nicht ge-
gen Menschen am Strand als unkonditionierte Stimuli dar. Die löscht, wenn in späteren Durchgängen der konditionierte
Versuchspersonen waren sich durchaus bewusst, dass bei den Stimulus ohne den unkonditionierten dargeboten wird.
Darbietungen assoziative Verknüpfungen des Produkts mit den 3. Die evaluative Konditionierung braucht lediglich die raum-
angenehmen Bildern angestrebt wurden. Sie konnten aber die zeitliche Koppelung zwischen konditioniertem und unkon-
wirksamen Spots nicht von den unwirksamen unterscheiden. Al- ditioniertem Stimulus. Hier genügt also die Kontiguität.
54 Kapitel 3 • Lernen

Von diesen drei Erwartungen kann man nach heutigem Kennt- competition auftritt, dass also mehrere konditionierte Stimuli
1 nisstand nur die dritte ohne Einschränkung aufrechterhalten. Es einander Konkurrenz machen.
scheint in der Tat unerheblich, wie oft US und CS in der Kon- Allem Anschein nach wetteifern die beiden Stimuli um die
2 ditionierungsphase allein präsentiert werden, solange es nur Aufmerksamkeit des Betrachters, die im Falle einer gleichzeitigen
genügend Gelegenheiten gibt, zu denen sie gemeinsam auftre- Präsentation bei keinem der Reize für einen Konditionierungsef-
ten (Hofmann et al. 2010, S. 414). Die beiden anderen Bedin- fekt ausreicht. Dies zeigt ein zweites Experiment der Autorinnen,
3 gungen können so nicht stehen bleiben: Tatsächlich sind Effekte in dem die Stimuli, also Markenname und Produktbild, hinterei-
des evaluativen Konditionierens stärker, wenn Probanden die nander präsentiert wurden. Genauer gesagt wurde hierbei eine
4 Verbindung zwischen konditioniertem und unkonditioniertem Versuchsanordnung gewählt, die beim Pawlow’schen Konditi-
Stimulus bemerken. Und es gibt auch Hinweise darauf, dass kon- onieren den sogenannten Blocking-Effekt auslöst: Hierbei geht
5 ditionierte Reaktionen schwächer werden, wenn der CS nach den für einen Teil der Probanden der eigentlichen Konditionierung
Konditionierungsdurchgängen allein präsentiert wird (Hofmann ein Durchgang voraus, in dem einer der beiden CS allein mit
et al. 2010, S. 414 f.). dem US gekoppelt wird. Bevor also Produkt und Markenname
6 Diese Beobachtungen sind für die theoretische Einordnung gleichzeitig mit den US gezeigt wurden, sahen die Probanden von
des evaluativen Konditionierens wichtig. Sie zeigen ja unter an- Walther et al. (2011) für einige Durchgänge nur einen der beiden
7 derem auch an, ob die Unterschiede zwischen Signallernen und CS gemeinsam mit den US. Beim Pawlow’schen Konditionie-
evaluativem Konditionieren grundlegend oder oberflächlich ren hat diese Versuchsanordnung den Effekt, dass die Konditio-
sind. Andererseits muss man betonen: Es gibt allem Anschein nierungswirkung auf den zuerst gezeigten Stimulus beschränkt
8 nach auch Konditionierungseffekte für Stimuli, deren Koppe- bleibt. Wenn also zuerst der Markenname konditioniert wurde,
lung nicht bemerkt wurde, bzw. für unterschwellig präsentierte würde das Bild des Produkts keine konditionierte Reaktion mehr
9 Reize. So weisen einige Studien eine evaluative Konditionierung auslösen, selbst wenn es gemeinsam mit dem Namen präsentiert
mit Stimuli nach, die unterschwellig (z. B. Krosnick et al. 1992; würde, denn es verbessert ja die Vorhersage des US nicht mehr.
10 De Houwer et al. 1997; Veltkamp et al. 2011) oder beiläufig und Bei der Übertragung dieses Effekts auf das evaluative Kon-
ohne bewusste Erinnerung dargeboten wurden (Olson und Fazio ditionieren kommt es darauf an, warum der Effekt der cue com-
2001; Gibson 2008). Für eine Werbeanwendung zeigten dies zum petition aufgetreten ist. Geht dieser nur darauf zurück, dass die
11 Beispiel Strick et al. (2009): Sie platzierten Werbeanzeigen syste- Aufmerksamkeit der Probanden bei einer gleichzeitigen Präsen-
matisch entweder neben lustigen oder ernsten Comics. Produkte, tation von Markennamen und Produktbild nicht ausreicht, dann
12 die mit humorigen Cartoons gekoppelt waren, wurden in der sollte die sequentielle Darbietung diesen Effekt wieder aufheben.
Folge positiver bewertet – unabhängig davon, ob sich die Pro- In diesem Fall sollte also auch der Teil der Werbung, der zu einer
banden an die Begegnung mit diesen Produkten in der Anzeige bereits etablierten Assoziation hinzukommt, seinerseits wieder
13 erinnerten. Es verstärkt zwar den Effekt, wenn die Personen die konditioniert werden.
Koppelung zwischen den Stimuli bemerken – das ist sogar der Die Ergebnisse von Walther et  al. (2011) zeigen, dass der
14 wichtigste Faktor, um zwischen starken und schwachen Effekten Blocking-Effekt beim evaluativen Konditionieren nicht auftritt.
zu unterscheiden (Hofmann et al. 2010) –, aber es gibt auch Kon- Vielmehr neutralisiert die sequentielle Darbietung von Produkt
15 ditionierungseffekte mit unbemerkten Reizen. und Markenname das Problem, dass die beiden Stimuli um die
Was die behauptete Löschungsresistenz betrifft, so betonen Konditionierungswirkung des US konkurrieren.
bereits Hofmann et al. (2010), dass sich Löschungseffekte nur Diese Ergebnisse unterstreichen zum einen die Eigenständig-
16 mit subtilen Analysemethoden („fine-grained analyses“, S. 409, keit des evaluativen Konditionierens gegenüber der traditionellen
S. 414) nachweisen lassen. An sich sind Effekte des evaluativen Pawlow’schen Variante: Da es nicht darum geht, ob der kondi-
17 Konditionierens durchaus robust und zeitlich auffallend stabil. tionierte Stimulus den unkonditionierten eindeutig vorhersagt,
Wirksamer als die Löschung scheint jedenfalls die Gegenkon- können auch hinzukommende weitere CS konditioniert werden.
ditionierung zu sein, wenn es darum geht, eine konditionierte Der für das Pawlow’sche Konditionieren wichtige Blocking-Ef-
18 Reaktion abzubauen. Ein solcher Fall würde eintreten, wenn der fekt bleibt beim evaluativen Konditionieren aus.
unkonditionierte Stimulus seine Valenz ändern würde. Konkret Praktisch wird man betonen müssen: Es ist sogar sehr gut,
19 wäre das der Fall, wenn ein prominentes Testimonial mit einem wenn in der Werbung zunächst nur einzelne Komponenten des
Mal in einen Skandal verwickelt und in der Öffentlichkeit in Produkts (also Name oder Bild) durch Konditionierung positiv
20 Ungnade fallen würde (De Houwer 2009). aufgeladen werden. Dies bereitet eine spätere Aufwertung der
Walther et  al. (2011) zeigen in ihren Experimenten so- anderen Komponenten optimal vor. Wenn stattdessen sofort
wohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen Pa- alle Komponenten präsentiert würden, würden sie einander
21 wlow’schem und evaluativem Konditionieren. Den Proban- quasi „die Show stehlen“, der Konditionierungseffekt würde im
dinnen wurden als konditionierte Stimuli Markennamen und schlimmsten Fall komplett ausbleiben (Walther et al. 2011).
22 Produktbilder präsentiert, die unkonditionierten Reize waren Man kann angesichts der Befunde resümieren, dass das
positiv bzw. negativ bewertete Gesichter. Konditionierungsef- evaluative Konditionieren nicht auf die Pawlow’sche Variante
fekte zeigten sich nur, wenn entweder der Markenname oder zurückgeführt bzw. reduziert werden kann. Es scheint sich da-
23 das Produktbild allein mit dem US gekoppelt wurde, nicht aber bei um ein eigenständiges Phänomen zu handeln. Um welches
wenn beide gleichzeitig präsentiert wurden. Dies belegt, dass Phänomen genau ist allerdings noch strittig: Es konkurrieren
auch beim evaluativen Konditionieren das Phänomen der cue mehrere Erklärungen für evaluative Konditionierungseffekte
3.2 • Evaluatives Konditionieren
55 3

(für einen Überblick vgl. Hofmann et al. 2010, S. 391 ff.). Ein eine völlig andere Rolle geben, nämlich als Folge des Konditio-
Ansatz geht davon aus, dass beim Konditionieren der CS das Vor- nierungseffekts und nicht – wie meist angenommen – als dessen
stellungsbild des US erweckt, ohne dass dies mit der Erwartung Ursache.
einhergeht, dem US gleich zu begegnen. Angesichts dieser Vielfalt an Argumenten und Belegen
Nach einer eher holistischen Erklärung entsteht beim Kon- schlägt De Houwer (2009) vor, evaluatives Konditionieren über
ditionieren eine Gesamtrepräsentation von CS, US und dessen sein Ergebnis zu definieren und nicht über die Prozesse, die ihm
Valenz. Die konditionierte Reaktion beruht dann auf einer Art zu Grunde liegen. Klar ist immerhin, dass die Assoziation mit
Musterergänzung, bei der diese Gesamtrepräsentation auf die valenten Umgebungsreizen einen Zielreiz auf- und abwerten
Präsentation eines Teils hin wieder aktiviert wird. kann. Es spricht allerdings viel dafür, dass dieses Ergebnis über
Eine verwandte Erklärung unterstellt ebenfalls, dass CS, US unterschiedliche Prozesse erreicht werden kann.
und Valenz zu einer Gesamtrepräsentation integriert werden, Sweldens et  al. (2010) unterscheiden beim assoziativen
geht dann aber davon aus, dass die ursprüngliche affektive Re- Lernen zwischen einer direkten und einer indirekten affek-
aktion auf den US fälschlicherweise dem CS zugeschrieben wird. tiven Reaktion, wobei die direkte die stärker automatisierte
Diese Annahme hat zwei Folgen, die sich von den vorherigen und weniger bewusste sein dürfte. Im Falle einer indirekten
unterscheiden: Reaktion ist der positive Affekt darauf angewiesen, dass der
1. Die Fehlzuschreibung ist weniger wahrscheinlich, wenn die unkonditionierte Stimulus gedanklich aktiviert wird. Der kon-
ursprüngliche Quelle für die affektive Reaktion bekannt ist. ditionierte Stimulus wird sozusagen nur vermittelt über den
Daher sollte der Konditionierungseffekt geringer werden, unkonditionierten aufgewertet. Um diese Reaktion zu errei-
wenn das Verhältnis von CS und US bewusst wird. chen, sollte daher auch der unkonditionierte Stimulus immer
2. Außerdem sollte der Effekt stärker werden, wenn CS und US gleich bleiben. Außerdem ist die Reaktion am stärksten, wenn
ähnlich sind (in den anderen beiden Ansätzen waren diese der unkonditionierte Stimulus, wie beim Signallernen üblich,
beiden Fragen einfach unwichtig). dem konditionierten vorausgeht.
Bei einer direkten affektiven Reaktion dagegen ist der kondi-
Auf Grund der Gesamtbefundlage zum evaluativen Konditio- tionierte Stimulus praktisch autark geworden: Er ruft den Affekt
nieren würde man wohl die letztgenannte Erklärung zurückwei- völlig ohne die bewusste oder unbewusste Aktivierung des un-
sen: Wie bereits gesagt, sind Konditionierungseffekte nicht etwa konditionierten Stimulus hervor. Diese Art der Konditionierung
schwächer, sondern stärker, wenn die Verbindung zwischen US funktioniert nur, wenn unkonditionierter und konditionierter
und CS bewusst ist. Zudem verstärkt äußerliche Ähnlichkeit zwi- Stimulus gleichzeitig präsentiert werden. Es kommt aber nicht
schen den Stimuli die Konditionierungseffekte nicht (Hofmann darauf an, dass die unkonditionierten Stimuli immer die gleichen
et al. 2010). sind – direkte positive Reaktionen können auch mit wechseln-
Leider lässt sich zwischen den konkurrierenden Erklärun- den Stimuli erzeugt werden, solange diese alle positiv bewertet
gen keineswegs so leicht eine Entscheidung herbeiführen, wie werden.
die eben genannten Argumente vermuten lassen. Tatsächlich Sweldens et  al. (2010) belegen ihre Vorhersagen in einer
kann wohl jede der konkurrierenden Erklärungen punktuell Experimentenserie, in der unbekannte belgische Biermarken
bestimmte Teilbefunde besser erklären als die jeweils anderen gemeinsam mit positiven Bildern präsentiert wurden. Variiert
(Hofmann et al. 2010). wurde zudem, (1) ob die positiven Bilder gleichzeitig mit der
Selbst die Folgerung, dass ein bewusstes Bemerken der Markenpräsentation oder kurz danach gezeigt wurden und (2)
CS-US-Kontingenz die Effekte steigert, kann man problematisch ob immer dasselbe positive Bild oder jeweils ein anderes zu se-
sehen. Dies tun zum Beispiel Gawronski und Walther (2012) mit hen war.
den folgenden Argumenten: Normalerweise wird die Bewusstheit Im Vergleich mit der Kontrollgruppe, in der neutrale Bilder
der Konditionierung dadurch überprüft, dass Probanden sich im gezeigt wurden, führte die Kombination der Biermarken mit den
Nachhinein an die Kombination von US und CS erinnern sollen. positiven Bildern stets zu einer besseren Markenbewertung – mit
Wenn diese Erinnerung hinreichend fehlerhaft ist, könnte man einer Ausnahme: Wenn Marke und wechselnde Bilder nachein-
also schließen, dass die Koppelung nicht bemerkt wurde. Aller- ander gezeigt wurden, zeigte sich kein Konditionierungseffekt.
dings konzentriert sich dieser Test auf die Fehler, die beim Ab- Dies steht im Einklang mit der Erwartung: Mit einer sequen-
ruf der Erinnerung gemacht werden und nicht auf die Encodie- tiellen Darbietung ist nur eine indirekte affektive Reaktion zu
rungssituation (also die Situation, in der die CS-US-Kombination erreichen, und diese hängt von einem ganz spezifischen unkon-
gelernt wurde). So kann es durchaus sein, dass die Kontingenz ditionierten Reiz ab.
von CS und US zwar encodiert wurde, aber andere Probleme Für die Werbung könnte man also folgern: Werber können
den Abruf erschweren (mehr zum Verhältnis zwischen Encodie- sich erlauben, das Produkt mit wechselnden angenehmen Kon-
rung und Abruf in ▶ Kap. 4, insbesondere ▶ Abschn. 4.2). Wird textreizen zu bewerben. Dies kann zu einer direkten affektiven
nun aber die Koppelung korrekt erinnert, ist damit nicht gesagt, Reaktion führen. Es funktioniert allerdings nur bei gleichzeiti-
dass diese Erinnerung den Konditionierungseffekt verstärkt hat. ger Präsentation von Produkt mit dem angenehmen Reiz. Wenn
Ebenso könnte es sein, dass der Konditionierungseffekt, also in beide nacheinander präsentiert werden, ist nur eine indirekte
diesem Fall die Auf- bzw. Abwertung des CS durch den US, dazu (über den unkonditionierten Reiz vermittelte) affektive Reaktion
führt, dass beide Stimuli auch rückblickend so erinnert werden, möglich. In diesem Fall sollte der angenehme (unkonditionierte)
dass sie gemeinsam aufgetreten sind. Dies würde der Bewusstheit Reiz immer der gleiche sein.
56 Kapitel 3 • Lernen

Sweldens et al. (2010) führten zudem bei einem Teil ihrer henfolge der Konditionierung, die wir schon vom Konditionieren
1 Probanden eine Interferenz herbei (Näheres zu diesem Phäno- zweiter Ordnung kennen (siehe oben), umgedreht.
men in ▶ Abschn. 4.2.5). Sie störten damit die Erinnerung an Die Idee ist einfach folgende: Paul und Günter sind weder
2 den Zusammenhang zwischen konditioniertem und unkonditi- besonders sympathisch noch besonders unsympathisch. Beide
oniertem Stimulus. In diesen Fällen verschwand der Konditionie- sind aber fast immer zusammen anzutreffen. Es bildet sich also
rungseffekt in der Gruppe mit sequentieller Präsentation völlig, via Signallernen eine starke Assoziation zwischen beiden aus;
3 in der Gruppe mit gleichzeitiger Darbietung dagegen blieb er sieht man den einen, erwartet man auch, den anderen bald zu
erhalten. sehen. Nun lässt sich Paul mit dem Widerling Richard ein, das
4 Hier zeigt sich erneut, dass evaluativ konditionierte Reak- heißt, man sieht nun diese beiden für eine Weile zusammen.
tionen in der Tat robuster sind als die über das Signallernen. Per evaluative Konditionierung überträgt sich die negative Be-
5 Allerdings gilt diese Robustheit nur für die direkten affektiven wertung von Richard auch auf Paul. Walther (2002) kann nun
Reaktionen, nicht für die indirekten. mit ihren Daten zeigen, dass in einem solchen Szenario auch
Dieser Befund wiederholt sich noch in zwei anderen Bedin- Günter, der sich gar nicht mit Richard abgegeben hat, bloß über
6 gungen, die normalerweise für Assoziationslernen eher hinder- die Assoziation mit Paul schlechter bewertet wird. Dieser Effekt
lich sind: Eine dieser Bedingungen tritt ein, wenn der unkondi- ist nicht auf negative Assoziationen beschränkt, auch positive
7 tionierte Stimulus seine Valenz ändert, wenn also zum Beispiel Stimuli können entsprechend konditioniert werden (Walther
– wie oben angedeutet – der beliebte Sportler, mit dem man 2002, Experiment 3).
bislang geworben hat, des Dopings überführt wird. Die zweite Zur Rekapitulation: Beim Konditionieren zweiter Ordnung
8 Bedingung betrifft das Wissen um die Beeinflussungsabsicht in wäre zuerst Paul mit dem Widerling Richard und dann erst mit
der Werbung (Friestad und Wright 1995). Assoziatives Lernen Günter in Verbindung gebracht worden. Die sensorische Präkon-
9 wird behindert, wenn sich der Lernende bewusst macht, dass ditionierung zeigt, dass auch die umgekehrte Reihenfolge funkti-
die Assoziation für das Bewertungsurteil eigentlich keine Rolle oniert. Die Experimente von Walther (2002) verdeutlichen also
10
11
spielt und invalide ist (z. B. Gawronski und Bodenhausen 2006).
Sweldens et al. (2010) zeigen, dass beide Bedingungen nur
dann hinderlich sind, wenn es sich um eine indirekte affektive
Reaktion handelt, die über die sequentielle Präsentation erzeugt
-
zwei wichtige Punkte:
Zum einen breiten sich konditionierte Bewertungen
offenbar auf andere Gegenstände oder Personen aus. Für
die Frage, wie andere mich wahrnehmen, ist also nicht nur
wurde. Diese Reaktionen wurden in der Tat deutlich gestört, wichtig, welche Freunde ich habe, sondern auch, wer die
12 wenn entweder der unkonditionierte Stimulus seine Valenz än- Freunde meiner Freunde sind. Mit diesen kann ich nämlich
derte oder wenn zuvor in einer Instruktion darauf hingewiesen assoziiert werden, ohne dass ich denen jemals begegnet bin
13
14
wurde, dass die gezeigten Bilder keinerlei verwertbare Infor-
mation über die gezeigten Biermarken enthalten. Die direkten
affektiven Reaktionen dagegen blieben von den Störeinflüssen
unberührt.
- (vgl. auch Hammerl und Grabitz 1996).
Zum anderen breiten sich die konditionierten Bewertungen
auch auf solche Gegenstände oder Personen aus, die noch
vor der Konditionierung mit dem neutralen Stimulus asso-
Für die Werbung könnte man also weiterhin folgern: Es lohnt ziiert wurden. Ich muss also nicht nur darauf achten, mit
15 sich für den Werber, eine direkte affektive Reaktion durch gleich- wem sich meine Freunde in der Vergangenheit eingelassen
zeitige Präsentation von Produkt mit wechselnden angenehmen haben, sondern auch, womit sie sich in Zukunft in Zusam-

16
-
Reizen anzustreben. Diese Reaktion …
ist nicht darauf angewiesen, dass die Betrachter den Zusam-
menhang zwischen Produkt und dem angenehmen Kontext
menhang bringen.

Das evaluative Konditionieren funktioniert mit unterschiedli-


17
- bemerken,
ändert sich nicht, wenn der unkonditionierte Stimulus
chen Sinnesmodalitäten, allerdings nicht mit allen gleich gut (für
einen Überblick vgl. De Houwer et al. 2001). Relativ stabil und
18
19
- seine Valenz ändern,
bleibt erhalten, wenn Probanden sich bewusst machen,
dass der unkonditionierte Stimulus für die Bewertung des
Produkts eigentlich irrelevant ist.
robust sind die Befunde zur Assoziation von visuellen Stimuli.
Auch Geschmacksreize kann man evaluativ konditionieren: Zell-
ner et al. (1983) gelang es, Vorlieben für Tees mit unterschiedli-
chen Geschmacksrichtungen zu erzeugen, indem sie die ersten
Proben entweder mit einer Zuckerlösung oder nur mit klarem
20 3.2.3 Bedingungen des evaluativen
Wasser versetzten. Wenn später die ungesüßte Variante bewertet
werden sollte, zeigten die Probanden eine Vorliebe für die zuvor
Konditionierens mit Zucker präsentierten Sorten. Generell scheint es trotz der
21 Befunde von Zellner et al. (1983) deutlich einfacher, eine negative
Evaluative Konditionierung bedeutet: Ohne dass es Personen Bewertung eines Geschmacks zu konditionieren als eine positive
22 merken, können Einstellungen verändert oder erworben werden, (De Houwer et al. 2001). Dies dürfte darauf zurückgehen, dass es
die sehr lange bestehen bleiben. Walther (2002) konnte zudem für den Menschen grundsätzlich wichtiger ist, schädliche Subs-
zeigen, dass hierzu nicht einmal eine direkte Erfahrung mit dem tanzen korrekt zu identifizieren als angenehme.
23 unkonditionierten Reiz erforderlich ist. Sie machte sich dabei das Für die Werbung ist sicher die Konditionierung über ver-
Phänomen der sensorischen Präkonditionierung zu Nutze (vgl. schiedene Sinnesmodalitäten hinweg besonders wichtig. So
auch Hammerl und Grabitz 1996). Hierbei wird lediglich die Rei- stellt sich die Frage, wie gut es gelingt, die visuelle Präsentation
3.2 • Evaluatives Konditionieren
57 3

von Produkten mit der akustischen Präsentation zu Musik zu wie der US. In der Untersuchung von Glaser und Walther (2012)
assoziieren (z. B. Blair und Shimp 1992; Gorn 1982). Die Meta- waren die valenten Eigenschaften des US unterschiedlich abstrakt.
analyse von Hofmann et al. (2010) zeigt keine grundsätzlichen Denkbar ist also, dass für die Bewertung eines einzelnen Stimulus
Einschränkungen bei einer Konditionierung über verschiedene konkrete Verhaltensweisen relevanter sind als abstrakte Gruppen-
Sinnesmodalitäten hinweg. zugehörigkeiten, dass aber letztere – eben weil sie ja allgemeiner
Allerdings zeigt sich für die Assoziation von Düften mit Bil- sind – eher auf assoziierte Stimuli übertragen werden können.
dern, dass ein Konditionierungseffekt nur mit Düften gelingt, Diese Überlegung wäre – neben anderen Erklärungen für den
die als „menschlich“ erlebt werden. Gerüche, die mit Objekten Effekt (Glaser und Walther 2012, S. 152) – noch zu prüfen.
und nicht mit Menschen assoziiert werden, eignen sich offenbar Eine Untersuchung von Gibson (2008) wirft Licht auf gleich
nicht zum Konditionieren (Todrank et al. 1995). Zudem haben mehrere problematische Fragen zum evaluativen Konditionie-
die gleichen Gerüche auf Menschen unterschiedliche Wirkung. ren. Als konditionierte Stimuli verwendete Gibson die bekannten
Manche Menschen reagieren stärker auf die Variation der Ge- Marken Pepsi und Coca-Cola. Die Konditionierung mit positi-
rüche in ihrer Umwelt als andere. Wrzesniewski et al. (1999) ven oder negativen US änderte zwar nicht die expliziten Einstel-
untersuchten diese Unterschiede. Die mittlere Rezeptivität für lungen im Selbstbericht, wohl aber die automatischen und eher
Gerüche war bei Männern und Frauen gleich; auch eine belgische „impliziten“ Einstellungen in einem Impliziten Assoziationstest
Stichprobe wies im Vergleich zu einer amerikanischen Stichprobe (IAT; Greenwald et al. 1998; siehe auch ▶ Abschn. 13.3) und die
keine Unterschiede auf. Allerdings waren die Unterschiede in der Produktwahl unter Zeitdruck. Allerdings blieben diese Effekte
Rezeptivität entscheidend für die Möglichkeit des evaluativen auf Probanden beschränkt, die eine neutrale Einstellung zu Pepsi
Konditionierens: Positive oder negative Assoziationen über Ge- oder Coca-Cola hatten. Es ist sicherlich von großem Interesse, ob
rüche herzustellen, war nur bei Probanden möglich, die generell evaluatives Konditionieren bereits bestehende Einstellung än-
stark auf Gerüche reagieren. dern kann. Die Ergebnisse von Gibson (2008) sprechen insofern
Die unterschiedliche Bewertung von Düften führt zu der eher dagegen, als die echten Fans von Coca-Cola oder Pepsi von
Frage, wie überhaupt unkonditionierte Stimuli wirken, die am- der Konditionierungsprozedur unberührt blieben. Andererseits
bivalent sind. Tatsächlich konzentriert sich die Forschung zum sind die beiden Marken so allgegenwärtig, dass auch Menschen,
evaluativen Konditionieren normalerweise auf US mit eindeu- die sie insgesamt neutral bewerten, positive wie negative Assozi-
tiger Bewertung. Die im Marketing eingesetzten Testimonials ationen zu ihnen haben dürften. Daher vermutet Gibson (2008,
haben ja eine Vielzahl von Eigenschaften, von denen die meis- S. 183), dass die Konditionierungsprozedur bei den neutral ge-
ten wohl positiv, manche aber auch vielleicht weniger positiv zu stimmten Probanden die jeweils bereits vorhandenen positiven
sehen sind. Glaser und Walther (2012) untersuchten die Wir- oder negativen Bewertungen besonders verstärkt bzw. aktiviert
kungen einer Person, die sowohl negative wie eindeutig positive haben dürfte.
Eigenschaften auf die Wahrnehmung einer anderen assoziier- Ein anderer wichtiger Aspekt betrifft die Frage, welche Art
ten Person. Sie präsentierten ihren Probanden Informationen von Einstellung durch evaluatives Konditionieren verändert wer-
zu fiktiven Personen, die entweder einer positiv oder einer ne- den kann. Hier deuten die Befunde von Gibson (2008) darauf,
gativ bewerteten Gruppe angehörten. Im Widerspruch zu der dass auch automatische und implizite Assoziationen evaluativ
Gruppenzugehörigkeit stand jeweils die Information zu einem konditioniert werden. In seinem Fall waren es sogar interessan-
bestimmten Verhalten (nimmt Drogen/nimmt keine Drogen). terweise nur diese Einstellungen, die überhaupt auf die Prozedur
Die unkonditionierten Stimuli bestanden also aus Personen, die ansprachen, was vermutlich damit zusammenhängt, dass Gibson
entweder einer unbeliebten Gruppe angehörten, dafür aber ein sehr bekannte CS verwendete.
positives Verhalten zeigten, oder umgekehrt. Als konditionierte
Stimuli wurden weitere neutrale Personen präsentiert. Hierbei
zeigten sich sehr unterschiedliche Effekte der Informationen auf 3.2.4 Evaluatives Konditionieren jenseits
die Bewertung der US und der CS: Wenn es darum ging, die der Positiv-negativ-Dimension
unkonditionierten Stimuli zu bewerten, war stets das Verhalten
wichtiger als die Gruppenzugehörigkeit: Wer ein negatives Ver- Auf einem Bild wird ein Pizzadienst vorgestellt, auf einem zwei-
halten zeigte, aber zu einer positiv bewerteten Gruppe gehörte, ten erscheint ein Rennwagen. Diese Präsentation führte bei den
wurde gleichwohl negativer bewertet als eine andere Person mit Probanden von Kim et al. (1996) zu der Erwartung, die Pizza
umgekehrten Merkmalen. werde schnell und heiß geliefert. Eine solche eher elaborierte
Ein ganz anderer Effekt zeigte sich jedoch für die Bewertung Assoziation erfordert bereits Schlussfolgerungsprozesse. Hier-
der konditionierten Stimuli. Auf diese „färbte“ die Gruppenzuge- für wird nicht nur vorausgesetzt, dass die Valenz des unkondi-
hörigkeit stärker ab als das Verhalten, was für den oben angedeu- tionierten Stimulus erkannt und übertragen wird – hier müssen
teten Fall, in dem ein Testimonial durch ein negatives Verhalten konkrete Eigenschaften decodiert werden. Ergebnisse wie diese
an Sympathie einbüßt, wichtige Konsequenzen haben könnte: deuten darauf hin, dass bei der gleichzeitigen Präsentation von
Nach den Befunden von Glaser und Walther (2012) leidet das Stimuli nicht nur Bewertungen, sondern auch Bedeutungen
Testimonial unter seinem Verhalten stärker als die assoziierten übertragen werden können.
Produkte. Dabei ist zu beachten, dass in dem Experiment von Kim
Wichtiger ist an den Ergebnissen allerdings die Feststellung, et al. (1996) der Zusammenhang zwischen dem Pizzadienst und
dass ein CS nicht unbedingt immer die gleiche Bewertung erhält der Schnelligkeit nicht dadurch hergestellt wurde, dass über die
58 Kapitel 3 • Lernen

Dienstleistung irgendetwas behauptet worden wäre. Auch erwar- fekte betrachtet. Die Bedeutungen wurden unbewusst, nämlich
1 teten die Probanden selbstverständlich nicht, dass die Pizza mit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle erworben, und sie zeigen
einem Rennwagen geliefert würde. Der Effekt lässt sich also nicht sich auch in automatischem, nicht kontrolliertem Verhalten (in
2 darauf zurückführen, dass ein semantischer oder instrumenteller einem unterschwelligen Priming-Effekt; zum Priming-Verfahren
Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem unkonditio- siehe ▶ Abschn. 4.5, ▶ Kap. 6 und 7). Diese Befunde sprechen also
nierten Kontext hergestellt würde. Diese Effekte sind eher für dafür, dass sich Bedeutungen auch über stark automatisierte Pro-
3 Werbeformen zu erwarten, in denen argumentiert wird – hier zesse konditionieren lassen.
jedoch werden nur Stimuli gleichzeitig präsentiert. Prozeduren, in denen nicht Valenz, sondern Semantik kon-
4 Gleichwohl muss eine Bedeutung decodiert werden, und dies ditioniert wird, werden unter verschiedenen Bezeichnungen
erscheint eher als ein aufwendiger und elaborierter Prozess. Fol- diskutiert. Förderer und Unkelbach (2011) sprechen bei Kondi-
5 gerichtig waren in der Untersuchung von Kim et al. (1996) die tionierungsprozesse jenseits der Positiv-negativ-Dimension von
Konditionierungseffekte am ausgeprägtesten, wenn die Proban- „nonevaluativem Konditionieren“. Glaser und Walther (2013)
den den Zusammenhang zwischen konditioniertem und unkon- bevorzugen den Begriff „konzeptuelles Konditionieren“; Galli
6 ditioniertem Stimulus erkannten. und Gorn (2011) bezeichnen ihr Vorgehen als „semantisches
Galli und Gorn (2011) zeigen allerdings, dass Bedeutungen Konditionieren“. In der Tat setzt vielleicht das explizite Aus-
7 auch durch unterschwellige Reizdarbietung erworben werden. klammern der evaluativen Anteile im Terminus „nonevaluatives
Ihre (asiatischen) Probanden sollten am Bildschirm Wörter ka- Konditionieren“ einen falschen Akzent: Merkmale von Objekten
tegorisieren. Zu dieser Aufgabe gehörten die Begriffe „schwarz“ sind eigentlich fast immer auch positiv oder negativ (Glaser und
8 und „weiß“, die mehrmals präsentiert wurden. In ausgewähl- Walther 2013). Für die oben zitierte Studie gilt dies auf jeden
ten Durchgängen erschien vor der Präsentation von „weiß“ für Fall: Tendenziell wird „schwarz“ sicherlich eher mit negativen
9 26 Millisekunden ein neutrales asiatisches Zeichen, entweder für und „weiß“ eher mit positiven Eigenschaften assoziiert. (In ▶ Ab-
I oder G, je nach Bedingung. Der Präsentation von „schwarz“ schn. 6.2.3 werden ich für diese Metaphorik ziemlich handgreif-
10 ging das jeweils andere Zeichen voraus. Zusätzliche Kontrollana- liche Folgen vorstellen.)
lysen stellten sicher, dass diese Präsentationen wirklich unter- Es mag zwar zutreffen, dass eine weiße oder durchsichtige
halb der Wahrnehmungsschwelle lagen. In der Folge sollten die Cola nicht akzeptiert und so gesehen nicht positiv bewertet wird
11 Probanden eine lexikalische Entscheidungsaufgabe lösen: Ihnen – dies musste Pepsi in den 1990er Jahren mit dem Misserfolg von
wurden Schriftzeichen präsentiert, von denen sie so schnell wie Chrystal Pepsi lernen (zit. n. Galli und Gorn 2013). Gleichwohl
12 möglich entscheiden sollten, ob sie ein sinnvolles Wort ergeben ist damit ja nicht gezeigt, dass die schwarze Farbe eine positive
oder nicht. Auch hier waren wieder die Wörter „schwarz“ und Eigenschaft von Cola ist – sie ist eben nur charakteristisch.
„weiß“ zu kategorisieren. Wo immer diese Wörter präsentiert Ein ähnliches Problem haben die Ergebnisse von Miller und
13 wurden, wurde zuvor – ebenfalls für 26 Millisekunden – eines Allen (2012). Die Autoren nutzten als unkonditionierte Stimuli
der beiden Zeichen I oder G gezeigt. Wenn nun tatsächlich das Prominente wie Paris Hilton oder Britney Spears. Zum Image
14 I eine „weiße“ Bedeutung erworben hat, dann erleichtert seine dieser Frauen gehören auch Merkmale wie „trashy“, „irrever-
Präsentation die Kategorisierung des Worts „weiß“, sie erschwert ent“, „controversial“ oder „cheap“ (erlauben Sie mir bitte, an
15 aber die Kategorisierung von „schwarz“. Tatsächlich finden Galli dieser Stelle mit der Übersetzung ins Deutsche zurückhaltend
und Gorn (2011) einen durchgängigen Beschleunigungseffekt für zu sein …). Das bloße gemeinsame Auftreten dieser Prominen-
Durchgänge, in denen das vorausgehende Wort mit einer Bedeu- ten führt bereits ohne Botschaft dazu, dass assoziierten Produk-
16 tung konditioniert wurde, die zum folgenden Wort passt. Dieser ten auch die Merkmale der Testimonials zugeschrieben werden.
Effekt gilt unabhängig davon, ob die Probanden auf bewusster Allerdings hatten Miller und Allen (2012) nicht die bloße Posi-
17 Ebene die konditionierten Zeichen mit „schwarz“ oder „weiß“ tivität der Merkmale – unabhängig von ihrem Inhalt – erfasst.
assoziieren. Da die Eigenschaften der Prominenten eindeutig positiv oder
In einem zweiten Experiment lernten die Probanden fiktive negativ waren, ist nicht auszuschließen, dass die Effekte letzt-
18 neue Produkte, eine Cola und eine Sojamilch, kennen. Ihnen lich doch auf rein evaluatives Konditionieren reduziert werden
wurde erklärt, dass in einem ersten Brainstorming eine Gruppe können.
19 von Konsumenten einige Namensvorschläge für die Produkte Kurz gesagt: Viele Fälle einer vermeintlichen Bedeutungs-
gemacht hatten – darin enthalten waren auch die asiatischen Zei- übertragung könnten auch darauf zurückgehen, dass eben doch
20 chen für I und G. Die Probanden sollten nun bewerten, wie gut in erster Linie Bewertungen und allenfalls über diese vermittelt
ihnen eine Sojamilch bzw. Cola gefallen würde, deren Name aus auch Bedeutungen konditioniert wurden. Zu den ersten, die
dem Zeichen für I oder G besteht. Die Bewertung der Probanden dieses Problem lösen, gehören Förder und Unkelbach (2011).
21 hing davon ab, wie die Zeichen zuvor konditioniert waren: Wenn Sie zeigen in einer Reihe von Experimenten, dass es möglich ist,
das I mit „weiß“ gekoppelt war, wurde eine Sojamilch mit diesem neutral bewerteten Personen durch die assoziative Koppelung
22 Namen positiv, eine Cola aber negativ bewertet. Hingegen wurde an eindeutig sportliche und athletische Personen ein sportliches
die Cola positiv, die Sojamilch aber negativ eingeschätzt, wenn Image zu verschaffen. Zusätzlich zur Sportlichkeit erfassten die
das Zeichen, das den Namen bilden sollte, zuvor mit „schwarz“ Autoren bei ihren Probanden auch die Bewertung für die kondi-
23 kombiniert worden war. tionierten Zielpersonen. Immerhin ist Sportlichkeit ja ein eher
Die Untersuchung von Galli und Gorn (2011) ist vor allem positives Merkmal, und damit ist es möglich, dass der Effekt auf
deshalb bemerkenswert, weil sie konsequent automatische Ef- eine generelle Aufwertung der neutralen Personen zurückgeht.
3.3  •  Konsumenten als Pawlow’sche Hunde?
59 3

Kontrollanalysen zeigen aber, dass, auch wenn alle Person gleich 3.3 Konsumenten als Pawlow’sche Hunde?
positiv bewertet werden, die beurteilten Personen immer noch
als sportlicher gelten, wenn sie zuvor gemeinsam mit einer ath- » Man bedenke, was Pawlow leistete: Er nahm einen neutralen
letischen – im Vergleich zu einer neutralen – Person präsentiert Gegenstand, und indem er ihn mit einem bedeutungsvollen
wurden. Gegenstand in Verbindung brachte, machte er ihn zu einem
Dabei können Förderer und Unkelbach (2011) darauf ver- Symbol für etwas anderes; er erfüllte ihn mit Metaphorik, er
weisen, dass sie sowohl reflektierte als automatische Reaktionen gab ihm eine zusätzliche Bedeutung. Ist das nicht genau das,
konditioniert haben: In ihrer Untersuchung weisen sie den Kon- was wir in der modernen Bildwerbung zu tun versuchen?1
ditionierungseffekt sowohl für bewusste als auf für automatische
Reaktionen nach. Zwar war in der Konditionierungsphase ihrer Wenn im Rahmen einer Werbebemühung ein positiver Reiz,
Experimente die Koppelung der Reize bewusst wahrnehmbar etwa schöne Musik oder ein schönes Bild, mit dem Produkt
und ließ sich leicht durchschauen. Trotzdem führte er dazu, dass gleichzeitig vorgegeben wird, dann zeichnet dieses Verfahren das
die Probanden die konditionierten Personen völlig automatisch, klassische Konditionieren nach. Viele Autoren sind der Meinung,
ohne dass sie dies unterdrücken könnten, mit Sportlichkeit as- das klassische Konditionieren sei ein sehr zentraler Mechanis-
soziierten. mus der Werbewirkung (z. B. Rossiter und Percy 1980; Mullen
Die Arbeit von Förderer und Unkelbach (2011) kann somit und Johnson 1990; Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982,
als eine der ersten gelten, die zeigen, dass die unterstellten Ef- S. 116 ff.; Kroeber-Riel 1992, 1993a). Die oben beschriebene Un-
fekte eines konzeptuellen Konditionierens nicht auf das Erlernen terscheidung von Signallernen und evaluativem Konditionieren
von Valenzen reduziert werden können. Dies weisen auch Glaser wurde dagegen in der traditionellen Konsumentenforschung
und Walther (2013) nach. Die Autorinnen konditionierten geo- kaum nachvollzogen (z. B. Kardes 1999; Mowen und Minor 1998;
metrische Figuren (Vielecke) mit Bildern, die große bzw. kleine Solomon 1999). In vielen konsumentenpsychologischen Anwen-
Objekte darstellen (z. B. Elefant oder Dampfer versus Maus oder dungen des klassischen Konditionierens mischen sich Anteile
Münze). Tatsächlich wurden die Vielecke bei einer späteren Grö- von beidem.
ßeneinschätzung entsprechend der Konditionierung entweder Kroeber-Riel (1992) spricht von der emotionalen Konditio-
als groß oder klein erlebt. Weiterhin wurden die „groß“ kon- nierung, der er sowohl Merkmale des Signallernens wie auch der
ditionierten Objekte gleichzeitig auch positiver bewertet (die evaluativen Konditionierung zuschreibt. Zur Einordnung dieses
„klein“ konditionierten allerdings nicht negativer). Auch hier Phänomens meint er: „Es ist müßig, sich darüber zu streiten, ob
zeigen Kontrollanalysen, dass der Konditionierungseffekt auf diese Konditionierung eine ‚echte‘ klassische Konditionierung
die Bedeutung eigenständig ist und nicht auf die Tatsache zu- oder ein modifizierter Lernvorgang ist, der wesentliche Züge der
rückgeht, dass große Objekte positiver bewertet werden. Eher klassischen Konditionierung aufweist“ (S. 127).
schien es umgekehrt zu sein: Der Konditionierungseffekt auf Mit dieser Haltung müssen wir rechnen, wenn wir die An-
die Bewertung verschwindet, wenn man den Effekt auf die Be- wendungen des klassischen Konditionierens auf das Konsumen-
deutung „herausrechnet“. Dieser Befund widerspricht der alten tenverhalten betrachten. Dass der Streit um die tatsächliche Natur
Auffassung, dass die Affekte bei der Einstellungsbildung einen der Prozesse nicht wirklich müßig ist, wird jedoch aus den oben
Vorrang gegenüber den Kognitionen haben (z. B. Zajonc 1980). angedeuteten Unterschieden deutlich. Offenbar sind beide Ver-
Nach den Daten von Glaser und Walther (2013) ist dagegen die fahren für die Anwendung nicht in gleicher Weise interessant.
affektive Reaktion eher so etwas wie ein Nebenprodukt der ko- Vielmehr ist offenbar das evaluative Konditionieren für die Wer-
gnitiven. Dies scheint auch insofern plausibel, als man ja für bung relevanter als das Signallernen: Erstens kommt es ohne die
eine Bewertung erst einmal ein Objekt braucht – man „mag“ Sensibilität für bedingte Wahrscheinlichkeiten aus. Zweitens ist es
ja nicht einfach, sondern man mag „etwas“. Und dieses Etwas resistenter gegen Löschung, und drittens ist es wirklich nur auf das
muss erst einmal repräsentiert sein, bevor von einer Bewertung raumzeitliche Zusammentreffen von konditioniertem und unkon-
die Rede sein kann. Aus dieser Perspektive sind Bewertungen ditioniertem Reiz angewiesen. Zudem ist es ohnehin unplausibel,
auf eine (konzeptionelle) Erkenntnisleistung angewiesen, wie dass das Produkt beim Konditionieren wirklich die Funktion eines
rudimentär und automatisch diese auch immer sein mag (für Signals für den unkonditionierten Stimulus erhält.
ähnliche Argumente siehe ▶ Abschn. 5.2).
Glaser und Walther (2013) betonen allerdings auch, dass in
vielen Situationen die Einstellungsbildung gleichwohl eher von 3.3.1 Bedingungen und Einschränkungen
affektiven als von kognitiven Reaktionen ausgehen könne – es
komme dabei vor allem darauf an, welches Objektmerkmal be- Keine Form des klassischen Konditionierens setzt ein hohes In-
sonders hervorsticht. In vielen Experimenten zum evaluativen volvement voraus. Die Einsicht in den Zusammenhang zwischen
Konditionieren dürften die unkonditionierten Stimuli gerade konditioniertem und unkonditioniertem Stimulus gelingt bereits
so gewählt worden sein, dass ihre Valenz gleichzeitig eines ih- bei geringer gedanklicher Beteiligung – immerhin sind ja auch
rer hervorstechendsten Merkmale ist – und dies dürfte auch für Tiere dazu in der Lage. Die Konsumenten lassen sich auf jeden
Reize gelten, mit denen in der Werbung die Produkte gern ge-
koppelt werden. 1 „Joel S. Dubow, ein für Kommunikationsforschung bei Coca Cola zuständi-
ger Manager […] auf einem Workshop über Werbeforschung …“ (Adverti-
sing Age, 30.1.1984; zit. in Clark 1989, S. 86 f ).
60 Kapitel 3 • Lernen

Fall konditionieren, ob sie sich nun für die Werbung interessieren Wichtigkeit der Reihenfolge seien statische Medien wie Anzeigen
1 oder nicht. für klassisches Konditionieren ungeeignet.
Wie sieht es aber mit den Bedingungen für diese Technik in Auch diese Einschränkung scheint für evaluatives Konditio-
2 der Praxis aus? Konditionierungseffekte sind unter bestimmten nieren weniger zu gelten, immerhin kann man diese Form des
Bedingungen eher zu erwarten als unter anderen. Wie oben be- Konditionierens auch mit gleichzeitiger Präsentation der Sti-
reits mehrfach dargelegt, hat besonders das Signallernen spezielle muli erreichen (z. B. Sweldens et al. 2010). Trotzdem resümiert

-
3 Voraussetzungen: De Houwer (2009), dass generell auch evaluativ konditionierte

4
5
Neuartigkeit des konditionierten Stimulus: Man kann mit
Konditionierungseffekten besonders dann rechnen, wenn
eine Marke neu und noch unbekannt ist. Stuart et al. (1987)
sowie Kroeber-Riel (1992, S. 128 ff) verwendeten in ihren
-
Reaktionen stärker sind, wenn der CS dem US vorausgeht.
Vorhersage des unkonditionierten Stimulus durch den kondi-
tionierten: Der konditionierte Stimulus darf dem unkondi-
tionierten nicht einfach nur vorangehen, er muss ihn regel-
Untersuchungen jeweils unbekannte Phantasiemarken. recht vorhersagen. Die meisten unkonditionierten Stimuli
Meistens sind aber die Produkte bereits bekannt, bevor eine kommen im normalen Leben so oft vor, dass die Werbung
6 Kampagne beginnt. Das ist eigentlich ungünstig. Kondi- große Schwierigkeiten hat, sie als eindeutige Signale für das
tionierungseffekte werden grundsätzlich erschwert, wenn Produkt zu etablieren. Zudem tun sich die Werbungtrei-
7 die Zielpersonen den konditionierten Stimulus vor der ei- benden kaum einen Gefallen, wenn sie in ihre Bildvorlagen
gentlichen Koppelung mit dem angenehmen Reiz bereits in zu viel Abwechslung bringen (Ruge und Andresen 1994).
neutralem Kontext kennen lernen konnten. Dieses Phäno- Um eine wirksame Koppelung von konditioniertem und
8 men nennt man latente Inhibition (Stuart et al. 1987). Damit neutralem Stimulus zu erreichen, sind Gleichmaß und
diese Erschwernis eintritt, genügt es, dass das Produkt nur Wiederholung erforderlich (Kroeber-Riel 1992, S. 132).
9 bekannt ist. Dabei könnte es theoretisch völlig neutral be-
wertet werden. In der Realität wird es aber meistens längst Dieser Punkt ist wie oben schon betont der auffälligste und kon-
10 definitive Assoziationen gegenüber dem Produkt geben. sistenteste Unterschied zwischen evaluativem und Pawlow’schem
Dann ist sogar denkbar, dass die Reaktion auf die Werbung Konditionieren: Evaluativ konditionierte Reaktionen werden
durch das Produkt konditioniert wird und nicht umgekehrt. nicht dadurch beeinträchtigt, dass CS oder US auch ohne den
11 jeweils anderen auftreten (▶ Abschn. 3.2.2.; vgl. auch Hofmann

12
Miller und Allen (2012) sowie Gibson (2008) zeigen jedoch, dass
evaluatives Konditionieren unter bestimmten Bedingungen auch
-
et al. 2010).
Stärke der unkonditionierten Stimuli: Frühere Autoren (z. B.

13 -
mit bereits bekannten Marken funktioniert.
Zuerst der konditionierte, dann der unkonditionierte Stimu-
lus: Um optimale Konditionierungseffekte zu erzielen, sollte
der konditionierte Stimulus vor dem unkonditionierten
Kroeber-Riel 1992, S. 132) gingen noch davon aus, dass
die unkonditionierten Reize wirklich stark sein und unter
die Haut gehen müssen. An einen schwachen Reiz, der
selbst nur schwache Reaktionen auslöst, könne man nichts
14 dargeboten werden. Es sollte also zuerst das Produkt gezeigt koppeln. Diese Ansicht wird allerdings durch Befunde zum
werden und dann der angenehme Reiz folgen. In vielen evaluativen Konditionieren relativiert: In der Untersuchung
15 Werbespots wird diese Reihenfolge umgedreht. Die Produkte von Hammerl und Grabitz (1996) etwa wurde die ästheti-
werden erst gegen Ende gezeigt. Vor allem wird der Marken- sche Wirkung von Statuen und Springbrunnen, also nicht
name erst am Ende genannt. In etlichen Werbespots wird unbedingt sehr aufdringlichen affektiven Stimuli, erfolg-

-
16 ein regelrechtes Spiel um den Zweck der Werbung getrieben. reich konditioniert.
Man spricht in diesem Fall von Mystery Ads, also Spots, Konsistenz der Reize: Eine konditionierte Reaktion ist
17 bei denen bis zum Schluss nicht klar ist, worum es geht. Ich schneller und effizienter zu etablieren, wenn die hierbei be-
will nicht behaupten, dass solche Spots keinen Erfolg haben. nutzten Reize nicht zu stark variieren. Wenn die Werbung
Sie bewähren sich allerdings nur bei neuen Marken (Fazio den Genuss des Produkts zunächst allein zu Hause, dann
18 et al. 1992). Diese Bewährung hat jedoch nicht viel mit im Freundeskreis und schließlich auf einem spannenden
klassischem Konditionieren zu tun. Nach dem Grundgedan- Abenteuerurlaub zeigt, mag das vielleicht eine wichtige
19 ken des klassischen Konditionierens verhindert die falsche Produkteigenschaft kommunizieren, dem Konditionie-
Reihenfolge die Konditionierungseffekte zwar nicht völlig, rungseffekt dient es aber nicht.
20 hat aber eine Dämpfung zur Folge (Stuart et al. 1987).
Nach der Begrifflichkeit von Sweldens et al. (2010) kann man mit
Wie wichtig die Reihenfolge ist, verdeutlicht eindrucksvoll das wechselnden US unter bestimmten Bedingungen eine direkte af-
21 Experiment von Janiszewski und Warlop (1993). Ihre Versuchs- fektive Reaktion konditionieren. Zu diesen Bedingungen gehört
personen sahen die Spots nämlich in verschiedenen Versionen. allerdings auch eine gewisse Mindestkonsistenz. Die unkonditi-
22 Die Reihenfolge der wichtigen Stimuli wurde in ihrem Experi- onierten Stimuli müssen natürlich alle mehr oder weniger das-
ment per Zufall variiert. Es zeigte sich, dass ein Konditionie- selbe ausdrücken, also dieselbe Valenz oder (beim konzeptuellen
23 rungseffekt nur in der Bedingung auftrat, in der das Bild des
Produkts den angenehmen Kontextbildern vorausging (zur Be-
deutung der Reihenfolge vgl. auch Bierley et al. 1985; Kellaris und
Cox 1989). Solomon (1999, S. 75) ist gar der Meinung, wegen der
-
Konditionieren) dieselbe Bedeutung transportieren.
Häufigkeit der Darbietung: Je häufiger die Stimuli dargebo-
ten werden, desto größer ist auch der Konditionierungs-
effekt. Stuart et al. (1987) zeigten ihren Versuchspersonen
3.3  •  Konsumenten als Pawlow’sche Hunde?
61 3

Bilder und das Produkt ein- bis 20-mal. Interessant ist, dass Exkurs 3.1  Positionierung  |       | 
erste Effekte bereits nach einer einmaligen Darbietung auf-
traten. Grundsätzlich ist aber nur eine häufigere Darbietung Der Begriff „Diskriminierung“ hat Ähnlichkeit mit dem Begriff
„Positionierung“, der im Marketing üblich ist. Bei einer gelungenen
wirklich effektiv. Dies resümiert De Houwer (2009, S. 153) Positionierung wird das eigene Angebot anders wahrgenommen
auch für das evaluative Konditionieren, wobei er allerdings als das der Konkurrenz. Misslungen ist die Positionierung dann,
andeutet, dass es möglicherweise auch Obergrenzen der wenn die Angebote als austauschbar erlebt werden. So machen die
Häufigkeit für ein effektives Konditionieren gibt. meisten Konsumenten keinen besonderen Unterschied zwischen
den Kaufhäusern Karstadt oder Kaufhof. Die Positionierung dieser
Angebote ist also noch steigerungsfähig (Ries und Trout 1981;
Die genannten Bedingungen sind in der Werbepraxis keineswegs Kroeber-Riel 1993b, S. 22).
immer erfüllt. Es gibt zusätzliche, eher theoretische Gründe, die Meyer-Hentschel (1996, S. 56) formuliert die „drei ewigen Gesetze“
einer Erklärung von Werbewirkungseffekten über klassisches der Positionierung:
Konditionieren im Wege stehen. Es ist zum Beispiel bekannt, a) Eigenständigkeit: Wenn sowohl in der Werbung für Liz als auch
dass die bloße Vertrautheit mit einem Reiz zu einer positiveren für Vizir gegen Flecken von Fahrradöl gekämpft wird, wird nicht
deutlich, worin die beiden denn verschieden sein sollen.
Einstellung führt (▶ Abschn. 4.7.2). Ein immer wieder gezeigtes b) Einfachheit und Klarheit: „Kompliziertheit ist das Wahrneh-
Produkt hat schon auf Grund dieses Effekts die Chance, angeneh- mungsgrab Nr. 1 der Werbung“ (S. 56). Ein Produktvorteil oder
mere Assoziationen zu wecken. Das bedeutet, dass man Konditio- ein Erlebniswert genügen.
nierungseffekte auch überschätzen kann. Es gibt Einstellungsver- c) Langfristigkeit: Eine Positionierung kann sich nur auf Dauer
besserungen gegenüber dem Produkt, die ganz ohne Koppelung ergeben – und auf Dauer soll sie auch halten. Frühe und häufige
Veränderungen des Marktauftritts füllen nur die Kassen der
mit angenehmen Reizen, nur auf Grund der bloßen Darbietung Werbedesigner, nicht aber die der Auftraggeber. Beeindruckend
zu erwarten gewesen wären. Stuart et al. (1987) konnten zwar ist die Marke Jack Daniels, deren emotionale Positionierung
zeigen, dass ihre Versuchspersonen die positivsten Meinungen seit 40 Jahren unverändert ist und die damit auch noch wirbt
gegenüber dem Produkt hatten, wenn sie es im Zusammenhang (Anzeigentext: „Whiskey maker content with business as usual“).
mit angenehmeren Bildern gesehen hatten. Trotzdem zeigte sich
auch eine leichte Verbesserung der Einstellung nach einer neu-
tralen Darbietung. sinnlos Äußerungen in dieser Allgemeinheit sind. In unserem
Ein Konditionierungseffekt kann auch überschätzt werden, Verhalten zeigen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Be-
wenn man semantisch zu ähnliche Stimuli verwendet. Bedenken zug auf das Pawlow’sche Experiment – und die Gemeinsamkeiten
Sie, dass der spezifische Witz des klassischen Konditionierens sind mitunter beträchtlich.
in der Verknüpfung von Reizen besteht, die eigentlich nichts
miteinander zu tun haben. Wenn der Pawlow’sche Hund auf
den Duft des Fressens hin gesabbert hätte, dann hätte man dazu 3.3.2 „I’ll teach you differences“2
kaum eine neue Theorie formuliert. Die besondere Qualität des
klassischen Konditionierens zeigt sich nur dort, wo völlig unzu- Im Zusammenhang mit Werbung und Konsumentenverhalten
sammenhängende Reize gekoppelt werden. Die Werbung setzt können die Phänomene der Generalisierung und der Diskrimi-
aber zur Aufwertung ihrer Produkte häufig solche Reize ein, die nierung zu Problemen führen. Man wünscht ja beispielsweise
sich ohnehin auf das Produkt beziehen lassen. Die dabei entste- bei der Etablierung einer Markenidentität, dass der Kunde auf
henden kognitiven Verbindungen sind dann aber keine reinen die eigene Identität positiv reagiert, nicht aber auf die konkurrie-
Konditionierungseffekte mehr. So kann man Effekte für Kondi- rende andere. Wenn aber das Auftreten bestimmter Marken sehr
tionierung halten, die in Wirklichkeit nichts weiter als Fälle von ähnlich ist, führt die Generalisierung dazu, dass positive Reakti-
Bedeutungsaktivierung oder schlussfolgerndem Denken sind. onen sowohl auf die eine als auch auf die andere Marke erfolgen.
Stellen wir uns vor, wir wollten die Bewertung eines Sportschuhs So haben Tchibo und Eduscho über lange Zeit ein sehr ähnliches
verbessern. Wir bringen unseren Sportschuh nun mit einem Erscheinungsbild gehabt. Eine Anzeige des einen Unternehmens
populären Sportler in Verbindung. Sollten wir von klassischer war auf den flüchtigen Blick nicht von einer des anderen zu un-
Konditionierung reden, wenn der Sportschuh nach Darbietung terscheiden. Wenn ein neues Produkt einem bereits existierenden
unseres Werbespots besser bewertet wird? Wenn die Konsumen- nachempfunden wird, kann man das als einen Versuch der Kon-
ten die Verbindung zwischen Schuh und Sportler sehen, bringt kurrenz verstehen, die Reizgeneralisierung für sich auszunutzen
das womöglich viel mehr zum Ausdruck, etwa, dass sie glauben, (Kroeber-Riel 1992, S. 330; Pratkanis und Aronson 1992, S. 155).
der Sportler verwende diesen Schuh auch oder, wenigstens, er Die Konkurrenz will gleichsam auf den bereits fahrenden Zug
könne ihn empfehlen. Dies sind bereits kognitive Prozesse hö- aufspringen. Das kann natürlich nicht im Sinne des ursprüngli-
herer Ordnung, die über das assoziative Lernen hinausgehen. chen Anbieters sein. Dieser wünscht sich eher eine genaue Unter-
Es scheint zumindest fraglich, ob man diese Prozesse mit den scheidung zwischen sich selbst und der Konkurrenz. Sein Ziel ist
Begriffen des klassischen Konditionierens noch angemessen eine hinreichende Diskriminierung durch sein Erscheinungsbild.
beschreibt. Volker Nickel, Sprecher des Deutschen Werberats, Der Betrachter soll auf ihn, nicht aber auf andere, die ihm ähnlich
resümiert zu der Frage, ob Werbung vor Kindern zulässig sei: sind, positiv reagieren (siehe auch ▶ Exkurs 3.1).
„Menschen sind keine Pawlow’schen Hunde; sie reagieren an-
ders beim Ertönen eines Glöckchens“ (Nickel 1997, S. 128). Die 2 Shakespeare, True Chronicle Historie of the Life and Death of King Lear, Act I,
vorausgegangene Diskussion hat Ihnen hoffentlich gezeigt, wie Sc. 4, ln. 90 (prose).
62 Kapitel 3 • Lernen

Es ist wohl bereits ein Fall von Reizgeneralisierung, wenn stimmt. Verhalten wird gelernt, wenn es zum Erfolg führt, und
1 die Konsumenten das Produkt B kaufen, wenn A ausverkauft verlernt, wenn der Erfolg ausbleibt. Wenn ich die Erfahrung
ist. Konsumenten entwickeln im Laufe der Zeit und als Ergebnis mache, dass ich mit Höflichkeit weiterkomme, erwerbe ich auf
2 einer Lerngeschichte bestimmte Vorstellungen davon, welches diese Weise höfliches Verhalten. Wenn ich feststelle, dass der er-
Produkt man durch welches ersetzen kann. Dass man zum Bei- wünschte Erfolg ausbleibt, wenn ich eine kleine Puppe von der
spiel auf Gorgonzola zurückgreifen kann, wenn kein Roquefort Gestalt meines Psychologiedozenten über einer Flamme brate
3 zu haben ist, muss man als Konsument genauso lernen wie um- und ihr haarfeine Nadeln in die Herzgegend steche, lasse ich die-
gekehrt die diskriminierende Überzeugung, dass zwischen den ses Verhalten auf Dauer bleiben, ich verlerne es wieder.
4 beiden Käsesorten Welten liegen. Ein frühes Beispiel für operantes Lernen sind die berühm-
Das Ziel der Diskriminierung verlangt deutliche Kontinu- ten Ratten in der Skinner-Box. Die Behavioristen haben gezeigt,
5 ität insbesondere bei den Werbebildern. Wer seine Kampagne dass Ratten lernen können, sich über eine Fütterungsvorrichtung
häufig wechselt, verspielt die Chance einer ausreichenden Reiz- Futter zu beschaffen. Ein spontanes Verhalten, zum Beispiel das
diskriminierung beim Kunden. Das Ergebnis ist vielmehr ein Drücken eines Hebels im Käfig, musste zuverlässig mit einer
6 „Bildersalat“ (Kroeber-Riel 1993a, S. 285 ff) von immer wech- angenehmen Folge, etwa der Vergabe einer Futterpille, verbun-
selnden visuellen Eindrücken. „Viele Kampagnen würden bereits den sein. Wenn eine hinreichend starke Verbindung zwischen
7 erheblich an Wirkung gewinnen, wenn die Zahl der benutzten dem Verhalten und den Konsequenzen bestand, fungierte die
Bildmotive drastisch gekürzt würde, wenn weniger Motive mit Konsequenz als Verstärker für das Verhalten. Die positive Kon-
mehr Frequenz geschaltet würden“ (S. 287). sequenz machte das vorausgehende Verhalten für die Zukunft
8 Bei einer optimalen Diskriminierung hat man sogar die Mög- wahrscheinlicher.
lichkeit, verschiedene Unternehmen eines Verbundes mit dersel- Der Begriff des Verstärkers ist für die Lernpsychologie zen-
9 ben Strategie zu bewerben. Die Volksbanken Raiffeisenbanken tral. Ein Verstärker ist allgemein gesprochen ein Zustand, der
werben beispielsweise unter der Überschrift: „Wir machen den geeignet ist, ein mit ihm verbundenes Verhalten wahrscheinli-
10 Weg frei.“ Als Genossenschaftsbank wirbt derselbe Verbund cher zu machen. Eine typische Art von Verstärkern sind Beloh-
mit dem Slogan: „Wir geben Ihren Ideen Perspektive.“ Als R+V nungen. Ein Verhalten, das belohnt wurde, wird mit größerer
Versicherung, ebenfalls im Verbund mit den Volksbanken Raif- Wahrscheinlichkeit in Zukunft wieder gezeigt als ein Verhalten,
11 feisenbanken, lautet das Motto: „Wir öffnen Horizonte.“ Auch das nicht belohnt wurde. Grundsätzlich kann jede Art von Erfolg
die Bilder zu diesen Werbeinhalten ähneln sich (Kroeber-Riel eines Verhaltens eine Verstärkungsfunktion bekommen. Wenn
12 1993a, S. 281, S. 338). Diese Ähnlichkeit ist Absicht. Hier soll ich ein Produkt kaufe und damit zufrieden bin, wächst damit
über mehrere Angebote hinweg eine Identität vermittelt werden. die Wahrscheinlichkeit, dass ich es in Zukunft wieder kaufe. Der
Auch wenn die eingesetzten Bilder nicht immer besonders „akti- Verstärker ist hier die Zufriedenheit. Auch Lob und Dankbarkeit,
13 vierend“ gewirkt haben, hat diese Kampagne weit besser zu einer die von außen auf ein Verhalten hin gezeigt werden, können das
Erinnerung beim Kunden beigetragen als abwechslungsreiche Verhalten für die Zukunft wahrscheinlicher machen. Carey et al.
14 Kampagnen der Konkurrenzbanken. (1976) versuchten, auf einem solchen Wege Konsumentenverhal-
Nicht nur gegen die Konkurrenz muss sich der Anbieter ten zu beeinflussen: Sie riefen die Kunden einer Einzelhandels-
15 abgrenzen. Eine besondere Herausforderung besteht darin, das kette persönlich an, um ihnen dafür zu danken, dass sie Kunden
eigene Angebot als einzigartig darzustellen, obwohl in der Wahr- seien. Die Verkaufszahlen stiegen daraufhin erheblich.
nehmung des Kunden nichts dafür spricht, dass sich Produkte Wir haben gesehen, dass das Pawlow’sche Konditionieren
16 von verschiedenen Anbietern nennenswert unterscheiden. Ich dem Organismus eine durchaus anspruchsvolle Leistung ab-
erinnere nur an den Slogan des Bananenanbieters Chiquita: verlangt, nämlich die Einsicht in Umweltkontingenzen, also
17 „Nenn nie Chiquita nur ‚Banane‘“. in statistische Zusammenhänge zwischen Ereignissen (▶ Ab-
schn. 3.1.2). Auch das instrumentelle Lernen schafft keine strenge
Reiz-Reaktions-Verbindung, wie es der frühere S-R-Gedanke
18 3.4 Operantes Konditionieren noch nahelegte. Das konditionierte Verhalten beruht vielmehr
auf der gedanklichen Vorwegnahme des Zustands, der mit dem
19 Die meisten Begriffe, die wir oben auf das klassische Konditionie- Auftreten des Verstärkers erreicht wird. Dies zeigt sich im De-
ren angewendet haben, gelten ebenso für das operante Konditio- valuation Effect: Dabei lernt zum Beispiel ein Versuchstier zwei
20 nieren. Auch in dieser Theorie wird ein Verhalten an angenehme unterschiedliche Verhaltensweisen, etwa einen Hebel zu drücken
oder unangenehme Reize gekoppelt. Auch hier kann eine Ge- und eine Kette zu ziehen, die jeweils durch unterschiedliches Fut-
neralisierung des Verhaltens auf ähnliche Reizkategorien statt- ter verstärkt wurden. Wenn das Lernergebnis stabil ist, wird das
21 finden. Auch operant konditioniertes Verhalten kann gelöscht Tier in einen anderen Käfig gebracht, in dem es das gewohnte
werden. Zum operanten Konditionieren machen wir aber eine Futter erhält. Eine der beiden Futterbelohnungen wird mit einer
22 entscheidende Zusatzannahme. Der Organismus wird selbst Substanz versetzt, die Übelkeit erregt, woraufhin das Tier dieses
aktiv. Das erlernte Verhalten wird gezeigt, um die angenehmen Futter meidet, wenn man es ihm anbietet. Dann werden die Tiere
Reize zu erleben. Das bedeutet: Das Verhalten wird gezeigt, noch in den ursprünglichen Käfig zurückgebracht. Wenn die Konditio-
23 bevor die Reize vorliegen, von denen es abhängt. nierung tatsächlich zu einer starren Reiz-Reaktions-Verbindung
Beim operanten Konditionieren bekommt das Verhalten den geführt hätte und das Verhalten sozusagen seinen Belohnungs-
Charakter eines Mittels. Es wird durch seine Konsequenzen be- wert aus sich selbst heraus ziehen würde, dann müssten die Tiere
3.4 • Operantes Konditionieren
63 3

nun wie gewohnt Kette und Hebel betätigen. Tatsächlich aber tes Verhalten wahrscheinlicher zu machen. In ungünstigen Fällen
meiden die Tiere nun dasjenige Verhalten, das mit dem unange- dient die Strafe nur dazu, dass ein Verhalten unter bestimmten
nehmen Futter einhergeht und zeigen nur noch das andere (Col- Umständen unterdrückt wird, nämlich dann, wenn diskrimina-
will und Rescorla 1985). Wohlgemerkt: Sowohl Hebeldrücken tive Hinweisreize dafür sprechen, dass es zu einer Strafe kom-
als auch Kettenziehen sind in dieser Versuchsanordnung stets men kann (siehe hierzu das Beispiel der Gurtbenutzung in ▶ Ab-
verstärkt worden. Dass eine der beiden Belohnungen wertlos schn. 13.2.2). Damit wird das Verhalten lediglich unterdrückt.
ist, haben die Tiere nie im Zusammenhang mit dem Verhalten Verlernt wird ein Verhalten nur dann, wenn die Verstärker aus-
erfahren. Dass sie trotzdem das Verhalten mit unangenehmer bleiben, die es ursprünglich einmal wahrscheinlicher gemacht
Konsequenz meiden, zeigt, dass sie offensichtlich ihr Wissen haben, oder wenn andere, wirksamere Verstärker hinzutreten,
über den Verstärkerwert einer der beiden Konsequenzen, den die nur mit einem veränderten Verhalten erlangt werden kön-
zukünftigen Ekel nutzen. Generell: Auch instrumentelles Lernen nen. Hierzu ein literarisches Beispiel. Goethe plaudert über seine
ist kein stupider Automatismus. Es beruht vielmehr auf einer Art Kindheit und sein Vaterhaus:
von „Affektantizipation“, es verlangt also, dass der Organismus
– Mensch oder Tier – mental vorwegnimmt, wie sich die Konse- » Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen düstere Beschaffen-
quenzen des Verhaltens anfühlen werden. heit des Hauses war […] geeignet, Schauer und Furcht in
kindlichen Gemütern zu erwecken. Unglücklicherweise hatte
man noch die Erziehungsmaxime, den Kindern frühzeitig
3.4.1 Zentrale Begriffe des Konditionierens II: alle Furcht vor dem Ahndungsvollen und Unsichtbaren zu
Operantes Konditionieren benehmen und sie an das Schauderhafte zu gewöhnen. Wir
Kinder sollten daher allein schlafen, und wenn uns dieses
Wir wollen mit einigen Begriffsklärungen fortfahren, die die unmöglich fiel und wir uns sacht aus den Betten hervormach-
oben vorgestellten Konzepte ergänzen sollen. Die meisten Be- ten und die Gesellschaft der Bedienten und Mägde suchten,
griffe lassen sich sowohl auf operantes als auch auf klassisches so stellte sich, in ungewandtem Schlafrock und also für uns
Konditionieren anwenden. verkleidet genug, der Vater in den Weg und schreckte uns
Den Begriff des Verstärkers müssen wir spezifizieren. Ich habe in unsere Ruhestätte zurück. Die daraus entspringende üble
gesagt, dass diejenigen Reize, die die Auftretenswahrscheinlich- Wirkung denkt sich jedermann. Wie soll derjenige die Furcht
keit eines Verhaltens erhöhen, Verstärker genannt werden. Ein los werden, den man zwischen ein doppeltes Furchtbares
solcher Reiz ist nicht nur die Bereitstellung eines positiven Zu- einklemmt? Meine Mutter […] erfand eine bessere pädago-
stands, sondern auch der Wegfall eines negativen Zustands. Wenn gische Auskunft. Sie wußte ihren Zweck durch Belohnungen
ich eine Tablette nehme und meine Kopfschmerzen verschwin- zu erreichen. Es war die Zeit von Pfirsichen, deren reichlichen
den, dann verstärkt der Reiz „Schmerzlinderung“ das Verhalten Genuß sie uns jeden Morgen versprach, wenn wir nachts die
„Einnehmen der Tablette“. Diesen Fall der Verstärkung, bei dem Furcht überwunden hätten. Es gelang, und beide Teile waren
ein negativer Zustand ausgeräumt wird, nennt man negative Ver- zufrieden. (Dichtung und Wahrheit, Erster Teil, Erstes Buch.
stärkung. Der Begriff der negativen Verstärkung stellt eines der Zitiert nach der Münchner Ausgabe, Hanser 1985. S. 16 f )
traurigsten Beispiele psychologischer Terminologie dar. Kaum
ein anderer psychologischer Fachterminus wird so häufig falsch Die Kinder hatten offenbar ein Vermeidungsverhalten gelernt.
verwendet wie „negative Verstärkung“. In aller Regel wird nega- Das nächtliche Verschwinden aus dem Bett ist durch die Lin-
tive Verstärkung mit Bestrafung verwechselt. Unter Bestrafung derung der Furcht negativ verstärkt worden. Das Ziel war nun,
versteht man einen aversiven Reiz, der einem Verhalten folgt. Ein dieses Verhalten zu löschen. Einen Strafreiz zu setzen, erwies
negativer Verstärker ist dagegen auf jeden Fall ein angenehmer sich aber nicht als effektiv. Die Kinder konnten nicht anders,
Reiz, sonst hieße er nämlich nicht Verstärker. Negativ ist der ne- als verstört zu reagieren. Erst als die Verhaltensalternative, das
gative Verstärker nicht deswegen, weil er unangenehm wäre, son- Verbleiben im Bett, mit angenehmen Konsequenzen gekoppelt
dern weil er im Verschwinden eines Zustands besteht. Das Bereit- wurde, hatte der Erziehungsplan Erfolg.
stellen eines angenehmen Zustands, etwa durch eine Belohnung, Eine weitere Spezifikation des Verstärker-Begriffs: Zunächst
wird demzufolge auch häufig positive Verstärkung genannt. Ein denkt man bei Verstärkern besonders an diejenigen Dinge, die
Produktkauf kann eine negative Verstärkung sein, wenn dadurch unzweifelhaft positiv erlebt werden. Damit können eigentlich nur
ein quälendes Gefühl gelindert oder ein Bedürfnis gestillt wird. solche Dinge gemeint sein, die in der Lage sind, Triebe zu befrie-
So unterscheiden zum Beispiel Rossiter und Percy (1987) „zwei digen und Spannungszustände zu beseitigen. Wir wissen aber,
Sorten von Benefits“, die von einem Produkt ausgehen können, dass auch Dinge Verstärkungswert besitzen, die nicht unmittel-
einmal mit einem „negativen Touch“ – hier wird ein Problem be- bar auf das menschliche Wohlbefinden bezogen werden können,
seitigt –, einmal mit einem „positiven Touch“ – hier erleben wir zum Beispiel einen Orden zu bekommen oder in der Zeitung
durch den Kauf eine „Anreicherung“. Eine solche Kategorisierung erwähnt zu werden (Pallak et al. 1980). Solche Dinge haben ihre
entspricht der von positiver und negativer Verstärkung. Bedeutung als Verstärker nur erborgt, indem sie selbst wieder mit
Noch einige Worte zum Begriff der Bestrafung: Strafreize echten Verstärkern gekoppelt sind. Die Lernpsychologie spricht
spielen in der Theorie des operanten Konditionierens keine be- von primären und sekundären Verstärkern (Bredenkamp und
sonders dominante Rolle (z. B. Edelmann 2000). Das liegt unter Wippich 1977, Bd. I, S. 69 ff). Sekundäre Verstärker gewinnen
anderem daran, dass Strafreize nicht geeignet sind, ein bestimm- ihre Verstärkungswirkung aus ihrer Koppelung mit primären
64 Kapitel 3 • Lernen

Verstärkern. Der typische sekundäre Verstärker ist Geld. Geld tieleistungen, Prämien und dergleichen wären demnach positive
1 kann man nicht essen, es riecht nicht besonders gut, es bringt Verstärker; Rabatte, Preisnachlässe oder günstige Leasing-Ange-
einen nicht zum Lachen, es hat eigentlich aus sich heraus keine bote wären negative Verstärker (weil sie die unangenehme Seite
2 Eigenschaften, die es besonders erstrebenswert machen. Es wirkt des Kaufs, die Bezahlung, abmildern). Mowen und Minor (1998,
nur deshalb als Verstärker, weil es Mittel zu anderen Verstärkern S. 139) zitieren eine Praxis von Chrysler. Der Autokonzern bot
sein kann. Würde es diese Mittelfunktion verlieren wie zum Bei- in den Jahren der Rezession von 1980 bis 1982 seinen Kunden
3 spiel ein Geldschein aus der Inflationszeit, dann würde auch sein 25 Dollar, wenn sie zu einer Probefahrt bereit waren.
Verstärkercharakter verloren gehen. Hierbei ist allerdings der Unterschied zwischen einem Anreiz
4 In Experimenten werden sekundäre Verstärker geschaffen, und einem Verstärker zu beachten: Streng genommen fungieren
indem sie die primären Verstärker zuverlässig ankündigen. Stel- die genannten Beispiele in erster Linie als Anreiz, denn sie entfal-
5 len wir uns vor, eine Ratte lernt, einen Hebel zu drücken, um ten ihre Wirksamkeit bereits, bevor das (Kauf-)Verhalten gezeigt
eine Futterpille zu erhalten. In einem weiteren Schritt wird ihr wird. Verstärker sind sie dann, wenn sie auf das Verhalten folgen
beigebracht, dass das Drücken des Hebels nur dann sinnvoll ist, und damit in Zukunft dessen Auftretenswahrscheinlichkeit erhö-
6 wenn sie einen bestimmten Ton hört. Ohne Ton ist das Hebel- hen. So gesehen kann natürlich ein Anreiz auch gleichzeitig ein
drücken sinnlos, es kommt kein Futter. Der Ton dient der Ratte Verstärker sein, so dass eine Unterscheidung müßig erscheint.
7 als diskriminativer Hinweisreiz, der ihr zuverlässig ankündigt, Allerdings gibt es sehr häufig Verstärker, die keine Anreize sind,
wann der primäre Verstärker zu haben ist. Stellen wir uns nun nämlich immer dann, wenn ein Verhalten eine positive Konse-
weiter vor, der Ton könnte seinerseits dadurch erzeugt werden, quenz hat, ohne dass diese Konsequenz bereits vorher zu dem
8 dass die Ratte eine bestimmte Route in ihrem Käfig läuft. Wenn Verhalten motiviert hätte. Wenn ich etwa verschiedene Kaffee-
die Ratte nun auch lernt, diese Route zu laufen, dann können sorten ausprobiere, ist die Qualität der besten Sorte ein Verstär-
9 wir sagen, der Ton habe Verstärkungswert erhalten. Am Ende ker für den Kauf, sie war aber nicht gleichzeitig ein Anreiz dafür.
der Route steht ja, wie wir gesagt haben, nicht die Futterpille, Umgekehrt gibt es auch Anreize, die keine Verstärker sind.
10 sondern eben nur der Ton. Es steht also für das Ablaufen der Wenn ich in einer Lotterie spiele, ist der mögliche Gewinn ein
Route nur eine „Belohnung“ zur Verfügung, die auf eine andere Anreiz für meine Beteiligung; ein Verstärker ist er aber nur, wenn
Belohnung verweist. ich auch wirklich gewinne.
11 Allgemein gesagt: Wir haben die Ratte dahin gebracht, dass Wie Sie sehen, kann man sich auch hier – wie beim klassi-
sie schon bei dem Ton „Hurra“ schreit, obwohl sie doch den Ton schen Konditionieren – zunächst fragen, wann der Mechanismus
12 nicht essen kann. Der Ton ist aber zuvor wirkungsvoll mit dem des instrumentellen Lernens überhaupt wirksam war und wann
primären Verstärker Futterpille gekoppelt worden. Da nimmt die andere Regeln hinter einem Verhalten stehen.
Ratte schon einige Mühen auf sich, um den Ton zu hören. Den Da für das instrumentelle Lernen der Organismus selbst
13 Ton kann man nun seinerseits wieder an einen diskriminativen aktiv werden muss, halten sich die Anwendungsmöglichkeiten
Hinweisreiz koppeln, zum Beispiel das Aufleuchten eines klei- bei passiv rezipierter Werbung eher in Grenzen. Allenfalls wird
14 nen Lämpchens. Wenn diese Koppelung gelungen ist, so dass man sagen können, dass jedes Verhalten, das der Konsument in
der Ton in Zukunft mit diesem Lämpchen assoziiert ist, dann der erwünschten Richtung zeigt, auch verstärkt werden sollte.
15 wird es auch gelingen, der Ratte ein bestimmtes Verhalten bei- So sollte ein Kunde, der sich für Werbung interessiert, nicht
zubringen, das ihr am Ende das Lämpchen beschert – und so frustriert werden. Das Anschauen von Werbung soll mit ange-
fort (Bredenkamp und Wippich 1977, Bd. I, S. 70). So kann man nehmen Konsequenzen einhergehen, zum Beispiel einem hohen
16 im Tierexperiment bereits alle möglichen Reize zu Verstärkern Unterhaltungswert und geringer Anstrengung, und darf nicht
machen. Die dabei erzeugten Verhaltensweisen sind durchaus aversiv erlebt werden, etwa wegen hässlicher oder furchteinflö-
17 stabil. Unsere Ratte wird die Wertschätzung des Tons und des ßender Bilder (▶ Abschn. 18.1). Der Punkt ist, dass aversive Wer-
Lämpchens über eine nennenswerte Frist hinweg beibehalten. bung, die also in gewissem Sinne das Anschauen von Werbung
Bei Menschen kann man über einen ähnlichen Weg beliebige „bestraft“, nicht der einzige Fehler ist, den man im Sinne des
18 Reize an andere koppeln. Beispielsweise werden in psychologi- operanten Konditionierens begehen kann. Das Ausbleiben von
schen Lernexperimenten gelegentlich keine echten Belohnungen, Verstärkern ist für den Lernerfolg bereits genauso verheerend wie
19 sondern lediglich Märkchen eingesetzt, die gleichsam sinnbild- das Einsetzen von Strafreizen.
lich für eine Belohnung stehen. Man spricht hierbei von token Neuere Computertechnologien geben den Rezipienten der
20 reinforcement (Bredenkamp und Wippich 1977, Bd. I, S. 72 f). Werbung mehr Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme und er-
möglichen daher auch Anreiz- bzw. Verstärkersysteme: So stellte
die Münchner Internetfirma J-Point ihren Adressaten Werbe-
21 3.4.2 Die Bedeutung des operanten spots in Form von kleinen Dateien zur Verfügung. Das Abspielen
Konditionierens für das dieser Dateien auf dem Rechner wurde mit Punkten honoriert,
22 Konsumentenverhalten die später in einem Bonus-Shop eingelöst werden konnten
(W&V 29/2000, S. 44).
Welche Rolle spielt das operante Konditionieren im Konsumen- Der nächste Punkt, in dem das operante Konditionieren
23 tenverhalten? Auf den ersten Blick kommen als Beispiele alle Vorhersagen macht, erscheint ebenfalls weitgehend trivial: Der
Situationen in Frage, in denen das Marketing mit Anreizen ar- Kunde darf vom Produkt nicht enttäuscht werden. Dies würde
beitet (z. B. ▶ Abschn. 1.2.1). Eine Dreingabe, besondere Garan- bedeuten, dass das Kaufverhalten nicht verstärkt wurde. Eine
3.4 • Operantes Konditionieren
65 3

Wiederholung des Verhaltens würde dementsprechend un- Stellen wir uns ein Deo vor (nehmen Sie hierzu etwa den
wahrscheinlich. Somit stellt die Theorie des operanten Konditi- Axe-Effekt; siehe auch . Abb. 15.1). In der Werbung lernt der
onierens ein Modell bereit, mit dem man Markentreue erklären duftende Träger dieses Deos tolle Frauen kennen. Die Aufmerk-
könnte (für einen Überblick vgl. Kroeber-Riel 1992, S. 335 f; für samkeit attraktiver Frauen kann für die Zielgruppe als ein primä-
einen konkurrierenden Erklärungsansatz siehe aber ▶ Kap. 11). rer Verstärker angesehen werden. Dem Deo wird in der Werbung
Der Mechanismus der negativen Verstärkung ist möglicher- der Charakter eines Mittels zu diesem Ziel unterstellt. Aber seien
weise für die Stabilität von risikoaversivem Verhalten mitverant- wir ehrlich: Glauben wir im Ernst, der Käufer wollte mit dem
wortlich. So wie das Kneifen vor der Klausur durch den Wegfall Deo tatsächlich die Frauen aus der Werbung erobern? Glauben
der Prüfungsangst negativ verstärkt wird, so wird vielleicht auch wir überhaupt, er denke beim Kauf noch an die Frauen? Es ist
das Meiden subjektiv riskanter Entscheidungen verstärkt durch keine sehr schmeichelhafte Erwartung an die Intelligenz der
den Wegfall von anderen Ängsten. Subjektiv riskant könnte zum Konsumenten, wenn man unterstellt, sie würden Werbeaussa-
Beispiel eine bestimmte Geldanlage sein, aber auch der Wechsel gen wörtlich nehmen. Wer überhaupt glaubt, die Werbung setze
von einem Produkt zum anderen. Wird man nun mit einer sol- die angenehmen Reize, die sie als Anreize zum Kauf einsetzt,
chen Option konfrontiert, lässt sie sich durch den Kopf gehen muss sich diese Wirkung schon stark vermittelt vorstellen. Wenn
und macht sich Sorgen, ob das wohl richtig ist, dann ist die Op- sich unser Deo-Kunde das Produkt im Ernst im Hinblick auf das
tion, alles beim Alten zu belassen, dank der allgemein mensch- Werbeversprechen „Aufmerksamkeit attraktiver Frauen“ gekauft
lichen Risikoaversion besonders mit dem Gefühl der Erleich- hätte, dann würde er nie und nimmer eine zweite Flasche kau-
terung verbunden. Solche Verhaltensmuster sind erschreckend fen. Eine theoretisch plausible Art, wie der primäre Verstärker
stabil, weil sie praktisch immer dadurch verstärkt werden, dass auf das Kaufverhalten wirken könnte, wäre vielleicht in der Tat
man sich nicht verhält. die Wirkung eines sekundären Verstärkers. Der Käufer des Deos
Strafreize müssen natürlich ganz ausbleiben. „Strafen“ könnte hätte dann zwar über die Assoziation mit attraktiven Frauen das
im Konsumzusammenhang nicht nur darin bestehen, dass das Produkt schätzen gelernt. Es wäre aber das Produkt selbst, das
Produkt nicht hält, was sich der Konsument davon versprochen er schätzt. Das Produkt zu besitzen, wäre ihm Belohnung genug.
hat. Ebenso bestrafend mag es empfunden werden, wenn das
Produkt im Freundeskreis belächelt wird, der Verkäufer taktlose
Bemerkungen macht oder das Produkt nicht vorrätig ist, wenn
man es nochmals kaufen will (Mowen und Minor 1998, S. 140 f).
Dies sind verhältnismäßig einfache Ableitungen aus der
Theorie des operanten Konditionierens für das Konsumenten-
verhalten. Unsere Ausführungen zu sekundären Verstärkern
scheinen dagegen mehr abzuwerfen. Folgende gewagte These
wäre zu erwägen: Kann man Werbewirkung so beschreiben,
dass sie das Produkt zu einem sekundären Verstärker macht?
Was würde diese Beschreibung bedeuten? Ein sekundärer Ver-
stärker ist eigentlich mehr als nur ein Platzhalter für den primä-
ren. Wenn zunächst das Verhalten eigentlich auf den primären
Verstärker gerichtet war, dann wird in der Folge, wenn tatsäch-
lich ein sekundärer Verstärker geschaffen wurde, ein Verhalten
um dieses sekundären Verstärkers willen gezeigt. Im optimalen
Falle wird der sekundäre Verstärker also um seiner selbst willen
angestrebt. Hinsichtlich des Geldes wirkt diese Sicht plausibel:
Die meisten Menschen müssen nicht an das denken, was sie mit
dem Geld kaufen wollen, um durch Geld motiviert zu werden.
Geld an sich, obwohl es doch ganz sicher kein primärer Ver-
stärker ist, kann ohne Bedenken eingesetzt werden, um damit
bestimmte Verhaltensweisen wahrscheinlicher und andere un-
wahrscheinlicher zu machen. Könnte man sich nicht Werbe-
wirkung so vorstellen? Das würde nämlich bedeuten, dass man
dem Konsumenten gar nicht unterstellen müsste, er wolle mit
dem Produkt die primären Verstärker erlangen. Das Produkt
wurde als Hinweisreiz für diese Verstärker so effektiv eingesetzt,
dass es einen ganz eigenen Wert gewonnen hat. Der Konsument
fragt nicht mehr nach der Assoziation mit den primären Ver-
stärkern. Diese Verknüpfung hat er längst hinter sich gelassen.
Ihm geht es nur noch um das Produkt selbst, das er schätzen
gelernt hat, so wie wir das Geld und die Ratten den Ton schätzen
gelernt haben.
67 4

Gedächtnis
Georg Felser

4.1 Der Gebrauch des Gedächtnisses – was gehört dazu?  –  68


4.2 Encodierung und Abruf  –  69
4.2.1 Encodierungsspezifität – 69
4.2.2 Bildüberlegenheitseffekt – 70
4.2.3 Effekte der Verarbeitungstiefe – 70
4.2.4 Die Interaktion von Codierung und Abruf  –  71
4.2.5 Vergessen und Interferenzeffekte  –  72

4.3 Erinnerung und Rekonstruktion  –  73


4.3.1 Zur Beeinflussbarkeit des Gedächtnisses  –  74
4.3.2 Eindringlinge im Gedächtnis  –  75
4.3.3 Konstruktionen und ein „gutes“ Gedächtnis  –  76

4.4 Das Speichermodell des Gedächtnisses  –  77


4.4.1 Sensorischer Speicher – 77
4.4.2 Arbeitsspeicher – 77
4.4.3 Langzeitspeicher – 78

4.5 Die Organisation von Gedächtnisinhalten  –  78


4.6 Serielle Effekte bei der Codierung  –  79
4.6.1 Primacy- und Recency-Effekt  –  79
4.6.2 Die Nennung des Markennamens innerhalb des Spots  –  80

4.7 Implizites Erinnern und der Mere-Exposure-Effekt – 81


4.7.1 Effekte des impliziten Erinnerns  –  81
4.7.2 Der Effekt der bloßen Darbietung: Mere-Exposure-Effekt  –  82
4.7.3 Anwendung auf die Werbung  –  83

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
68 Kapitel 4 • Gedächtnis

Zusammenfassung: Die S-R-Theorien (▶ Abschn. 1.3.1) haben gezielt vermieden,


1 1. Eine erfolgreiche Erinnerung hängt in erster Linie von dem Aussagen über die vermittelnden Prozesse zu machen, die zwi-
Ausmaß ab, in dem sich die Situation des Abspeicherns bzw. schen Verhalten und Reiz treten. Die meisten aktuellen An-
2 Encodierens und die des Abrufs entsprechen. Daher ist es auch sätze in der Lernpsychologie stellen sich im Unterschied zu den
möglich, dass die selbe Information in der einen Situation ab- S-R-Theorien die Frage, wie die lernenden Subjekte Informatio-
gerufen werden kann und in der anderen nicht. nen verarbeiten und wie diese später repräsentiert sind. Fragen
3 2. Bildhafte Informationen werden in vielen Situationen besser wir uns also im Folgenden nicht allein, wie ein bestimmtes Ver-
behalten als abstrakte, denn sie können sowohl eine bildhafte halten erworben, sondern auch, wie das dazugehörige Wissen
4 als auch eine begrifflich-abstrakte Repräsentationsform nutzen. verarbeitet, gespeichert und wieder abgerufen wird.
Abstrakte Informationen sind demgegenüber nur auf eine ein-
5 zige Weise repräsentiert. Allerdings gilt auch dieser Bildüberle-
4.1 Der Gebrauch des Gedächtnisses – was
genheitseffekt nur, wenn Encodierungs- und Abrufbedingungen
einander entsprechen. Es gibt keine Art von Information, die gehört dazu?
6 unabhängig von dieser Bedingung aus sich heraus bereits bes-
ser erinnert würde. Um zu sagen, dass jemand das Gedächtnis benutzt, braucht man
7 3. Abrufprozesse nutzen eine netzwerkartige Organisation ver- nur anzunehmen, dass eine Information abgerufen wird, der
schiedener Inhalte im Gedächtnis. Zwischen verschiedenen Kno- die Person zuvor irgendwann einmal begegnet ist und die da-
bei verarbeitet, eingespeichert oder besser encodiert wurde. Alle
8 tenpunkten der Informationen bestehen assoziative Verbindun-
gen. Verbunden sind Informationen, die von ihrer Bedeutung anderen Annahmen sind sekundär und betreffen bestimmte For-
her ähnlich sind, die raumzeitlich aufeinander bezogen oder mit men des Gebrauchs oder bestimmte Modellvorstellungen zum
9 ähnlichen Emotionen verbunden sind. Die Aktivierung eines der Gedächtnis.
Knotenpunkte im Netzwerk hat die Aktivierung der verbunde- Welche sind solche sekundären Annahmen? Nun, sie kön-
10 nen Informationen zur Folge. nen zum Beispiel die Frage betreffen, ob mit oder ohne Absicht
4. Das Phänomen des Vergessens beruht in den meisten Fällen encodiert wurde. Meine Einkaufsliste vom Wochenende wollte
nicht auf dem Löschen oder dem Zerfall von Gedächtnisspuren, ich mir einprägen, den Werbeslogan für das Waschmittel ei-
11 sondern auf Problemen beim Zugriff auf vorhandene Informati- gentlich nicht. Abrufen kann ich beides – und auch hier stellt
onen. sich erneut die Frage: Habe ich die Absicht zum Abruf, oder
12 5. Informationen, die auf die eigene Person bezogen sind, werden kommt die Information automatisch, ohne dass ich nach ihr
normalerweise leichter erinnert. Das Gleiche gilt für Informatio- suche. Für Einkaufsliste wie Slogan kann man sich beides vor-
stellen.
13 nen, die man selbst generiert hat.
6. Bei der seriellen Darbietung von Informationen werden die ers- Die Beispiele zeigen, dass man natürlich auch dann von ei-
ten und die letzten Informationen am besten behalten. nem Gebrauch des Gedächtnisses ausgeht, wenn die jeweilige
14 7. Erinnerungsleistungen sind stets konstruktiv zu verstehen. Person gar nicht die Absicht dazu hatte. Auch das Gefühl, sich
Umgebungsreize und unsere Ziele beim Abruf geben uns „Ab- zu erinnern, ist verhältnismäßig unwichtig und gilt nur für ei-
15 rufschlüssel“, die als Erinnerungshilfe unterschiedlich hilfreich nen Teil unserer Gedächtnisleistungen (Näheres hierzu in ▶ Ab-
sind. Aus diesen meist lückenhaften Informationen rekonstru- schn. 4.3, insbesondere in ▶ Exkurs 4.1).
ieren wir eine plausible Version der Vergangenheit. Wir unter- Von größerer Bedeutung dagegen ist, wie sich Gedächtnis-
16 schätzen unsere konstruktive Leistung beim Erinnern leicht, weil leistung zeigt. Was bedeutet es, wenn ich sage, ich erinnere mich
wir eine Rekonstruktion nur dann eindeutig als solche erkennen, an eine bestimmte Werbung? Das kann zum Beispiel heißen,
17 wenn sie falsch ist. dass ich mich frei an bestimmte Inhalte der Werbung, an be-
8. Ob man sich an eine Sache erinnert und sie für zutreffend hält, stimmte Spots und Marken erinnere. Diese Erinnerungsleistung
heißt freies Erinnern, (free recall). Die Ergebnisse hinsichtlich
18 hängt davon ab, dass sie häufig präsentiert wurde und gut in ein
Schemabild passt. Sind diese Bedingungen erfüllt, dann steigert des freien Erinnerns sind in der Werbewirkungsforschung in der
dies allein bereits die Wahrscheinlichkeit, dass ein bloßer Sach- Regel ernüchternd: Meyer-Hentschel (1996, S. 78) zitiert Ergeb-
19 verhalt – ganz unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen nisse von Leo Borgart, der über Jahrzehnte Zuschauer nach dem
– später akzeptiert bzw. für wahr gehalten wird. Betrachten von Werbeblocks zum freien Erinnern aufgefordert
20 9. Auch Informationen, die wir nur beiläufig aufgenommen haben, hatte. Selbst den zuletzt gesehenen Spot konnten 1965 nur 18 %
hinterlassen Spuren in unserem Gedächtnis. Diese Spuren kön- erinnern. Diese Zahl sei 1971 bereits auf zwölf, 1981 dann auf
nen spätere Informationsverarbeitung beeinflussen, ohne dass 7 % geschrumpft. Mitte der 1990er Jahre habe der Wert dann
21 wir diesen Einfluss bemerken. allenfalls noch bei 3 % gelegen. Schimansky (1999, S. 125) stellt
10. Besonders häufig wirkt eine frühere Informationsverarbeitung fest: „Unmittelbar nach einem Werbeblock können sich drei von
22 auf unsere Werturteile: Wir geben gegenüber solchen Infor- zehn Zuschauern an keinen einzigen Spot erinnern; die restli-
mationen, die wir schon einmal verarbeitet haben, günstigere chen sieben erinnern sich zwar dunkel an eine Marke, aber drei
von ihnen an die falsche.“
23 Werturteile ab. Dieser Mere-Exposure-Effekt ist besonders stark,
wenn wir uns an die früheren Darbietungen nicht erinnern. Da „Erinnern“ kann aber auch heißen, dass ich auf bestimmte
Werbung sehr häufig nur beiläufig aufgenommen wird, kann sie Hinweise, auf Kontextreize, die in der Werbung vorkamen, im
von dem Mere-Exposure-Effekt sehr profitieren. Sinne der Werbebotschaft reagiere. Diese Erinnerungsleistung
4.2  •  Encodierung und Abruf
69 4

nennen wir unterstütztes Erinnern, (aided- oder cued recall). 4.2 Encodierung und Abruf
Stellen wir uns vor, in einer Reihe von Spots kam die Werbung
für Clausthaler-Bier vor. Im freien Erinnern würden wir von 4.2.1 Encodierungsspezifität
einer Versuchsperson erwarten, dass sie beim Aufzählen des-
sen, was sie gesehen hat, irgendwann auch einmal die Claustha- Für das Gedächtnis sind also vor allem Encodierung und Abruf
ler-Werbung nennt. Beim unterstützten Erinnern würden wir wesentlich. Welche Rolle diese beiden Faktoren beim Gedächtnis
ihr einen Hinweis geben, zum Beispiel indem wir sagen „Nicht haben, illustriert das folgende auch von Gedächtnisforschern viel
immer …“, und dann schauen, ob sie daraufhin den Slogan pro- zitierte Beispiel: Marcel will sich erinnern. Wie war das damals?
duziert, vor allem aber, ob sie dann auch den richtigen Namen Nun tunkt er seinen Keks in den Tee. Den Rest erzählt er uns
nennt. lieber selbst:
In der Gedächtnis- wie in der Werbewirkungsforschung wird
zudem sehr häufig der Wiedererkennungstest eingesetzt (Kro- » In der Sekunde, wo dieser mit dem Kuchengeschmack ge-
eber-Riel 1992, S. 363 f.; Moser 1990, S. 56 f.; siehe auch 21.3.2). mischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zu-
Dabei geht es darum, von bestimmten Vorlagen zu entscheiden, sammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches,
ob man sie schon einmal gesehen hat oder nicht. das sich in mir vollzog […] Und dann war mit einem Male die
Eine einfache theoretische Idee geht davon aus, dass das Wie- Erinnerung da. Der Geschmack war der jener Madeleine1, die
dererkennen ein Teilprozess des freien Erinnerns ist: Beim freien mir am Sonntagmorgen […] meine Tante Léonie anbot […]
Erinnern würden in einem ersten Schritt Informationen gene- Sobald ich den Geschmack jener Madeleine wiedererkannt
riert, und in einem zweiten würde von diesen generierten Infor- hatte, die meine Tante mir, in Lindenblütentee eingetaucht,
mationen entschieden, ob sie vorher vorkamen oder nicht. Das zu verabfolgen pflegte […] trat das graue Haus mit seiner
Wiedererkennen würde nach dieser Idee nur aus dem zweiten Straßenfront […] hinzu […] und mit dem Hause die Stadt,
Schritt bestehen, denn die Information müsste ja nicht generiert der Platz, auf den man mich vor dem Mittagessen schickte,
werden, sondern läge schon vor. Allerdings kann es durchaus die Straßen, die ich von morgens bis abends und bei jeder
vorkommen, dass eine Information zwar frei erinnert, aber nicht Witterung durchmaß … (Proust 1979, S. 63–67)
wiedererkannt wird (Wiedererkennungsfehler; Groome 1999)
oder dass anderes Material wiedererkannt als frei erinnert wird Die Proust’sche Erinnerungshilfe beruht auf der Tatsache, dass
(für einen Nachweis im Bereich der Werbung vgl. du Plessis beim Codieren von Informationen eine ganze Reihe von Begleit-
1994). Solche Phänomene könnten darauf hindeuten, dass für oder Kontextinformationen mitcodiert werden. Diese Kontex-
recall und recognition möglicherweise unterschiedliche kogni- tinformationen – im Beispiel der Geschmack eines bestimmten
tive Prozesse verantwortlich sind. In ▶ Abschn. 4.2.4 wird jedoch Gebäcks – sind später wertvolle Erinnerungshilfen. Die Erinne-
ein anderer Ansatz vertreten. Danach hängt jede Gedächtnis- rung gelingt dann am besten, wenn die Bedingungen, die bei der
leistung von den Situationsinformationen ab, die mehr oder Codierung vorgelegen haben, auch beim Abruf wieder realisiert
weniger brauchbare Abrufschlüssel (cues, Wentura und Frings werden. Dieses Prinzip bezeichnet man als Encodierungsspezi-
2013, S. 109) bereitstellen (Neath und Surprenant 2005, S. 226). fität (Tulving und Thomson 1973; vgl. auch Tulving 1983; An-
Beim Wiedererkennen ist der Stimulus selbst der cue, beim freien derson 2001, S. 231).
Erinnern sind es die Situationsinformationen einschließlich der Wir kennen dieses Phänomen aus dem Alltag sehr gut. Wenn
Fragestellung, die zur Erinnerung führt. wir uns an eine bestimmte Episode erinnern wollen, versuchen
Die bisher geschilderten Beispiele würde man als direkte wir, uns so genau wie möglich die Kontexte vorzustellen, in denen
Gedächtnistests bezeichnen. In der Gedächtnisforschung sind wir die Informationen aufgenommen haben. Diese Kontextinfor-
allerdings auch ganz andere Verfahren üblich. Eines könnte da- mationen sind oft völlig nebensächlich, etwa die Stelle auf einer
rin bestehen, dass man Ihnen in der Encodierungsbedingung Buchseite, wo die Antwort auf eine Prüfungsfrage gestanden hat,
eine Liste von Markennamen präsentiert und in der Abrufbe- oder das Tropfen des Wasserhahns, während man Vokabeln ge-
dingung nicht etwa danach fragt, welche Markennamen in der lernt hat. Es müssen keine sinnvollen Verknüpfungen zwischen
früher präsentierten Liste vorkamen, sondern Ihnen stattdessen den Kontexten und der eigentlichen Zielinformation bestehen.
Wortfragmente vorlegt, die Sie zu sinnvollen Wörtern ergänzen Es geht auch nicht allein um sachliche Informationen, die bei der
sollen. Wenn nun ein Teil dieser Wortfragmente zu den zuvor Informationsaufnahme gegeben waren. Auch Stimmungen, die
präsentierten Markennamen ergänzt werden kann und Sie diesen sowohl bei der Aufnahme als auch später beim Abruf vorliegen,
Teil auch häufiger lösen als die anderen Wortfragmente, kann können die Gedächtnisleistung verbessern (Bower et al. 1981).
dies als Hinweis gewertet werden, dass Sie die Markennamen Doch man muss daran denken, dass es um Encodierungs-
noch erinnern können. Solche eher indirekten Tests für die Ge- spezifität geht, das heißt, die Kontextbedingungen müssen für
dächtnisleistung sind in der Werbewirkungsforschung noch eher den Gedächtnisinhalt spezifisch sein. Bemühen wir noch einmal
selten (für Ausnahmen vgl. z. B. Krishnan und Shapiro 1996; Yoo unser literarisches Beispiel: „Der Anblick jener Madeleine hatte
2008). In der Grundlagenforschung zum Gedächtnis sind sie seit mir nichts gesagt, bevor ich davon gekostet hatte; vielleicht kam
Jahrzehnten üblich (z. B. Roediger und McDermott 1993; siehe das daher, daß ich dies Gebäck, ohne davon zu essen, oft auf den
auch ▶ Abschn. 4.7). Tischen der Bäcker gesehen hatte, und daß dadurch sein Bild sich

1 Französisches Sandkuchengebäck.
70 Kapitel 4 • Gedächtnis

von jenen Tagen […] losgelöst und mit anderen, späteren ver- passende Abbildung keine weitere Steigerung der Erinnerungs-
1 bunden hatte …“ (S. 66; Hervorhebung GF). Anders gesagt heißt leistung bewirken. Ein Erinnerungsvorteil zeigte sich nur, wenn
das, dass ein Kontextreiz, der in sehr vielen Zusammenhängen das Werbebild zu einem eher trockenen, wenig bildhaften Text
2 vorkommt, nicht als Erinnerungshilfe dienen kann. hinzugefügt wurde.
Das Prinzip der Encodierungsspezifität ist sicherlich einer Das oben zitierte Prinzip der Encodierungsspezifität schränkt
der robustesten Befunde zum Funktionieren des Gedächtnisses. die generelle Gültigkeit des Bildüberlegenheitseffekts weiter ein:
3 In ihrer Überblicksarbeit Mechanisms of Memory stellen Neath Ein Bildüberlegenheitseffekt zeigt sich nämlich zwar im direkten
und Surprenant (2005) dieses Prinzip als wichtigstes an den An- Rekognitionstest, nicht aber im indirekten Test bei der Wort-
4 fang: „Erinnerung beruht auf der Wechselwirkung zwischen den fragmentergänzung (Neath und Surprenant 2005, S. 222). Dies
Bedingungen beim Encodieren und den Bedingungen beim Ab- mag damit zusammenhängen, dass in diesem indirekten Test
5 ruf “ (S. 223, Übersetzung GF). Viele Annahmen zum Gedächt- die Abrufsituation vor allem sprachliche Merkmale fokussiert;
nis stellen sich als falsch oder zumindest als überzogen heraus, allerdings gibt es auch Hinweise, dass die Bildüberlegenheit sich
wenn man dieses Prinzip nur angemessen berücksichtigt. Zwei auch in anderen indirekten Tests nicht wiederfindet (Roediger
6 Beispiele will ich hierfür geben. und McDermott 1993).

7
4.2.2 Bildüberlegenheitseffekt 4.2.3 Effekte der Verarbeitungstiefe
8 In seiner Arbeit über Bildkommunikation wird Kroeber-Riel In vielen Fällen ist die Erinnerungsleistung besser, wenn man
(1993a) nicht müde zu betonen, dass gute Chancen auf eine län- sich fragt, warum ein Geschäft jetzt von da nach dort gezogen ist,
9 gere Behaltensleistung nur bei konkretem und bildhaftem Ma- oder warum Raider jetzt Twix heißt, als nur zur Kenntnis zu neh-
terial zu erwarten ist. An reale Objekte kann man sich besser men, dass das so ist. Dieser Unterschied wird damit erklärt, dass
10 erinnern als an Bilder. An Bilder kann man sich besser erinnern die Informationen bei der Analyse von Gründen tiefer verarbeitet
als an Text (Kroeber-Riel 1993a, S. 26 ff, S. 75 f). werden als bei der bloßen Kenntnisnahme. Das entscheidende
Die Überlegenheit von Bildern beim Erinnern wird meist Konzept wird als Verarbeitungstiefe (level of processing; Craik
11 mit dem Prinzip der dualen Codierung erklärt (Paivio 1971). und Lockhart 1972) bezeichnet.
Nach dieser Idee können Informationen grundsätzlich auf Eine eher flache Art der Verarbeitung würde zum Beispiel
12 zwei verschiedene Weisen abgespeichert werden: bildhaft oder darin bestehen, von einem Stimulus nur physische Oberflächen-
sprachlich. Die beste Behaltensleistung erlauben Informationen, merkmale zur Kenntnis zu nehmen. Wenn ich Ihnen beispiels-
die in beiden Codes gleichzeitig repräsentiert sind. Das sind weise eine Liste von Produktnamen präsentieren und Sie bitten
13 vor allem sehr konkrete Begriffe, zum Beispiel „Ratte“, „Palme“ würde zu entscheiden, ob diese Wörter in Groß- oder Kleinbuch-
oder „Ring“. Abstrakte Begriffe können nur in einem Code ab- staben geschrieben wären, dann würden Sie nach Erledigung die-
14 gespeichert werden. Niemand hat eine bildliche Vorstellung von ser Aufgabe verhältnismäßig wenige Namen erinnern. Auch das
Begriffen wie „Bruttosozialprodukt“ oder „Relativität“. Daher Memorieren durch bloßes Wiederholen ist eigentlich eine sehr
15 hat ein Markenname wie Frosch bessere Chancen, behalten zu flache Art des Lernens und daher vergleichsweise ineffektiv.
werden, als ein Markenname wie Moment (Kroeber-Riel 1992, Sehr viel besser wäre Ihre Gedächtnisleistung, wenn Sie die
S. 356; 1993a, S. 75; Robertson 1987). Wörter daraufhin prüften, ob sie aus der deutschen oder einer
16 Der Bildüberlegenheitseffekt schlägt sich in der Empfehlung anderen Sprache stammten oder ob es Phantasienamen sind.
nieder, neben einer bildhaften Sprache in der Werbung Bilder Hier müssten Sie bereits etwas tiefer in die Bedeutung der Wör-
17 einzusetzen, die den Text mehr unterstützen als ergänzen (Kro- ter eindringen. Noch tiefer wäre Ihre Verarbeitung, wenn Ihre
eber-Riel 1993a). Lutz und Lutz (1977) konnten zeigen, dass eine Aufgabe eng an die Bedeutung der Wörter geknüpft wäre, etwa
besonders starke Gedächtniswirkung zu erwarten ist, wenn zwi- wenn Sie entscheiden müssten, ob die Namen Tiere, Menschen
18 schen Text und Bild eine regelrechte Interaktion stattfindet, so oder Lebensmittel bezeichnen.
dass der Text beispielsweise graphisch in das Bild eingebunden Den größten Effekt hätte es allerdings, wenn Sie die Begriffe
19 wird. Dieser Effekt funktioniert besonders gut für das Einprägen auf sich selbst anwenden müssten. Variieren wir unser Experi-
von Herstellernamen, die ansonsten leicht vergessen würden. ment von oben, um diesen zentralen Gedächtniseffekt, den so-
20 Ein wichtiger Teil der Erklärung beruht freilich auf der An- genannten Selbstreferenzeffekt, anschaulich zu machen (Rogers
nahme, dass Bilder meist automatisch sprachlich codiert wer- et al. 1977): Stellen Sie sich vor, Sie sollten von einer Adjektivliste
den (soweit sie konkrete Objekte darstellen) und dass umgekehrt nicht entscheiden, ob die Begriffe groß- oder kleingeschrieben
21 Wörter nicht mit derselben Selbstverständlichkeit bildliche Vor- sind, sondern ob die Adjektive Sie selbst beschreiben oder nicht.
stellungsbilder auslösen. Insofern beruht der Bildüberlegenheits- Sie werden alle Wörter, die Sie in dieser Aufgabe auf sich selbst
22 effekt auf einem Primat der Sprache (▶ Abschn. 2.3). anwenden, besser erinnern als Wörter, die Sie nur oberflächlich
Daher ist der Vorteil der dualen Codierung nicht auf ein verarbeiten – unabhängig davon, ob Sie zu dem Schluss kom-
tatsächliches Bild angewiesen, solange nur der Inhalt, der ab- men, dass der Begriff auf Sie zutrifft oder nicht. Der Selbstrefe-
23 gespeichert werden soll, bildhafte Vorstellungen auslöst. Eine renzeffekt ist eines der einfachsten und effektivsten Mittel, eine
Untersuchung von Unnava und Burnkrant (1991) kann das Werbekommunikation effektiver zu machen: Die Adressaten
belegen: Bei sehr stark bildhafter Werbesprache konnte eine werden so persönlich wie möglich angesprochen, und die In-
4.2  •  Encodierung und Abruf
71 4

halte werden dabei so anschaulich wie möglich an die eigene Dies zeigt sich in folgender Versuchsanordnung (Morris et al.
Person geknüpft. 1977; zit. n. Neath und Surprenant 2005, S. 222 f): Probanden
Wenn Sie also bei der Produktliste entscheiden sollten, ob hören „Lückensätze“, in denen jeweils ein zentrales Wort durch
Sie diese Produkte schon einmal gekauft haben, ob Sie sie kaufen das Wort „LEER“ ersetzt war und gefunden werden musste (Bei-
wollten oder irgendetwas anderes, wobei Sie selbst ins Spiel kom- spiel nach Wentura und Frings 2013, S. 113). Gesucht war zum
men, dann können Sie sich diese Liste noch besser merken. Die- Beispiel das Wort „Kamm“. Wenn der Satz lautete „Ein LEER hat
ser Effekt lässt sich natürlich auch leicht für andere Lernaufgaben Zähne“, regte die Frage eine tiefere Verarbeitung an, als wenn er
nutzen, etwa bei der Klausurvorbereitung. (Ich habe auch nicht lautete „LEER reimt sich auf Schwamm“. Das hat die erwarteten
ohne Hintergedanken in meinem Beispiel von Ihnen gesprochen Folgen für den klassischen Rekognitionstest: Bei der semanti-
und nicht von irgendwelchen anonymen Versuchspersonen!) schen, also „tiefen“ Verarbeitung wurden mehr Wörter wieder-
Vielleicht kennen Sie auch folgendes Phänomen: Sie haben erkannt als bei der „flachen“ phonetischen. Das Ergebnis kehrte
an einer Besprechung teilgenommen und sollen nun einen Kol- sich allerdings um, sobald ein anderer Gedächtnistest verwendet
legen, der nicht dabei war, möglichst genau über den Verlauf der wurde: Probanden sollten von neuen Wörtern (z. B. „Damm“)
Diskussion unterrichten. Wenn Sie sich aber nun frei erinnern entscheiden, ob sich ein Wort aus der vorherigen Aufgabe auf
müssen, fallen Ihnen vorzugsweise die Punkte ein, die Sie selbst dieses Wort reimt. Bei dieser Aufgabe wurden die phonetisch
zur Diskussion beigetragen haben. Selbst die Dinge, die Sie sich verarbeiteten Wörter besser erinnert als die semantisch verarbei-
nur gedacht, aber nicht gesagt haben, sind Ihnen besser präsent teten. Allem Anschein nach ist es nicht so wichtig, über welche
als manche gewichtigen Beiträge der anderen. Prozesse genau encodiert wurde, sondern ob sich die Prozesse
Hierin zeigt sich das allgemeine Prinzip, dass Informationen, bei Encodierung und Abruf entsprechen.
die man selbst generiert hat, einen besonderen Gedächtnisvorteil Es kommt im Konsumalltag sicher häufig vor, dass Werbe-
haben (Generierungseffekt, generation effect; Slamecka und Graf kommunikation nur oberflächlich verarbeitet wird – zu fragen
1978). Das macht es beispielsweise zu einer didaktisch sinnvollen ist allenfalls, wann die Abrufsituation vor allem jene Merkmale
Strategie, Lernende die Antwort zu einer Frage selbst finden zu fordert, die die oberflächliche Encodierung geprägt haben.
lassen. In der Einstellungsforschung stellt sich daher auch immer Der Ansatz der Verarbeitungstiefe wird auch noch aus ande-
die Frage, ob es nicht besser ist, die Schlussfolgerung aus einer ren Gründen kritisch gesehen. So ist zum Beispiel nicht immer
beeinflussenden Kommunikation wegzulassen und dem Publi- klar, welche Art der Verarbeitung jetzt als „tief “ und welche als
kum zu überlassen (▶ Abschn. 14.2.4). „oberflächlich“ gelten soll. Hier ist der Ansatz von einem Zir-
Wenn man überzeugende Argumente für ein Produkt vor- kelargument bedroht, denn oft hat es den Anschein, als würde
gelegt hat, sind die Schlussfolgerungen ja im Grunde redundant, sich die unterschiedliche Tiefe eben genau darin zeigen, welche
und es könnte im Sinne des Generierungseffekts nur vorteilhaft Art der Verarbeitung die jeweils besseren Erinnerungsleistun-
sein, wenn nun das Publikum selbst folgert: „… also ist XY das gen produziert. Aus Sicht der Encodierungsspezifität müsste man
bessere Produkt.“ Empirisch zeigt sich leider, dass das Invol- antworten: „Keine Art der Verarbeitung ist per se einer anderen
vement der Adressaten oft zu gering ist, um eine solche Strategie überlegen – es kommt vielmehr immer auf das Verhältnis von
zu rechtfertigen. Der Generierungseffekt wirkt nur, wenn man Encodierung und Abruf an.“
zu gewissen Anstrengungen bereit ist. Passives Rezipieren ge- Problematisch an dem Ansatz ist zudem die Annahme, man
nügt nicht. Allerdings muss man betonen: Der Gewinn aus dem könne Dinge nur auf der Basis von Oberflächenmerkmalen wie
Generierungseffekt ist ein doppelter: Zunächst einmal profitiert Farbe und Form verarbeiten und die Semantik dabei vollständig
das Gedächtnis, dann aber auch die Einstellung, denn nichts ignorieren. Dass dies tatsächlich nicht möglich ist, zeigt der be-
überzeugt mehr als Argumente, auf die man selbst gekommen kannte Stroop-Effekt (Stroop 1935; siehe auch ▶ Abschn. 2.6.3).
ist (▶ Abschn. 14.2.5).
Reardon und Moore (1996) konnten allerdings einen Ge-
nerierungseffekt für Werbespots nachweisen: In ihrem Experi- 4.2.4 Die Interaktion von Codierung
ment wurden die Versuchspersonen mit Spots konfrontiert, in und Abruf
denen der Produktname zunächst fünfmal genannt wurde. In
einer von zwei Bedingungen folgte am Ende von einer anderen Die Gedächtnisleistung ist also offenbar weder von dem Mate-
Person noch eine weitere Nennung des Namens. In der anderen rial abhängig, das erinnert werden soll, noch von der Methode,
Bedingung fragte diese andere Person dagegen: „Hey, wie war mit der die Erinnerung überprüft wird. Auch wenn es für beides
nochmal der Name dieser …?“ (zit. n. Gleich 1998, S. 209). Wer Evidenz zu geben scheint, ist doch letztlich der entscheidende
diese zweite Version des Spots gehört hatte, wer also demnach Faktor die Entsprechung von Codierungs- und Abrufsituation.
in dem Spot nach dem Namen gefragt wurde, erkannte den Pro- Praktisch bedeutet dies, dass man sich stets vor Augen führen
duktnamen mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder und war sich muss, wie eine bestimmte Information, eine Werbeinformation
zudem in seinem Urteil auch sicherer als Personen, die die erste zum Beispiel, abgerufen wird – welche Art von „Aufgabe“ die
Version gehört hatten. Abrufsituation stellt. Je nach Situation ist dann beispielsweise
Generell scheint es also so zu sein, dass bestimmte mentale entweder das Wiedererkennen oder das freie Erinnern wichtiger
Prozesse zu einem besseren Abruf führen als andere. Allerdings für das Konsumentenverhalten. Wenn die Alternativen nicht er-
gilt auch dieser Punkt – wie der Bildüberlegenheitseffekt – nur kennbar sind, werden nur die frei erinnerten Produkte in die Ent-
für bestimmte Abrufsituationen. scheidung einbezogen. Der Vergleich vorgegebener Alternativen
72 Kapitel 4 • Gedächtnis

dagegen, zum Beispiel vor dem Regal im Supermarkt, entspricht auf dem Couchtisch beim Werbungschauen. Die Lernepisode
1 eher einem Rekognitionstest. versieht die Verbindung all dieser Merkmale mit einem positi-
Gegenüber den Konsumenten ist es demnach günstig, so- ven Gewicht, während Umgebungsinformationen wie etwa ein
2 wohl für die Codierung der Werbeinformation als auch für den Supermarkt oder ein männlicher Sprecher gehemmt werden – sie
späteren Abruf möglichst gleiche Rahmenbedingungen zu schaf- gehören ja nicht zum Muster bei der Encodierung. Wentura und
fen. Wenn beispielsweise sowohl in der Werbung als auch im Frings (2013) fahren fort: „Einen Abrufschlüssel bereitstellen
3 Geschäft, am Point of Sale (POS), genau dieselben visuellen Be- heißt nun, genügend Einheiten in den Zustand zu bringen, den
dingungen realisiert werden, würde damit das Prinzip der Enco- sie während der Lernphase eingenommen haben; die restlichen
4 dierungsspezifität optimal genutzt. Ein Beispiel für einen solchen Einheiten werden dann (aufgrund der Gewichte) auch wieder
Versuch ist ein spezieller Verkaufsstand im Geschäft, an dem das diesen Zustand einnehmen“ (S. 109 f). „Oder eben nicht“, darf
5 Produkt in einem eigenen Regal steht und von Displaymaterial man ergänzen, denn es könnten eben auch nicht genügend Ein-
aus der Werbung umgeben ist. Ein anderes Beispiel ist ein Bild heiten sein, oder der Schlüssel ist zu unspezifisch. Was das bedeu-
aus der Werbung, das auf der Verpackung des Produkts wieder tet, hat ja das Proust’sche Beispiel schon gezeigt: Die Madeleine
6 auftaucht (Dickinson 1972; Mayer 1993, S.  123; Keller 1993, im Schaufenster ist nicht spezifisch genug, sie löst die Erinnerung
S.  26 ff). Keller (1993) betont nachdrücklich die Wichtigkeit nicht aus. Das führt zu dem nächsten großen Thema, nämlich der
7 solcher Entsprechungen: „Although advertising may have the Frage, wie man sich das Vergessen vorstellen sollte.
potential to impact brand evaluations, it may not do so without
the proper cues or reminders at the POP.“
8 Die Rolle von solchen cues, wie es oben heißt, kann man 4.2.5 Vergessen und Interferenzeffekte
kaum überschätzen. Die Madeleine in unserem literarischen Ein-
9 gangsbeispiel ist ein Beispiel für einen solchen cue. Man könnte Es gibt wohl kaum einen Gedächtnispsychologen, der glaubt, Er-
sie vielleicht als eine Erinnerungshilfe verstehen, die entbehrlich innerungen würden dadurch vergessen, dass sie langsam „zerfal-
10 wäre, wenn der Protagonist, Marcel, seine Vergangenheit ohne len“ oder gar gelöscht würden. Selbst Experten, die annehmen,
Probleme frei erinnern würde. Aber dieses Verständnis verkennt, dass manche Informationen endgültig verlorengehen können
wie Erinnern tatsächlich funktioniert. Tatsächlich gibt es beim und mit keiner Erinnerungstechnik mehr zugänglich sind, eben
11 Erinnern immer einen cue, einen Abrufschlüssel (Neath und weil sie nicht mehr existieren (Squire und Kandel 1999, S. 76 f.),
Surprenant 2005, S. 226, formulieren als ein zentrales Prinzip gehen davon aus, dass dies ein Ausnahmefall des Vergessens ist
12 des Erinnerns: „All memory is cue-driven“). Jede Abrufsituation und der Regelfall anders aussieht. Tatsächlich kommt eine umfas-
enthält in irgendeiner Weise diesen Schlüssel – manchmal ganz sende Theorie des Vergessens komplett ohne die Annahme aus,
explizit (z. B. in der Frage „Haben Sie dieses Produkt schon vor- dass Erinnerungsspuren verlorengehen (Neath und Surprenant
13 her in der Werbung gesehen?“), manchmal aber auch indirekt 2005).
(z. B. in der Aufforderung „Bring heute ein neues Duschgel nach Eine solche Theorie versteht Vergessen so, dass „sich viele
14 Hause, das alte ist leer“). Sowohl „dieses Produkt“ als auch „ein gleichartige Gedächtnisspuren unentwirrbar überlagern [oder]
Duschgel“ könnten theoretisch auf eine Encodierungsepisode dass kein distinkter Abrufschlüssel mehr zur Verfügung steht“
15 verweisen, die nun das Verhalten in der Abrufsituation beein- (Wentura und Frings 2013, S. 110). Der Grundgedanke dieser
flusst. Abrufschlüssel sind also potentiell alle Merkmale der Ab- Theorie ist sehr alt (er wurde z. B. von McGeoch 1932, zit. n.
rufsituation – und die „Aufgabe“ in dieser Situation, also das Ver- Neath und Surprenant 2005, formuliert) und lautet wie folgt:
16 halten, das gefordert oder beabsichtigt ist, ist von den möglichen Weitere hereinkommende Informationen können den Zugriff
Schlüsseln sogar einer der wichtigsten. auf bereits gelernte Informationen behindern. Diese neuen In-
17 Das Bild dürfen wir nicht so verstehen, als bilde ein einzelnes formationen können die bereits abgespeicherten überlagern, mit
Situationsmerkmal den Schlüssel. Schon die Madeleine war ja ihnen interferieren. Das Phänomen der Interferenz von Informa-
nicht allein ausreichend für die Erinnerung, vieles musste hinzu- tionen zeigt, dass das Vergessen häufig eine Folge davon ist, dass
18 kommen, vor allem einmal der Lindenblütentee. Wie oben schon weitere, und zwar ähnliche Informationen hinzugekommen sind.
gesagt: Die Abrufsituation einschließlich der „Aufgabe“ bildet als Eine Art der Behinderung ist die retroaktive Hemmung. Damit ist
19 Ganzes den Schlüssel. gemeint, dass ein später hinzugekommenes Material den Zugriff
Wentura und Frings (2013, S. 109 f) beschreiben den Vorgang auf vorher gespeicherte Elemente behindert. Umgekehrt kennt
20 des Erinnerns als einen „Resonanz- und Musterergänzungspro- man aber auch das Phänomen der proaktiven Hemmung, bei dem
zess“. Das Muster besteht in den vielen Einzelinformationen, die das vorher gespeicherte Material das später hinzukommende
beim Encodieren gegeben waren – einschließlich natürlich der hemmt (für einen Überblick vgl. z. B. Neath und Surprenant
21 Dinge, die nicht gegeben waren. Alle gegebenen Informationen 2005, S. 224 ff; Wentura und Frings 2013, S. 110 ff).
aus der Lern- bzw. Encodierungsepisode verweisen mit positi- Stellen wir uns eine Person vor, die eine Zeitschrift durch-
22 ven Gewichten aufeinander und mit negativen Gewichten auf geblättert hat. Wir gehen davon aus, dass unser Zeitschriftenle-
das, was in der Lernepisode nicht gegeben war. So entsteht ein ser auf Nachfrage die Anzeigen nach ihren Inhalten gruppieren
Aktivierungs- und Hemmungsmuster von vernetzten Einzelin- kann. Störungen durch die Menge und die Ähnlichkeit der In-
23 formationen. Die Stimme der Werbesprecherin, Logo, Produkt formationen hat es daher schon auf der hohen Ebene der Grup-
und die Landschaft, in der der Spot spielt, prägen die Encodie- pierung gegeben. Auf diese Weise konnten ganze Kategorien
rungsepisode ebenso wie mein Wohnzimmer und meine Füße vergessen werden.
4.3  •  Erinnerung und Rekonstruktion
73 4

Die Sache sieht anders aus, wenn die zu erinnernde Informa- bei einer Wiederholung noch immer schöner ausfallen als ein
tion von anderer Art ist. Wenn wir zum Beispiel das Gedächtnis durchschnittliches. Aber Konsumenten antizipieren bei diesem
des Zeitschriftenlesers restlos ausgequetscht zu haben glauben, Verhalten die Interferenz, die durch die Wiederholung eintreten
so werden wir ihm immer noch eine Frage stellen können wie würde (und die bei den durchschnittlichen Ereignissen ja auch
etwa: „Welche Personen sind eigentlich ins Zimmer gekommen, längst schon eingetreten ist). Das schönste Ereignis würde seine
während Sie die Zeitschrift gelesen haben?“ Diese Information Einzigartigkeit verlieren, wenn für die Erinnerung daran weitere
könnte durchaus verfügbar sein, denn sie ist von den Werbein- Abrufschlüssel hinzukommen, die nicht mehr eindeutig sind.
formationen hinreichend verschieden und deshalb wahrschein- Die Befunde von Zauberman et al. (2009) zeigen nicht nur,
lich weder pro- noch retroaktiv gehemmt worden. Aber auch die dass wir schon in alltäglichen Entscheidungen mögliche Interfe-
Erinnerung an die Anzeigen kann man noch steigern. Wenn man renzen einkalkulieren, sondern natürlich auch die Bedeutung der
zusätzliche Abrufschlüssel anbietet, indem man beispielsweise Erinnerung für den Konsum: Ein nicht unwesentlicher Faktor
die Produktkategorie Waschmittel ins Gedächtnis ruft, verringert bei unserer Entscheidung für einen Urlaub oder einen Konzert-
dies die Interferenzeffekte (Keller 1993, S. 18). Die Bedeutung der besuch ist die Erwartung, dass wir nicht nur das Ereignis selbst,
Ähnlichkeit belegen auch die Befunde von Berry et al. (1980): sondern auch die Erinnerung daran genießen (oder konsumie-
Nachrichten werden leichter vergessen, wenn sie in thematisch ren). Die Fotos, die wir schießen, oder die CD des Künstlers, die
homogenen Blocks präsentiert werden. wir nach dem Konzert kaufen, dienen sozusagen als Abrufschlüs-
Diese Ergebnisse lassen sich auf die Werbung übertragen: sel, um uns den Moment so gut wie möglich wieder präsent zu
Offensichtlich schaden verschiedene Werbedarbietungen einan- machen. Oder würden Sie in den Urlaub fahren, wenn Sie sicher
der mehr, wenn sie sich auf konkurrierende Produkte beziehen sind, dass ein Magnetfeld in Ihrer Haustür bei der Rückkehr all
(Kent 1993). In einem Experiment von Brosius und Fahr (1996) Ihre Erinnerungen an die Ferien auslöschen würde?
wurden bestimmte Zielwerbespots gemeinsam mit thematisch
ähnlichen und unähnlichen Kontextspots präsentiert. Insbeson-
dere die Detailerinnerung an die Zielspots litt deutlich unter der 4.3 Erinnerung und Rekonstruktion
Bedingung eines thematisch ähnlichen Kontexts. Diese Inter-
ferenzeffekte sind offenbar besonders ausgeprägt bei Sendern, Marder und David (1961) präsentierten ihren Versuchspersonen
die sich von vornherein an eine ausgewählte Zielgruppe wenden Werbeanzeigen, aus denen einige Elemente wie die Überschrift,
(Mandese 1993). ein Textteil oder ein Bild entfernt worden waren. Später wurden
Das eigentliche Problem bei der Interferenz besteht darin, die vollständigen Anzeigen gezeigt. Dabei sollten die Versuchs-
dass die jeweiligen Abrufschlüssel nicht hinreichend eindeutig personen angeben, an welche Elemente sie sich erinnern konn-
sind, dass sie zum Beispiel „nicht die gesuchte, sondern eine ten. Erstaunlich oft gaben sie an, sich an Teile der Anzeigen zu
stark damit zusammenhängende Information abrufen“ (Wentura erinnern, die sie in Wirklichkeit nicht gesehen hatten. So meinten
und Frings 2013, S. 110). Wenn eine encodierte Aussage lautet 35 % der Versuchspersonen sich an eine Überschrift zu erinnern,
„Waschmittel A nutzt die Formel B“ und hinzu kommt die Aus- die nicht da war. In einer anderen Gruppe fehlten einige Zeich-
sage „Waschmittel A wird mit der Methode C produziert“, dann nungen bei der ersten Präsentation, die gleichwohl 24 % der Ver-
ist Waschmittel A kein eindeutiger Schlüssel mehr. Somit kann suchspersonen später „wiedererkannten“.
der Abruf der Aussage A-B retroaktiv oder der von A-C proak- Diese mentale Vervollständigung nehmen die Probanden
tiv gehemmt werden. Wenn aber weitere Informationen hinzu- vermutlich in der reinsten Unschuld vor. Was sie eigentlich selbst
kommen (wie oben beispielsweise durch die Einschränkung des konstruiert haben, erleben sie als eine echte Erinnerung. Auch
Suchraums), könnte der Schlüssel wieder eindeutig werden. das, was eine Person für extrem plausibel hält, kann ihr – irr-
Die Mechanismen der Interferenz erklären unter anderem tümlich – wie eine tatsächliche Erinnerung vorkommen (Jacoby
auch, warum eine Information in der einen Abrufsituationen und Kelley 1992, S. 209 f.). Stellen wir uns nur vor, ein Zeuge soll
vergessen zu sein scheint, in der anderen aber erinnert werden sich vor Gericht an den Ablauf eines Tages erinnern, zu dem es
kann oder warum Gedächtnisleistungen manchmal über die Zeit in seinem Leben bisher schon tausend ähnliche Tage gegeben hat.
besser werden, obwohl keine weitere Lernepisode hinzukommt Vieles, was an solchen Tagen für ihn normalerweise passiert, wird
(Neath und Surprenant 2005). Es hängt eben immer damit zu- er „erinnern“, ohne dass es deshalb wirklich am fraglichen Tag
sammen, dass die richtigen Abrufschlüssel bzw. dass genau sol- stattgefunden haben muss (Wippich 1989, S. 232 ff; Anderson
che Informationen gegeben werden, die hinreichend eindeutig 2001).
auf die jeweilige Encodierungsepisode verweisen. Wir tun dies permanent, wenn wir Informationen aus der
Interessanterweise ist uns die Bedeutung der Interferenz für Vergangenheit nutzen wollen. Grundsätzlich nutzen wir beim
unsere Gedächtnisleistung auch intuitiv durchaus bewusst. Dies Versuch, uns zu erinnern, alle Informationen, die sich dazu
jedenfalls erklärt das folgende Konsummuster, das ohne diese anbieten: Informationen aus der Encodierungsepisode, die
Annahme paradox erscheinen müsste: Wenn man Menschen Schlüssel aus der Abrufsituation, aber auch allgemeines Wissen,
danach fragt, welches Konsumerlebnis sie noch einmal wieder- generische Erinnerungen, die nicht unbedingt auf die gesuchte
holen würden, nennen sie nicht etwa die schönsten, sondern Encodierungsepisode zurückgehen müssen. All dies wird beim
eher normale und durchschnittliche (Zauberman et al. 2009). Rekonstruieren verwendet und kann zu einer korrekten Erin-
Dieses Verhalten erscheint auf den ersten Blick nicht nutzen- nerung führen, aber auch zu Fehlern. Das geschieht zum Bei-
maximierend: Das schönste Erlebnis würde vermutlich auch spiel, wenn irreführende Abrufschlüssel vorliegen. Roediger und
74 Kapitel 4 • Gedächtnis

Exkurs 4.1  Die Illusion einer Erinnerung  |       | 


1
Bei manchen hirnorganisch erkrankten Patien- personen auf die unterschiedliche visuelle überbrachte. Bei näherer Prüfung erwiesen

2 ten kommt es vor, dass sie „konfabulieren“. Sie


erzählen mit voller Überzeugung Geschichten,
Klarheit der Vorgaben aufmerksam gemacht

werden (siehe hierzu auch  Abschn. 7.1).
sich einige dieser „Erinnerungen“ als unhaltbar.
Das bedeutende und unerhörte Ereignis war
die sie nie erlebt haben können. Sie haben Auch ein anderes spektakuläres Phänomen offenbar in vielen Fällen nachträglich mit ande-
3 demnach die Illusion einer Erinnerung. Ein
ähnliches, aber unpathologisches Phänomen
der Gedächtnisforschung hat sich im Zuge der
näheren Erforschung in vielen Fällen als eine
ren alltäglichen Situationen verknüpft worden,
die nicht gleichzeitig stattgefunden haben
ist das Déjà-vu-Erlebnis. Das Gefühl der Erinne- illusionäre Erinnerung erwiesen, nämlich die konnten (Neisser 1982).
4 rung ist sehr stark, trotzdem spricht alles dafür,
dass es ein illusorisches Erlebnis ist.
flashbulb memories (etwa: „Blitzlichterinnerun-
gen“). Brown und Kulik (1977) berichteten, dass
Solche Befunde sprechen dafür, das Ge-
fühl, sich zu erinnern, von tatsächlichen
Eine solche Illusion lässt sich auch experimen- die meisten Zeitzeugen des Kennedy-Mordes Gedächtnis­effekten losgelöst zu betrach-
5 tell erzeugen. Bietet man zum Beispiel Wörter eine sehr lebhafte Erinnerung daran hatten, bei ten. Nach Jacoby und Kelley (1992) besteht
mit größerer und weniger großer visueller Klar- welcher Gelegenheit sie von dem Attentat zum das Erlebnis des Erinnerns darin, dass eine
heit dar, werden die klareren Wörter leichter ersten Mal gehört hatten. Diese Situation war Person bei sich selbst kognitive Aktivitäten
6 verarbeitet als die verschwommenen. Das kann bei ihnen auf Dauer konserviert. So als wäre der Informationsverarbeitung wahrnimmt.
zur Folge haben, dass Versuchspersonen später eine „mentale Blitzlichtaufnahme“ angefertigt Diese Wahrnehmung wird als „Erinnerung“
von den klaren Wörtern glauben, sie hätten sie worden, war ihnen auf immer verfügbar, was interpretiert (oder auch nicht, wie wir im Falle
7 bereits früher einmal gesehen. Diese Illusion sie in dem Moment gerade getan hatten, als ▶
der Fehlzuschreibungen in  Abschn. 4.7.1,
wird wieder aufgehoben, wenn die Versuchs­ ihnen jemand die Nachricht von der Mordtat insbesondere . Abb. 4.3, sehen werden).

8
McDermott (1995) präsentierten ihren Probanden Wörter wie ckung habe eine andere Farbe, als sie in Wirklichkeit hatte. Diese
9 „Faden“, „Nähen“, „spitz“, „stechen“, „Injektion“, „Spritze“ und Fehlinformation beeinflusste das Gedächtnis der Probanden, und
so weiter. Bei einem späteren Rekognitionstest „erinnerten“ sich zwar sowohl wenn sie bildlich als auch wenn sie rein sprachlich
10 40 % der Probanden an das Wort „Nadel“, das nicht in der Liste gegeben wurde (wenngleich die bildliche Fehlinformation noch
enthalten war. Offensichtlich bilden die thematisch verwandten wirkungsvoller war).
Begriffe aus der Ursprungsliste einen starken Abrufschlüssel, der Eine beeinflussende Wirkung hat es auch, wenn der Frager
11 in diesem Fall zu der Illusion einer Erinnerung führt. Wichtig die falsche Information bereits voraussetzt (ohne sie gleich zu
ist aber: Es sind exakt dieselben Prozesse, die uns korrekte Erin- behaupten), etwa indem er den bestimmten statt des unbestimm-
12 nerungen verschaffen, die letztlich auch zu Erinnerungsfehlern ten Artikels gebraucht: Wenn die Zeugen eines Unfalls gefragt
führen (Neath und Surprenant 2005, S. 227 ff). werden: „Haben Sie die Glassplitter auf dem Boden gesehen?“,
Die Fehler fühlen sich auch in keiner Weise falsch an: Die werden sie auch ohne echte Erinnerung eher glauben, es seien
13 Probanden von Roediger und McDermott (1995) sollten auf Glassplitter zu sehen gewesen, und zudem werden sie in der
einer Skala von 1 bis 4 angeben, wie sicher sie sich sind, dass Folge die Aufprallgeschwindigkeit höher einschätzen (Loftus
14 das jeweilige Wort in der Liste vorkam (4) oder eben nicht (1). und Palmer 1974).
Semantisch verwandte, aber tatsächlich neue Wörter (wie „Na- Auch das Vertrauen in eine echte Erinnerung kann man im
15 del“ im obigen Beispiel) erhielten ein mittleres Rating von 3,3, Nachhinein noch untergraben, so dass die Personen am Ende
nicht verwandte neue Wörter dagegen von 1,2. Die subjektive das, was sie eigentlich erinnern, für zweifelhafte Rekonstrukti-
Sicherheit beim Erinnerungsfehler unterscheidet sich nicht von onen halten. Man könnte den Personen zum Beispiel einreden,
16 der Sicherheit bei tatsächlich vorhanden Wörtern (die im Schnitt sie hätten unter suboptimalen Bedingungen encodiert, seien
bei 3,6 liegt). etwa abgelenkt gewesen, selbst wenn das vermutlich gar nicht
17 Freilich ist das Gefühl, sich zu erinnern, ohnehin weder eine stimmt. Einen ähnlichen Effekt kann auch die Ablenkung bei
notwendige noch hinreichende Bedingung dafür, dass man tat- der Decodierung haben. In beiden Fällen wird eine erfolglose
sächlich von einer Erinnerung sprechen kann. Sehr häufig nutzen Suche nach einer Gedächtnisspur nicht als Beleg für ihr Fehlen
18 wir Gedächtnisspuren, ohne es zu merken (▶ Abschn. 4.7), und interpretiert. Das macht empfänglich für sozialen Einfluss, zum
gelegentlich haben wir umgekehrt ein starkes Erinnerungserle- Beispiel: Man muss sehr schnell antworten, man ist abgelenkt,
19 ben, ohne dass uns die dazugehörige Situation wirklich schon man hat Prüfungsangst … In all diesen Fällen neigt man dazu,
einmal begegnet wäre (▶ Exkurs 4.1). ein vergebliches Kramen im Gedächtnis nicht eindeutig als Be-
20 weis dafür zu sehen, dass es nichts zu finden gibt.
Die Beeinflussbarkeit des Gedächtnisses hängt auch von Me-
4.3.1 Zur Beeinflussbarkeit des Gedächtnisses takognitionen ab, die man ihrerseits beeinflussen kann. Förster
21 und Strack (1996) ließen ihre Probanden glauben, dass Musik
Kommen wir zurück zur Rekonstruktion von Gedächtnisinhal- ihre Gedächtnisleistung entweder verbessert oder verschlechtert.
22 ten durch irreführende Abrufschlüssel. Meist geschieht das ganz Die Verbesserer-Gruppe war weit weniger zu beeinflussen als die
automatisch – manchmal allerdings können andere von außen Verschlechterer-Gruppe.
nachhelfen. Braun und Loftus (1998) konnten zeigen, dass eine Insgesamt kann man sagen: Alles, was unser Vertrauen in
23 Beeinflussung des Gedächtnisses auch durch Werbung möglich unsere Gedächtnisleistung untergräbt, macht uns anfällig für äu-
ist. Ihre Probanden sahen Werbung zu einem Schokoriegel, den ßere Beeinflussung. Die geringste Beeinflussbarkeit ist gegeben,
sie bereits kannten. In der Werbung wurde suggeriert, die Verpa- wenn man von sich ohnehin schon glaubt, ein gutes Gedächtnis
4.3  •  Erinnerung und Rekonstruktion
75 4

zu haben. Dann ist man weniger bereit anzunehmen, dass man Betrachten wir wieder die Erinnerung eines Unfallzeugen.
an irgendeiner Stelle einen Erinnerungsfehler begeht. Man ist Stellen wir uns vor, er sei an diesem Tag später als sonst zur Ar-
weniger von außen beeinflussbar. beit gefahren, könne sich aber daran nicht erinnern. Stattdessen
Grundsätzlich: Wie bringt man Menschen dazu, ihrem Ge- glaubt er, zur gewohnten Zeit gefahren zu sein. Die Erinnerungs-
dächtnis zu misstrauen und sich von außen beeinflussen zu las- lücke wird also gefüllt mit der Information, die die plausibelste
sen? Man gibt ihnen eine plausible Theorie, warum sie sich nicht ist. Ich möchte einen solchen Fall in Anlehnung an Fiedler et al.
erinnern. Das ist zwar noch nicht hinreichend, aber ein erster (1996) einen Intrusionsirrtum nennen. Eine Intrusion, also ein
Schritt in diese Richtung. Weitere wirksame Mittel der Beeinflus- „unzulässiges Eindringen“, findet hier insofern statt, als eine

--
sung sind (für einen Überblick vgl. Fiedler 2000):
bestimmter statt des unbestimmten Artikels,
implizite Voraussetzungen in Fragen (z. B. „Welches Fabri-
kat hatte das Auto vor dem Haus?“, wenn bereits das Auto
lediglich plausible Information im Gewand der Erinnerung er-
scheint und sich auf dem freien Terrain der Gedächtnislücke
breit macht. Ein Irrtum ist die ganze Sache deshalb, weil unser
Zeuge in Wirklichkeit an diesem Tag später als sonst zur Arbeit
nicht erinnert wurde, oder „Wann haben die Symptome gefahren ist.
aufgehört?“, wenn bereits die Erfahrung der Symptome Die meisten Intrusionseffekte sind vermutlich keine Irrtümer.

- nicht erinnert wurde),


dieselbe Frage zweimal stellen (Beim zweiten Mal wird
die Zuversicht untergraben, dass man mit der Erinnerung
richtig liegt. So ändern Personen ihre Antwort, wenn sie
Wenn eine plausible Information an die Stelle gesetzt wird, an die
eigentlich eine Erinnerung gehört, dann wird bei diesem Ver-
fahren in den meisten Fällen das getroffen, was auch der Fall ist.
Wie bereits erwähnt, führen nicht nur selbstgenerierte In-
zweimal hintereinander das Gleiche gefragt werden.). formationen zu Intrusionseffekten, sondern mehr noch Infor-
mationen von außen. Hierzu ein Beispiel: Vor Gericht hat die
Dies sind Methoden, mit denen man Menschen dazu bringen Verteidigung einen Experten geladen und die Anklage möchte
kann, ihre eigentlich vorhandenen Gedächtnisspuren nicht zu das Vertrauen der Geschworenen in diesen Experten untergra-
nutzen, weil sie verunsichert werden. In Marketing und Werbung ben. Der Staatsanwalt fragt nun: „Stimmt es nicht, dass Ihre Kol-
sollte man eines bedenken: Sind die Encodierungsbedingungen legen Sie für inkompetent halten?“ Der Experte wird vermutlich
offenbar ungünstig, dann ist das für die Gedächtnisleistung dop- wahrheitsgemäß verneinen. Aber das hilft nicht sehr viel, denn in
pelt schlecht. Betrachten wir hierzu einen Werbespot, der durch den Köpfen der Zuhörer hat sich nun das Bild des inkompetenten
schnelle Schnitte, starke Musikuntermalung und schnelles Spre- Sachverständigen eingenistet, und von dort kann es bei Bedarf
chen nur eine erschwerte Informationsaufnahme zulässt. Was ganz unwillkürlich abgerufen werden, um sich an die Stelle zu
wird man sich davon merken? Etliches wird schon wegen der setzen, wo eigentlich eine Erinnerung sein sollte (Kassin et al.
Machart nicht optimal encodiert. Merkt sich der Betrachter aber 1990).
die Machart, wird er sogar bei den Erinnerungen, die er wirklich Fiedler et al. (1996) präsentierten ihren Probanden Video-
hat, noch unsicher. Die doppelte Beeinträchtigung bedeutet aber aufnahmen, die das Innere einer Wohnung zeigten. Danach
auf der anderen Seite auch eine höhere Beeinflussbarkeit nach beantworteten die Versuchspersonen Fragen nach bestimmten
der Informationsverarbeitung. Mit dieser Beeinflussung, die nun Objekten in der Wohnung. Einige der erfragten Objekte waren zu
ganz offenkundige Anwendung in der Konsumentenpsychologie sehen gewesen, andere nicht. Die Probanden antworteten auch
hat, wollen wir uns im Folgenden befassen. in der Regel korrekt, das heißt, sie stellten zutreffend fest, welche
Objekte sie gesehen hatten und welche nicht. Nach einer dar-
auffolgenden Ablenkungsaufgabe sollten die Versuchspersonen
4.3.2 Eindringlinge im Gedächtnis in Recall- und Rekognitionstests die gesehenen Objekte noch
einmal erinnern. Es zeigte sich, dass überzufällig häufig auch
„Teure Werber-Lügen“ überschrieb die Fachzeitschrift Werben solche Objekte „erinnert“ wurden, die bei der vorherigen Ab-
& Verkaufen einen Beitrag über Werbeversprechen, die nicht frage enthalten waren. Für diesen Effekt war es unerheblich, ob
eingehalten wurden (Siering 2000). Mazda musste immerhin die Probanden zuvor noch korrekt festgestellt hatten, dass diese
ein Bußgeld von 5,25 Millionen Dollar zahlen, weil in der Wer- Objekte nicht Teil der Präsentation waren.
bung die tatsächlichen Bedingungen für ein Leasing-Angebot Einfach ausgedrückt heißt das: Man erklärt deutlich, verstan-
falsch und irreführend dargestellt wurden. In einem anderen Fall den zu haben, dass X nicht der Fall ist, man verspricht, es nicht
wurde damit geworben, dass für den neuen Jeep Grand Cherokee zu verwenden, und tut es trotzdem. Dieser nachgewiesene Effekt
kein Pfennig Anzahlung verlangt werde – ein Angebot, das kein zeigt zweierlei: Zum einen demonstriert er die Beeinflussbar-
einziger Händler einlöste (Siering 2000). Solche Fälle schaden keit des Gedächtnisses und des sozialen Urteils, zum anderen
dem Image, und sie kosten obendrein Geld. Warum riskieren aber zeigt er eine besondere Macht der Intrusionsirrtümer: Die
Unternehmen das? Komplettierung des unvollständigen Erinnerungsbilds geht so
Nun, auf den zweiten Blick erscheinen diese Werber-Lügen weit, dass man zur konstruktiven Ergänzung auch solche Infor-
vielleicht tatsächlich nicht mehr ganz so teuer. In ▶ Kap. 11 wer- mationen nutzt, die man zuvor als nicht zutreffend erkannt hat.
den wir mit Low Balling (▶ Abschn. 11.4.3) einen Effekt kennen- Die Ergebnisse von Fiedler et al. (1996) unterstreichen ein-
lernen, der in solchen Fällen für die Händler arbeitet. An dieser drucksvoll die Erfahrung, dass das bloße Erwägen einer Infor-
Stelle soll uns der gedächtnispsychologische Effekt von eigentlich mation bereits ihre Gültigkeit plausibler macht. In diesem Sinne
falschen Behauptungen in der Werbung interessieren: stützt also jede Unterstellung – und sei sie noch so falsch – die
76 Kapitel 4 • Gedächtnis

Annahme, dass ein bestimmtes Objekt existiert oder ein Sach- wider besseres Wissen – auf die Vision einlassen, dieser bestimmte
1 verhalt gegeben ist. Käse sei ein besonders natürlich-rustikal-urwüchsiges Produkt.
Die praktischen Konsequenzen dieses Effekts für Werbung So kann eine Information, von der wir eigentlich wissen, dass
2 und Marketing sind deutlich: Zur Etablierung eines bestimmten sie falsch ist, unser Bild vom Produkt prägen. Ganz Ähnliches gilt
Erinnerungsbilds ist es gar nicht erforderlich, dass die Personen auch für direkte Verneinungen: Im Rahmen von Warentests wird
an das glauben, was sie bei der Präsentation sehen. Es reicht bei- immer wieder einmal eine falsche Behauptung über ein Produkt
3 spielsweise schon, wenn eine Information nur hypothetisch er- entdeckt und angeprangert. So ist es zum Beispiel unzulässig,
wogen wird. Fitzsimons und Shiv (2001) fragten ihre Probanden, einen Superlativ zu behaupten, etwa dass man „der größte“ oder
4 was sie denken würden, wenn sie erführen, dass ein bestimmter „der Erste“ sei, wenn das nicht stimmt (▶ Abschn. 1.6.1). Für die
politischer Kandidat in einen Skandal verwickelt sei, oder man Anbieter ist das kein Problem. Sie nehmen die Behauptung später
5 ihnen mitteilte, dass das Essen, das sie für ungesund halten, in wieder zurück, ihren Nutzen wird sie dann schon erzielt haben
Wirklichkeit durchaus Diät-Qualitäten habe. Die bloß hypo- (Skurnik et al. 2005).
thetischen und erklärtermaßen irrealen Aussagen hatten einen Gedächtnistäuschungen und überhaupt die Folgen des kon-
6 deutlichen Effekt auf das spätere Urteils- und Wahlverhalten der struktiven Gedächtnisses für die Beeinflussung werden noch
Probanden. Im Vergleich zu Kontrollbedingungen wurden der einmal ausführlich in ▶ Kap. 15 diskutiert. Dort finden sich wei-
7 Kandidat ab- und die Lebensmittel aufgewertet. Dabei spielte es terführende Argumente und Beispiele.
für die Größe des Effekts keine Rolle, ob die Information nicht
hypothetisch, sondern als Tatsache vorgestellt wurde. Anders
8 gesagt: Die bloße Vorstellung, dass eine Sache so und so sein 4.3.3 Konstruktionen und ein „gutes“
könnte, hat beinahe dieselben Konsequenzen wie die ausdrück- Gedächtnis
9 liche Erklärung, dass die Sache so ist.
Interessanterweise war der Effekt der hypothetischen Fra- Der erste Teil des Zauberbergs von Thomas Mann endet damit,
10 gen bei intensiver und konzentrierter Verarbeitung nicht etwa dass die schöne Madame Chauchat den Helden des Buchs, Hans
geringer, sondern tendenziell sogar eher größer. Üblicherweise Castorp, verlässt, ihm aber noch einschärft: „Vergessen Sie nicht,
kann man erwarten, dass Personen, die sich intensiver mit einer mir meinen Bleistift zurückzugeben.“ Der zweite Teil setzt mit
11 Information beschäftigen, irrelevante Aspekte und irreführende der Erzählung ganz neu an, ohne dass je gesagt wird, ob und
Einflüsse erkennen und aktiv unterdrücken. Dass die Information wann der Bleistift zurückgegeben wurde. Der Leser freilich darf
12 nur hypothetisch geprüft wird, hätte daher bei intensiver Ausein- – und muss auch – schließen: Es ist am selben Abend noch zu ei-
andersetzung deutlicher ins Gewicht fallen sollen. Die Tatsache, ner Liebesnacht gekommen, auch wenn das nicht erzählt wurde.
dass diese Korrektur nicht eintritt und stattdessen der Effekt bei Ein zweites Beispiel: In der Prüfung bittet Sie der Prüfer, mit
13 konzentrierter Verarbeitung sogar eher stärker ist, erklären die Au- Hilfe der bekannten Theorie ein neues Beispiel zu erfinden. So
toren damit, dass eine konzentrierte Verarbeitung auch ein stärke- könnte die Forderung lauten, ein bekanntes Experiment mit einer
14 res Vorstellungsbild schafft – und diese Vorstellungsbilder seien es leicht veränderten Fragestellung und ganz anderem Material zu
letztlich, die den Effekt herbeiführen (Fitzsimons und Shiv 2001). konstruieren.
15 Somit ist die Vorstellung „Was wäre, wenn …?“ meist völlig In beiden Fällen ist eine konstruktive Leistung des Gedächt-
ausreichend, um auf die Urteile und Entscheidungen den gleichen nisses gefordert: Im einen Fall müssen Sie über die gegebene In-
Effekt zu erzielen, den die klare Behauptung gehabt hätte. Aber formation hinausgehen und Folgerungen ziehen, im anderen un-
16 nicht nur mögliche Vorstellungsbilder, sondern auch Informatio- wesentliche Einzelheiten ausblenden und durch andere ersetzen.
nen, von denen man weiß, dass sie falsch sind, werden bei der Er- In beiden Fällen ist Ihnen mit einer ganz exakten Erinnerung
17 innerung genutzt und herangezogen. So kann die eine oder andere eigentlich wenig geholfen. Ohne die konstruktiven Anteile der
kühne Behauptung über ein Produkt auch gerne Lügen gestraft Erinnerung würden Sie wesentliche Punkte im zweiten Teil des
werden, wenn sie nur lebhaft in den Köpfen der Verbraucher spukt. Romans nicht verstehen, und Sie würden in der Prüfung eine
18 Entscheidend ist vor allem, dass die unzutreffende Informa- schlechtere Note bekommen.
tion in ein existierendes Schema passt. Zum Beispiel haben wir Die bisherigen Ausführungen haben meist vorausgesetzt,
19 alle eine Vorstellung davon, wie auf einer Alm der Käse herge- dass ein Qualitätsmerkmal des Gedächtnisses die exakte Wie-
stellt wird. Arbeitet da nicht der Alm-Öhi bei herrlichstem Wet- dergabe einer Information ist. Tatsächlich ist das ja auch unsere
20 ter und vor einer atemberaubenden Kulisse am Holztrog und Alltagsvorstellung von einem guten Gedächtnis: Wir würden ein
rührt noch mit der Hand den Käse an? Dieses Schemabild muss besseres Gedächtnis bescheinigen, wenn jemand den Zauberberg
uns die Werbung nur anbieten, es rastet sofort ein – und da spielt Wort für Wort statt „nur“ die wesentlichen Punkte des Inhalts
21 es kaum eine Rolle, dass wir durchaus wissen und zugeben, dass wiedergeben könnte.
der Käse in unserem Kühlschrank wahrscheinlich ganz anders Andererseits hat dieses Verständnis des Gedächtnisses gar
22 und viel fabrikartiger entstanden ist. nicht so viel mit der Realität des Lebens zu tun. Tatsächlich
Wie gesagt: Entscheidend ist, dass die falsche Information auf brauchen wir eine Zusammenfassung eines Inhalts viel häufiger
ein passendes Schemabild trifft, in das sie sich zwanglos einfügen als den exakten Wortlaut. Meist genügt es, die grobe Richtung
23 kann. Um eine natürliche Herstellung suggerieren zu können, muss für ein Ziel zu kennen und nicht jeden Stein am Wegrand. Und
die Werbung das Bild des Alm-Öhis bei den Konsumenten bereits wir müssen deutlich häufiger als nur beim Filmeschauen oder
antreffen. Wer dieses Bild nicht hat, würde sich weniger leicht – Bücherlesen aus den gegebenen Informationen Folgerungen
4.4  •  Das Speichermodell des Gedächtnisses
77 4

ziehen. Mit anderen Worten: Das „konstruktive“ Gedächtnis ist


räumlich-
keine Verlegenheitslösung, weil uns ein exaktes Erinnern nicht artikulatorische zentrale
visueller
gegeben ist. Die konstruktiven Prozesse des Gedächtnisses be- Schleife Exekutive
Notizblock
stimmten nicht nur seine Funktionsweise, sie sind sein Quali-
tätsmerkmal. .. Abb. 4.1  Ursprüngliche Konzeption des Arbeitsspeichers nach Baddeley.
Es scheint nicht überflüssig, auf diese Punkte hinzuweisen, In einer späteren Version fügt Baddeley als weitere Komponente einen episo-
denn im Sinne der Werbewirkung ist es ja durchaus eine offene dischen Puffer hinzu. (Baddeley 2009)
Frage, welche Art von Erinnerung erforderlich ist. Zwar sollte
deutlich geworden sein, dass zum Beispiel die in der Werbewir-
kungsforschung sehr gebräuchlichen Rekognitionstests nur ei- daher auch nicht davon aus, dass diese Form der Speicherung als
nen Teilaspekt der Erinnerungswirkung prüfen. Offen bleibt aber „Gedächtnis“ bezeichnet werden sollte – es handele sich vielmehr
noch, welche Art von Wirkung angestrebt werden soll. um ein neurologisches Phänomen auf der Ebene der Rezeptor-
Sicherlich braucht der Anbieter nicht immer die exakte Er- zellen. Gegen die Annahme, dass die Stimuluspersistenz wirklich
innerung an den Spot. So wäre ein immer gleicher Beginn des ein Gedächtnisphänomen ist, spricht auch die Tatsache, dass der
Werbespots für die exakte Erinnerung an die Inhalte im Grunde Effekt mit zunehmender Präsentationsdauer nicht zu-, sondern
problematisch, er würde Interferenz erzeugen. Aber für eine un- abnimmt. Dies wäre dann die einzige Form des Gedächtnisses,
gefähre Erinnerung daran, dass beispielsweise der betreffende bei der Erinnerungsleistung umso schlechter wird, je länger der
Beginn eine Pointe erwarten lässt, ist natürlich möglich, selbst Stimulus präsentiert wurde (z. B. Bowen et al. 1974; zit. n. Neath
wenn die einzelnen Pointen der Interferenz zum Opfer fallen und Surprenant 2005, S. 225).
dürften. Auch die Marke wird möglicherweise korrekt erinnert,
sofern sie immer gleich ist (und die Spotmerkmale nicht von
anderen kopiert werden). 4.4.2 Arbeitsspeicher
Das Problem, was denn eigentlich das Kriterium für eine gute
Gedächtniswirkung sein soll, wird uns noch einmal beschäftigen, Für die meisten Funktionen der Informationsverarbeitung ist die
wenn wir uns mit dem impliziten Erinnern auseinandersetzen wichtigste Speicherform der menschliche Arbeitsspeicher. Hier
(▶ Abschn. 4.7). werden die Informationen geordnet und für aktuelle Tätigkeiten
bereitgehalten. Der Arbeitsspeicher unterliegt einigen wichtigen
Kapazitätsbeschränkungen. Miller (1956) wies darauf hin, dass
4.4 Das Speichermodell des Gedächtnisses wir normalerweise nur etwa 7 ± 2, also fünf bis neun, Einheiten
behalten können. Sollten wir uns zum Beispiel einige sinnfreie
Die bisherigen Ausführungen haben sich auf das Wechselspiel Zeichen wie Telefonnummern merken, müssten wir bei mehr als
von Encodierung und Abruf konzentriert und ein dynamisches neun Ziffern schon die Waffen strecken.
bzw. konstruktives Modell des Gedächtnisses präsentiert. Diese Einheiten einer Werbevorlage sind beispielsweise Marke,
Vorstellung unterscheidet sich von einem anderen Modell, das Produktname, Produktgattung, Headline oder Slogan. Der Text
hier nicht unerwähnt bleiben soll, dem Speichermodell des Ge- einer Vorlage besteht oft aus einer ganzen Reihe von Einheiten.
dächtnisses (Atkinson und Shiffrin 1968; zit. n. Bredenkamp und Die Folgerung liegt auf der Hand: Sind es mehr als die vorgege-
Wippich 1977; Baddeley und Hitch 1974). Die folgenden Aus- benen sieben Einheiten, könnten auf keinen Fall alle Elemente
führungen werden aber auch zeigen, dass das Speichermodell gleichzeitig im Arbeitsspeicher repräsentiert sein. Es gibt diese
in wesentlichen Punkten als überholt gelten muss. Gleichwohl Kapazitätsgrenze, und sie lässt sich nicht verschieben. Dies ist ein
sollte man zentrale Begriffe und Befunde zu dem Modell kennen. entscheidendes Argument gegen eine zu komplexe Gestaltung
einer Werbevorlage (vgl. auch Meyer-Hentschel Management
Consulting 1993, S. 171).
4.4.1 Sensorischer Speicher Die Begrenzung können wir allenfalls dadurch aufheben,
dass wir die Einheiten, die wir behalten möchten, sinnvoll ver-
Im Speichermodell wird angenommen, dass Information über die binden. So würde es kaum einem von uns besonders schwer-
Außenwelt zunächst über die Sinne in unterschiedliche „sensori- fallen, wenn in einer Wortliste der Name „Lennon“ vorkommt,
sche Speicher“ gelangt. Jede Sinnesmodalität speichert in der für den später auftauchenden Namen „McCartney“ zusätzlich ab-
sie typischen Repräsentationsform für sehr kurze Zeit. So können zuspeichern. Beide Namen gemeinsam brauchen nur den Spei-
zum Beispiel Versuchspersonen auf die Instruktion „Was war in cherplatz von einer Einheit. Die entscheidende Frage ist die der
dem Bild rechts oben zu sehen?“ korrekt antworten, wenn sie Einheitenbildung. Wenn es Ihnen gelingt, einen Bezug zwischen
diese Information aus dem sensorischen Speicher abrufen. Die verschiedenen Vorgaben zu schaffen, dann bilden sie gemeinsam
Antwort gelingt aber nicht mehr, nachdem die Gedächtnisspur eine einzige Einheit, und neuer Speicherplatz wird frei (Miller
aus dem sensorischen Speicher zerfallen ist, was beim ikonischen 1956).
Speicher, also dem sensorischen Speicher für Bildinformationen, Allerdings besteht der menschliche Arbeitsspeicher aus un-
nach etwa 50 Millisekunden geschieht (Sperling 1960). Der Sti- terschiedlichen Subsystemen, die es uns erlauben, Informationen,
mulus „persistiert“ sozusagen noch in seiner physischen Aus- die hinreichend verschieden sind, gleichzeitig zu verarbeiten.
dehnung als Netzhautbild. Neath und Surprenant (2005) gehen In der ursprünglichen Konzeption des Arbeitsspeichers unter-
78 Kapitel 4 • Gedächtnis

scheidet Baddeley (z. B. 2009) eine zentrale Exekutive, die zwei englischen to prime für „zünden“, „scharfmachen“, „anlassen“,
1 Subsysteme koordiniert: die artikulatorische Schleife und den „antreiben“. Man kann Priming, so wie wir es hier verstehen, auch
räumlich visuellen Notizblock (. Abb. 4.1). Erstere ist für akus- zutreffend mit „assoziativer Bahnung“ übersetzen.). Der Begriff
2 tische und generell für verbale Verarbeitung zuständig, letztere „Priming“ beruht auf einem Bild: Das Wort „Blut“ war gleich-
für visuelle. Ein Argument für die Unterscheidung dieser Sys- sam der Zünder für bestimmte Folgereaktionen. Priming spielt an
teme ist das unterschiedliche Ausmaß, in dem hinzukommende verschiedenen Stellen in diesem Buch eine herausragende Rolle.
3 Aufgaben die Informationsverarbeitung stören. So bereitet es uns In ▶ Abschn. 3.2.4 haben wir schon ein Priming-Verfahren zum
wenig Schwierigkeiten, neben einer Reihe von visuellen noch Nachweis unbewusster Assoziationen im Rahmen der Untersu-
4 weitere auditive Informationen zu verarbeiten. Das liegt daran, chungen von Galli und Gorn (2011) kennengelernt. Die Beispiele
dass gehörtes Material in einem anderen Subsystem des Arbeits- in ▶ Kap. 6 zeigen, dass Priming auch zur Verhaltenssteuerung
5 speichers abgelegt wird als Bildmaterial. Eine Überlastung des genutzt werden kann, und in 14.5.3 stelle  ich das affektive Pri-
Arbeitsspeichers ist viel wahrscheinlicher, wenn zu der visuellen ming als ein Verfahren zur Messung automatischer Bewertungs-
Information noch weiteres Bildmaterial hinzukäme (Baddeley reaktionen vor.
6 und Hitch 1974). Unser blutiges Eingangsbeispiel ist übrigens ein Fall von in-
In einem gewissen Sinne kann man Arbeitsspeicher als ein direktem Priming, denn hier wurde gezeigt, dass nicht nur der
7 Aufmerksamkeitssystem bezeichnen – Baddeley selbst hat das Begriff selbst nach einer vormaligen Verarbeitung besser verfüg-
getan (Baddeley 1986; zit. n. Wentura und Frings 2013, S. 93 f.). bar ist (das wäre direktes Priming), sondern dass auch der Zugriff
Wenn man das Speichermodell aufgibt, kann man wesentliche auf semantisch ähnliche Begriffe erleichtert wurde. Mit Hilfe des
8 Annahmen zum Arbeitsspeicher in eine Theorie der Aufmerk- Primings mache ich also den Abruf eines ganzen Netzwerks von
samkeit integrieren (▶ Abschn. 2.7). Bedeutungen wahrscheinlicher.
9 Solche Priming-Phänomene deuten daraufhin, dass Infor-
mationen im kognitiven Apparat untereinander vernetzt sind.
4.4.3 Langzeitspeicher
10 Einzelne Gedächtnisspuren verweisen aufeinander. Wird eine
bestimmte Gedächtnisspur aktiviert, dehnt sich diese Aktivation
Im menschlichen Langzeitspeicher werden Informationen per- auch auf die vernetzten Gedächtnisspuren aus. Man spricht hier
11 manent abgelegt. Der Langzeitspeicher gilt als unbegrenzt. Zu- vom Prinzip der Aktivationsausbreitung (Collins und Loftus
mindest sind seine Grenzen so weit, dass sie uns praktisch nicht 1975).
12 zu interessieren brauchen. Die entscheidenden Fragen an den Je nach Nähe zu dem ursprünglichen Begriff werden benach-
Langzeitspeicher sind nur: Wie ist die Information dort abgelegt? barte Repräsentationen stark oder weniger stark aktiviert. An-
Wie ist sie organisiert, womit ist sie vernetzt? Wie oft wird sie üb- derson (2001) vergleicht die Aktivationsausbreitung mit Wasser
13 licherweise abgerufen? Diese Fragen betreffen die Organisation in einem Kanalsystem: Es strömt gleichsam durch verschiedene
des Langzeit-Speichers. Kanäle und Bahnen. An der Quelle ist der Druck am stärksten, in
14 Das vermutlich gravierendste Problem einer Theorie des entlegenen Winkeln fern von der Aktivationsquelle lässt dagegen
Langzeitspeichers betrifft die Annahme, dass Erinnerungen dort die Strömungsstärke schon erheblich nach.
15 wirklich wie Bilder oder Einträge in einem Buch abgespeichert Die entscheidenden Prinzipien der Aktivationsausbreitung
und beim Abruf regelrecht „gelesen“ werden. Diese Metapher
verkennt die bekannten konstruktiven Leistungen beim Abruf
-
sind also die folgenden (vgl. auch Grunert 1996, S. 91):
Die Aktivation breitet sich parallel aus, das heißt gleichzei-

-
16 und erschwert zudem eine plausible Erklärung von Gedächtni- tig von allen aktivierten Knoten.
stäuschungen. Andere Annahmen zum Langzeitspeicher vertra- Während der Ausbreitung geht Aktivation verloren. Je
17 gen sich recht gut mit anderen Erkenntnissen zum Gedächtnis stärker die Verbindung zweier Knoten ist, desto weniger
und zum kognitiven Apparat. Dazu gehören die oben angespro-
chenen Annahmen zur Organisation des Langzeitspeichers, vor
- Aktivation geht verloren.
Die resultierende Aktivation an einem bestimmten Punkt

-
18 allem zur netzwerkartigen Struktur. ist die Summe aller eingehenden Aktivationen.
Wenn die Gedächtnisinhalte nicht erneut aktiviert werden,
19 lässt der Grad der Aktivierung relativ schnell nach und
4.5 Die Organisation von Gedächtnisinhalten erreicht ein asymptotisches Niveau.
20
Sie kennen sicher das Spiel, bei dem man eine andere Person Das Priming kann man auch als Hinweis auf die Organisation des
mehrere Male das Wort „Blut“ wiederholen lässt. Danach fragt Langzeitspeichers verstehen, und insofern passen Priming-Phä-
21 man sie, wann man eine Kreuzung überqueren soll, und klopft nomene auf den ersten Blick ganz gut zum Speichermodell des
sich auf die Schenkel, wenn es gelungen ist, die Person zu der Gedächtnisses. Auf den zweiten Blick allerdings stellen sich
22 Antwort „Bei Rot“ zu bewegen. Das ständige Aufsagen von „Blut, schon auf der Ebene des oben angedeuteten Kinderspiels Pro-
Blut, Blut …“ hat offenbar beim spontanen Reagieren die Ant- bleme ein: So lassen meine Kinder beispielsweise einen Freund
wort „Rot“ wahrscheinlicher gemacht. Nach dem Prinzip der Ak- gern mehrmals hintereinander „Kabel“ sagen und fragen ihn
23 tivationsausbreitung ist eine bestimmte assoziative Verbindung dann, wie er seine Suppe isst. Das Vergnügen besteht nun darin,
gebahnt worden. Diese Wirkung von bestimmten Informationen ihn dabei zu erwischen, wie er mental die „Gabel“ in die Suppe
auf spätere Informationsverarbeitung nennt man Priming (Vom taucht. Offensichtlich folgt das Netzwerk nicht nur semantischen,
4.6  •  Serielle Effekte bei der Codierung
79 4

sondern auch phonetischen Regeln. Über eine solche phoneti- 50

sche Bahn hat auch der Hersteller des Sonnenblumenöls Livio bei

spontane Erinnerung
45
den Verbrauchern eine Assoziation zum höherwertigen Olivenöl 40
herzustellen versucht (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982,
35
S. 164).
Ein weiterer Ordnungsgesichtspunkt ist sogar noch wichti- 30

ger: Auch Dinge, die ähnlich bewertet werden, können einander 25


aktivieren – man spricht hier von affektivem Priming (z. B. Mur- 20
phy und Zajonc 1993). Einige der wichtigsten und innovativsten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Formen der Einstellungsmessung beruhen auf dem Prinzip des Position im Block
affektiven Primings (Cameron et al. 2012; siehe auch 14.5.3). .. Abb. 4.2  Primacy-Recency-Kurve für Werbespots aus den Jahren 1998,
Einen „Speicher“, der die Gedächtnisinhalte verwaltet, muss 1999 und 2000. (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Imas-Insti-
man sich also so vorstellen, dass er seine Ordnungsprinzipien tuts, Linz/München).
der jeweiligen Aufgabe anpasst und sich bei Bedarf flexibel um-
strukturiert. hier mit dem Primacy-Recency-Effekt zu tun. Präziser wird man
Ein weiterer dieser Ordnungsgesichtspunkte findet sich auch von zwei getrennten Effekten, einem Primacy- und einem Recen-
in der generellen Unterscheidung eines semantischen und eines cy-Effekt sprechen, denn beide können unabhängig voneinander
episodischen Gedächtnisses wieder (Anderson 2001). Im seman- auftreten. Sie sind in der Regel auch nicht gleich stark, meist ist
tischen Gedächtnis sind Informationen wie Definitionen abge- der Recency-Effekt der stärkere. Zudem sind die theoretischen
speichert. Sie sind unabhängig von der erinnernden Person gül- Erklärungen für beide Effekte unterschiedlich:
tig, etwa: „Eine Spinne hat immer acht Beine.“ Im episodischen Das Speichermodell erklärt dieses Phänomen damit, dass
Gedächtnis sind dagegen Erlebnisse gespeichert, die nur für die die Wörter am Ende der Liste noch direkt aus dem Arbeitsspei-
Person selbst gelten. Ein typischer episodischer „Speicherinhalt“ cher abgerufen werden können. Die Wörter am Anfang der Liste
wäre folgender: „… dann nahm mein Bruder den Pantoffel und können nicht mehr im Arbeitsspeicher sein, denn die Kapazität
schlug nach der Spinne. Er traf sie aber nicht, sondern sie lief dieses Speichers ist begrenzt. Sie müssen also aus dem Langzeit-
unter den Schrank und blieb dort …“ speicher abgerufen werden. Dorthin sind sie nur dann gelangt,
Die Unterscheidung von semantischem und episodischem wenn sie irgendwie verarbeitet wurden, und sei es auch nur durch
Gedächtnis macht es beispielsweise plausibel, warum manchmal Wiederholung beim Memorieren. Bei der Verarbeitung wurden
Informationen aus einer unglaubwürdigen Quelle (z. B. Werbung sie allerdings durch ständig neu eintreffende Informationen ge-
im Unterschied zur Information von Verbraucherorganisationen) stört. Die besten Chancen darauf, behalten zu werden, hatten
einige Zeit nach der Darbietung an Glaubwürdigkeit gewinnen. noch immer die verhältnismäßig früh dargebotenen Wörter,
Das, was gesagt wird, ist ein Inhalt des semantischen Gedächt- denn die hatten unter den widrigen Umständen die längste Ver-
nisses, während die Quelle, die es gesagt hat, vom episodischen arbeitungszeit zur Verfügung (vgl. auch Bredenkamp und Wip-
Gedächtnissystem verwaltet wird. Die unterschiedlichen Ge- pich 1977, Bd. II, S. 32 f).
dächtnissysteme erleichtern die Entflechtung der beiden Infor- . Abbildung 4.2 enthält eine typische „Vergessenskurve“ für
mationen (▶ Exkurs 14.3). einen Primacy-Recency-Effekt in einer Befragung an 1840 Perso-
nen. Wenn man die spontane Erinnerungsleistung für verschie-
dene Vorgaben – im Beispiel Werbespots – gegen die serielle
4.6 Serielle Effekte bei der Codierung Position der Vorgaben abträgt, dann erhält man fast immer eine
annähernd U-förmige Verteilung der Werte für die Gedächtnis-
Werbung wird häufig in einer ganz bestimmten Reihenfolge rezi- leistung. Dieser Befund legt nahe, dass der letzte Eindruck, den
piert: In Werbeblöcken oder beim Durchblättern einer Zeitschrift ein Spot macht, von besonderer Bedeutung ist. Nicht umsonst
folgt eine Werbung auf die andere, innerhalb des Werbeblocks be- wird der Name des Produkts oder die Aufforderung an den Be-
steht eine bestimmte Dramaturgie, die zum Beispiel den Marken- trachter am Ende eines Spots meistens wiederholt. Allerdings
namen als Pointe am Schluss oder bereits am Anfang nennt. Hier- muss man bedenken, dass Primacy- und Recency-Effekte vor
bei sind bestimmte Gedächtnisphänomene zu berücksichtigen. allem bei unzusammenhängendem Material auftreten. Innerhalb
eines Spots jedoch sollte man natürlich davon ausgehen, dass die
Inhalte durchaus zusammenhängen und aufeinander verweisen.
4.6.1 Primacy- und Recency-Effekt Insofern muss man die Folgerung, die Nennung des Produkts
am Ende des Spots profitiere vom Recency-Effekt, zurückhaltend
Bei der Darbietung einer Liste werden normalerweise die ersten bewerten – mehr dazu in ▶ Abschn. 4.6.2.
und die letzten Elemente der Liste am besten erinnert, schlech- Sehr viel sicherer ist die Folgerung, dass bei der Darbietung
ter dagegen die Elemente in der Mitte. Wenn man eine seman- einer Reihe von Spots der erste und der letzte die beste Chancen
tisch möglichst bunte Wortliste mehreren Personen vorliest und auf Erinnerung haben – und das nicht nur deshalb, weil sowieso
danach die Wörter reproduzieren lässt, müsste sich eigentlich die meisten Menschen in dem Augenblick, in dem die Werbeun-
abzeichnen, dass im Schnitt meistens die Worte am Anfang und terbrechung im Spielfilm kommt, eine Pause einlegen und zum
(noch mehr) am Ende der Liste erinnert werden. Wir haben es Kühlschrank gehen (Krugman 1962).
80 Kapitel 4 • Gedächtnis

Zhao (1997) befragte in einer Felduntersuchung telefonisch es sogar ansatzweise eine Bestätigung. Fazio et al. (1992) präsen-
1 1134 Personen während eines Football-Spiels nach den in den tierten ihren Probanden sogenannte Mystery Ads, also Spots, die
Spielpausen gezeigten Werbespots. Die Position im Block hatte ein Geheimnis darum machen, um was es geht bzw. wofür ge-
2 erhebliche Auswirkungen auf die Gedächtnisleistung. Besonders worben wird (▶ Abschn. 3.3.1). Als abhängige Variable betrach-
stark fiel der Primacy-Effekt aus: Spots an der ersten Position teten sie die Reaktionszeit auf eine Kategorisierungsaufgabe: Es
hatten die beste Chance, erinnert zu werden. „Mit jedem zusätz- wurde die übergeordnete Kategorie präsentiert (z. B. „Ketchup“),
3 lichen Spot verringerten sich die Recall- bzw. Recognitionswerte und die Probanden sollten so schnell wie möglich entscheiden,
um 1 bzw. 2,5 Prozentpunkte“ (Gleich 1998, S. 207; für entspre- ob eine nachfolgend präsentierte Marke (z. B. Heinz) zu der Ka-
4 chende Effekte in einer niederländischen Stichprobe vgl. Pieters tegorie gehört oder nicht. Diese Aufgabe dient als Maß für die
und Bijmolt 1997). Nachteile durch eine ungünstige Position Wahrscheinlichkeit, dass eine Marke erwogen wird, wenn eine
5 konnten jedoch durch Wiederholungen des Spots innerhalb des bestimmte Produktkategorie gekauft werden soll. Die präsentier-
gleichen Blocks bzw. durch Reminder-Spots wieder ausgeglichen ten Werbespots wurden so manipuliert, dass derselbe Spot die
werden. Produktinformation entweder am Anfang oder am Ende enthielt.
6 Die Spots wurden in einer Laborsituation mit Pausen von etwa
sieben Sekunden zwischen den Darbietungen präsentiert. Die
7 4.6.2 Die Nennung des Markennamens Probanden wussten, dass sie die Werbung bewerten sollten. In
innerhalb des Spots dieser Versuchsanordnung ergab sich ein Vorteil für die Mystery
Ads nur in einem Fall, nämlich wenn es sich um unbekannte
8 Der Recency-Effekt scheint auch dafür zu sprechen, den Pro- Marken handelte. Bei bekannten Marken gab es keine Effekte
duktnamen am Ende des Spots zu nennen. Dies steht allerdings auf die Kategorisierung.
9 im Widerspruch zu den Forderungen der lerntheoretischen In- Die Befunde von Fazio et al. (1992) zeigen, dass die unter-
terpretation von Werbeeffekten (inbesondere ▶ Abschn. 3.3.1). stellten Mechanismen möglicherweise wirklich einsetzen. Wie es
10 Dort hat es noch geheißen, dass zumindest zum Signallernen scheint, erleichtert die Frage „Worum geht es in diesem Spot?“
eine frühe und einmalige Nennung des Produktnamens sinnvol- den Aufbau von Assoziationen, die es so noch nicht gab. Be-
ler ist. Für die Ausnutzung der Gedächtniseffekte wäre es natür- kannte Marken allerdings profitieren nicht von der Anordnung
11 lich nicht problematisch, als Kompromiss den Namen einfach in einem Mystery Spot, und auch die Erinnerung an die Marke
mehrmals zu nennen. Für ein Signallernen nach den Regeln ist bei einer späten Nennung nicht besser als bei einer frühen.
12 der Kunst wäre eine Mehrfachnennung aber eher ungünstig. Es Problematisch ist an der Untersuchung von Fazio et al. (1992)
würde dann nämlich der neutrale Stimulus mindestens einmal allerdings die unrealistische Darbietungssituation: Sowohl die
dargeboten, ohne dass der unkonditionierte Stimulus folgen Instruktion als auch die verfügbare Zeit unterstützten ein sehr
13 könnte. hohes Maß an Elaboration bzw. Verarbeitungstiefe. So intensiv
Allerdings ist auch gedächtnispsychologisch eine späte Nen- wird Werbung in Alltagssituation wohl kaum rezipiert.
14 nung innerhalb des Spots nicht günstig. Der Recency-Effekt Außerdem konzentrieren sich Fazio et  al. (1992) auf die
bezieht sich ja wie gesagt in erster Linie auf unzusammenhän- Kategorisierung des Produkts. Im Unterschied dazu betrachten
15 gende Informationen, wie etwa die unterschiedlichen Spots eines Baker et al. (2004), wie gut ein Spot in der Lage ist, die Werbe-
Werbeblocks oder eben die Anzeigen in einer Zeitschrift. Sobald aussage mit Marke oder Produkt zu verbinden. Hierzu verwen-
aber Assoziationen zwischen den Informationen erlernt werden deten sie – wie Fazio und Kollegen – unterschiedliche Versionen
16 sollen, ist es keineswegs günstig, mit der zentralen Botschaft bis derselben Spots entweder mit Nennung des Produkts am Anfang
zum Schluss zu warten. Wenn man annimmt, dass innerhalb oder am Ende. Zusätzlich sah ein Teil der Probanden die inter-
17 des assoziativen Netzwerks die unterschiedlichen Inhalte auf- essierenden Spots zweimal, andere nur einmal. Die Erinnerung
einander verweisen, dann ist es nicht gleichgültig, um welchen an Marke oder Produkt war besser für die wiederholten Spots,
„Knoten“ sich die Informationen gruppieren. Die erstgenannte allerdings führte die Wiederholung nicht zu einer besseren Be-
18 Information bildet oder aktiviert (falls schon vorhanden) diesen wertung. Dies ergab sich nur für Spots, bei denen das Produkt
Knoten und hat die besten Chancen, den Mittelpunkt des Netzes am Anfang und nicht am Ende genannt wurde. Dies bestätigt
19 zu bilden, aus dem der gesamte Spot besteht. Tatsächlich sinkt die Annahme, dass die Assoziation zwischen Werbebotschaft
daher die Wirksamkeit einer Werbung mit der Zeit, die vergeht, und Marke am besten gelernt wird, wenn die Marke noch vor
20 bis die Marke oder das Produkt genannt werden (Stewart und der Botschaft bekannt ist.
Furse 2000). Einen weiteren Grund, warum die frühe Nennung einer
Es ist erstaunlich, dass dieser Effekt in der Werbepraxis kaum späten überlegen ist, sehen Baker et al. (2004) in der Gefahr von
21 bekannt ist, zumindest nicht berücksichtigt wird. So zeigte eine Interferenzen. Wenn der Spot beispielsweise mit der Werbeaus-
Analyse aus dem Jahr 2004, dass in den USA 24 % der Spots Pro- sage für einen Nike-Sportschuh beginnt, die darin besteht, dass
22 dukt oder Marke erst ganz am Ende nennen und nur 6 % die ge- der Schuh bestimmte Laufeigenschaften besitzt, dann gehen Ba-
dächtnis- und lernpsychologisch optimale Reihenfolge einhalten ker et al. (2004) davon aus, dass nun ein assoziatives Netzwerk
und mit der Nennung des Absenders beginnen (zit. n. Baker et al. um die Laufeigenschaften aktiviert wird. Diese Eigenschaften
23 2004). Theoretisch wird diese Strategie gern damit begründet, wiederum könnten genauso gut mit Adidas verknüpft sein. In
dass der Spot Neugier weckt und die Werbebotschaft damit tiefer diesem Fall wird der Konkurrent aktiviert – die Assoziation
verarbeitet wird. Für die Wirksamkeit dieser Art von Spot gibt missglückt.
4.7  •  Implizites Erinnern und der Mere-Exposure-Effekt
81 4
4.7 Implizites Erinnern und der Mere- Subjektive Gründe für die erlebte
Exposure-Effekt Verarbeitungsflüssigkeit

Erlebnis Gefühl der ja Der Reiz ist von einer früheren


Die meisten unserer bisherigen Überlegungen zum Gedächtnis flüssiger Erinnerung? Begegnung her bekannt
Verarbeitung
haben keine Aussage darüber gemacht, ob das zu behaltende Es herrschen besonders günstige
nein Wahrnehmungsbedingungen
Material mit Aufmerksamkeit oder gar mit einer erklärten Be-
haltensabsicht verarbeitet wird. Eine Aussage hierzu ist aber Der Reiz ist besonders angenehm
eigentlich notwendig. Werbung wird in aller Regel nicht mit und sympathisch

Aufmerksamkeit oder gar dem Wunsch betrachtet, möglichst Der Reiz ist allgemein bekannt
und berühmt
viel davon im Kopf zu behalten. Wir müssen uns also die Frage
stellen: Welche Effekte der Informationsverarbeitung sind ohne .. Abb. 4.3  Fehlzuschreibung einer Erinnerung.
Aufmerksamkeit und ohne gezielte Verarbeitung zu erwarten?
einer wesentlich leiseren Geräuschkulisse begleitet als neue
Wörter. Dieser Effekt lässt sich auch nicht durch den Hin-
4.7.1 Effekte des impliziten Erinnerns weis abstellen, dass die Geräuschkulisse in Wirklichkeit die

Stellen Sie sich vor, Sie blättern in einer Illustrierten. Die darin
enthaltenen Werbeanzeigen nehmen Sie wie üblich nur aus dem
Augenwinkel wahr. Die meisten überblättern Sie einfach. Würde
- gleiche geblieben ist.
Den Versuchspersonen werden Namenslisten vorgelegt.
Diese Namen werden in eine spätere Liste von Namen
eingestreut. Die zweite Liste sollen die Versuchspersonen
man Ihnen später diese Anzeigen noch einmal zeigen, könnten danach beurteilen, ob es sich um berühmte oder weni-
Sie nur einen recht kleinen Teil der Anzeigen aus der Zeitung ger berühmte Namen handelt. Die Namen der alten Liste
korrekt wiedererkennen. Eine beträchtliche Menge von Werbung schneiden dabei besser ab als die der neuen Liste, egal, ob
haben Sie zwar gesehen, Sie können sich aber nicht mehr daran diese Namen berühmt sind oder nicht. Dieses Phänomen
erinnern. ist als der False-Fame-Effekt bekannt (Jacoby et al. 1989).
Diese Menge, nämlich die gesehenen, aber nicht erinner-
ten Anzeigen, wird nun in einem Experiment weiterverwandt: Wie sind diese Effekte zu erklären? Folgende Modellvorstellung
Sie werden unter eine Reihe neuer Vorlagen gemischt und Sie wird diskutiert (Jacoby und Kelley 1992; Bornstein und D’Agos-
werden zu diesen Anzeigen um Ihr Urteil gebeten. Sie sollen tino 1994): Die Verarbeitung einer Information ist grundsätzlich
einschätzen, wie gut sich die Beispiele für die Werbung eignen, erleichtert, wenn der betreffende Reiz irgendwann früher schon
für wie gelungen Sie die Gestaltung halten und wie sympathisch einmal verarbeitet wurde. Die Person bemerkt die Erleichterung,
Ihnen die Anzeigen insgesamt sind. Welches Urteil ist hier von aber sie ist nicht unbedingt in der Lage, den Grund für die er-
Ihnen zu erwarten? höhte Verarbeitungsflüssigkeit zu erkennen. Richtig wäre, die Er-
Vermutlich werden Sie die alten, gesehenen, aber nicht er- leichterung auf die früher geschlossene Bekanntschaft mit dem
innerten Anzeigen besser bewerten als den Rest. Was aber das Reiz zu schieben. Die Person sagt sich gleichsam: „Ich verarbeite
Interessanteste dabei ist: Diese bessere Bewertung nehmen Sie diesen Reiz deshalb so flüssig, weil ich ihn nicht zum ersten Mal
vor, ohne dabei das Gefühl zu haben, Sie hätten diese Anzeigen verarbeite.“ Diese Zuschreibung verschafft das Gefühl des Erin-
irgendwo schon einmal gesehen (Experiment nach Perfect und nerns. In vielen Fällen wird aber die verbesserte Verarbeitung
Askew 1994). nicht auf frühere Erfahrung zurückgeführt. Stattdessen wird
Also hatten die Anzeigen eine Wirkung, auch wenn Sie sich fälschlicherweise angenommen, die störende Geräuschkulisse
nicht daran erinnert haben. Oder haben Sie sich doch erinnert? sei leiser geworden oder die Leute würden langsamer sprechen.
In einem gewissen Sinne ja, denn offensichtlich hat die flüchtige Oder nehmen wir den False-Fame-Effekt. Das, was eigentlich
Begegnung mit den Anzeigen beim Durchblättern der Zeitschrift bloße Erinnerung war, wird fälschlich als Berühmtheit des Na-
eine Spur in Ihrem Gedächtnis hinterlassen. Allerdings haben Sie mens wahrgenommen.
das anscheinend nicht bemerkt, denn die Frage, woran Sie sich Es werden also dem Reiz besondere Eigenschaften zuge-
erinnern bzw. was Sie wiedererkennen, können Sie nicht expli- schrieben, mit deren Hilfe die verbesserte Verarbeitung erklärt
zit beantworten. Doch aus Ihrem Verhalten können wir auf eine werden soll. Jacoby und Kelley (1992) sprechen von einer „Fehl-
Spur in Ihrem Geächtnis schließen. Dieses Phänomen wird im- zuschreibung einer Erinnerung“. Dieser Grundgedanke ist in
plizites Erinnern genannt. Betrachten wir diese impliziten oder . Abb. 4.3 dargestellt.
„unbewussten“ Gedächtniseffekte noch etwas genauer. Besonders Ausgangspunkt in dem Modell ist das Erlebnis einer erhöh-
interessant sind Fälle, in denen dem früher dargebotenen Reiz ten Verarbeitungsflüssigkeit. Dafür könnte eine Reihe von Grün-
bei der wiederholten Darbietung besondere Eigenschaften zu- den verantwortlich sein, von denen einige auf der rechten Seite
geschrieben werden. Hierzu zwei Beispiele (Jacoby und Kelley aufgezählt werden. Welcher der Gründe subjektiv als gültig erlebt

-
1992, S. 206 ff.):
Bei der Darbietung einer Wortliste ertönt ein störendes
Geräusch. Wenn die Versuchspersonen später die Wörter
wieder hören, meinen sie, das Geräusch sei leiser gewor-
wird, hängt offenbar davon ab, ob das Erlebnis der flüssigen Ver-
arbeitung von dem Gefühl der Erinnerung begleitet wird. Wenn
ja, dann liegt es nahe, eine frühere Begegnung mit dem Reiz als
Grund für die Verarbeitungsflüssigkeit anzusehen. Dieses Gefühl
den. Früher bereits gehörte Wörter werden subjektiv von kann man natürlich auch im Nachhinein noch erzeugen: Würde
82 Kapitel 4 • Gedächtnis

die Person auf diese Erklärung aufmerksam gemacht, würde sie 4.7.2 Der Effekt der bloßen Darbietung:
1 die bessere Verarbeitung als einen Gedächtniseffekt ansehen. An- Mere-Exposure-Effekt
dere Erklärungen würde sie nicht mehr erwägen.
2 Fehlt das Gefühl der Erinnerung jedoch, denkt die Person So wie Versuchspersonen schon gesehene, aber nicht erinnerte
nicht an einen Gedächtniseffekt. Sie greift dann vielmehr auf an- Namen für berühmter halten, so ist auch zu erwarten, dass sie
dere Erklärungen zurück, die sich ebenfalls anbieten. So kann es gegenüber diesen Namen günstigere Werturteile abgeben. An-
3 zu den impliziten Gedächtniseffekten kommen. ders ausgedrückt: Der eigentliche Gedächtniseffekt kann auch
Zwischen einem Gedächtniseffekt und dem Gefühl der Erin- „irrtümlich“ auf eine positivere Einstellung, ein günstigeres Wert-
4 nerung sollte man sorgfältig unterscheiden. „Gedächtniseffekte urteil zurückgeführt werden.
sind insofern automatisch, als sie weder die Absicht voraussetzen, Diese spezielle Fehlzuschreibung, die Zuschreibung auf eine
5 das Gedächtnis zu nutzen, noch auch nur das Bemerken, wenn positive affektive Haltung, knüpft an einen der robustesten Ef-
man es tatsächlich tut. Der Gebrauch eines Gedächtnisinhalts wird fekte der Psychologie an, an den Effekt der bloßen Darbietung
nicht immer von dem Gefühl begleitet, sich an irgend etwas zu er- oder Mere-Exposure-Effekt. Seit der grundlegenden Arbeit von
6 innern“ (Jacoby und Kelley 1992, S. 208; Übersetzung GF). Das be- Zajonc aus dem Jahre 1968 fanden sich immer wieder Bestäti-
deutet, dass es Gedächtniseffekte ohne das Gefühl der Erinnerung gungen für diesen Effekt: „mere repeated exposure of the indivi-
7 gibt. Diesen Gedanken habe ich bereits in ▶ Exkurs 4.1 ausgeführt. dual to a stimulus is a sufficient condition for the enhancement
Gebräuchliche Methoden zum Nachweis einer unbewussten of his attitude towards it“ (Zajonc 1968, S. 1). So zeigte Zajonc
Reizverarbeitung ist die Oppositions- oder die Prozessissozia- (1968) seinen Versuchspersonen chinesische Schriftzeichen auf
8 tionstechnik (z. B. Jacoby et al. 1989). Die Oppositionstechnik Dias. Einige der Schriftzeichen kamen häufiger vor als andere.
besteht darin, dass von den Probanden für einen bewusst ver- Die Darbietungshäufigkeit variierte von ein- bis zu 25-mal. Spä-
9 arbeiteten Reiz eine Reaktion verlangt wird, die das genaue Ge- ter sollten die Versuchspersonen auf einem semantischen Diffe-
genteil von dem wäre, was sie bei unbewusster Reizverarbeitung rential (▶ Abschn. 21.3.5) angeben, ob sie den gesehenen Schrift-
10 tun würde. Zum Beispiel instruiert man beim Nachweis des Fal- zeichen eher eine positive oder eher eine negative Bedeutung
se-Fame-Effekts die Probanden ausdrücklich, dass jeder Name, unterstellten. Es zeigte sich, dass von den häufiger gesehenen
der in der vorangegangenen Präsentation vorkam, auf keinen Schriftzeichen positivere Bedeutungen erwartet wurden als von
11 Fall berühmt ist. Ein wiedererkannter Name würde dann also den seltener gesehenen.
als nicht berühmt klassifiziert, ein gesehener, aber nicht wieder- Zajonc wies wiederholt nach, dass der Mere-Exposure-Effekt
12 erkannter Name dagegen als berühmt. Wenn nach dieser Inst- nicht nur im Labor auftritt. Es gelang ihm beispielsweise, einer
ruktion immer noch der False-Fame-Effekt beobachtet wird, ist studentischen Öffentlichkeit sinnlose Phantasiewörter sympa-
nachgewiesen, dass die Namen der vorherigen Liste unbewusst thisch zu machen. Die Wörter erschienen einfach wiederholt in
13 registriert wurden. der Campus-Zeitung (Sawyer 1981, S. 240). Andere Versuche,
Die Oppositionstechnik wurde mit der Prozessdissoziations- mit Hilfe des Mere-Exposure-Effekts Gefallen und Sympathie zu
14 technik verfeinert (Jacoby 1998): Stellen wir uns vor, nach der erzeugen, sind uns aus dem Alltag ebenfalls vertraut. So ist eines
Präsentation einer Wortliste sollen Wortstämme ergänzt wer- der Hauptinstrumente der Vermarktung eines Musikstücks, dass
15 den (z. B. Ap___ für Apfel). Eine erste Instruktion (die inclusion es immer wieder im Radio gespielt wird. Genauso sollen Politiker
task) verlangt, dass zur Ergänzung der Wörter die Begriffe aus der durch ständig wiederholte Darbietung auf Wahlplakaten bekannt
Lernliste verwendet werden sollen. Wenn man sich nicht erin- und populär gemacht werden.
16 nern kann, sollte man das erste Wort nehmen, das einem einfällt. Unter welchen Bedingungen kann nun besonders mit einem
Die andere Instruktion (exclusion task) verlangt dagegen, dass Mere-Exposure-Effekt gerechnet werden? Bornstein (1989a) hat
17 man ein Wort verwendet, das nicht in der Lernliste vorkam. Falls in einer umfassenden Metaanalyse 134 verschiedene empirische
dann doch Wörter aus der Lernliste als Ergänzung auftauchen, Arbeiten verglichen und zusammengefasst. Seine Zusammen-
kann man auf einen unbewussten Effekt schließen. Die Prozess- schau belegt nicht nur eindrucksvoll die Robustheit des Me-
18 dissoziationstechnik erlaubt es, den unbewussten Effekt sogar re-Exposure-Effekts. Vor allem kann man ihr die besonderen
zu quantifizieren. Bedingungen entnehmen, unter denen Mere-Exposure-Effekte
19 Eine terminologische Anmerkung ist hier noch angebracht: am stärksten ausfallen.
Sie werden in der Forschungsliteratur zu impliziten Kognitionen 1. Mere-Exposure-Effekte lassen sich mit sehr verschiedenem
20 oft den Begriff „implizites Gedächtnis“ antreffen. Ich bevorzuge Stimulusmaterial erzeugen, seien es Bilder, akustisches Mate-
für das gleiche Phänomen allerdings „implizites Erinnern“. Im- rial, Nonsens-Wörter oder sinnvolle Begriffe, Gerüche, wirk-
plizit, das heißt aus Verhaltensdaten erschlossen, ist das funk- liche Personen oder Polygone.
21 tionale Gebilde, das wir „Gedächtnis“ nennen, sowieso, das ist 2. Mere-Exposure-Effekte sind stärker bei komplexen Reizvor-
keine Neuigkeit. Schließlich liegt das Gedächtnis nicht insofern gaben. Zu einfache Reize, etwa sehr einfache im Unterschied
22 „explizit“ vor, als man darauf zeigen oder es unter das Mikroskop zu komplexen geometrischen Figuren, erzeugen vergleichs-
legen könnte. Das Interessante bei den oben diskutierten Phä- weise geringe Affektverbesserungen nach häufiger Darbie-
nomenen ist ja, dass auch das Erinnern nur aus Verhaltensdaten tung.
23 erschlossen wird, also nicht mit der „expliziten“ Feststellung „Ich 3. Der Mere-Exposure-Effekt lässt sich nicht beliebig steigern.
erinnere mich …“ einhergeht. Um diesen Umstand zu betonen, Schon nach einem Minimum von zehn Darbietungen kann
spreche ich also lieber von implizitem Erinnern. die Affektverbesserung nachlassen. In den von Bornstein
4.7  •  Implizites Erinnern und der Mere-Exposure-Effekt
83 4

(1989a) betrachteten Untersuchungen lag das mittlere Pla- nerung diskutiert. Diese Idee ist mit vielen der oben genannten
teau der Affektsteigerungen bei etwa 21 Darbietungen. Die Bedingungen für den Mere-Exposure-Effekt verträglich. Nicht
Standardabweichung lag jedoch bei 32,28. Es gab also auch nur der zentrale Punkt 5, sondern auch die Punkte 2, 4 und 7
Fälle, in denen nach mehr als 50 Durchgängen noch eine sind mit der Annahme einer Fehlzuschreibung in Einklang zu
Affektsteigerung erzielt wurde. Trotzdem folgert Bornstein bringen: Eine wenig komplexe Reizvorlage, eine längere Darbie-
(1989a, S.  272) insgesamt: „the exposure effect is greatest tungszeit oder eine große zeitliche Nähe von Darbietung und
when a relatively small number of exposures is used“. Werturteil machen ein bewusstes Erinnern an die Reizdarbietung
4. Je länger die Darbietungszeit ist, desto kleiner wird der Me- wahrscheinlicher. Damit wird auch die korrekte Zuschreibung
re-Exposure-Effekt. Eine Darbietungszeit von weniger als der Erinnerung wahrscheinlicher – und der Mere-Exposure-Ef-
einer Sekunde führt zu den stärksten Effekten. fekt würde gedämpft.
5. Der Mere-Exposure-Effekt hängt nicht davon ab, ob die Ver- Dass eine erhöhte Verarbeitungsflüssigkeit Sympathie erzeu-
suchspersonen sich daran erinnern, die Reizvorgabe schon gen kann, zeigt sich nicht nur in Befragungen, sondern auch in
einmal wahrgenommen zu haben, das heißt, der Mere-Expo- physiologischen Parametern. Winkielman und Cacioppo (2001)
sure-Effekt ist kein Wiedererkennungseffekt! Er zeigt sich auch präsentierten ihren Probanden neutrale Bilder, die sich in ihrer
bei Material, das ohne Aufmerksamkeit – und daher auch Deutlichkeit oder in der Dauer der Darbietung unterschieden. So-
ohne bewusste spätere Erinnerung – aufgenommen wurde. wohl höhere Bildschärfe als auch höhere Darbietungsdauer gehen
Ebenso zeigt er sich bei Material, das die Versuchspersonen mit erhöhter Verarbeitungsflüssigkeit einher. Die Manipulationen
nicht mehr bewusst erinnern oder wiedererkennen können. waren für die Probanden kaum merklich. Als indirektes Maß für
Um genau zu sein, muss man betonen, dass die Effektstärke die affektive Reaktion galt eine Elektromyografie des Musculus
für diejenigen Fälle, in denen sich die Versuchspersonen an zygomaticus major, also desjenigen Muskels, der beim Lächeln an-
die Reizvorgabe erinnern konnten, geringer war als für die gespannt wird. Es zeigt sich, dass schon die bessere Erkennbarkeit
Fälle, wo es keine Erinnerung gab. Bewusste Erinnerung und damit die erhöhte Verarbeitungsflüssigkeit allein die Aktivität
dämpft also den Mere-Exposure-Effekt. dieses Muskels erhöht. Die Verarbeitungsflüssigkeit kann also di-
6. Für den Mere-Exposure-Effekt ist es vor allem typisch, dass rekt Affekte beeinflussen (vgl. auch Reber et al. 1998).
die Versuchspersonen vorgeben, den betreffenden Reiz zu
mögen und angenehme Gefühle damit zu verbinden. Andere
Angaben über die Positivität, zum Beispiel der objektive äs- 4.7.3 Anwendung auf die Werbung
thetische Wert oder die unterstellte Qualität der Reizvorgabe,
profitieren ebenfalls. Die Effekte fallen hier aber schwächer Wie ich oben bereits betont habe, wurden implizite Gedächtnis­
aus. effekte in der Diskussion um Werbewirkung in der Vergangen-
7. Der Mere-Exposure-Effekt ist am stärksten, wenn die Ziel- heit kaum berücksichtigt (Sanyal 1992). Dass die Besonderheit
personen nicht sofort nach der Darbietung um eine Ein- beiläufig aufgenommener Informationen bisher kaum erkannt
schätzung gebeten werden. Eine gewisse zeitliche Distanz wurde, ist umso erstaunlicher, als doch eigentlich schon der in
zwischen Darbietung und Werturteil fördert den Effekt. der Konsumentenforschung so zentrale Begriff des Involvement
8. Jüngere Versuchspersonen, insbesondere Kinder, zeigen (▶ Abschn. 5.6) deutlich macht, wie wichtig die Unterschei-
schwächere Mere-Exposure-Effekte. dung zwischen aufmerksamer und nicht aufmerksamer Infor-
mationsaufnahme ist. Trotzdem wurde das Charakteristische
Der Mere-Exposure-Effekt beruht also nicht auf der Vertrautheit der impliziten und automatischen Prozesse nicht erkannt, wie
einer Vorlage, denn das bewusste Wiedererkennen ist für die auch aus einem Argument von Kroeber-Riel deutlich wird. In
uneingeschränkte Entfaltung des Effekts eher hinderlich (siehe seiner Arbeit über Bildkommunikation diskutiert er zwar die
Punkt 5; Bornstein 1989a, S. 281: „… stimulus awareness actually Möglichkeit, dass ein nicht beachtetes Bildelement spätere Aus-
inhibits the exposure effect“). Er muss, wenn überhaupt, dann ein wirkungen auf Verhalten und Erleben hat (Kroeber-Riel 1993a,
nicht bewusster Effekt des Wiedererkennens sein. Das heißt, bei- S. 93), beschreibt jedoch den Effekt eines früher dargebotenen,
läufige, nicht bewusst wahrgenommene und nicht erinnerte Reiz- aber nicht erinnerten Bilds auf dessen spätere Beurteilung als
verarbeitung ist für den Mere-Exposure-Effekt besonders effektiv. einen Wiedererkennungseffekt. Ich hoffe, dass aus den voran-
Dass der Mere-exposure-Effekt auf unbewusste und automa- gegangenen Ausführungen deutlich geworden ist, dass implizite
tische Reaktionen zurückgeht (und z. B. nicht durch die Frage- Gedächtniseffekte nicht auf Wiedererkennung angewiesen sind.
stellungen im Experiment erst provoziert wird), zeigt sich auch Gerade die Fehlzuschreibung der Erinnerung auf eine positive
darin, dass die bloße Darbietung auch unwillkürliche Aktivation Einstellung würde durch ein Wiedererkennen eher behindert.
im Musculus zygomaticus major auslösen kann (Harmon-Jones Implizite Gedächtniseffekte in der Werbung bestehen eben nicht
und Allen 2001). Dieser Gesichtsmuskel ist mit dem Jochbein im Wiedererkennen, sondern zum Beispiel in einer positiveren
verbunden und hebt beim Anspannen die Mundwinkel. Gemein- Bewertung der vorher gesehenen Vorlage. Und dieser Effekt kann
sam mit dem Musculus corrugator supercilii, der unter Anspan- bei bewusster Erinnerung sogar wieder aufgehoben werden.
nung die Brauen senkt, ist er ein physiologisches Maß für die
Qualität affektiver Zustände. Experimentelle Belege
Oben haben wir als theoretische Erklärung für Effekte des Ein Beispiel für die Anwendbarkeit unserer Überlegungen auf
impliziten Erinnerns die Idee einer Fehlzuschreibung von Erin- Werbung habe ich eingangs mit der Untersuchung von Per-
84 Kapitel 4 • Gedächtnis

fect und Askew (1994) gegeben (▶ Abschn. 4.7.1). Perfect und und Einrichtungsgegenstände einmontiert waren. Die Aufgabe
1 Edwards (1998) wiesen einen ähnlichen Effekt für Radiospots der Probanden bestand zunächst darin, einen bestimmten Text
nach: Ihre Probanden hörten beiläufig ein 30-minütiges Radio- aufmerksam zu lesen. Dies sollte gewährleisten, dass sie zwar die
2 programm, in das unterschiedlich lange Werbespots eingestreut relevanten Seiten sahen, diese aber nicht aufmerksam betrach-
waren. Bereits gehörte Spots wurden deutlich positiver bewertet teten. In einer späteren Aufgabe sollten die Probanden angeben,
als Kontrollspots. welche Produkte aus einem Katalog sie für die Einrichtung einer
3 Duke (1995) ließ seine Versuchspersonen Anzeigen nach un- künftigen Wohnung in Erwägung ziehen würden. Bei dieser Auf-
terschiedlichen Kriterien bewerten. Nach 48 Stunden wurden die gabe durften sie aber keine Produkte verwenden, die sie zuvor
4 Probanden verschiedenen Gedächtnistests ausgesetzt. In einem bereits in der Zeitschrift gesehen hatten. Gleichwohl wurden wie
freien Erinnern konnten zunächst nur sehr wenige Markenna- erwartet vorher gesehene Produkte – offenbar ohne dass dies den
5 men erinnert werden. Wenn allerdings in einer neuen Lernliste Probanden bewusst war – in stärkerem Ausmaß in das conside-
alte und neue Namen gemischt auftraten und diese Liste inner- ration set aufgenommen.
halb von drei Minuten gelernt werden sollte, wurden die alten Yoo (2008) bat seine Probanden, Internetseiten zu bewer-
6 Namen – obwohl sie bewusst nicht erinnert wurden – deutlich ten. Auf den Seiten waren neben dem eigentlichen Inhalt auch
besser gelernt. Werbebanner enthalten. Einer davon warb für eine Webseite,
7 In einem weiteren Experiment wurden unterschiedliche auf der DVDs verkauft wurden: „From Matrix to Lion King …
Verarbeitungsstrategien bedeutsam: Eine Gruppe sollte zu Go to ▶ Movie-Paradise.com.“ Eine Gruppe war dabei instruiert,
den präsentierten Anzeigen Fragen beantworten, die eher auf die Seite als Ganzes zu beachten, eine andere sollte sich auf den
8 die Marke und ihre Eigenschaften bezogen waren, eine andere redaktionellen Teil konzentrieren, zu dem Fragen angekündigt
Gruppe Fragen nach Oberflächenmerkmalen der Anzeige (z. B. wurden. Damit hatte diese letztere Gruppe die typische Rezepti-
9 der Verwendung von Farben). Dadurch sollten unterschiedlich onshaltung eines Internetnutzers, der die Bannerwerbung gezielt
tiefe Verarbeitungsstrategien induziert werden (▶ Abschn. 4.2.3). ausblendet. Die erstere Gruppe dagegen repräsentierte eine unty-
10 Duke verglich im späteren Erinnerungstest (wieder nach pische Rezeptionshaltung mit hoher Aufmerksamkeit gegenüber
48 Stunden) zwei Erinnerungsmaße. Als direktes Maß wählte allen Inhalten einer Webseite. In einer späteren Rekognitionsauf-
er einen Wiedererkennungstest, als indirektes Verfahren eine gabe erkannte die abgelenkte Gruppe die Werbebanner der Web-
11 Wortstammergänzung. Die unterschiedliche Verarbeitung hatte seite nicht besser wieder als eine Kontrollgruppe, die gar keine
einen deutlichen Effekt auf die Leistung im Wiedererkennungs- Banner gesehen hatte. Die Gruppe mit voller Aufmerksamkeit
12 test. Die Differenz zwischen korrekt wiedererkannten Anzeigen dagegen erinnerte sich signifikant besser an die Banner als die
und „falschem Alarm“ (Anzeigen, die „wiedererkannt“ wurden, Kontroll- und die Ablenkungsgruppe.
obwohl sie nicht Teil der Präsentation waren) war größer bei In einer anderen Bedingung mussten die Probanden Wort-
13 den tief verarbeiteten gegenüber den oberflächlich betrachteten stämme zu vollständigen Worten ergänzen, unter anderem
Anzeigen. Auf die Wortstammergänzung hatten die unterschied- MAT_ _ _, LI_ _ oder Mo_ _ _. Für Probanden in der Experimen-
14 lichen Verarbeitungsstile jedoch keine Auswirkung: Hier waren talgruppe lag es nahe, diese Beispiele zu den Wörtern „matrix“,
die Leistungen der Probanden unter beiden Bedingungen gleich „lion“ „movie“ zu ergänzen, denn diese kamen in dem Banner
15 gut. Die Leistungen im impliziten Erinnern waren also in der Re- vor, das sie zuvor gesehen hatten. In der Tat zeigte sich auch ein
gel besser und gegenüber Manipulationen der Verarbeitungstiefe Effekt für die Präsentation: Während in der Kontrollgruppe die
weniger anfällig als Leistungen im expliziten Erinnern. Aufgaben nur zu 36 % mit Wörtern wie „lion“ oder „movie“ ge-
16 Einen ganz ähnlichen Effekt zeigen Krishnan und Shapiro löst wurden, geschah dies in den Experimentalgruppen in mehr
(1996): Wortanfänge werden korrekter zu den dazugehörigen als 55 % der Fälle. Dabei machte es allerdings keinen Unterschied,
17 Markennamen ergänzt, wenn die Marke bereits früher in einer ob die Probanden in der abgelenkten (55 %) oder der aufmerk-
Werbeanzeige vorkam. Dieser Effekt ist unabhängig von den samen Bedingung (57 %) waren. Weiterhin hatten Probanden
Leistungen in Erinnerungs- oder Wiedererkennungstests. aus beiden Experimentalbedingungen eine positivere Einstellung
18 Shapiro et  al. (1997) ließen ihre Versuchspersonen einen gegenüber dem beworbenen Produkt und berichteten eine hö-
Text lesen, der über einen Computerbildschirm lief. Gleich- here Kaufbereitschaft als Probanden aus der Kontrollbedingung
19 zeitig mussten die Probanden noch den Cursor nach einer be- ohne Präsentation.
stimmten Regel über den Bildschirm bewegen. Damit war die Einen besonders beeindruckenden Effekt impliziten Erin-
20 Aufmerksamkeit der Testpersonen sehr stark gebunden. Am nerns konnten Betsch et al. (2001) nachweisen: Ihre Versuchs­
Bildschirmrand erschienen nun zu bestimmten Zeitpunkten personen sahen Werbespots mit unten eingeblendeten fortlau-
Werbeanzeigen. Diese Anzeigen wurden in der Folge nicht mehr fenden Börsendaten. Diese Börsendaten sollten die Probanden
21 bewusst erinnert: Die Wiedererkennungsrate für die beworbe- laut mitlesen, beachten sollten sie aber die Werbung, da es in dem
nen Produkte lag nicht höher als die Trefferwahrscheinlichkeit Experiment angeblich genau um diese ginge und die Börsenda-
22 bei bloßem Raten. In einer simulierten Kaufsituation allerdings ten nur zur Ablenkung präsentiert würden. Diese Instruktion
wurden die beworbenen Produkte signifikant häufiger gewählt hatte erwartungsgemäß zur Folge, dass die Probanden später
als vergleichbare nicht gezeigte. außerstande waren, auch nur den ungefähren Wert einer Aktie
23 Ähnliche Effekte zeigt Shapiro (1999) in einer Serie von Ex- zu erinnern. Sollten die Personen aber in der Folge die Aktien
perimenten: Probanden sollten eine Zeitschrift lesen, in die be- auf einer Skala von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“ bewerten, ent-
stimmte Produktpräsentationen bzw. Werbeanzeigen für Möbel sprach diese Bewertung der Rangfolge, die sich bei Summierung
4.7  •  Implizites Erinnern und der Mere-Exposure-Effekt
85 4

der Börsendaten ergeben hätte. In einem Folgeexperiment stell- ohne die 25 Kinder, die Nike im Erinnerungstest nannten – ohne
ten die Autoren sicher, dass die Basis für diese Bewertung in der dass dies einen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt hätte.
Tat eine interne Summenbildung und nicht etwa eine Erinne-
rung an besonders herausragende Notierungen oder die interne Implizites Erinnern außerhalb des Labors
Berechnung eines Durchschnittswerts war. Betsch et al. (2001) Die genannten Beispiele sind freilich Laborexperimente, die
sehen in ihren Daten einen Beleg für die These, dass Menschen unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt wurden. Was
grundsätzlich dazu neigen, Informationen, die man bewerten spricht aber dafür, dass solche Effekte auch außerhalb der psy-
kann, auch tatsächlich zu bewerten – selbst wenn sie dies gar chologischen Labore zu erwarten sind? Bornstein und D’Agos-
nicht beabsichtigen. Es geht in dieser Arbeit natürlich nicht im tino (1994, S. 123) rechnen mit durchaus starken Effekten; sie
engeren Sinne um Gedächtnis, sondern um Einstellungsbildung. erwarten sogar, dass Mere-Exposure-Effekte, die im Labor ge-
Ein Beispiel für das Phänomen des impliziten Erinnerns sind funden wurden, eher geringer ausfallen als die tatsächlichen Me-
diese Ergebnisse aber insofern, als sich hier wieder die frühere re-Exposure-Effekte in der natürlichen Umwelt. Sie begründen
Konfrontation mit dem Reiz im Verhalten zeigt (nämlich in der das damit, dass der Mere-Exposure-Effekt am stärksten ist, wenn
Bewertung), nicht aber in der expliziten Erinnerungsleistung. die Versuchspersonen keine Verbindung zwischen der Reizdar-
Allem Anschein nach ist also die Ablenkung von Werbung bietung und ihrem Affekturteil ziehen. Um den Effekt im Labor
keine hinreichende Bedingung dafür, dass Werbeeffekte ausblei- nachzuzeichnen, müssen die Versuchspersonen erst einmal mit
ben. Werbung, die unter starker Ablenkung präsentiert wird, ist dem Zielreizen vertraut gemacht werden. Diese notwendige vor-
durchaus effektiv. Zwei weitere Anwendungsbeispiele belegen herige Darbietung gelingt fast nie mit der gleichen Beiläufigkeit,
dies. die in natürlichen Situationen vorkommt. Die Darbietung wird
Betrachten wir zunächst das Product Placement in Filmen. in den meisten Fällen von den Versuchspersonen als Teil des Ex-
Für die bewusste Erinnerung spielt es eine Rolle, ob ein Produkt periments und damit als absichtsvoll wahrgenommen. Zum Bei-
direkt in die Handlung des Films integriert ist, ob es vom Helden spiel werden die Versuchspersonen im Experiment von Perfect
der Geschichte beiläufig verwendet wird oder ob es lediglich im und Askew (1994) erwartet haben, dass die Aufgabe, jetzt eine
Hintergrund zu sehen ist. Bei einer bloßen Hintergrundpräsen- Zeitschrift durchzublättern, einen zum Experiment gehörenden
tation ist die Ablenkung durch die Handlung viel größer als bei Sinn hat. Solche Effekte der laborhaften Künstlichkeit erhöhen
einer Integration des Produkts in das Geschehen. Infolgedessen das Risiko, dass sich die Person an die früheren Reizdarbietungen
wird die Produktinformation weniger tief verarbeitet und die be- eben doch erinnert und damit der Mere-Exposure-Effekt kleiner
wusste Erinnerung ist entsprechend schlechter. Die Unterschiede ausfällt, als es eigentlich möglich wäre.
in der Verarbeitungstiefe sind jedoch ohne Einfluss, wenn es da- Unter Berücksichtigung des Mere-Exposure-Effekts ist es
rum geht, Wortstämme zum Produktnamen zu ergänzen oder offenbar ungeschickt, vielleicht sogar irreführend, wenn man
eine Marke zu wählen. In beiden Fällen sind Produkte im Vorteil, Werbewirkung nur daran misst, ob eine Anzeige erinnert oder
wenn sie zuvor Teil des Films waren – in welcher Form auch wiedererkannt wird (▶ Abschn. 21.3.2). Man kann sich sogar im
immer (Yang und Roskos-Ewoldsen 2007). Gegenteil Fälle vorstellen, in denen die bewusste Erinnerung eher
Unser zweites Beispiel betrachtet Werbeeffekte für Produkte, hinderlich ist. Die bewusste Erinnerung, „Diese Anzeige habe ich
die in Videospiele integriert sind (Yang et al. 2006). So wird aus da und da schon einmal gesehen“, würde dem Betrachter eine
einer Reihe von Logos das Nike-Logo mit größerer Häufigkeit flüssige Verarbeitung der Vorlage vollständig erklären. Damit
gewählt, wenn es zuvor Teil des Spiels war (Hang und Auty 2011). bestände kein Anlass mehr, die verbesserte Informationsverar-
Wenn die Spieler im Laufe des Spiels mit der Marke interagieren beitung mit positiven Merkmalen der Anzeige in Verbindung
müssen, verstärkt sich der Effekt sogar. Nike wird nicht nur eher zu bringen.
gewählt, wenn die Marke neben anderen präsentiert wird, sie Wie wichtig die Fehlzuschreibung der Erinnerung für den
wird im Falle der Interaktion auch aktiv eher assoziiert (Hang Mere-Exposure-Effekt ist, wird auch in einem Befund von Born-
und Auty 2011). Die Interaktivität sorgt also dafür, dass die im- stein und D’Agostino (1994) deutlich. Sie konnten zeigen, dass
plizite Erinnerung ohne Abrufschlüssel auskommt: Der positive man einen Mere-Exposure-Effekt steigern kann, indem man
Effekt der Markenbegegnung besteht auch dann, wenn die Marke den Personen gezielt ausredet, sie hätten bestimmte Reize schon
gar nicht präsent ist. einmal gesehen. Sie erklärten ihren Versuchspersonen, dass die
Nun werden Sie vielleicht einwenden, dass ein Spieler, der die zu beurteilenden Stimuli einigen zuvor gesehenen zwar ähnlich
Marke im Spiel – wie beiläufig auch immer – genutzt hat, diese seien, es sich aber gleichwohl um neue Reize handelte. Auf diese
auch eher erinnern wird. Hang und Auty (2011) stellten in ihrer Weise induzierten sie eine Fehlzuschreibung der Erinnerung
Untersuchung aber sicher, dass der Effekt der Markenbegegnung auch für solche Stimuli, die die Versuchspersonen eigentlich be-
wirklich ein unbewusster war. Die Probanden, 207 Kinder zwi- wusst hätten erinnern können.
schen neun und zehn Jahren, konnten sich ohnehin nicht be- Auch zu der Rolle einer aufmerksamen gegenüber einer eher
wusst daran erinnern, der Marke im Spiel begegnet zu sein: Nur beiläufigen Informationsaufnahme kämen neue Gesichtspunkte
25 Kinder gaben an, dass Nike im Spiel vorkam, was im Test nicht hinzu: Wenn die Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung geteilt
höher liegt als die Ratewahrscheinlichkeit. Trotzdem wollten die ist, werden wesentlich weniger Reize später bewusst erinnert.
Autoren natürlich ausschließen, dass ihr Ergebnis auf die Pro- Implizite Gedächtnisphänomene leiden dagegen kaum unter
banden zurückging, die die richtige Marke nannten – sei es nun einer Ablenkung während der Informationsaufnahme (Jacoby
geraten oder erinnert. Darum wiederholten sie ihre Analysen und Kelley 1992, S. 212). War die Aufmerksamkeit bei der Auf-
86 Kapitel 4 • Gedächtnis

nahme einer Werbeinformation geteilt, fehlt später das Erlebnis sich beispielsweise beeinflussen, indem man Personen bittet, be-
1 der Erinnerung. Das unbewusste Gefühl der Vertrautheit mit stimmtes Material zu memorieren und anderes zu vergessen. Auf
den Reizen bleibt dagegen, mit seinen positiven Begleiterschei- implizite Effekte haben diese Instruktionen dagegen kaum eine
2 nungen, erhalten. Wirkung. Zudem verfallen implizite Gedächtnisspuren langsa-
Neuere Werbetechniken dürften die Beiläufigkeit der Wer- mer als explizite (Perruchet und Baveaux 1989; Roediger und
bedarbietung, die ja für implizite Gedächtniseffekte wesentlich McDermott 1993). Einzig die Behauptung, implizite Gedächt-
3 ist, noch unterstützen. Hierzu zählen etwa die Bannerwerbung niseffekte seien immun gegen die Interferenz durch ähnliches
im Internet, das Split Screen-Verfahren, bei dem die Werbung Material, hat sich angesichts jüngerer Forschung nicht aufrecht-
4 nur auf einem Teil des Bildschirms präsentiert wird, während erhalten lassen (Lustig und Hasher 2001).
auf dem anderen das Programm, zum Beispiel eine Sportüber-
5 tragung, weiterläuft (▶ Exkurs 1.1).
Der Mere-Exposure-Effekt ist auch in einer anderen Hinsicht
unbewusst: Versuchspersonen können ihn an sich selbst nicht
6 korrekt vorhersagen. Kahneman und Snell (1992) untersuchten
die häufig zu beobachtende Diskrepanz zwischen vorhergesag-
7 tem und tatsächlichem Nutzen, mit anderen Worten: das Phäno-
men, dass Konsumenten sehr häufig nicht korrekt vorhersagen
können, was ihnen zu einem späteren Zeitpunkt wie gut gefallen
8 wird. Die folgende Frage wird Ihnen vermutlich keine Schwie-
rigkeiten bereiten:
9
» D. und J. arbeiten beide für die gleiche Firma, die gerade ein
10 neues abstraktes Firmenlogo für ihre Briefköpfe eingeführt
hat. D. kommt heute aus dem Urlaub zurück und sieht das
neue Logo zum ersten Mal; J. hat Briefe mit dem neuen Logo
11 bereits seit zwei Wochen benutzt. Wem gefällt heute das
Logo besser? D. oder J.? (Zit. n. Jungermann et al. 2005, S. 58)
12
Kennt man den Effekt der bloßen Darbietung, muss man erwar-
ten, dass J. heute positiver über das neue Logo urteilt; trotzdem
13 erwarten mehr als die Hälfte der Befragten, D. würde das Logo
besser gefallen (Kahneman und Snell 1992). Dieser Befund ist
14 eines von mehreren Beispielen, die belegen, dass Personen ihren
eigenen Nutzen nicht korrekt vorhersagen können. Für unsere
15 Zwecke ist noch ein anderer Gesichtspunkt wichtig: Offenbar
ist der Mere-Exposure-Effekt zu wenig bekannt, als dass er in-
tuitiv in die Nutzenerwartung von Konsumenten einbezogen
16 würde. Hier liegt eine Quelle für Fehleinschätzungen des eigenen
Verhaltens – und selbstverständlich auch eine Fehlerquelle für
17 Marktforschungsdaten.

Andere Besonderheiten impliziten Erinnerns


18 Auch andere Besonderheiten einer Reizverarbeitung ohne Auf-
merksamkeit wurden bislang in der Werbewirkungsforschung
19 nicht ausreichend berücksichtigt. So entfällt die traditionell un-
terstellte Bildüberlegenheit (▶ Abschn. 2.2) bei vielen impliziten
20 Prozessen (Roediger und McDermott 1993). Hier zeigen Wörter,
seien sie nun geschrieben oder gesprochen, ganz ähnliche Akti-
vierungseffekte wie Bilder.
21 Grundsätzlich gilt, dass Randbedingungen, die unter norma-
len Umständen ein Erinnern extrem behindern, für implizites
22 Erinnern keine besondere Einschränkung darstellen. Darunter
fällt nicht nur fehlende Aufmerksamkeit bei der Reizaufnahme,
sondern auch die Beeinträchtigung durch Alter oder Depression
23 oder die Behinderung durch Amnesien, Alkohol und andere
Drogen. Auch Absichten und Instruktionen haben auf impli-
zite Effekte kaum einen Einfluss. Explizite Lernergebnisse lassen
87 5

Mechanismen
der Verhaltenssteuerung:
Aktivierende Prozesse, Motive
und Ziele
Georg Felser

5.1 Die Energetisierung des Organismus  –  88


5.2 Affekte und Emotionen  –  89
5.2.1 Definierende Bestimmungsstücke von Emotionen  –  89
5.2.2 Stimmungen und Konsumverhalten  –  92
5.2.3 Neurologische Korrelate von Bewertungsreaktionen  –  94
5.2.4 Embodiment: Die Rückkopplung durch Körperhaltungen  –  96
5.2.5 Das Schachter-Singer-Paradigma – 97

5.3 Motivation – 98
5.3.1 Annäherungs- und Vermeidungstendenzen – 99
5.3.2 Theoretische Grundpositionen zur Motivation  –  99
5.3.3 Inhaltstheorien der Motivation  –  101
5.3.4 Expressive Funktionen des Konsums, Konzepte und Codes  –  103

5.4 Motivation durch Ziele  –  104


5.4.1 Zum Verhältnis von Zielen und Motiven  –  104
5.4.2 Die „kluge“ Wahl von Zielen  –  105

5.5 Verhaltensregulation und Selbstkontrolle  –  107


5.5.1 Das Umsetzen einer Absicht  –  107
5.5.2 Versuchungen widerstehen – 108
5.5.3 Automatische Verhaltensregulation – 110

5.6 Die Involviertheit des Kunden  –  111


5.6.1 Persönliches Involvement   –  112
5.6.2 Situationsinvolvement – 112
5.6.3 Produktinvolvement – 112
5.6.4 Werbemittel- und Medieninvolvement  –  113

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
88 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

Zusammenfassung: variablen“ der Verhaltenssteuerung bzw. der Motivation. Es geht


1 1. Die allgemeine Verhaltensbereitschaft des Organismus hängt dabei um die aktivierenden Faktoren des Verhaltens (wie etwa
vom Grad seiner Aktiviertheit ab. Dieser Grad ist in Kaufsituati- auch die Affekte und Emotionen), um Motive oder um Ziele. In
2 onen meist eher gering. ▶ Kap. 6 wird betrachtet, inwieweit diese Organismusvariablen
2. Emotionen regeln ähnlich wie Einstellungen und Motive die durch Einflüsse der Umwelt angeregt – oder vielleicht auch um-
Handlungsbereitschaft des Organismus. Sie haben immer eine gangen – werden.
3 Valenz, werden also immer entweder als positiv oder negativ
erlebt. Zudem setzen sie stets eine bestimmte Interpretation
4 der Außenwelt voraus. 5.1 Die Energetisierung des Organismus
3. Stimmungen agieren im Unterschied zu Emotionen eher im Hin-
5 tergrund, haben aber ähnliche Auswirkungen auf das Verhalten. Verhalten braucht Energie, und der Organismus folgt bei der Zu-
Stimmungen sind nicht nur Ziel des Handelns (indem z. B. ein weisung von Energie bestimmten Regeln. Energie wird beispiels-
Verhalten die Stimmung bessern soll), sie haben auch Signal- weise bereitgestellt, wenn wir Wünsche und Motive befriedigen
6 funktion. So werden Situationen häufig auf der Grundlage der wollen, aber auch wenn persönlich wichtige Werte auf dem Spiel
aktuellen Stimmung bewertet. stehen. Frühe Konzepte der Motivation verstanden die Quellen
7 4. Hirnphysiologisch sind unterschiedliche Strukturen an der Entste- der Verhaltenssteuerung als eine Form von Energie oder Kraft.
hung von Emotionen beteiligt. Auffällig ist vor allem die Rolle des Diese Idee liegt dem Triebkonzept zugrunde: Ein Trieb wird ver-
standen als eine unspezifische Energie (z. B. Rothermund und
8 orbitofrontalen Kortex, der die physiologische Grundlage dafür
liefert, Belohnungsqualitäten der Umwelt korrekt zu erkennen. Eder 2011). In der Konsumentenforschung hat der Begriff der
5. Körperhaltungen und Mimik erleichtern das Nachempfinden Aktivation eine ähnliche Bedeutung. Frühe Konsumentenfor-
9 emotionaler Zustände. Bestimmte affektive Zustände werden scher wie Kroeber-Riel (1992, S. 49 ff) stellen diesen Begriff in
wahrscheinlicher, wenn man die dazu passende Motorik zeigt. den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Aktivation bezeichnet eine
10 6. Motivierte Menschen wollen sowohl erwünschte Zustände her- sehr weit gefasste, ziemlich unspezifische Art der Erregung.
beiführen als auch unerwünschte meiden. Je nach Situation und Aktiviert werden können wir zum Beispiel rein körperlich, in-
Persönlichkeit kann aber der Fokus mehr auf dem einen oder dem bestimmte Nervengruppen des zentralen Nervensystems ge-
11 mehr auf dem anderen liegen. Konsumentscheidungen werden reizt werden. In diesem Sinne bezeichnet Aktivation die Reaktions-
davon beeinflusst, ob der Kontext (z. B. die Werbebotschaft) zum und Leistungsbereitschaft des Organismus. Physiologisch aktiviert
12 dominierenden Fokus passt. werden wir bereits durch die Zufuhr von Substanzen, etwa Koffein,
7. Die vermutlich am besten gesicherte Inhaltstheorie der Motiva- Alkohol (in kleinen Mengen) oder Hormonen. In anderen Fällen
entsteht physische Aktivation mittelbar als Folge von psychischen
13 tion unterstellt drei zentrale Motivthemen: Leistung, Macht und
Anschluss. Jeder Mensch ist – in unterschiedlichem Grade – in Zuständen, insbesondere aufgrund von Wahrnehmungen. Die
diesen Themenbereichen motivierbar. Hierbei ist wichtig, dass Wahrnehmung von Gefahr oder von sexuellen Reizen aktiviert
14 das Motiv auf einen passenden situationalen Anreiz trifft. den Organismus auf biologisch vorprogrammiertem Wege.
8. Menschliches Verhalten hat nicht nur das Ziel, mit dem Ergebnis Erregung äußert sich körperlich zum Beispiel in Herzschlag,
15 des Handelns ein bestimmtes Motiv zu befriedigen. Oft ist das Atmung, Pupillenreaktion oder elektrischer Leitfähigkeit der
Verhalten selbst das Ziel, indem die Person dadurch ihre Identi- Haut. Alle diese Maße sind geeignet, die Aktivation eines Or-
tät ausdrückt oder innere Zustände (Emotionen, Anspannung) ganismus anzuzeigen (▶ Abschn. 21.3.5). Eine hohe Aktivation
16 reguliert. Insofern geht auch das Ziel des Konsums oft weit über erleichtert nicht nur das direkte Verhalten, sondern auch die In-
dessen materielle und physische Folgen hinaus. formationsverarbeitung, allerdings gilt dies nur für ein mittleres
17 9. Neben den eher unbewusst wirkenden Motiven sind auch Ziele Erregungsniveau (Greenwald und Leavitt 1984; Kroeber-Riel
treibende Kräfte des Verhaltens. Wirksam sind bewusst gesetzte 1992, S. 66; Meyer-Hentschel 1993).
Für diese Erkenntnis steht das klassische Yerkes-Dodson-Ge-
18 Ziele vor allem dann, wenn sie durch ein passendes Motiv gestützt
werden. Zur Zielverfolgung ist oft Selbstkontrolle erforderlich. setz (Yerkes und Dodson 1908) Pate, das vor allem im Bereich
10. Die Frage, welche psychologische Regel das Konsumentenver- der Leistungsmotivation einschlägig ist. Diesem Gesetz zufolge
19 halten angemessen beschreibt, hängt wesentlich daran, ob die ist der Zusammenhang zwischen der Qualität einer Leistung und
Personen in einer bestimmten Situation involviert sind oder der Aktivation oder Triebstärke immer kurvilinear, und zwar hat
20 nicht. Involvement bezeichnet das Ausmaß an innerer Beteili- er die Form eines umgekehrten U (. Abb. 5.1). Das Yerkes-Dod-
gung des Individuums an einem Verhalten. son-Gesetz behauptet also, dass es immer ein Optimum an Ak-
tivation gibt, jenseits dessen die Qualität einer Leistung wieder
21 ▶ Kapitel 5 und 6 widmen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln abnimmt.
der Frage, wie unser Verhalten zu der Richtung kommt, die es ein- Wo das Optimum liegt, wird wesentlich davon bestimmt, wie
22 schlägt. Es geht also in gewissem Sinne darum, was unser Verhalten schwierig oder komplex die Aufgabe ist, um die es geht. Bei leich-
(von außen) steuert (▶ Kap. 6) oder (von innen) antreibt (▶ Kap. 5). ten Aufgaben steigt die Qualität der Lösung noch mit der Stärke
Die unterschiedlichen Blickwinkel ergeben sich aus dieser ange- der Aktivation; ein Absinken ist erst bei sehr hoher Erregung
23 deuteten Unterscheidung von Außen- und Innenfaktoren. zu beobachten. Bei schweren Aufgaben jedoch ist das Optimum
Das vorliegende Kapitel widmet sich der Frage aus der Innen- schnell erreicht; hier schadet die Erregung bereits bei einer ver-
perspektive, betrachtet also im weitesten Sinne die „Organismus- hältnismäßig moderaten Ausprägung.
5.2  •  Affekte und Emotionen
89 5

Bei der Rezeption von Werbung besteht die „Aufgabe“ in 1,0


der Verarbeitung der Werbeinformation. Aus dem Yerkes-Dod-
son-Gesetz ließe sich dann ableiten, dass zur Verarbeitung einer 0,8
komplexen Werbeinformation eine geringere Aktivation optimal
ist zur Verarbeitung einfacher Informationen. Theoretisch könnte

Qualität der Leistung


es durchaus vorkommen, dass wir zu stark aktiviert wären, um 0,6
eine Werbeinformation angemessen zu verarbeiten. Allerdings
gilt diese Erwartung häufig nur theoretisch, denn tatsächlich ist 0,4
Werbung auch aus anderen Gründen möglichst wenig komplex.
Kroeber-Riel (1992) fordert, dass Werbebemühungen stets nach
der höchstmöglichen Aktivation streben sollten. Zwar räumt 0,2
auch er ein, dass optimale Leistung nur bei mittlerer Erregung
erbracht wird, er betont aber gleichzeitig, dass das Ausgangsni- 0,0
veau der Aktivation beim Betrachten von Werbung stets gering gering mittel hoch
sei, da Werbung fast nie mit besonderem Interesse betrachtet Aktivation
wird. Daher kann er folgern: „In der Werbung besteht praktisch
.. Abb. 5.1  Qualität der Leistung in Abhängigkeit vom Aktivationsniveau:
keine Gefahr, zu viel zu aktivieren“ (Kroeber-Riel 1992, S. 96).
Schemazeichnung des Yerkes-Dodson-Gesetzes
Der Zusammenhang zwischen Aktivation und wichtigen kon-
sumentenpsychologischen Größen, etwa Akzeptanz einer Werbe-
vorlage, ist aber nicht eindeutig. Meyer-Hentschel (Meyer-Hent- furcht, Enttäuschung, Genugtuung, Sehnsucht, Empörung … Sie
schel Management Consulting 1993) zeigt anhand einer Reihe werden feststellen, dass der Emotionsbegriff für eine sehr hetero-
von Fallbeispielen die Überlegenheit von Werbeanzeigen auf, gene Menge von Gefühlszuständen verwendet wird. Allerdings
die aktivierende Elemente enthalten (dies sind in seinem Fall ist all diesen Beispielen gemeinsam, dass sie sich in wertender
etwa Erotik, prägnante Farben, Größe der dargestellten Objekte, Weise auf einen bestimmten Gegenstand beziehen (z. B. eine
neuartige oder ungewöhnliche Vorlagen). Andererseits zeigten Person, ein Ereignis, ein Objekt). Die Wertung und der Gegen-
die Probanden von Hering et al. (1996) bei Werbung eine hö- standsbezug sind charakteristisch für Emotionen. Gefühlsregun-
here physische Aktivation (gemessen anhand von Herzrate und gen ohne Gegenstandsbezug sind keine Emotionen (z. B. gute/
Hautwiderstand), waren aber gleichzeitig gegenüber der Werbung schlechte Stimmungen, Langeweile, innere Unruhe, Schwindel,
weniger aufmerksam als gegenüber anderen Programmteilen. Die Müdigkeit, Übelkeit, Hitze- oder Schmerzempfindung). Dies wä-
höchste Aktivation zeigte sich bei den am schlechtesten bewer- ren die wichtigsten Bestimmungsstücke: die Bewertungsreaktion
teten Spots, nämlich bei Waschmittelwerbung. Donovan et al. und der Gegenstandsbezug (Rothermund 2011).
(1994) untersuchten unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten Ein enges Verhältnis besteht zwischen Emotion und Mo-
für Verkaufsräume. Sie können zeigen, dass die durch das Umfeld tivation. Ein Unterschied besteht im Verhältnis der jeweiligen
induzierte Stimmung sowohl die im Geschäft verbrachte Zeit als Zustände zum Handeln: Eine Motivation hat immer einen spe-
auch die Menge der ungeplanten Käufe vorhersagen kann. Allge- zifischen Handlungsbezug. Sie zieht (definitionsgemäß) zielge-
meine Aktivation steht dagegen mit dem Verhalten im Verkaufs- richtete Handlungstendenzen nach sich (z. B. Rache: Ziel ist, ei-
raum in keinem eindeutigen Zusammenhang. ner anderen Person zu schaden, um damit eine vorangegangene
Ungerechtigkeit zu bestrafen). Bei Emotionen kann zwar auch
ein Bezug zum Handeln bestehen – wo er besteht, ist er allerdings
5.2 Affekte und Emotionen meist unspezifisch, gelegenheitsabhängig und flexibel –, man-
che Emotionen besitzen aber überhaupt keinen Handlungsbezug
Eine verhaltensvorbereitende und energetisierende Funktion (z. B. Trauer, Stolz, Freude). Gleichwohl ist die Trennlinie zwi-
haben auch Emotionen. Der Emotionsbegriff hat in der Konsu- schen Emotion und Motivation unscharf. Die Gemeinsamkeiten
mentenforschung der jüngeren Vergangenheit eine prominente sind jedem Krimileser vertraut: Manche Motive werden direkt
Rolle gespielt (z. B. Häusel 2005; Plassmann 2006; Rossa und mit Emotionsbegriffen bezeichnet (z. B. Eifersucht). Die Begriffe
Sladek 2006). Allerdings wurde der Begriff dabei sehr heterogen setzen aber unterschiedliche Akzente: Eine Motivation ist durch
verwendet. Daher ist es nicht überflüssig, zunächst festzustellen, ein aktives Streben nach einem Zielzustand charakterisiert. Der
was Emotionen eigentlich sind und wie sie sich von verwandten Kern einer Emotion besteht in der Einschätzung einer Situation
Konzepten unterscheiden. mit Blick auf persönliche Wünsche, Ziele und Bedürfnisse (Ro-
thermund 2011).
Weitere Überlappungen finden sich bei Stimmungen und
5.2.1 Definierende Bestimmungsstücke Emotionen. Stimmungen gelten als allgemeiner und haben
von Emotionen eine niedrigere Intensität als eine Emotion. Sie agieren eher im
Hintergrund, das heißt, sie können Einfluss auf Handeln und
Führen Sie sich Beispiele für Emotionen vor Augen: Ärger, Ekel, Informationsverarbeitung haben, unterbrechen aber nicht das
Stolz, Mitleid, Reue, Freude, Überraschung, Neid, Missgunst, Handeln einer Person (was Emotionen durchaus tun können,
Hoffnung, Scham, Dankbarkeit, Verzweiflung, Eifersucht, Ehr- Rothermund 2011; der unterbrechende und eindringende Cha-
90 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

Exkurs 5.1  Warum zeigen Zeigeruhren immer 10:10 Uhr?  |       | 


1
Vielleicht haben Sie sich auch schon wie plausibel begründet: Aronoff und Kollegen an die Logos von Nike oder TUI), freundlich

2 viele andere Konsumenten gefragt, warum


Uhren in Auslagen und Anzeigen beinahe
(Aronoff et al. 1988; Aronoff et al. 1992) gingen
der Frage nach, welche Elemente in bedroh-
und warm empfunden werden. Sie erklären
den Effekt mit angeborenen Tendenzen,
immer 10:10 Uhr anzeigen (. Abb. 5.2). Diese lich und unbedrohlich blickenden Gesichtern speziell auf diese Elemente im Emotionsaus-
3 Gleichförmigkeit hat vermutlich längst ihre
Eigendynamik und hängt wohl mittlerweile
für die emotionale Wirkung verantwortlich
sind. In einer Reihe von Experimenten mit
druck anderer Menschen zu reagieren. Intuitiv
mag man ohnehin dazu neigen, die nach oben
von mehr als einem Grund ab. Es gibt aber sinnfreien geometrischen Figuren zeigen die zeigenden Zeiger als stark vereinfachtes Sche-
4 auch emotionspsychologische Befunde, die
zumindest für Zeigeruhren, die in aufrechter
Autoren, dass nach unten offene Winkel eher
bedrohlich und nach oben offene Winkel, noch
mabild eines Lächelns zu deuten. Offenbar
lässt sich diese Tendenz aber wissenschaftlich
Stellung präsentiert werden, die Uhrzeit 10:10 besser allerdings Bögen (denken Sie hier etwa gut untermauern.
5
rakter von Emotionen ist übrigens auch rein sprachlich ein we- va-Schokolade oder einem Kugelschreiber. Die Belohnungen
6 sentlicher Aspekt – vom lateinischen emovere für „vertreiben“, waren so ungleich wertvoll, dass praktisch alle Probanden die
„heraus-“ bzw. „wegbewegen“, „unterbrechen“). Im Vergleich zu teure Godiva-Schokolade wählten; gleichwohl hatten diese Pro-
7 Stimmungen sind Emotionen typischerweise spezifischer und banden das Gefühl von Kontrolle, während Probanden in einer
gehen auf einen bestimmten Anlass (z. B. Umweltreiz) zurück. Sie zweiten Bedingung die Godiva Schokolade bekam, ohne wäh-
richten sich auch – ähnlich wie Motive – oft auf ein bestimmtes len zu können. In der Tat zeigte sich, dass der M&M’s-Konsum
8 Objekt (z. B. Angst vor etwas). in der Wahlbedingung nicht mehr erhöht war. Weiterführende
Emotionen liegen bestimmte Wahrnehmungen der Umwelt Analysen zeigten zudem, dass das Erleben von Hilflosigkeit der
9 zu Grunde, so etwa ein zeitlicher Bezug auf die Vergangenheit entscheidende Mediator bei dem Effekt der Emotion auf den
(z. B. bei Reue) oder der Zukunft (Hoffnung), eine bestimmte Konsum war. Mit anderen Worten: Der erhöhte Konsum scheint
10 soziale Wahrnehmung (Neid, Missgunst, Eifersucht), Ursachen- vor allem dem Erleben von Hilflosigkeit zu gelten, also einem der
zuschreibung (Stolz, Dankbarkeit) oder die Einschätzung von wichtigsten kognitiven Elemente der Trauer.
eigenen Kontrollmöglichkeiten (Verzweiflung, Zuversicht). Diese Die Verwobenheit von Emotionen und Kognitionen zeigt
11 Kognitionen sind unterschiedlich komplex (Überraschung etwa sich auch in folgenden Überlegungen zur Produktbewertung:
setzt verhältnismäßig einfache Kognitionen voraus, Eifersucht Welche Emotionen haben Sie, wenn Sie mit einem Produkt nicht
12 dagegen sehr komplexe) und müssen auch keineswegs immer zufrieden sind? Ärger, Enttäuschung, Empörung oder Reue kom-
bewusst sein. Sie sind aber offensichtlich für die Emotion kons- men in Frage. Welches Verhalten schließt sich nun an? Werden
titutiv, so dass es sinnlos wäre, Emotionen unabhängig von den Sie sich beschweren? Werden Sie den Anbieter wechseln? Für
13 Kognitionen zu betrachten, die sie eigentlich erst zu dem ma- diese Fragen ist es von großer Bedeutung, welche Emotion Sie ge-
chen, was sie sind. nau erleben: Wenn Sie Ihre Reaktion auf einen Fehlkauf als Reue
14 Eine wichtige konsumpsychologische Konsequenz dieser erleben, werden Sie eher den Anbieter wechseln, als wenn Sie
Überlegungen zeigen Garg und Lerner (2013). Ihre Probanden Ihre Reaktion bloß als Unzufriedenheit oder Enttäuschung cha-
15 sollten Erlebnisse berichten, die sie traurig machen – und zwar rakterisieren. Sich zu beschweren, ist dagegen eher ein Verhalten
so, dass ein Außenstehender beim Lesen ähnliche Gefühle erle- von Konsumenten, die sich ärgern oder enttäuscht sind (Zeelen-
ben sollte. In der Folge neigten die Probanden dazu, von bereit- berg und Pieters 1999). Manchmal wechseln Konsumenten den
16 stehenden M&M’s mehr zu essen – eine relativ typische Reaktion Anbieter, ohne dass sie dabei auf ihren eigenen Nutzen achten.
für Menschen in negativen Affektzuständen, die man auf die im- Sie wollen es dem vorherigen Unternehmen „heimzahlen“ und
17 plizite Theorie zurückführen kann, dass Konsum generell und tun dies unter Umständen auch, indem sie zu einer ökonomisch
insbesondere der Konsum von Schokolade negative Affekte re- eigentlich schlechteren Option wechseln (Bechwati und Morrin
duziert. Diese Theorie muss allein schon deswegen als „implizit“ 2003). Konsumenten, die dieses Verhalten zeigen, werden weni-
18 gelten, weil Probanden in Studien zu dieser Art von Konsum in ger Reue empfinden als vielmehr Ärger und Empörung.
der Regel nicht von sich behaupten, mehr gegessen zu haben, als Die Beispiele zeigen, dass Emotionen eine wichtige Rolle da-
19 sie in anderen Situationen essen würden, und auch sonst keinen bei spielen, wie wir mit Konsumsituationen umgehen. Ein näherer
Bezug zu ihren Emotionen oder Stimmungen herstellten (Garg Blick auf die Emotionen zeigt uns auch, warum sie das tun: Das
20 und Lerner 2013, S. 107). Somit ist wohl auch der Versuch, die Empfinden von Reue setzt voraus, dass man sich selbst Schuld
Emotion durch Konsum von Schokolade zu regulieren, ein unbe- gibt. Anders gesagt: Für Reue ist eine internale Ursachenzuschrei-
wusstes und unwillkürliches Verhalten (weitere Beispiele hierzu bung konstitutiv. Wer aber sich selbst die Schuld gibt, hat mehr
21 in ▶ Abschn. 5.2.2 und 5.5.2). Grund, sein eigenes Verhalten zu ändern als das der anderen. Eine
Nun wurden mit der Emotionsmanipulation natürlich Beschwerde hätte gar keinen Sinn. Der Wechsel des Anbieters hat
22 gleichzeitig die für Trauer konstitutiven Kognitionen „Verlust“ also die Funktion, einen eigenen Fehler wiedergutzumachen. Wer
und „Hilflosigkeit“ aktiviert. Daher gingen Garg und Lerner dagegen Ärger empfindet, der sieht Ansprüche verletzt. Wenn die
(2013) davon aus, dass der emotionsregulierende Konsum aus- Emotion gar als „Empörung“ beschrieben wird, kommt eine mo-
23 bleiben würde, wenn man die Erfahrung von Hilflosigkeit abmil- ralische Dimension hinzu. Wenn also Konsumenten stärker mo-
dert. Hierzu gaben sie einem Teil der Probanden Gelegenheit, tiviert sind, mit dem Unternehmen „quitt“ zu werden als für sich
zwischen zwei Belohnungen zu wählen: einer Schachtel Godi- selbst den Nutzen zu maximieren (Bechwati und Morrin 2003),
5.2  •  Affekte und Emotionen
91 5
.. Abb. 5.2  Zeigeruhren zeigen
in der Werbung nahezu immer
10:10 Uhr. Der nach oben offene
Winkel ist tatsächlich geeignet, eine
positive Bedeutung zu suggerieren.
(Aronoff et al. 1988, 1992)

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dann geht das darauf zurück, dass Gerechtigkeit und Fairness in auch Rothermund und Eder 2011, S. 165 ff). Allerdings sind diese
den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sind – und das drückt Merkmale eben nur typisch, aber nicht, wie die oben genannten,
sich eben aus in einer Emotion wie Empörung. definierend.
So gesehen sind die Emotionen quasi die Schlüssel zu den Es zeigt sich nun leider in der Konsumforschung, dass der
Kognitionen, die über das Verhalten der Konsumenten ent- Begriff der Emotion oft überstrapaziert wird. Zum einen wird er
scheiden. Es ist freilich wichtig zu betonen, dass die Emotionen für Fälle beansprucht, in denen allenfalls Teilaspekte der Emo-
mit den handlungsrelevanten Kognitionen begrifflich – nicht tion betrachtet werden und wesentliche Elemente fehlen. Meist
empirisch – zusammenhängen. Anders gesagt: Man kann von genügen Hinweise auf eine (affektive) Bewertungsreaktion, um
vornherein ausschließen, dass ein Konsument, der seinen Kauf die Rede von Emotionen zu rechtfertigen. Hierfür geben nicht
bereut, dem Unternehmen dafür die Schuld gibt: Emotionen, die nur ▶ Abschn. 5.2.3 und 5.2.4 Beispiele. Auch die traditionelle
mit einer externalen Ursachenzuschreibung einhergehen, nennt Trennung von Emotion und Kognition wie in der einflussrei-
man anders (vgl. auch Brandtstädter 1982, 1984; Montada 1989). chen Arbeit von Zajonc (1980) beruht auf einem verkürzten und
Weitere typische Merkmale von Emotionen sind etwa ihre unangemessenen Emotionsbegriff.
subjektive Erlebnisqualitäten, ihre physiologischen Korrelate und Zum anderen werden Emotionen immer noch gern beschwo-
ihr Ausdrucksverhalten (siehe ▶ Exkurs 5.1 bzw. . Abb. 5.2; vgl. ren, wenn man automatische und unbewusste Einflüsse auf unser
92 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

1
Konsumverhalten betrachtet. Damit hängt auch die Neigung zu-
sammen, unser Verhalten dort, wo wir scheinbar irrational ent- - Genuss von Dingen: Bestimmte Objekte und Tätigkeiten
sind mehr als andere geeignet, eine positive Stimmung zu

2
scheiden, unter der Kontrolle von Emotionen zu sehen. Hierzu
ist es eher misslich, wenn populäre Darstellungen automatischer
und impliziter Prozesse der Informationsverarbeitung die Auf- - erzeugen, z. B. Sport, gutes Essen.
Klimatische Bedingungen und Tageszeit bzw. Wochentag: Bei
Helligkeit ist die Stimmung meist besser als bei Dunkelheit;
3
4
merksamkeit des Laienpublikums auf Hirnstrukturen wie das
limbische System lenken (z. B. Häusel 2005; Seßler 2005). Dies
nährt die Vorstellung, automatisches Verhalten (oder gar das
„Unbewusste“; Häusel 2005) werde von Strukturen gesteuert, die
- außerdem ist die Stimmung oft in der Freizeit besser.
Der hormonelle Status: Östrogen, Progesteron, Testosteron
oder Oxytocin haben starke Auswirkungen auf die Stim-
mung (wobei tendenziell jeweils eine hohe Konzentration
vor allem bei der Entstehung von Emotionen „zuständig“ sind. auch mit besserer Stimmung einhergeht). In manchen
5 Ich möchte im Folgenden beide Probleme vermeiden. Zum Fällen ist die Hormonausschüttung eine Folge situationaler
einen: Bewertungsreaktionen spielen in einem Buch über Konsu- Faktoren (z. B. wird Oxytocin bei Erfahrungen hoher inter-
mentenpsychologie selbstverständlich eine herausragende Rolle. personeller Nähe ausgeschüttet). Aber bekanntlich folgt die
6 Ich werde diese Reaktionen aber nur dann als „Emotionen“ be- Konzentration dieser Hormone auch bestimmten Zyklen, die
zeichnen, wenn sie sich auch als Emotionen zeigen. Hirnaktivi- zumindest teilweise von Umweltfaktoren abgekoppelt sind.
7 täten im orbitofrontalen Kortex (▶ Abschn. 5.2.3) oder die Prä-
ferenz für ein Produkt auf Basis der Rekognitionsheuristik (z. B. Stimmungen sind konsumpsychologisch aus vielen Gründen
▶ Abschn. 9.1.2) sind ebenfalls Beispiele für Bewertungsreakti- wichtig und interessant. Zum einen haben sie einen starken moti-
8 onen, aber nicht für Emotionen. Zum anderen: Automatisches vierenden Effekt, zum anderen beeinflussen sie die Informations-
Verhalten und implizite Prozesse der Informationsverarbeitung verarbeitung. Motivierend wirken Stimmungen insofern, als Men-
9 sind ebenfalls zentrale Themen des Buches. Allerdings gehe ich schen natürlich lieber positive Stimmungen erleben und negative
davon aus, dass die nicht bewussten Anteile unseres Verhaltens möglichst schnell abstellen möchten. Da viele Konsumhandlungen
10 mindestens genauso häufig Kognitionen betreffen wie Affekte – zu Recht oder zu Unrecht – in dem Ruf stehen, die Stimmung
und Emotionen. Und dass die Ursache für die „irrationalen“ An- zu verbessern, kann man erwarten, dass Konsum nicht selten zur
teile unseres Verhaltens nur manchmal in den Emotionen liegt, Stimmungsregulation eingesetzt wird. Wir kennen dieses Verhal-
11 weiß man in der Psychologie eigentlich spätestens seit der Arbeit ten ja schon von den Emotionen. Das zeigt sich unter anderem
von Tversky und Kahneman (1974): „We documented systematic in dem Befund, dass Menschen mit hohen Werten auf der Neu-
12 errors in the thinking of normal people, and we traced these er- rotizismus-Skala, also Menschen mit häufiger negativer Verstim-
rors to the design of the machinery of cognition rather than to mung, stärker als emotional stabile Personen dazu neigen, impul-
the corruption of thought by emotion“ (Kahneman 2011, S. 8). siv einzukaufen bzw. einzukaufen, um sich aufzuheitern oder zu
13 belohnen (Mooradian und Olver 1996). In trauriger Stimmung
essen Personen auch mehr von den üblicherweise belohnenden
14 5.2.2 Stimmungen und Konsumverhalten und „tröstenden“ Lebensmitteln wie Eiscreme oder Schokolade als
in heiterer Stimmung (für einen Überblick vgl. Garg und Lerner
15 Stimmungen bilden in gewissem Sinne den Hintergrund unseres 2013) – es sei denn, sie glauben, dass Essen ihre Stimmung nicht
subjektiven Erlebens. Sie besitzen ebenso wie Emotionen eine verbessern wird (Tice et al. 2001). Garg und Lerner (2013) zeigen,
klare Valenz, sind also in unterschiedlichem Grade positiv oder dass Menschen in trauriger Stimmung mehr ausgeben, um neue
16 negativ. Ein wesentliches Merkmal einer Stimmung ist, dass sie Güter zu erwerben und mehr Ungesundes essen.
sich nicht wie eine Emotion auf einen konkreten Gegenstand be- Kognitive Konsequenzen von Stimmungen zeigen sich bereits
17 zieht. Dies ist in unklaren Fällen ein regelrechtes Entscheidungs- auf der Ebene von Gedächtnisleistungen und Assoziationen. Zum
kriterium: „Warum bist du so gut gelaunt?“ Wenn man hierauf einen werden Gedächtnisinhalte leichter abgerufen, je ähnlicher
einen Grund angeben kann (z. B. „Ich habe im Lotto gewonnen“), die Stimmung beim Abruf der Stimmung beim Encodieren ist
18 geht der affektive Zustand auf eine Emotion zurück. Wenn man (Zustandsabhängigkeit). Zum anderen werden Informationen, die
keinen Grund angeben kann, sondern sich einfach nur „gut eine ähnliche emotionale Bedeutung haben wie die gerade anregte
19 fühlt“, würde man den Zustand als Stimmung bezeichnen (Bless Stimmung, besser erinnert als Informationen, die eine andere Va-
und Igou 2006). lenz besitzen (Stimmungskongruenz) (siehe z. B. Sokolowski 2002).
20 Auch wenn Stimmungen sich nicht auf konkrete Gegen- Anders ausgedrückt zeigt das Phänomen der Zustandsab-
stände beziehen, haben sie natürlich trotzdem Ursachen. In Frage hängigkeit: Man kann sich an den letzten Urlaub besser erin-
kommen zum Beispiel die folgenden (z. B. Bronner et al. 2007, nern, wenn man in „Urlaubsstimmung“ ist, als wenn man sich

-
21 S. 336; Puca und Langens 2002): ärgert. Die Stimmungskongruenz besteht dagegen darin, dass
Persönlichkeitseigenschaften: Emotional stabile und extra- man in guter Stimmung leichter positive Informationen erinnert,
22
- vertierte Personen neigen eher zu positiveren Stimmungen.
Kompetenz und Kontrolle: Herausforderungen anzuneh-
in schlechter Stimmung leichter negative. Der letztere Befund
muss noch relativiert werden: Er ist für negative Stimmungen
23
- men, hebt die Stimmung.
Soziale Interaktion: Kontakt zu anderen stimuliert positive
Stimmung; hierunter fällt auch insbesondere das Gefühl,
jemandem etwas Gutes getan bzw. ihm geholfen zu haben.
schwächer als für positive, was wiederum damit erklärt werden
kann, dass auch die Gedächtnisleistung stimmungsregulierend
funktioniert: In einer schlechten Stimmung sind Menschen moti-
viert, diesen Zustand abzustellen, daher sind sie deutlich weniger
5.2  •  Affekte und Emotionen
93 5

motiviert, stimmungskongruente Informationen zu erinnern – cher einer negativen Stimmung gelenkt wurde, deuteten ihre
was sich dann in der Gedächtnisleistung zeigt. Stimmung nicht mehr als Zeichen für ein insgesamt weniger
Menschen in positiver Stimmung neigen auch stärker dazu, zufriedenstellendes Leben. Wer die tatsächlichen Ursachen für
Dinge positiv zu bewerten, zum Beispiel ihre eigene Lebenssitu- die Stimmung erkennt, überträgt die Stimmung nicht mehr auf
ation, aber auch Produkte. Man kann aus den genannten Befun- beliebige Objekte, die er in der Folge antrifft. Wer sich also be-
den ableiten, dass die positive Stimmung dazu führt, dass bei der wusst macht, dass seine positive Stimmung auf das unterhaltsame
Bewertung vor allem positive Aspekte assoziiert oder erinnert Programm vor der Werbeunterbrechung zurückgeht, wird diese
werden, aber diese Erwartung kann das Phänomen nicht voll- Stimmung nicht mehr bei der Bewertung der Produkte nutzen.
ständig erklären. Ein letzter konsumpsychologischer wichtiger Aspekt von
Eine alternative Erklärung für den Effekt von Stimmungen Stimmungen ist ihre Wirkung auf die Art der Informationsver-
auf Bewertungen stammt von Schwarz und Clore (1983). Die Au- arbeitung. Generell neigen Personen in positiver Stimmung eher
toren behaupten, dass Stimmungen ihre momentane Stimmung dazu, auf der Grundlage von Heuristiken und Faustregeln zu ur-
nutzen, um eine aktuelle Situation zu bewerten. Die Stimmung teilen und aufwendige Verarbeitungsstile eher zu meiden. Auf
zeigt sozusagen an, ob eine Situation positiv oder negativ, als be- den ersten Blick scheint es so, als ließen sich Menschen in guter
drohlich oder harmlos zu bewerten ist. Hierbei ist der typische Stimmung leichter beeinflussen. In schlechter Stimmung sind
diffuse Charakter einer Stimmung hilfreich. Da sie sich nicht auf Menschen anscheinend kritischer, prüfen ein Argument genauer
ein konkretes Objekt bezieht, kann man sie sozusagen frei zuord- und übernehmen so auch weniger bereitwillig eine fremde Mei-
nen. Wenn also ein Objekt in positiver Stimmung als positiv be- nung (z. B. Bless et al. 1990).
wertet wird, dann folgt der Urteiler der Heuristik: „How do I feel Diese Befunde lassen sich ebenfalls mit der These erklären,
about it?“ (Schwarz und Clore 1988). Der Urteiler beobachtet also dass wir unsere Stimmung als Information über die Außenwelt
seine eigene Gefühlslage (im Sinne einer Metakognition, siehe nutzen. Gute Stimmung signalisiert uns, dass alles in Ordnung
▶ Abschn. 7.1), stellt dabei fest, dass das Gefühl positiv ist, und und unser Verhalten adäquat ist, dass wir nichts ändern müssen
kommt zu einem positiven Urteil. Die Grundlage für diese Heu- und uns auf bewährte Strategien verlassen können. Dies könnte
ristik wird freilich untergraben, wenn die Stimmung auf andere der Grund sein, warum Menschen in guter Stimmung beein-
Gründe als auf das zu bewertende Objekt zurückgeführt wird. flussbarer erscheinen: Sie sind das nämlich genau dann, wenn die
Dies zeigt folgendes Experiment (Schwarz und Clore 1983): bewährten Strategien in Regeln bestehen wie „Wenn’s ein Experte
Probanden werden jeweils an einem sonnigen und an einem sagt, muss es ja richtig sein“ oder „Ich glaub lieber Menschen, die
regnerischen Tag angerufen und zu ihrer Lebenszufriedenheit mir sympathisch sind“.
befragt. Wie zu erwarten war, ist die Zufriedenheit an sonnigen Schlechte Stimmung signalisiert uns, dass in der Umwelt et-
Tagen höher als an regnerischen. Dieser Effekt verschwindet al- was nicht stimmt, dass wir darauf reagieren und die Ursachen da-
lerdings wieder, wenn man Probanden den Einfluss des Wetters für finden sollten und dass wir, statt nach einfachen Faustregeln
auf die Stimmung vor Augen führt. Mit dieser Erinnerung wird vorzugehen, die Dinge etwas genauer betrachten sollen. Das wäre
der informative Wert der Stimmung deutlich reduziert. Für das dann der Grund, warum schlecht gestimmte Menschen kritischer
Urteil über die Lebenszufriedenheit war die Heuristik „How do erscheinen, wenn man sie überzeugen will.
I feel about it?“ wertlos, denn offenbar war es nicht der Gedanke Und noch eine weitere wichtige Konsequenz ergibt sich aus
an die eigene Lebenssituation, die die Stimmung positiv oder ne- der Idee „Stimmung als Information“: Negativ gestimmte Men-
gativ beeinflusste, sondern nur das Wetter. Üblicherweise genügt schen lassen sich besser konditionieren als positiv gestimmte.
es, Befragte nur generell auf einen alternativen Grund für ihre So lernten zum Beispiel Probanden in einer Untersuchung von
Stimmung aufmerksam zu machen, um die Wirkung der Stim- Walther und Grigoriadis (2004) die Assoziation von sympathi-
mung für die Bewertung zu untergraben. Beispielsweise gaben schen und unsympathischen Gesichtern mit Schuhen, so dass in
Schwarz und Clore (1983) in ihrem Experiment vor, von weit weg der Folge die Schuhe je nach Assoziation positiv oder negativ be-
anzurufen, und fragten beiläufig, wie denn das Wetter in XY so wertet wurden (▶ Abschn. 3.2). Dieser Effekt war allerdings stärker
sei. Bereits dieser Smalltalk führte den Befragten vor Augen, dass bei schlecht gestimmten Probanden. Offenbar ist die eher analy-
ihre Stimmung durch das Wetter beeinflusst wird und dies für die tische Informationsverarbeitung bei schlechter Stimmung besser
Frage nach der Lebenszufriedenheit irrelevant ist. geeignet, um Assoziationen aufzubauen, als die grobe, an Faust-
Die Tatsache, dass Menschen in guter Stimmung Produkte regeln orientierte Informationsverarbeitung bei guter Stimmung.
positiver bewerten, ist für die Werbung natürlich von großer Be- Stimmung hängt demnach mit der Beeinflussbarkeit in sehr
deutung. Werbung scheut normalerweise schlechte Stimmungen. differenzierter Weise zusammen: Bei positiver Stimmung wer-
Coca-Cola beispielsweise wirbt nicht in Nachrichtensendern, um den die Konsumenten weniger von Argumenten als vielmehr von
nicht unter der schlechten Stimmung der Zuschauer zu leiden, peripheren Merkmalen der Werbebotschaft beeinflusst (z. B. At-
die dort ja meist eher schlechte als gute Nachrichten präsentiert traktivität des Testimonials). Bei weniger guter Stimmung hängt
bekommen. Die Logik hinter solchen Strategien ist natürlich die, die Beeinflussung dagegen eher von den Argumenten der Werbe-
dass das Produkt entsprechend der Stimmung bewertet wird: Wer botschaft ab – und wenn die gut sind, haben sie einen größeren
schlecht gelaunt ist, wird auch das Produkt schlechter bewerten. Effekt, als die peripheren Merkmale je erzielen könnten (z. B.
Offenbar funktioniert diese Überlegung aber nur einge- Petty und Cacioppo 1986; siehe auch ▶ Abschn. 14.1.1). Nach
schränkt, wie die Befunde von Schwarz und Clore (1983) zeigen. dieser Überlegung sind weniger gut gestimmte Konsumenten
Probanden, deren Aufmerksamkeit auf den Regen als Verursa- nicht unbedingt uninteressante Adressaten für die Werbung.
94 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

Positive Stimmung ist aber durch die eher holistische und we- Wie sehen denn nun Bewertungsreaktionen (bzw. besser: de-
1 nig analytische Rezeptionshaltung keine gute Grundlage für das ren Korrelate) im Gehirn aus? Hierbei kann man unterschiedli-
Assoziationslernen – und dies spricht dafür, dass gute Stimmung che Akzente setzen, etwa bei den Strukturen des Gehirns und
2 sogar in gewissem Sinne ein Schutz gegen die Beeinflussung deren Versorgung mit Sauerstoff bei unterschiedlichen mentalen
durch die Werbung ist, zumindest gegen die Beeinflussung durch Vorgängen oder bei den Botenstoffen (Hormonen und Neuro­
evaluatives Konditionieren (Walther und Grigoriadis 2004). transmittern) im zentralen Nervensystem und deren Zusammen-
3 hang mit Bewertungsreaktionen.
An dieser Stelle seien zunächst nur zwei Strukturen her-
4 5.2.3 Neurologische Korrelate ausgegriffen, die für emotionale Bewertungen wichtig sind: die
von Bewertungsreaktionen Amygdala und der orbitofrontale Kortex. Während die Amygdala
5 zu den phylogenetisch eher alten Hirnstrukturen zählt, ist der
Wenn in Arbeiten über Markenwirkung erklärt wird, „Emoti- orbitofrontale Kortex (OFC) eine vergleichsweise junge Hirnre-
onen machen den Unterschied“ (Möll und Esch 2008), muss es gion, die nur beim Menschen und Primaten entwickelt ist. Ihren
6 dabei keineswegs um Emotionen im eigentlichen Sinne gehen. Namen hat diese Struktur übrigens von ihrem Sitz über dem
Die zitierte Arbeit etwa weist unterschiedliche Hirnreaktionen Knochen der Augenhöhle, der Orbita.
7 auf „starke“ versus „schwache“ Marken nach. So seien bei der In den 1980er Jahren führten Forschungen zum Verlauf der
Wahrnehmung von schwachen Marken, zu denen die Konsu- Nervenbahnen und Reizweiterleitung zu einer besonderen Be-
menten eher wenig wissen und die sie neutral bewerten, die achtung der Amygdala: Reizereignisse aus der Umwelt werden
8 Hirnreaktionen nicht etwa neutral. Schwache Marken aktivierten einerseits in den Thalamus und von dort weiter zur Amygdala
vielmehr jene Regionen, die mit negativen Emotionen assoziiert geleitet. Dieser Weg läuft über eine monosynaptische Verbindung
9 sind (kritisch hierzu vgl. Plassmann et al. 2012, S. 25). und wird sehr schnell zurückgelegt. Von hier können über direkte
Die zitierte Arbeit steht hier pars pro toto für Arbeiten aus Verbindungen zum verlängerten Rückenmark (Medulla oblong-
10 dem Bereich der Neuroforschung, die den Emotionsbegriff re- ata) und Stammhirn autonome Reaktionen (z. B. Veränderung
klamieren. So interessant die hier vorgelegten Befunde auch sein des Blutdrucks) ausgelöst werden. Über Verbindungen in den
mögen, ist doch offensichtlich, dass sie mit dem, was man – auch Hypothalamus können endokrine Reaktionen (Ausschüttung von
11 aus wissenschaftlicher Perspektive – normalerweise unter einer Stresshormonen) und über Verbindungen in das ventrale Striatum
Emotion versteht (▶ Abschn. 5.2.1; für weitere Argumente vgl. und Nucleus accumbens können Verhaltensreaktionen (Schreck-
12 z. B. Müller und Reisenzein 2012), nicht viel zu tun haben. Ge- reaktion, Erstarren) ausgelöst werden. Das heißt, die Bewertung in
meint sind nämlich meist neuronale Aktivitäten in jenen Gehirn- der Amygdala allein kann – ohne Beteiligung der „höheren“, stam-
regionen, deren Aktivität mit Bewertungsreaktionen korrelieren. mesgeschichtlich jüngeren Hirnregionen – emotionsrelevante Re-
13 Damit enthalten die neurologischen Maße zwar in der Tat aktionen auslösen (Befunde zitiert nach Sokolowski 2002). Diesen
Hinweise auf ein wichtiges Merkmal von Emotionen, nämlich Weg der Emotionsentstehung nennt LeDoux (1995) Low Road.
14 die Bewertungsreaktion. Schon das nächste wichtige Kriterium, Der parallel verlaufende, aber langsamere Weg über Thala-
der Gegenstandsbezug, lässt sich mit neurologischen Daten allein mus und Neokortex wird als High Road bezeichnet. Auf diesem
15 nicht mehr sicherstellen; man braucht andere als neurologische Weg wird das Reizereignis genauer bewertet und auf die ver-
Argumente, um festzustellen, was eine Person wahrnimmt oder folgten Ziele bezogen. Hier erst können komplexere Emotionen
gar denkt. Andere Merkmale bleiben vollends ausgeblendet, so (Ärger, Zufriedenheit, Hilflosigkeit) entstehen. Aber auch Reiz-
16 etwa die Situationseinschätzung der Person (die überhaupt erst bewertungen in höheren Hirnzentren fließen wieder in die Amy-
entscheidet, welche Emotion man vor sich hat) oder die subjektiv gdala zurück. Damit erhält diese Bewertungszentrale zeitversetzt
17 erlebte Komponente. Input aus verschiedenen Quellen.
In der Tat entspricht den gemessenen Gehirnaktivitäten eben LeDoux (1995) sieht daher in der Amygdala das Zentrum des
nicht immer das subjektive Erleben der Person. In der Untersu- affektiven Prozessierungssystems. Die unterschiedlichen Quellen,
18 chung von Möll und Esch (2008; vgl. auch Esch et al. 2008) zeigte aus denen die Amygdala Impulse erhält, erlauben die Ausbildung
sich, dass weniger bekannte Marken von den Probanden emoti- unterschiedlich komplexer Emotionen. Reaktionen, die über die
19 onal neutral beschrieben wurden. Gleichzeitig zeigten sich aber Low Road ausgelöst werden, setzen nur sehr einfache kognitive
Aktivitäten in der Insula, einem Gehirnareal, dessen Erregung Leistungen voraus, während über die High Road Informationen
20 in anderen Studien sogar mit Ekel einhergeht. Dieser Befund mit persönlichen Zielen (vor allem über den OFC) oder mit Ge-
ist ohne Zweifel hoch interessant – trotzdem ist er natürlich in dächtnisinhalten (vor allem über den Hippocampus) abgeglichen
hohem Grade unklar. Zwar hat die Hirnreaktion den für eine werden können. Bewusstheit ist für diese Prozesse im Prinzip nicht
21 Emotion erforderlichen Gegenstandsbezug – die präsentierte gefordert. Bewusstes Emotionserleben findet nur dann statt, wenn
Marke –, aber das hilft beim Verständnis nicht viel weiter, denn Ereignis, affektive Reaktion und Selbstrepräsentation gleichzeitig
22 eine Marke ist für eine Emotion wie Ekel ein eher ungewöhn- Inhalte des Arbeitsgedächtnisses sind (vgl. auch Sokolowski 2002).
licher, vielleicht sogar unverständlicher Gegenstand. Es bleibt Ein etwas späterer Ansatz (z. B. Rolls 2000) betrachtet vor
also eher unklar, was durch solche hirnphysiologischen Befunde allem die Fähigkeit, Belohnungsqualitäten der Umwelt zu erken-
23 gemessen wurde. Emotionen sind es jedenfalls nur in einer so nen. Die Wahrnehmung von Belohnungs- und Bestrafungsreizen
rudimentären Form, dass es eher in die Irre führt, wenn man hier geschieht vor allem in Amygdala und Temporallappen und im
behauptet, „Emotionen machten den Unterschied“. orbitofrontalen Kortex.
5.2  •  Affekte und Emotionen
95 5

Exkurs 5.2  Ein physiologischer Begriff der Emotion oder nur Korrelate?  |       | 
In der neurologischen Emotionsforschung
wurde vorgeschlagen, Emotion als biochemi-
schen und neuronalen Vorgang zu definieren.
- Wenn man Emotionen als physiologische
Zustände definiert, dann betrifft selbstver-
ständlich alles, was die Neuroforschung
Um nämlich zu wissen, daß, sagen wir, Scham
mit […] bestimmten Gehirnaktivitäten
korreliert, muss […] der Neurowissenschaftler
Einflussreich waren hier zum Beispiel die Über- an Erkenntnissen über diese Zustände Personen untersucht haben, die sich tatsäch-
legungen von Damásio (z. B. 2004), der den ermittelt, die Emotionen selbst. Die lich schämen. Ob aber jemand sich schämt,
Begriff „Emotion“ für eben die unbewussten neurologischen Befunde sind dann keine das muss der Wissenschaftler wissen, bevor
neuronalen Prozesse, also für die biologische bloßen Korrelate der Emotionen, sie sind er solche Korrelationen zu etablieren sucht
Seite der Emotion reserviert. Insofern diese die Emotionen. Allerdings beziehen sich und damit er hierzu in der Lage ist. Also kann
neuronalen Prozesse vom Subjekt erlebt diese Erkenntnisse nicht auf das, was wir er es nicht anhand von Korrelaten (Blutzu-
werden, spricht Damásio von „Gefühl“ (feeling). normalerweise unter den Emotionsbegrif- ckerspiegel usw.) feststellen, sondern einzig
Emotion wäre nach dieser Terminologie defini- fen verstehen. Sie betreffen dann einen anhand alltäglicher Kriterien: Sieht das Subjekt
tionsgemäß und ausschließlich ein biologi- „Kunstbegriff“ der Emotion, der nur lose Anlässe, sich zu schämen? Wird es rot? Blickt es
sches Phänomen. Das bewusste Erleben dieses mit dem eigentlichen Emotionsbegriff verlegen? Versucht es, einen „beschämenden“
Phänomens müsste man dann anders nennen, zusammenhängt. Um es anders auszudrü- Vorfall oder seine Beteiligung daran vor ande-
eben „Gefühl“. cken: Indem er den Emotionsbegriff auf ren zu verbergen? Diese und ähnliche Fragen

-
Hierzu ist zweierlei einzuwenden:
Der Begriff „Gefühl“ ist insofern unglück-
lich gewählt, als auch noch vieles andere
als Gefühl bezeichnet wird, was mit
die biologische Komponente beschränkt,
lehrt Damásio uns nichts über Emotionen.
Er wechselt vielmehr, mitten im Reden
über Emotionen, einfach das Thema.
muss der Wissenschaftler beantworten, bevor
er daran geht, zu untersuchen, ob die Person,
von der (nehmen wir an) inzwischen feststeht,
dass sie sich schämt, zudem physiologische
Emotionen nichts zu tun hat, zum Beispiel Warum neurologische Befunde stets nur Kor- bzw. neuronale Erscheinungen […] aufweist.
Schwindel, innere Unruhe, Müdigkeit, Lan- relate von mentalen Vorgängen (hier also von (Müller und Reisenzein 2012, S. 11; Hervorhe-
geweile, gute oder schlechte Stimmung Emotionen) sein können, erläutert Müller (in bungen im Original)
und Hitze- oder Schmerzempfindungen Müller und Reisenzein 2012, S. 11):
mehr (Rothermund 2011).

Menschen mit Schädigungen in diesem Bereich haben sehr heterogene Aspekte einer Entscheidung (z. B. immaterielle,
Schwierigkeiten, sich auf veränderte Belohnungsqualitäten in der soziale oder langfristige Folgen) zu integrieren und sie – bei aller
Umwelt einzustellen. Sie können beispielsweise nicht aus Fehlern Verschiedenheit – nach einem einheitlichen Kriterium zu bewer-
lernen oder angemessen darauf reagieren, dass vormals erfolgrei- ten, nämlich inwieweit sie dem Entscheider „guttun“ oder nicht
che Verhaltensweisen irgendwann nicht mehr zum Erfolg führen. (Cunningham et al. 2011).
Außerdem zeigen sie Defizite in der Kommunikation von Emoti- Die beschriebenen hirnphysiologischen Befunde stützen
onen, können Emotionen bei anderen nicht erkennen und fallen sicherlich nicht das Bild des rationalen Entscheiders, der das
durch sozial unangemessenes Verhalten auf (Sokolowski 2002). Ergebnis seiner Entscheidung gleichsam „berechnet“. Entschei-
Besonders bemerkenswert ist, dass der OFC bei sehr un- dungen werden allem Anschein nach stets von Prozessen in jenen
terschiedlichen Bewertungsreaktionen aktiv ist. Er reagiert auf Hirnregionen begleitet, die ebenfalls am Entstehen von Emotio-
Essen ebenso wie auf Geld, auf tatsächlich vorhandene Stimuli nen beteiligt sind. Mehr noch: Schädigungen in diesen Hirnregi-
ebenso wie auf bloß vorgestellte oder erinnerte, auf abstrakte onen führen zu Entscheidungen, die dem Entscheider erheblich
(z. B. Prestige) ebenso wie auf konkrete. Zudem reagiert er auf schaden können. So gesehen scheinen die Emotionen also alles
Input aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. limbisches System andere als „irrational“ – eher im Gegenteil, denn offensichtlich
oder sensorischer Kortex; z. B. Cunningham et al. 2011). Cun- verdanken wir unsere guten und erfolgreichen Entscheidungen
ningham et al. (2011) sehen daher eine zentrale Funktion des dem Einwirken der Emotionszentren im Gehirn.
OFC darin, unterschiedliche Bewertungsreaktionen in eine Diese Beobachtungen lassen sich leicht in dem Sinne deu-
einzige abstrakte „Währung“ (Valenz) zu übersetzen und so ver- ten, dass das menschliche Entscheiden stets emotional gefärbt
gleichbar zu machen. Dies ist die Voraussetzung dafür, unter- sei und das Bewusstsein und die Kognitionen vom Unbewussten
schiedliche Belohnungsqualitäten der Umwelt gegeneinander und den Emotionen geradezu regiert werden. Dies ist aber eine
abzuwägen und zwischen ihnen zu entscheiden. vermutlich überzogene Folgerung. Hier interessiert vor allem
Konsumentenpsychologisch – und insbesondere auch für das der Emotionsbegriff: Die hirnphysiologische Betrachtung liefert
Neuromarketing – ist sicherlich die Funktion der „Emotionszen- ja keine Emotionen im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern
tren“ (besonders des OFC) bei Entscheidungen von großem In- eben nur deren Korrelate – und auch diese beziehen sich nur auf
teresse: Entscheidungen ohne Beteiligung des orbitofrontalen Teilaspekte von Emotionen (vor allem auf die Bewertungsreak-
Kortex (etwa aufgrund von Verletzungen) ignorieren zumin- tion). Niemand würde auf die Idee kommen, rein anhand von
dest einige der tatsächlichen (z. B. auch längerfristigen) Folgen neurologischen Daten und ohne Außenkriterien entscheiden zu
und können den Entscheider praktisch zu Grunde richten. In wollen, ob jemand Neid, Eifersucht oder Missgunst empfindet
Glücksspielen etwa bemerken Menschen mit Schädigung des oder ob die Unzufriedenheit eines Konsumenten als Ärger, Em-
OFC nicht, wenn sich die Gewinnwahrscheinlichkeiten ändern, pörung oder Reue beschrieben werden sollte. In diesem Sinne
führen immer und immer wieder unsinnige Spielzüge aus und einer Emotion (also in dem Sinne, in dem Ärger und Reue ver-
bringen sich um all ihr Hab und Gut (Beispiel nach Damásio schiedene Emotionen sind), sind die hirnphysiologischen Akti-
2004). Verantwortlich hierfür ist also vermutlich die Unfähigkeit, vationsmuster keine Emotionen (▶ Exkurs 5.2).
96 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

Ohne den Emotionsbegriff allzu sehr zu strapazieren, kann gängerstudien (z. B. Cacioppo et al. 1993) ist bekannt, dass ein
1 man aus den neurologischen Erkenntnissen aber sicherlich fol- gebeugter Arm eher mit einem Annäherungsverhalten assoziiert
gern: Entscheidungen haben immer etwas mit Bewertungen zu ist, während der gestreckte Arm eher als Vermeidungsverhalten
2 tun, und die für das Entscheiden relevanten Bewertungen sind erlebt wird. Probanden, die den Arm in der Annäherungsposi-
keine Frage der Berechnung. Wir nutzen für unsere Bewertungen tion hielten, beurteilten die FDP als sympathischer und kom-
– zumindest auf einer bestimmten Ebene – immer dieselben Pro- petenter und gaben zudem eine positivere Wahlprognose ab als
3 zesse und Strukturen, egal ob wir die Schmerzen beim Zahnarzt, Probanden, die ein Vermeidungshalten einhielten.
die Zukunft an der Seite eines Partners oder unsere Gewinnaus- Förster (2003) induzierte bei seinen Probanden vermeidende
4 sichten beim Verkauf einer Immobilie bewerten. bzw. annähernde Armbewegung und konnte zeigen, dass die
Emotionen zeigen selbstverständlich Bewertungen an, aber Probanden infolge dieser motorischen Aktivität ihren Konsum
5 umgekehrt ist nicht jede Bewertung automatisch auch eine Emo- eines Orangensaft veränderten: Relativ zu einer Kontrollgruppe
tion. tranken Personen mit einer Annäherungsbewegung mehr und
Probanden mit einer Vermeidungsmotorik weniger. Der Einfluss
6 der Körperbewegung zeigte sich nur bei einem gut schmecken-
5.2.4 Embodiment: Die Rückkopplung den Getränk, dem Saft, nicht jedoch bei lauwarmem Wasser. Dies
7 durch Körperhaltungen unterstreicht noch einmal die affektiv-emotionale Bedeutung der
motorischen Rückkopplung.
Stellen Sie sich vor, Sie spielen in der Theatergruppe Ihrer Hoch- Annäherungs- und Vermeidungshaltungen sind keineswegs
8 schule eine tragische Szene. Romeo und Julia, letzter Akt, dritte auf Armpositionen beschränkt. Sie ergeben sich auch meist viel
Szene. Sie sollten dabei möglichst nicht lachen, eher sollten Sie zwangloser, als dies aus methodischen Gründen in Experimenten
9 überzeugend niedergeschlagen sein. Wie bereiten Sie sich hin- oft eingerichtet werden muss. Positive Bewertungen werden zum
ter der Bühne auf den Auftritt vor? Sicher schreiten Sie nicht Beispiel auch durch eine aufrechte im Unterschied zu einer gebü-
10 mit geschwellter Brust auf und ab. Eher würde es helfen, wenn ckten Körperhaltung induziert. Daher sollten Produkte, die zum
Sie gekrümmt gehen, vielleicht gar in einer Ecke kauern, bis Ihr Greifen eine aufrechte Haltung erfordern, positiver wahrgenom-
Stichwort kommt. men werden als solche, für die man sich bücken muss (Förster
11 Vielleicht leuchtet es Ihnen ja intuitiv schon ein – oder Sie und Werth 2001)
haben sogar längst die Erfahrung gemacht –, dass es einfacher Auch Nicken und Kopfschütteln erzeugen affektive Reakti-
12 ist, eine Emotion zu erleben, wenn Körper und Mimik bereits onen. Förster (2004) präsentierte seinen Probanden auf einem
das korrespondierende Ausdrucksverhalten zeigen. Sie kön- Bildschirm eine Folge von Produkten, die entweder vertikal
nen künstlich Gefühle der Niedergeschlagenheit, aber auch des von oben nach unten oder horizontal von rechts nach links lief.
13 Stolzes wahrscheinlicher machen, indem Sie die entsprechen- Das induzierte Nicken bei der vertikalen Präsentation bewirkte,
den Körperhaltungen einnehmen, sich also gebückt und oder dass die ohnehin bevorzugten Produkte noch positiver bewer-
14 aufrecht bewegen (z. B. Stepper und Strack 1993). Emotionales tet wurden. Das Urteil der negativ bewerteten Produkte wurde
Erleben können Sie beeinflussen, indem Sie den entsprechenden durch das Nicken nicht beeinflusst. Ein entsprechendes Muster
15 Gesichtsausdruck zeigen (Adelmann und Zajonc 1989). fand sich für das induzierte Kopfschütteln: Auch hier wurde das
Die Rückmeldungsschleife ist sehr spezifisch an die konkre- Urteil über die negativ bewerteten Produkte verstärkt, die be-
ten Muskelaktivitäten gekoppelt, wie das folgende Experiment vorzugten Produkte wurden von der Motorik nicht beeinflusst.
16 zeigt. Strack et al. (1988) ließen ihre Versuchspersonen Trick- (Entsprechende Befunde legt Förster 2004, auch für induzierte
filme danach bewerten, wie lustig sie sie fanden. Währenddessen Armbewegungen vor.)
17 sollten die Personen einen Stift im Mund halten. Ein Teil der Die berichteten Befunde sind frühe Beispiele für das Phä-
Versuchspersonen war instruiert, den Stift zwischen den Lippen nomen des Embodiment. Ein theoretischer Ausgangspunkt für
zu halten. Auf diese Weise aktivierten sie jene Gesichtsmuskeln diese Forschung waren auch Phänomene des Imitierens und
18 Musculus depressor anguli oris („Mundwinkelniederzieher“) Nacherlebens von bloß beobachteten oder vorgestellten Reak-
und Musculus depressor orbicularis oris, die gewöhnlich eher tionen: Nach der Idee des Embodiments geht bereits der bloße
19 bei einem traurigen Gesichtsausdruck angespannt sind. Die an- Gedanke an eine Emotion mit einem Nacherleben dieser Emo-
dere Gruppe der Versuchspersonen sollte den Stift zwischen den tion einher. Die Beobachtung einer Emotion bei einer anderen
20 Zähnen halten, wobei ein künstliches Grinsen – unter Anspan- Person erzeugt die gleichen physiologischen Erregungsmuster
nung des Musculus zygomaticus major – entstand. Eine Kont- wie das Erleben der Emotion (zusammenfassend vgl. Niedenthal
rollgruppe sollte den Stift während des Films in der Hand halten. 2007). Außerdem führt die Beobachtung von emotional bedeu-
21 Probanden, die die Cartoons mit einem künstlichen Grinsen sa- tenden Bewegungen bei anderen Personen zu einer Imitation
hen, gaben eine lustigere Einschätzung ab als Probanden, die den dieser Bewegungen und in der Folge zu einem Nacherleben der
22 Stift zwischen den Lippen bzw. in der Hand hielten. Emotionen (Chartrand und Bargh 1999). Probanden zeigen zu-
Förster und Werth (2001) zeigen, dass künstlich erzeugte An- dem ähnliche neuronale Schmerzreaktionen, egal ob sie selbst,
näherungs- oder Vermeidungsbewegungen einen Einfluss auf der Partner bzw. der Versuchsleiter einen Schmerzreiz erhält (zu-
23 Bewertungen haben: Ihre Probanden sahen eine Dokumentation sammenfassend vgl. Niedenthal 2007).
über die FDP und sollten währenddessen ihren Arm entweder Beobachtungslernen funktioniert nach dieser Idee durch ein
von sich strecken, ihn beugen oder in den Schoß legen. Aus Vor- Nacherleben der Emotionen bei der anderen Person. Ein ähnli-
5.2  •  Affekte und Emotionen
97 5

cher Gedanke kann auch das Lernen durch Instruktionen erklä- wegung steht dabei für ein Annäherungsverhalten, das mental
ren: Das Kind muss in der Lage sein, die Schmerzen beim Griff keine allzu großen Anforderungen an die Verhaltenskontrolle
auf die Herdplatte mental vorwegzunehmen, das heißt aus der stellt. Die Rückwärtsbewegung dagegen bedeutet „Vermeidung“,
Perspektive des Embodiment „nachzuerleben“. und mit der Vermeidungsreaktion ist gleichzeitig eine Vorsichts-
Eine typische Versuchsanordnung zum Nachweis des Embo- haltung assoziiert, in der der Mensch kognitive Ressourcen mo-
diment sieht folgendermaßen aus: Probanden sollen entscheiden, bilisiert und die Verhaltenskontrolle steigert. Als Maß für die
ob ein Wort zu einer Emotion passt (z. B. Baby, Kakerlake). Bei Verhaltenskontrolle wurde die klassische Stroop-Aufgabe (Stroop
der Entscheidung werden gleichzeitig Gesichtsmuskelaktivitäten 1935; siehe auch ▶ Abschn. 2.6.3) eingesetzt. Wie erwartet verbes-
abgeleitet (EMG). Es zeigt sich, dass bei der Entscheidung für serten Probanden ihre Leistung in der Aufgabe, wenn sie zuvor
eine negative Emotion (Ekel bei Kakerlake) diese Emotion für einen Schritt rückwärtsgegangen waren.
kurze Zeit (maximal drei Sekunden) auf Ebene der Gesichtsmus- Körperbewegungen haben also eine weit über die affektive
keln nacherlebt wurde. Dieser Effekt tritt nicht auf, wenn sich die Bewertung hinausgehende Bedeutung. Scheier et  al. (2010)
Kategorisierungsaufgabe nicht auf die inhaltliche Bedeutung der sprechen von Codes, die durch Motorik aktiviert werden. Aus-
Wörter bezieht (Niedenthal 2007). gangspunkt ihrer Überlegungen sind nicht nur die beschriebe-
Die Embodiment-Forschung war anfangs explizit auf Emo- nen Effekte von tatsächlichen Bewegungen. Auch reine Kogni-
tionen bezogen. Diesen Bezug sollte man allerdings nicht allzu tionen, das Erkennen von Objekten oder nur das Denken daran
sehr betonen. Ein Einwand liegt natürlich darin, dass mit Hilfe aktivieren bereits motorische Reaktionen. So betonen Scheier
des Embodiment eben nur bestimmte Elemente von Emotionen et al. (2010, S. 65) in ihrer konsumpsychologischen Anwendung
beeinflusst werden und die durch Embodiment hervorgerufenen des Embodiment-Gedankens: Der Anblick eines Produkts ak-
Zustände – solange keine anderen Gesichtspunkte hinzukommen tiviert, was wir damit tun können. In der Tat hat sich in un-
– für sich genommen nicht den Status von Emotionen haben. terschiedlichen Studien gezeigt, dass die Wahrnehmung oder
Wichtiger noch ist aber die Tatsache, dass das Embodi- Vorstellung von Objekten mit Aktivation in den motorischen
ment-Phänomen mehr betrifft als Emotionen, so zum Beispiel Zentren des Gehirns einhergeht, dass Kognitionen also nicht
Schmerzen oder die sozialen Kognitionen der Perspektivenüber- nur – wie oben – Gefühle (z. B. Emotionen, Schmerz), sondern
nahme. Aber auch bei Kognitionen, die keine Valenz besitzen, auch unterschiedliche und sehr spezifisch zum Objekt passende
zeigen sich Embodiment-Phänomene. Der folgende Befund je- Bewegungen triggern (für einen Überblick vgl. z. B. Elder und
denfalls wurde in diesem Sinne interpretiert: Probanden sollen Krishna 2012). Diese Facette des Embodiment und ihre kon-
von sehr einfachen Aussagesätzen entscheiden, ob sie zutreffen sumentenpsychologischen Folgen werden in ▶ Kap. 6, insbe-
oder nicht, zum Beispiel für den Satz: „Eine Bombe ist laut.“ Für sondere ▶ Abschn. 6.2.2, noch einmal aufgegriffen. Hier soll es
diese Aufgabe brauchen sie länger, wenn sie zuvor geurteilt ha- zunächst noch darum gehen, wie Motorik mentale Konzepte
ben, dass eine Zitrone sauer ist. Die Reaktion ist dagegen erleich- bzw. Codes evoziert.
tert, wenn zuvor geurteilt wurde, dass Blätter rascheln. Offenbar Hierzu legen Scheier et al. (2010) eine Reihe origineller Bei-
simulieren Menschen die Objekte in einer ganz bestimmten spiele vor. Die Codes, die durch die Produkte aktiviert werden,
Modalität (hier also als geschmackliche oder akustische Erleb- zeigen sich oft indirekt in der Handhabung. Ein Deo für Männer
nisse). Wechselt diese Modalität, geht dies mit höherem Aufwand zum Beispiel sollte nicht so gestaltet sei, dass man seinen De-
einher, als wenn die Modalität gleich bleibt (Pecher et al. 2003). ckel mit den Fingerspitzen abnehmen muss (Scheier et al. 2010,
Auch in dem folgenden Beispiel erstreckt sich der Effekt des S. 75 f) – dies wäre ein „Feingriff “, der nicht hinreichend mas-
Embodiment auf eine kognitive Leistung, diesmal auf Lesezeiten: kulin wirkt. Ein „Kraftgriff “, der den Einsatz der ganzen Hand
Probanden sollen die Valenz eines Satzes beurteilen. Dabei halten erfordert, würde die passenden Codes eher aktivieren. Unter-
sie den Stift entweder mit den Zähnen oder mit den Lippen. Die schiedlich kraftvoll werden auch die verschiedenen Smartphones
Lesezeiten für Sätze mit positivem Inhalt waren kürzer mit dem bedient (Scheier et al. 2010, S. 69 f): Für das iPhone nutzt man
simulierten Lächeln. Lesezeiten bei negativen Inhalten waren üblicherweise den Zeigefinger, die Bewegungen entsprechen
kürzer bei der simulierten Trauermimik (Havas et al. 2007). einem leichten Tippen, Wischen und Blättern. Das BlackBerry
An diesem letzteren Beispiel ist auch die umgekehrte Wir- wird dagegen in beiden Händen gehalten und mit den Daumen
krichtung hervorzuheben. Embodiment funktioniert in beide bedient. Die Daumenmotorik ist in der Alltagserfahrung eher
Richtungen: Wenn die Beobachtung von Verhalten motorische mit kraftvollen Tätigkeiten assoziiert, mit denen wir Kontrolle
Reaktionen aktiviert, dann wirkt offenbar die Kognition auf die ausüben. Eine leichte Bewegung mit dem Zeigefinger hat im Ver-
Motorik. Wenn aber – wie in den Eingangsbeispielen oder bei gleich dazu eher etwas Spielerisches – Scheier et al. (2010) ver-
Havas et al. (2007) – eine Körperhaltung oder Mimik eine kogni- gleichen diese Bewegung mit derjenigen beim Blättern in einer
tive Leistung oder das Erleben einer Emotion erleichtert, so wirkt Illustrierten. Demzufolge sei auch das iPhone eher mit Freizeit
umgekehrt die Motorik auf Kognition und subjektives Erleben. und Unterhaltung und das BlackBerry eher mit Arbeit assoziiert.
Vermutlich wirkt Embodiment nicht so sehr über die Aktiva-
tion von (affektiven) Bewertungen. Viele Beispiele betreffen eher
Kognitionen, mentale Schemata oder sprachliche Metaphern. 5.2.5 Das Schachter-Singer-Paradigma
Koch et al. (2009) zeigen gar, dass die Motorik auch die kognitive
Verhaltenskontrolle beeinflusst. Sie ließen ihre Probanden jeweils Am Beispiel von Aktivation und Emotion möchte ich einen wich-
einen Schritt vor-, rück- und seitwärts machen. Die Vorwärtsbe- tigen psychologischen Grundgedanken diskutieren, der uns an
98 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

anderer Stelle wieder begegnen wird (▶ Abschn. 17.1.3). Ich be- Material verknüpfen. Die Basis für diesen Effekt ist offenbar un-
1 ginne mit einem klassischen Experiment (Schachter und Singer sere Unkenntnis über unsere eigenen Erregungszustände. Wir
1962). überschätzen die Geschwindigkeit, mit der sich Erregung in
2 Den Versuchspersonen wird Adrenalin verabreicht, das eine unserem Körper wieder abbaut. Bereits nach kurzer Zeit, wenn
unspezifische körperliche Erregung erzeugt. Einige Probanden unser Erregungsniveau in Wirklichkeit noch immer recht hoch
werden über die Wirkung der Injektion informiert. Andere Ver- ist, tun wir so, als seien wir so gelassen wie vorher, und schreiben
3 suchspersonen werden so instruiert, dass sie keine Erregung als jede folgende Erregung dem nächsten plausiblen Anlass zu, und
Folge der Spritze erwarten. Im Verlauf des Experiments begegnen sei dieser auch noch so unschuldig.
4 die Probanden einer weiteren Person, die sich entweder in einer Dieser Effekt wird auch bei der Unterbrecherwerbung erwar-
freudig-euphorischen oder einer ärgerlich-gereizten Stimmung tet (z. B. Mattes und Cantor 1982; kritisch dazu vgl. Mundorf
5 befindet. Jene Versuchspersonen, die die Wirkung der Droge et al. 1991): Wenn die Werbung das Programm an einer Stelle
kennen, bleiben von der Begegnung verhältnismäßig unbeein- unterbricht, bei der die Zuschauer noch stark aktiviert sind, dann
druckt. Demgegenüber lassen sich die uninformierten Proban- würde diese Aktivation während der ersten Spots noch dem Pro-
6 den deutlich von der jeweiligen Stimmung der anderen Person gramm, später aber zunehmend mehr den Spots zugeschrieben.
beeinflussen. Wer es mit einem fröhlichen Gegenüber zu tun hat, Spätere Spots könnten sich in diese Aktivation einklinken, in-
7 wird selbst fröhlich, wer sich in Gesellschaft einer gereizten Per- dem sie quasi ihre eigenen Interpretationen für den Erregungs-
son befindet, nimmt selbst eine verärgert-reizbare Stimmung an. zustand anbieten. Diese Überlegungen passen im Übrigen auch
Die Informiertheit machte in diesem Experiment den ent- zu den oben zitierten Befunden von Schwarz und Clore (1983;
8 scheidenden Unterschied: Wer die Wirkung der Spritze kannte, siehe auch ▶ Abschn. 5.2.2) zur Wirkung von Stimmungen: Eine
deutete seine Erregung als eine Folge der Substanz und nicht der positive Stimmung, die auf das Programm zurückgeht, wird bei
9 emotionalen Situation. Wer dagegen erregt war, ohne zu wissen, den ersten Spots noch auf das Programm attribuiert. Erst spätere
warum, nutzte zur Erklärung des Erregungszustands die Situa- Spots haben eine Chance, von einer Fehlinterpretation der Stim-
10 tionsinformation, die jeweils klare Emotionshinweise enthielt. mung zu profitieren, indem sie dank positiver Stimmung auch
Das Schachter-Singer-Experiment ist ein Klassiker, weil sich positiver bewertet werden.
in ihm zeigt, dass wir innere Zustände oft nicht richtig deuten Auch der oben zitierte Befund von Donovan et al. (1994)
11 und äußere Informationen zum vollständigen Verständnis nut- lässt sich im Sinne des Schachter-Singer-Paradigmas erklären:
zen. Hierbei kann es auch zu Fehlinterpretationen kommen, auch In einem Verkaufsraum, der als wenig ansprechend erlebt wird,
12 das deutet sich in der Schachter-Singer-Untersuchung bereits an: attribuieren Konsumenten ihre Aktivation auf das Umfeld. Wenn
Der objektiv gleiche Aktivationszustand wird von den einen als Personen also hoch aktiviert sind, empfinden sie eine unange-
Freude von den anderen als Ärger erlebt. nehme räumliche Umgebung noch unangenehmer, als wenn sie
13 Dass diese Interpretationen innerer Zustände möglich sind, gering aktiviert gewesen wären. In der Folge sind sie weniger
kann nicht bezweifelt werden. Schachter und Singer selbst waren kaufgeneigt. Donovan et al. (1994) empfehlen daher, in Verkaufs-
14 zudem der Ansicht, dass die physiologische Grundlage unserer räumen, die an sich wenig ansprechend gestaltet sind (z. B. in
Emotionen immer unspezifisch ist, so dass zu einer gegebenen vielen Discountern oder die eher einer Lagerhalle ähnelnde Ver-
15 Aktivation beinahe beliebige Emotionen „hinzuinterpretiert“ kaufsfläche in den Metro-Filialen), auf aktivierende Stimuli (z. B.
werden können. Diese Annahme erscheint den meisten For- euphorische Musik, helles Licht, helle Farben) eher zu verzichten.
schern heutzutage überzogen. Freilich steht mit der Forschung
16 in der Tradition des Schachter-Singer-Experiments fest, dass es
wenigstens einige Fälle gibt, in denen ein Körperzustand erst 5.3 Motivation
17 anhand bestimmter Außenkriterien interpretiert – und unter
gewissen Gesichtspunkten – sogar fehlinterpretiert wird. Unzählige Empfehlungen von Marketing-Beratern fordern,
Spätere Arbeiten setzten die Idee von Schachter und Singer in daß Werbung emotionaler werden und Marken „emotional
18 einer Weise fort, die für die Unterbrecherwerbung von Bedeutung aufladen“ soll (für ein „beliebiges“ Beispiel siehe etwa ▶ http://
ist (Cantor et al. 1974; Zillmann et al. 1972): Versuchspersonen www.hoppe7.de/werbung-verkaufen/gute-werbung-ist-emotio-
19 machen eine Sportübung, von der ihr Kreislauf in Schwung und nal, Abruf, 18.7.2014). Viele dieser Empfehlungen berufen sich
der Körper in einen unspezifischen Erregungszustand versetzt auf die Neurowissenschaften. Gleichzeitig werden aber auch
20 wird. In der Folge sollen sie zum Beispiel andere Versuchsperso- die vielleicht wichtigsten Bedenken zu dieser Forderung neu-
nen durch Belohnung und Bestrafung dazu bringen, bestimmte rowissenschaftlich begründet: Scheier und Held (2007, S. 137)
Dinge zu lernen. Oder sie sollen Cartoons, erotisches Material betonen zum Beispiel, dass Emotionen in der Markenführung
21 oder einen Vortrag bewerten. Wenn die zweite Aufgabe kurz auf „viel zu generisch“ seien. Es komme weniger auf die Emotionen
die körperliche Anstrengung folgt, hat die Erregung noch keinen an als auf den Belohnungswert von Marken und Produkten.
22 Einfluss auf das Urteil. Liegt aber eine gewisse Zeit dazwischen, Eine Marke kann nur erfolgreich sein, wenn sie beim Konsu-
dann neigen die erregten Personen zu härteren Strafen in der menten die Erwartung einer „Belohnung“ weckt (was sich neu-
Lernaufgabe, sie finden die Cartoons lustiger, das erotische Ma- rologisch als Aktivität im Belohnungssystem zeigt, siehe oben
23 terial stimulierender und so weiter. Diese Experimente gelten als ▶ Abschn. 5.2.3).
Beleg dafür, dass wir unspezifische Erregung, die nicht eindeu- Belohnungswert wiederum kann ein Reiz nur haben, wenn
tig einer Quelle zugeordnet werden kann, mit dem nächstbesten er sich auf Ziele und Motive des Individuums beziehen lässt, und
5.3 • Motivation
99 5

das gilt für Emotionen, vor allem wenn man darunter pauschal Menschen sind sozusagen dauerhaft vermeidungsfokussiert. Auf
alle möglichen Bewertungsreaktionen versteht (▶ Abschn. 5.2.3), jeden Fall haben die Unterschiede im Fokus wichtige wirtschafts-
eben nicht immer, sondern nur manchmal. und konsumpsychologische Auswirkungen.
Dies führt uns zu der Frage nach der Bedürfnisstruktur der Bei Verhandlungen beispielsweise ist der Annäherungsfokus
Zielgruppen. Zu dieser Struktur gehören angeborene Triebe (z. B. günstiger als der Vermeidungsfokus. Personen, die versuchen,
Hunger), erlernte Bedürfnisse (z. B. Geltungsbedürfnis) sowie ein gutes Ergebnis herbeizuführen und sich auf den bestmögli-
individuelle Wünsche und Ziele (z. B. einmal im Leben eine Welt- chen Abschluss konzentrieren, erzielen bessere Verhandlungs-
reise machen). ergebnisse als Personen, die sich auf den eben noch akzeptablen
Abschluss konzentrieren und versuchen, ein schlechtes Ergebnis
zu verhindern (Galinsky et al. 2005).
5.3.1 Annäherungs- Ein besonders naheliegender Anwendungsfall für Unter-
und Vermeidungstendenzen schiede im regulatorischen Fokus sind Geldanlagen. Immerhin
geht es hier ganz ausdrücklich um das Erzielen von Gewinnen
In einem weiten Verständnis ist der überwiegende Teil unseres und das Vermeiden von Verlusten. In der Tat kann man zeigen,
motivierten Handelns auf Zielzustände wie Lust und Wohlbe- dass Personen mit einem Präventionsfokus eher konservative
finden gerichtet. Diese Ausrichtung auf ein Ziel hat zwei un- Geldanlagen bevorzugen, während Personen mit dem Promo-
terschiedliche Facetten: zum einen den Drang, Wohlbefinden tionsfokus höhere Risiken eingehen, um Gewinne zu realisieren
und Lust herbeizuführen bzw. das Verhalten zu wählen, das den (für einen Überblick vgl. Florack und Scarabis 2003).
höchsten Belohnungswert verspricht; zum anderen das Bestre- Auch für Produktpräferenzen ist der regulatorische Fo-
ben, Unlust oder Schmerzen zu vermeiden. kus bedeutsam: Wenn der Vermeidungsfokus dominiert, sind
Dieses Wechselspiel von Annäherung und Vermeidung war Merkmale wie Nutzen und Verlässlichkeit des Produkts wichtig.
ein Kerngedanke des Motivationskonzepts von Lewin (1931) – es Merkmale, die eher auf das Vergnügen am Gebrauch oder gar
ist also ein verhältnismäßig alter Gedanke der Psychologie. Le- auf Attraktivität abzielen, haben unter einem Annäherungsfokus
win zeigte, dass häufig dieselben Umweltgegebenheiten sowohl stärkere Bedeutung (Chernev 2004; Werth und Förster 2007).
Annäherung als auch Vermeidung auslösen können und insofern Um diesen Zusammenhang zu demonstrieren, induzierten Flo-
die beiden Motivationsfacetten häufig miteinander in Widerstreit rack und Scarabis (2006) bei ihren Probanden zunächst einen
geraten. Man riskiert vielleicht Schmerzen, wenn man versucht, bestimmten regulatorischen Fokus. Hierzu listeten die Personen
Lust herbeizuführen; man riskiert Zurückweisung, wenn man auf, was bei einer Urlaubsreise an schönen Dingen zu erwar-
nach Intimität strebt; man riskiert Misserfolg, wenn man in einer ten ist oder vor welchen Unannehmlichkeiten man sich hüten
Leistungssituation nach Erfolg strebt und so weiter. Das tatsäch- sollte. In der Folge wurde ihnen Werbung für eine Sonnencreme
lich resultierende Verhalten versteht Lewin daher als das Ergeb- präsentiert, die entweder den Schutz vor Sonnenbrand oder den
nis dieser beiden intrapsychischen Kräfte: der Aufsuchen- und Spaß im Freien und die Aussicht auf eine gesunde Bräune in
der Meiden-Tendenz (vgl. auch Puca und Langens 2002). den Vordergrund stellte. Da Sonnencreme funktional eher auf
Daher verhalten sich motivierte Menschen unterschiedlich, Schutz als auf Spaß gerichtet ist, erwarteten die Autoren grund-
je nachdem, ob die Aufsuchen- oder die Meiden-Komponente sätzlich eine Überlegenheit der Schutzpräsentation. Trotzdem
der Motivation überwiegt: Obwohl für beide Leistung ein wich- spielte die Motivlage der Konsumenten eine starke Rolle bei der
tiges Gut ist, „kneift“ der Misserfolgsängstliche möglicherweise Frage, welche Produktdarstellung sie bevorzugten: Zwar wurde
in der Leistungssituation, während der Erfolgsmotivierte an den die Schutzpräsentation der Spaßvariante in der Regel vorgezogen,
Start geht. doch dieser Unterschied war deutlich kleiner bei Probanden, bei
Durch solches Verhalten regulieren Menschen ihre Affektzu- denen zuvor die Annehmlichkeiten und Ziele einer Urlaubsreise
stände, und welche der beiden Komponenten dabei überwiegt, aktiviert wurden.
wird in einer etwas jüngeren Variation des Lewin’schen Grundge- Die Passung zwischen dem regulatorischen Fokus und der
dankens durch den „regulatorischen Fokus“ bestimmt (Higgins Werbebotschaft beeinflusst aber nicht nur die Präferenz für ein
1997). Die Aufsuchen-Komponente wird als Annäherungsfokus Produkt (Werth und Förster 2007), sondern auch die Assozia-
(promotion focus) bezeichnet. Unter diesem Fokus streben Men- tion zwischen Produktkategorie und Marke. Florack und Scarabis
schen nach Wohlbefinden und versuchen, ihre Wünsche und (2006) zeigen, dass Konsumenten eine bestimmte Marke schnel-
Sehnsüchte zu verwirklichen. Dieser Haltung steht der Vermei- ler mit einer Produktkategorie assoziierten, wenn die Werbebot-
dungsfokus (prevention focus) gegenüber. Unter diesem Fokus schaft zum regulatorischen Fokus der Person passt.
streben Menschen nach Sicherheit, riskieren möglichst wenig,
versuchen, den Status quo zu halten – alles mit dem Ziel, un-
angenehme Zustände, Verluste oder Schmerzen zu vermeiden. 5.3.2 Theoretische Grundpositionen
Welcher Fokus dominiert, kann von Situation zu Situation zur Motivation
variieren: Wenn Hoffnungen und Ziele im Vordergrund stehen
und aufgewertet werden, dominiert der Annäherungsfokus, Wenn man sich mit Motivation beschäftigt, stellt man sich in der
wenn dagegen Pflichten und Aufgaben salient sind, dominiert Regel zwei strukturell unterschiedliche Fragen: Zum einen fragt
der Vermeidungsfokus. Menschen unterscheiden sich aber auch man nach dem, was Menschen inhaltlich wollen, was sie antreibt,
darin, welcher Fokus bei ihnen chronisch dominiert. Manche zum anderen fragt man danach, wie Motivation entsteht, wie mo-
100 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

tiviertes Verhalten abläuft, etwa auch, wie motivierte Menschen das Produkt aus „Erwartung“ und „Wert“ angesehen. Verhalten
1 Entscheidungen treffen. Dies ist die Unterscheidung zwischen wird daher auch als Ergebnis eines Kalküls gesehen. Der Mensch
Inhalts- und Prozesstheorien der Motivation. schätzt ein, ob das Verhalten den gewünschten Erfolg verspricht
2 (Erwartung) und wie viel ihm der Erfolg wert ist (Wert), und
Die inhaltstheoretische Sicht handelt danach. Stark ist die Motivation immer dann, wenn
Eine Inhaltstheorie fragt also nach den treibenden Kräften hinter beide Faktoren hoch ausgeprägt sind: Der Konsument legt auf
3 dem menschlichen Verhalten. Heutige Inhaltstheorien nutzen die Folgen seiner Kaufhandlung sehr hohen Wert und erwartet
hierzu die Begriffe „Motive“, „Wünsche“ und „Bedürfnisse“, aber sicher, dass die spezifische Kaufhandlung den gewünschten Er-
4 auch Ziele. Dass Ziele von Menschen in den meisten Punkten folg haben wird. Keiner der beiden Faktoren darf null werden,
ganz ähnlich funktionieren wie Motive und deshalb weitgehend denn dann fällt die gesamte Motivation in sich zusammen. Aber
5 zu Motiven äquivalent sind, ist eine sehr alte Beobachtung in wenn einer der beiden Faktoren groß wird, kann der andere klein
der Psychologie; auch sie wurde bereits von Lewin (z. B. 1935) sein, und trotzdem kann ein Antrieb zum Verhalten resultieren.
ausgeführt. Den meisten inhaltlichen Theorien gemeinsam ist Die Erwartungswertmodelle sind für die Erklärung von
6 die Idee, dass die grundlegenden Motive des Menschen stabil Konsumentenverhalten einflussreich, da auf ihrer Basis auch die
sind und nicht durch Werbung geschaffen werden können. Der Rationalität von Verhalten, sein Verhältnis zu Kosten und Nut-
7 Einfluss der Werbung besteht allenfalls darin, Motive zu wecken. zen, beschrieben werden kann. Das ökonomische SEU-Modell
Motiviertes Verhalten wird aus inhaltstheoretischer Sicht zur Vorhersage von Entscheidungen ist nichts anderes als eine
als das Zusammenspiel von Organismus und Umwelt verstan- Erwartungswerttheorie. SEU steht für subjective expected utility
8 den. Nach dieser Idee müssen auf einen Organismus mit einer und damit für das additive Verrechnen von erwartetem Nutzen
bestimmten Motivstruktur immer auch die passenden Umwelt- (bzw. Wert), gewichtet durch die Wahrscheinlichkeit, mit der
9 bedingungen, sogenannte Anreize treffen, sonst bleibt das Ver- dieser Nutzen realisiert werden kann (für einen Überblick vgl.
halten aus (z. B. Puca und Langens 2002): Ein Motiv wird also Jungermann et al. 2005; Rothermund und Eder 2011, S. 57 ff).
10 aktiviert, wenn es auf den passenden Anreiz trifft. Dabei brau- Das SEU-Modell stellt den Prototyp des rationalen Handelns dar,
chen schwache Motive starke Anreize, damit es zum Verhalten es ist aber für die Vorhersage tatsächlichen menschlichen Verhal-
kommt, und umgekehrt genügen bei starken Motiven bereits tens nur wenig geeignet (z. B. Brandstätter et al. 2006; siehe auch
11 schwache Anreize. Für das biologische Motiv Hunger kann eine ▶ Abschnitt 8.3 und ▶ Kap. 9).
trockene Brotrinde nur dann Verhalten auslösen, wenn das Motiv Typisch für die prozesstheoretische Sicht auf die Motivation
12 sehr stark ist. Umgekehrt genügt vermutlich schon ein schwaches ist ihr gewissermaßen „kybernetischer“ Blickwinkel. Motive ha-
Hungergefühl, damit es angesichts der Schwarzwälder Kirsch­ ben darin eine regulatorische Funktion, indem sie dazu beitra-
torte zur Zuwendung und zum Verhalten kommt. gen, dass Spannung und Defizite im Organismus abgebaut und
13 Das Besondere an dieser Perspektive ist, dass sie auf der Fä- bestimmte Zielzustände erreicht werden.
higkeit des Menschen aufbaut, eine noch gar nicht vorhandene Eine solche regulatorische Funktion übernehmen Motive
14 Belohnung mental vorwegzunehmen und auf dieser Grundlage zum Beispiel für unsere Aufmerksamkeit und Bewertung ge-
zu handeln. Puca und Langens (2002) nennen diese mentale genüber Objekten. Ein aktiviertes Motiv macht uns besonders
15 Vorwegnahme „Affektantizipation“. Der gleiche Gedanke findet aufmerksam für Reize, die zu dem Motiv passen. Diese Reize
sich im Neuromarketing wieder, hier ist von „Belohnungser- werden positiver bewertet. Den Einfluss, den diese Tatsache etwa
wartung“ die Rede (z. B. Scheier und Held 2007): Das Produkt auf unser Wahlverhalten hat, kennen Sie vielleicht, wenn Sie
16 als Anreiz stellt genau dann eine Belohnung in Aussicht, wenn schon einmal hungrig einkaufen waren: Die meisten Menschen
ihm auf Seiten des Konsumenten auch ein Bedürfnis oder Motiv kaufen mehr Lebensmittel ein, vor allem ungeplant, wenn sie
17 korrespondiert. Ist dies aber der Fall, genügt die Erwartung als gerade hungrig sind (vgl. auch Nisbett und Kanouse 1969; dieser
Motor für das Verhalten. Effekt lässt sich nur für normalgewichtige Personen nachweisen,
was die Autoren damit erklären, dass übergewichtige Personen
18 Die prozesstheoretische Sicht ihr Ernährungsverhalten nicht im selben Maß von Köpersignalen
Mit den einleitenden Abschnitten dieses Kapitels haben wir be- wie Hunger abhängig machen wie normalgewichtige).
19 reits in Ansätzen eine prozesstheoretische Perspektive eingenom- Die Aktivation von Zielen und Bedürfnissen hat aber nicht
men, denn in diesen Absätzen ging es um die Faktoren, die den nur zur Folge, dass verwandte Objekte aufgewertet, sondern auch
20 Organismus energetisieren – unter dieser Perspektive wird die dass nicht verwandte abgewertet werden. Dies zeigen zum Bei-
Motivation als „Kraft“ verstanden, unter Umständen auch als spiel Brendl et al. (2003) in einer Reihe von Untersuchungen. In
das Ergebnis unterschiedlicher Kräfte (vgl. auch Rothermund einem ihrer Experimente konnten studentische Probanden Lose
21 und Eder 2011, S. 21 ff). kaufen, für die sie entweder einen Geldpreis oder – als Sachpreis –
Andere prozesstheoretische Motivationskonzepte gehen über Zigaretten erhielten. Die Preise waren von ihrem Wert äquivalent,
22 solche einfachen Überlegungen hinaus, zum Beispiel die Erwar- die Probanden waren alle Raucher und wurden der jeweiligen
tungswertmodelle (Rothermund & Eder 2011, S. 82ff). Danach be- Preisbedingung per Zufall zugewiesen. Die Probanden wurden
ruhen die motivierenden Kräfte hinter einem Verhalten auf zwei nach einer Lehrveranstaltung für das Experiment gewonnen,
23 Faktoren, nämlich dem Wert, den die Folgen des Verhaltens für wobei einem Teil die Möglichkeit gegeben wurde, vor der Un-
den Organismus haben, und die Erwartung, mit dem Verhalten tersuchung noch eine Raucherpause einzulegen, der andere Teil
Erfolg zu haben. Die Motivation zu dem Verhalten wird dann als musste nach dem üblichen Rauchverbot in Seminarräumen auch
5.3 • Motivation
101 5

für die Dauer des Experiments auf Zigaretten verzichten. Für die rerseits aber auch in einem altruistischen Führen und Umsorgen
letzteren war das Bedürfnis nach Zigaretten also relativ hoch. Der des anderen bestehen kann. Das Anschlussmotiv befriedigen wir,
postulierte Abwertungseffekt sollte nun darin bestehen, dass Geld indem wir Gemeinschaft mit anderen haben, Intimität pflegen
für die Probanden, die ein starkes Bedürfnis nach Zigaretten hat- und Isolation vermeiden.
ten, relativ weniger wert sein sollte. In der Tat kauften diese Pro- Diese „großen Drei“ der Motivation sind aus deutlich umfang-
banden bei der Verlosung des Geldpreises im Schnitt nur 1,4 Lose, reicheren Motivlisten hervorgegangen (z. B. Murray 1938) und
weniger Lose, als wenn es Zigaretten zu gewinnen gab (1,7), und haben sich in mindestens zwei Punkten besonders bewährt: Zum
weniger als Probanden, die gerade erst geraucht hatten und daher einen besitzen sie ein hohes Erklärungspotential: „Für nahezu alle
nur ein geringes Bedürfnis nach einer Zigarette hatten (2,4). menschlichen Aktivitäten und Ziele lassen sich Bezüge zu genau
In einem weiteren Experiment sollten die Probanden unter- diesen drei Motiven herstellen. Es gibt keine weiteren psychischen
schiedliche Produkte beurteilen, sowohl Nahrungsmittel als auch Grundmotive, die in ähnlicher Weise für menschliches Streben
Produkte aus dem Non-Food-Bereich. Ein Teil der Probanden bestimmend sind“ (Rothermund und Eder 2011, S. 96).
bekam zu Beginn der Bewertung Gelegenheit, eine kleine Menge Zum andern gelingt es für sie in besonderer Weise, „mo-
Popcorn zu probieren. Diese Manipulation nutzt den Effekt des tivspezifische Regulationsmechanismen“ zu identifizieren, mit
„Appetithappens“: Auch die Aufnahme geringer Nahrungsmen- denen man begründen kann, „daß dieses Motiv tatsächlich eine
gen führt bereits zur Ausschüttung von Insulin, was seinerseits in eigenständige Steuereinheit darstellt“ (Rothermund und Eder
der Folge eine stärkere Nahrungsaufnahme anregt. Diese Mani- 2011, S. 96). Mit anderen Worten: Jedes dieser Grundmotive wird
pulation erhöht noch subtiler als vorheriges Fasten das Bedürfnis auf charakteristische Weise angeregt, wird von eigenen physio-
nach Nahrung: Im Unterschied zum leeren Magen bleibt hier das logischen und affektiven Prozessen begleitet und zeigt sich in
Bedürfnis unbewusst. Auch in diesem Fall zeigt sich, dass Pro- eigenständigen Verhaltensweisen.
banden, deren Nahrungsbedürfnis angeregt wurde, nicht nur Le- Eine andere polythematische Motivtheorie hat es – gerade in
bensmittel auf-, sondern auch Non-Food-Produkte abwerteten. den Wirtschaftswissenschaften – zu einer geradezu erstaunlichen
Auf- und Abwertungseffekte treten meist gemeinsam auf, al- Beliebtheit gebracht: Die Bedürfnishierarchie von Abraham Mas-
lerdings werden letztere meist nicht berücksichtigt. Die hungri- low (1943). In dieser Hierarchie werden zunächst grundlegende
gen Kunden im Supermarkt jedenfalls sind nach diesen Befunden Bedürfnisse erfüllt, etwa biologische Bedürfnisse (Hunger, Durst)
nicht nur den Lebensmitteln gegenüber besonders aufmerksam, oder das Bedürfnis nach Sicherheit. Sind diese Bedürfnisse gesi-
sie geben vermutlich auch in allen nicht essensrelevanten Produkt- chert, strebt der Mensch nach Zuneigung und Liebe, aber auch
bereichen weniger aus, als sie es in sattem Zustand getan hätten. nach Geltung vor sich und anderen. Zuletzt kommt das Bedürfnis
nach Selbstaktualisierung. Die Maslow’schen Bedürfnisse werden
gerne pyramidenförmig dargestellt, und in dieser Bedürfnispyra-
5.3.3 Inhaltstheorien der Motivation mide steht also die Selbstaktualisierung auf der höchsten Stufe.
Da aber die Stufenfolge als eine Dringlichkeitsrangfolge gemeint
Inhaltliche Motivtheorien kann man in drei Gruppen untertei- ist, könnte man auch sagen, dass Bedürfnisse der Selbstverwirk-
len (vgl. auch Felser 2008a). Die sogenannten monothematischen lichung auf der niedrigsten Dringlichkeitsstufe stehen.
Theorien gehen davon aus, dass wir im Grunde nur ein zentrales Für das Marketing wird aus dieser Motivtheorie zum Beispiel
Motiv befriedigen wollen und dass alle unsere Bedürfnisse letzt- deutlich, unter welchen Bedingungen ein existierendes Motiv
lich auf das zentrale Motiv verweisen. Besonders prominent ist nicht aktiviert werden kann. Wer um seine Sicherheit bangt, wird
die Freud’sche Motivtheorie, in der der Libido, also der sexuellen durch die Aussicht auf Geltung oder Selbstverwirklichung nicht
Lust, diese zentrale Rolle zugeschrieben wird. motiviert werden können.
Marketinganwendungen von Motivtheorien Freud’scher Prä- Auf der anderen Seite wird man freilich zugeben müssen,
gung sehen strukturell meist so aus, dass eine Konsumhandlung dass in unserer Gesellschaft die Bedürfnisse nach Nahrung und
als eine hintergründige und sublime Form der Triebabfuhr ge- physischer Sicherheit in aller Regel relativ problemlos befrie-
deutet wird. Die Werbung wird auf Sexualsymbole hin unter- digt werden und dass man jedenfalls kein Marketing braucht,
sucht, was einen nicht unerheblichen Aufwand an interpretato- um sie zu aktivieren, falls die Befriedigung fraglich ist. Dagegen
rischem Geschick erfordert (z. B. Key 1980). erscheinen die weniger grundlegenden Bedürfnisse vielfältiger
Die meisten Motivtheorien sind allerdings polythematisch, und facettenreicher, als dass sie mit drei Stichworten erschöpfend
das heißt, sie gehen davon aus, dass wir durch eine ganze Reihe beschrieben wären. Entsprechend angestrengt wirken denn auch
verschiedener Motive angetrieben werden. Die in der Psycholo- Versuche, die Maslow’sche Motivationstheorie auf Werbung an-
gie vermutlich am weitesten verbreitete polythematische Taxo- zuwenden (z. B. Mullen und Johnson 1990, S. 98 f, . Abb. 7.2).
nomie unterscheidet drei psychogene Motive: Leistung, Macht Es ist nicht nur die für Marketingzwecke unvorteilhafte Diffe-
und Anschluss (z. B. Puca und Langens 2002; Rothermund und renzierung, weswegen ich oben die Popularität der Maslow’schen
Eder 2011; Schultheiss 2008). Das Leistungsmotiv befriedigen Theorie „erstaunlich“ genannt habe. So zeigt sich bei näherem
Menschen, indem sie versuchen, bestimmte Standards zu errei- Hinsehen, dass die drei psychogenen (also „nicht biologischen“)
chen (z. B. „besser sein als gestern“, „besser sein als der andere“, Motive bei Maslow mit den drei Motiven „Leistung“, „Macht“ und
„dieses Computerprogramm ohne Fehler zum Laufen kriegen“). „Anschluss“ über weite Strecken übereinstimmen. Nahezu voll-
Das Machtmotiv beruht darauf, andere Menschen zu dominie- ständig ist die Überlappung bei Maslows „love needs“ und dem
ren, was zum einen in Form einer aggressiven Dominanz, ande- Anschlussmotiv sowie bei den „esteem needs“ und dem Machtmo-
102 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

tiv. Das Leistungsmotiv besitzt sichtbare Gemeinsamkeiten zum „Vorstellung der Konsumenten vom guten Leben“ („vision of the
1 Wunsch nach Selbstverwirklichung; zu beiden gehört der Drang good life“, S. 9). Diese Vorstellung bildet die Ziele, die man jedem
zur Selbstexploration bzw. der Wunsch, eine Sache möglichst „gut“ Menschen unterstellen kann. Sie ist einfach und alltagssprachlich
2 zu machen. Allerdings geht die Vorstellung bei Maslow noch über fassbar. O’Shaughnessy stellt einige Gegensatzpaare vor, die kaum
diese Aspekte hinaus: Selbstverwirklichung besteht auch in dem
Erreichen von Identitätszielen oder dem Verwirklichen von Wer-
--
einen Widerspruch zulassen. Menschen sind grundsätzlich …
lieber gesund als krank,

--
3 ten. Zudem konzipiert er dieses Motiv als höchst individuell. lieber voller Leben als elend und träge,
Die Besonderheiten dieser höchsten Stufe in der Pyramide lieber physisch sicher als bedroht,
4 sind allerdings auch gleichzeitig ein Problem des Ansatzes. In der
von Maslow beschriebenen Form hat sich das Selbstaktualisie-
--
lieber geliebt und bewundert als gehasst und gemieden,
lieber Insider als Outsider, die nur Zuschauer spielen dürfen.
5 rungsmotiv noch in keiner Motivtheorie als eigenständiges Mo-
tivsystem nachweisen lassen. Dies liegt auch daran, dass Maslow
--
lieber zuversichtlich als unsicher,
lieber heiter und gelassen als angespannt und ängstlich,

6
keine charakteristischen Auslösesituationen und Umsetzungsme-
chanismen beschreibt, dem das Selbstaktualisierungsmotiv folgt.
--
lieber schön als hässlich,
lieber reich als arm,

7
Dies tut er übrigens auch für die anderen Motive nicht, insofern
bleibt der Ansatz vollständig auf das Individuum zentriert. Es feh-
len ihm Annahmen darüber, wie der motivierte Organismus in --
lieber sauber als schmutzig,
lieber wissend als unwissend,
lieber Bestimmer über das eigene Schicksal als Spielball der
8
9
der Umwelt agiert. Auch das andere eigenständige Element der
Theorie, die hierarchische Ordnung der Motive, ist eher schwach
belegt – Maslow selbst lässt bereits bei dieser Annahme Ausnah-
men zu (vgl. auch Rothermund und Eder 2011, S. 97 ff).
-
Ereignisse,
lieber gut unterhalten als gelangweilt.

Als eine athematische Theorie erlaubt die Idee von O’Shaugh-


Offenbar sind mit den „großen Drei“ alle gut begründeten nessy keine Aussage darüber, wann die Liste vollständig ist. Als
10 Elemente der Maslow’schen Theorie beschrieben, ohne deren weiteren Einwand müsste man anführen, dass nicht viel über das
Nachteile zu haben. Konsumentenpsychologisch kann man zum Verhältnis der Motive untereinander gesagt wird. Wahrscheinlich
Beispiel Produkte daraufhin untersuchen, inwieweit sie Anreiz- sind die meisten Menschen im Zweifelsfall lieber gesund und
11 bedingungen für die drei Motive bereithalten. Mobiltelefone etwa unwissend als wissend und krank. Insofern hätte O’Shaughnessy
sprechen das Anschlussmotiv an, insofern sie soziale Kontakte seine Liste vielleicht doch besser sortiert und die Motive nach
12 erleichtern, die Zugehörigkeit zu anderen Menschen erleichtern, ihrer Wichtigkeit geordnet.
ggf. auch, indem sie den Besitzer bei anderen beliebt machen. Sie Ein Vorzug der Sichtweise von O’Shaughnessy liegt aber in
sind ein Anreiz für das Leistungsmotiv, wenn der Nutzer darin folgendem Punkt: Die meisten Überlegungen zur Motivation des
13 die Möglichkeit sieht, seine eigenen Potentiale noch besser zu Konsumentenverhaltens gehen davon aus, dass wir vor der Kauf-
nutzen, etwa indem er noch effizienter als zuvor arbeiten kann. handlung einen Mangelzustand wahrnehmen, den wir durch die
14 Sie sprechen das Machtmotiv an, insofern sie als Prestigeobjekt Kaufhandlung beheben wollen (z. B. Kotler und Bliemel 1995,
gesehen werden können, das dem Besitzer seine Überlegenheit S. 8). Demgegenüber betont O’Shaughnessy lediglich eines: Als
15 gegenüber anderen signalisiert. Jede dieser Facetten könnte in Käufer folgen wir der impliziten Annahme, dass es besser ist zu
der Werbung hervorgehoben werden und würde dann eine spe- kaufen, als nicht zu kaufen. Ein Mangel wird nicht vorausgesetzt.
zifische Anreizsituation für eines der drei Grundmotive bieten. Dies ist aus zwei Gründen plausibel. Der erste Grund ist
16 In athematischen Motivationstheorien schließlich wird das ein psychologischer: Wenn Sie mir in der rechten Hand einen
Konsumentenverhalten überhaupt nicht aus einem allgemeingül- 50-Euro-Schein und in der linken einen 100-Euro-Schein an-
17 tigen Satz von vorher bekannten Motiven bestimmt. Bei einem bieten würden, dann braucht niemand vorauszusetzen, dass mir
athematischen Ansatz wird nicht vorgegeben, welche Motive 50 Euro fehlen, um treffend vorherzusagen, dass ich lieber die
man mit Sicherheit bei den Konsumenten antreffen wird. Es ist 100 Euro als die 50 Euro nehme. Niemand braucht bei sich selbst
18 dann eine empirische Frage und zunächst nur für die gegebene einen Mangel festzustellen, um bei der Wahl zwischen dem Gu-
Situation zu beantworten, welche Motive gerade gelten und sich ten und dem Besseren das Bessere zu wählen.1 Der zweite Grund
19 möglicherweise neu herausgebildet haben. Im ungünstigsten Fall ist ein empirischer: Es kommt in der Werbung selten vor, dass
hat man freilich bei einer athematischen Theorie für jede Frage
20 und jedes Produkt ein eigenes Motiv. Allgemeine Aussagen wä- 1 Die Motivationstheorie von Frederick Herzberg (vgl. Kotler und Bliemel
ren dann nicht mehr möglich. 1995, S. 297 f ) enthält als einen Kerngedanken die Unterscheidung zwi-
schen Satisfaktoren und Dissatisfaktoren. Auf den Konsumbereich über-
Ein athematischer Ansatz erscheint für das Verständnis des
21 Konsumentenverhaltens insofern sinnvoll, als es der Werbung fast
tragen bezeichnet der Begriff „Satisfaktoren“ diejenigen Merkmale eines
Produkts, die Zufriedenheit beim Konsumenten erzeugen können. Die
nie um elementare und grundlegende Bedürfnisse geht. Menschen, Dissatisfaktoren sind die Merkmale, die Unzufriedenheit erzeugen. Es wird
22 die Werbung sehen, denken fast gar nicht mehr an das Überle- ausdrücklich betont, dass das Fehlen eines Satisfaktors nicht automatisch
ben. Sie denken daran, gut zu leben. Nach O’Shaugh­nessy (1987) Unzufriedenheit zur Folge hat. Zum Beispiel kann ein bestimmtes Extra
an einem Produkt begrüßt werden und zur Zufriedenheit führen. Hätte es
ist Kaufen ein zielgerichtetes Handeln, dem unausgesprochen der
23 Glaube zu Grunde liegt, dass mit dem Kauf das Leben schöner ist
dieses Extra aber nicht gegeben, hätte man es auch nicht vermisst. Dieser
Gedanke ist die Umkehrung aus dem oben genannten Argument, das be-
als ohne. Er bezieht die Kaufhandlung auf diese Weise nicht so sehr sagte: Man muss keine Unzufriedenheit voraussetzen, um die Erwartung
auf elementare Lebensbedürfnisse oder gar Triebe, sondern auf die zu begründen, dass die Konsumenten durch Anreize zu motivieren sind.
5.3 • Motivation
103 5

ein Mangelzustand angesprochen oder Unzufriedenheit mit dem Ausformung eines Ziels, etwa den Wunsch nach einem Schutz
Bestehenden erzeugt wird. Insofern geht ein Motivationskonzept, vor UV-Strahlen, das dem Ziel der Gesundheit dient. An dem
mit dem man das Kaufverhalten erklären will, an den Realitäten Beispiel des Sonnenschutzes kann man sehen, dass ein Wunsch
vorbei, wenn darin angenommen wird, am Anfang jeder Kau- nicht immer bewusst vorhanden sein muss: Wer vom möglichen
fentscheidung stünden drängende Wünsche der Konsumenten Schaden durch UV-Strahlen nichts weiß, kann trotzdem den la-
nach Bedürfnisbefriedigung. tenten Wunsch nach Sonnenschutz haben (O’Shaughnessy 1987,
Jüngere Überlegungen zum Begriff des Ziels zeigen eine ge- S. 16).
wisse Verwandtschaft zu der athematischen Motivliste, die wir hier Werbung und Marketing können versuchen, Produkte als die
diskutieren. Dijksterhuis und Aarts (2010, S. 470) definieren Ziele Umsetzung eines bestimmten Ziels darzustellen. O’Shaughnes-
wie folgt: „Goals are conceptualized as mental representations of sys Beispiel sind Deodorants (O’Shaughnessy 1987, S. 15 f): Die
behaviors or behavioral outcomes that are desirable or rewarding Unterdrückung des Körpergeruchs galt über lange Zeit nicht als
to engage in or to attain.“ Diese Charakterisierung könnte ebenso der Ausdruck irgendeines Ziels. Dieser Aspekt des Lebens spielte
für die Motivliste von O’Shaughnessy (1987) gelten. Die Überlap- einfach keine Rolle. Heutzutage ist aber ein effektives Dämpfen
pung geht aber noch weiter: Charakteristisch für den Zielbegriff des Körpergeruchs nicht nur eine Forderung der Hygiene (also
von Dijksterhuis und Aarts (2010; vgl. auch Scheier et al. 2010) des Ziels, lieber sauber als schmutzig zu sein), sondern gleichzei-
ist zudem, dass diese Ziele zwar auch bewusst, häufiger aber noch tig auch der Gesundheit und der Attraktivität (denken Sie nur an
unbewusst bzw. automatisch angestrebt werden. Zielgerichte- den Axe-Effekt; . Abb. 15.1). An dem Wertewandel hin zu einer
tes Verhalten wird oft durch Reize in der Umgebung angeregt, gezielten Unterdrückung des Körpergeruchs war die Werbung
ohne dass dies der handelnden Person bewusst werden muss. In wesentlich beteiligt.
▶ Kap. 6 (besonders ▶ Abschnitt 6.2.4) gehe ich ausführlicher auf
diese Konzeption und Befunde hierzu ein. Es ist aber vielleicht
nicht überflüssig zu betonen, dass der Zielbegriff in diesem Ab- 5.3.4 Expressive Funktionen des Konsums,
schnitt ein sehr besonderer ist, der von der üblichen Verwendung Konzepte und Codes
dieses Begriffs in der Motivationspsychologie – wie ich ihn in
▶ Abschnitt 5.4 diskutiere – in wichtigen Punkten abweicht. Ziele, Stellen Sie sich vor, Sie haben Gäste zum Nachmittagskaffee. Sie
wie sie Dijksterhuis und Aarts (2010) verstehen, werden nicht nur bieten Kuchen an. Welche der drei Varianten wäre Ihnen am
bewusst gesetzt. Sie bestehen aus allen erstrebenswerten Zustän- liebsten: (1) Der Kuchen stammt vom Bäcker, (2) der Kuchen
den, wie sie sich auch auf der Grundlage von assoziativem Lernen „entstammt“ einer Backmischung und Ihr einziger eigener Bei-
oder durch instrumentelles und vor allem evaluatives Konditi- trag bestand darin, einen bereits fertig angerührten Teig in den
onieren bilden. Aus diesen Überlegungen ergibt sich aber, dass Ofen zu schieben, oder (3) Sie bieten einen selbstgebackenen Ku-
Menschen Ziele dieser Art selbstverständlich auch unbewusst bzw. chen an? Stellen Sie sich weiterhin vor, dass der Kuchen selbst im-
nur implizit verfolgen. Insofern überlappt sich dieser Zielbegriff mer gleich ist. Physische Unterschiede zwischen den Produkten
deutlich mit der Vorstellung, die man normalerweise von Motiven auf dem Kaffeetisch können Sie vernachlässigen.
hat, wenn auch nur in einem „athematischen“ Sinne – darum lohnt Dieses Beispiel illustriert für viele potentielle Gastgeber einen
es sich, ihn an dieser Stelle bereits „ins Spiel zu bringen“. wichtigen Aspekt ihres Verhaltens: Es fühlt sich besser an, wenn
Um nun die beschriebenen Ziele zu verwirklichen, zeigen man den Gästen etwas Selbstgemachtes serviert, selbst wenn man
verschiedene Menschen verschiedene Verhaltensweisen. Das den Unterschied gar nicht schmecken würde.
liegt nicht nur daran, dass es unmöglich ist, alle Ziele gleichzei- Dieses Problem ist schon seit den 1930er und 1940er Jah-
tig zu verfolgen und man deshalb Prioritäten setzen muss. Ein ren bekannt. Als damals Backmixturen für Fertigkuchen auf
anderer Grund ist, dass es meist verschiedene Wege zu dem Ziel den Markt kamen, waren sie zunächst nicht sehr populär. Der
gibt. Man kann seine Ziele auf verschiedene Weise umsetzen. Bis Kern des Problems offenbarte sich, als die Hersteller sich in die
zu einem gewissen Grad lässt sich die eine Umsetzung durch eine Situation der Käuferinnen, in der Regel Hausfrauen, hineinver-
andere ersetzen. An diesen beiden Punkten kann man ansetzen, setzten. Die einzige Aufgabe bei den Backmischungen bestand
um das Konsumentenverhalten zu formen: Es können einerseits nämlich darin, ein Pulver mit Wasser zu verrühren und den da-
die Prioritäten einzelner Ziele verschoben und andererseits neue bei entstehenden Teig zu backen. Das Bedürfnis, eine kompe-
Wege aufgezeigt werden, die ein Ziel als erreichbar erscheinen tente Hausfrau zu sein, musste auf diese Weise frustriert werden.
lassen, das vorher unerreichbar schien. Die Herstellerfirma Betty Crocker reagierte darauf, indem sie
Wenn ein Ziel aktiviert wird, dann entsteht in der Person ein die Backmischung so veränderte, dass nunmehr jeweils ein Ei
Wunsch.2 Unter „Wunsch“ versteht O’Shaughnessy die konkrete dazuzugeben war. Wohlgemerkt, das Ei wäre eigentlich gar nicht
nötig gewesen. Es hätte genauso gut Teil der Grundmischung
2 Ich übersetze hier want mit „Wunsch“, um damit auch dem Wortgebrauch in Pulverform sein können. Aber mit dem Ei hatten die Haus-
anderer Konsumentenforscher zu entsprechen. Danach ist der nahelie- frauen das Gefühl, tatsächlich an diesem Kuchen etwas gemacht
gende Begriff des Bedürfnisses auf der Ebene der Ziele bei O’Shaughnessy zu haben. Sie mussten sich nicht völlig inkompetent vorkommen
anzusiedeln. So erklären zum Beispiel Kotler und Bliemel (1995, S. 8; vgl.
(Myers und Reynolds 1967; vgl. auch Clark 1989, S. 102; Kotler
auch Kroeber-Riel 1992, S. 677, Fußnote): „Der Marketer schafft keine Be-
dürfnisse; sie existieren bereits, wenn er auf den Plan tritt. Der Marketer
und Bliemel 1995, S. 40).
beeinflußt – wie dies auch andere gesellschaftliche Faktoren tun – die Unser Konsumverhalten wird offenbar nicht nur durch seine
Wünsche der Menschen.“. physischen und materiellen Konsequenzen motiviert. Die Fol-
104 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

gen und Ziele einer Konsumhandlung sind oft nebensächlich, des Konsums gegenüber mentalen Aspekten zurücktreten (z. B.
1 manchmal sind sie – als materielle Folgen – überhaupt nicht wenn der Konsum für die Selbst- oder die Fremdwahrnehmung
auszumachen. Dies gilt natürlich auch für viele andere moti- von Bedeutung ist oder wenn man mit seiner Konsumhandlung
2 vierte Verhaltensweisen des Alltags: Tanzen, Sport, Fernsehen Gruppennormen befolgt; ▶ Abschnitt 10.1.2). Die psychologi-
oder Sex haben selten ein materielles Ziel; eher noch könnte schen Hintergründe der jeweiligen Konsumhandlungen sind
man das Verhalten selbst als Ziel bezeichnen. Den Gästen ei- allerdings sehr heterogen – ihr gemeinsamer Nenner ist die
3 nen selbstgebackenen Kuchen anzubieten, ist aber vermutlich Erkenntnis, dass der eigentliche Anreizwert des Konsums eher
nicht nur für mein Renommee in der unmittelbaren Umwelt mental als materiell ist.
4 wichtig – vielleicht habe ich zudem das Gefühl, dass der selbst-
gebackene Kuchen deutlich besser zu mir passt und eher zeigt,
5.4 Motivation durch Ziele
5 was mir wichtig ist, als der gekaufte. So gesehen drückt sich in
meinem Verhalten auch ein Selbstbild oder – noch anspruchs-
voller – ein „Identitätsprojekt“ aus. Die motivationspsychologi- Die Hoffnung auf eine Traumfigur oder die Aussicht auf einen
6 sche Dimension solcher identitätsstiftender Verhaltensweisen attraktiven Urlaub können schon sehr motivierend sein. Ganz
(z. B. Rothermund und Eder 2011, S. 128 ff) ist nur einer von offensichtlich operieren diese „Motivatoren“ aber nicht nur im-
7 mehreren Fällen, in dem der physische Konsum hinter ande- plizit, sondern stehen vielmehr bewusst vor unseren Augen und
ren Dimensionen des Konsums zurücktritt. Ariely und Norton treiben uns an. Sie bilden – neben den eher unbewussten Moti-
(2009) stellen hierzu weitere Beispiele vor und sprechen von die- ven – ein zweites Motivationssystem: die Motivation durch Ziele.
8 sen als „conceptual consumption“ (im Unterschied zur „physical In einem gewissen Sinne bildet die Arbeit mit bewusst gewählten
consumption“). Eine ganz ähnliche Bedeutung haben die bereits Zielen den Prototyp von Motivation – zumindest insofern man
9 mehrfach zitierten „Produktcodes“ nach Scheier et al. (2010; sich darunter das vorstellt, was herauskommt, wenn man sich
siehe z. B. auch ▶ Abschnitt 1.8.2 oder ▶ Abschnitt 5.2.4). Beide oder andere „motiviert“. Man kann in der Tat Motivation durch
10 zitierten Konzepte gehen von der Beobachtung aus, dass unser Zielsetzung schaffen.
Konsumverhalten Bedeutungen hat, die über den physischen Theoretisch erklären lässt sich der Effekt der Zielsetzung
Konsum hinausgehen. damit, dass Ziele unser Verhalten in eine bestimmte Richtung
11 Dies zeigt sich zum Beispiel in den bereits beschriebenen lenken und unsere Gedanken, Aufmerksamkeit und Handlungen
Phänomenen der Erwartung auf das Produkterleben (▶ Ab- in diese Richtung folgen Damit Zielsetzungen erfolgreich sind,
12 schnitt 2.6.2). Dasselbe Produkt wird unterschiedlich erlebt, müssen die formulierten Ziele allerdings einige Kriterien erfüllen

13
wenn die Konsumenten unterschiedliche Erwartungen an das
Erlebnis haben – und wie in ▶ Abschnitt 2.6.2 dargelegt, führt
diese unterschiedliche Erwartung ja in manchen Fällen sogar ob-
jektiv messbar zu unterschiedlichen Erlebnissen (Litt und Shiv
-
(Locke und Latham 1990; Puca und Langens 2002).
Die Ziele müssen konkret und spezifisch sein. Unspezifi-
sche und vage Ziele fördern Motivation und Leistung nicht.
„Abnehmen“ ist daher ein weniger gut geeignetes Ziel im
14
15
2012; vgl. auch Lee et al. 2006; McClure et al. 2004). Besonders
augenfällig werden solche Effekte in Placeboeffekten, wie man
sie aus der medizinischen Forschung kennt. Ein konsumpsycho-
logisches Beispiel liefern Shiv et al. (2005): Probanden erhielten
- Vergleich zu „fünf Kilo abnehmen“.
Die gesetzten Ziele sollten herausfordernd aber erreich-
bar sein. Vermutlich wird das Ziel, eine Woche lang auf
Beilagen zu verzichten, ein wenig zu einfach und das Ziel,
einen Energy Drink, der ihnen entweder als besonders billig 25 Kilo abzunehmen, zu schwierig sein. Wenn nicht die
16 oder als regulär teuer vorgestellt wurde. In der Folge harrten Mitte zwischen „zu leicht“ und „zu schwer“ getroffen wird,

17
18
Probanden, die das angeblich teurere Getränk verkostet hatten,
bei einer Konzentrationsaufgabe länger aus als Probanden, die
das vermeintlich billige Getränk probiert hatten (siehe auch
▶ Abschnitt 20.2.1).
- motiviert das Ziel ebenfalls nicht.
Die gesetzten Ziele müssen bedeutsam und bindend sein.
Ziele, an die wir uns nicht gebunden fühlen, verlieren
leicht ihre Verbindlichkeit und damit ihre Wirksamkeit.
Der entscheidende Aspekt des Konsums scheint also ein Ziele brauchen daher ein gewisses Commitment (▶ Ab-
mentaler zu sein. Dies zeigt sich auch in der Rolle, die die Erinne- schnitt 11.3).
19 rungen an unsere Konsumerlebnisse spielen. Man könnte in ge-
wissem Sinne sagen, dass wir bestimmte Erlebnisse nur deshalb
5.4.1 Zum Verhältnis von Zielen und Motiven
20 anstreben, um uns später daran erinnern zu können. Ich erinnere
nur daran, dass Konsumenten ihre schönsten Erlebnisse lieber
nicht wiederholen möchten – eben um sich die Erinnerung da- Wie bereits gesagt, können die bewussten Ziele als ein Moti-
21 ran nicht durch Interferenzen stören zu lassen (Zauberman et al. vationssystem verstanden werden, das komplementär zu den
2009; siehe auch ▶ Abschnitt 4.2.5). Ariely und Norton (2009) unbewussten Motiven wirkt. Oben habe ich schon angedeutet,
22 zitieren Beispiele von eher unangenehmen Erfahrungen (z. B. in dass der Zielbegriff durchaus auch anders verwendet wird (z. B.
einem Hotel aus Eis zu übernachten), nach denen Konsumenten Dijksterhuis und Aarts 2010), nämlich so, dass es bewusste wie
vor allem deshalb streben, um sie ihrem „Erfahrungslebenslauf “ unbewusste Ziele gibt. Mit dem Motivbegriff ist es ganz ähnlich:
23 hinzuzufügen. Viele Autoren unterscheiden nicht so sehr zwischen Zielen und
Wir werden im Folgenden noch viele andere Beispiele ken- Motiven (wie z. B. Puca und Langens 2002), sondern zwischen
nenlernen, in denen die materiellen und physischen Aspekte impliziten und expliziten Motiven (z. B. Brunstein 2006; Ro-
5.4  •  Motivation durch Ziele
105 5

thermund und Eder 2011; die Unterscheidung geht zurück auf Lamborghini wird mein Ansehen bei anderen heben“) oder aus
McClelland et al. 1989). Explizite Motive sind demnach diejeni- extrinsischen Gründen („In meiner Position sollte ich ein reprä-
gen Handlungsgründe, die Menschen auf Befragung benennen sentatives Auto fahren“). Möchte man mit seinem Konsumver-
können, so etwa auch der Grund: „Ich spare, weil ich von dem halten die „Affektbilanz“ optimieren, das heißt mit dem Konsum
Geld in Urlaub fahren will.“ Die Überlappung zwischen explizi- auch sein Wohlbefinden steigern, dann sind das eher ungünstige
ten Motiven und Zielen ist sehr groß, die Unterschiede möchte Strategien, seine Ziele auszuwählen (Puca und Langens 2002,
ich an dieser Stelle hintanstellen. Wichtig ist vielmehr ein anderer S. 258).
Punkt: Daher empfiehlt es sich, dort, wo eine Wahl möglich ist, Ziele
Wie die Forschung zeigt, sind die impliziten und die expli- und Motive zu synchronisieren. Motive offenbaren sich meist
ziten Motive weitgehend unkorreliert (z. B. Schultheiss 2008). nur implizit, zum Beispiel in kleinen Handlungen des Alltags,
Dem entsprechen Befunde zur Zielsetzung: Menschen wählen auch in Tagträumen und Phantasien. Eine besonders wichtige
Ziele unabhängig davon, ob sie zu ihren (unbewussten) Motiven Quelle für (implizite) Motive ist die Sprache, die Art wie Men-
passen oder nicht (Puca und Langens 2002). Das allerdings hat schen über etwas reden. Zu den am weitesten verbreiteten Me-
motivational gravierende Konsequenzen: „Ziele, die nicht durch thoden der Motivdiagnostik gehören daher inhaltsanalytische
ein passendes Motiv gestützt werden, haben höchstens den Reiz, Auswertungen von Texten bzw. Sprache (Schultheiss 2008; Smith
der von einer unerledigten Steuererklärung oder von einem Be- 1992; Winter 1991). Menschen mit hohem Leistungsmotiv er-
such beim Zahnarzt ausgeht“ (Puca und Langens 2002, S. 257). wähnen beispielsweise Wettkampf- und Vergleichssituationen
Was bedeuten diese Überlegungen für die Konsumenten- mit anderen, das Erreichen eines Ziels, aber natürlich auch die
psychologie? Zum einen unterstreichen sie natürlich, dass wie Angst vor Versagen. Für ein hohes Machtmotiv spricht zum Bei-
andere Ziele auch Konsumziele eine wichtige Funktion in der spiel die Erwähnung von Prestigeobjekten, Rangfolgen und Hi-
Verhaltenssteuerung haben. Ziele bieten sozusagen die Lang- erarchien. Menschen mit hohem Machtmotiv beschreiben auch
zeitperspektive in der Motivation, sie geben den Entscheidun- häufiger Situationen, in denen sie Verhalten oder Emotionen
gen die Richtung, die sich auf eine weitere Zukunft beziehen. anderer Menschen beeinflusst haben. Bei hohem Anschlussmo-
Nicht zuletzt deshalb werden Ziele auch als sinnstiftend erlebt, tiv finden sich in der Redeweise immer wieder Hinweise auf die
und darum geht es normalerweise mit hoher Lebenszufrieden- Beziehungen von Menschen untereinander, deren Aufbau oder
heit einher, wenn Menschen Ziele haben und sie hin und wieder Abbruch. Beliebtheit, aber auch Zurückweisung im Miteinan-
auch erreichen (Diener 1984). der sind häufige Themen. Von einem impliziten Motiv würde
Ziele im Konsumbereich sind etwa Sparziele wie Haus, Ur- man nur dann sprechen, wenn diese Inhalte von Emotionen
laub und Auto oder in der Ernährung Schlankheit, Gesundheit begleitet werden. Wer anschlussmotiviert ist, erzählt nicht nur
und Fitness. In einem weiteren Sinne sind natürlich auch die davon, dass eine Beziehung in Brüche gegangen ist, er bedauert
meisten anderen Ziele von Menschen konsumrelevant: Heirat, das auch.
Familie, Ausbildung oder Karriere gehen meist mit typischen Die Beobachtung solcher Verhaltensweisen – an anderen wie
Konsumentscheidungen einher – und werden in Werbung und auch an sich selbst – kann ein erster Schritt zur Synchronisierung
Marketing auch durchaus angesprochen. von Motiven und Zielen sein. Ein anderer Schritt kann darin be-
Nun haben die obigen Ausführungen deutlich gemacht: stehen, Zielzustände zu imaginieren – sich also zum Beispiel vor-
Menschen wählen durchaus auch Ziele, die nicht zu ihren Mo- zustellen, wie man bei einem Computerspiel den Erstplatzierten
tiven passen, und deshalb machen uns nicht alle Ziele in der entthront (Schulteiß und Brunstein 1999). „Die Vorstellung der
Verfolgung bereits Spaß oder stellen uns zufrieden, wenn wir Verwirklichung eines Zieles übersetzt Anreize in die Sprache von
sie erreicht haben. Motivation und Zufriedenheit sind deutlich Motiven und kann auf diese Weise dafür sorgen, dass die Aus-
höher, wenn persönliche Ziele auf die Motive abgestimmt sind wahl und die Verfolgung von Zielen mit der Motivstruktur einer
bzw. wenn implizite und explizite Motive übereinstimmen (z. B. Person abgestimmt wird und so besser gelingt“ (Puca und Lan-
Hofer und Chasiotis 2003; zusammenfassend vgl. Puca und Lan- gens 2002, S. 258). Die bildliche Vorstellung von der Erreichung
gens 2002; Rothermund und Eder 2011, S. 161 ff). Dies ist sicher eines Ziels gibt meist schon einen deutlichen Hinweis darauf, ob
einer von mehreren Gründen, warum auch im Konsumbereich dieses Ziel zu den Motiven passt oder nicht. Im optimalen Fall
„Wünschen“ und „Mögen“ häufig auseinanderklaffen, warum wir lässt einen schon die bloße Vorstellung nicht kalt und geht mit
also manchmal bewusst Dinge anstreben, die uns nicht zufrie- positiven Emotionen einher.
denstellen, wenn wir sie haben (vgl. auch Schwartz 2006; mehr Allerdings wird man im Konsumbereich besonders häufig
zum (Miss-)Verhältnis von „Wünschen“ und „Mögen“ in ▶ Ab- Ziele antreffen, die an sich bereits nicht geeignet sind, das Wohl-
schnitt 12.2; hirnphysiologische Korrelate dieser Unterscheidung befinden zu steigern: Materialistische Ziele gehen generell mit
berichtet z. B. Berridge 2009). geringerer Lebenszufriedenheit, höherer Depressivität und ge-
ringerem sozialen Ansehen einher (z. B. Bak 2011; Belk 1985;
Burroughs und Rindfleisch 2002; Boven et al. 2010). Menschen,
5.4.2 Die „kluge“ Wahl von Zielen die materialistische Ziele verfolgen, richten einen Großteil ihres
Verhaltens auf das Erwerben von Gütern aus, erwarten, mit dem
Ziele können allem Anschein nach auch schlecht gewählt sein. Besitz auch ihr Wohlbefinden zu steigern, und sehen die Menge
Menschen wählen zum Beispiel Produkte, Berufsausbildungen an Besitz als ein Kriterium für den Erfolg im Leben an (Richins
oder Aufgaben auf der Grundlage von naiven Theorien (z. B. „Ein und Dawson 1992). Nicht nur für die eigene Befindlichkeit, son-
106 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

Exkurs 5.3  Wie man sein Geld ausgeben sollte, damit man damit glücklich wird  |       | 
1
Wovon unsere Zufriedenheit tatsächlich dann doch als Niete entpuppt, kaputt geht ren eines Durchgangszimmers oder der

2 abhängt, ist im allgemeinen Verständnis


erstaunlich wenig bekannt. Die Tatsache, dass
oder Ihnen nicht gefällt. Aber tatsächlich
überschätzen wir diese Risiken meist –
lange Weg zur Arbeit. Zudem aber stellen
sich Menschen häufig ein zukünftiges
materialistische Werthaltungen so verbreitet nicht nur, weil die Produkte vielleicht Ereignis völlig isoliert vor – so als wäre
3 sind, ist ein Beispiel hierfür. Die folgenden acht
Ratschläge von Dunn et al. (2011) beruhen auf
tatsächlich meist keine Nieten sind, son-
dern auch, weil wir Produkte völlig anders
Ihre zukünftige Zufriedenheit die unge-
trübte Freude des stolzen Hausbesitzers.
gut gesicherten Erkenntnissen über unsere Zu- ▶
erleben, sobald sie uns gehören (  Ab- Tatsächlich hängt aber Ihre zukünftige
4 friedenheit. Wenn Sie Ihre Konsumziele daran
ausrichten, könnte es sogar sein, dass Ihr Geld
schnitt 12.4.1). Aufpreise für verlängerte
Garantie- und Rückgabefristen sind daher
Befindlichkeit wie schon Ihre gegenwär-
tige an den vielen kleinen Freuden und
Sie wirklich ein wenig glücklicher macht. fast immer eine schlechte Investition. Ärgernissen des Alltags: Erfolg auf der
5 a) Geben Sie Ihr Geld eher für Erfahrungen e) Zahlen Sie lieber vor dem Konsum als Arbeit, dem schlechten Abschneiden Ihrer
und Erlebnisse aus, nicht für Gegenstände. umgekehrt. Zum einen ist die Regel „Kon- Lieblingsmannschaft, dem Lächeln Ihres
Unser Wohlbefinden wird mehr von sumiere jetzt, zahle später“ schon im Sinne Babys und so weiter. Das Haus spielt darin
6 Dingen gesteigert, die wir erleben, als von der Selbstregulierung und im Hinblick auf dann eine kleinere Rolle, als Sie sich das
Dingen, die wir besitzen. Zwar sind nicht andere Ziele schlecht. Sie ist erfahrungs- vorher ausmalen.
alle Erlebnisse gleich schön (Musikhören gemäß ein Risikofaktor auf dem Weg g) Seien Sie mit Vergleichen zurückhaltend.
7 oder Sex schneiden normalerweise besser zum Schuldenmachen. Aber noch bevor Das Internet erlaubt uns zwar, bei unseren
ab als z. B. Zugfahren), aber wenn es um exzessive Schulden die Zufriedenheit be- Einkäufen alle möglichen Vergleiche zwi-
Wohlbefinden geht, fällt die genaue Ak- einträchtigen, haben Sie mit dieser Regel schen ähnlichen Optionen zu ziehen. Tat-
8 tivität kaum noch ins Gewicht: Erlebnisse noch einen anderen „Preis“ gezahlt: Sie sächlich aber macht es Menschen nicht zu-
machen generell glücklicher als Besitz. haben sich um die „Vorfreude“ gebracht, friedener, wenn sie ihre Entscheidung vor

9 b) Geben Sie Geld für andere aus, nicht für


sich selbst. Anderen zu helfen, hebt den
eine der preiswertesten Formen, sein
Wohlbefinden zu steigern. Motivierend
allem von den Unterschieden zwischen ih-
ren Wahlmöglichkeiten abhängig machen.
Selbstwert und hat zudem eine stim- ▶
ist – wie oben betont (  Abschnitt 5.3.2) Zum einen haben Menschen die typische

10 mungsaufhellende Wirkung (z. B. Cialdini


et al. 1973), und auch in der Erinnerung
– die Vorwegnahme der künftigen Gefühle,
die Affektantizipation oder Belohnungs-
Neigung, solche Unterschiede zu beachten,
die besonders groß erscheinen – relativ
gehen Geldausgaben zum Nutzen anderer erwartung. Und in Punkt 3 habe ich schon unabhängig davon, ob diese Unterschiede
11 mit positiveren Emotionen einher als
Ausgaben zum eigenen Nutzen.
betont: An positive Dinge werden Sie
sich schnell gewöhnen. Daher ist die
überhaupt relevant sind. Zum anderen sind
die Vergleichsoptionen zwar im Moment
c) Gönnen Sie sich lieber mehrere kleine Freude über Ereignisse, die noch in der der Wahl noch ein Maßstab. Sobald die
12 Dinge als wenige große. Menschen
gewöhnen sich schnell an veränderte
Zukunft liegen, größer als über dieselben
Ereignisse in der Erinnerung. Übrigens sind
Wahl aber getroffen ist, verschwinden sie
und werden normalerweise vergessen.
Lebensumstände, und diese Anpassung ist Menschen, denen es eher leicht fällt, an- h) Schauen Sie, was andere glücklich macht,
13 sogar besonders schnell, je radikaler die genehme Dinge oder Erlebnisse noch eine und machen Sie das auch. Viele Konsu-

Veränderungen sind (  Abschnitt 12.2). Weile herauszuschieben und nicht sofort menten haben zwar eine Abneigung
Allein deshalb hält die Freude über kleine zu konsumieren, auch insgesamt erfolgrei- dagegen, das nachzumachen, was andere
14 Anschaffungen im Vergleich zu großen cher im Leben (z. B. Shoda et al. 1990). ▶
tun (  Abschnitt 10.1.3), tatsächlich ist
unverhältnismäßig viel länger an. Außer- f ) Bedenken Sie die Dinge, die Sie im Vorhi- aber die Erfahrung anderer für uns in der
dem steigt die Freude über Zugewinne nein vielleicht nicht so leicht bemerken. Regel die beste Entscheidungsgrundlage:
15 bei kleinen Gewinnen noch relativ steil an, Zufriedenheit hängt oft mehr an kleinen Wer in seinen Entscheidungen dem folgt,

bei großen dagegen nur noch flach (  Ab- Dingen als am großen Ganzen. Wenn Sie womit andere bereits gute Erfahrungen
schnitt 8.3.3). Auch aus diesem Grund wird sich zum Beispiel ein Haus kaufen, wird Ihr gemacht haben, trifft für sich bessere Ent-
16 man sich mit vielen kleinen Dingen mehr Wohlbefinden im Alltag von vielen kleinen scheidungen, als derjenige, der über seine
nützen als mit wenigen großen. Details abhängen, an die Sie jetzt noch Optionen reines Faktenwissen einholt (z. B.

17 d) Investieren Sie nicht allzu viel in Garantien.
Es mag im Vorhinein eine schreckliche
nicht denken. Dies sind zum einen kleine,
scheinbar nebensächliche Merkmale des
Gilbert et al. 2009;  Abschnitt 12.2.1).

Vorstellung sein, dass sich ein Produkt Objekts selbst, z. B. das alltägliche Passie-

18
dern auch für die Umwelt und die sozialen Beziehungen sind Lebenserwartung, besserer körperlicher und seelischer Gesund-
19 materialistische Zielorientierungen schlecht: Menschen, die dem heit, stärkeren Gefühlen der Kontrolle über das eigene Leben
Geld einen hohen Stellenwert geben, haben tendenziell schlech- oder besserem Schutz vor den Folgen unvorhergesehener Ereig-
20 tere Sozialbeziehungen als Menschen, die Geld nicht so wichtig nisse (zusammenfassend Vohs et al. 2008). Wenn also auch das
nehmen (z. B. Kasser und Ryan 1993). Mehr noch: Der bloße Streben nach Geld und Gütern meist eher negative Folgen hat,
Gedanke an Geld dämpft bereits die Neigung zu prosozialem kann man gleichwohl seine Güter sinnvoll einsetzen. Daher re-
21 Verhalten (Vohs et al. 2008). Eine materialistische Wertorientie- sümieren Vohs et al., (2008, S. 208): „wanting money seems to
rung kann somit für die eigene Befindlichkeit wie für die soziale make life worse, but having money makes life better.“
22 Umwelt regelrecht als Risikofaktor gelten – insofern könnte man Zu einem ähnlichen Schluss kommen Dunn et  al. (2011,
generell sagen: Materialistische Ziele sind auf jeden Fall unklug S. 115) in ihrer Arbeit unter dem Titel: „If money doesn’t make
gewählt. you happy, then you probably aren’t spending it right.“ Sie ge-
23 Andererseits machen Konsumziele nicht per se unzufrieden. ben acht Empfehlungen, wie man Konsumziele wählen sollte,
Im Großen und Ganzen sind Menschen mit Geld schon besser um damit seinem eigenen Wohlbefinden einen guten Dienst zu
dran als ohne. Finanzieller Wohlstand geht einher mit höherer erweisen (▶ Exkurs 5.3).
5.5  •  Verhaltensregulation und Selbstkontrolle
107 5
5.5 Verhaltensregulation Exkurs 5.4  9 Uhr 30 in Deutschland  |       | 
und Selbstkontrolle
Die Intention zur konkreten Umsetzung einer Absicht bildet sich
vor allem dann aus, wenn die Werbung die Situation so genau
Im optimalen Fall sind unsere Ziele so gewählt, dass sie uns
wie möglich vorwegnimmt, in der das Verhalten gezeigt werden
schon bei der Verfolgung Spaß machen und uns das Erreichen sollte. Eine solche Strategie wird genutzt, wenn man zeigt, was die
befriedigt. In vielen Fällen allerdings gilt das nicht, auch nicht im Konsumenten auf der Arbeit, Zuhause oder wo auch immer essen
Konsumbereich. Die meisten Menschen tun sich zum Beispiel sollten, sobald die Uhr 9.30 zeigt. Ein entsprechender Spot empfahl
relativ schwer damit, eine Diät einzuhalten – und aus eigener ▶
Knoppers für das zweite Frühstück (z. B.  http://www.youtube.com/
watch?v=3X_oGEvldjY&feature=related, Abruf 28.11.2014).
Erfahrung kann ich ergänzen: Auch solche im Grunde klugen
Mit dieser Kommunikation wird nicht nur durch das Modellverhalten
und nutzenmaximierenden Konsumziele wie der Wechsel des Te- eine subjektive Norm beeinflusst. Es werden auch die Randbedin-
lefonanbieters sind nicht wirklich ein Quell dauerhafter Freude, gungen benannt, unter denen das Verhalten gezeigt werden sollte.
eher sind sie lästig, und ihre Erledigung wird hinausgeschoben. Im optimalen Fall würde sich die Werbung so einprägen, dass die
Diese Beispiele führen uns zu der Frage, wie wir unsere Ziele Konsumenten bei dem entsprechenden Hinweisreiz, in dem Fall also
die Uhrzeit 9.30, denken: „Da war doch was …“
auch gegen Widerstände beibehalten und erreichen – insbeson-
dere wenn diese Widerstände in uns selbst liegen, weil das Ziel
nicht zu unseren Motiven passt oder weil andere Impulse dem
Ziel entgegenstehen. Wechsel des Verkehrsmittels. Die Absicht war nur für Personen
mit schwachen Gewohnheiten prädiktiv. Bei einer starken Ge-
wohnheit dagegen war das Verhalten aus der Vergangenheit der
5.5.1 Das Umsetzen einer Absicht beste Prädiktor für das zukünftige Verhalten (vgl. auch Ouellette
und Wood 1998).
Bleiben wir bei dem Beispiel Wechsel des Telefon- bzw. Mobil- Routinen werden allem Anschein nach ganz automatisch
funkanbieters. Die Zielsetzungstheorie sagt bereits, dass das Ziel durch die Umweltreize ausgelöst, ohne dass sich neue Ziele und
möglichst konkret und spezifisch formuliert werden sollte (▶ Ab- Absichten dazwischenschalten können. Hier setzt die Bildung
schnitt 5.4). Und nicht nur das: Auch den Weg zum Ziel sollte man von implementation intentions an: Die mentale Simulation spezi-
gedanklich vorwegnehmen und sich möglichst genau ausmalen fiziert Umgebungsfaktoren, die in einer bestimmten Situation als
(Taylor und Pham 1996). Besonders wirksam ist es, wenn ich eine Hinweisreize fungieren und das Verhalten auslösen. Da ich weiß,
Liste von nötigen Schritten anfertige, zum Beispiel: „Wenn ich am was alles zur Heimwegroutine gehört, kann ich meine Intention
Montag in mein Arbeitszimmer gehe, nehme ich den Ordner mit daran knüpfen, indem ich mir zum Beispiel sage: „Wenn du die-
meinen Vertragsunterlagen und finde heraus, wann ich meinen ses Straßenschild siehst, biege links ab.“ Es zeigt sich über viele
aktuellen Vertrag kündigen kann. Dann hole ich Konkurrenzan- Untersuchungen, dass Personen erheblich häufiger eine Absicht
gebote ein, fordere deren Vertragsunterlagen an. Danach setze ich in die Tat umsetzen, wenn sie in dieser Weise implementation
das Kündigungsschreiben auf und so weiter.“ intentions ausbilden (Gollwitzer und Sheeran 2006).
Wenn diese Schritte ausformuliert werden, wird aus der gro- Für die Werbepsychologie zeigen die Erkenntnisse zu imple-
ben Verhaltensabsicht die Absicht zur Umsetzung; Gollwitzer mentation intentions eine interessante Option der Verhaltensbe-
und Sheeran (2006) sprechen von einer „implementation inten- einflussung auf: Werbung dürfte dann besonders erfolgreich sein,
tion“, deren entscheidendes Merkmal nicht allein die Konkretheit wenn sie dem Konsumenten anzeigt: Tritt Situation X ein, dann
der Schritte ist, sondern auch, dass darin ein Zeitpunkt und eine tue Y. Spots zur AIDS-Prophylaxe haben dies versucht, indem sie
Situation beschrieben werden, die das gewünschte Verhalten zeigen, wann es angemessen ist, das Thema „Safer Sex“ anzuspre-
auslösen. Damit soll das Problem umgangen werden, das nor- chen, oder wie man Kondome kauft oder benutzt.
malerweise der Umsetzung guter Absichten im Wege steht: Man Kardes et al. (2005) händigten ihren Probanden Produktpro-
hat zu dieser Absicht noch keinen Automatismus, und wenn die ben für Haushaltsreiniger aus. In einer Kontrollgruppe wurde
passende Situation kommt, schwenkt man zunächst allzu oft in einfach gefragt, ob die Probanden bereit seien, die Proben zu nut-
das Verhalten zurück, das man normalerweise zeigt. Wenn ich zen. In der Experimentalgruppe wurden zusätzlich Zeiten, Ge-
mir morgens vornehme, auf dem Rückweg von der Arbeit Milch legenheiten und konkrete Anwendungen erfragt. Zwei Wochen
zu kaufen, dann stehen dieser Absicht eben hunderte Nachhau- später hatten Probanden in der Experimentalgruppe die Proben
sewege entgegen, die zu einem Automatismus geführt haben, der häufiger und vielfältiger genutzt als in der Kontrollgruppe.
nach Feierabend abläuft – natürlich ohne Milch. Für die Ausbildung von implementation intentions müssen
Mein Ziel hätte deutlich bessere Chancen, wenn das Verhal- Situationen beschrieben werden, die hinreichend starke Signal-
ten, das beeinflusst werden soll, nicht routiniert wäre. Auf einem wirkung haben, um das Verhalten auszulösen. Diese Auslöse-
neuen unbekannten Weg könnte mir so gesehen die Milch sehr situationen sind normalerweise für jeden Einzelnen spezifisch.
viel eher einfallen als auf dem Nachhauseweg von der Arbeit. Dies ist in der Werbung und Massenkommunikation sicherlich
Dies zeigt auch eine Studie von Verplanken et al. (1998). Die schwieriger als im direkten Kontakt wie bei Kardes et al. (2005).
Autoren untersuchten die Bereitschaft, alternative Verkehrsmit- Klar erkennbar sind Situationsinformationen wie etwa eine Uhr-
tel zur Arbeit zu verwenden. Zur Vorhersage des tatsächlichen zeit (▶ Exkurs 5.4) oder vielleicht auch ein bestimmtes Display-
Verhaltens nutzten sie sowohl das Verhalten aus der Vergangen- material am Point of Sale, das an die Absicht erinnern soll, das
heit – als Maß für die Gewohnheiten – als auch die Absicht zum Produkt zu kaufen. Mit diesen zugegebenermaßen bescheidenen
108 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

Mitteln kann Werbung in der Tat versuchen, implementation in- und Versuchungen widerstehen. Ob dies gelingt, hängt von einer
1 tentions zu formen. ganzen Reihe von Faktoren ab.
Die Wenn-dann-Form einer implementation intention ist frei- Eine der wichtigsten Bedingungen erfolgreicher Selbstkon-
2 lich für die übliche Werbeform sehr spröde und betont zudem trolle kennen wir alle unter der Formulierung: „… führe uns
stark die Beeinflussungsabsicht der Werbung – was ihrer Wir- nicht in Versuchung.“ Die effektivste Selbstkontrolle gelingt uns
kung meist eher abträglich ist. Dieses Problem umgehen Fennis in Situationen, in denen wir von vornherein gar keine Selbst-
3 et al. (2011), indem sie die Schritte bei der Umsetzung zu einem kontrolle brauchen, also indem wir Versuchungen nicht wider-
nachhaltigen Konsum in Geschichtenform präsentieren (▶ Ab- stehen, sondern ihnen aus dem Weg gehen. Wertenbroch (1998)
4 schnitt 15.2.4). zeigt dies für den Konsumbereich, indem er zunächst zwischen
Die Wirksamkeit von implementation intentions (Gollwitzer „Tugend“- und „Lasterprodukten“ unterscheidet. Bei letzteren
5 und Sheeran 2006) lehrt uns zwei wichtige Dinge: ist Selbstkontrolle angebracht. Beispiele hierfür sind natürlich
1. Für die Umsetzung einer Absicht in Verhalten ist von ent- vor allem Zigaretten, aber – je nach individueller Bewertung –
scheidender Bedeutung, dass man zum richtigen Zeitpunkt auch Kartoffelchips, Schokolade, fetter Käse, Bier, Limonaden
6 (an) das Richtige denkt. und Cola oder Eiscreme. Man kann zeigen, dass Konsumenten
2. Dies kann durch dadurch gewährleistet werden, dass in der bestimmte Verhaltensmuster einsetzen, um einen übermäßigen
7 aktuellen Situation die richtigen Informationen verfügbar Konsum zu verhindern. Raucher beispielsweise kaufen Zigaret-
sind. ten in aller Regel Packung für Packung – selbst wenn Großpa-
ckungen günstiger wären. Überhaupt verkaufen sich Rabatte für
8 Die Situationsinformation löst also quasi das Verhalten aus. Dies Großpackungen für Lasterprodukte schlechter als für Tugend-
ist ein weiterer Punkt, der die implementation intentions aus wer- produkte. Konsumenten rationieren lieber die Menge beim Ein-
9 bepsychologischer Sicht so interessant macht: Ihre Wirksamkeit kauf, um den späteren Konsum zu kontrollieren. In gewissem
ist ein Beleg dafür, dass man durch die bloße Vergabe von Infor- Sinne kann man den teuren Preis beim Einkauf als eine Investi-
10 mationen Verhalten auslösen kann. Wie der Knoten im Taschen- tion in die Selbstkontrolle ansehen. Auf jeden Fall ist die Gruppe
tuch soll die Situationsbeschreibung die bewusste Erinnerung der Lasterprodukte deutlich weniger preissensibel als andere Pro-
überflüssig machen und durch eine automatische ersetzen. Wie duktkategorien (Wertenbroch 1998; siehe auch ▶ Exkurs 20.6).
11 effektiv solche Automatismen tatsächlich sind, wird ▶ Kap. 6 Aktive Gestaltung der Umwelt ist wohl die wichtigste Be-
zeigen. dingung erfolgreicher Selbstkontrolle. Andere Voraussetzun-
12 Allerdings ist es nicht der Knoten im Taschentuch allein. Die gen beruhen etwa auf den oben genannten Strategien einer
mentale Vorwegnahme der Handlung muss hinzukommen, da- erfolgreichen Zielverfolgung, aber auch auf unseren stabilen
mit die Absicht verwirklicht wird. Dies zeigen Prestwich et al. Personmerkmalen, unseren Einstellungen, der Situation und so
13 (2009) in einem Experiment zum Gesundheitsverhalten. Sie weiter (Hofmann et al. 2012). Im Folgenden diskutiere ich die
prüften, ob regelmäßige SMS, die ihre Probanden an ihre Absich- verbreitete Modellvorstellung von Baumeister (z. B. 2002) zur
14 ten zu mehr Sport erinnerten, die körperliche Betätigung steigern Selbstkontrolle, der vor allem drei Faktoren für eine erfolgreiche
können. Dies war zwar tatsächlich der Fall, es galt aber nur für Selbstkontrolle verantwortlich macht:
15 Probanden, die auch gleichzeitig implementation intentions aus- 1. Ziele und Standards,
gebildet hatten. Die bloße Erinnerung an eine gute Absicht bringt 2. Überwachung und
also noch wenig – diese Umsetzung dieser Absicht muss auch 3. die Kräfte des Individuums.
16 mental simuliert worden sein.
Ziele und Standards
17 Ihre Selbstkontrolle funktioniert nicht, wenn Sie dafür gar kein
5.5.2 Versuchungen widerstehen Ziel haben. Sie müssen sozusagen wissen, warum Sie sich über-
haupt kontrollieren sollen. Solche Ziele können weit gesteckte Vi-
18 Im Grunde ist der Alltag voll von kleinen und großen „Versu- sionen sein, etwa das Idealgewicht bei der Ernährung oder eine
chungen“, die uns in der Zielverfolgung stören (Hofmann et al. bestimmte Qualifikation in Ausbildung oder Beruf. Aber auch
19 2012). Stellen Sie sich vor, Sie wollen dieses Buch hier aufmerksam sehr simple Orientierungspunkte erleichtern die Selbstkontrolle:
durchlesen, und gleichzeitig juckt Sie eine Naht in Ihrem Pullover. So kann eine Einkaufsliste bereits dabei helfen, dass Sie nicht mehr
20 Sie könnten die Lektüre unterbrechen und schnell etwas anderes so viele ungeplante Einkäufe mit nach Hause bringen, wie wenn
anziehen, aber vielleicht meinen Sie auch, die Störung ertragen Sie einfach nur – ohne ein bestimmtes Ziel – „bummeln gehen“.
zu müssen – vielleicht, weil Sie im Moment nichts zum Wechseln Die Bedeutung der Ziele wird auch vom allgemeinen Wohl-
21 haben, vielleicht weil Ihnen die Lektüre für den Moment wichti- befinden bestimmt: Wenn es uns schlecht geht, wir beispielsweise
ger ist. Dies wäre ein Beispiel für eine im Grunde triviale Störung Schmerzen haben oder starke unangenehme Emotionen erle-
22 Ihrer Ziele, von denen Sie vermutlich hundert andere zusätzlich ben, kann dieser Zustand unsere Ziele verdrängen. Dann geht
benennen könnten (z. B. die SMS, die offensichtlich gerade he- es uns erst einmal darum, wieder einen ausgeglichenen Zustand
reingekommen ist, während Sie lesen, oder der Gedanke, dass zu erreichen. Dies führt zu einem Versagen der Selbstkontrolle.
23 vielleicht jetzt ein Cappuccino nicht schlecht wäre …). Personen geben unter emotionalem Stress ihren Impulsen deut-
Mit anderen Worten: Im Grunde üben wir im Alltag sehr lich mehr nach als in einem ausgeglichenen Zustand. Zum einen
häufig Verhaltenskontrolle aus, müssen Impulse unterdrücken ist hierfür sicherlich verantwortlich, dass durch den Stress das
5.5  •  Verhaltensregulation und Selbstkontrolle
109 5

Ziel der Verhaltensregulation aus dem Blick geraten ist. Ein an- den enormen Vorteil, dass damit die Verhaltensüberwachung und
derer Grund ist, dass viele Menschen impulsives Verhalten zur infolgedessen auch die Selbstkontrolle einfacher ist.
Stimmungsregulation einsetzen, das heißt mindestens manchen
Impulsen deshalb nachgeben, weil sie davon ausgehen, dass es Kräfte und Energie des Individuums
ihnen dadurch besser geht. Auf das Konsumverhalten bezogen Zum Dritten: Selbstkontrolle braucht Energie. Menschen können
bedeutet das, dass manche Konsumhandlungen instrumentell sich umso schlechter kontrollieren, je erschöpfter sie sind. Das
zur Stimmungsregulation eingesetzt werden: Man kauft oder bedeutet auch: Unsere Selbstkontrolle wird immer schwächer, je
konsumiert, um sich dadurch besser zu fühlen (▶ Abschnitt 5.2). länger wir sie schon beanspruchen. Diesem Punkt hat Baumeister
Diese instrumentelle Funktion des impulsiven Verhaltens be- (2002) einen Großteil seiner Untersuchungen gewidmet. Dass
legen Tice et al. (2001) in einer originellen Versuchsanordnung: Selbstkontrolle sozusagen ausgeschöpft werden kann, ist ja auch
Probanden wurden in eine schlechte Stimmung versetzt. In der keineswegs trivial. Immerhin kann man sich auch vorstellen,
Folge sollten sie (angeblich als Produkttest) Snacks verkosten – unsere Selbstkontrolle funktioniere so ähnlich wie ein geistiges
solche, die gut schmecken, aber dick machen. Natürlich aßen die „Programm“, das besser läuft, sobald man es einmal „geladen“
Probanden in schlechter Stimmung mehr als in einer Kontroll- hat. Manche kognitiven Aufgaben funktionieren so, beispiels-
bedingung mit neutraler Stimmung. In einer zusätzlichen Bedin- weise das Erzählen von Witzen oder das Finden von Reimwör-
gung setzten Tice et al. (2001) die sogenannte „mood freezing tern. Die Einfälle kommen schneller, nachdem kein „Kaltstart“
procedure“ ein: Einem Teil der Probanden wurde gesagt, dass sie mehr gefordert ist. Selbstkontrolle könnte doch auch so funktio-
ihre Stimmung durch Essen nicht verändern könnten. Diese Pro- nieren – sobald Sie einmal in einem „Kontrollmodus“ drin sind,
banden aßen in der Folge nicht mehr als die Kontrollpersonen. fällt es Ihnen immer leichter, sich im Griff zu halten und unbeirrt
Das Essen machte also für sie subjektiv nur Sinn als Regulierung Ihre Ziele zu verfolgen.
des emotionalen Zustands. Wenn das richtig wäre, dann müssten Menschen in einer
Dieses Verfahren nutzten Baumeister und Mitarbeiter in Aufgabe, die von ihnen Selbstbeherrschung verlangt, besser sein,
mehreren Experimenten: Sie instruierten ihre Probanden, dass wenn sie zuvor bereits eine andere Aufgabe gelöst haben, für die
ihre emotionalen Zustände „eingefroren“ seien und dass sie kurz- sie ebenfalls Selbstkontrolle brauchten. Baumeister (z. B. 2002)
fristig nichts unternehmen könnten, um sie zu verändern. Diese hat dies in einer ganzen Reihe von Experimenten geprüft. Stellen
Manipulation führte dazu, dass die Personen keine unmittelbare Sie sich vor, Sie sehen einige der lustigsten Szenen aus einem Film
Gratifikation mehr anstrebten und auch nicht mehr ihren Är- wie etwa Shrek, dürfen dabei aber nicht lachen. Danach sollen
ger an einer anderen Person ausließen (zusammenfassend vgl. Sie eine Geschicklichkeitsaufgabe lösen, die viel Konzentration
Baumeister 2002, S. 672). Die Befunde belegen, dass die Ziele und vor allem Ausdauer verlangt. Wie lange werden Sie bei die-
von Menschen unter emotionalem Stress von dem Ziel ersetzt ser Aufgabe am Ball bleiben? Hat Sie das Unterdrücken Ihrer
werden, sich wieder besser zu fühlen. „Unbeherrschtes“ Verhal- Emotionen aus der ersten Aufgabe nun besonders gut auf die
ten wird nur dann gezeigt, wenn die Personen sich davon eine Folgeaufgabe eingestimmt oder eher erschöpft?
Verbesserung des Wohlbefindens versprechen! Ohne diesen ins- In solchen Aufgaben kann man sehr gut sehen, dass an der
trumentellen Effekt können die Probanden offenbar genauso gut Idee, Selbstkontrolle funktioniere wie ein geistiges „Programm“,
ihre Selbstkontrollziele beibehalten. allem Anschein nach nicht viel dran ist. Im Gegenteil: Je mehr
Ihre Selbstkontrolle bereits beansprucht wurde, desto schlechter
Verhaltensüberwachung werden Sie in Folgeaufgaben, die ebenfalls Selbstbeherrschung
Selbstkontrolle braucht Überwachung. Sie müssen sehen, wo Sie verlangen. Baumeister schlägt daher eine andere Metapher vor
gerade stehen und wie weit Ihre Ziele erreicht wurden oder gefähr- (z. B. Muraven und Baumeister 2000): Unsere Selbstkontrolle
det sind. Überwachung kann in einer genauen Buchführung dar- funktioniert wie ein Muskel. Bei Beanspruchung ermüdet sie
über bestehen, was Sie bereits geleistet haben oder bis zu welchem auf kurze Sicht, auf lange Sicht wird sie trainiert.
Grade Sie sich noch „kontrollieren“ müssen. Aber der Nutzen der Für das Konsumverhalten bedeutet dies, dass etwa impul-
Überwachung zeigt sich auch in ganz einfachen, deutlich weniger sive (und stimmungsregulierende) Einkäufe wahrscheinlicher
aufwendigen Dingen: Wer zum Beispiel beim Naschen das Ein- werden, wenn Personen erschöpft sind, dass also zum Beispiel
wickelpapier für die Schokoriegel auf dem Tisch liegen lässt, weiß gegen Abend mehr ungeplant gekauft werden sollte (Baumeis-
die ganze Zeit über, wie viel er schon gegessen hat. Für denjenigen ter 2002, S. 673). Tatsächlich können Vohs und Faber (2007) in
ist die Überwachung leichter und, er isst auch tatsächlich weniger einer Reihe von Experimenten zeigen, dass Konsumenten einen
als ein anderer, der jede Verpackung sofort entsorgt hat (Polivy umso stärkeren Wunsch verspürten, etwas zu kaufen und – vor
et al. 1986). Vielleicht kennen Sie auch das Problem, dass Sie an allem in einer unerwarteten Kaufsituation – umso mehr Geld
einem Abend nicht so viel trinken wollen, doch der fürsorgliche ausgeben würden, je stärker ihre Selbstkotrollressourcen bereits
Gastgeber schenkt Ihnen immer ins halbvolle Glas nach. So nett aufgebraucht waren.
diese Geste ist, sie untergräbt die Überwachung, denn so verlieren In Experimenten zur Selbstkontrolle wird gerne die Aufgabe
Sie völlig aus dem Auge, wie viel Sie getrunken haben und was von oben eingesetzt, bei der stark emotionale Filmszenen ge-
Sie sich noch erlauben möchten. Konsumenten geben auch mehr zeigt werden, lustig oder traurig, und die Probanden dabei ihre
ungeplant aus, wenn sie nicht sehen, wie das Geld immer weni- Emotionen unterdrücken müssen (z. B. Hofmann et al. 2007).
ger wird, etwa beim Zahlen mit Karte oder beim Interneteinkauf Offenbar erschöpft man Probanden damit besonders schnell und
(z. B. Prelec und Simester 2001). In der Tat: Das Barzahlen hat besonders nachhaltig. In der Folge fällt ihnen dementsprechend
110 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

die Kontrolle deutlich schwerer. Sie essen beispielsweise mehr Verhaltenstendenzen dargestellt, das mit einem gewissen Auf-
1 süße Sachen oder kaufen eher etwas Ungeplantes ein, sie brin- wand verbunden ist. In dem Modell von Baumeister (2002)
gen schlechtere Leistungen in schwierigen Aufgaben oder sind in werden Strategien der Verhaltenskontrolle nur über einen län-
2 anderer Hinsicht unbeherrscht. Allem Anschein nach ist es also geren Zeitraum so automatisiert, dass sie quasi Teil des „Auto-
besonders anstrengend, Emotionen zu kontrollieren. piloten“ werden. Anfangs jedoch beanspruchen sie körperliche
Wenn es uns so sehr auslaugen kann, unsere Emotionen zu und mentale Ressourcen. Dies scheint aber nur eine Facette
3 unterdrücken, sollte man ihnen dann nicht besser freien Lauf las- der Selbstregulation zu sein. Koranyi und Rothermund (2011)
sen? Die Antwortet lautet Nein, denn Aggressionen werden durch zeigen in einer originellen Versuchsanordnung, dass sich das
4 das Ausleben nicht etwa geringer, sondern steigen vielmehr (für automatische Verhalten sehr schnell und nicht erst nach länge-
einen Überblick vgl. z. B. Aronson et al. 2004, S. 464 ff). Auch das rer Übung in den Dienst bewusst gefasster Ziele stellt. Hierzu
5 stellvertretende Erleben von Aggressivität, etwa in Filmen oder untersuchten Koranyi und Rothermund (2011) Personen, die
in aggressiven Computerspielen, macht eher noch gewaltbereiter, sich auf der Suche nach einem Partner befanden und hierzu eine
als dass man dadurch wirksam „Dampf ablassen“ könnte (z. B. computergestützte Partnerbörse nutzten. Nach Durchsicht einer
6 Koglin et al. 2009). Ebensowenig schützt das Ausleben von Ärger solchen Partnerbörse bearbeiteten die Probanden am Computer
vor koronaren Herzerkrankungen, die man vielleicht befürchtet, eine Reaktionszeitaufgabe, bei der an unterschiedlichen Stellen
7 wenn man den Ärger in sich hineinfrisst – ganz im Gegenteil, des Bildschirms eine bestimmte geometrische Figur erschien,
das Erkrankungsrisiko steigt durch das Ausleben weiter (Hodapp auf die sie reagieren sollten. Kurz vor der Präsentation der Ziel-
und Schnabel 2003). Dagegen ist das Unterdrücken von Emoti- stimuli erschienen an unsystematischen anderen Stellen Distrak-
8 onen nur für diejenigen Personen schädlich, die glauben, dass torreize. Aus Vorgängerstudien ist bekannt, dass Menschen bei
Emotionskontrolle schädlich ist (Mauss et al. 2006). Der Schaden Aufgaben dieser Art durch die Präsentation attraktiver Gesichter
9 durch unterdrückte Emotionen beruht, wie es scheint, zu einem stärker abgelenkt werden als durch unattraktive (Sui und Liu
großen Teil einfach auf einem Irrglauben. 2009), insbesondere wenn die Distraktoren eine aktuelle Motiv­
10 In einem ähnlichen Sinne werden auch die Annahmen von lage treffen (z. B. attraktive Gesichter des anderen Geschlechts
Baumeister (2002) herausgefordert: Job et al. (2010) zeigen in bei Partnersuche, attraktive Gesichter des eigenen Geschlechts
einer Reihe von Experimenten, dass eine vorherige Beanspru- bei Angst um den Partner bzw. Angst vor potentiellen Rivalen;
11 chung der Selbstkontrolle nur bei solchen Menschen die spätere Maner et al. 2007).
Verhaltenskontrolle untergräbt, die auch daran glauben. Job et al. Koranyi und Rothermund (2011) verglichen den Ablen-
12 (2010) zeigen, dass subjektive Theorien über das Funktionieren kungseffekt für Probanden, die im Rahmen der Partnerbörse
der Selbstkontrolle den Effekt vorheriger Aufgaben auf spätere subjektiv eine Bindung eingegangen waren, mit solchen Pro-
moderieren: Wer gar nicht glaubt, dass er für eine Aufgabe nicht banden, für die eine solche Bindung (noch) nicht bestand und
13 mehr genug Kraft hat, ist darin auch nicht schlechter. Wenn die sich daher noch auf der Suche befanden. Die subjektive Bindung
Experimentatoren ihre Probanden dagegen davon überzeugten, bestand darin, dass die Versuchsperson erfuhr, dass ein Partner,
14 dass sich ihre Leistung in späteren Aufgaben durch das Bewäl- für den sie sich interessierte, seinerseits Interesse rückgemeldet
tigen vorheriger Aufgaben verbessere, zeigte sich in der Tat eine hatte und ein Treffen wünschte. Aus ethischen Gründen wurde
15 Verbesserung. Dieser Effekt blieb nicht auf die unmittelbar fol- diese Rückmeldung nicht manipuliert, sie bestand also aus ech-
gende Aufgabe beschränkt (so dass er durch einen kurzfristigen ten wechselseitigen Interessensbekundungen. Nachdem die
Motivationsschub und die Mobilisierung der allerletzten Selbst- Probanden erfahren hatten, dass es einen interessierten Partner
16 kontrollreserven erklärbar wäre). Er blieb vielmehr auf für noch gibt, zeigten sie den üblichen Ablenkungseffekt durch attraktive
später folgende Aufgaben erhalten. Gesichter des anderen Geschlechts nicht mehr. Koranyi und
17 Job et al. (2010) bestreiten in ihrer Argumentation nicht, dass Rothermund (2011) interpretieren dies als eine automatische
Erschöpfung, vor allem physische Erschöpfung, sicher zu schlech- Aufmerksamkeitsregulierung im Dienste des eigenen Ziels.
terer Leistung führt. Sie betonen allerdings, dass die Selbstkont- Sobald eine Bindung an einen Partner besteht, untergräbt eine
18 rollressourcen deutlich weniger begrenzt sind als allgemein an- hohe Aufmerksamkeit gegenüber attraktiven Alternativen diese
genommen und dass nicht so sehr die objektive Beanspruchung Bindung, und das Ziel wird gefährdet. Die Abwertung dieser Al-
19 entscheidend ist für die Fähigkeit, Impulse zu unterdrücken, ternativen ist daher eine Maßnahme, die das Ziel, einen Partner
sondern vielmehr die subjektiven Theorien, die Menschen über zu finden, stützt (vgl. auch Johnson und Rusbult 1989). Koranyi
20 das Funktionieren ihres Verhaltens haben. Die Vorstellung, dass und Rothermund (2011) haben nun gezeigt, dass diese Abwer-
unsere mentalen Kräfte ungefähr so funktionieren wie unsere tung bereits unmittelbar nach der subjektiven Festlegung und auf
physischen, ist eben vor allem einmal naheliegend und verbrei- automatischer Ebene einsetzt.
21 tet – und das mag ein wichtiger Grund dafür sein, dass in vielen Ein weiteres mögliches Ziel von Konsumenten kann darin
Fällen die Vorhersagen von Baumeister und Kollegen eintreffen. bestehen, sich der Beeinflussung durch Werbung zu entziehen
22 bzw. zu Konsumzielen eine kritische Distanz zu wahren (z. B. weil
der Konsum dem Ziel einer Diät widersprechen würde). Daher
5.5.3 Automatische Verhaltensregulation aktiviert Werbung beim Betrachter neben den konsumthemati-
23 schen auch konsumkritische Inhalte. Sauerland et al. (2012) zei-
Mit den bisherigen eher klassischen Ansätzen habe ich die gen dies in einem Priming-Experiment: Probanden sollen nach
Selbstkontrolle als ein bewusstes Eingreifen in automatische der Präsentation von Werbung Wort-Nichtwort-Entscheidun-
5.6  •  Die Involviertheit des Kunden
111 5

gen treffen. Als Prime wurden die in der Werbung präsentier- quasi ein Hebel umgelegt, und je nach Position des Hebels gilt
ten Marken verwendet. Die Reaktionszeiten beschleunigen sich dann diese oder jene Regel. Eine der wichtigsten „Weichen“ im
dabei sowohl für konsumthematische als auch konsumkritische Konsumentenverhalten ist eben das Involvement. Unser Verhal-
Inhalte. Mit anderen Worten: Mercedes aktiviert nicht nur „ele- ten fällt anders aus, je nachdem ob wir hoch oder niedrig invol-
gant“, sondern auch „teuer“. Einem Teil der Probanden wurde die viert sind. Was aber heißt „involviert sein“?
Werbung nur beiläufig präsentiert; in dieser Gruppe zeigte sich Der Begriff des Involvement wird häufig gebraucht, um das
kein Effekt der Präsentation auf die bewusste Wiedererkennungs- Maß an innerer Beteiligung sowie die Tiefe und Qualität der
leistung. Gleichwohl zeigte sich auch hier der Priming-Effekt für Informationsverarbeitung zu beschreiben, mit denen sich der
konsumkritische Inhalte. Allem Anschein nach führt also bereits Kunde einer Werbe- und Kaufsituationen zuwendet (Krugman
die nicht bewusste Reizaufnahme zur automatischen Aktivation 1966; vgl. auch Mühlbacher 1982, S. 188 ff; Kroeber-Riel 1992,
von „Meiden-Zielen“ und bereitet so die Selbstkontrolle gegen- 1993a; Moser 1990; Lloyd und Clancy 1991; Meyer-Hentschel
über der Werbung vor. 1993; Baker 1993, S. 63 ff; Rhodes 1997, S. 193 f). Die Involviert-
Neben den bewussten und aufwendigen Formen der Selbst- heit des Kunden gilt auch als Maß für die kognitive Kontrolle, die
kontrolle gibt es also auch noch andere, eher automatisierte und der Konsument bei seiner Entscheidung ausübt.
unwillkürliche Formen. Die Befunde zeigen zudem, dass auto- Voraussetzungen für ein geringes Involvement sind beispiels-
matische und unbewusste Prozesse nicht notwendig einen Vor-
rang gegenüber der bewussten Verhaltenssteuerung haben müs-
sen, wie es die vorausgegangene Darstellung vermuten lässt: Hier --
weise:
geringes subjektives Kaufrisiko,
geringer Bezug der Konsumhandlung zu persönlichen
hieß es noch, dass die bewusst gefassten Ziele möglichst an die
impliziten Motiven angepasst werden sollten (▶ Abschnitt 5.4.1)
und dass dort, wo das nicht möglich ist, die automatischen Pro- - Werten,
keine Identifikation mit den in Frage stehenden Produkten.

zesse der Verhaltenssteuerung durch einen bewussten Prozess


allenfalls unterbrochen, umgelenkt oder unterdrückt werden
-
Dies hat dann zur Folge:
niedrige Aufmerksamkeit (z. B. bei der Rezeption von Wer-
könnten (▶ Abschnitt 5.5). Offensichtlich gibt es aber auch Fälle,
in denen das bewusst gefasste Ziel einen automatischen Prozess
der Informationsverarbeitung geradezu auslöst und in seinen -- bung),
keine absichtliche Suche nach Produktinformation,
relative Gleichgültigkeit gegenüber Preis- und Qualitätsun-
Dienst stellt.
Konsumpsychologisch zeigen die Befunde von Koranyi und
- terschieden,
geringe Tiefe in den beteiligten Informationsverarbeitungs-
Rothermund (2011) zudem, dass die Zufriedenheit mit unseren
Entscheidungen unter anderem durch Prozesse der Aufmerk-
- prozessen,
höhere Empfänglichkeit für emotionale Ansprache (im
samkeitsregulation sichergestellt wird. Wenn wir uns für ein Auto
oder einen Urlaub entschieden haben, dann wird unsere Auf-
merksamkeit automatisch von attraktiven, aber nicht gewählten - Unterschied zu einer rationalen),
keine kognitive Kontrolle bei der Urteilsbildung (dadurch
auch erhöhte Anfälligkeit gegenüber automatischen und
Optionen abgezogen, so dass wir uns nicht mit der Frage be-
schäftigen, was wir durch unsere Entscheidung alles nicht haben
- irrationalen Effekten),
Kommunikationswirkung (z. B. von Werbung) nur bei
können. Diese regulativen Prozesse sind freilich von bestimm-
ten Bedingungen abhängig, die ich an anderer Stelle diskutiere
- häufiger Wiederholung,
nur geringe kognitive Widerstände gegen beeinflussende
(▶ Kap. 12; vgl. auch Felser 2011).

5.6 Die Involviertheit des Kunden


- Kommunikation,
schwache Gedächtnisspuren für den Vorgang (z. B. Begeg-
nung mit Werbung, Kaufhandlung).

Als Oberbegriff für diese verschiedenen Konzepte (Aufmerksam-


Die vorangegangenen Abschnitte haben von der unspezifischen keit, Kaufrisiko, Ich-Beteiligung, Identifikation etc.) bezeichnet
Aktivation bis hin zu bewusst gewählten Zielen unterschiedli- das Involvement sicherlich die bedeutendste „Weiche“, besser:
che Ebenen beleuchtet, auf denen das Verhalten von der Per- „Moderatorvariable“ im Konsumentenverhalten. Die Frage, wie
sonseite gesteuert wird. Bevor nun in ▶ Kap. 6 die Steuerung eine bestimmte Marketingmaßnahme auf die Konsumenten
durch die Umwelt betrachtet wird, soll eine letzte personseitige wirkt, wird zu großen Teilen davon abhängen, wie involviert die
Variable folgen, die vielleicht nicht so sehr in das Schema einer Konsumenten sind. Das Involvement bietet auch das Rahmen-
sich steigernden Bewusstheit passt, die aber in der Konsum- konzept für die Erwartung, dass Werbung sowohl bei aufmerk-
forschung seit Jahrzehnten eine Schlüsselrolle einnimmt: das samer als auch bei unaufmerksamer Rezeption wirken kann, dass
Involvement. sie aber in den jeweiligen Fällen auf unterschiedliche Weise wirkt.
Der entscheidende Erkenntnisfortschritt in der Forschung Allerdings wurde der Involvement-Begriff von unterschiedli-
zum Konsumentenverhalten besteht vielleicht nicht so sehr da- chen Autoren mit unterschiedlicher Akzentuierung gebraucht.
rin, dass man die Regeln erkennt, nach denen unser Verhalten Während beispielsweise für einige die Ich-Beteiligung und der
funktioniert. Mindestens genauso wichtig ist es zu erkennen, persönliche Bezug das Kernstück des hohen Involvements ist,
wann eine bestimmte Regel gilt und wann nicht. Es gibt in un- betonen andere das Ausmaß an Aktivation, Aufmerksamkeit und
serem Verhalten immer wieder bestimmte Weichen; dort wird kognitiven Ressourcen (für einen Überblick vgl. Greenwald und
112 Kapitel 5  •  Mechanismen der Verhaltenssteuerung: Aktivierende Prozesse, Motive und Ziele

Leavitt 1984). Dies mag die inhaltliche Breite erklären, die aus 5.6.2 Situationsinvolvement
1 der obigen Aufzählung hervorgeht.
Eine besonders differenzierte Sicht auf den Involvement-Be- Meistens ist man nur für eine bestimmte Zeit involviert. In die-
2 griff stammt von Lachmann (2003). Hierin wird zunächst einmal sem Fall spricht man von situativem oder Situationsinvolvement.
scharf getrennt zwischen dem tatsächlichen Zuwendungsverhal- Ein Kunde ist involviert, wenn er in einer bestimmten Situation
ten und der bloßen Bereitschaft, sich mit einem Thema zu be- ein Produkt kaufen will. Diese Art des Involvements besteht nur,
3 fassen: Unter Involvement sei nur das letztere zu verstehen. Mit solange der Kunde die Kaufabsicht hat. Es entsteht durch den
anderen Worten: Involviert sein bedeutet demnach keineswegs Entscheidungsdruck und wird stärker, wenn der Entscheidungs-
4 automatisch, dass man sich mit einer Sache befasst; das Invol- druck steigt.
vement ist allenfalls „die mentale Bedingung, auf die Werbung Lachmann (2003, S. 28 f) unterteilt das situative Involvement
5 beim Empfänger trifft“ (Lachmann 2003, S. 27). Lachmann er- noch einmal in drei Arten:
klärt – im Unterschied etwa zu Kroeber-Riel (1992) –, dass In- 1. Das Phaseninvolvement stellt sich ein, wenn ein mittelfristiger
volvement durchaus nicht immer Aktiviertheit bedeuten muss. Bedarf besteht. Wenn wir uns zum Beispiel eine Waschma-
6 Involvement sei sogar die meiste Zeit nur latent vorhanden und schine kaufen müssen, sind wir über einen längeren, wenn-
werde überlagert von anderen Themen. Die Aktiviertheit jeden- gleich absehbaren Zeitraum bereit, entsprechende Informati-
7 falls komme zum Involvement noch hinzu. onen aufzunehmen. Eltern, die ein kleines Kind haben, sind
Wenn wir uns nun tatsächlich mit einer Sache beschäftigen, ebenfalls in Bezug auf kindspezifische Produkte involviert.
spricht Lachmann von „Engagement“. Selbst bei sehr hohem In- Gleichwohl ist auch dieses Involvement nur eine vorüberge-
8 volvement – etwa dem Interesse, das Eltern ihrem Baby entge- hende Phase.
genbringen – ist das Engagement nicht immer gegeben. Das liegt 2. Das Anlassinvolvement ergibt sich aus sehr kurzfristigen kon-
9 daran, dass neben dem hoch involvierenden Thema auch andere kreten Anlässen oder Terminen, etwa bei einer Krankheit,
Themen auf der Tagesordnung, den Agenda, stehen. Die Agenda einer Autopanne oder bei Hunger und Durst.
10 sind nach Priorität geordnet, die Reihenfolge allerdings ist sehr 3. Das induzierte Involvement schließlich kommt von außen. Es
instabil. Engagement zeigen wir jeweils für das Agendum, das an stellt sich etwa ein, wenn eine bestimmte Forderung mit ei-
oberster Stelle steht. nem Mal die Tagesordnung umstellt, zum Beispiel nach einer
11 Lachmann unterscheidet Bedingungs- und Folgeinvol- Nachricht vom Chef oder einem wichtigen Anruf. Obwohl
vement. Das Bedingungsinvolvement ist die Voraussetzung, auf das induzierte Involvement auf einen auslösenden externen
12 die das Werbemittel trifft, also etwa ein grundsätzliches Interesse Reiz angewiesen ist, gehört es doch noch zur Grobkategorie
(persönliches Involvement) oder ein akutes Problem (Anlassin- des Bedingungsinvolvements, also der Bedingung, auf die das
volvement). Das Folgeinvolvement löst das Werbemittel über die Werbemittel beim Empfänger trifft. Der entscheidende Ge-
13 Aktivierung selbst aus. danke in der Einordnung ist weniger die Quelle als vielmehr
die Kurzfristigkeit des Involvements.
14
5.6.1 Persönliches Involvement
5.6.3 Produktinvolvement
15
Die wichtigste Unterscheidungsdimension bei den Arten des In-
volvements ist die Zeit. Ein Involvement, das über eine längere Das sogenannte Produktinvolvement ist unabhängig von der Zeit-
16 Zeit besteht, wird als persönliches Involvement bezeichnet. Da- dimension zu sehen. Es geht davon aus, dass manche Formen der
mit ist ein bestimmtes Grundinteresse gemeint, das der Kunde Ich-Beteiligung schon davon bestimmt werden, um welches Pro-
17 schon wegen seiner sonstigen Interessen und Vorlieben hat. Ein dukt es geht. So kauft vermutlich kaum jemand seine Zahnbürste
großer Fußballfreund ist wegen seiner persönlichen Neigung au- oder Schnürsenkel mit dem Gefühl, etwas persönlich Wichtiges
tomatisch involviert, sobald es um Fußball geht. Ein chronisch zu erwerben, womit er sich auch später noch identifizieren will.
18 erhöhtes Involvement bringen auch Liebhaber und Fans in be- Bei Kleidung sieht das schon anders aus. Das Produktinvolvement
stimmten Produktbereichen mit; solche Personen gibt es etwa ist tendenziell immer dann hoch, wenn die Konsumenten erwar-
19 im Bereich von Computertechnik, Autos oder Hi-Fi-Produkten. ten, dass es Unterschiede zwischen den Marken gibt und dass man
Sie können als Meinungsführer (▶ Abschnitt 16.2.3) gelten und etwas falsch machen kann, wenn man diese Unterschiede nicht
20 sind daher für eine gezielte Ansprache durchaus interessant. Für berücksichtigt. Ist eine dieser beiden Bedingungen aber nicht er-
Lachmann (1993, S. 839) bilden sie allerdings „als Zielgruppe füllt, dann sinkt das Involvement sofort erheblich (Baker 1993,
eher ein Nischensegment“. S. 64 f). Bei mittlerem Produktinvolvement ist ein Befriedigungs-
21 Das persönliche Involvement steigt mit der Spezifität des Ge- prinzip („Satisficing“, siehe ▶ Abschnitt 8.3.4) die wahrschein-
genstands. So ist das Involvement eines allgemein Fußballinteres- lichste Kaufstrategie. In diesen Fällen brechen die Konsumenten
22 sierten sicher geringer als das eines Fans des FC Kaiserslautern. die Produktvergleiche ab, sobald sie ein befriedigendes Produkt
Mit anderen Worten: „Der Anbieter muss damit rechnen, dass an gefunden haben. Konsumenten sind dann schnell der Meinung,
seinem (spezifischen!) Angebot nur ein Teil der an der Kategorie über alle erforderlichen Informationen zu verfügen. Neue Infor-
23 Involvierten richtig hoch involviert ist. Die Mehrheit ist entweder mationen interessieren sie nicht mehr, sie wären nur Ballast. Alle
allgemein interessiert = mäßig involviert oder an anderen Spezi- Produkte, die bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erwogen
fitäten hoch involviert“ (Lachmann 2003, S. 35 f). wurden, hatten also nicht den Hauch einer Chance.
5.6  •  Die Involviertheit des Kunden
113 5

Die Idee, dass Involvement direkt von einem Produkt ausge-


hen kann, wird auch kritisiert. So spricht etwa Lachmann (2003)
nur von „low“- und „high-interest“-Produkten, da Involvement
in erster Linie über seine zeitliche Umgrenzung beschrieben
wird. Viele Artikel lassen sich auf der Dimension von low- und
high-interest-Produkten einordnen, aber nicht alle. So ist zum
Beispiel die eine Person in den Kauf einer Campingausrüstung
hoch involviert, die andere dagegen nicht. Bei einem solchen
Produkt hängt es vom persönlichen Involvement, von ganz be-
stimmten Interessen ab, ob eine Ich-Beteiligung besteht oder
nicht. Daher muss man neben low- und high-interest- auch noch
die special-interest-Produkte unterscheiden.
Ein hohes Produktinvolvement geht von Produktinnovatio-
nen aus; hierauf reagieren auch niedrig involvierte Personen mit
erhöhtem Interesse (Lachmann 1993, S. 842 f). Den „Erfinder“
merkt man sich gut, nicht aber die Nachahmer; Innovationen
strahlen zudem auf andere Produkte im Sortiment aus.

5.6.4 Werbemittel- und Medieninvolvement

Das Werbemittel selbst kann seinerseits ein weiteres Involvement


erzeugen; Lachmann spricht hier vom Folgeinvolvement, an an-
derer Stelle (z. B. Kroeber-Riel 1993a, S. 222 ff) findet sich hier-
für der Begriff Werbemittel- oder Reaktionsinvolvement. Dieses
Involvement entsteht durch die Werbung selbst. Eine Anzeige ist
derart wirkungsvoll, dass sie eine Zuwendung des Konsumenten
bewirkt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Eine letzte mögliche Kategorie bildet das Medieninvolvement.
Rezipienten zeigen unterschiedlich starke Zuwendung bei der
Nutzung ihrer Medien. So ist in der Regel die Zuwendung zum
Medium Fernsehen weniger stark als zu einer Zeitung, die man
liest. Auch innerhalb der Medien, zum Beispiel zwischen ver-
schiedenen Programmen, kann man unterschiedliche Fähig-
keiten unterscheiden, den Zuschauer zu involvieren (Lloyd und
Clancy 1991).
Insgesamt gilt: „Viele Anbieter überschätzen das Involvement
der Umworbenen, das fast immer gering ist“ (Kroeber-Riel
1993a, S. 225)!
115 6

Automatische
Handlungssteuerung von außen
Georg Felser

6.1 Mimikry und das Nachahmen von Verhalten  –  116


6.2 Verhaltenssteuerung durch Priming  –  118
6.2.1 Konzeptuelles Priming – 118
6.2.2 Embodiment zum Zweiten  –  119
6.2.3 Das Priming von Metaphern und mentalen Konzepten  –  120
6.2.4 Das Priming von Zielen  –  123

6.3 Beeinflussung durch unterschwellig präsentierte Stimuli  –  125


6.3.1 Wann sollte man von unterschwelliger Wahrnehmung sprechen?  –  125
6.3.2 Können sich unterschwellige Reize auf unsere Absichten,
Wünsche und Bedürfnisse auswirken?  –  126
6.3.3 Unterschwelliges Konditionieren – 128
6.3.4 Sind unterschwellige Effekte wirksamer als überschwellige?  –  129
6.3.5 Praktische Probleme einer unterschwelligen Reizdarbietung  –  130

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
116 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

Zusammenfassung: nicht nutzt (▶ Abschn. 9.3.2). Außerdem wird damit suggeriert,


1 1. Ziele wirken auch dann handlungssteuernd, wenn sie nicht von der Kunde hätte bereits begonnen, Punkte für die Gratiswäsche
Individuum selbst, sondern durch Außenreize gesetzt werden. zu sammeln, so dass die Vervollständigung des Coupons nur
2 Ziele können auch automatisch und ohne die bewusste Auf- folgerichtig erscheint (▶ Abschn. 11.4.2). Vielleicht könnte man
merksamkeit der handelnden Person aktiviert werden. sogar im Sinne der Gestaltpsychologie argumentieren, dass die
2. Menschen haben eine automatische Neigung, beobachtetes bereits angefangene Kundenkarte wie ein unvollständiges, viel-
3 Verhalten nachzuahmen. Entsprechende Impulse werden durch leicht gar abgebrochenes Projekt wirkt, das implizit zur Vervoll-
die Wahrnehmung oder Imagination von Bewegungen ausge- ständigung (hin zur guten Gestalt) auffordert (▶ Abschn. 2.2.2).
4 löst. Vor allem aber zeigt sich, dass man mit Hilfe der „angefangenen“
3. Wir kooperieren stärker mit Personen, die unsere eigenen Ver- Kundenkarte bei den Konsumenten das Ziel setzt, diese Karte
5 haltensweisen spiegeln bzw. nachahmen. zu vervollständigen – ein Beispiel also für eine Zielsetzung von
4. Das Priming von mentalen Konzepten und metaphorischen Be- außen.
deutungen kann sich auf konkretes Verhalten auswirken. Men- Der Anreizwert, den solche Ziele für Konsumenten haben,
6 schen neigen zu Verhaltensweisen, die zu denjenigen Konzep- folgt übrigens einem Muster, das eigentlich aus alten triebtheore-
ten passen, mit denen sie kurz zuvor konfrontiert wurden. tischen Konzepten der Motivation bekannt ist: Mit zunehmender
7 5. Unterschwellige Wahrnehmung kann unser Verhalten beeinflus- Nähe zum Ziel intensiviert sich das Verhalten. So kaufen Kunden
sen. Unterschwellige Aufforderungen sind aber mit Sicherheit immer häufiger, je näher sie der Vervollständigung ihrer Bonus­
karte sind (Kivetz et al. 2006). Das Aushändigen von Bonus­
8 wirkungslos. Unterschwellig präsentierte Stimuli können jedoch
im Sinne eines Primings bereits vorliegende Ziele oder Bedürf- karten, auf denen bereits erste Einträge vorgenommen wurden,
nisse aktivieren und damit auf das Verhalten wirken. Auch eine schafft nach dieser Interpretation die Illusion eines Fortschritts
9 Konditionierung mit unterschwellig präsentierten Stimuli ist auf dem Weg zum Ziel, was ebenfalls das Verhalten weiter an-
möglich. Die Effekte unterschwelliger Beeinflussung sind aber spornt (Kivetz et al. 2006).
10 nicht größer als andere Effekte einer unbemerkten, aber über- Ziele können von außen noch viel subtiler, aber auch sub-
schwelligen Informationsaufnahme. versiver angeregt werden. Diese Beispiele nutzen freilich einen
deutlich abgewandelten Zielbegriff, der nicht mehr wie die bishe-
11 Das vorausgegangene Kapitel hat die Verhaltenssteuerung vor rigen Beispiele nur bewusst gewählte und gesetzte Ziele, sondern
allem aus der Perspektive des Subjekts, des handelnden Indivi- auch unbewusste Auslenkungen des Verhaltens betrachtet (siehe
12 duums betrachtet. Der Blickwinkel wird nun nach außen ver- ▶ Abschn. 5.3.3 und 5.4).
schoben; es geht also darum, wie Verhalten durch Umweltstimuli Ich beginne die Diskussion der Verhaltenssteuerung von au-
gesteuert, kontrolliert und auch manipuliert werden kann. Mani- ßen allerdings nicht mit so komplexen Beispielen wie etwa dem
13 pulative und persuasive Techniken bleiben natürlich auch in den Anregen von Zielen, sondern mit – vermutlich jedenfalls – viel
folgenden Kapiteln Thema. In diesem Kapitel interessieren vor einfacheren und grundlegenderen Phänomenen der Imitation.
14 allem besonders einfache und insofern vielleicht auch besonders
grundlegende Formen der Einflussnahme, die größtenteils auf
dem Prinzip des Primings beruhen (▶ Abschn. 4.5). 6.1 Mimikry und das Nachahmen
15 von Verhalten
Hierfür knüpft das vorliegende Kapitel stellenweise auch un-
mittelbar an das vorausgegangene an, zum Beispiel wenn es um
16 Ziele geht: In ▶ Abschn. 5.4 haben wir vor allem die Perspektive In einem Experiment von Herman et al. (2005) wurden jeweils
betrachtet, aus der heraus Ziele vom handelnden Subjekt gesetzt zwei weibliche Probanden, die einander nicht kannten, mit ei-
17 werden. Dass sie aber gesetzt werden können (und nicht wie Mo- ner Aufgabe betraut. Um es ihnen einigermaßen angenehm zu
tive quasi angeboren sind), bringt es mit sich, dass man sie auch machen, wurden ihnen währenddessen Pizzastücke serviert, von
von außen setzen kann. Und dies ist natürlich eine vielverspre- denen sie nach Belieben nehmen konnten. Erstaunlicherweise
18 chende Option für Einflussnahme und Manipulation. Dies zeigt konsumierten die Probandinnen innerhalb der Paare nahezu
sich in folgendem Beispiel: identische Mengen (die intradyadische Korrelation betrug .64).
19 Nunes und Drèze (2006) händigten Nutzern einer Waschan- Dieser Effekt war unabhängig von den Persönlichkeitsmerkma-
lage eine Kundenkarte aus. Mit dieser Karte konnten die Kunden len oder dem Hunger der Probandinnen. Er geht offensichtlich
20 nach acht Autowäschen eine Gratiswäsche erhalten. In einer Ver- nur auf die soziale Situation zurück. Beobachtungen wie diese
sion führten insgesamt zehn Wäschen zu dem Gratisservice, aber zeigen, dass Faktoren der Außenwelt nahezu unabhängig von un-
von den offenen zehn Wäschen waren zwei bereits im Vorhinein seren Motiven oder Zielen unser Konsumverhalten beeinflussen.
21 ausgefüllt. In der anderen Version waren noch keine Felder aus- Solche Einflüsse bestehen natürlich auch in sozialen Normen der
gefüllt, dafür gab es aber auch nur acht bis zur Gratiswäsche. Im Konformität und Individualität (die in ▶ Abschn. 10.1 ausführ-
22 Vergleich zu dieser Bedingung nutzten beinahe doppelt so viele lich diskutiert werden). Allerdings verweist die Beobachtung von
Kunden das Angebot, wenn ihre Kundenkarte bereits zwei ausge- Herman et al. (2005) möglicherweise auch auf Mechanismen der
füllte Felder enthielt. Für diesen Effekt kommen verschiedene, ei- Verhaltenssteuerung, die über das Einhalten sozialer Normen
23 nander ergänzende Erklärungen in Frage: Die bereits aufgefüllten hinausgehen – vielleicht sollte man sagen: davor liegen.
Felder stehen für ein kleines Kapital auf dem Kundenkonto, das Seit langem schon ist bekannt, dass die Beobachtung von
der Benutzer ungern preisgibt, indem er das Angebot dann doch Bewegungen und Handlungen zur Nachahmung anregt. In der
6.1  •  Mimikry und das Nachahmen von Verhalten
117 6

Psychologie geht diese Erkenntnis auf William James zurück der In einem Experiment von Johnston (2002) sollten Probanden
in seinen Principles of Psychology sogenannte ideomotorische, Eiscreme testen. Ein anderer Teilnehmer an dem Test – ein „Ver-
also „von selbst“ oder „unbewusst“ ausgelöste Bewegungen be- bündeter“ des Versuchsleiters – probierte stets vor den Proban-
schreibt: „every representation of a movement awakens in some den und nahm sich je nach Bedingung entweder besonders viel
degree the actual movement which is its object“ (James 1890, oder besonders wenig Eiscreme. Ohne dass sich die Probanden
S. 1134; zit. n. Genschow et al. 2013, S. 764). Berger und Hadley diesen Einfluss bewusst machten, kopierten sie das Verhalten
(1975) weisen diesen Effekt mit der Elektromyographie (EMG) des anderen Teilnehmers und nahmen sich ähnliche Mengen.
nach: Das bloße Beobachten einer Bewegung verursacht auch Dies taten sie übrigens nur, wenn die Modellperson nicht über-
eine eigene Aktivität in jenen Muskeln, die bei der beobach- gewichtig war. Offensichtlich ist also die Nachahmungstendenz
teten Bewegung beteiligt sind. Es besteht also mindestens auf nicht so stark automatisiert, dass sie nicht mit eigenen Normen
bestimmten Ebenen eine Art von Identität zwischen der Wahr- und Wertvorstellungen abgeglichen würde. Nachgeahmt wird
nehmung und der Ausführung einer Bewegung. Diese Identität das Verhalten also vor allem dann, wenn es mit eigenen Zielvor-
zeigt sich neurologisch in der Aktivität der Spiegelneuronen, die stellungen verträglich ist.
1995 von Giacomo Rizzolatti und seinen Mitarbeitern (z. B. Riz- In einem Experiment von Tanner et al. (2008) saßen die Pro-
zolatti et al. 2006) entdeckt wurden. Hierbei handelt es sich um banden einer Person gegenüber, die sich aus mehreren verfügba-
Neuronengruppen im Gehirn, die bei der Wahrnehmung und ren Snacks entweder bei den Goldfisch- oder bei den Tier-Cra-
der Ausführung einer Bewegung dieselbe Aktivität zeigen. Be- ckern bedienten. Die Probanden ahmten ihrerseits nicht nur
sonders augenfällig ist die Aktivität von Spiegelneuronen bei der die Auswahl aus den Snacks nach, sie berichteten auch später
Imitation von Gesichts-, vor allem Emotionsausdrücken. eine positivere Einstellung gegenüber denjenigen Snacks, die ihr
Kurz gesagt: Die Beobachtung der Außenwelt gibt allem Gegenüber bevorzugt hatte. Kontrollanalysen zeigten, dass die
Anschein nach automatisch und ohne das Vorhandensein von Einstellungsänderung durch das Ausmaß der Mimikry vermittelt
eigenen Motiven oder Zielen bereits Handlungsimpulse, die – wurde.
wie das Eingangsbeispiel zeigt – für das Konsumverhalten von Die soziale Umwelt hat auf das Konsumverhalten somit einen
großer Bedeutung sind. Mechanismen dieser Art werden in doppelten Effekt: Zum einen regt sie unmittelbar zur Nachah-
der Psychologie unter dem Begriff „Perception-Behavior Link“ mung an, zum anderen verändert sie die Einstellung und damit
untersucht (z. B. Chartrand und Bargh 1999; Dijksterhuis et al. möglicherweise längerfristige Verhaltensneigungen. Die beein-
2005). Diese Beobachtung, dass also die bloße Wahrnehmung flussten Konsumhandlungen können der Verzehr von Crackern
eines Stimulus in der Außenwelt automatisch die Neigung zu sein, aber auch der Konsum von Alkohol oder Zigaretten …
einem bestimmten Verhalten auslöst, erstreckt sich über mehr Der zweite Pfad der Beeinflussung durch Mimikry, der mi-
Beispiele als die oben genannten Fälle von sozialer Nachahmung. micked consumer path, wird beschritten, wenn das Gegenüber
Es muss daher auch im Rahmen meiner Darstellung offen blei- den Konsumenten imitiert. Man wirkt sympathischer, indem
ben, ob diese Automatismen tatsächlich alle über die gleichen man Gesten und Gesichtsausdrücke der jeweils anderen Person
kognitiven und neuronalen Mechanismen vermittelt werden – an übernimmt (Chartrand und Bargh 1999). Dies hat seinerseits
der Oberfläche jedenfalls scheinen sie in wesentlichen Punkten wieder Konsequenzen für das Konsumverhalten. Im zweiten Ex-
voneinander verschieden zu sein. Gemeinsam ist den Beispielen periment von Tanner et al. (2008) kopierte ein vermeintlicher
aber im Folgenden das Motto des Perception-Behavior Link: „We Verkäufer Gesten und Verhalten seines Gegenübers, während er
often simply do what we see“ (Dijksterhuis et al. 2005, S. 150). über ein neues Fitnessgetränk informierte. Wenn das Gegenüber
Beim Perception-Behavior Link unterscheiden Dijksterhuis den Probanden imitierte, war der Konsum des Getränks größer
et al. (2005) unterschiedlich komplexe Varianten, nämlich eine und die Einstellung gegenüber dem Produkt positiver als ohne
Low Road und eine High Road. Ein Beispiel für die Low Road ist Mimikry.
etwa Mimikry, also das häufig unbewusste Nachahmen der Mi- Eine mögliche Erklärung für den Effekt könnte darin beste-
mik und im weiteren Sinne der Körperhaltungen einer anderen hen, dass die Probanden durch die Mimikry in eine allgemein
Person. Die Beobachtung eines anderen führt quasi automatisch positive Stimmung versetzt werden, die sie dann auf das Produkt
dazu, dass wir dessen Verhalten nachspielen – und vermutlich gleichsam „fehlattribuieren“. Bei diesem Erklärungsmuster wird
auch über solche Mechanismen zu einem Verständnis für dieses die positive Stimmung als Information über die Situation ge-
Verhalten kommen (Dijksterhuis et al. 2005, S. 195). Die Imita- nutzt und den Elementen der Umwelt zugeschrieben – je nach-
tion zeigt sich beispielsweise bei Gesichtsausdruck, Körperhal- dem, wie stark diese sich anbieten (z. B. Schwarz und Clore 1988;
tung, Gesten, Sprache, dem Wackeln mit dem Fuß oder dem mehr zu Phänomenen dieser Art in ▶ Abschn. 5.2.2). Für diese
Reiben der Nase (Chartrand und Bargh 1999). Erklärung spricht auch der Befund, dass Tanner et al. (2008)
Mimikry hat auf mindestens zwei unterschiedliche Weisen keine Effekte der Mimikry für das Gegenüber der Probanden
Konsequenzen für das Konsumverhalten. Tanner et al. (2008) finden (wie es ja laut den Befunden von Chartrand und Bargh
unterscheiden hierzu zwei unterschiedliche Pfade, die beide 1999, durchaus üblich ist): Offenbar wurde der positive Affekt
letztlich zu einer Veränderung der Produktpräferenzen führen. nicht auf das nachahmende Gegenüber, sondern auf das Produkt
Auf dem einen Pfad, dem mimicking consumer path wird ausge- attribuiert.
nutzt, dass der Konsument dazu neigt, andere zu imitieren. Diese Aber Mimikry wirkt nicht nur auf die Sympathie der nach-
Neigung erstreckt sich auch auf das Konsumverhalten, und über ahmenden Person. Menschen, deren Verhalten imitiert wurde,
diesen Weg verändern sich in der Folge die Präferenzen. sind deutlich kooperationsbereiter. So geben sie zum Beispiel
118 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

einer Kellnerin mehr Trinkgeld, wenn diese zuvor bei der Be- in der die Probanden einen offenbar abgelenkten Versuchsleiter
1 stellung den genauen Wortlaut der Gäste wiederholt hat (im Un- vor sich hatten: Probanden aus der Grobheitsbedingung unter-
terschied zu einer bloßen Paraphrase; van Baaren et al. 2003). brachen den Versuchsleiter eher als Probanden der Höflichkeits-
2 Probanden, deren Gesten und Mimik imitiert wurden, hoben bedingung.
auch eher Stifte auf, die die imitierende Person fallen gelassen In einem zweiten Experiment ließen Bargh et al. (1996) ihre
hat (100 % gegenüber 33 %; Van Baaren et al. 2004). Diese Effekte Versuchspersonen aus Wörtern wie beispielsweise „Florida“,
3 bleiben aber nicht auf die imitierende Person beschränkt: Die „starrköpfig“, „weise“, „allein“, „Bingo“ und „sentimental“ Sätze
gleiche Hilfeleistung erbrachten die imitierten Probanden auch bilden. Diese Aufgaben aktivierten indirekt das Altenstereotyp.
4 gegenüber einer neu hinzugekommenen Person (84 % gegenüber Nach dem Experiment verließen die Probanden das Labor über
33 %). Außerdem spendeten sie höhere Beträge für einen guten einen längeren Flur. Hierbei wurde verdeckt die Gehgeschwin-
5 Zweck (79 gegenüber 38 Cent). digkeit erfasst. Versuchspersonen, bei denen zuvor das Altens-
Allem Anschein nach gehen die Effekte nicht allein darauf tereotyp aktiviert wurde, gingen signifikant langsamer als eine
zurück, dass die Imitation das Gegenüber sympathischer macht. Kontrollgruppe. Die Aktivierung des Altenstereotyps kann auch
6 Kontrollanalysen zeigen zudem, dass die Kooperationsbereit- die Gedächtnisleistung beeinträchtigen – so scheint es also nicht
schaft auch von der Stimmung der Probanden unabhängig ist. übertrieben, wenn man das Vergessen der Einkaufsliste damit
7 Van Baaren et al. (2004) gehen vielmehr davon aus, dass Mimi- in Zusammenhang bringt, dass man zuvor an die Großmutter
kry nicht nur Sympathie erhöht, sondern auch generell soziale gedacht hat (Dijksterhuis 2005).
Bindungen stärkt. In einem Experiment von Dijksterhuis und van Knippen-
8 berg (1998) sollten die Probanden typische Verhaltensweisen von
Menschen mit bestimmten Eigenschaften aufschreiben, z. B. von
9 6.2 Verhaltenssteuerung durch Priming Professoren, Hooligans oder Supermodels. Dies aktivierte intel-
ligente und unintelligente Personkategorien (Professor versus
10 Der Perception-Behavior Link erstreckt sich nicht nur auf Supermodel). Nach dieser Aufgabe sollten die Probanden einen
Beispiele der motorischen Imitation. Auf der High Road, wie Wissenstest bearbeiten. Sie schnitten signifikant schlechter ab,
Dijksterhuis et al. (2005) sie nennen, finden sich vor allem Bei- wenn der unintelligente Kontext aktiviert war.
11 spiele der Verhaltenssteuerung, die man am ehesten als Priming Offenbar stimuliert der gedankliche Kontext von sozialen
bezeichnen würde. Grundidee ist hier, dass das aktivierte Ver- Stereotypen ein Verhalten, das mit diesen Stereotypen in Ein-
12 halten über die gegebene Information (z. B. die Wahrnehmung klang steht. Produkt- und Markenimages lassen sich ebenfalls
einer Motorik) hinausgeht. Über die Wahrnehmung werden wie soziale Stereotypen verstehen (z. B. Bless und Greifenender
eher Konzepte, bestimmte Bedeutungen oder Codes (im Sinne 2009) – insofern darf man von ganz ähnlichen Effekten ausgehen,
13 von Scheier et al. 2010) aktiviert, die in der Folge das Verhalten wenn Markenimages aktiviert werden:
steuern. Friedman und Elliot (2008) luden ihre Probanden zu einem
14 Ausdauertest ein. In einer Bedingung ging es darum, für eine
gewisse Zeit auf ein Objekt zu blicken, ohne zu zwinkern. Das
6.2.1 Konzeptuelles Priming
15 Objekt bestand in einer Flasche Gatorade, einem Energy Drink,
der mit Ausdauer assoziiert wird. Probanden, die auf den Energy
Ein früher Nachweis dafür, dass Priming Verhalten auslösen Drink geschaut hatten, zeigten bei einer Nachfolgeaufgabe (so
16 kann, stammt aus der Aggressionsforschung: Berkowitz und lange wie möglich sitzend ein Bein um 30 Zentimeter anheben)
LePage (1967) zeigten, dass die bloße Präsenz von Waffen bei mehr Ausdauer als eine Kontrollgruppe, die eine Flasche Poland
17 Probanden bereits zu einem aggressiveren Verhalten führt. Der Spring Water fixiert hatten. Brasel und Gips (2011) ließen ihre
Befund ist mehrfach repliziert. Er ist sogar in natürlichen Um- Probanden ein Computerrennen fahren. Teilnehmer, deren Au-
gebungen noch stärker als unter Laborbedingungen (Bushman tos das Red Bull-Logo trugen, fuhren schneller, aber auch riskan-
18 und Anderson 1998), und er geht offensichtlich auf Priming-Pro- ter als Probanden ohne dieses Logo.
zesse zurück: Die Präsentation von Waffen – gleichgültig ob als Fitzsimons et al. (2008) präsentierten ihren Probanden un-
19 Bild oder als Wort – erleichtert signifikant den automatischen terschwellig das Apple- oder das IBM-Logo. Dabei sollte in der
Abruf aggressionsthematischer Inhalte (Anderson et al. 1998) – Apple-Gruppe das Markenimage aktiviert werden, das durch den
20 und sie zieht eben gleichzeitig ein aggressiveres Verhalten nach Slogan „Think different“ und Merkmale wie Nonkonformität, In-
sich. Allem Anschein nach ist dieser Waffeneffekt ein Fall von novation und Kreativität geprägt war. In der Folge produzierten
semantischem oder konzeptuellem Priming, bei dem in erster die Probanden der Apple-Gruppe in einem Kreativitätstest mehr
21 Linie Bedeutungen aktiviert werden, die aber ihrerseits verhal- kreative Ergebnisse als IBM-Probanden.
tenswirksam sind. Auch Fransen et  al. (2008) nutzten eine unterschwellige
22 Bargh et al. (1996) ließen ihre Probanden in einem vermeint- Präsentation der Primes. In ihrem Fall war es das Logo einer
lichen Test zu sprachlichen Fähigkeiten Wörter eines Satzes in bekannten Versicherung oder ein neutrales Logo. Der Gedanke
die richtige Reihenfolge bringen. Für einen Teil der Probanden an Versicherungen aktiviert – indirekt – auch Gedanken an die
23 enthielten die Sätze Wörter wie „aggressiv“, „grob“ oder „unhöf- eigene Verletzlichkeit und Sterblichkeit. Dieser Zustand der so-
lich“, für einen anderen kamen eher Wörter vor wie „Respekt“, genannten Mortalitätssalienz wiederum erhöht die Bindung an
„geduldig“ oder „höflich“. In der Folge ergab sich eine Situation, Dinge, die über die eigene Existenz hinaus Bestand haben, so
6.2  •  Verhaltenssteuerung durch Priming
119 6

etwa Einstellungen, Werte und Moralvorstellungen, aber auch die die freie Hand. Wichtig ist also die intuitive Vorstellung, die Kon-
eigene Bezugsgruppe. Ein bekannter Effekt der Mortalitätssalienz sumhandlung sofort auszuführen (. Abb. 6.1).
ist daher die Bevorzugung einheimischer Produkte gegenüber Die Experimente von Elder und Krishna (2012) zeigen nicht
fremden (Arndt et al. 2004) – und genau dies fanden Fransen zuletzt die hohe Bedeutung der ganz konkreten Motorik. Da die
et al. (2008) auch für Probanden, denen unterschwellig das Ver- Effekte für die jeweils dominante Hand größer waren, scheint es
sicherungslogo präsentiert wurde. darauf anzukommen, dass mental die Bewegung selbst simuliert
Chartrand et al. (2008) aktivierten unterschwellig entweder wird und nicht die Handlung – mit welcher Bewegung auch im-
Discountläden (z. B. Wal-Mart) oder teure Geschäfte. Je nach- mer sie ausgeführt wird. Freilich sind in dem Experiment von
dem, welche Preiskategorie aktiviert worden war, bevorzugten Elder und Krishna (2012) die Bewegung – zum Beispiel der Griff
die Probanden später eher teure oder eher günstige Marken. nach dem Löffel – und die Handlung – der Verzehr des Joghurts
Was Menschen mit Marken und Produkten assoziieren, kann – noch immer konfundiert: Die Handlung wird eben genau mit
also unbemerkt aktiviert werden, und dies hat Auswirkungen dieser Bewegung umgesetzt. Die Experimente von Genschow
auf das Konsumverhalten. In den genannten Beispielen war das et al. (2013) lösen diese Konfundierung auf und zeigen noch
Produkt der Prime, auf den ein Verhalten folgt, das mit dem Pro- überzeugender, dass in der Tat die Bewegung, die Motorik, für
duktimage in Einklang steht. Dies zeigt die enorme Macht von den Effekt verantwortlich ist.
Images: Zumindest für Marken wie Apple oder Gatorade gilt, dass Die Probanden sehen in den Experimenten Filme von un-
ihr Image automatisch durch das Produkt oder Logo aktiviert terschiedlichen Sportübungen. In der einen Bedingung steht der
wird – und dass Konsumenten in Einklang mit diesem Image Sportler aufrecht und zieht das Gewicht mit einer Bewegung zu
handeln. sich heran, die dem Heben eines Glases ähnlich ist. In der ande-
Das nächste Beispiel kehrt die Wirkrichtung um, die Pro- ren Bedingung liegt er auf der Bank und drückt das Gewicht von
dukte sind hier nicht die aktivierenden Stimuli, vielmehr geht sich weg. Gläser mit Getränken, einem Sportgetränk, das angeb-
es darum, wie die Aktivation von Images oder Einstellungen lich getestet werden soll, sind präsent, so dass die Trinkmengen
die Produktwahl beeinflusst. Im Experiment von North et al. gemessen werden können.
(1999) werden Länderimages aktiviert: Sie ließen in einem Wichtig an den Experimenten von Genschow et al. (2013) ist
Weinfachgeschäft über zwei Wochen im Wechsel unterschied- zunächst, dass die beobachtete Handlung nicht das Trinken ist,
lich typische Hintergrundmusik laufen: An bestimmten Tagen sondern Sport. Wenn also der Priming-Effekt auf die mentale
wurde typisch deutsche, an anderen typisch französische Musik Simulation der Handlung zurückgeht, sollte hier keiner auftreten.
gespielt. In Übereinstimmung mit der gespielten Musik wurde Wenn er dagegen in der Simulation der Bewegung – unabhängig
jeweils überwiegend deutscher bzw. französischer Wein gekauft. vom Handlungskontext – besteht, sollte die Beobachtung der He-
Bei der Nachbefragung zeigte sich kein Hinweis, dass der Effekt bebewegung einen erhöhten Trinkkonsum zur Folge haben, nicht
der Musik auf die Produktwahl bemerkt worden wäre. aber das Bankdrücken. Der Effekt sollte freilich beschränkt sein
auf Fälle, in denen man beim Trinken den Becher hebt.
Probanden trinken in der Tat mehr, wenn die beobachtete
6.2.2 Embodiment zum Zweiten Bewegung das Heben des Trinkglases simuliert. Sie nehmen da-
bei auch nicht etwa größere Schlucke. Die erhöhten Trinkmen-
Elder und Krishna (2012) präsentierten ihren Probanden un- gen gehen vielmehr darauf zurück, dass sie den Becher häufiger
terschiedliche Bilder des gleichen Burgers. In einer Kontroll- heben. Bei Probanden, die über einen Trinkschlauch (wie z. B.
bedingung war nur der Burger selbst zu sehen, in den anderen beim Fahrradfahrern) mit dem Getränk versorgt wurden, un-
Bedingungen wurde er von einer linken oder rechten Hand terschied sich die Trinkmenge nicht in Abhängigkeit von der
gehalten – gerade so, wie man ihn kurz vor dem herzhaften Hi- beobachteten Bewegung. Diese Befunde zeigen, dass die Beob-
neinbeißen sieht. Konsumenten haben bei dieser Versuchsan- achtung nicht die Handlung Trinken, sondern zunächst nur die
ordnung mehr Appetit auf einen Burger, wenn er auf dem Bild Bewegung aktiviert.
von der dominanten Hand gehalten wird: Gegenüber der Be- Die Untersuchungen von Genschow et al. (2013) zeigen also
dingung ohne Hand bevorzugen Linkshänder das Bild mit dem den Effekt, der durch die Beobachtung einer anderen Person ent-
Burger in der linken Hand – für Rechtshänder entsprechend steht – sie belegen, dass diese Beobachtung eine Imitation anregt,
umgekehrt. und zwar nicht so sehr die Imitation der Handlung, sondern eben
Anscheinend löst also bereits die angedeutete Handlung de- der Bewegung. Wie schon in den Forschungen zu den Spiegel-
ren mentale Simulation aus, was dann seinerseits einen ersten neuronen vermutet (z. B. Rizzolatti et al. 2006) spielt die Per­
Impuls zur Ausführung setzt. In einem anderen Versuch zeigten spektivenübernahme bei den Effekten der Imitation eine wichtige
Elder und Krishna (2012) den Probanden eine Schale mit einem Rolle. Dies zeigt sich auch in den Ergebnissen von Genschow
Joghurt oder einer Quarkspeise. Auch hier wurde insgesamt die et al. (2013): Der Einfluss auf die Trinkmengen war größer bei
Präsentation bevorzugt, in der bereits ein Löffel in der Quark- Probanden, die auch habituell stärker zur Perspektivenüber-
speise steckte. Wieder machte die Richtung, in der der Löffel aus nahme neigten, die sich also oft und gerne in andere hineinver-
der Schale ragte, einen Unterschied: Bevorzugt wurde die Rich- setzen. In einer anderen Bedingung induzierten Genschow et al.
tung, bei der der Löffel mit der dominanten Hand sofort hätte (2013) die Perspektivenübernahme bei ihren Probanden, indem
erfasst werden können. Wenn Probanden mit ihrer dominanten sie die Sportübungen aus der subjektiven Sicht des Sportlers
Hand eine andere Handlung ausführen, wechselt der Effekt auf zeigten. Diese Manipulation verstärkte den Effekt ebenfalls. So
120 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

.. Abb. 6.1  Aus der Perspektive des


1 Embodiment schöpft die Anzeige
ihr Potential nicht aus: Sie deutet
nicht die Handlung an. Würde in der
2 fast leeren Schale ein Löffel liegen,
würde dies die Vorstellung des ver-
geblichen Kratzens in der Reisschale
3 noch eindringlicher wecken. (Mit
freundlicher Genehmigung von Brot
für die Welt)
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gesehen sind die Beispiele von Elder und Krishna (2012) bzw. das ausgedrückt, nämlich über räumliche (z. B. „Der Mai kommt vor
20 Beispiel in . Abb. 6.1 genau richtig: Sie deuten die Bewegung an, dem Juli“). Veränderungen und Ereignisse werden metaphorisch
die nicht etwa ein beobachtetes Modell, sondern das betracht- als Bewegungen im Raum dargestellt, und dabei prägt es bereits
ende Subjekt selbst ausführt. das subjektive Erleben, ob nun der Sprecher sich auf das Ereignis
21 zu bewegt („Als Nächstes liegen die Prüfungen vor uns“) oder ob
sich die Ereignisse bewegen („Vor den Ferien kommen erst ein-
22 6.2.3 Das Priming von Metaphern mal die Klausuren“; Boroditsky 2000). Sprachliche Bilder allein
und mentalen Konzepten schaffen also bereits eine eigenständige Realität, die sich auf das
Erleben auswirken (vgl. auch Lakoff und Johnson 1980).
23 Die vermutlich einzige Methode, über Dinge zu sprechen, denen Räumliche Metaphern werden auch für soziale Beziehungen
kein physisches Objekt entspricht, ist über Metaphern. Selbst so herangezogen (z. B. „ein enger Freund“, „ein naher Verwandter“).
elementare Konzepte wie etwa die Zeit werden über Metaphern In neurologischen Studien zeigt sich, dass die Bewertung von
6.2  •  Verhaltenssteuerung durch Priming
121 6

Sozialbeziehungen mit ähnlichen Hirnaktivitäten (nämlich im eher und sind eher bereit, einen Gefallen zu erwidern oder für
parietalen Kortex) einhergeht wie die Einschätzung physischer einen wohltätigen Zweck zu spenden (Liljenquist et al. 2010).
Distanzen (Yamakawa et al. 2009). Entsprechungen dieser Art Schmutz steht auch generell dafür, dass etwas „nicht in Ord-
sind bereits aus den Forschungen zum Embodiment bekannt nung ist“, insbesondere für Schuld – daraus ergibt sich die sym-
(siehe oben). Offen bleibt hierbei die Frage, ob diese Parallelität bolische Bedeutung des Waschens. Mächtige literarische Anker
Ursache oder Folge einer kulturellen Prägung ist. Sie stützt aber festigen diese Metapher, Pontius Pilatus etwa oder Lady McBeth.
die Erwartung, dass Metaphern mehr sind als nur die Stilmittel Gläubige Hindus werden durch rituelle Waschungen im Ganges
der Poeten – dass sie vielmehr Denken und Verhalten prägen nicht nur körperlich, sondern auch seelisch rein und kommen so
(Lakoff und Johnson 1980). mit dem Göttlichen in Berührung.
Eine andere Bedeutung der Raummetapher als die zeitliche Die enge Verflechtung zwischen Reinigung und Schuld il-
habe ich schon in ▶ Exkurs 5.1 vorgestellt: Eine vertikale, vor al- lustrieren Zhong und Liljenquist (2006) an einer konsumpsy-
lem eine nach oben gerichteten Orientierung ist positiver kon- chologischen Anwendung: Es genügen offenbar unmoralische
notiert als eine horizontale (Aronoff et al. 1988, 1992). Was nach Gedanken, um in der Folge Reinigungsprodukte attraktiver zu
oben weist, ist positiver, aber auch mächtiger. Wir assoziieren machen. Zhong und Liljenquist (2006) ließen ihre Probanden
daher auch Gott und Teufel relativ eng mit den Begriffen „oben“ das unethische Verhalten anderer verbal wiederholen oder ins-
und „unten“ – umso stärker, je gläubiger wir sind, grundsätzlich truierten sie, an eigenes unethisches Verhalten zu denken. Der
aber unabhängig von unserem Glauben (Meier et al. 2007). Wunsch nach Reinigung blieb auch hier eng an der Metapher:
„Hoch“ und „tief “ haben allerdings noch andere metaphori- Wenn es zum Beispiel um eine mündlich vorgetragene Lüge ging,
sche Bedeutung, auch ohne moralischen Bezug, zum Teil sogar war eine Mundspülung unter den Reinigungsmitteln der Favorit,
ohne Wertung: So steht „hoch“ auch für „intellektuell“, mög- wenn die Lüge per E-Mail kommuniziert wurde, bevorzugten die
licherweise aber auch für „abgehoben“, „wirklichkeitsfremd“ Probanden Reinigungstücher.
oder „versponnen“, „verträumt“. Zudem symbolisiert Höhe aber Waschen bedeutet aber nicht nur Reinigung von Schuld, son-
auch Hochwertigkeit und Besonderheit. Letzteres illustrieren dern auch Veredelung, Neuanfang, Befreiung von Altlast und
Scheier et al. (2010, S. 25 f) anschaulich an den mentalen Codes Druck. Was dies psychologisch bedeuten kann, zeigen Experi-
für Weingläser: Für den Besuch bzw. für den Feiertag sollte der mente von Lee und Schwarz (2010). Ihre Probanden wählten als
Wein erhöht werden, er soll dadurch etwas Besonderes sein. Belohnung für die Teilnahme an einem Experiment aus einer
Hierfür würden wir, ohne lange zu überlegen, ein Glas mit Stiel Reihe von CDs eine aus. Üblicherweise führt eine solche Wahl
nehmen. Weingläser ohne Stiel sind ebenfalls gebräuchlich. Ein- zur Aufwertung der gewählten und Abwertung der nicht gewähl-
fache Trinkgläser ohne Stiel nutzt man dort, wo der Wein etwas ten Alternative – dies mildert kognitive Dissonanz, die hier in
Alltägliches ist (z. B. auch in Ländern, in denen häufig Wein zum dem unangenehmen Gefühl besteht, möglicherweise schlecht
Essen getrunken wird) oder wo der Wein nur probiert wird. Der gewählt zu haben (▶ Abschn. 11.4.1). Die Dissonanzreduktion
Bodenkontakt symbolisiert daher eher Alltäglichkeit, Bodenstän- bleibt jedoch aus, wenn sich die Teilnehmer nach ihrer Wahl
digkeit und Ursprünglichkeit. die Hände waschen. Allem Anschein nach entfallen mit dem
Kommen wir zurück zu den moralischen Kategorien, für die Waschen psychologisch die Restzweifel nach der Entscheidung
wir ja noch weitere Metaphern nutzen, zum Beispiel Schmutz und damit der Rechtfertigungsdruck. Man kann nun spekulie-
und Sauberkeit oder Ordnung und Unordnung. Eine unsau- ren, dass durch das Abwaschen der Zweifel auch intrapsychische
bere Umgebung ist ein Prime für unmoralisches Verhalten. Dies Prozesse unterdrückt werden, die an sich sehr günstig wären,
ist eine Grundthese der Broken Window Theory (Wilson und weil sie die Zufriedenheit mit der eigenen Entscheidung steigern
Kelling 1982; zit. n. Keizer et al. 2008). Ihren Namen hat diese (▶ Kap. 12).
Theorie von der Beobachtung, dass sich in einem leerstehenden Dass nach einer physischen Reinigung der intrapsychische
Haus Verfall und Verwahrlosung enorm beschleunigen, sobald Druck zum Ausgleich geringer ist, zeigt ein Befund von Zhong
sich das erste sichtbare Zeichen der Unordnung zeigt, also etwa und Liljenquist (2006): Probanden, die eigene Verfehlungen
ein zerbrochenes Fenster. erinnert hatten, waren zu 74 % bereit, einer anderen Person zu
Tatsächlich war diese Theorie lange Zeit nicht experimentell helfen. Nach dem Händewaschen reduzierte sich die Bereitschaft
belegt – die Studien von Keizer et al. (2008) liefern allerdings die auf 41 %.
nötigen Hinweise auf eine kausale Rolle der Unordnung. In meh- Wie oben bereits gesagt, kann Schmutz generell dafür ste-
reren Feldexperimenten beobachteten sie Personen in Umgebun- hen, dass etwas nicht in Ordnung ist und ein Problem besteht.
gen, die entweder durch Müll oder Graffiti verunreinigt waren Das impliziert auch die Umkehrbarkeit der Befunde von Lee und
oder nicht. So ragte in einem der Experimente aus einem Brief- Schwarz (2010). In der Tat können Marotta und Bohner (2013)
kasten ein Umschlag heraus, der offensichtlich Bargeld enthielt. zeigen, dass Dissonanz nicht nur „abgewaschen“, sondern auch
Wenn Müll um den Briefkasten herumlag, stahlen doppelt so „reingerieben“ werden kann. Ihre Probanden sollten ebenfalls
viele Personen den Umschlag als im Falle einer sauberen Um- zwischen zwei ähnlich bewerteten Produkten entscheiden. Da-
gebung. Den gleichen Effekt hatten Graffiti auf dem Briefkasten. nach sollten sie im Rahmen eines Produkttests entweder Rei-
Schmutz scheint demnach ein Signal und Auslöser für un- nigungstücher oder eine Schokoladenmaske bewerten. In einer
moralisches und normverletzendes Verhalten zu sein. Sauberkeit Bedingung desinfizierten sie sich mit den Reinigungstüchern die
löst erwartungsgemäß das umgekehrte Verhalten aus: In einer Hände, in einer anderen trugen sie die Schokoladenmaske auf
Umgebung, die leicht nach Zitrone riecht, kooperieren Personen den Handrücken auf. Im Vergleich zu einer Kontrollbedingung
122 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

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.. Abb. 6.2  a und b: Premium-Produkte versuchen sich von der Normalität abzuheben. Dies tun sie unter anderem, indem sie auch farblich einen möglichst
10 starken Kontrast darstellen – eben mit den Farben Schwarz (a) oder Weiß (b).

reduzierte die Reinigung der Hände wie erwartet den Effekt der dies für Produktpräferenzen, die Vorhersage von Aktienkursen
11 Dissonanz, das Beschmutzen der Hände dagegen verstärkte ihn. und Wetten. Beobachtungen über mehrere Jahre auf der Pferde-
Eine weitere moralische Metapher betrifft die Farben Schwarz rennbahn zeigen, daß an warmen Tagen häufiger auf den Favo-
12 und Weiß (Meier et al. 2004) bzw. hell und dunkel. Dunkelheit, riten gesetzt und damit die Mehrheitsmeinung befolgt wird als
selbst wenn sie nur symbolisch angedeutet wird (z. B. durch ge- an kalten.
tönte Brillengläser), aktiviert offenbar unehrliches und egoisti- Eine andere Dimension des taktilen Erlebens ist Härte, die
13 sches Verhalten (Zhong et al. 2010). Schwarze Kleidung erhöht bekanntlich ebenfalls metaphorische Bedeutung hat. Ackerman
die Bereitschaft zu aggressivem, durchsetzungsorientiertem Ver- et al. (2010) aktivierten diese Bedeutung, indem sie ihre Proban-
14 halten (Frank und Gilovich 1988). den auf harte oder weiche Stühle setzten. Dies hatte Einfluss auf
Im Produktbereich signalisiert Schwarz nicht unbedingt Ne- das Verhalten in einer Verhandlungssituation: Probanden, die auf
15 gativität oder gar Aggressivität. Schwarz ist vielmehr häufig die einem harten Stuhl saßen, verhandelten weniger nachgiebig als
Farbe für Premium-Produkte (siehe . Abb. 6.2). Um die Meta- Probanden auf einem weichen Stuhl. In einer ähnlich angelegten
phorik zu erläutern, die mit dieser Farbwahl einhergeht, weisen Studie zeigten sich entsprechende Effekte auch für die Zuweisung
16 Scheier et al. (2010, S. 53 ff) zunächst darauf hin, dass in man- von Strafen (Cherkasskiy et al. 2012; zit. n. Lee und Schwarz 2013).
chen Fällen auch Weiß als Premium-Farbe genutzt wird (siehe Gerüche haben ebenfalls metaphorische Bedeutung, die auch
17 . Abb. 6.3). Der mentale Code, der hierbei aktiviert wird, nutzt dann aktiviert wird, wenn der Geruch selbst nicht bemerkt wird.
die Tatsache, dass Schwarz und Weiß die beiden wichtigsten Im Englischen drückt der Begriff fishy aus, dass etwas nicht in
kontrastbildenden Farben sind – und das gilt nicht nur fürein- Ordnung, dass es suspekt ist und Misstrauen erregt. Tatsächlich
18 ander, sondern generell. Schwarz und Weiß aktivieren sozusagen vertrauen Personen anderen weniger (und investieren daher auch
Konzepte des Kontrasts, der Distanz, des Abgehobenseins, der weniger in eine eigentlich gewinnträchtige Spielsituation, bei der
19 Abgrenzung und damit auch der Exklusivität. der Gewinn aber zum Teil von der Kooperation des Mitspielers
Über die metaphorische Bedeutung von taktilen Erfahrun- abhing), wenn die Umgebung leicht nach Fisch riecht (Lee und
20 gen, so etwa physische Wärme, die auch menschliche Wärme Schwarz 2012). Umgekehrt induziert auch eine verdächtige Situ-
primt, habe ich bereits in ▶ Abschn. 2.5 gesprochen. Ebenso akti- ation die Illusion eines Fischgeruchs.
viert Wärme auch Vertrauen: Personen, die zuvor einen warmen Man möchte meinen, die metaphorischen Primes seien be-
21 Becher gehalten hatten, investierten mehr in ein Spiel, dessen sonders dort einflussreich, wo es keine andere Urteilsgrundlage
Gewinnchancen davon abhingen, dass der Mitspieler kooperierte gibt, wo wir also wenig wissen. In vielen Fällen ist Expertise je-
22 – sie zeigten also ein größeres Vertrauen in die Kooperationsbe- denfalls eher ein Faktor, der uns weniger beeinflussbar macht
reitschaft des anderen (Kang et al. 2010; zit. n. Lee und Schwarz (z. B. Petty und Cacioppo 1986). Dies scheint hier aber nicht der
2013). Die soziale Nähe, die durch Wärme kommuniziert wird, Fall zu sein, eher im Gegenteil: Ackerman et al. (2010) beispiels-
23 hat auch zur Folge, dass sich Entscheider in einer warmen Umge- weise fragten, wie viel die Regierung für bestimmte Themen aus-
bung eher einer Mehrheitsmeinung anschließen bzw. überhaupt geben sollte. Dabei variierte das Gewicht der Schreibunterlage,
die Urteile anderer für valide halten. Huang et al. (2014) zeigen die die Probanden hierzu in den Händen hielten – und ein hohes
6.2  •  Verhaltenssteuerung durch Priming
123 6

Gewicht des Clipboards erhöhte das Gewicht des Themas und vernünftigerweise mit Skepsis betrachten. Es ist sicherlich die
damit auch die Ausgaben. Allerdings galt dies nur für Themen, Gefahr, die sich in den Metaphern unserer Sprache verbirgt, die
von denen die Probanden zumindest ein wenig Ahnung hatten Wittgenstein (1984a) zu der viel zitierten Bemerkung veranlasst:
(z. B. Luftverschmutzung im Unterschied zu Regulierung der Fre- „Ein Bild hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn
quenzen für Radioübertragungen). es lag in unserer Sprache, und sie schien es uns nur unerbittlich
Chandler et al. (2012) ließen ihre Probanden Bücher bewer- zu wiederholen“ (PÜ § 115).
ten: Ein höheres Gewicht des Buchs gab auch dem Inhalt mehr
Gewicht. Dies galt aber ebenfalls nur für Probanden, die das
Buch bzw. die wichtigsten Grundzüge des Inhalts kannten. Mit 6.2.4 Das Priming von Zielen
anderen Worten: Wissen schützt hier keineswegs vor den Ein-
flüssen metaphorischer Primes. Die bislang zitierten Beispiele betreffen Fälle von Priming, die
Allerdings gibt es einen anderen Faktor, der die Effekte zum motivational weitgehend neutral sind. Eine besondere Spielart
Verschwinden bringen kann: Bewusstheit. Wer zum Beispiel der Verhaltenssteuerung durch Priming kommt hinzu, wenn
weiß, dass ein Gewicht in den Buchrücken eingeführt wurde, nicht etwa bloß Bedeutungen, soziale Stereotype oder Marken­
lässt sich nicht mehr von der taktilen Erfahrung beeinflussen. images aktiviert werden, sondern Ziele.
Generell gehören die Effekte metaphorischer Primes zu der Sicherlich werden Sie zustimmen, dass man in einer Biblio-
großen Klasse von Effekten, die unter Bewusstheit neutralisiert thek nicht laut sprechen sollte. Und sicherlich werden Sie, auch
werden können (siehe auch ▶ Exkurs 7.5). Wer sich den Einfluss ohne dabei viel nachzudenken, Ihre Stimme senken, wenn Sie die
des Prime vor Augen führt, sieht meist seine Irrelevanz für das Bibliothek betreten. Dies ist ein Beispiel dafür, dass eine physi-
konkrete Urteil bzw. Verhalten ein und unterdrückt die Einflüsse sche Umgebung nahezu automatisch ein einstellungskonsistentes
(Lee und Schwarz 2013). Verhalten hervorruft. Dies geschieht aber nicht durch die Umge-
Zu betonen bleibt zudem, dass Metaphern offensichtlich bung per se; Sie sprechen nicht leiser, wenn Sie das Bild einer Bib-
heterogene Bedeutungen haben (z. B. hoch und tief) und dass liothek sehen oder an dem Bibliotheksgebäude vorbeigehen. Erst
die Bedeutungen kulturabhängig schwanken. Die Ergebnisse wenn die Situation persönlich relevant wird (z. B. beim Betreten
zum Fischgeruch dürften Lee und Schwarz (2012) im deutschen der Räume), werden die Umgebungsreize wirksam. Dies zeigt
Sprachraum vermutlich nicht erzielen – und wenn doch, könnten sich in den Experimenten von Aarts und Dijksterhuis (2003).
sie sie nicht mit der entsprechenden Metapher erklären. Frank Ihre Probanden sahen Bilder einer Bibliothek, einer Kontroll-
und Gilovich (1988) heben hervor, dass ihre Befunde zur aggres- gruppe wurde ein Bahnhof präsentiert. In der Folge identifizier-
sionsfördern Wirkung schwarzer Kleidung nur für bestimmte ten Probanden, die zudem erwarteten, eine Bibliothek aufzu-
kulturelle Kontexte gilt: Schwarz hat nicht in allen Kulturen welt- suchen, normrelevante Wörter wie etwa „leise“, „flüstern“ oder
weit die gleiche Bedeutung, und auch innerhalb einer Kultur ist „still“ schneller als Wörter mit einer für die Norm irrelevanten
die Bedeutung unterschiedlich: Zwar erkennt man im Western Bedeutung. In einer weiteren Version des Experiments sollten die
die Bösen zuverlässig an ihren schwarzen Hüten, aber auch Per- Probanden die identifizierten Wörter aussprechen. Probanden,
sonengruppen, die eher für prosoziales Verhalten stehen, tragen die zuvor die Bibliotheksbilder gesehen hatten, sprachen leiser
schwarz – etwa als Ordenstracht. als Probanden in der Kontrollbedingung – aber nur, wenn sie
Metaphern sind in den gezeigten Kontexten sicherlich auch einen späteren Bibliotheksbesuch erwarteten.
nur ein wirksames Element unter mehreren. So wird man den Das Beispiel zeigt die automatische Aktivierung einer sozi-
Broken-Windows-Effekt vermutlich nicht ohne Bezug auf unter- alen Norm. Vermutlich hat die Adventsmusik in unseren Kon-
schiedliche soziale Normen verstehen (z. B. Cialdini et al. 1990; sumpalästen einen ganz ähnlichen Effekt: Sie zeigt nicht nur an,
Goldstein et al. 2008; siehe auch ▶ Abschn. 10.1.4). dass bald Weihnachten ist. Sie aktiviert auch die soziale Norm,
Die Bedeutung von Metaphern ist gleichwohl sehr groß und dass man Geschenke kaufen sollte. Die Umgebung sorgt dafür,
wird mit den angesprochenen Beispielen nicht annähernd ausge- dass das passende Ziel gleich mit aktiviert wird.
schöpft. Zu unserem metaphorischen Denken gehören zum Bei- Der automatische Charakter der Verhaltenssteuerung kann
spiel auch unser Verständnis von Zeit oder Aufmerksamkeit als also von Absichten und Zielen abhängen. Aktiviert wird eben
knappen Gütern (z. B. „Zeit ist Geld“, „Aufmerksamkeit schen- auch nur eine Verhaltensneigung, die auf passende Randbedin-
ken“; vgl. auch Lakoff und Johnson 1980); und solche Denkwei- gungen treffen muss. Andererseits aber lassen sich die erforder-
sen haben weiter reichende Konsequenzen, als dass sie mit den lichen Absichten und Ziele ihrerseits wieder automatisch akti-
verhaltenssteuernden Effekten des Primings in diesem Kapitel vieren. Zum Beispiel ist ein nicht bemerkter Zitrusgeruch ein
ausgeschöpft werden könnten. Prime für Sauberkeit. Personen nennen nach der Präsentation
Allerdings sollte man andererseits auch nicht immer allzu zum einen häufiger „Zimmer aufräumen“ als Aktivität nach dem
tiefe Einsichten hinter Metaphern vermuten. In vielen Fällen tra- Experiment, zum anderen hinterlassen sie auch einen saubereren
gen sie zum Verständnis einer Sache bei, und die hier berichte- Platz, wenn sie im Rahmen der Untersuchung stark krümelnde
ten Zusammenhänge liefern dafür ja auch Beispiele – zumindest Kekse bekommen haben (Holland et al. 2005). So gesehen spielt
was das Verständnis von Verhalten betrifft. Andererseits führen der blitzblank geschrubbte Boden im Supermarkt auch eine Rolle
sie aber auch oft in die Irre. Letztlich schaffen Metaphern vor für Ihre Entscheidung für das Putzmittel in Ihrem Einkaufswagen.
allem eine psychologische Realität. Ob sie uns darüber hinaus Es ist vielleicht nicht überflüssig zu betonen, dass der Ziel-
noch etwas über die Welt bzw. über uns offenbaren, sollte man begriff, der hier verwendet wird, nicht ganz der üblichen Ver-
124 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

Exkurs 6.1  Heavy Metal  |       | 


1
Von religiösen Fundamentalisten und sogar bringen. Die Eltern der Fans strengten einen Sowohl in den USA als auch in Deutschland

2 von Richtern wird unterschwellige Beeinflus-


sung wie eine erwiesene Tatsache behandelt.
Prozess gegen Judas Priest an. Der entschei-
dende Punkt in diesem Prozess war nun, ob
wurden bereits relativ kurz nachdem die Dis-
kussion über unterschwellige Beeinflussung
Dies beweist der Fall zweier junger ameri- man den Musikern unterschwellige Botschaf- aufkam, entsprechende Gesetze erlassen. In
3 kanischer Heavy-Metal-Fans. Einer beging
Selbstmord (Henry 1990; Pratkanis und Aron-
ten in ihren Stücken nachweisen kann, denn
eine überschwellige Botschaft mit dem Inhalt
seiner Reportage dieses Falls erklärt Henry
(1990): „researchers debate whether [visual
son 1992, S. 205), der andere gab nach einem „Das Leben taugt nichts, gib dir die Kugel …“ subliminal images] have any proven persua-
4 ersten missglückten Selbstmordversuch an, sie
seien durch die Texte der Gruppe Judas Priest
würde in den USA als eine Form der freien Mei-
nungsäußerung durch den ersten Artikel der
sive effect. The notion that auditory images
of this type could shape listeners’ behavior is
davon überzeugt worden, dass das Leben Verfassung geschützt. Als unterschwellige Dar- even more in dispute.“
5 nichts tauge und es besser sei, sich umzu- bietung wäre die Botschaft dagegen verboten.

6 wendung dieses Begriffs entspricht. Die hier diskutierten Ziele mit Freunden zu planen. Daran schloss sich die entscheidende
müssen selbstverständlich nicht bewusst repräsentiert sein – da- experimentelle Manipulation an: Ein Teil der Probanden plante
7 rin besteht ja ein wesentlicher Punkt der automatischen Verhal- für den Folgemonat noch einen Ferienjob, ein anderer Teil so-
tenssteuerung. Das ist bei dem Zielbegriff aus ▶ Abschn. 5.4 noch ziale Arbeit. Damit war für die erstgenannte Gruppe das Ziel
anders, und auch die zur Eigen- und Fremdmotivation so hilf- „Geldverdienen“ aktiviert. In der Folge hatten die Probanden eine
8 reiche Methode der Zielsetzung nach Locke und Latham (1990; weitere Aufgabe am Computer zu erledigen. Dabei wurde ihnen
vgl. auch Felser 2002) geht von einem anderen Zielbegriff aus. gesagt, dass – je nachdem wie schnell sie fertig seien – noch Zeit
9 Man kann ebenfalls fragen, ob nicht viele der Beispiele für sein könnte, eine Lotterie zu spielen, bei der es Geld zu gewinnen
Zielaktivierung nichts weiter sind als semantisches Priming. Be- gebe. Die Gruppe, bei der das Ziel „Geldverdienen“ aktiviert war,
10 trachten wir hierzu ein Experiment von Chartrand et al. (2008). strengte sich in der Computeraufgabe mehr an und war damit
Probanden sollten unzusammenhängende Wörter zu sinnvol- schneller fertig als die Kontrollgruppe.
len Sätzen umstellen. In den Sätzen kamen entweder Wörter In einem anderen Experiment lasen männliche Probanden
11 wie „Prestige“ und „teuer“ oder „einfach“ und „sparsam“ vor. eine Geschichte über einen Mann, der eine frühere Freundin
Diese Aktivierung beeinflusste die Produktpräferenz entweder trifft und sich eine Zeitlang mit ihr in einer Bar unterhält. In
12 in Richtung „teuer“ oder „günstig“. Nun ist es natürlich möglich, einer Untersuchungsbedingung fragt der Mann am Ende, ob er
dass durch die Präsentation der Prestige-Begriffe oder -Marken mit zu ihr nach Hause kommen kann. Diese Bedingung soll im-
nur das semantische Konzept aktiviert wurde – ohne jeden mo- plizieren, dass er die Nacht noch mit der Frau verbringen wird.
13 tivationalen Gehalt. Probanden denken eben für eine gewisse In der Folge können die Probanden einer später kommenden
Zeit bevorzugt in Begriffen, die zu teuren und prestigeträchti- Versuchsperson helfen, indem sie ihr etwas zu einer Aufgabe im
14 gen Produkten passen. Sie haben aber kein Bedürfnis danach Experiment erläutern. Die Probanden waren hilfsbereiter, wenn
bzw. verfolgen nicht das Ziel, sparsam oder luxuriös zu kaufen. diese Versuchsperson weiblich war. Die Erklärung für diesen
15 Wenn dies der einzige Effekt des Primings wäre, müsste sich der Effekt: Die Geschichte aktiviert das Ziel casual sex, und Hilfsbe-
Effekt relativ schnell abschwächen. Wenn jedoch ein Ziel oder reitschaft einer Frau gegenüber ist möglicherweise auf dem Weg
Bedürfnis aktiviert wurde, müsste sich der Effekt über die Zeit dahin instrumentell hilfreich.
16 sogar verstärken, sofern das Ziel nicht erreicht bzw. das Bedürfnis Die Studie zeigt, dass man das Ziel Geldverdienen unbewusst
befriedigt wird. aktivieren kann. Andererseits war aber auch von Bedeutung, dass
17 Chartrand et al. (2008) ließen ihre Probanden drei bzw. acht der zuvor mit den Freunden verbrachte Urlaub zu einem Defizit
Minuten nach der Priming-Episode aus unterschiedlich teuren in der Kasse führte, so dass von vornherein der nötige Motiva-
Produkten wählen. Stets wählten Probanden nach dem Sparsam- tionszustand herrschte. Dieser Punkt ist bei der Aktivation von
18 keits-Prime günstigere Produkte als nach dem Luxus-Prime – Zielen nicht ganz unwichtig: Viele Ziele haben nur dann einen
dieser Effekt war aber nach acht Minuten stärker als nach drei. In Belohnungswert, wenn ein bestimmtes Defizit vorliegt. Geldver-
19 einer anderen Bedingung hatten Probanden Gelegenheit, vor der dienen kann eines davon sein. Andere Ziele dagegen sind deut-
eigentlichen Wahlaufgabe eine Belohnung für das Experiment lich weniger auf Mangelzustände angewiesen, um belohnend zu
20 zu wählen. Hierbei konnten sie entweder günstige oder luxuri- wirken (Sex ist ein möglicher Kandidat hierfür).
öse Produkte (jeweils im selben Wert) wählen. Probanden, die Den Belohnungswert eines Ziels kann man jedenfalls nicht
auf diese Weise ihr Bedürfnis befriedigen bzw. ihr Ziel erreichen durch Priming herstellen; er muss bereits bestehen. So galt lange
21 konnten, zeigten in der folgenden hypothetischen Wahlaufgabe Zeit die Faustregel, dass unterschwelliges Priming nur dann er-
geringere Bevorzugung von Produkten, die zum Prime passten, folgreich ist, wenn die Stimuli auf entsprechende Motivationszu-
22 als Probanden, die nicht bzw. nur hypothetisch wählen konnten. stände bzw. Defizite treffen. Strahan et al. (2002) beispielsweise
Dies stützt weiterhin die Annahme, dass die Primes in der Tat präsentierten unterschwellig durstrelevante Stimuli. Später
Bedürfnisse und Ziele und nicht nur motivational neutrale Kon- konnten die Probanden in einem Produkttest Getränke probie-
23 zepte aktivieren (vgl. auch Chartrand und Bargh 1996). ren. Durst-geprimte Personen tranken mehr – allerdings nur,
In einem Experiment von Aarts et al. (2004) bestand die Auf- wenn sie auch tatsächlich längere Zeit nichts getrunken hatten.
gabe der studentischen Versuchspersonen darin, einen Urlaub Unabhängig von Mangelzuständen haben Ziele zum Beispiel
6.3  •  Beeinflussung durch unterschwellig präsentierte Stimuli
125 6

Exkurs 6.2  John Cleese  |       | 


In einem Kinospot für Schweppes tritt John a glass of the first nonalcoholic sparkling pes …“ Irritiert schaut John Cleese nach der
Cleese, ehemaliges Mitglied in Monty Python’s beverage that comes to mind. Whatever it may Wand, und sofort ist der Spuk wieder vorbei.
Flying Circus, in gewohnter Pose als würdi- be. Thank you. Ein wertvolles Gemälde, ein alter Meister, ver-
ger Herr in Anzug mit Krawatte hinter dem Zu Beginn seines Plädoyers sitzt John Cleese wandelt sich in einem unbemerkten Moment
Schreibtisch sitzend auf. am Schreibtisch. Er steckt seinen Kugelschrei- in eine Schweppes-Anzeige. John Cleese hat
Hello, I’m John Cleese and today I’m here to ber ins Jackett – und in dem Moment, in dem seine Rede gerade beendet, da neigen sich
address a very serious issue, an issue with a er sein Jackett öffnet, wird auf der Innenseite die Rollos am Fenster für einen Augenblick,
potential to affect us all: subliminal adverti- ein deutliches Schweppes-Emblem sichtbar. und eine große Schweppes-Werbung wird
sing – a very subversive technique which uses John Cleese knöpft sich wieder zu, und das sichtbar, von Lauflichtern umgeben, und eine
images flashed before our eyes that last only Bild ist verschwunden. Dann macht er es sich laute Werbemusik erklingt. John Cleese dreht
a split second but just long enough to imprint bequem. Er legt seine Füße hoch, so dass der sich verstört dem Fenster zu, die Rollos heben
in our vulnerable minds a product’s name. Zuschauer seine Sohlen von unten zu sehen sich, die Musik hört auf. Aber der Zuschauer
[…] So suddenly there we are in the market bekommt. Eine der beiden Schuhsohlen ent- sieht zum ersten Mal den Rücken des Redners
buying things like crazy without knowing why. hält die Abbildung einer Schweppes-Flasche. und erkennt darauf eine riesige Schwep-
Well, I say if an advertiser has something to say In aller Seelenruhe steht er wieder auf und pes-Flasche.
let him or her come right out and say it. The geht im Zimmer umher, während er weiterhin Tatsächlich setzt dieser Spot kein unterschwel-
thought that these people are hurting us with eindringlich in die Kamera spricht. Hinter liges, sondern ein überschwelliges Priming ein.
their hidden persuasions morally offends me. ihm hängen Jagdtrophäen an der Wand. Als John Cleese wollte keine Psychologievorle-
There I said what I came here to say. And now John Cleese eine kurze Redepause macht, sung halten, sondern einen Gag machen. Aber
there’s a film to be seen – or a „movie“ as you wenden sich die Tierköpfe der Kamera zu, und natürlich zeigt auch dieses Beispiel, welche
American persons call it. […] So sit back relax wie aus einem Mund rufen sie beschwörend Rolle die Idee der unterschwelligen Beeinflus-
and if I may be so bold try pouring yourself „Schweppes, Schweppes, Schweppes, Schwep- sung in einem populären Verständnis spielt.

dann einen Belohnungswert, wenn sie durch Erfahrung affektiv günstig, wenn man die wissenschaftliche Öffentlichkeit überzeu-
„aufgeladen“ wurden – eine solche Erfahrung vermittelt unter gen will.
anderem das evaluative Konditionieren (Custers und Aarts 2005; Frühe Versuche, unterschwellige Beeinflussung nachzuwei-
Veltkamp et al. 2011; siehe auch ▶ Abschn. 3.2 und 6.3.3). sen, hatten noch sehr unterschiedlichen Erfolg (für einen Über-
blick vgl. Brand 1978, S. 176 ff., Tab. 3; vgl. auch Moore 1982;
Holender 1986; Pratkanis und Greenwald 1988; Bornstein 1989b;
6.3 Beeinflussung durch unterschwellig Hawkins 1970; Beatty und Hawkins 1989; Mayer 1993; Theus
präsentierte Stimuli 1994). Während sich Experten stritten, erfreute sich das Konzept
der unterschwelligen Beeinflussung in der Öffentlichkeit großer
Die genannten Beispiele erinnern selbstverständlich an die alte Beliebtheit (▶ Exkurs 6.1 und 6.2). Die oben zitierten Beispiele
Diskussion um „gemeine Verführer“ und insbesondere um un- zeigen aber, dass Etliches von dem, was Vicary noch zu Unrecht
terschwellige Werbung. Der Gedanke, dass Werbung durch das reklamiert hat, aus heutiger Sicht tatsächlich möglich ist. Aller-
Phänomen der unterschwelligen Wahrnehmung profitieren dings ist eine Reihe von Restriktionen zu bedenken, die für die
könnte, beruft sich auf eine berühmt-berüchtigte Untersuchung Praxis nicht unwichtig sind.
des Marktforschers Vicary aus dem Jahr 1957. Es heißt, Vicary Bevor ich im Folgenden versuche zu zeigen, welchen Stellen-
habe in Absprache mit einem Kinobesitzer in New Jersey einen wert der mittlerweile schon traditionsreiche Gedanke der unter-
zweiten Projektor im Kino installiert. Während der Vorführung schwelligen Beeinflussung für uns hat, möchte ich zunächst den
des Films Picnic (1955) habe der zweite Projektor alle fünf Se- Begriff der Unterschwelligkeit selbst diskutieren.
kunden die Worte EAT POPCORN und DRINK COCA-COLA
auf die Leinwand projiziert. Die jeweilige Dauer der Projektion
soll zwischen 1/300 und 1/6000 Sekunde gelegen haben. Die Wi- 6.3.1 Wann sollte man von unterschwelliger
dersprüchlichkeiten in der angegebenen Darbietungsdauer gehen Wahrnehmung sprechen?
darauf zurück, dass Vicary selbst sich mit den Informationen zu
seinem Vorgehen sehr zurückgehalten hat und man daher auf ei- In der Forschungspraxis wird der Begriff der Unterschwellig-
nander widersprechende zusätzliche Quellen angewiesen ist (für keit unterschiedlich weit gefasst. In einem engen Verständnis ist
einen Überblick über die unterschiedlichen Angaben vgl. Brand mit Unterschwelligkeit die Darbietung unterhalb der absoluten
1978, S. 168, Tab. 2. Das Experiment zitiere ich nach Mullen und Reizschwelle gemeint (▶ Abschn. 2.1.1). Eine Reizdarbietung
Johnson 1990 sowie nach Brand 1978; vgl. auch Brooks 1958). Das unterhalb der Unterschiedsschwelle würde im selben Sinne als
Experiment sei über einen Zeitraum von sechs Wochen fortge- unterschwellig gelten (für ein Beispiel siehe ▶ Exkurs 6.3). Ein
führt worden. In dieser Zeit sei der Popcorn-Verbrauch um 18 % zweites, etwas weiteres Verständnis nennt auch solche Reizdar-
und der Coca-Cola-Verbrauch um 57 % gestiegen. bietungen unterschwellig, die zwar oberhalb der absoluten Reiz-
Leider sei Vicary nicht dazu bereit gewesen, wichtige Einzel- schwelle liegen, bei denen aber eine Identifikation des Reizes aus
heiten zu seinem Vorgehen zu veröffentlichen. Stattdessen habe anderen Gründen prinzipiell ausgeschlossen ist. Dies ist zum Bei-
er nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sein Vorgehen patentieren spiel gegeben, wenn der dargebotene Reiz von konkurrierenden
zu lassen (Brand 1978). Dieses Verhalten ist natürlich nicht sehr Maskierreizen umgeben ist, die den Zielreiz überlagern. Dabei
126 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

Exkurs 6.3  Kartoffelchips  |       | 


1
Unterschwellig im Sinne einer Wahrnehmung mochten die Chips der leichteren Packungen halb der Wahrnehmungsschwelle annehmen:

2 ▶
unterhalb der Unterschiedsschwelle (  Ab- deutlich weniger, gleichwohl bemerkten Ein nicht wahrnehmbarer Unterschied im
schn. 2.1.1) könnte man auch folgendes Wahr- sie den Gewichtsunterschied nicht. In jeder Gewicht hätte demnach eine unterschiedliche
nehmungsphänomen nennen: Naylor (1962) Packung waren stets die gleiche Sorte Chips. Beurteilung zur Folge gehabt. Untersuchun-
3 ließ seine Versuchspersonen Chipspackungen
von unterschiedlichem Gewicht beurteilen.
Wenn man nun nicht davon ausgeht, dass
Chips in Gesellschaft von 255 Gramm anderer
gen wie diese zählen nicht zu den typischen
Beispielen für eine unterschwellige Beeinflus-
Die vertraute Packung wog neun Unzen (etwa Chips objektiv anders schmecken, als wenn sung, sie haben allerdings in der Forschung
4 255 Gramm). Die Vergleichspackungen wogen
jeweils neun, acht (227 Gramm) und sieben
sie nur von 198 Gramm umgeben sind (mehr

hierzu in  Abschn. 19.2.3), dann kann man
zur unbewussten Wahrnehmung Tradition
(z. B. Peirce und Jastrow 1884; zit. n. Perrig
(198 Gramm) Unzen. Die Versuchspersonen hier eine Beeinflussung der Sympathie unter- et al. 1993, S. 57).
5
entstehen Interferenzen, die unter bestimmten Bedingungen eine das Herzinfarktrisiko und dem Zusammenhang zwischen Alko-
6 bewusste Reizaufnahme prinzipiell unmöglich machen. Beiden holismus und der Teilnahme am Vietnamkrieg (Trappey 1996).
Verstehensweisen ist gemeinsam, dass Personen die unterschwel- Die wenigen Arbeiten, die überhaupt als Argument für eine
7 lig dargebotenen Reize auch dann nicht wahrnehmen können, unterschwellige Beeinflussung herangezogen werden könnten,
wenn sie bewusst ihre Aufmerksamkeit darauf richten. berichten also von ausgesprochen kleinen Effekten.
Dies ist anders bei einer dritten Verstehensweise. Hier wird Moore (1982) unterscheidet zwischen „starken“ und „schwa-
8 mit unterschwelliger Darbietung nicht viel anderes gemeint als chen“ subliminalen Effekten. Ein starker Effekt wäre es, wenn
„beiläufige Darbietung“. Die so dargebotenen Reize können viel- eine unterschwellige Botschaft, die die Form eines direkten Be-
9 leicht jeder einzeln sehr wohl bewusst wahrgenommen werden. fehls oder einer Aufforderung hat, zu einer Ausführung dieses
„Unterschwellig“ werden sie allenfalls dadurch, dass sie nicht be- Befehls führt. Er resümiert, dass die Versuche, eine direkte Auf-
10 achtet werden. Man könnte also von einer Wahrnehmung unter- forderung über eine unterschwellige Botschaft auszusenden, fehl-
halb der „Aufmerksamkeitsschwelle“ sprechen. Schließlich findet geschlagen sind (vgl. auch Bornstein 1989b; Smith und Rogers
sich noch ein weiterer Wortgebrauch (z. B. Kellermann 1997), 1994). Anders ausgedrückt: Eine unterschwellige Botschaft wie
11 nach dem bestimmte Beeinflussungsstrategien „unterschwellig“ „Trink Coca-Cola“ oder „Iss Popcorn“ hat nach allem, was an
genannt werden, weil das dahinter stehende Prinzip nicht durch- Daten über derartige Effekte vorliegt, keine Aussicht auf Erfolg.
12 schaut wird. Damit wären die ursprünglichen Hoffnungen der Werbeindus-
Im Folgenden soll der Begriff der Unterschwelligkeit auf die trie, wie sie aus Vicarys zweifelhaftem Versuch hervorgegangen
reine Wahrnehmung, also auf die ersten beiden Verstehenswei- sind, auf Eis gelegt.
13 sen beschränkt bleiben. Nur unter diesem Begriffsverständnis ist Die Befundlage sieht anders aus, wenn man schwache subli-
das zentrale Kriterium erfüllt, nämlich, dass selbst dann keine minale Effekte betrachtet. Damit meint Moore (1982) eine unspe-
14 bewusste Wahrnehmung stattfindet, wenn die Rezipienten ihre zifische Aktivierung im Sinne eines Primings, die lediglich darin
Aufmerksamkeit auf die Reizdarbietung lenken. besteht, dass das Konzept für eine gewisse Zeit bevorzugt genutzt
15 wird. Dies funktioniert, ist aber von bestimmten Bedingungen
abhängig.
6.3.2 Können sich unterschwellige Reize Erstens sollte das aktivierte Konzept unter normalen Um-
16 auf unsere Absichten, Wünsche ständen deutlich weniger verfügbar sein. Man wird kaum einen
und Bedürfnisse auswirken? nennenswerten Priming-Effekt finden, wenn man „Hammer“
17 aktiviert und später Werkzeuge abfragt. „Hammer“ wird mit und
Die ersten Arbeiten zur unterschwelligen Beeinflussung kritisier- ohne Priming häufig als Werkzeug assoziiert. So erklärt sich ver-
ten das Konzept praktisch in Grund und Boden. Die Arbeit von mutlich auch der Befund, den Dijksterhuis et al. (2005) berichten.
18 Vicary (1957) erwies sich als Betrug. Versuche, ernsthaft eine Be- Nach einer Präsentation von „Cola“ für 15 Millisekunden tranken
einflussung durch unterschwellige Reize nachzuweisen, belegten die Probanden zwar mehr als in einer Kontrollbedingung ohne
19 eher die Wirkungslosigkeit solcher Methoden. Greenwald et al. Prime, sie wählten aber nicht häufiger Cola im Vergleich zu einer
(1991) untersuchten die Wirksamkeit von Selbsthilfekassetten, Gruppe mit dem neutralen Prime „drink“. Cola ist unter den
20 bei denen über unterschwellige Beeinflussung das Selbstwertge- Getränkemarken wohl ein zu geläufiger Name. Diese Geläufigkeit
fühl gehoben werden soll. Die Autoren fanden keinerlei Effekte, kann durch Priming nicht wesentlich gesteigert werden.
die über eine Placebowirkung hinausgehen würden. Zweitens: Bei der unspezifischen Aktivation wird zunächst
21 Egermann et  al. (2006) untersuchten die Wirkung unter- nur das aktiviert, was die Menschen ohnehin schon über das
schwelliger Botschaften in Musik auf die Wahl eines Mineral- Produkt wissen und denken, und das muss nicht unbedingt das
22 wassers und fanden keinerlei Effekt. Trappey (1996) unterzog sein, was der Hersteller wünscht. Wenn zum Beispiel Probanden
die wenigen seriösen Berichte über unterschwellige Werbung Cola für zu süß halten, dann werden sie keine Cola nehmen, um
einer Metaanalyse. Aus insgesamt 23 veröffentlichten Studien den Durst zu löschen. Karremans et al. (2006) konnten durch
23 ergab sich eine mittlere Effektstärke für die Beeinflussung ei- unterschwelliges Priming von Lipton Ice Tea die Wahl der Marke
ner Produktentscheidung durch unterschwellige Werbung von gegenüber einem Mineralwasser signifikant erhöhen. Hierzu
r = 0.0585. Diese Zahl liegt zwischen dem Effekt von Aspirin auf stellten sie jedoch in einer Voruntersuchung sicher, dass ihr Pro-
6.3  •  Beeinflussung durch unterschwellig präsentierte Stimuli
127 6

Exkurs 6.4  Beef  |       | 


Wie unterschwellig dargebotene Reize auf auszufüllen. In diesen Fragenbogen waren bereits existierende Bedürfnisse angestoßen.
Bedürfnisse wirken können, zeigt eine Un- Fragen nach ihrem Hungergefühl, ihrer Man muss allerdings hinzufügen, dass auf
tersuchung von Byrne (1959). Hier haben die Vorliebe für einen bestimmten Brotbelag eine entsprechende Kontrollfrage drei von
subliminal dargebotenen Stimuli Bedürfnisse sowie nach der Dauer seit der letzten Mahlzeit 108 Versuchspersonen angaben, sie hätten
anstoßen können, die es schon gab. Byrne eingestreut. Es zeigte sich, dass die Studen- während der Vorführung das Wort beef oder
(1959) zeigte Studenten in einer Lehrveran- ten, die die unterschwellige Darbietung beef beer wahrgenommen. Diese Personen wurden
staltung einen Film, in den im Abstand von miterlebt hatten, einen größeren Hunger zwar von der Auswertung ausgenommen. Es
sieben Sekunden für 1/200 Sekunde das Wort berichteten. Die Bedeutung von beef ist also fehlt aber eine Handhabe, um auszuschließen,
beef eingeblendet war. Nach der Vorführung aktiviert worden, allerdings nicht in einem dass auch die anderen Teilnehmer irgendet-
kamen „zufällig“ einige andere Studenten in eng semantischen, sondern eher in einem was gesehen hatten, ohne dass sie es später
den Hörsaal und baten die Kommilitonen, affektiv-motivationalen Sinn. Es wurden mitgeteilt hätten.
einen Fragebogen zum Gesundheitsverhalten weniger Bedeutungsstrukturen als vielmehr

dukt generell auch die Erwartung weckt, ein guter Durstlöscher Anreiz passende Motiv, hier also Durst, hat. Bemerkenswert an
zu sein. den Befunden von Winkielman et al. (2005) ist zudem, dass die
Drittens zeigt sich in Experimenten zum unterschwelli- Probanden die Stimmungsmanipulation durch die unterschwel-
gen Priming, dass Konsumverhalten nur dann unterschwellig lige Präsentation in keiner Weise bemerkten. Es fand sich keiner-
beeinflusst werden kann, wenn die dazu nötigen Bedürfnisse lei Hinweis darauf, dass die Probanden bewusst eine Stimmungs-
vorliegen. Einige frühe Experimente deuteten zwar darauf hin, veränderung erlebten.
daß mit unterschwelligem Priming ein Bedürfnis geweckt wer- Viertens schließlich ist zu bedenken, dass unterschwelliges
den könnte. In einem Experiment von Hawkins (1970) etwa Priming stark von der jeweiligen Sinnesmodalität abhängt. Üb-
berichteten Probanden nach der unterschwelligen Präsenta- licherweise geht man davon aus, dass der Prime nur auf der
tion von Coke von stärkerem Durst (ohne allerdings Coke auch Wahrnehmungsebene analysiert und seine abstrakte Bedeutung
tatsächlich häufiger zu wählen). Ähnliche Befunde berichten nicht stark elaboriert wird. Ausnahmen von dieser Regel finden
Spence (1964) für die Präsentation des Wortes „Cheese“ und beispielsweise Kouider und Dehaene (2009) in ihren Experi-
Byrne (1959) für „beef “ (siehe ▶ Exkurs 6.4). Tatsächlich muß menten zum Priming von Zahlen: Sie können zeigen, dass un-
es sich in diesen Fällen wohl immer um ein mindestens latent terschwellig präsentierte Zahlen ihren Wert (z. B. ob sie größer
vorhandenes Hungergefühl gehandelt haben – jedenfalls hängen oder kleiner sind als eine Referenzzahl) unabhängig von der
Priming-Effekte dieser Art davon ab, wie lange es her ist, daß Darbietungsform aktivieren. Allerdings waren die Priming-Ef-
die Probanden zuvor etwas gegessen haben. Auch der Effekt auf fekte auch in ihren Experimenten deutlich schwächer, wenn
die Produktwahl im Eistee-Experiment von Karremans et al. der Prime anders präsentiert wurde, als er nachher abgerufen
(2006) galt nur für Probanden, die auch durstig waren. In einer werden sollte. Insofern kann man für die Praxis durchaus re-
vergleichbaren Studie präsentierten Bermeitinger et al. (2009) sümieren: Wenn der Prime visuell präsentiert wurde, sollte er
unterschiedliche Phantasie-Logos für Dextrosepillen gemeinsam nicht auditiv, sondern eben auch wieder visuell abgerufen wer-
mit dem Begriff „Konzentration“. Gleichzeitig mussten die Pro- den. Man sollte also nicht visuell Coca-Cola präsentieren, dann
banden eine Konzentrationsaufgabe ausführen. Später konnten aber auditiv fragen, was der Proband zu trinken wüsche. Der
sie zwischen Pillen der beiden Phantasiemarken wählen. Auch Prime muss der mutmaßlichen Abrufsituation so ähnlich sein
hier zeigte sich ein spezifischer Effekt des Primings auf die Pro- wie möglich. Daher ist zum Beispiel das Logo meist ein besserer
duktwahl: Die Probanden wählten häufiger die Marke, die auch Prime als der Markenname.
präsentiert wurde; dies galt jedoch nur für Probanden, die die Der entscheidende Gedanke, der die unterschwellige Beein-
Konzentrationsaufgabe ausgeführt hatten, die also entsprechend flussung durch Priming so viel effektiver gemacht hat, war die
ermüdet waren. Berücksichtigung von Zielen, Bedürfnissen und Motiven bei den
Winkielman et  al. (2005) präsentierten ihren Probanden Rezipienten. Wichtig ist, dass man die Rezipienten in einem po-
für 13 Millisekunden ärgerliche oder fröhliche Gesichter. In der tentiell motivierten Zustand antrifft. Wenn man dann „das Eisen
Folge hatten die Versuchspersonen Gelegenheit, ein Getränk zu schmiedet, solange es heiß ist“ (Strahan et al. 2002), kann man
konsumieren. Personen, die die fröhlichen Gesichter gesehen sehr wohl unterschwellig Motive beeinflussen.
hatten, nahmen mehr von dem Getränk als Personen, denen Wenn man freilich die vorgestellten Einschränkungen ver-
die ärgerlichen Gesichter präsentiert wurden. In einer Variante anschlagt, dürfte unterschwelliges Priming nach wie vor für die
des Versuchs, in der die Probanden eine festgelegte Menge des praktische Anwendung eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Getränks bekamen, unterschieden sich die Probanden mit dem Die sicherlich berechtigten ethischen Bedenken zum manipu-
fröhlichen Prime von denen mit ärgerlicher Präsentation darin, lativen Charakter dieses Verfahrens müssen ebenfalls an der
dass erstere mehr für das Getränk zu zahlen bereit waren als letz- Tatsache relativiert werden, dass nichts aktiviert werden kann,
tere. Auch diese Effekte galten nur für durstige Probanden. Nach was nicht schon irgendwie mental präsent ist. Das schränkt die
der unterschwelligen Aktivierung eines positiven Affekts steigt Beliebigkeit des unterschwelligen Primings weiter ein: Man kann
also anscheinend der Anreizwert für das Getränk. Dies mündet nicht Bedürfnisse aktivieren, die ohne die Aktivierung nicht vor-
aber nur dann in ein Verhalten, wenn die Person auch das zum handen wären.
128 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

Exkurs 6.4  Wie wird unterschwellig konditioniert?  |       | 


1
Veltkamp et al. (2011) ließen ihre Probanden Die Unterschwelligkeit wurde hierbei nicht (z. B. „gut“, „schön“, „Freude“) oder ein neutrales

2 zunächst Cracker testen, was unweigerlich


Durst erzeugte. Ein Teil der Versuchspersonen
nur durch die kurze Darbietungszeit, sondern
auch durch die Präsentation von sogenann-
Wort (z. B. „daher“, „wenn“, „weil“).
Auf diese Präsentation (die insgesamt also
konnte nach dem Durchgang etwas trinken, ten Maskierreizen sichergestellt. Vor dem 780 Millisekunden dauerte) folgte in einigen
3 die anderen blieben einstweilen durstig. Im
nächsten Teil der Untersuchung führten die
neutralen Reiz wurde für 500 Millisekunden
eine zufällige Buchstabenfolge eingeblendet
Durchgängen der Punkt, der laut der Aufga-
benstellung von den Probanden identifiziert
Probanden eine Aufmerksamkeitsaufgabe am (z. B. HBSNPXR). Eine entsprechende Maske werden musste. Auch dieser Punkt wurde nur
4 Bildschirm aus, bei der sie Punkte identi-
fizieren sollten. Parallel hierzu wurden für
folgte auf den neutralen Reiz für 100 Millise-
kunden.
für 30 Millisekunden präsentiert, allerdings
folgte auf ihn kein Maskierreiz mehr, daher war
30 Millisekunden als neutraler Reiz die Wörter Danach erschien für 150 Millisekunden als er bewusst sichtbar.
5 „trinken“, „Glas“ oder „Wasser“ präsentiert. unkonditionierter Reiz entweder ein positives

6 6.3.3 Unterschwelliges Konditionieren ten, würde dieses Verhalten auch dann einen Belohnungswert
haben, wenn es gar keinen Mangelzustand behebt.
7 Gleichwohl: Unterschwellige Manipulation ist möglich, aller- An dieser Überlegung setzen die Experimente von Veltkamp
dings weniger mit den Mitteln des Primings, sondern eher durch et al. (2011) an. Die Autoren konditionierten bei ihren Proban-
das evaluative Konditionieren (z. B. Krosnick et al. 1992; siehe den positive Bewertungen für Wasser (zum Vorgehen siehe ▶ Ex-
8 auch ▶ Abschn. 3.2), denn hier ist die Beliebigkeit der Beeinflus- kurs 6.4). Diese Manipulation erhöhte bei einer folgenden Gele-
sung deutlich größer. Zum Ersten können allem Anschein nach genheit den Wasserkonsum, und zwar unabhängig davon, ob die
9 beliebige Markenimages konditioniert werden (z. B. Förderer und Probanden durstig waren oder nicht. In einer Kontrollbedingung
Unkelbach 2011), zum Zweiten sind die Effekte des evaluativen ohne evaluative Konditionierung hing der Wasserkonsum nach
10 Konditionierens sehr stabil. Konditionierte Markenbewertungen wie vor davon ab, ob die Probanden zwischenzeitlich ihren Durst
waren im Experiment von Grossmann und Till (1998) noch drei löschen konnten oder nicht.
Wochen nach der Konditionierung nachweisbar. Im ersten Experiment von Veltkamp et al. (2011) konnte ein
11 Zum Dritten schließlich ist das evaluative Konditionieren Teil der Probanden ihr Bedürfnis, den Durst, durch das Trin-
nicht auf einen Motivationszustand des Organismus angewiesen. ken von Wasser stillen. In einem zweiten Experiment bekamen
12 Was dies bedeutet, wird aus folgenden Überlegungen und Be- die Probanden eine andere, allerdings äquivalente Gelegenheit
funden deutlich: Die Eistee-Untersuchung von Karremans et al. hierzu: Sie sollten nach dem Konditionierungsdurchgang Gur-
(2006) oder die Dextrose-Experimente von Bermeitinger et al. kenscheiben essen. Da Gurken zu 96 % aus Wasser bestehen, nah-
13 (2009) zeigen, dass ein Verhalten nur dann durch unterschwel- men die Probanden dadurch ca. 200 Gramm Wasser zu sich, was
liges Priming aktiviert werden kann, wenn dieses Verhalten das Bedürfnis nach Wasser deutlich reduziert.
14 einen Mangelzustand des Organismus behebt. Für Probanden, Diese Manipulation sollte prüfen, ob das evaluative Konditi-
die nicht durstig oder erschöpft waren, war der unterschwel- onieren dem Wassertrinken einen eigenständigen, vom Durstlö-
15 lige Prime wirkungslos. Andere Befunde zum unterschwelligen schen unabhängigen Belohnungswert verschafft hat. Unter die-
Priming lassen sich allerdings nicht in diesem Sinne erklären. sen Umständen würde nämlich der Wasserkonsum auch dann
Zum Beispiel ist die Aktivation von Zielen und Verhaltensnor- hoch sein, wenn die Probanden durch die Gurken bereits Wasser
16 men in den Experimenten von Aarts und Dijksterhuis (2003) zu sich genommen hatten. Das Konditionieren hat das Verhalten
verhaltensrelevant, ohne dass man dabei unterstellen muss, die damit zumindest partiell von der eigentlichen Bedürfnisbefriedi-
17 Personen litten an einem Defizit an norm- oder einstellungskon- gung abgekoppelt. In der Tat reduzierte der Konsum der Gurken
sistentem Verhalten. die spätere Trinkmenge nur in der Probandengruppe, in der das
Um diese unterschiedlichen Effekte zu erklären, muss man Wassertrinken nicht evaluativ konditioniert wurde.
18 für jeden einzelnen Fall die Frage beantworten: Unter welchen Die Befunde von Veltkamp et  al. (2011) zeigen, wie die
Umständen hat das Verhalten, das angeregt werden soll, für vermeintlichen „geheimen Verführer“ tatsächlich wirken: Die
19 den Menschen Belohnungswert? Der Belohnungswert von geheime Verführung besteht darin, dass ein vormals neutrales
Wassertrinken beispielsweise steigt für den Organismus an, je Verhalten aus sich heraus einen Belohnungswert erhält. Wo dies
20 stärkeren Mangel an Wasser er erleidet. Im Sinne des operanten gelungen ist, wirkt in der Folge das Aktivieren dieses Verhaltens
Konditionierens könnte man sagen: Der Durst ist der diskri- durch Priming auch ohne den dazugehörigen Mangelzustand. Es
minative Hinweisreiz, der dem Organismus signalisiert, dass wird sozusagen unter allen Umständen positiv erlebt, das Ver-
21 das Trinken von Wasser (oder Eistee) belohnend wirkt. Somit halten zu zeigen, und diese Positivität ist auch spezifisch: Ein
ist das durstlöschende Getränk nicht unter allen Umständen anderes, ebenso zielführendes Verhalten hätte sie nicht, und wäre
22 gleich attraktiv. seinerseits wieder nur dann belohnend, wenn es einen Mangel
Dies gilt nicht unbedingt für unsere Einstellungen, denn sie behebt.
haben ihre positive Valenz relativ unabhängig von der Situation. Das bedeutet zweierlei: Wenn es einem Hersteller gelungen
23 Wenn es nun gelingt, ein bislang neutrales oder bedürfnisbefrie- ist, sein Getränk evaluativ zu konditionieren, dann hat zum einen
digendes Verhalten durch evaluatives Konditionieren aufzuwer- der Konsum des Getränks quasi immer Belohnungswert, auch
6.3  •  Beeinflussung durch unterschwellig präsentierte Stimuli
129 6

.. Abb. 6.4  Text zur Aufmerksamkeitssteuerung 2. (Aus Lindsay und Norman


1981, S. 224, Abb. 7.10)
.. Abb. 6.3  Text zur Aufmerksamkeitssteuerung 1. (Aus Lindsay und Norman
1981, S. 223, Abb. 7.9)
» it is important to note, that this model does not suggest that
a stimulus must be presented subliminally in order to produce
wenn der Konsument nicht durstig ist, und zum anderen kann der an enhanced mere exposure effect. In fact, the perceptual
Belohnungswert nicht von anderen Getränken übernommen wer- fluency/attributional model hypothesizes that the key variable
den. Damit ist eine der wichtigsten Quellen für Einstellungen, das underlying the enhanced mere exposure effects in [subliminal
evaluative Konditionieren, auch gleichzeitig einer der wichtigsten mere exposure] is not stimulus subliminality per se, but rather
Faktoren der unbewussten Beeinflussung und Manipulation. the subject’s lack of awareness of the relationship between
stimulus exposures and subsequent affect rating. (Bornstein
und D’Agostino 1994, S. 107; Hervorhebung GF)
6.3.4 Sind unterschwellige Effekte wirksamer
als überschwellige? Die Stabilität der Effekte liegt verhältnismäßig hoch. Bornstein
(1989b, S. 248) berichtet von einer Persistenz bis zu mehreren Tagen.
Es wäre nun noch zu fragen, wie mächtig diese Effekte sind. In vielen Situationen besteht zwischen der Stärke eines Reizes
Vom evaluativen Konditionieren wissen wir bereits, dass wohl und dem Effekt, den man mit diesem Reiz erzielt, eine eindeutige
generell die überschwelligen Varianten nach mehreren Kriterien positive Beziehung. Je mehr von dem Reiz geboten wird, desto
überlegen sind (▶ Abschn. 3.2). Auch bei anderen automatischen stärker der Effekt. Eine solche Denkweise ist in der Lernpsycho-
Prozessen wie etwa beim Mere-Exposure-Effekt, der uns ja durch logie (▶ Kap. 3) durchaus angemessen, nicht jedoch beim subli-
seine überschwelligen Varianten bereits als robust und wirksam minalen Priming. Hier zeigt sich, dass mitunter sehr schwache
bekannt ist, stellt sich die Frage: Bringt es etwas, auf unterschwel- Reizenergie genügt, um Effekte zu erzielen, die mit einer höheren
lige Beeinflussung zu setzen, wenn man dieselben Effekte im Dosierung genau derselben Reize nicht erreicht werden können.
Wesentlichen auch mit überschwelligen Reizen erreichen kann? Warum ist das so? Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass
Wie wir bereits betont haben, profitiert der Mere-Exposure-Ef- bei einer bewussten und aufmerksamen Reizverarbeitung be-
fekt ganz erheblich davon, wenn die Reizdarbietung ohne Auf- stimmte Kontrollprozesse einsetzen, die die Wirksamkeit eines
merksamkeit erfolgt. Bornstein (1989b, S. 244) betont: „There is Stimulus dämpfen können. So ein Mechanismus könnte zum Bei-
an inverse relationship between recognition accuracy and the spiel das bewusste Gegenargumentieren sein, das einsetzt, wenn
magnitude of the mere exposure effect.“ Nach seiner Metaanalyse man merkt, dass man überzeugt werden soll (▶ Abschn. 11.5 und
(Bornstein 1989a) sind daher Mere-Exposure-Effekte, die mit ▶ Kap. 14). Ein solcher Kontrollmechanismus kann aber auch
unterschwellig dargebotenem Material erzielt wurden, beinahe darin bestehen, dass man sich bewusst dem einflussreichen Reiz
fünfmal so stark wie überschwellig erzielte. aussetzen oder eben entziehen kann. Diese Kontrollmöglichkei-
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Bornstein (1989b, ten fallen bei einer nicht bewussten Reizdarbietung weg. Darin
S. 245 f) bei der Analyse zu der Aktivierung von Zielen, Wünschen liegt wohl ihre Wirksamkeit – und natürlich auch ihr praktisches
und Bedürfnissen: Unterschwellig dargebotenes Material zieht die Problem (siehe unten).
stärkeren Effekte nach sich. Allerdings muss man betonen: Es ist Ich möchte hier noch einmal auf die Reizverarbeitung unter-
nicht die Unterschwelligkeit, die für den stärkeren Effekt sorgt. halb der Aufmerksamkeitsschwelle zu sprechen kommen. Dazu
Worauf es ankommt, ist das Fehlen von Aufmerksamkeit bei der möchte ich zunächst ein Experiment vorschlagen: Betrachten Sie
Reizverarbeitung. Unterschwellige Mere-Exposure-Effekte sind einmal den Text in . Abb. 6.3. In diesem Text sind zwei Schriftar-
nicht deshalb besonders wirksam, weil sie unterschwellig sind, ten kombiniert. Einige der Wörter sind zudem kursiv gedruckt,
sondern weil durch die Unterschwelligkeit eine Reizverarbeitung andere nicht. Bitte lesen Sie jetzt laut alle nicht kursiven Wörter,
ohne Aufmerksamkeit sichergestellt ist. Wenn eine überschwel- ohne die kursiven zu beachten.
lige Reizverarbeitung keine Aufmerksamkeit erhält, hat sie daher Fertig? Sie werden feststellen, dass Sie sich an die kursiven
ungefähr die gleichen Aussichten auf Erfolg. Wörter nur sehr schlecht erinnern können. Haben Sie zum Bei-
Dieser Gedanke ergibt sich aus dem in ▶ Abschn. 4.7.1 ge- spiel bemerkt, dass jedes kursive Wort zweimal vorkommt? Den
schilderten Modell der Fehlzuschreibung einer Erinnerung meisten Personen fällt dies beim ersten Lesen nicht auf. Statt-
(. Abb. 4.3). Bornstein und D’Agostino (1994) sprechen von ei- dessen ist es Ihnen wahrscheinlich gelungen, ähnlich wie beim
nem „perceptual fluency/attributional model“. Damit meinen sie, Cocktailparty-Effekt (▶ Abschn. 2.7.1), das irrelevante Material
dass die besonders flüssige Informationsverarbeitung (perceptual aus Ihrer Aufmerksamkeit zu verbannen. Demnach hätten Sie
fluency) auf eine günstige affektive Haltung zurückgeführt (attri- also alles zurückgewiesen, was kursiv gedruckt ist. Lesen Sie jetzt
buiert) wird. Sie fahren fort: bitte den Text in . Abb. 6.4.
130 Kapitel 6  •  Automatische Handlungssteuerung von außen

Wenn Sie tatsächlich alles zurückweisen würden, was kursiv aufgenommene) Wörter zur bewussten Verarbeitung in die ar-
1 gedruckt ist, dann würde Ihnen auch entgehen, dass an der Stelle, tikulatorische Schleife des Arbeitsgedächtnisses eingelesen, was
an der der relevante Text in ein wirres Kauderwelsch übergeht, automatisch mit einem Wechsel der Sinnesmodalität einhergeht.
2 die eigentliche bedeutungsvolle Nachricht im kursiven Teil fort- Aus diesem Grund ist ein überschwelliges Priming in diesem
gesetzt wird. Tatsächlich entgeht das aber nur sehr wenigen Per- Punkt vermutlich robuster als ein unterschwelliges.
sonen, die meisten analysieren den kursiven Test mindestens so
3 weit, dass sie diesen Wechsel mitbekommen und automatisch in
den bedeutungstragenden Teil überwechseln. 6.3.5 Praktische Probleme
4 Treisman (1960) wies dieses Phänomen für das beidohrige einer unterschwelligen Reizdarbietung
Hören nach. Ihre Versuchspersonen sollen einen Text nachspre-
Technische Fragen
5 chen, der über Kopfhörer auf einem Ohr präsentiert wird, wäh-
rend auf dem anderen sinnfreies Material präsentiert wird. Der Die absolute Reizschwelle ist definiert als diejenige Reizstärke,
Text des beachteten Kanals geht unvermutet in den Unsinnstext die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % entdeckt wird. Sie ist
6 des anderen Kanals über, und der bislang nachgesprochene Inhalt überdies nicht bei allen Personen und unter allen Umständen
wird auf dem nicht beachteten Ohr fortgeführt. Der semanti- gleich (▶ Abschn. 2.1.1). Um hinreichend sicher unterschwel-
7 sche Schwenk auf den nicht beachteten Kanal wird von vielen lig zu liegen, muss man also offenbar die absolute Reizschwelle
Versuchspersonen bemerkt, einige folgen sogar, ohne es zu mer- erheblich unterschreiten. Im visuellen Bereich werden Darbie-
ken, der Bedeutung und widmen nun die Aufmerksamkeit dem tungszeiten zwischen vier (z. B. Bornstein 1989b) und 13 Mil-
8 anderen Ohr. Obwohl in Treismans Arbeit nur 6 % der Proban- lisekunden (Winkielman et  al. 2005) verwendet. Allerdings
den tatsächlich beim Sprechen den Kanal wechselten, war doch sind auch diese Zahlen noch eher vage, denn die Wahrneh-
9 der Nachweis dieser Tatsache allein bahnbrechend. Treismans mungsschwelle für kurze visuelle Signale variiert stark mit der
Untersuchung kann als der erste experimentelle Beleg für eine Umgebungsbeleuchtung oder mit anderen Kontextreizen, die
10 unbewusste Informationsverarbeitung gewertet werden (Bargh die unterschwelligen Stimuli maskieren können (z. B. Moore
1996, S. 175). 1982).
Dieses Experiment funktioniert mit überschwellig dargebote- Es ist auch möglich, dass bestimmte Erwartungshaltungen
11 nen Reizen und hat damit keines der praktischen Probleme, die den Abruf der Reizinformation erleichtern. Beispielsweise ist
uns im Folgenden noch beschäftigen werden (▶ Abschn. 6.3.5). die Erwartung bei Werbespots, mit Produkten konfrontiert zu
12 Es veranschaulicht (hoffentlich), dass nicht beachtete Informati- werden, sehr hoch, so dass eine tatsächliche Konfrontation ins-
onen auch tatsächlich nicht bewusst erinnert, aber trotzdem bis gesamt leichter registriert wird und daher auch keine so starke
zu einem gewissen Grade semantisch analysiert werden. Reizenergie voraussetzt. Schließlich muss sich die Annahme
13 Die genannten Argumente sprechen also nicht unbedingt unterschwelliger Wahrnehmung zum Beispiel dagegen durch-
dafür, dass unterschwellige Präsentationen einer überschwel- setzen, dass die Versuchspersonen eventuell Teile des Reizes
14 ligen überlegen sind, jedenfalls nicht generell und „als solche“. wahrgenommen haben und daraufhin den vollständigen Reiz
Das nun folgende Argument bekräftigt diese Folgerung: Oben leichter assoziieren.
15 habe ich betont, dass für den Abruf eines unterschwellig akti- Technisch ist zu fragen, ob die zur Verfügung stehenden
vierten Konzepts nicht die Sinnesmodalität gewechselt werden Medien (Fernseh- oder Computermonitore; eventuell zugehö-
darf, dass man Coca-Cola also nicht visuell präsentieren, dann rige Internetverbindungen) zuverlässig eine Kurzeinblendung
16 aber auditiv abfragen soll, was der Proband trinken möchte. von vier bis fünf Millisekunden zulassen. Dabei ist weiterhin
Diese Einschränkung gilt interessanterweise nur für unter- zu bedenken, dass die Umgebungsbeleuchtung eine entschei-
17 schwelliges, nicht aber für überschwelliges Priming (vgl. auch dende Rolle für die Wahrnehmung von kurzen Flimmerepi-
Fennis und Stroebe 2010). Dies lässt sich mit dem Funktionie- soden spielt.
ren des Gedächtnisses erklären. Heutige Vorstellungen vom Ge- Diesen Problemen steht die eine zentrale Erkenntnis ent-
18 dächtnis (z. B. Baddeley 2009; siehe auch ▶ Kap. 4) stellen sich gegen (hier in den Worten von Bargh 1996, S. 172): „it is […]
Erinnerungsprozesse nicht als Auffinden einer Gedächtnisspur lack of awareness of the effect of a stimulus – not awareness of
19 vor, sondern eher als das Wiederholen einer Aufgabe, die man the stimulus itself (subliminality) – that is the critical variable in
früher schon einmal geleistet hat. Je ähnlicher sich die dazu er- determining how a person will react to it.“ Es geht also ohnehin
20 forderlichen Prozesse sind, desto einfacher fällt diese Wiederho- nicht darum, Stimuli so darzubieten, dass niemand sie wahr-
lung. Nun sind die Prozesse beim unbewussten bzw. impliziten nehmen kann, sondern darum, ob wir die Stimuli aufmerksam
Erinnern und beim unterschwelligen Priming in erster Linie verarbeiten und ob wir ihren Effekt vorhersagen können. Wird
21 „datengetrieben“, das heißt, es geht im Wesentlichen darum, eine dieser beiden Fragen mit „nein“ beantwortet, sind die Ef-
den Zielstimulus auf perzeptueller Ebene zu (re)konstruieren. fekte überschwellig dargebotener Reize genauso stark wie die der
22 Der abgerufene Stimulus sollte also genauso aussehen oder sich unterschwelligen.
genauso anhören wie der Prime, dann funktioniert die unbe-
wusste Erinnerung. Die bewussten Abrufprozesse dagegen sind Ethische Fragen
23 verhältnismäßig unsensibel gegenüber Veränderungen in der Die Tatsache, dass man sich unterschwelliger Beeinflussung nicht
Sinnesmodalität. So werden zum Beispiel gelesene (also visuell erwehren, ja dass man sich unterschwelliger Reizdarbietung
6.3  •  Beeinflussung durch unterschwellig präsentierte Stimuli
131 6

nicht einmal entziehen kann, begründet ein ethisches Problem. Empfänger der unterschwelligen Reizdarbietung fehlt prinzipi-
Dieses Problem kann hier nur kurz angerissen werden, und so ell jede Kontrollmöglichkeit. Daher gibt es für den Rezipienten
soll es genügen, wenn wir ein Argument von Bornstein (1989b auch keinen „vernünftigen Umgang“ mit der Botschaft. Er ist
S. 255 f.) zurückweisen. Bornstein erinnert daran, dass auch an- völlig auf seine Automatismen zurückgeworfen. Er ist über-
dere psychologische Beeinflussungsmechanismen ohne bewusste haupt nicht mehr als Rezipient im eigentlichen Sinne anzuse-
Kontrolle ablaufen. Unsere eigene vorangegangene Diskussion hen, jedenfalls nicht als ein Rezipient, der eine freie Meinungs-
ist dafür ein gutes Beispiel: Effekte des impliziten Erinnerns, der äußerung entgegennimmt. Daher kann eine unterschwellige
Mere-Exposure-Effekt, verschiedene Arten des Primings und de- Reizdarbietung auch nicht durch das Recht auf freie Meinungs-
ren Einflüsse auf Urteile und Bewertungen funktionieren immer äußerung geschützt werden.1 Es ergibt sich also eine Reihe von
dann am besten, wenn die Rezipienten von diesen Einflüssen ethisch bedeutsamen Folgen aus der Unterscheidung zwischen
nichts wissen. prinzipiell und „zufällig“ unkontrollierbaren Beeinflussungs-
Bornstein ist der Ansicht, eine unterschwellige Beeinflus- prozessen.
sung sei nichts wesentlich anderes: In allen Fällen werde der
Rezipient beeinflusst, ohne dass er etwas dagegen unternehmen
könne. Um die versprochene Kürze einzuhalten, möchte ich
hier nicht diskutieren, welche ethischen Probleme es aufwirft,
wenn man einen Beeinflussungsversuch geradezu auf der Unauf-
merksamkeit der Rezipienten aufbaut. Es liegt aber zwischen den
oben diskutierten Mechanismen und der Beeinflussung unter-
halb der Wahrnehmungsschwelle ein erheblicher Unterschied:
Die Beeinflussung unterhalb der Wahrnehmungsschwelle will
es dem Rezipienten prinzipiell unmöglich machen, die Mecha-
nismen der Beeinflussung zu durchbrechen. Damit geht aber
die gesamte Verantwortung für eine mögliche Beeinflussung an
den Absender.
Das ist bei anderen Arten der Beeinflussung anders. Wir
haben in den meisten Fällen eine Vorstellung von einer „reifen“
Art, mit solchen Beeinflussungsversuchen umzugehen (siehe
auch ▶ Abschn. 14.3.2). Gerade im Zusammenhang mit Wer-
bung werden die meisten Menschen eine Vorstellung davon ha-
ben, wie man vernünftigerweise mit Werbung umgehen soll, wie
ein erwachsener Mensch sie verstehen, vor allem aber, wie er sie
nicht verstehen sollte. Dies zeigt bereits, dass die Beeinflussung
durch Werbung in den üblichen Fällen nicht allein eine Sache
der Werbungtreibenden, sondern zum Teil auch des Publikums
ist. Damit ist nicht gesagt, dass diese Beeinflussung über jeden
Zweifel erhaben wäre. Damit ist nur gesagt, dass sie ethisch an-
ders zu bewerten ist als eine gezielte Manipulation oder eine
Gehirnwäsche.
Die hier über weite Strecken diskutierten Prozesse der au-
tomatischen, nicht bewussten Informationsverarbeitung lie-
gen bereits an der Grenze. Die meisten von uns würden sich
wohl nicht wünschen, bei ihrem Verhalten allen möglichen
Priming-Effekten oder dem Mere-Exposure-Effekt zu erliegen.
Wir können zwar mit Sicherheit sagen, dass in normalen, unbe-
wachten Alltagssituationen auch wir „aufgeklärten“ Konsumen-
ten von diesen Prozessen beeinflusst werden. Aber immerhin 1 Das Argument hierfür ist nicht, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung
erlischt, wenn man es für so schäbige Dinge wie unterschwellige Beein-
gibt es prinzipiell einen Ausweg: Wer seine Aufmerksamkeit
flussung gebraucht. Vielmehr muss, wie oben angedeutet, bezweifelt wer-
auf die beeinflussenden Prozesse richtet, kann vieles daran den, dass für die Meinungsäußerung ein Empfänger vorhanden ist, der die
kontrollieren und neutralisieren. Die Unkontrollierbarkeit der Meinungsäußerung als solche versteht. Dieser Empfänger fehlt hier auch
oben beschriebenen automatischen Prozesse ist also in gewisser nicht zufällig, sondern prinzipiell. Betrachten wir einen ähnlichen Fall, in
Hinsicht nur ein „Zufall“, da sie in Grenzen wieder neutralisiert dem ebenfalls der Empfänger fehlt: Eine Person, die gegen eine nackte
Wand spricht, besitzt zwar ein Recht auf freie Meinungsäußerung, sie übt
werden kann.
es aber nicht aus, indem sie gegen die nackte Wand spricht. Die Berufung
Hier liegt der entscheidende Unterschied, der es nötig auf das Recht auf freie Meinungsäußerung ist hier nicht unzulässig, sie ist
macht, eine eventuelle unterschwellige Beeinflussung anders zu unsinnig. Dieses Argument gilt übrigens auch für die Werbung vor Kindern
behandeln als andere Mechanismen der Beeinflussung. Dem (Felser 1994).
133 7

Prinzipien der sozialen


Urteilsbildung
Georg Felser

7.1 Metakognitionen – 134
7.1.1 Die Verfügbarkeitsheuristik – 135
7.1.2 Subjektive Theorien – 135
7.1.3 Konsumrelevante Effekte der Verarbeitungsflüssigkeit  –  136
7.1.4 Stimmung als Information  –  137

7.2 Effekte der psychologischen Distanz  –  138


7.2.1 Ebenen der mentalen Abstraktion  –  138
7.2.2 Konsumrelevante Effekte der psychologischen Distanz  –  139

7.3 Kontexteffekte – 141
7.3.1 Empfehlungen zur Erzeugung von Kontrasteffekten  –  142
7.3.2 Priming und Kontexteffekte in Werbung und Konsum  –  150

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
134 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

Zusammenfassung: sowohl die Gedächtniswirkung eines Satzes als auch seine Plau-
1 1. Urteile und Entscheidungen werden durch das subjektive Erle- sibilität. McGlone und Tofighbakhsh (2000) ließen Probanden
ben der Informationsverarbeitung beeinflusst. Dieses Erleben den Wahrheitsgehalt von Redensarten und Aphorismen beur-
2 zeigt sich als eine Metakognition, also als Kognition über eine teilen. Aussagen, die sich reimten, wurden für zutreffender ge-
Kognition. Zum Beispiel wird das Erleben einer einfachen, flüssi- halten als Formulierungen mit gleicher Bedeutung, die sich aber
gen Informationsverarbeitung als Hinweis auf hohe Bedeutung nicht reimten (z. B. „What sobriety conceals, alcohol reveals vs.
3 oder Wahrheit der verarbeiteten Inhalte gedeutet. unmasks“).
2. Die bloße Tatsache, dass eine Absicht erfragt wurde, hat einen Wahrheit steckt nicht nur in der sprachlichen Form von In-
4 Einfluss auf das tatsächliche Verhalten. formationen, sondern auch in der visuellen: Reber und Schwarz
3. Objekte und Ereignisse können psychologisch unterschiedlich (1999) zeigten ihren Probanden Aussagen der Form „Osorno
5 nah oder fern erscheinen. Die wichtigsten Dimensionen psycho- liegt in Chile“. Dabei variierten die Farben der Präsentation von
logischer Distanz sind zeitliche, räumliche oder soziale Nähe so- schwer bis leicht lesbar. Die Probanden sollten die Plausibilität
wie Wahrscheinlichkeit. der Aussagen bewerten: Leicht lesbare Aussagen wurden signifi-
6 4. Psychologisch ferne Objekte sind abstrakt repräsentiert, psycho- kant häufiger für wahr gehalten als schwer lesbare.
logisch nahe dagegen konkret. Die unterschiedliche Abstrakt- Die Beispiele zeigen, dass in die Bewertung einer Information
7 heit hat Folgen für die Informationsverarbeitung. So werden nicht nur ihr Inhalt einfließt, sondern auch das Erlebnis ihrer
Entscheidungen in psychologisch großer Distanz (z. B. über zu Verarbeitung. Was leicht zu verarbeiten ist, wird zum Beispiel
eher für wahr gehalten. In einem allgemeinen Sinne kann man
8 weit in der Zukunft liegende oder noch unsichere Ereignisse) vor
allem auf der Basis übergeordneter Wertvorstellungen getroffen. festhalten: Das Erlebnis der Informationsverarbeitung ist selbst
Entscheidungen für psychologisch nahe Ereignisse werden stär- wieder eine Information und wird in Urteile und Entscheidungen
9 ker von Details der Umsetzung und Machbarkeit beeinflusst. integriert.
5. Werturteile werden dadurch beeinflusst, welche Kontextinfor- Wenn wir – bewusst oder unbewusst – bemerken, dass Reime
10 mationen zum Zeitpunkt des Urteils besonders leicht abgeru- und rhythmische Sprache leichter zu verarbeiten ist als normale
fen werden. In der Regel werden die Eigenschaften der Kon- Prosa, dann würde man dies als eine Metakognition bezeichnen
textinformation auch den Zielreizen zugeschrieben, über die (Schwarz 2004; Yzerbyt et al. 1998). Eine Metakognition ist –
11 das Werturteil abgegeben wird. In bestimmten Fällen werden wie der Name sagt – eine Kognition über eine Kognition. Ein
die Kontextinformationen aber auch als Maßstab betrachtet. In besonders einfaches Beispiel wäre etwa die Überzeugung „Ich
12 diesen Fällen werden die Zielreize mit der Kontextinformation habe ein gutes Gedächtnis“. Bereits eine solche Metakognition
kontrastiert. hat einen Einfluss auf das, was wir glauben und nicht glauben.
Ich erinnere hier an die Untersuchung von Förster und Strack
13 6. Neue Produkte stehen fast immer im Kontext einer herstellen-
den Firma, einer Marke oder Produktlinie oder der konkurrieren- (1996; ▶ Abschn. 4.3.1): Wenn Personen Musik hören und da-
den Produkte. Wie Produkte in ihrem Kontext wahrgenommen bei glauben, Musik verbessere ihre Erinnerungsleistungen, dann
14 werden, ist nicht so sehr eine Frage von Ähnlichkeit zwischen lassen sich nicht so leicht falsche Erinnerungen einreden. Wenn
Produkt und Marke oder Produkt und Konkurrent. Die entschei- sie dagegen glauben, Musik verschlechtere die Erinnerung, sind
15 dende Frage ist vielmehr, wie Produkt, Marke und Konkurrent sie beeinflussbarer.
kategorisiert werden – Ähnlichkeit und Unähnlichkeit sind le- Subtiler sind freilich Metakognitionen, die sich auf die Flüs-
diglich Folgen der Kategorisierung. sigkeit einer Informationsverarbeitung beziehen, wie etwa beim
16 7. Das Produkt wird in der Wahrnehmung an Objekte aus der eige- Verarbeiten von Reimen. Hier gibt es nicht so leicht einen guten
nen Kategorie assimiliert und von Objekten aus fremden Kate- Grund, einer Information deshalb zu trauen, weil sie gereimt ist
17 gorien kontrastiert. (im Vergleich etwa dazu, etwas nicht zu glauben, weil man sich
nicht daran erinnert). Daher verschwindet der Effekt auch, wenn
Nicht die objektiven Eigenschaften der Objekte bestimmen un- man die Aufmerksamkeit auf die äußere Form richtet. Im Expe-
18 sere Wahrnehmung und Bewertung, sondern die Architektur riment von McGlone und Tofighbakhsh (2000) wurde ein Teil
unserer Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse. Dieser Ge- der Probanden angehalten, die „poetische Qualität“ der Sätze
19 danke ist schon in den vorausgegangenen Kapiteln angeklungen, zu beurteilen, In dieser Gruppe blieb der Vorteil für gereimte
im Folgenden wird er anhand von drei zentralen sozialkognitiven Aussagen aus. Anscheinend ist durch die Instruktion die Form in
20 Prinzipien beispielhaft vertieft. den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, und damit wurde auch
deren Irrelevanz für den Wahrheitsgehalt bewusst.
In ▶ Abschn. 4.7.1 (insbesondere . Abb. 4.3) habe ich die Ef-
21 7.1 Metakognitionen fekte des impliziten Erinnerns mit dem subjektiven Erleben einer
hohen Verarbeitungsflüssigkeit erklärt (Bornstein und D’Agos-
22 „Haribo macht Kinder froh – und Erwachs’ne ebenso.“ Stimmt tino 1994). Auch diese Erklärung beruht natürlich auf einer Me-
das denn? Sicher kann man immerhin eines sagen: Diese Be- takognition. Menschen erleben bei wiederholter Begegnung mit
hauptung ist in der üblichen Form plausibler, als wenn der Slogan einem Reiz die Informationsverarbeitung als flüssiger – das ist
23 lauten würde: „Haribo macht Kinder glücklich und Erwachsene die Metakognition – und missdeuten diese Flüssigkeit, indem sie
übrigens auch.“ Stilmittel wie rhythmische Sprache (Reece et al. sie statt auf die frühere Reizbegegnung auf andere Eigenschaften
1994) und Reime (McGlone und Tofighbakhsh 2000) erhöhen des Reizes attribuieren.
7.1 • Metakognitionen
135 7

Exkurs 7.1  Ein Rat für die Praxis: Beharren Sie auf Ihrem Standpunkt  |       | 
Auch bei der Frage, welche Meinung in einer hat es, wenn ein einziges Gruppenmitglied Meinung keineswegs deshalb populär, weil
Gruppe wichtig ist und befolgt werden soll, die Meinung nur immer wieder wiederholt sie von derselben Person ständig wiederholt
wird auf Basis der Verfügbarkeit entschieden. (Weaver et al. 2007). wird. Offenbar ist die entscheidende Größe die
Dabei kommt es aber nicht darauf an, dass Eine Meinung für populär zu halten, weil viele erlebte Verarbeitungsflüssigkeit – woher auch
möglichst viele Mitglieder der Gruppe die Personen sie vertreten, wäre ein durchaus immer sie kommt.
Meinung vertreten. Genau denselben Effekt vernünftiger Schluss. Dagegen ist eine

7.1.1 Die Verfügbarkeitsheuristik wenige Gründe nennen sollen (Wänke et al. 1996). Der Effekt
liegt in der Tat im subjektiven Erleben einer zähen Verarbeitung:
Wie würden Sie folgende Aufgabe lösen (Tversky und Kahneman Außenstehende finden nämlich die Liste mit den sieben – müh-
1973): Ist es wahrscheinlicher, dass ein zufällig gezogenes Wort sam generierten – Argumenten überzeugender als die Liste mit
K als ersten oder K als dritten Buchstaben hat? Wie die meisten drei Gründen (Wänke et al. 1996).
Menschen kennen auch Sie vermutlich keine Statistik über die Die Regel hinter diesem Effekt bestätigt offenbar: „Weniger
Häufigkeit von Buchstaben in Wörtern. Bei einer Aufgabe wie ist mehr.“ Zumindest wenn man Informationen selbst generieren
dieser fragen Sie sich also: „Wie viele Wörter fallen mir ein, die soll, führt eine hohe Menge eher zur Abwertung. Dieser Effekt ist
diesem, wie viele, die jenem Kriterium genügen?“ Sie beginnen vielfach repliziert (für einen Überblick vgl. Schwarz 2004, S. 334):
zu grübeln, welche Wörter K als dritten Buchstaben haben, und Wenn Sie wenige Beispiele oder Argumente generieren sollen,
während Ihnen laufend Wörter mit K als erstem Buchstaben dann schätzen Sie Ihren Fahrradgebrauch als häufiger ein, mögen
einfallen, will es mit den anderen Beispielen nicht recht funk- Sie Politiker lieber, trauen Sie einer Geldanlage eher oder schät-
tionieren. Diese „Ladehemmungen“ beim Generieren von Bei- zen Sie Ihre Risiken höher ein, als wenn Sie viele Informationen
spielen nehmen Sie nun als Zeichen, nach dem Motto: „Wenn generieren sollen. Eine kurze Liste von Risiken ist leicht zu gene-
es mir schon so viel schwerer fällt, mir Beispiele auszudenken, rieren – und diese Erfahrung wertet die gefundenen Punkte auf.
dann muss es auch weniger Wörter mit K als drittem Buchsta- Eine lange Liste dagegen fällt schwer, und in der Folge halten Sie
ben geben.“ Sie haben dabei also gleichsam Ihre eigene kognitive die Risiken für weniger repräsentativ oder wahrscheinlich und
Verarbeitungsflüssigkeit beobachtet und daraus Schlüsse für die werden – auch wenn Sie echte und realistische Risiken generiert
Beantwortung der Frage gezogen. haben – unvorsichtig.
Dieses Verfahren wenden Sie öfter an, als Sie vielleicht mei- Dieser Effekt hat auch gedächtnispsychologische Folgen:
nen. In der Regel führt es auch zu recht guten Ergebnissen, al- Ereignisse erscheinen subjektiv weiter entfernt, wenn man viele
lerdings nicht im genannten Beispiel: Zumindest im Englischen Details erinnern muss. Probanden, die aufgefordert wurden, zwei
gibt es dreimal mehr Wörter mit K als drittem Buchstaben als Details zum Bombenattentat von Oklahoma City zu erinnern,
Wörter mit K als erstem Buchstaben. So führt die Anwendung schien das Ereignis kürzer zurückzuliegen als Probanden, die
der Verfügbarkeitsheuristik in manchen Fällen zu unkorrekten zehn Details erinnern sollten (zit. n. Schwarz 2004, S. 335; für
Ergebnissen. weitere Beispiele siehe ▶ Abschn. 9.1.1).
Die geistige Verfügbarkeit einer Information selbst wird also
als Indikator für andere Merkmale betrachtet. Die Tatsache, dass
uns etwas schnell und ohne viel Nachdenken in den Sinn kommt, 7.1.2 Subjektive Theorien
kann als Beleg für viele wichtige Eigenschaften erlebt werden,
etwa dafür, dass eine Information wahr, relevant, einschlägig Dasselbe Ereignis erscheint Ihnen umso weiter entfernt, je
oder wichtig ist. schwerer es Ihnen fällt, hierzu Details zu erinnern. Diesem Phä-
Die Verfügbarkeitsheuristik empfiehlt uns bei unseren Ent- nomen liegt eine sehr einfache Erwartung zu Grunde, der Sie
scheidungen: „Achte auf die Leichtigkeit, mit der dir Informatio- vermutlich zustimmen werden: Über die Zeit hinweg verblassen
nen in den Sinn kommen. Diese Leichtigkeit (oder Schwierigkeit) Erinnerungen, und daher kann man umso weniger Details erin-
ist selbst eine wichtige Information, die du bei deiner Entschei- nern, je länger eine Sache zurückliegt.
dung nutzen solltest.“ In der Tat werden die Effekte von Metakognitionen vermittelt
Informationen, die für uns leicht verfügbar sind, halten wir durch die (metakognitiven) Laientheorien, die die Rezipienten
üblicherweise für wahrscheinlicher, häufiger oder repräsenta- anwenden. Meine Laientheorien beispielsweise machen Aussa-
tiver. Eine leichte Verfügbarkeit wertet eine Information meist gen darüber, was ich wissen sollte und was nicht. Wenn ich zum
auf (eine praktische Empfehlung aus dieser Erkenntnis stellt Beispiel entscheiden sollte, ob die Beatles eher viele oder eher
▶ Exkurs 7.1. vor). Diesen Befund kann man auch umkehren: wenige Lieder im ¾-Takt geschrieben haben, würde ich mich
Informationen, die uns nicht leicht einfallen, werden meist abge- vollständig auf die Verfügbarkeitsheuristik verlassen: Wenn mir
wertet. So ist es beispielsweise leicht, sich drei Gründe vor Augen nicht viele einfallen, dann können es auch nicht viele sein. Ich
zu führen, die öffentlichen Verkehrsmittel mehr zu nutzen. Muss würde allerdings nicht folgern, dass es keine berühmten spani-
man dagegen sieben Argumente generieren, fällt dies schwer. In schen Matadore gibt, bloß weil mir keine einfallen (Beispiel nach
der Folge sind Menschen auch weniger überzeugt, dass es gut ist, Schwarz 2004). Der Unterschied liegt in meiner Theorie darüber,
öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, wenn sie dafür viele anstatt was ich normalerweise weiß und was nicht.
136 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

Eine andere Laientheorie würde etwa besagen, dass bekannte Chance, wenn sie eine übertriebene Behauptung zurücknehmen
1 Dinge leichter zu verarbeiten sind als neue. Dies kann dazu füh- soll. Generell jedenfalls profitiert sie bereits von der bloßen Wie-
ren, dass klar und deutlich präsentierte Stimuli irrtümlich für derholung ihrer Nachrichten, die unabhängig vom tatsächlichen
2 bekannt gehalten werden (zit. n. Schwarz 2004). Hier wird also Wahrheitsgehalt bereits zur Wahrnehmung von Plausibilität füh-
die durch besonders deutliche Präsentation erhöhte Verarbei- ren (sogenannter Truth-Effekt; z. B. Hawkins und Hoch 1992;
tungsflüssigkeit fälschlich der Bekanntheit zugeschrieben. mehr dazu in ▶ Abschn. 15.2.2).
3 Eine besonders wichtige dieser Laientheorien ist die, dass Alter und Oppenheimer (2006) identifizieren Verarbeitungs-
starke und überzeugende Argumente leichter zu verarbeiten flüssigkeit als einen wesentlichen Faktor bei Börsenkursen. Sie
4 sind als fadenscheinige und schwache (Wänke und Bless 2000). können belegen, dass sich Kurse von Aktien, deren Namen leicht
Diese Erwartung von Rezipienten führt zu einer oft fälschlichen auszusprechen sind, deutlich positiver entwickeln als Kurse von
5 Zuschreibung von Wahrheit, die im Werbe- und Konsumbereich Aktien, die schwierig auszusprechen sind. Den gleichen Effekt
verständlicherweise besondere Bedeutung hat. zeigen sie für die Abkürzungen von Wertpapieren in den soge-
Thomas und Morwitz (2009) demonstrieren die Bedeutung nannten ticker codes: Sprechbare Zeichenfolgen (z. B. KAR) ge-
6 von Laientheorien für die Beurteilung von Preisdifferenzen. Die hörten auch zu den erfolgreicheren Wertpapieren – im Vergleich
meisten Menschen werden sicherlich davon ausgehen, dass es zu nicht sprechbaren Zeichenfolgen (z. B. RDO).
7 leichter ist, große numerische Unterschiede zu beurteilen als Hilfreich sind hier natürlich die Faktoren, die auch zu Ge-
kleine (Thomas und Morwitz 2009). Beim Schätzen ist uns so- dächtnistäuschungen führen (▶ Abschn. 4.3.2), also die Anschau-
zusagen von vornherein klar, dass wir den Unterschied zwischen lichkeit einer Information oder ob sie in ein existierendes Sche-
8 15 und 150 Euro leichter einschätzen können als den zwischen mabild passt. Eine erhöhte subjektive Verarbeitungsflüssigkeit
15 und 17 Euro. Und dies wiederum hat zur Folge, dass uns be- hat für das Konsumentenverhalten auch in anderen Punkten
9 reits die bloße Leichtigkeit der Informationsverarbeitung selbst Relevanz: Konsumenten bevorzugen Produkte, die leicht wahr-
zu der Folgerung veranlasst, die erste Differenz sei größer als die zunehmen, zu imaginieren oder zu erinnern sind (für einen
10 zweite. Wenn nun allerdings die Verarbeitungsflüssigkeit (und Überblick vgl. Weisbuch und Mackie 2009).
nicht der tatsächliche Unterschied) für das Erleben von Preisun- Erhöhte Verarbeitungsflüssigkeit gilt als treibende Kraft hin-
terschieden verantwortlich ist, dann sollten auch Differenzen, ter einer ganzen Reihe von Effekten. Sie ist vermutlich verant-
11 die leicht zu berechnen sind (z. B. 4,00 und 3,00 Euro) als größer wortlich für den knew it all along-Effekt, also die irrige Annahme,
erlebt werden im Vergleich zu gleich großen, aber schwieriger man habe etwas, was man gerade erst erfahren hat, schon vor-
12 zu berechnenden Differenzen (z. B. 4,97 und 3,96 Euro). Thomas her gewusst (Werth und Strack 2003). Ebenso dürfte der Rück-
und Morwitz (2009) belegen dies mit einer Reihe von Experi- schaufehler ein Ergebnis erhöhter Verarbeitungsflüssigkeit sein
menten: In der Tat werden Preisunterschiede, die schwieriger (Schwarz 2004, S. 335). Beide Effekte bestehen darin, dass man
13 zu errechnen sind, gegenüber leicht erkennbaren Unterschieden außerstande ist, sich in den Zustand früherer Unwissenheit zu-
unterschätzt. Die subjektiv erlebte Schwierigkeit, die Differenz rückzuversetzen, einfach weil die mittlerweile bekannte richtige
14 zwischen den „krummen Zahlen“ zu berechnen, wird also als Antwort eine zu hohe Verarbeitungsflüssigkeit besitzt im Ver-
Indikator für die Größe der Differenz gewertet. Damit ist der gleich zur – oft nur hypothetischen – Erinnerung an eine frü-
15 Effekt selbstverständlich darauf angewiesen, dass die Probanden here Unwissenheit. Die Bedeutung dieser Effekte diskutiere ich
selbst denken und auf diese Weise eine metakognitive Erfahrung ausführlicher in ▶ Abschn. 15.2.2.
machen: Wenn nicht nur die Preise selbst, sondern auch deren Ein weiteres Beispiel: Wenn die Markt- und Meinungsfor-
16 Differenz explizit mitgeteilt werden, bleibt der Effekt aus (Tho- schung fragt, ob die Befragten sich an der nächsten Wahl be-
mas und Morwitz 2009; mehr hierzu in ▶ Abschn. 19.1). teiligen (Greenwald et al. 1987), ob sie in der nächsten Woche
17 Zahnseide benutzen oder mal wieder ein gutes Buch lesen wollen
(Levav und Fitzsimons 2006), dann ist die Absicht hinter die-
7.1.3 Konsumrelevante Effekte ser Befragung zunächst nur, eine Messung durchzuführen und
18 der Verarbeitungsflüssigkeit so präzise wie möglich die Wahlbeteiligung oder die Prävalenz
anderer Verhaltensweisen einzuschätzen. Allem Anschein nach
19 Eine falsche Aussage kann für wahr gehalten werden, nicht ob- aber erhöht die Frage selbst die Wahrscheinlichkeit, mit der diese
wohl, sondern gerade weil sie dementiert wurde. Skurnik et al. Verhaltensweisen gezeigt werden.
20 (2005) präsentierten ihren Probanden Aussagen über Produkte Levav und Fitzsimons (2006) fragten zum Beispiel ihre Pro-
(z. B. „Aspirin greift den Zahnschmelz an“), die in einem späteren banden nach ihrer Absicht, sich fettfrei und gesund zu ernähren.
Durchgang als wahr oder falsch klassifiziert wurden. Je häufiger In einem nachfolgenden Geschmackstest konnten sie zwischen
21 allerdings eine falsche Behauptung dementiert wurde, desto grö- Reis- und Schokoladenkeksen wählen. Während in einer Kon-
ßer wurde die Bereitschaft der Probanden, sie in einer späteren trollbedingung nahezu alle Probanden (92 %) die Schokokekse
22 Messung als wahr zu akzeptieren. Dies erklären die Autoren mit wählten, bevorzugten Probanden, die zuvor nach ihren Absich-
der erhöhten Verarbeitungsflüssigkeit der dementierten Informa- ten gefragt wurden, das weniger fetthaltige Reisgebäck.
tion: Diese Flüssigkeit erhöht sich weiter mit jeder zusätzlichen Der Effekt geht mindestens zum Teil darauf zurück, dass die
23 Erwähnung. erlebte Verarbeitungsflüssigkeit auch die subjektive Wahrschein-
Wie bereits erwähnt, sorgt eine hohe Verarbeitungsflüssigkeit lichkeit steigert, dass ein Ereignis eintritt bzw. dass man selbst das
für Plausibilität, und damit hat die Werbung sogar dann eine Verhalten zeigt. So zeigen zum Beispiel Levav und Fitzsimons
7.1 • Metakognitionen
137 7

(2006), dass der Effekt umso größer ist, je leichter man sich das in Werberezeption etwas essen. Topolinski et al. (2014) wiesen die-
Frage stehende Verhalten vorstellen kann: Die Frage „Werden Sie sen Effekt unter natürlichen Bedingung, nämlich im Kino beim
fettreiches Essen nicht essen?“ geht wegen der ungeschickt plat- Verzehr von Popcorn nach: Die Zuschauer sahen Werbung für
zierten Negation mit einer deutlich geringeren Verarbeitungs- unbekannte, aber tatsächlich existierende Körperlotionen und
flüssigkeit einher als die Frage „Werden Sie fettreichem Essen Wohltätigkeitsorganisationen. Die Werbung erzeugte auch einen
aus dem Wege gehen?“. Der Effekt der Nachfrage ist daher in der Effekt: Probanden, die die Werbung gesehen hatten, bewerteten
zweiten Bedingung stärker (Levav und Fitzsimons 2006). die Produkte besser, kauften bzw. spendeten eher und zeigten
Aus dem Effekt der Verhaltensvorhersage auf das tatsächliche zudem auch eine stärkere elektrodermale Reaktion (vgl. ▶ Ab-
Verhalten lässt sich unmittelbar eine Beeinflussungstechnik ab- schn. 21.3.5) auf die beworbenen Produkte. Dies galt aber nur
leiten: So kann man Personen hypothetisch fragen, ob sie bereit für Probanden, deren Sprechmotorik während der Darbietung
sind, eine Spende abzugeben. In einer Telefonbefragung steigerte nicht durch Kauen von Popcorn oder Kaugummi beschäftigt
die vorherige Prognose des eigenen Spendenverhaltens die spä- war. Ironischerweise ist also eine der wahrscheinlichsten Rezep-
tere Bereitschaft zu einer tatsächlichen Spende von 30,4 auf 49 % tions-Haltungen für Werbung – das Anschauen, während man
(Obermiller und Spangenberg 2000). Snacks verspeist – für einen starken Effekt der Werbung eigent-
Ob die bloße Nachfrage tatsächlich in größerem Ausmaß lich ungeeignet.
Wähler mobilisieren kann, wie die Befunde von Greenwald et al.
(1987) nahelegen, scheint nach dem Stand der Forschung strittig
zu sein (Mann 2005). Weniger strittig ist allerdings der mögliche 7.1.4 Stimmung als Information
Fehlereinfluss durch Nachfragen in der Marktforschung: In der
Tat kann man zeigen, dass sich die Produktwahl durch das bloße In ▶ Abschn. 5.2.2 haben wir bereits den metakognitiven Effekt
Nachfragen, wie man wählen würde, verändert (Morwitz und von Stimmungen kennengelernt: Offenbar achten wir auf un-
Fitzsimons 2004; vgl. auch Fitzsimons und Shiv 2001), so dass sere Affekte, wenn Werturteile gefordert sind. Die Stimmungen
also fraglich ist, inwieweit sich die Ergebnisse einer bewussten nutzen wir – ebenso wie die Verarbeitungsflüssigkeit – wie eine
Abfrage auf Situationen verallgemeinern lassen, in denen vor der Information, die uns für eine gegebene Situation Handlungsan-
Produktwahl nicht gefragt wurde. regungen gibt. Diese Strategie scheint sinnvoll und funktional
Einer der wichtigsten konsumrelevanten Effekte hoher Ver- zu sein, wenn der Gegenstand, der den Affekt auslöst, derselbe
arbeitungsflüssigkeit ist sicherlich der, dass Verarbeitungsflüssig- ist, der auch zu bewerten ist. Wenn mich die Anwesenheit eines
keit per se bereits angenehm erlebt wird. Dies gilt nicht nur, dann sympathischen Menschen in eine gute Stimmung bringt, dann
wenn die flüssige Verarbeitung auf wiederholte Reizdarbietung mag es für die Frage, ob ich mit diesem Menschen kooperie-
zurückgeht, wie beim Mere-Exposure-Effekt (▶ Abschn. 4.7.2). ren soll, sinnvoll sein, meine Stimmung in das Urteil einzubin-
Leichtere Verarbeitung durch Priming, besseren Kontrast (z. B. den: Eine gute Stimmung könnte ein Hinweis sein, dass ich es
Reber et al. 1998) oder die Leichtigkeit beim Sprechen hat ähn- nicht bereuen werde, mich auf diesen Menschen eingelassen
liche Effekte. Der letztere Befund deutet darauf, dass bei den zu haben. Die Befunde von Schwarz und Clore (1983; siehe
Wirkungen der Verarbeitungsflüssigkeit auch Prozesse des Em- auch ▶ Abschn. 5.2.2) zeigen uns allerdings, dass die positive
bodiments (▶ Abschn. 5.2.4 und 6.2.2) eine wichtige Rolle spielen. Stimmung aus einer ganz anderen Quelle kommen könnte und
Wir haben schon beim Stroop-Effekt (▶ Abschn. 2.6.3) gesehen, trotzdem auf meine Kooperationsbereitschaft einen ähnlichen
dass Menschen eine Tendenz haben, ein Wort, das sie lesen, auch Effekt hätte. Wenn ich auf eine irrelevante Quelle für meine
auszusprechen – jedenfalls bereitet es große Schwierigkeiten, Stimmung nicht aufmerksam gemacht werde, bleibt der Effekt
Wörter zu sprechen, während man ganz anders lautende Wörter auch erhalten.
liest. Wie wichtig dieser motorische Aspekt für die Effekte der Werbetechnisch lässt sich also nicht einfach schließen, dass
Verarbeitungsflüssigkeit ist, zeigen die Untersuchungen von To- alle Mittel erfolgreich sind, die den Konsumenten positive Af-
polinski und Strack (2009): Sie präsentierten ihren Probanden fekte verschaffen. Zwar heben angenehme Musik oder gar ein
Unsinnswörter, störten aber das automatische Nachsprechen, Glas Sekt am Eingang des Geschäfts vielleicht wirklich die
indem sie die Teilnehmer während der Präsentation Kaugummi Stimmung der Kunden. Die Wirkung dieser Maßnahmen wird
kauen ließen. Dies verhinderte den Mere-Exposure-Effekt, der aber gedämpft, wenn die Methoden als Mittel zum Zweck allzu
für eine Kontrollgruppe, die statt dessen einen Gummiball kne- durchsichtig sind. Nicht nur, dass sich die Konsumenten beein-
tete, wie gewohnt eintrat. Während Wörter die Sprechmotorik flusst fühlen, was möglicherweise zu einer reaktanten Abwertung
durch ein unwillkürliches Nachsprechen beanspruchen, aktivie- weiterer Überzeugungsversuche führen kann (▶ Abschn. 11.5).
ren Melodien die Stimmbänder durch ein simuliertes Nachsum- Wichtiger ist an dieser Stelle der Umstand, dass der Effekt der
men. Wenn Versuchspersonen eine Melodie hören, gleichzeitig Stimmung ausbleibt, wenn die irrelevante Quelle der Stimmung
aber einen Ton summen, wird diese imitierende Reaktion ver- salient wird.
hindert und die Aufwertung durch erhöhte Verarbeitungsflüs- Noch ein zweiter Punkt ist bei der Wirkung von Stimmung
sigkeit bleibt aus. Allerdings verhindert das Summen nicht das auf die Bewertung zu beachten: Stimmungen wirken nur auf
Nachsprechen, daher zeigen die selben Probanden durchaus Bewertungen, die für die Affekte auch tatsächlich relevant sind
Mere-Exposure-Effekte für dargebotene Wörter (Topolinski und (Clore et al. 1994). Für ein Urteil über meine Lebenszufrieden-
Strack 2009, Experiment 3). Nach diesen Erkenntnissen ist es heit und sicherlich auch für meine Bereitschaft, mit dieser oder
keineswegs günstig, wenn die Adressaten der Werbung bei der jener Person zu kooperieren, sind Affekte ein relevanter Aspekt
138 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

– mehr jedenfalls als für die Frage nach der richtigen Methode weiter sie psychologisch entfernt sind. Was bedeutet in diesem
1 zu heizen oder nach dem passenden Küchenmesser. Pham (1998) Zusammenhang „abstrakt“? Trope et al. (2007) erläutern dies
manipulierte die Stimmung seiner Probanden und konnte da- an folgendem Beispiel: Kinder, die im Garten spielen, kann man
2 mit ihre Bereitschaft verändern, ins Kino zu gehen. Für einen auf unterschiedliche Weisen wahrnehmen; zum Beispiel indem
Kinobesuch liegt es ja auch in der Tat nahe, der oben genannten man jedes Detail des Spiels registriert oder indem man sagt, „Sie
Heuristik zu folgen und sich zu fragen: „Wie fühle ich mich bei spielen“ oder „Sie haben Spaß“. Die letztere Beschreibung ist die
3 dem Gedanken?“ Wenn allerdings der Fokus für den Besuch des abstraktere. Bei ihr entgehen uns die Einzelheiten des Verhal-
Films nicht auf der Unterhaltung und Entspannung lag, blieb tens, allerdings bemerken wir auf dieser Beschreibungsebene
4 der Effekt der Stimmung aus: Einem Teil der Probanden wurde wichtige übergeordnete Merkmale des Objekts. Wenn man etwa
nahegelegt, den Film zu schauen, um mit dessen Hilfe eine Haus- unterstellt, dass die Kinder eigentlich jetzt Hausaufgaben machen
5 aufgabe besser erledigen zu können. sollten, könnte man das Verhalten auf abstrakter Ebene auch
Konsumentscheidungen für Produkte, die den Genuss stei- beschreiben als „Sie verschwenden Zeit“ oder „Sie schwänzen
gern, können durch Stimmungen beeinflusst werden. Entschei- Hausaufgaben“. Dies würde uns auf der konkreten Ebene ent-
6 dungen für Produkte, die instrumentell für ein bestimmtes Ziel gehen.
eingesetzt werden, hängen dagegen deutlich weniger von Stim- Die Forschungen von Trope und Liberman (z. B. 2010; Trope
7 mungen ab. et al. 2007) zeigen nun, dass diese unterschiedlichen Wahrneh-
Stimmungen beeinflussen unsere Entscheidungen auch über mungs- und Beschreibungsebenen induziert werden, wenn
Prozesse des Primings: Eine positive oder negative Stimmung man die psychologische Distanz variiert. Die vier wichtigsten
8 erleichtert jeweils den Abruf von Informationen, die zu der Dimensionen der psychologischen Distanz sind – wie schon ge-
Stimmung passen. Dieser Effekt der Stimmungskongruenz ist sagt – räumliche, zeitliche und soziale Distanzen sowie Wahr-
9 gut belegt (z. B. Sokolowski 2002; siehe auch ▶ Abschn. 5.2.2). scheinlichkeiten. Betrachten wir etwa das Beispiel eines Urlaubs.
Die Annahme von Metakognitionen ist im Vergleich zu einem Psychologisch liegt der Urlaub in weiter Distanz, wenn er erst in
10 solchen Priming deutlich komplizierter, und insofern ist zu fra- ferner Zukunft stattfindet oder wenn er noch unsicher ist (ge-
gen, ob man nicht viele Effekte von Stimmungen auf das Kon- ringe Wahrscheinlichkeit). Unter diesen Bedingungen denken
sumverhalten nicht einfacher als Priming-Effekte erklären kann. Menschen über den Urlaub eher in abstrakter Weise nach, sie
11 Die oben zitierten Befunde zeigen aber, dass eine solche einfache assoziieren beispielsweise generell Spaß und Erholung, aber nicht
Erklärung nicht ausreicht: Wenn die Stimmung nur ganz allge- so sehr konkrete Unternehmungen oder Details der Planung.
12 mein die Bewertungen und Entscheidungen einfärbt, dann sollte Dies geschieht eher, wenn der Urlaub sehr bald bzw. ganz sicher
es egal sein, ob die Stimmung für das aktuelle Urteil relevant ist stattfinden wird.
oder sie zu den persönlichen Zielen passt. In vielen Fällen sind Dies betrifft also die beiden Distanzfacetten Zeit und Wahr-
13 aber gerade diese Fragen nicht gleichgültig: Stimmungen wirken scheinlichkeit. Ähnliche Effekte zeigen sich aber auch für räum-
eher auf Urteile, wenn sie für den Urteiler auch den Anschein liche und soziale Distanzen. Zum Beispiel nutzen Menschen
14 haben, dass sie vom Objekt ausgehen oder dass sie für das gefor- abstraktere Begriffe, um Ereignisse zu beschreiben, die räumlich
derte Urteil relevant sind (einen Überblick über Moderatoren weiter entfernt sind, und konkrete Begriffe für räumlich nahe
15 des Zusammenhangs zwischen Gefühlen und Urteilen geben Ereignisse, und das Verhalten einer ähnlichen Person wird kon-
Greifeneder et al. 2011). kreter beschrieben als das Verhalten einer unähnlichen (Trope
et al. 2007, S. 85 f). Ein wichtiges Element der sozialen Distanz
16 ist Macht: Wenn hohe Macht mental aktiviert wird, bilden Men-
7.2 Effekte der psychologischen Distanz schen größere und abstraktere Kategorien, als wenn geringe
17 Macht aktiviert wird. Dies zeigt sich auch bei Aufgaben, bei de-
Aus den Forschungen zur Wirkung von Metaphern wissen wir nen Macht mit der Kategorienbildung nichts zu tun hat (Trope et
bereits: Räumliche Distanzen (Begriffe wie „weit“, „nah“) akti- al. 2007, S. 85). Insofern finden sich Effekte auf das construal level
18 vieren Vorstellungen von sozialer Distanz („Freund“, „Feind“; für alle Merkmale psychologischer Distanz. Allerdings scheint
z. B. Yamakawa et al. 2009; siehe auch ▶ Abschn. 6.2.3). Räum- der am häufigsten untersuchte Aspekt der psychologischen Dis-
19 liche Distanzen aktiveren aber auch zeitliche Distanzen (z. B. tanz die zeitliche Dimension zu sein.
„bald“, „später“) oder Wahrscheinlichkeiten („sicherlich“, „viel- Mit zunehmender psychologischer Distanz werden also
20 leicht“; Bar-Anan et al. 2007). Und was noch wichtiger ist: All Dinge und Ereignisse gedanklich aus ihren Kontexten heraus-
diese Formen psychologischer Distanz und Nähe prägen auch gelöst und unwichtige Details ausgeblendet, so dass ihnen eine
Prozesse der Informationsverarbeitung, des Bewertens und Ent- Bedeutung gegeben werden kann, die aus den Einzelheiten nicht
21 scheidens. hervorgeht. So bestimmt die psychologische Distanz auch, wel-
che Ereignisse einander ähnlich sind: Auf einer ab­strakteren
22 Ebene sind der Zahnarztbesuch und der Besuch eines Fitness-
7.2.1 Ebenen der mentalen Abstraktion studios ähnlich, denn beide dienen der Gesundheit. Auf einer
konkreteren Ebene ist der Besuch eines Tattoostudios dem
23 Das grundlegende Prinzip dieses Einflusses wird in der Const- Zahnarztbesuch allerdings ähnlicher, denn beide laufen darauf
rual-Level-Theorie (CLT) formuliert (z. B. Trope und Liberman hinaus, dass man auf einem Stuhl sitzt und eine schmerzhafte
2010): Objekte werden umso abstrakter wahrgenommen, je Prozedur über sich ergehen lässt. Zeitliche Distanz beeinflusst
7.2  •  Effekte der psychologischen Distanz
139 7

diese Ähnlichkeitswahrnehmung: Je weiter der Zahnarztbesuch 7.2.2 Konsumrelevante Effekte


in der Zukunft liegt, desto ähnlicher wird er dem Fitnessstudio, der psychologischen Distanz
je näher er ist, desto ähnlicher erscheint er dem Tattoostudio (zit.
n. Trope et al. 2007). Die psychologische Distanz, aus der heraus ein Produkt in der
Andere Folgen der psychologischen Distanz betreffen etwa Werbung dargestellt wird, determiniert bereits den Grad der Ab-
die Bildung mentaler Kategorien. So bildet man für ein nahes straktheit, auf dem die Produkteigenschaften gesehen werden.
Ereignis mehr Kategorien als für ein fernes. Bei einem nahen Betrachten wir die Werbung der Jack Daniel’s Distillery. Dort hat
Urlaub wandern Schnorchel und Zelt vermutlich in unterschied- jeder Zeit. Der Whiskey wirbt geradezu damit, der langsamste
liche mentale Kategorien, bei einem fernen Urlaub gehören sie der Welt zu sein. Außerdem wird betont, dass die Distillery „in
subjektiv zu derselben Kategorie (die konsumpsychologische Be- Moore County, hundert Meilen südlich von Nashville“ liegt
deutung mentaler Kategorien wird in ▶ Abschn. 7.3 ausführlich (▶ http://www.zeit.de/1997/49/whiskey.txt.19971128.xml, Abruf
diskutiert). 26.4.2013), also selbst für Amerikaner nicht eben in der Nach-
Unterschiedliche Abstraktionsebenen ergeben sich auch da- barschaft. Diese Betonung ausgedehnter Zeitperspektiven und
raus, ob man Ereignisse unter dem Gesichtspunkt betrachtet, weiter Distanzen induzieren einen abstrakten Blick – die Werbe-
warum sie sich ereignen im Unterschied zum Wie. Die Frage rezipienten sind eher geneigt, den Whiskey unter der Perspektive
nach dem Warum führt zu einer abstrakteren Repräsentation als seiner globalen Qualität zu sehen. Wenn die Werbung auf Details
die Frage nach dem Wie. Dem korrespondiert wieder die Reprä- der Fertigung hinweisen möchte, wären Konsumenten vermut-
sentation zukünftiger Ereignisse: Ein weiter entferntes Verhalten lich passender eingestimmt, wenn dieses Ereignis psychologisch
wird eher unter dem Aspekt seines Grunds bzw. Zwecks gesehen nah erscheint.
(z. B. „studieren“, „sich fortbilden“), ein nahes Verhalten eher un-
ter dem Aspekt der konkreten Umsetzung (z. B. „ein Lehrbuch Zentrale und nebensächliche Produktmerkmale
durcharbeiten“; Trope et al. 2007, S. 85). Aus der Distanz sieht man wichtige und herausragende Aspekte
Ein werbepsychologisch besonders wichtiger Unterschied eher als nebensächliche. Betrachtet man eine Entscheidung aus
zwischen konkreten und abstrakten Informationen ist sicher der (psychologischen) Ferne, spielen übergeordnete Aspekte wie
der der Glaubwürdigkeit: Dieselbe Information ist grundsätz- eben die Frage nach dem Warum eine größere Rolle. Je näher die
lich glaubwürdiger, wenn sie konkret formuliert wird. Hansen Entscheidung vor Augen steht, desto gewichtiger werden Fragen
und Wänke (2010) zeigen diesen Effekt durch minimale Ver- des Wie. Das bedeutet auch, dass weiter entfernte Entscheidun-
änderungen im verbalen Ausdruck: Der Satz „Charles Dickens gen eher danach beurteilt werden, ob sie mit den eigenen Wert-
schrieb das Stück Miss Sara Sampson“ wird von Probanden als haltungen übereinstimmen. Bei einer nahen Entscheidung fragt
plausibler eingeschätzt als der Satz „Das Stück Miss Sara Samp- sich der Entscheider eher nach der konkreten Durchführbarkeit
son ist von Dickens“. Schon die Reformulierung in den eher sta- (Trope et al. 2007, S. 90). Um also jemanden davon zu überzeu-
tischen Passivmodus sorgte dafür, dass die Aussage abstrakter gen, dass er eine Solaranlage auf seinem Dach installieren soll,
und darüber hinaus weniger plausibel erscheint (was in diesem muss man unterschiedlich argumentieren, je nachdem wie nah
Fall auch ganz passend ist, denn Miss Sara Sampson ist ein bür- diese Entscheidung psychologisch erscheint. Für eine ferne Ent-
gerliches Trauerspiel von G. E. Lessing). Hansen und Wänke scheidung passt der Appell an Werthaltungen (Umweltschutz,
(2010) zeigen nun in weiteren Experimenten, dass dieser Effekt Nachhaltigkeit, gegebenenfalls auch ökonomische Vorteile) zum
ebenso durch das construal level herbeigeführt werden kann. mentalen Level des Entscheiders. Bei einer nahen Entscheidung
Einige Probanden sahen beispielsweise die Aussagen vor einem sollte man dagegen mehr auf die Durchführbarkeit eines solchen
Hintergrund, der weite Ferne suggerierte, andere Probanden Projekts eingehen. Es ist vielleicht nicht überflüssig zu betonen,
sahen dieselbe Aussage in großer räumlicher Nähe. Es zeigte dass psychologische Nähe ja mehrere Aspekte umfasst: Fern ist
sich, dass konkrete Aussagen weniger plausibel erscheinen, eben nicht nur eine Entscheidung in der Zukunft, sondern zum
wenn gleichzeitig hohe räumliche Distanz aktiviert wird, und Beispiel auch eine, deren Auswirkungen einen ganz anderen Ort
umkehrt abstrakte Aussagen plausibler erscheinen, wenn hohe betreffen oder die noch unsicher ist.
Nähe geprimt wird. Es muss also nicht unbedingt die Aussage Psychologische Distanz verändert nicht nur die Rolle von
selbst konkret sein, um plausibler zu wirken – ein wie auch im- Werthaltungen in der Entscheidung, sondern auch das Gewicht
mer herbeigeführtes konkretes Konstruktionslevel hat dieselben von Einzelattributen in der Entscheidung. Meist kann man zwi-
Konsequenzen. schen primären und sekundären Aspekten eines Produkts un-
Übrigens finden sich die Effekte auf die mentale Abstrak- terscheiden. Bei einem Mobiltelefon etwa sind primäre Attribute
tion nicht nur auf konzeptueller, sondern auch auf der Wahr- das Gewicht oder die Laufzeit des Akkus. Sekundär erscheinen
nehmungsebene: Probanden können Bildfragmente leichter zu demgegenüber zum Beispiel Merkmale des Klingeltons oder die
einem Gesamtbild vervollständigen, wenn sie sich vorstellen, Menge der verfügbaren Farben. Dies jedenfalls ergab sich in einer
dass sie das nicht jetzt, sondern in Zukunft machen. Die bloße Normierung von Martin et al. (2009), die auf dieser Grundlage
Vorstellung, die Aufgabe erst in Zukunft zu erledigen, erleich- Werbebeispiele für Mobiltelefone konstruierten. Diese Wer-
terte die für die Aufgabe hilfreiche Abstraktion auch auf visu- bung präsentierten sie Probanden, die in Priming-Prozeduren
eller Ebene. Psychologische Distanz induziert also Abstraktion entweder auf eine Zukunfts- oder eine Gegenwartsorientierung
im ganz allgemeinen Verständnis und nicht nur in Sprache und eingestimmt wurden. Erwartungsgemäß ließen sich die zukunfts-
Denken. orientierten Probanden vor allem von Werbung überzeugen, die
140 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

die primären Produktmerkmale hervorhob. Für das Urteil der Verb (misst präzise) ausgedrückt, was die Aussage bereits mehr
1 gegenwartsorientierten Probanden spielten dagegen die sekun- oder weniger abstrakt erscheinen lässt. Diese subtilen Verände-
dären Produktmerkmale eine größere Rolle. Weiterführende rungen aber lassen das gleiche Produkt als luxuriöser erscheinen
2 Analysen zeigen, dass die erlebte psychologische Distanz auch – eben weil es in einer abstrakten Sprache beschrieben wird.
beeinflusst, in welchem Grad ein Produktmerkmal für die Ge- Hansen und Wänke (2011) zeigen freilich, dass die Industrie
samtqualität diagnostisch ist: Zukunftsorientierte Probanden lei- diese Logik längst beherzigt: Luxusgüter werden generell in abs-
3 teten die Qualität des Handys in erster Linie aus den primären trakterer Sprache beworben und präsentiert als Güter des alltäg-
Produktmerkmalen ab. Für gegenwartsorientierte Probanden lichen Bedarfs. Gleichwohl gibt es immer noch die Möglichkeit,
4 waren dagegen auch die sekundären Attribute für die Gesamt- dass Präsentation und Image nicht passen: Wenn etwa die Prä-
qualität maßgeblich. sentation einer Yacht allzu sehr auf Details eingeht, könnte das
5 Die Ergebnisse von Martin et al. (2009) belegen, dass aus grö- Produkt als weniger exklusiv angesehen werden – umgekehrt
ßerer psychologischer Distanz der Unterschied zwischen neben- könnte ein Waschmittel, das in zu abstrakten Begriffen gelobt
sächlichen und zentralen Aspekten einer Entscheidung stärker wird, genau aus diesem Grund möglicherweise zu teuer erschei-
6 und wichtiger wird. Dieser Punkt ist auch für Verhandlungen nen. Beides hätte Auswirkungen auf die Produktwahl (Hansen
wichtig: Aus der Distanz wird der Unterschied zwischen zentra- und Wänke 2011, S. 795). Nicht nur Luxus im Besonderen, son-
7 len Werten und peripheren Aspekten der Verhandlung stärker dern auch Geld im Allgemeinen aktiviert einen abstrakteren
betont. Man fokussiert mehr auf die Dinge, die einem beson- Denkmodus (Hansen et al. 2013). Die Logik hinter diesem Pri-
ders wichtig sind, und blendet weniger wichtige eher aus. Das ming-Effekt ist aber mindestens teilweise eine etwas andere als
8 hat unter anderem zur Folge, dass Verhandler bessere Ergebnisse die der psychologischen Distanz: Geld ist generell assoziiert mit
erzielen, wenn sie einen Gegenstand verhandeln, der noch weiter Möglichkeiten, die Anforderungen der Umwelt zu bewältigen.
9 entfernt liegt. Durch den Fokus auf die wirklich wichtigen Punkte Geld aktiviert Begriffe wie Sicherheit, Status, Macht, Zuversicht
neigen Verhandler nämlich verstärkt dazu, bei Dingen von gerin- und Freiheit. Der bloße Gedanke an Geld gibt Menschen bereits
10 gerer Bedeutung nachzugeben, um die Punkte in der Verhand- ein Gefühl der Stärke. So führt das Primen von Geld dazu, dass
lung durchzusetzen, die ihnen wichtiger sind. Dies erhöht die Personen weniger Hilfe bei einer schwierigen Aufgabe erbitten
Wahrscheinlichkeit von „Win-win-Lösungen“ in Verhandlungen (für einen Überblick vgl. Hansen et al. 2013, S. 1154 f). Geld
11 (Trope et al. 2007, S. 91). aktiviert also eine Grundhaltung, die Situationen als unproble-
matisch und bewältigbar erscheinen lässt – im Unterschied zu
12 Luxus im Besonderen – und Geld im Allgemeinen einer Haltung, in der die Umwelt als herausfordernd oder gar
Luxus ist nicht alltäglich und allein deshalb schon zeitlich eher bedrohlich erscheint. Herausfordernde Situationen lenken die
entfernt als nah. Die Menschen, die im Luxus leben, stehen zu Aufmerksamkeit auf die Details, während man unproblemati-
13 den meisten anderen Menschen eher sozial weit entfernt. Zudem sche Umwelten sehr viel abstrakter repräsentiert. Dies zeigt sich
haben wir „normalen Menschen“ zu Luxusgütern ein eher hy- schon daran, wie Menschen Handlungen beschreiben bzw. darü-
14 pothetisches Verhältnis: Einige mögen wir uns vielleicht leisten, ber denken: Wer noch nie Kaffee gekocht hat, repräsentiert diese
aber den Großteil der Luxusgüter besitzen wir nur in unseren Handlung als einzelne Schritte und fokussiert mehr auf das Wie.
15 Träumen. Selbst räumlich ist Luxus eher entfernt als nah, da Lu- Für wen diese Handlung dagegen Routine ist, der beschreibt sie
xusgüter meist nicht im Laden um die Ecke zu kaufen sind, son- für sich auf abstrakterer Ebene, zum Beispiel als „etwas Warmes
dern bestellt werden müssen oder nur in einem entsprechend ex- zu trinken bekommen“ oder „gut in den Tag starten“ (Hansen
16 klusiven Geschäft zu erhalten sind. Und der Luxusurlaub dürfte et al. 2013, S. 1155). Hansen et al. (2013) zeigen in mehreren
eher der weit entfernte sein als der an der Nordsee oder im All- Experimenten, dass das Priming von Geld abstraktere mentale
17 gäu. Kurz gesagt: Luxus ist auf praktisch allen Dimensionen der Repräsentationen auslöst. Wenn Geld aktiviert wurde, neigten
psychologischen Distanz eher weit entfernt als nah – und das Probanden dazu, Handlungen auf einem abstrakteren Niveau
hat zur Folge, dass Luxus auch abstrakter repräsentiert ist. So zu beschreiben, umfassendere mentale Kategorien zu bilden, bei
18 zeigen Hansen und Wänke (2011), dass Menschen, wenn sie an Produktentscheidungen mehr auf die übergeordneten, zentralen
Luxus denken, auch gleichzeitig in einen abstrakteren Denk- Produktmerkmale zu achten oder visuelle Stimuli abstrakter zu
19 modus verfallen. In einem ihrer Experimente sollten Proban- sehen. Die Erklärung der Befunde geht wie gesagt davon aus,
den eine Geschichte erzählen, die entweder bestimmte Wörter dass Menschen beim Gedanken an Geld persönliche Sicherheit,
20 aus dem Luxus- oder dem alltäglichen Kontext enthalten sollte Macht und Zuversicht erleben und dass diese mentale Haltung
(z. B. Gourmet, Limousine vs. Kantine, Auto). Die Geschichten abstraktere Repräsentationen erlaubt. Dies ist allerdings nicht
wurden in einer abstrakteren Sprache verfasst, wenn die Luxus- unter allen Umständen der Fall: Hansen et al. (2013) fanden
21 begriffe verwendet wurden. Allerdings gilt auch die umgekehrte keine Neigung zur Abstraktion, wenn sie für ihr Priming nur
Wirkrichtung: Eine abstraktere Sprache induziert auch die Er- kleine Geldbeträge verwendeten oder wenn Geld nicht als das
22 wartung, dass ein Produkt ein Luxusgut ist. Hansen und Wänke Vorhandensein von einigermaßen hohen Mengen, sondern im
(2011) variierten in einem ihrer Experimente den Wortlaut von Sinne von Preisen aktiviert wurde.
Produktbeschreibungen. So hieß es für eine Uhr „… steht für Der Gedanke an Geld an sich geht also offenbar mit Assozi-
23 eine präzise Zeitmessung“ bzw. „… misst die Zeit präzise“. In ationen einher, die darauf hinauslaufen, dass man mit dem Geld
dieser simplen Variation wird die zentrale Eigenschaft entweder etwas machen, dass man Ziele erreichen und Probleme lösen
durch Adjektiv und Substantiv (präzise Zeitmessung) oder ein kann. Dies zeigt sich vor allem, wenn es der Gedanke an viel
7.3 • Kontexteffekte
141 7

und insbesondere an vorhandenes Geld ist. Das mentale Bild von Pannenstatistik hat, dann sind die beiden Attribute nicht unmit-
wenig Geld oder gar von Schulden löst diese Assoziationen nicht telbar vergleichbar. Trotzdem kann man natürlich aus den An-
aus – ebenso wenig wie der Gedanke an Preise. Dies hat auch Fol- gaben folgern, ob man eher das eine oder das andere bevorzugt.
gen für die Produktwahrnehmung: Sobald die Preisinformation Dies gelingt aber nur aus einer abstrakteren Perspektive. Daher
hinzukommt, werden Produktpräferenzen weniger konsistent sollte das Gewicht von nicht vergleichbaren Attributen beim Pro-
(Lee et al. 2010) – vermutlich weil die abstrakte (und aus diesem duktvergleich zunehmen, wenn auch die psychologische Distanz
Grund eher konsistente) Repräsentation aufgegeben und auf die größer wird. Für psychologisch nahe Entscheidungen dagegen
konkretere Ebene gewechselt wird. Auf der konkreten Ebene spielen vor allem die vergleichbaren Attribute eine Rolle.
spielen dann Einzelaspekte der Produkte eine größere Rolle, und Dies zeigt sich in den Experimenten von Malkoc et al. (2005).
das Verrechnen von Vor- und Nachteilen beginnt. Die Autoren ließen ihre Probanden eine Party planen, die entwe-
der schon nächste Woche oder erst in einem halben Jahr statt-
Die Güte von Entscheidungen finden sollte. Die Aufgabe war, das Popcorn auszuwählen, das
aus unterschiedlicher Distanz bei diesem Anlass den Gästen angeboten werden sollte. Zwei
Die vorausgegangene Diskussion scheint darauf hinauszulaufen, Marken, P und Q, standen zur Auswahl. Diese Marken waren in
dass Entscheidungen und Verhandlungen besser aus größerer vier Attributen genau gleich (z. B. preisgünstig). In vier vergleich-
psychologischer Distanz getroffen bzw. geführt werden sollten. baren Attributen war Marke P der anderen überlegen. So war für
Persönlich wichtige Gesichtspunkte und die eigenen Werte ge- beide Marken bekannt, wie lange das Popcorn nach dem Öffnen
winnen aus der Distanz an Gewicht gegenüber Nebensächlich- knusprig bleibt, und für Marke P war dieser Zeitraum länger.
keiten, und dies hat, wie man am Beispiel der Verhandlungen Zusätzlich wurden noch für jede Marke vier weitere Attribute
sieht, ja recht handgreifliche Vorteile. Andererseits sind aber die genannt, die aber nicht vergleichbar waren. Zum Beispiel hieß es
persönlich wichtigen und subjektiv übergeordneten Aspekte ei- von Marke P, dass sie Zitronensäure enthalte (eher ein Nachteil),
ner Entscheidung nicht immer auch die, von denen der eigene von Q wurde an dieser Stelle gesagt, dass man kein Sodbrennen
Nutzen in erster Linie abhängt. Menschen täuschen sich sehr davon bekommen dürfte. Insgesamt waren die nicht vergleichba-
oft darin, worauf ihre Zufriedenheit in erster Linie beruht (z. B. ren Merkmale so angelegt, dass hier Q überlegen war.
Wilson und Gilbert 2003; siehe auch ▶ Abschn. 12.2), und dies Tatsächlich bevorzugten die Probanden Marke Q, die bei
betrifft auch das Verhältnis von übergeordneten zu scheinbar nicht vergleichbaren Merkmalen überlegen war, umso häufiger,
nebensächlichen Aspekten einer Entscheidung. Zum Beispiel ist je weiter die Fete in der Zukunft lag. Dies zeigte sich auch an
bekannt, dass Hausbesitzer oft letztlich mehr Zufriedenheit aus den Gedankenprotokollen für die Entscheidungen: Probanden,
Aspekten ihrer Immobilie ziehen, die beim Kauf noch neben- deren Fete kurz bevorstand, erwähnten bei ihren Überlegungen
sächlich schienen (z. B. kurzer Weg zur Arbeit) – im Vergleich zu eher die vergleichbaren Attribute – Probanden, die eine sehr viel
den wichtigen und übergeordneten Aspekten (Zahl der Quadrat- spätere Party planten, erwähnten eher die nicht vergleichbaren
meter, Wertstabilität; Liberman et al. 2007, S. 115). Merkmale.
Größere psychologische Distanzen erleichtern auch das
Entdecken von Zusammenhängen – zum Beispiel bei der Frage,
ob die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie (z. B. einer 7.3 Kontexteffekte
Marke) im Zusammenhang steht mit einem bestimmten Merk-
mal (z. B. hohe Qualität). Urteile dieser Art sind selbstverständ- Das Phänomen des Primings zeigt uns, wie vorher dargebotene
lich nur auf einem hohen Aggregationslevel, also auch auf Basis Informationen die spätere Informationsverarbeitung beein-
hoher Fallzahlen einigermaßen verlässlich. Eine Entscheidung flussen können. Ein wichtiger Bereich dieses Einflusses betrifft
wie „Sollen wir in Zukunft generell eher Produkte der Marke X Urteile, die wir über bestimmte Zielgegenstände fällen. Unser
kaufen?“ könnte daher von einer größeren psychologischen Urteil über einen Gegenstand oder einen Sachverhalt kann ver-
Distanz profitieren, denn diese erleichtert den Blick auf den schieden ausfallen, je nachdem, woran wir zuvor gedacht haben
Zusammenhang zwischen der Markenzugehörigkeit und der oder woran wir zuvor erinnert wurden. Verkäufer wissen, dass
Qualität. Für sehr konkrete Entscheidungen allerdings, etwa ein mäßig attraktives Angebot interessanter aussieht, wenn man
bei der Frage „Soll ich genau dieses Produkt kaufen?“, spielen es gemeinsam mit einer Reihe von unattraktiven Angeboten vor-
auch konkrete individuelle Merkmale des speziellen Produkts legt. Die Absicht ist, einen Kontrast zwischen den Angeboten
eine größere Rolle – hier verbessert vielleicht eher eine geringe hervorzukehren und diesen Kontrasteffekt dann auszunutzen
psychologische Distanz die Entscheidung (vgl. auch Liberman (eine gelungene Umsetzung dieses Kontrasteffekts findet sich in
et al. 2007, S. 115). ▶ Exkurs 7.2). Man könnte dieses Prinzip auch eine Art Wahr-
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei Konsumentscheidungen nehmungsregel nennen, denn es gibt analoge Phänomene bei
ist die Vergleichbarkeit der Produktmerkmale. Einfacher ist es der Wahrnehmung. Wie Sie aber in ▶ Abschn. 2.1.3 erfahren ha-
natürlich, wenn bei unterschiedlichen Angeboten die Attribute, ben, gelten für verschiedene Kontrasteffekte auch verschiedene
die man berücksichtigen möchte, direkt vergleichbar sind. Das Erklärungen.
ist zum Beispiel der Fall, wenn man von zwei Autos jeweils den Andererseits versucht die Werbung häufig, ihr Produkt in
Benzinverbrauch auf 100 Kilometer kennt. Wenn man aber von einen angenehmen Kontext zu stellen. Sie tut das sicher nicht in
dem einen Auto weiß, dass es für den Innenraum die Techno- der Absicht, ihr Produkt in Kontrast zu der angenehmen Um-
logie X einsetzt, und von dem anderen, dass es eine günstige gebung möglichst mittelmäßig und langweilig aussehen zu las-
142 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

Exkurs 7.2  Das Kontrastprinzip in Anwendung (nach Cialdini 1993, S. 14, Übers. GF)  |       | 
1
Liebe Eltern, so freundlich, sein Appartement mit mir zu Armen in die Familie aufnehmen werdet. Er

2 seit ich ins College gegangen bin, habe ich


nicht viel geschrieben, und ich muss mich für
teilen. Eigentlich ist es nur ein Kellerraum,
aber es ist gemütlich. Er ist ein sehr netter
ist freundlich und, obwohl er keine besondere
Ausbildung hat, sehr ehrgeizig. Er gehört zwar
diese Nachlässigkeit entschuldigen. Kerl, und wir haben uns ineinander verliebt einer anderen Rasse und Religionsgemein-
3 Zurzeit geht es mir ziemlich gut. Der Schädel-
bruch und die Gehirnerschütterung, die ich
und beabsichtigen jetzt zu heiraten. Wir
haben noch keinen genauen Termin, aber es
schaft an als wir, aber ich weiß, dass Eure oft
bekräftigte Toleranz nicht zulassen wird, daß
mir beim Sprung aus dem Fenster zugezo- wird auf jeden Fall sein, bevor man etwas von Ihr Euch daran stört.
4 gen habe, als mein Zimmer im Wohnheim
kurz nach meiner Ankunft abbrannte, sind
meiner Schwangerschaft sieht.
Ja, Mama und Papa, ich bin schwanger. Ich
Nun, da ich Euch auf den neuesten Stand
gebracht habe, möchte ich Euch sagen, dass
recht gut verheilt. Ich war nur zwei Wochen weiß, wie sehr Ihr Euch freut, Großeltern zu es keinen Brand im Wohnheim gab, ich weder
5 im Krankenhaus, nun kann ich fast wieder werden, und ich weiß, Ihr werdet das Baby Schädelbruch noch Gehirnerschütterung
normal sehen, und die starken Kopfschmer- herzlich aufnehmen und ihm dieselbe Liebe, hatte, nicht im Krankenhaus war, auch nicht
zen mit Erbrechen habe ich nur noch einmal Hingabe und zärtliche Zuwendung zukommen schwanger, verlobt oder infiziert bin und
6 am Tag. Zum Glück wurden das Feuer im lassen, die ich bei Euch hatte, als ich Kind war. keinen Freund habe. Ich werde allerdings
Wohnheim und mein Sprung aus dem Fenster Der Grund für die Verschiebung des Heiratster- in Chemie durchfallen, und in Geschichte
von einem Tankwart in der Nähe beobach- mins ist, dass mein Freund eine kleine Infek- bekomme ich ein „Ausreichend“. Ich wollte nur,
7 tet. Er war es auch, der die Feuerwehr und tion hat, weshalb es Schwierigkeiten mit den dass Ihr diese Noten aus einem angemessenen
den Krankenwagen rief. Er hat mich sogar für die Eheschließung erforderlichen Bluttests Blickwinkel betrachtet.
im Krankenhaus besucht, und da ich nach gibt, und ich mich dummerweise angesteckt Eure liebende Tochter
8 dem Brand keine Unterkunft hatte, war er habe. Ich weiß, dass Ihr ihn mit offenen Sharon

9
sen, sondern im Gegenteil in der Hoffnung, dass das angenehme Nun werden Sie sich vielleicht gedacht haben, dass man sich
10 Drumherum auf die Wahrnehmung des Produkts abfärbt. Wir die Effekte – zumindest theoretisch – auch umgekehrt vorstellen
sehen also, dass die Information, die durch Priming verfügbar könnte. Einmal ganz abgesehen von der Frage, ob Sie George
gemacht wird, unterschiedliche Effekte auf die Beurteilung dieses Clooney für einen attraktiven Mann halten, ist doch im Vorhi-
11 Zielreizes haben kann. Betrachten wir nun diese speziellen Pri- nein kaum zu entscheiden, ob die Gesellschaft von attraktiven
ming-Phänomene, die Kontexteffekte, etwas genauer. Personen Paul nicht vielleicht ebenfalls als attraktiv anstatt häss-
12 Sie werden selbst schon einmal die Erfahrung gemacht ha- lich und mickerig erscheinen lässt. Wir brauchen also Regeln
ben, dass Ihre Urteile über dieselbe Sache nicht unter allen Um- für die Frage, wann wir einen Assimilations- und wann einen
ständen gleich ausfallen. Ein einfaches Beispiel ist die Antwort Kontrasteffekt zu erwarten haben.
13 auf die Frage: „Bist du mit deinem Leben zufrieden?“ Wenn Sie Nach Schwarz und Bless (1992) hängt die Frage danach, ob
kurz zuvor über persönliche Misserfolge und Katastrophen nach- Assimilation oder Kontrastierung eintritt, davon ab, wie die In-
14 gedacht haben, wird Ihr Urteil weniger positiv ausfallen, als wenn formationen kategorisiert werden (. Abb. 7.2). Das heißt zum
Sie soeben an die schönen Seiten Ihres Lebens erinnert wurden Beispiel, dass für einen Assimilationseffekt Zusammengehö-
15 (Strack et al. 1985). In das Urteil fließen diejenigen Informatio- rigkeit wahrgenommen werden muss. Allgemein gesprochen:
nen mit ein, die zum Zeitpunkt des Urteilens am besten verfüg- Der Kontextreiz muss zu derselben Kategorie gehören wie der
bar waren. Allgemein gesprochen: Andere Informationen, mit Zielreiz. Umgekehrt werden bei einem Kontrasteffekt die bei-
16 denen zusammen der Gegenstand einer Bewertung gesehen wird, den Reize so wahrgenommen, als gehörten sie zu verschiedenen
beeinflussen das Urteil. Diese Einflüsse werden als Kontexteffekte Kategorien. Dann kann der Kontextreiz ein Maßstab der Beur-
17 bezeichnet (z. B. Halo-Effekt; ▶ Exkurs 7.3). teilung werden.
Kontexteffekte haben aber nicht immer die gleiche Richtung. Ein direkter Ausschluss des Zielreizes aus der Kategorie, zu
Vielmehr schwankt der Einfluss der Kontexte zwischen Anglei- der der Kontextreiz gehört, muss aber in der Regel eigens ausge-
18 chung bzw. Assimilation und Kontrast (Bless und Schwarz 2010; löst werden (Schwarz und Bless 1992, S. 221). Die Kontrastierung
Schwarz und Bless 1992). Für beide Effekte ein Beispiel: Sie sehen ist auch der kognitiv aufwendigere Prozess; wenn unsere Kapa-
19 Ihren Studienkollegen Paul zusammen mit dem Bundespräsi- zität oder Motivation beschränkt sind, assimilieren wir eher, als
denten in angeregtem Gespräch. Ganz unwillkürlich steigt Ihre dass wir kontrastieren (Martin et al. 1990). Anders ausgedrückt:
20 Bewertung von Pauls Qualitäten. Das Ansehen des Präsidenten Per Voreinstellung wird der Zielreiz an den Kontextreiz assimi-
färbt gleichsam auf Paul ab. Dies wäre ein Assimilationseffekt (vgl. liert. Nur wenn es besondere Gründe gibt, die einen Ausschluss
auch Sigall und Landy 1973). Ein anderes Mal sehen Sie Paul des Zielreizes aus der Kontextkategorie auslösen können, ist auch
21 gemeinsam mit George Clooney und Brad Pitt durch die Straßen ein Kontrasteffekt zu erwarten.
spazieren. Würden Sie jetzt danach gefragt, ob Sie Paul für einen
22 attraktiven Mann halten, was würden Sie sagen? Eigentlich sah
Paul in Ihren Augen bisher ganz passabel aus, aber verglichen 7.3.1 Empfehlungen zur Erzeugung
mit George Clooney gleicht er doch eher einer Kröte. Dies wäre von Kontrasteffekten
23 ein Beispiel für einen Kontrasteffekt (vgl. auch Kenrick und Gu-
tierres 1980; . Abb. 7.1 zeigt ein Beispiel für einen Kontrasteffekt Stellen wir uns vor, Sie wollen die Wahrnehmung eines Zielge-
in der Werbung). genstands durch Kontextreize manipulieren. Da der Kontrastef-
7.3 • Kontexteffekte
143 7

Exkurs 7.3  Der Halo-Effekt  |       | 


Beim Halo-Effekt* handelt es sich um einen Eindrücke. Am stärksten findet sich der Ha- Experiment wird auch deutlich, dass die be-
Wahrnehmungs- bzw. Beurteilungsfehler, das lo-Effekt im Bereich der physischen Attraktivi- einflussende Information nicht dazu genutzt
heißt, ein Attribut strahlt in der Wahrnehmung tät. Physisch attraktiven Menschen werden alle wird, um auf Eigenschaften zu schließen, über
auf die anderen wahrgenommen Eigen- möglichen positiven Eigenschaften zugetraut, die man unzureichende Informationen hat.
schaften aus, so dass seine Positivität oder ohne dass es dafür hinreichende Evidenz gäbe Die Probanden im Experiment von Landy und
Negativität auf andere Bereiche übertragen ▶
(  Abschn. 10.2.3). Sigall hatten zur Beurteilung der Aufsätze
wird (Thorndike 1920). Technisch ausgedrückt In einer oft replizierten Untersuchung konnten alles, was sie brauchten. Der Einfluss der
könnte man sagen: Das Eigenschaftsprofil Landy und Sigall (1974) die Wirksamkeit des Attraktivitätsinformation war vermutlich ein
wird homogener, gleichförmiger wahrge- Halo-Effekts auf die Einschätzung einer Leis- unbewusster. Nisbett und Wilson (1977b)
nommen, als es in Wirklichkeit ist. In unserer tung nachweisen. Sie legten ihren männlichen zeigten, dass Urteile durch den Halo-Effekt
Wahrnehmung treten gute Eigenschaften Versuchspersonen Aufsätze unterschiedlicher beeinflusst werden, ohne dass die urteilenden
immer in Rudeln auf, und mit den schlechten Qualität vor. Den Probanden wurden Fotos Personen den Effekt bemerken oder auch nur
Eigenschaften ist es ganz genauso. Wenn zum der vermeintlichen Autorinnen gezeigt. Als eingestehen würden. Sie schließen aus ihren
Beispiel feststeht, dass ich fleißig bin, dann nun die Männer die Aufsätze beurteilen Ergebnissen: „the altered judgements require
werden mich die Leute auch eher für gewis- sollten, schnitten die Arbeiten der attraktiven the absence of awareness“ (Nisbett und Wilson
senhaft und intelligent halten. Der Halo-Effekt Autorinnen besser ab als die der weniger 1977b, S. 256).
geht in der Regel vom ersten Eindruck aus, attraktiven. Dieser Effekt fand sich vor allem *  Vom griechischen halos für „(Licht-)Hof“,
den man von einer Sache oder einer Person für die Arbeiten, die – absichtlich – abgrund- „Schein“; hier besonders: „Heiligenschein“.
hat. Ihm unterliegen viele der nachfolgenden tief schlecht geschrieben waren. An diesem

George Clooney

Brad Pitt
Paul
George Clooney
Brad Pitt

Paul

gleiche unterschiedliche
Kategorisierung Kategorisierung
→ Assimilation → Kontrastierung

.. Abb. 7.2  Grundgedanke des Inklusions-/Exklusionsmodells: Wenn sich


.. Abb. 7.1 Kontrasteffekt in der Werbung. Das Produkt hebt sich kontrastie- Objekte mental in derselben Kategorie befinden, werden sie ähnlich wahrge-
rend von seinem Kontext ab. (© Nike International 2000. Foto: Dirk Karsten) nommen. Befinden sie sich in unterschiedlichen Kategorien, wirkt das eine
Objekt als Maßstab für das andere. Kontrasteffekte sind die Folge (Schwarz
und Bless 1992).
fekt der seltenere Fall ist, möchte ich im Folgenden vor allem
Empfehlungen zur Erzeugung eines Kontrasteffekts aussprechen.
Dies impliziert gleichzeitig, wie man stattdessen den Assimilati- in Deutschland genießt, wird das Wissen um seine Mitgliedschaft
onseffekt wahrscheinlicher macht. in der CDU auch auf das Urteil gegenüber der CDU abfärben.
Schwarz und Bless (1992) haben diesen Effekt zu einer Zeit, als
Ausdrücklicher Ausschluss Richard von Weizsäcker noch Bundespräsident war, nachweisen
aus der Kontextkategorie können. Bei diesem Vorgehen wird eine Zusammengehörigkeit
Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, versuchen Sie, von Richard von Weizsäcker und der CDU betont, und eine As-
den Zielreiz direkt aus der Kontextkategorie zu subtrahieren. Man similation ist die Folge.
kann die Kontextinformation zu einem Teil der Zielinformation Das Amt des Bundespräsidenten bringt es aber mit sich, dass
machen oder, umgekehrt, sie von der Zielinformation ausschlie- man das Verhältnis von Richard von Weizsäcker zur CDU auch
ßen. Stellen Sie sich vor, die Frage lautet: „Was halten Sie von ganz anders sehen kann. Schwarz und Bless fragten einige Ver-
der CDU?“ (Beispiel nach Schwarz und Bless 1992). Stellen Sie suchspersonen: „Welches Amt bekleidet Richard von Weizsäcker,
sich weiterhin vor, man hätte Sie kurz zuvor gefragt: „In welcher das ihn aus der Parteipolitik ausschließt?“ In diesem Fall dachten
Partei ist der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsä- die Versuchspersonen bei der Beurteilung der CDU ebenfalls an
cker Mitglied?“ Es wird eine Kontextinformation aktiviert. Man Richard von Weizsäcker. Aber dieses Mal wurde ihnen ausdrück-
denkt an Richard von Weizsäcker. Vor allem aber denkt man an lich nahegelegt, seine Parteimitgliedschaft außer Acht zu lassen.
Richard von Weizsäcker in seiner Eigenschaft als prominentes In der Folge über die CDU nachzudenken, bedeutete, ein Ur-
Mitglied der Partei, die es später zu beurteilen gilt. In Überein- teil über „die CDU ohne Richard von Weizsäcker“ abzugeben.
stimmung mit dem hohen Ansehen, das Richard von Weizsäcker Richard von Weizsäcker wurde sozusagen aus der Zielkategorie
144 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

Wenige gemeinsame Merkmale zwischen Ziel-


1 und Kontextreiz
Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, geben Sie Ziel-
2 und Kontextreiz so wenige gemeinsame Merkmale wie möglich. Je
ähnlicher sich der Ziel- und der Kontextreiz sind, desto eher ist
damit zu rechnen, dass das Urteil über den Zielreiz dem Kon-
3 textreiz angepasst ist (Schwarz und Bless 1992, S. 230 f). Das
bedeutet allgemein gesprochen, dass Ziel- und Kontextreiz be-
4 stimmte Eigenschaften gemeinsam haben sollten, damit es zu
.. Abb. 7.3  Werbung mit einem Produkterfolg aus hoher zeitlicher Entfer- einem Assimilations- und nicht zu einem Kontrasteffekt kommt.
5 nung. Die Gefahr eines Kontrasteffekts wird aufgefangen, indem Kontinuität Zum Beispiel könnte eine angenehme Umgebung, in der das
betont wird. © Beiersdorf Produkt zu sehen ist, auch farblich dem Produkt entsprechen
oder eine Form enthalten, die durch das Design des Produkts
6 CDU subtrahiert. Das Urteil über die CDU fiel unter dieser Be- vorgegeben ist.
dingung wesentlich schlechter aus. Wänke et al. (1998) zeigten, dass bereits das Merkmal eines
7 gemeinsamen Namens eine Assimilation herbeiführen kann.
Große zeitliche Distanz zwischen Ziel- Durch den Namen wurde das Zielprodukt als Fortsetzung einer
und Kontextreiz bestimmten Produktserie dargestellt – oder eben nicht.
8 Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, rücken Sie, In dem Experiment wurde zunächst eine Serie von Autos
wenn möglich, Ziel- und Kontextreiz zeitlich weit auseinander. präsentiert: Der Winston Silverpride, Silverstar und Silverhawk.
9 Ein Kontrasteffekt ist bereits wahrscheinlicher, wenn Ziel- und Die Autos werden alle als sportlich beschrieben. Von demselben
Kontextreiz nacheinander und nicht gleichzeitig dargeboten Hersteller kommt nun ein neuer Wagen hinzu, der allerdings
10 werden (Schwarz und Bless 1992, S. 233 f). Strack et al. (1985) eher in die Kompakt- als in die Sportwagenkategorie eingeord-
ließen ihre Versuchspersonen an kürzlich zurückliegende Ereig- net wird. In den beiden experimentellen Bedingungen erscheint
nisse denken. Eine der Experimentalgruppen wurde instruiert, der Neue nun entweder als Fortsetzung oder als Unterbrechung
11 an angenehme Ereignisse zu denken, die anderen sollten sich der bisherigen Produktlinie. In der Fortsetzungsbedingung heißt
an unangenehme Ereignisse erinnern. Wenn diese Versuchs- er Winston Silverray, in der Unterbrechungsbedingung Winston
12 personen danach ihre gegenwärtige Lebenssituation beurteilen Miranda. Die Probanden sollen das Auto auf der Dimension
sollten, dann berichteten sie hohe Zufriedenheit bei positivem sportscar: high bzw. low einschätzen. Wie erwartet, bekam das
Ereignis und niedrige Zufriedenheit bei negativem Ereignis. Modell bei einer Fortsetzung der Namensgebung eher Eigen-
13 Dieser Assimilationseffekt verkehrte sich in einen Kontrastef- schaften eines Sportwagens zugeschrieben, und zwar sowohl die
fekt, wenn die Personen an länger zurückliegende Ereignisse positiven als auch die negativen.
14 denken sollten. Eine hohe zeitliche Distanz war ein Kriterium In einem zweiten Experiment wurde eine Kontrollgruppe
dafür, die Ereignisse von der Gegenwart als nicht repräsentativ eingeführt, die keine Information über die Namensgebung er-
15 auszuschließen. Ein entsprechendes Ergebnis kann man auch hielt, sondern nur das neue Produkt bewerten sollte. Im Ver-
erzielen, wenn man als Kontextreize Ereignisse der Zukunft ak- gleich mit dieser Kontrollgruppe zeigte sich, dass die Effekte der
tiviert. Die entscheidende Bedingung ist, dass diese Ereignisse Exklusion wirkliche Kontrasteffekte und nicht etwa das Ausblei-
16 nicht als repräsentativ für die Gegenwart betrachtet werden, ben einer Assimilation darstellen. Offenbar kann man also durch
etwa weil ihnen ein wichtiger Einschnitt vorausgegangen ist das gezielte Unterdrücken gemeinsamer Merkmale mehr bewir-
17 (Strack 1994, S. 91). ken als nur, eine Assimilation zu verhindern.
Diese Überlegung wirft ein kritisches Licht auf Werbestra- Wenn zum Beispiel der Smart keinen Mercedes-Stern erhält,
tegien, bei denen sich das gegenwärtige Produkt an Erfolgspro- dann verhindert diese Maßnahme nicht nur, dass die Wahrneh-
18 dukte aus weit zurückliegender Vergangenheit anlehnt, zum mung von Mercedes nicht durch ein Exemplar verwässert wird,
Beispiel an Persil oder VW Käfer. Ein ausschließlicher Fokus auf das für das sonstige Mercedes-Image eher untypisch ist. Voraus-
19 „früher“ versus „heute“ legt Gedanken nahe wie „Früher war sichtlich unterstreicht ein solches Marketing auch die Eigen-
es anders als heute“ – vielleicht gar „besser“. Dies wäre der Fall, ständigkeit der bisherigen Produktlinie im Unterschied zu dem
20 wenn die Werbestrategie vor allem betont, dass VW mit dem neuen Produkt und schärft das jeweilige Profil.
Käfer vor vielen Jahren einen riesigen Erfolg hatte. Freilich ist Allerdings zeigen Wänke et al. (1998) auch, dass Experten,
dies selten die ausschließliche Strategie. Vielmehr wird Inklusion die sich mit Autos auskennen, weniger von der Manipulation
21 angestrebt, indem zwischen früher und heute eine Brücke ge- beeinflusst wurden. Das ist insofern bemerkenswert, als die Ex-
schlagen und Kontinuität, eine Produktpolitik ohne Brüche, be- perten ja nur von Autos insgesamt etwas verstanden, nicht aber
22 tont wird (z. B. . Abb. 7.3; ▶ http://www.persil.de/de/ueber-persil/ speziell von dem einen im Experiment, das ja ein Phantasiepro-
geschichte.html, Abruf 1.5.2013). dukt war.
23 Extreme Ausprägung des Kontextreizes
Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, wählen Sie
einen möglichst extremen Kontextreiz. Neben dem erotischsten
7.3 • Kontexteffekte
145 7

Mann aller Zeiten muss Paul unattraktiv wirken. Wäre die Ver- Herstellung von Zeitungspapier aus genmanipulierter Altpappe
gleichsgröße nur der nette, gut aussehende Junge von nebenan hat das Vertrauen in die Papierindustrie stark erschüttert. Fragt
gewesen, dann hätte Paul vielleicht sogar von dessen Attrakti- man Personen auf der Straße nach ihrer Meinung zu den deut-
vität profitiert und würde ebenfalls attraktiver wahrgenommen. schen Papierfabrikaten, sagen sie einhellig: „Alles Gauner!“ Der
Ein extremes Exemplar ist weniger typisch für eine Kategorie Kontext, der hier wirkt, ist der Skandal. Die Zielkategorie sind
als ein durchschnittliches und wird daher eher exkludiert (Herr die Papierhersteller ganz allgemein. Wird aber die Zielkategorie
et al. 1983). George Clooney ist für die Kategorie „Jungs wie verkleinert, dann verringert sich auch die Tendenz, die Zielka-
Paul einer ist“ eben ein zu extremes Beispiel, als dass er da noch tegorie noch genauso wahrzunehmen wie den Kontext. Geht es
hineinpassen würde. Der gut aussehende Junge von nebenan letztendlich nur noch um einen einzigen Fabrikanten, der beur-
gehört dagegen schon eher zu den „Jungs wie Paul einer ist“, teilt werden soll, so ist eine pauschale Abwertung als Konsequenz
gelangt daher in dieselbe Kategorie wie Paul und beeinflusst des Skandals kaum noch wahrscheinlich. Vielmehr könnte eine
daher unsere Wahrnehmung von Paul in Form einer Assimi- einzelne Person im Extremfall womöglich sogar einen Nutzen
lation. aus dem Skandal ziehen. Einzelne Personen können nämlich dem
Skandal regelrecht entgegengehalten werden.
Eindeutige Vergleichbarkeit Schwarz und Bless (1992, S. 225 ff.; vgl. auch Bless et al. 2000)
von Kontextkategorie und Zielreiz wiesen ähnliche Effekte im Bereich politischer Skandale nach.
Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, dann vergleichen Entscheidend ist hierbei das kategoriale Niveau: Exemplare der-
Sie nicht Äpfel mit Birnen, sondern wählen Sie die Kontextkatego- selben Kategorienebene – Bless et al. (2000) sprechen dabei von
rie so, dass ihre Eigenschaften leicht auch auf den Zielreiz angewen- „lateralen Kategorien“ – können eigentlich kaum assimiliert wer-
det werden können. Sowohl Restaurants als auch Modegeschäfte den. So wird ein skandalgeschüttelter einzelner Politiker dem
können teuer oder billig, einfach oder gehoben, für die breite anderen eher nützen als schaden, da ja die einzelnen Personen
Masse oder exklusiv sein. Trotzdem sind die beiden Produkt- auf demselben kategorialen Niveau liegen und der eine Politiker
kategorien doch auch wieder sehr verschieden. Wie vergleicht schlecht in den anderen inkludiert werden kann. Wenn es aber
man das Maxim mit H&M? Für diesen „Vergleich“ müssen wir nicht zur Inklusion kommt, ist eine Exklusion zu erwarten – und
die oben genannten Begriffe zu Hilfe nehmen, denn nur diese diese führt zu einem Kontrasteffekt.
schaffen die erforderliche Gemeinsamkeit, ohne die ein Vergleich Ein Schaden ist eben nur auf höherer Kategorienebene mög-
gar nicht möglich wäre. lich: Wer mit einem Skandal assoziiert wird, schadet demnach
Stapel et al. (1998) gehen nun davon aus, dass für die Ver- der Partei oder den Politikern allgemein, den einzelnen Kollegen
gleichsprozesse, auf denen ein Kontrasteffekt ja beruht, keine nützt er aber eher (▶ Exkurs 7.4 enthält weitere nützliche Hin-
abstrakten Begriffe taugen. Hierzu seien vielmehr klare Objekt- weise für skandalbedrohte Politiker).
grenzen erforderlich. Objekte lassen sich mit anderen Objekten, Bless et al. (2000) diskutieren vor diesem Hintergrund auch
nicht aber mit abstrakten Begriffen vergleichen. Begriffe, zum eine alternative Interpretation für den immer wiederkehrenden
Beispiel Eigenschaftswörter, haben jedoch immer noch einen Ef- Effekt, dass Experten in der Regel weniger anfällig für Kontex-
fekt als „Primes“, also als Aktivatoren einer bestimmten Valenz teffekte sind: Ursprünglich geht man davon aus, dass Experten
oder Bedeutung. meist bereits ein Urteil über den Gegenstand (z. B. ein Produkt,
Stapel et al. (1998) ließen ihre Versuchspersonen ein fiktives eine Partei) haben, das sie abrufen können anstatt ad hoc aus den
neues Restaurant bewerten. Sie konnten Kontrasteffekte nach- verfügbaren Informationen eines konstruieren zu müssen. Eine
weisen, wenn gemeinsam mit dem neuen Restaurant teure bzw. andere Interpretation wäre nun, dass Experten in der Situation
billige andere Restaurants aktiviert wurden. Wenn die Primes viel mehr Beispielexemplare generieren können und daher dem
hingegen aus teuren oder billigen Modegeschäften bestanden, „Verwässerungseffekt“ unterliegen, den Bless et al. (2000) nach-
waren Assimilationseffekte die Folge. Das Modegeschäft besitzt gewiesen haben.
nur geringe Vergleichsrelevanz für das Restaurant. Der einzige
Anknüpfungspunkt ist eben die übergeordnete Kategorie „teuer Geringe Größe der Kontextkategorie
– billig“ oder „breite Zielgruppe – exklusiv“. Sind diese abstrak- Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, wählen Sie auch
ten Begriffe aktiviert, wirken sie aber nur noch als Primes. Da- die Kontextkategorie so klein wie möglich. Ein Kontextreiz bildet
gegen hat das eine Restaurant gegenüber dem anderen eine hohe eine Kategorie. Einige Kategorien sind sehr klein und spezifisch,
Vergleichsrelevanz, es hat viele denkbare Gemeinsamkeiten, vor andere sind aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt.
deren Hintergrund auch Unterschiede deutlicher sichtbar wer- Der Kontextreiz „Richard von Weizsäcker“ bildet eine kleine,
den. unitäre Kategorie. Die CDU als Partei oder die Politiker als Be-
rufsgruppe bilden ebenfalls eine Kategorie. Diese letzteren Kate-
Geringe Größe der Zielkategorie gorien sind aber zusammengesetzt. Kontextkategorien, die nicht
Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, wählen Sie die zusammengesetzt sind, führen in der Regel zu Kontrasteffekten
Zielkategorie so klein wie möglich. Ein Kontextreiz wird umso (Schwarz und Bless 1992, S. 23 f.). Das beste Beispiel sind Kon-
eher eingeschlossen, je größer die Zielkategorie ist, und umso textkategorien, die aus einer Person bestehen. Somit müsste ein
eher ausgeschlossen, je enger die Zielkategorie ist. In Anleh- Politiker, der für sich selbst werben will, überlegen, ob er sich
nung an Schwarz und Bless (1992, S. 225 ff.) ließe sich folgendes häufig mit einem populären Kollegen zeigen sollte. Solange es um
Phantasiebeispiel zur Illustration vorstellen: Ein Skandal um die Personen geht, ist es durchaus wahrscheinlich, dass beim direk-
146 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

Exkurs 7.4  Was tun bei einem Skandal in der eigenen Partei?  |       | 
1
Spenden- und Korruptionsaffären erscheinen keine vertrauenswürdigen Kolleginnen sie verwässern den Assimilationseffekt

2 für Politik und Politiker auf den ersten Blick


katastrophal. Der politische Gegner freilich will
und Kollegen mit ins Spiel; diese verwäs-
sern nur den Kontrasteffekt, bei dem Sie
des Skandals auf die Partei, sie helfen
aber Ihnen nicht, denn sie verwässern
sich diese Affären zu Nutze machen, indem so gut wegkommen. auch den Kontrasteffekt zwischen Ihnen
3 er eine Inklusion von Kandidat und Affäre
herbeizuführen versucht (. Abb. 7.4). Aller-
c) Wenn die Wählerinnen und Wähler Sie
nicht kennen, haben Sie ein Problem.
und dem skandalerschütterten Kollegen.
Wenn Sie als Parteimitglied wahrgenom-
dings ist Inklusion nicht die einzige mögliche Sie fällen dann nämlich ihr Urteil über men werden, dann ist alles, was für die
4 Reaktion der Wähler – oft ist sie nicht einmal
wahrscheinlich.
Sie nicht anhand von individuierenden
Informationen, sondern auf der Basis Ihrer
Partei gut ist, auch gut für Sie. Die Frage
ist dann allenfalls: Wollen Sie tatsächlich
Bless et al. (2000, S. 1044) raten daher unseren Kategorienzugehörigkeit. Sie werden als eine profillose Nummer in einer Liste von
5 Volksvertreterinnen und -vertretern, bei einem Politiker oder Parteimitglied betrachtet Abgeordneten sein?
Skandal in der eigenen Partei nicht zu verza- und nicht als die Person, die Sie sind. e) Konzentrieren Sie sich bloß nicht nur auf
gen, und geben ihnen folgende Ratschläge: Machen Sie sich also bekannt! die Gauner! Die Stars Ihrer Partei können
6 a) Hauptsache, Sie stehen nicht im Zentrum d) Wenn Ihnen daran liegt, wie Ihre Partei Ihnen genauso schaden, wie Ihnen die
des Skandals. Ist das gewährleistet, dann oder Politiker allgemein wahrgenom- Gauner nützen können. So wurde zum
lässt jeder sichtbare Gauner Ihre eigene men werden, achten Sie darauf, wer in Beispiel der Senator Bob Dole in den USA
7 moralische Verfassung – und sei sie auch der Öffentlichkeit präsentiert wird. Je neben dem hochangesehenen General
nur mittelmäßig – im Vergleich glänzend mehr unglaubwürdige Kolleginnen und Colin Powell stets schlechter bewertet
als ohne diesen Vergleichsmaßstab. Die
8
rein aussehen. Je näher Sie am Skandal Kollegen den Wählern einfallen, desto
dran sind, desto eher sollten Sie versu- schlechter für das Image der gesamten Republikanische Partei hat dagegen sehr
chen, sich davon zu dissoziieren – aber Kategorie (Partei bzw. Politiker allgemein). davon profitiert, wenn Colin Powell zu ihr

9 das tun Sie sicher sowieso.


b) Der Skandal kann Ihnen nur nützen, wenn
Bedenken Sie aber: Ob diese Strategie
Ihnen auch persönlich nützt, hängt davon
gezählt wurde (Stapel und Schwarz 1998).
Bedenken Sie insgesamt: Was für Ihre Partei
er den Wählerinnen und Wählern im Mo- ab, ob man Sie als Individuum oder als gut ist, ist meistens schlecht für Sie, es sei

10 ment der Wahl präsent ist. Es ist also nicht


in Ihrem Interesse, dass allzu schnell Gras
Parteimitglied wahrnimmt. Wenn Sie
als Individuum gesehen werden, dann
denn, Ihre Parteizugehörigkeit ist das Einzige,
was die Wählerinnen und Wähler von Ihnen
über die Sache wächst oder der Skandal helfen glaubwürdige Kollegen bei einem wissen.
11 heruntergespielt wird. Bringen Sie aber Skandal zwar dem Image der Partei, denn

12 ten Vergleich eher Unterschiede als Gemeinsamkeiten gesehen eine kleine Firma halten, und es zeigte sich, dass die Firmen in
werden. Wenn dagegen die Kontextkategorie aus verschiedenen der großen Bedingung signifikant größer geschätzt wurden als
Elementen zusammengesetzt erscheint, dann wird es zunehmend in der kleinen.
13 wahrscheinlich, dass der Zielreiz in die Kontextkategorie aufge- Die entscheidende Frage war nun: Wie wirkt sich die Re-
nommen und in gleichem Sinne beurteilt wird. Unser Politiker präsentation der Firmengröße auf die Wahrnehmung eines
14 hätte also bessere Chancen, wenn er sich mit einer Gruppe von neuen Produkts aus? In unserem Experiment wurden den
populären Kollegen in Zusammenhang bringt. Für den Bereich Probanden fiktive neue Produkte präsentiert, im Falle von Mö-
15 der Produktwerbung lässt sich eine ähnliche Ableitung vorneh- venpick etwa war es Tee. Dieses neue Produkt sollte genauso
men. Wenn Sie einen Assimilationseffekt erzeugen möchten, soll- wie die Firma anhand der jeweils gleichen Merkmale bewertet
ten Sie das Produkt in einen möglichst breiten und komplexen werden. Aus diesen Merkmalen ließ sich ein Positivitätsindex
16 Positivkontext stellen, zum Beispiel das Unternehmen oder eine berechnen, der die Bewertung in einem einzigen Maß zusam-
bewährte Palette anderer Produkte. Dagegen ist es ein weniger menfasst. . Abb. 7.5 zeigt die Ergebnisse für die Beispielfirma
17 geschickter Kunstgriff, ein Produkt einem einzigen anderen Mövenpick.
Produkt an die Seite zu stellen. Dieses Verfahren führt eher zur Unter der kleinen Bedingung werden Firma und Produkt
Kontrastbildung. deutlich unähnlicher erlebt als unter der großen Bedingung.
18 Diesen Gedanken haben wir in einer eigenen Untersuchung Es ist also in der Tat eher dann eine Assimilation zu erwarten,
geprüft (Felser und Baum 1999). Wir wählten hierzu Firmen, wenn die Kontextkategorie als groß erlebt wird. Interessant ist
19 die zwar eine vielfältige Produktpalette anbieten, aber doch in an den Ergebnissen in . Abb. 7.5 auch, dass sich nicht nur die
der Regel mit einem Spitzenprodukt im Besonderen assoziiert Wahrnehmung des Produkts, sondern auch die der Firma über
20 werden. In unterschiedlichen experimentellen Bedingungen die experimentellen Bedingungen verändert. Kontrollanalysen
wurde diese Firma entweder als besonders groß bzw. beson- zeigen, dass dieser Effekt nicht etwa darauf zurückgeht, dass eine
ders klein dargestellt. In der „kleinen Bedingung“ wurden die große Firma Mövenpick negativer wahrgenommen wird als eine
21 Probanden im Rahmen einer fingierten Werbepräsentation kleinere. Wäre das Produkt, der erfundene Mövenpick-Tee, nicht
nur an das eine bekannte Produkt erinnert, etwa im Falle der präsent, würde sich die Wahrnehmung der Firma von der großen
22 Firma Mövenpick an das Eis. In der „großen Bedingung“ wurde zur kleinen Bedingung kaum verändern. Man kann also davon
von derselben Firma eine weit umfangreichere Produktpalette ausgehen, dass Produkt und Firma gegenseitig aufeinander wir-
aufgezählt, also Kaffee, Konfitüre, Eis und so weiter. In einer ken. Mit anderen Worten: Auch eine etablierte Marken- und Fir-
23 Kontrollfrage sollten die Probanden später einschätzen, ob sie menidentität ist nicht davor sicher, dass ein neues Produkt dieses
Mövenpick (bzw. die anderen Firmen) eher für eine große oder Profil noch einmal verändert – der Prozess der Assimilation ver-
7.3 • Kontexteffekte
147 7
7

Positivität der Bewertung


6

Mövenpick
4 Tee
klein groß
Repräsentation der Firma

.. Abb. 7.5  Bewertung von Produkt und Firma unter verschiedenen Reprä-


sentationen der Firma.

.. Abb. 7.4  Versuch einer Inklusion: Der politische Gegner als Zielreiz und
der Korruptionsskandal als Kontext. (© SPD) Bewertung des Mittelklassetoasters wurde auch dann durch das
Zur Erklärung: Im Jahr 1999 wurde bekannt, dass die CDU seit vielen Jahren
„schwarze Konten“ geführt bzw. illegale Parteispenden erhalten hatte. Die
Starprodukt beeinträchtigt, wenn die gemeinsame Markenzuge-
abgebildeten Politiker Kiep, Kanther und Kohl waren besonders intensiv in hörigkeit betont wurde (Kontrast gegenüber dem Starprodukt),
den Parteispenden-Skandal verwickelt, der Spitzenkandidat der Landtags- allerdings hatte die Betonung eine Aufwertung relativ zum direk-
wahl 2000 in NRW, Rüttgers, dagegen nicht. Gleichwohl suggeriert die SPD ten Konkurrenten zur Folge (Assimilation an das Starprodukt).
im Wahlkampf, daß der Kandidat und die Parteigenossen, die für den Skandal Grundsätzlich kann man sagen, je breiter eine Kontextkategorie

gesorgt haben, „aus demselben Holz geschnitzt“ sind (  http://de.wikipedia.
ist, desto eher wird eine weitere Information in diese Kategorie
org/wiki/CDU-Spendenaffäre; Abruf 1.8.2014).
eingeschlossen, und desto eher kommt es zu Assimilationseffek-
ten.
ändert nicht nur die Wahrnehmung des Zielreizes, sondern eben Nun bilden unterschiedlich vorbereitete Personen auch un-
auch die des Kontexts. terschiedlich breite Kategorien. Zum Beispiel habe ich bisher im-
Neben einem Star sieht der Einzelne eigentlich immer blass mer zwischen Autos und Fahrrädern unterschieden. Eine feinere
aus. Das liegt unter anderem daran, dass zwischen einzelnen Ex- Unterscheidung innerhalb der Kategorie „Autos“ ist mir nicht
emplaren einer Kategorie in der Regel keine Assimilation statt- geläufig. Nun kenne ich aber Leute und bin sogar mit ihnen
findet. In einem Experiment von Wänke et al. (2001) zeigte sich befreundet, die innerhalb der Autos weitere Kategorien bilden,
dieser Effekt für zwei Toaster von mittlerer Qualität, dem ein etwa Limousinen, Cabriolets, Caravans oder Mercedes, BMW,
Starprodukt zur Seite gestellt wurde. Unter dieser Bedingung VW und so weiter. Stellen wir uns nun vor, ich wollte ein Auto
verschlechterte sich die Einschätzung für beide mittelmäßige kaufen, und der Gebrauchtwagenhändler weiß zufällig, dass ich
Produkte. Die Tatsache, dass eines der beiden Zielprodukte zu von dem Auto, das mein Onkel fährt, sehr viel halte. Wenn er
derselben Marke gehörte wie das Starprodukt, hatte zunächst sein Angebot mit diesem Auto in Zusammenhang bringen kann,
keinen Effekt. Dieser stellte sich erst ein, wenn die gemeinsame dann kann er erwarten, dass ich über dieses Angebot ähnliche
Markenzugehörigkeit von Star- und Zielprodukt betont wurde. Gedanken fasse wie über das Auto meines Onkels. Ziel- und
Die eigentlichen Produktmerkmale wurden nicht verändert; nur Kontextreiz wären beide Elemente derselben Kategorie, Autos
die Präsentation wurde in Farbe, Logo, Überschrift und anderen eben. Die Sache sähe anders aus, wenn ich einen meiner gut
oberflächlichen Merkmalen zwischen Ziel- und Starprodukt an- informierten Freunde zu den Verhandlungen mitnähme. Für
geglichen. Diese Manipulation hatte bereits einen Effekt auf die diesen Freund ist die Frage der Kategorienzugehörigkeit nicht
Bewertung: Zwar verblasste der Zieltoaster immer noch neben damit erledigt, dass sowohl Ziel- als auch Kontextreiz Autos
dem Starprodukt, aber er war – dank seiner gemeinsamen Mit- sind. Wenn das Auto meines Onkels ein BMW und der angebo-
gliedschaft in derselben Markenfamilie – seinem direkten Mit- tene Wagen ein Opel ist, dann wird mein Freund beide Reize in
telklassekonkurrenten überlegen. unterschiedliche Kategorien einordnen. Er wird gar nicht anders
Zwei wichtige Folgerungen aus den Experimenten von können, als in erster Linie die Unterschiede des Angebotes zu
Wänke et al. (2001) möchte ich besonders betonen. (1) Wenn dem Vergleichsauto zu sehen (Bettman und Sujan 1987; Herr
Ziel- und Kontextreiz auf demselben kategorialen Niveau liegen 1989).
(z. B. beides Produkte sind), dann ist eine Inklusion kaum mög- Ein anderer Einfluss auf die mentale Kategorienbreite ist die
lich. Dies geschieht erst, wenn eine übergeordnete Kategorie ak- grundsätzliche Einstellung zu den Kulturgrößen „Individualis-
tiviert wird. (2) Ein Star kann auf zwei Weisen die Wahrnehmung mus“ und „Kollektivismus“. Eine kollektivistische Einstellung
eines Zielreizes beeinflussen: einerseits als Vergleichsstandard geht mit einer höheren Aufmerksamkeit für die Gemeinsam-
und andererseits über die geteilte Zugehörigkeit zu derselben Ka- keiten zwischen einem Zielreiz und seiner Umgebung einher.
tegorie. Wänke et al. (2001) konnten zeigen, dass diese beiden Dagegen erkennen und betonen Menschen aus einer individu-
Einflüsse offenbar nicht alternativ, sondern additiv wirken: Die alistischen Einstellung heraus vor allem die Unterschiede und
148 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

Einzigartigkeit der Stimuli. Dies führt dazu, dass Personen mit nicht davon beeinflussen, dass neben diesem Gebrauchtwagen
1 einer kollektivistischen Einstellung eher eine Passung zwischen ein Auto steht, das du schon zu kennen glaubst.“ Eine solche
einer Marke und einem neuen Produkt erkennen als Personen Instruktion würde meine Aufmerksamkeit auf einen Mechanis-
2 mit einer individualistischen Einstellung (Ahluwalia 2008). mus lenken, der mein Urteil andernfalls unbewusst und beiläufig
Ebenso neigen Asiaten eher dazu, Markenerweiterungen an die beeinflusst hätte. Der Assimilationseffekt wird deutlich gedämpft.
Dachmarke zu assimilieren als Angehörige westlicher Kulturen In der Folge wächst die Erwartung, dass mit dem Hinweis auf
3 (Monga und John 2007; zit. n. Bless und Schwarz 2010). die Wirksamkeit der Kontextreize Kontrasteffekte einsetzen
(Greenwald und Banaji 1995, S. 10; Moskowitz und Roman 1992;
4 Untypische Exemplare Schwarz und Bless 1992, S. 234).
Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, dann sollten Sie Forehand und Perkins (2005) können zeigen, dass Promi-
5 den Kontext als besonders untypisch für den Zielreiz darstellen. nente in der Werbung eine Kontextinformation darstellen, die
Günters Kollegin Astrid schimpft immer über das Fernsehpro- assimilativ wirkt, solange sie unbemerkt bleibt. Die Berühmtheit
gramm und lässt kein gutes Haar an den schlichten Abend- der Stimme wird unbewusst erkannt und verbessert die Produkt-
6 vergnügungen, mit denen Günter pro Woche reichlich Zeit bewertung. Wenn allerdings die Probanden in der Untersuchung
verbringt. Nun hat Günter herausgefunden, dass Astrid keine von Forehand und Perkins (2005) die Stimme des prominenten
7 Folge der Serie Akte X versäumt. Mit diesem Argument will er Testimonials erkannten und so der Kontextreiz also bewusst ver-
auftrumpfen; so schlecht könne sie das Fernsehen ja gar nicht arbeitet wurde, wurde die Berühmtheit des Sprechers als offenbar
finden, wo sie doch immerhin auch eine heftige Vorliebe habe … irrelevante Information aktiv unterdrückt. Dies erzeugte einen
8 Merkwürdigerweise ist aber der Hinweis auf das eine über jeden Kontrasteffekt. Dieser Effekt der Unterdrückung gilt aber nur
Zweifel erhabene Programm für Astrid keineswegs ein Argu- für explizite und bewusst mitgeteilte Einstellungen. Implizite
9 ment, ihre Antipathie abzuschwächen, im Gegenteil. Wie lässt Assoziationen blieben von der Unterdrückung unberührt – auf
sich das erklären? automatischer Ebene blieb der positive Effekt des berühmten
10 Eigentlich sollte sich das Urteil über den Zielreiz „Fernseh- Testimonials auch dann erhalten, wenn die prominente Stimme
programm“ an das Urteil über das Positivbeispiel Akte X assimi- erkannt wurde.
lieren. Für Astrid aber ist diese Ausnahmeerscheinung auf der In diesem Zusammenhang ist wieder die Unterscheidung
11 Mattscheibe eben genau das: eine Ausnahme eben. Akte X re- von semantischem und episodischem Gedächtnis bedeutsam
präsentiere nicht das Programm, wie es normalerweise ist. Diese (▶ Abschn. 4.5): Ein Assimilationseffekt ist besonders wahr-
12 Sendung führe vielmehr schmerzlich vor Augen, wie grotten- scheinlich, wenn die Person sich war an den aktivierten Inhalt
schlecht es eigentlich um das normale, das alltägliche Fernsehen erinnert, nicht aber an die Aktivierungsepisode. Wenn dagegen
bestellt ist. die Situation, in der die Kontextinformation aktiviert wurde,
13 Die Frage nach Assimilation oder Kontrast hängt davon ab, klar vor Augen steht, dann werden Kontrasteffekte wieder wahr-
ob ein Beispielexemplar als typisch oder untypisch für die Kate- scheinlicher.
14 gorie angesehen wird (Bless und Wänke 2000). Assimilation ist Martin (1986) geht davon aus, dass im Falle einer plumpen
nur für typische Exemplare zu erwarten. Dies zeigt sich auch, Aktivierung der episodische Gedächtnisinhalt (z. B. die Situation,
15 wenn man Vorurteile bekämpfen und Stereotypen aufbrechen in der der Autoverkäufer mir das Auto meines Onkels in Erin-
will. Wenn man zeigen möchte, dass eine bestimmte Kategorie, nerung gerufen hat) zu sehr im Vordergrund steht und daher
etwa Frauen, Männer, Türken, Nonnen oder vegetarisches Es- leicht erinnert werden kann. Eine subtile Aktivierung hinterlässt
16 sen, in Wirklichkeit ganz anders ist, als das Vorurteil nahelegt, dagegen kaum Spuren im episodischen Gedächtnis – hier wirkt
dann führt man hierzu gerne Gegenbeispiele an. Dies gelingt nur der Inhalt der Information. Lombardi et al. (1987) erwarten,
17 aber nicht, wenn diese Beispiele als extrem und untypisch erlebt dass das Fehlen einer episodischen Gedächtnisspur die Informa-
werden. Stattdessen kann das Anführen von erfolgreichen „Kar- tionsverarbeitung eher auf automatische Prozesse zurückwirft,
rierefrauen“ das Frauenstereotyp sogar festigen, anstatt es aufzu- während die Informationsverarbeitung flexibler ist, wenn sowohl
18 weichen. Wenn nämlich die Beispiele als untypische Ausnahmen semantisch als auch episodisch erinnert wird.
kategorisiert werden, werden sie auch in eine eigene Kategorie In Experimenten zur Personwahrnehmung werden Proban-
19 eingeordnet, und am Ende heißt es: Es gibt die Frauen auf der den mit einem zweideutigen Verhalten konfrontiert, das man als
einen und die Karrierefrauen auf der anderen Seite (Bless et al. hilfsbereit, aber auch als unehrlich deuten könnte (z. B. Strack
20 2003). et al. 1993). Wenn den Probanden zuvor eine Reihe von Syn-
onymen für „hilfsbereit“ oder „unehrlich“ präsentiert werden,
Bewusstheit deuten sie das vieldeutige Verhalten auch entsprechend dieser
21 Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, machen Sie den Information. Dieser Effekt kehrt sich allerdings um, wenn die
Urteilsprozess bei Ihrem Publikum bewusst. Wenn man eine Per- Probanden vor ihrem Urteil an die präsentierten Begriffe erin-
22 son darauf aufmerksam macht, dass ihr Urteil über einen Ziel- nert werden. So wird aus einem Assimilationseffekt durch Erin-
reiz durch einen Kontextreiz beeinflusst werden könnte, dann nerung an die Priming-Episode ein Kontrasteffekt.
wird diese Person sich bemühen, diesen Effekt auszuschließen. Eine mögliche Interpretation für das Einsetzen von Kontras-
23 Stellen wir uns vor, im vorangegangenen Beispiel mit dem Auto- teffekten bei Bewusstheit geht – wie gesagt – davon aus, dass die
kauf (▶ Abschn. 7.3.1) hätte man mir gesagt: „Gib acht, lass dich urteilende Person einsieht, dass der Einfluss des Kontexts auf den
7.3 • Kontexteffekte
149 7

Exkurs 7.5  Zum Verschwinden des Halo-Effekts: Der Wasservogel-Effekt  |       | 


Beim Halo-Effekt (  Exkurs 7.4) wirken früh servogel-Effekt“ nennen. Einen Ansatz zum als stillschweigend und anonym abgegebene
wahrgenommene Merkmale wie physische Nachweis des Wasservogel-Effekts liefert die Urteile (Patzer 1985). Der Grund für diesen Un-
Attraktivität auf die Beurteilung später Untersuchung von Schmitt (1992). In einem terschied wäre in der erhöhten Selbstaufmerk-
wahrzunehmender Merkmale. Wie die meis- Versuch, die Ergebnisse von Landy und Sigall samkeit durch die Öffentlichkeit zu sehen, die
ten Kontexteffekte beruht aber auch diese ▶
(1974; siehe auch  Exkurs 7.4) zu replizieren, das Funktionieren automatischer kognitiver
Variante des Halo-Effekts auf einem Automa- konnte Schmitt zeigen, dass der Halo-Effekt Prozesse behindern dürfte. Der Effekt des
tismus, der erheblich gestört wird, wenn er der Attraktivität auf die wahrgenommene Attraktivitätsstereotyps lässt sich darüber
in den Aufmerksamkeitsbereich des Subjekts Güte eines Texts ausblieb, ja sogar tendenziell hinaus bereits deutlich dämpfen, wenn die
gerät. Illustrieren möchte ich dies mit einem li- umgekehrt wurde, wenn der Einschätzung des Beurteiler dazu angewiesen werden, genaue
terarischen Beispiel. Ein Mitschüler des jungen Texts eine andere Einschätzung vorausging, Urteile anstatt eines persönlichen Eindrucks
Hanno Buddenbrook hat beim Lehrer, Herrn die ihrerseits dem Halo-Effekt unterworfen abzugeben (Eagly et al. 1991). Tetlock (1983)
Ballerstedt, zu repetieren: war. In weiteren Varianten dieses Experiments untersuchte den Einfluss, den ein Rechtferti-
„Der Schüler Wasservogel stand auf, ein Junge sammelte Schmitt (1992) Belege für die gungsdruck auf den Halo-Effekt hatte. Wenn
mit entzündeten Augen, aufgestülpter Nase, Annahme, dass eine „Wiedergutmachungsten- Probanden wussten, dass sie später ihr Urteil
abstehenden Ohren und zerkauten Fingernä- denz“ bei den Versuchspersonen dazu geführt anderen gegenüber begründen müssen, wa-
geln. […] Er hatte etwas äußerst Widerliches haben könnte, die in der ersten Einschätzung ren sie deutlich weniger vom ersten Eindruck
an sich, aber Herr Ballerstedt lobte ihn sehr begangenen Einschätzungsfehler zu Gunsten zu beeinflussen, als wenn sie nicht meinten,
für alle seine Bemühungen. Der Schüler der attraktiveren Autorin in der zweiten eine Begründung geben zu müssen.
Wasservogel hatte es insofern gut im Leben, Einschätzung wieder auszubügeln, wenn nicht Insgesamt bewirkt das Bewusstmachen eines
als die meisten Lehrer ihn gern und über seine sogar umzukehren. automatischen Einflusses auf das Urteil, dass
Verdienste lobten, um ihm, sich selbst und den Eine Methode, den Halo-Effekt zu dämpfen, dieser Einfluss geringer ausfällt: „When a de-
anderen zu zeigen, dass sie sich durch seine besteht in der Erzeugung von Selbstaufmerk- cision maker is made aware of the source and
Häßlichkeit keineswegs zur Ungerechtigkeit samkeit. Es lässt sich zeigen, dass öffentlich nature of a bias judgment, that bias may be ef-
verführen ließen …“ (Mann 1986, S. 715) ausgesprochene Beurteilungen (etwa die Be- fectively anticipated and avoided“ (Greenwald
In Anlehnung an dieses Beispiel möchte urteilung eines Angeklagten vor Gericht) we- und Banaji 1995, S. 19).
ich diese „Ausgleichstendenz“ den „Was- niger dem Attraktivitätsstereotyp unterliegen

Zielreiz im Grunde irrelevant ist, und nun versucht, diesen Einfluss flüssigkeit: Je mehr zusammengehörige Wörter auch zusammen
zu korrigieren. Diese Korrektur stellt ein bewusstes Gegensteuern vorgegeben wurden, desto einfacher war die Aufgabe und desto
zu dem ursprünglichen Einfluss dar, die beobachteten Kontrastef- höher daher auch die Verarbeitungsflüssigkeit. An diese Aufgabe
fekte sind dann quasi Symptome der Überkorrektur (z. B. Strack schloss sich ein anderes Experiment an, in dessen Rahmen die
1992a; Wegener und Petty 1995; siehe auch ▶ Exkurs 7.5). Probanden Paul einschätzen sollten. Wenn die Sätze in der Pri-
Dagegen gehören Assimilationseffekte offenbar zu denjeni- ming-Aufgabe einfach zu lösen waren, wendeten die Probanden
gen psychologischen Mechanismen, die am besten funktionieren, die aktivierten Merkmale auf Paul an – wenn die Aufgabe jedoch
wenn sie beiläufig, automatisch und ohne Aufmerksamkeit erfol- schwierig war, kontrastierten sie ihre Einschätzung gegenüber
gen können. Daher macht man Kontrasteffekte bereits dadurch den aktivierten Merkmalen.
wahrscheinlicher, dass man das Publikum einfach ausdrücklich Wenn also zu dem neuen Produkt die Marke oder die bisheri-
zum Vergleich auffordert, etwa: „Vergleichen Sie Charisma mit gen Produkte assoziiert werden sollen, dann sollte man nicht nur
Ihrem herkömmlichen Aftershave.“ dafür sorgen, dass diese aktiviert werden, sondern auch dafür,
dass sie klar und deutlich präsentiert erkennbar sind und nicht
Geringe Verarbeitungsflüssigkeit etwa verschwommen im Hintergrund stehen. Letzteres ist näm-
Wenn Sie einen Kontrasteffekt erzeugen möchten, achten Sie da- lich eine von mehreren Methoden, wie man Verarbeitungsflüs-
rauf, dass die Kontextinformation nicht flüssig verarbeitet wird. sigkeit verringert (z. B. Shah und Oppenheimer 2007), und das
Flüssig zu verarbeitende Information trägt sozusagen das Etikett würde eher dazu führen, dass das neue Produkt eher im Kontrast
„bei der Urteilsbildung verwenden“. Wenn eine Information we- zu den bisherigen gesehen wird.
nig flüssig verarbeitet wird, lautet das Etikett dementsprechend
„bei der Urteilsbildung nicht verwenden“ (Greifeneder und Bless Stimmung
2010, S. 406). Informationen, die nicht flüssig verarbeitet werden, Wenn Sie einen Assimilationseffekt vermeiden möchten, achten
sind gleichwohl aktiviert und zeigen Priming-Effekte, die sich Sie darauf, dass Ihr Publikum in einer neutralen, vielleicht sogar
dann aber eher in Kontrasteffekten äußern. Dies zeigen Grei- negativen Stimmung ist. Sie merken schon, dass diese Empfehlung
feneder und Bless (2010) in zwei Experimenten zum sozialen etwas anders funktioniert als die vorangehenden. Das erklärt sich
Urteil über die fiktive Zielperson Paul. Probanden sollten durch- gleich.
einandergewürfelte Wörter wieder zu sinnvollen Sätzen zusam- Mentale Kategorisierungen hängen auch von Stimmungen
mensetzen. Hierbei wurden Bedeutungen aktiviert, die man auf ab. Generell gilt der Befund, dass Menschen in positiver Stim-
Personen beziehen konnte (z. B. „unabhängig“, „selbständig“). mung eher auf allgemeine Wissensstrukturen zurückgreifen,
Die Wortmengen ähnelten dem grammatisch korrekten Satz in weniger genau analysieren und eher geneigt sind, Heuristiken
unterschiedlichem Grade. Dies beeinflusste die Verarbeitungs- und allgemeine Faustregeln zu verwenden (z. B. Bless 2001).
150 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

Erklärt wird dieser Befund damit, dass eine positive Stimmung „Sie haben das Buch soundso gekauft, dann interessieren Sie sich
1 dem Individuum signalisiert, dass die Umwelt unbedrohlich ist möglicherweise auch für …“ In beiden Fällen wird offenbar ver-
und bewährte Denkmuster zur Bewältigung ausreichen (▶ Ab- sucht, verschiedene Titel einer einzigen Kategorie zuzuweisen.
2 schn. 5.2.2; vgl. auch Schwarz 1990). Sie werden zu einer Inklusion aufgefordert, indem Sie nämlich
Bei der Bewertung von neuen Produkten kann diese Regel das neue Buch derselben Kategorie zuordnen sollen wie das zu-
bedeuten, dass in positiver Stimmung eher allgemeines Marken- vor gekaufte oder soeben betrachtete.
3 wissen verwendet wird, während in negativer Stimmung eher Grenzen dieser Strategie zeigen sich zum Beispiel, wenn
Merkmale des Produkts die Bewertung bestimmen. man bedenkt, dass zwei Buchtitel ja auf derselben Kategorie-
4 Außerdem ist man in guter Stimmung eher geneigt, Gemein- nebene angesiedelt sind (▶ Abschn. 7.3.1) und die übergeord-
samkeiten zu sehen, als in negativer. Barone et al. (2000) nennen nete Kategorie, zu der sie gehören sollen, nicht einmal einen
5 dies die Kategorisierungsflexibilität: Aus mehreren möglichen Namen hat. Möglich sind unter diesen Umständen auch Kon-
Merkmalen werden in guter Stimmung diejenigen akzentuiert, trasteffekte, wie sie beim Vergleich zweier unitärer Kategorien
die eine Überlappung zwischen Ziel- und Kontextreiz bedeuten. zu erwarten sind.
6 Einen solchen Effekt kann man beobachten, wenn das Exemplar Einen besonderen Vorteil darf man allerdings bei der erst-
und die Kategorie eine mittlere Zahl von gemeinsamen Merkma- genannten Variante trotzdem erwarten: Hier wird nicht be-
7 len haben, wenn es also möglich ist, sowohl Gemeinsamkeiten als hauptet „Du wirst dieses neue Buch mögen, denn du hast auch
auch Unterschiede zu sehen. Die positive Stimmung hat keinen das andere gemocht …“, was ziemlich gewagt ist und zudem
Effekt, wenn es keine Deutungsspielräume gibt, wenn also Exem- leicht Reaktanz hervorruft (▶ Abschn. 11.5). Es wird vielmehr
8 plar und Kategorie sehr unterschiedlich sind oder wenn sie sehr eine wertneutrale „statistische“ Information gegeben, die zu-
viele gemeinsame Merkmale haben. dem objektiv prüfbar ist. Außerdem ist die Information darüber,
9 Der Effekt einer positiven Stimmung gilt nur für positiv be- was andere gemacht haben, ihrerseits wieder ein eigenständiger
wertete Kategorien (Barone und Miniard 2002), denn positive Beeinflussungsmechanismus: Hier wird die Konsensheuristik
10 Stimmung erleichtert den Abruf von positiv bewerteten Informa- angestoßen, der zufolge das, was andere machen, gar so falsch
tionen, aber nicht den für negativ bewertete (Bower et al. 1981). nicht sein kann und daher auch für einen selbst in Frage kommt
Entsprechend könnte man einen Effekt für negative Stimmung (▶ Abschn. 10.1.4).
11 auf negativ bewertete Kategorien erwarten, der dann wiederum Aber das Marketing muss noch in anderen, viel wichtigeren
nicht für positiv bewertete Kategorien gilt. Bereichen bei den Konsumenten mentale Inklusionen herbei-
12 Den Effekt von Stimmungen auf die Nutzung von Mar- führen, um Assimilationseffekte zu erzeugen: Wenn ein neues
kenwissen zeigen Greifeneder et al. (2007). Sie präsentierten Produkt auf den Markt kommt, ist es weitaus wahrscheinlicher,
ihren Probanden fingierte Werbeanzeigen für einen neuen Fa- dass die Hersteller versuchen, es als Marken- oder Produktlini-
13 milien-Van, der angeblich entweder von Mercedes oder Škoda enerweiterung an bereits existierende Produkte anzuschließen,
hergestellt wird. Erwartungsgemäß war hierbei Mercedes eine als dass sie eine neue Marke kreieren. Etwa 80 % aller neuen
14 positiv und Škoda eine weniger positiv bewertete Marke. Die Produkte können als Erweiterung der Marke oder Produktlinie
Probanden wurden durch die Präsentation eines Films in gelten (z. B. Solomon 1999, S. 75). Aus diesem Grunde ist es von
15 gute oder schlechte Stimmung versetzt, eine Kontrollgruppe entscheidender Bedeutung, ob das neue Produkt in der Wahr-
war neutral gestimmt. Bei der Bewertung des neuen Produkts nehmung der Verbraucher auch wirklich mit den bereits exis-
zeigte sich die größte Ähnlichkeit zwischen Marke und Pro- tierenden „in einen Topf “ geworfen wird, denn nur dann ist die
16 dukt bei der guten Stimmung: Stammte der Van von der posi- erwünschte Assimilation zu erwarten. Wänke (1998) beschreibt
tiv bewerteten Marke Mercedes, wurde er assimiliert und somit daher „Markenmanagement als Kategorisierungsproblem“.
17 erheblich positiver wahrgenommen, als wenn er angeblich von Traditionell ging man davon aus, dass ein neues Produkt
der weniger positiv bewerteten Marke Škoda stammte. Neutral dann in die Kategorie der bereits existierenden Produkte bzw. in
gestimmte Personen assimilierten die Bewertung von Marke das Markenimage aufgenommen wird, wenn eine hinreichende
18 und Produkt deutlich geringer, schlecht gestimmte assimilierten Ähnlichkeit zwischen beiden Kategorien besteht. Die vorange-
gar nicht. gangenen Überlegungen haben jedoch gezeigt, dass die Frage der
19 Kategorisierung keineswegs auf die Frage der Ähnlichkeit redu-
ziert werden kann, dass sogar vielmehr die Ähnlichkeit zwischen
7.3.2 Priming und Kontexteffekte in Werbung
20 und Konsum
Zielreiz und Kontext oft nicht die Ursache, sondern die Folge
der Kategorisierung ist (Wänke 1998, S.  118). Was „ähnlich“
bedeutet, ist ohnehin eine Frage des Kontexts (Tversky 1977),
21 „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …“ Sie die Kriterien der Ähnlichkeit sind variabel – und manipulierbar
kennen sicher diesen Hinweis bei Amazon, wo Sie darüber infor- (Wänke et al. 1999a).
22 miert werden, was anscheinend alles zu dem Produkt passt, das Dies zeigt sich in dem Experiment von Wänke et al. (1998), in
Sie gerade betrachten. Wenn Sie angemeldeter Kunde bei diesem dem die Probanden ein Phantasieprodukt, den Winston Silverray
oder einem anderen Internethändler sind, erhalten Sie vielleicht bzw. den Winston Miranda bewerten sollten (▶ Abschn. 7.3.1). In
23 überdies Mails, in denen aus Ihren Käufen der Vergangenheit auf dieser Untersuchung wurden nicht die Stimuli selbst, sondern
ein mögliches Interesse für ein neues Produkt geschlossen wird: nur deren Kategorisierungen variiert. Das neue Produkt war in
7.3 • Kontexteffekte
151 7

allen experimentellen Bedingungen das gleiche, somit war auch formationen ab. Je nachdem, welche Information zum Zeitpunkt
seine Ähnlichkeit zu der Produktlinie die gleiche. Nur die Ver- des Urteils gerade aktiviert wurde, würde in unserem Beispiel der
gabe von gemeinsamen oder unterschiedlichen Oberflächen- vorteilhafte oder der unvorteilhafte Schluss gezogen.
merkmalen, etwa dem Namen, beeinflusste Assimilation und Yi (1990) präsentierte seinen Versuchspersonen eine Anzeige
Kontrast. Dies belegt, dass in der Tat das Marketing selbst noch für einen Computer, der sehr viele verschiedene Anwendungen
Möglichkeiten hat, ein längst existierendes Produkt in Marke und Funktionen erlaubt. Die Menge an Möglichkeiten kann als
oder Produktlinie einzupassen oder davon abzuheben. Vielseitigkeit wahrgenommen und positiv bewertet werden.
Was ist vor diesem Hintergrund von der Strategie zu halten, Gleichzeitig kann sie aber auch suggerieren, dass der Rechner
zur Aufwertung des neuen ein altes Spitzenprodukt zu aktivieren? sehr kompliziert zu bedienen sein muss. Beide Denkweisen soll-
Wänke (1996a) befragte in einem Feldexperiment Kunden eines ten jeweils durch unterschiedliche Priming-Prozeduren nahe-
Supermarkts nach ihrem Urteil zu Maggi-Suppen. Verschiedene gelegt werden.
Produktlinien wurden präsentiert. In der Inklusionsbedingung Bei einer Werbeanzeige ist Priming prinzipiell auf verschie-
waren alle Kategorien auf einer Seite gemeinsam zu sehen: re- denen Wegen denkbar. Schon der Ort, wo die Anzeige zu finden
guläre Produkte, internationale Spezialitäten, herzhafte Eintöpfe ist, sorgt dafür, dass bestimmte Gedanken verfügbarer sind als
und die Gourmetlinie. In der Exklusionsbedingung wurde die andere. Desgleichen kann ein vorangegangener Zeitschriftenar-
Produktlinie aus der Spitzenkategorie, die Gourmetlinie, von tikel, der sich etwa mit der Benutzerfreundlichkeit von Compu-
den anderen deutlich abgehoben. Diese rein graphische Mani- tern beschäftigt, eine bestimmte Interpretation nahelegen. In der
pulation hatte einen bedeutsamen Effekt auf die Urteile: In der Untersuchung von Yi (1990) wurde in einer der Kontextanzeigen
Inklusionsbedingung bewerteten die Probanden Maggi besser von einem Konkurrenzcomputer behauptet, er sei kinderleicht zu
als eine Kontrollgruppe, der vor ihrem Urteil keine Produkte bedienen. Eine andere Anzeige legte ein ständiges Staunen über
präsentiert wurde. Der Einschluss der Spitzenkategorie hatte die Vielseitigkeit ihres Rechners nahe.
also eine Aufwertung der Marke als Ganzes zur Folge. Anders In der Tat gelang es, die Aufmerksamkeit der Betrachter
in der Exklusionsbedingung: Hier wirkte der visuelle Ausschluss durch diese vorher dargebotenen Anzeigen in eine der beiden
der Spitzenprodukte aus den übrigen Produktlinien negativ auf Richtungen zu lenken. Je nachdem, welche Information voraus-
die Marke. Im Vergleich zur Kontrollbedingung schnitt Maggi in gegangen war, wurde der Zielcomputer nach seiner Vielseitigkeit
der Bewertung schlechter ab, und, was vielleicht noch schwerer oder nach seiner Benutzerfreundlichkeit beurteilt. Dies war bei
wiegt, die Versuchspersonen der Exklusionsbedingung wählten der Vieldeutigkeit der Werbeinformation gleichbedeutend mit
als Dankeschön für ihre Teilnahme weniger Maggi-Produkte als entweder einer positiven oder einer negativen Beurteilung.
die Probanden der Kontrollgruppe. Dieser Nachweis hat für die Werbung wichtige Konsequen-
Die Präsentation des Spitzenprodukts hat also in der Exklu- zen. Zunächst wird wieder unterstrichen, wie wichtig der Kon-
sionsbedingung der Markenbewertung insgesamt geschadet. Of- text ist, in dem eine Werbekommunikation erscheint. Es tut sich
fenbar ist die Inklusion des neuen Produkts in die bereits existie- damit aber auch eine weitere Möglichkeit einer indirekten, eher
rende Kategorie keineswegs trivial. Es gibt eine ganze Reihe von beiläufigen Beeinflussung auf. Man hätte schließlich auch einfach
Einflüssen, die einen Einschluss, die Inklusion in die Kategorie explizit schreiben können: „Unser Computer ist vielseitig“, um
behindern – und unter Umständen ist es ja auch genau das, was sicher zu sein, dass die Betrachter diesen Aspekt in den Mittel-
das Markenmanagement bezweckt. Man muss eben nur die psy- punkt ihrer Überlegungen stellen. Aber dieses Vorgehen hätte
chologischen Regeln kennen, nach denen bei der Kategorisie- unter Umständen zu Abwehrreaktionen beim Betrachter führen
rung Ein- und Ausschluss funktionieren. Ohne Kenntnis dieser können. Ein bloßes Nahelegen dieses Schlusses durch Priming
Mechanismen ist „die Marketingstrategie, Spitzenmodelle als wirkt wesentlich subtiler, indirekter und ist daher weniger anfällig
Werbeträger für die ganze Marke zu benutzen, […] mit Vorsicht für unvorteilhafte kognitive Reaktionen (Yi 1990, S. 220; siehe
anzuwenden“ (Wänke 1998, S. 121). ▶ Abschn. 14.2.4 zu der Frage, ob man in einer beeinflussenden
Kommunikation explizite Schlüsse anbieten soll). Subtil allerdings
Verfügbarmachen von Informationen muss das Priming auch sein, denn wie ich oben dargelegt habe,
Yi (1990) ging davon aus, dass Aussagen über ein Produkt häufig untergräbt es typischerweise einen Assimilationseffekt, wenn Per-
mehrdeutig sind und auf verschiedene Weise verstanden wer- sonen ihre Aufmerksamkeit auf eine Priming-Episode richten,
den können. Wenn von einem Reisekoffer behauptet wird, er sei und Kontrasteffekte werden wahrscheinlicher (▶ Abschn. 7.3.1;
leicht, kann der Konsument daraus entnehmen, dass er den Kof- Strack et al. 1993).
fer mühelos wird tragen können. Er kann aber auch schließen, Auch die Wahrnehmung eines Kommunikators ist durch
dass der Koffer voraussichtlich sehr schnell kaputtgeht und daher Priming beeinflussbar. Stellen wir uns vor, eine Versuchsperson
nichts taugt. Beide Schlüsse widersprechen sich nicht. Daher ist liest einen Bericht über Albert Einstein oder Marie Curie. Durch
es in gewissem Sinne für den Konsumenten das Vernünftigste, diese Information werden unter anderem Begriffe wie „Kom-
auch beide Schlüsse zu ziehen, um zu einem differenzierten petenz“ und „Sachverstand“ aktiviert. Eine andere Person liest
Urteil zu kommen. Tatsächlich ziehen Personen aber nicht alle einen Bericht über skandalerschütterte Politiker oder raffgierige
Schlüsse, die möglich und sinnvoll sind. Manche Schlüsse wer- Industrielle. In diesem Fall erfolgt eher eine Aktivation der Be-
den eher gezogen als andere. Welcher Schluss wahrscheinlich ist, griffe „Eigennutz“ und „Skrupellosigkeit“. Danach folgen unsere
hängt zum Beispiel von der Verfügbarkeit der dazugehörigen In- Versuchspersonen einer Diskussion, in der ein Chemiker für die
152 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

mehr natürlich, sondern kriegsmäßig, synthetisch, ersatz-

-
1 .. Tab. 7.1  Beispiele für Irradiationsphänomene (Kroeber-Riel 1992,
S. 309). stoffhaft“ und so weiter empfunden (Spiegel 1961, S. 132).
Smith und Engel (1968) legten ihren Versuchspersonen
2 Merkmal … Strahlt aus auf die Wahrneh-
mung von …
eine Werbeanzeige für ein Auto vor. In einer Version war
das Auto gemeinsam mit einer verführerischen Frau abge-
bildet. Die andere Version bestand aus derselben Abbildung
3 Art des Verpackungspapiers Frische des Brots
ohne die Frau. In der Experimentalgruppe nahmen die Ver-
Farbe Wohlgeschmack von Speise-
eis oder Streichfähigkeit von suchspersonen das Auto als schneller, teurer, ansprechen-
4 Margarine der und schöner wahr als in der Kontrollgruppe ohne die
Farbe der Innenlackierung Kühlleistung des Kühlschranks
Abbildung der Frau. In einer Nachbefragung gaben 22 von
5 Geruch/Stärke der Schaum- Reinigungskraft eines Reinigungs-
23 Versuchspersonen an, sich nicht einmal an die Abbil-
dung der Frau zu erinnern. Auf die Abbildung aufmerksam

-
bildung mittels
gemacht, bestritten sie einen möglichen Einfluss.
6 Größe des Lautsprechers Klangqualität In Werbeanzeigen zeigt sich, dass bereits ein Blumenstrauß,
sattes Geräusch beim Zuschla- gute Verarbeitung und solide der in einer Anzeige unauffällig in der Bildecke platziert
7 gen der Wagentür Karosserie des Autos wurde, den Wahrnehmungskontext (Kroeber-Riel 1993a,
S. 90, spricht vom „Wahrnehmungsklima“) erheblich beein-

-
Stärke der Rückholfeder des Beschleunigungsvermögen des
flussen kann.
8 Pedals Autos
Howard (1992) konnte zeigen, dass ein Produkt als wert-
voller wahrgenommen wurde, wenn es dem Konsumenten
9 Fluoridierung des Trinkwassers argumentiert. Der Chemiker ist in einer schönen Geschenkpackung statt einer einfachen

10
langjähriger Experte auf dem Gebiet der Fluoridierung und Lei-
ter eines privaten Instituts, das die Vermarktung von Technolo-
gien zur Trinkwasserfluoridierung betreibt.
Unsere Versuchspersonen haben unterschiedliche Pri-
- Verpackung präsentiert wurde.
Eine Werbeanzeige wird als glaubwürdiger wahrgenom-
men, wenn sie einen Fließtext enthält. Durch das Textele-
ment wird ein argumentativer Kontext geschaffen. Die
11 ming-Prozeduren hinter sich. Diese Prozeduren prägen die Glaubwürdigkeit wird auch dann wahrgenommen, wenn
Wahrnehmung des Chemikers. Die Eigennutz-Versuchsperso- der Fließtext gar nicht gelesen wird (Kroeber-Riel und
12
13
nen gewichten die Information stärker, dass der Chemiker einen
persönlichen Nutzen aus dem Beschluss ziehen würde, das Trink-
wasser mit Fluoriden anzureichern. Die Kompetenz-Versuchs-
personen neigen dagegen eher dazu, den Expertenstatus hoch zu
- Meyer-Hentschel 1982, S. 109 f; siehe auch ▶ Exkurs 8.2).
Feinberg (1986) untersuchte die Einflüsse von Kreditkarten
auf das Kaufverhalten. Seinen Ergebnissen zufolge geben
die Käufer größere Geldmengen aus, wenn sie mit Kredit-
gewichten. Diese unterschiedliche Einstimmung führt dazu, dass karten bezahlen. Es ist aber offenbar nicht das Zahlen mit
14 im Expertenfall die Qualität der Argumente eine entscheidende der Kreditkarte allein, was – vielleicht durch die unsicht-
Rolle für die Einstellungsänderung spielt. Wenn die Versuchs- bare und in die Zukunft verschobene Abrechnung der
15 personen auf den möglichen Eigennutz des Kommunikators Geldbeträge – zu größeren Ausgaben führt. Es genügten
eingestimmt sind, spielt die Qualität der Argumente keine Rolle mitunter nur die Insignien der Kreditkarten, etwa das
mehr. Das heißt, starke Argumente haben in diesem Fall keinen Zeichen, mit dem mitgeteilt wird, welche Kreditkarten
16 wesentlich besseren Effekt als schwache (nach einem Experiment akzeptiert werden, um die Personen zu höheren Ausgaben
von Bohner et al. 1995). zu bewegen, selbst wenn sie in bar bezahlten. Die Kredit-
17 karten fungierten offenbar als eine Art Kontextreiz, der auf
Platzierung eines bestimmten Kontexts zur die Situationswahrnehmung Einfluss nahm, ohne selbst
Imageverbesserung erinnert zu werden. (Der Befund von Feinberg (1986) wird
18 Eine geringfügige Veränderung an einem Zielreiz, das Hinzufü- von anderen Autoren gerne als Beispiel für erfolgreiches
gen eines kleinen Kontextreizes kann bereits deutliche Verände- klassisches Konditionieren zitiert: Kardes 1999; Mowen
19 rungen in der Wahrnehmung dieses Zielreizes bewirken. In einer und Minor 1998; Solomon 1999).
frühen Arbeit von Thornton (1943, 1944) wurde dieser Effekt
20 bereits für die Personwahrnehmung demonstriert. Er konnte Einige der diskutierten Kontexteffekte werden auch als „Irradiati-
nämlich zeigen, dass das Hinzufügen einer Brille dieselbe Person onsphänomene“ bezeichnet (Spiegel 1970; siehe auch . Tab. 7.1).
sowohl auf Fotos als auch bei einer kurzen Begegnung intelligen- Damit ist in einem sehr weiten Sinne die Einfärbung eines Urteils
21 ter, zuverlässiger und fleißiger erscheinen lässt. Solche Effekte durch andere Wahrnehmungen gemeint. Unter den Begriff der
sind nicht immer überragend stark, aber sie sind sehr einfach zu Irradiation fallen daher nicht allein die hier diskutierten Kon-
22 erzielen, und man muss in jedem Fall mit ihnen rechnen. Kon- texteffekte, sondern auch Wahrnehmungstäuschungen oder der
texteffekte dieser Art werden in Werbung und Produktgestaltung Einfluss von Stimmungen auf unser Urteil (z. B. Kirchler 1995,
23
-
schon seit langem eingesetzt. Einige Beispiele:
Bereits in den 1960er Jahren zeigte sich folgendes Phä-
nomen: War der Verschluss einer Weinbrandflasche aus
Plastik statt aus Blei, wurde derselbe Weinbrand als „nicht
S. 124 f.).
Auch der Hinweis auf die Herkunft eines Produkts beeinflusst
die Produktwahrnehmung. Bei ansonsten gleichen Informatio-
nen über das Produkt kann man erwarten, dass verschiedene
7.3 • Kontexteffekte
153 7

Exkurs 7.6  Der Einfluss des Herkunftslandes  |       | 


Der Einfluss des Herkunftslandes auf die für Opel – etwas jüngere Beispiele sind hängt war). Ebenfalls blieb die Tatsache, dass
Produktwahrnehmung hat verschiedene vielleicht Dirk Nowitzki oder Sebastian Deutschland sich nicht an den Golfkriegen
Aspekte. Zum einen kann aus der Länderin-
formation wirklich ganz bewusst auf eine
Befähigung zur hochwertigen Herstellung
geschlossen werden, etwa bei Espresso aus
- Vettel.
Politik: Politische Verhältnisse werden so-
wohl als Indiz für die wirtschaftliche Kraft
eines Landes gewertet (Beispiele sind
beteiligte, trotz gegenteiliger Erwartungen
deutscher Unternehmen ohne nachhaltigen
Einfluss auf das Deutschlandbild.
Das Herkunftsland spielt meist nur bei der Be-
Italien, Wein aus Frankreich oder Bier aus kommunistische Länder wie etwa früher urteilung höherwertiger Produkte eine Rolle.
Deutschland. Andererseits können aber auch die UdSSR oder heute die Volksrepublik Dabei haben die meisten Nationen eine Ten-
vage Merkmale des Länderimages auf die China) als auch als ein Kriterium für „mo- denz, einheimische Produkte zu bevorzugen.
Produktwahrnehmung abfärben. Zu diesem ralischen“ Wert herangezogen. Zu Zeiten Dieser Effekt schwächt sich aber für weniger

-
Länderimage gehören:
Kultur des Landes: Bei Österreich gelten
etwa die Assoziationen Mozart, Strauß,
Wiener Walzer, Wiener Philharmoniker,
der Apartheid wurden beispielsweise
ganz unabhängig von der Qualität der
Produkte Waren aus Südafrika boykottiert.
In der über 100-jährigen Geschichte des
industrialisierte Länder ab und schlägt dort
sogar oft ins Gegenteil um, so dass ausländi-
sche Produkte bevorzugt werden. Wenn einem
Land die fragliche Produktkompetenz nicht zu-
Musikverein Wien, Neujahrskonzert, Labels „Made in Germany“ war Deutsch- geschrieben wird, kann es neben einer wenig
Wiener Sängerknaben, Wiener Staatsoper, land auch mehr als einmal von solchen aussichtsreichen Kampagne zur Verbesserung
Salzburger Festspiele, Hofreitschule, Boykotts betroffen. des Länderstereotyps auch „Tricks“ anwenden:
Opernball, Trachtenfeste, Fiaker, Kaffee- Untersuchungen zeigen, dass Länderstereo- „Südkorea zum Beispiel stellt hochwertige Le-

- haustradition.
Land und Leute: Zum Beispiel gelten
Stereotype wie „der charmante Franzose“,
„der fleißige Deutsche“, „der vornehme
type sehr stabil sind und von kurzfristigen
Ereignissen kaum beeinflusst werden. So hatte
beispielsweise die zweifelhafte militärische
Vergangenheit des früheren österreichischen
derbekleidung her, die zur Endfertigung nach
Italien gesandt wird. Das Fertigprodukt wird
dann mit dem Etikett ‚Made in Italy‘ exportiert
und bringt dadurch im Markt einen höheren

- Engländer“.
Bekannte Persönlichkeiten: In Deutsch-
land warb z. B. Steffi Graf 1987 verknüpft
mit der Überschrift „Made in Germany“
Bundespräsidenten Kurt Waldheim nur einen
sehr kurzfristigen Einfluss auf das Österreich-
bild in den USA (und das, obwohl gegen
Waldheim in den USA ein Einreiseverbot ver-
Preis“ (Kotler und Bliemel 1995, S. 301; vgl.
auch Kurz 1993; Schweiger und Friederes 1994;
Kotler und Bliemel 1995, S. 301 f.).

Annahmen über das Herkunftsland auch verschiedene Produkt- Information über die Produktherkunft den Teilnehmern jedoch
wahrnehmungen nach sich ziehen (▶ Exkurs 7.6). Diesen Einfluss einige Zeit vor den anderen Attributen mitgeteilt wurde, so be-
kann man als das Ergebnis eines „Schlussfolgerns“ betrachten einflußte das Herkunftsland auch die Interpretation der übrigen
(z. B. Schweiger und Friederes 1994, S. 158). Unter bestimmten Produktattribute und hatte einen insgesamt stärkeren Einfluß
Umständen aber kann die Länderinformation auch als ein Kon- auf die Produktwahl“ (S. 161; vgl. auch Han 1989; Hong und
textreiz fungieren, der automatisch bestimmte Urteile über den Wyer 1990).
Zielreiz wahrscheinlicher macht. Dieser Einfluss wäre bei dieser
Interpretation parallel zum Halo-Effekt bei der physischen At- Kontrasteffekte
traktivität zu verstehen, bei dem man auch nicht sagen kann, der Cialdini (1993, S. 15) berichtet von einem Immobilienmakler,
Beobachter schließe aus der Attraktivität auf positive Eigenschaf- der seinen Kunden immer zuerst einige Häuser zeigt, die wenig
ten der Stimulusperson. Im Unterschied zu einem reflektierten ansprechend aussehen und die sie ganz bestimmt nicht kaufen
Schlussverfahren werden beim Halo-Effekt automatisch und un- würden. Haben seine Kunden genug unattraktive Objekte ge-
geschützt alle möglichen verknüpften Informationen verfügbar. sehen, dann erscheint ihnen später das normale Angebot umso
In unserem Beispiel können das sowohl rational begründbare interessanter. Dazu ein weiteres Beispiel für den Kontrasteffekt
Erwartungen an das Produkt als auch Vorurteile, Schemata oder im Verkauf (Cialdini 1993, S. 13): Stellen Sie sich vor, ein Kunde
Länderstereotype sein. Der Einfluss dieser Informationen wird kommt zu Ihnen ins Geschäft für Herrenbekleidung und möchte
beim Halo-Effekt von der beeinflussten Person nicht auf Gültig- einen dreiteiligen Anzug und einen Pullover kaufen. Ihr Ziel
keit geprüft. ist es, an diesem Mann möglichst viel Geld zu verdienen. Was
Ein entscheidendes Merkmal der hier diskutierten automa- würden Sie ihm als Erstes zeigen? Man mag vermuten, dass ein
tischen Prozesse ist, dass sie schwächer werden, wenn sich die Kunde, nachdem er sehr viel Geld ausgegeben hat, wenig moti-
Aufmerksamkeit auf sie richtet (siehe auch ▶ Exkurs 7.4, ▶ Ab- viert sein dürfte, sofort darauf wieder viel Geld zu investieren.
schn. 7.3.1 und ▶ Abschn. 4.7.1). Wenn also die Information über Demnach würden Sie ihm zuerst den Pullover und danach den
das Herkunftsland wie ein Halo-Effekt wirkt, dann müsste ihr Anzug präsentieren. Es verhält sich aber genau umgekehrt: Nach
Einfluss sinken, wenn sie nicht am Anfang gegeben wird und dem Kauf eines teuren Produkts ist der Kunde bereit, mehr Geld
auf diese Weise alle anderen Urteile automatisch „einfärben“ für preiswertere Produkte auszugegeben als vor dem Kauf (Whit-
kann. Einen Beleg für diese Annahme, und damit gegen die ney et al. 1965). Die größere Investition dient als Anker, und alles
Annahme des Schlussfolgerns zitieren Schweiger und Friederes Weitere erscheint vor diesem Hintergrund klein und preiswert.
(1994): „Wenn den Konsumenten in dem Experiment von Hong Ein ähnlicher Effekt wird in Consumer Reports (1975, S. 62) be-
und Wyer (1989) das Herkunftsland erst gleichzeitig mit ande- richtet. Die Mitarbeiter einer Firma, die Billardtische verkauft,
ren […] Produktattributen mitgeteilt wurde, so stellte es für die zeigten ihren Kunden zuerst die billigen Tische, in der Hoffnung,
Teilnehmer lediglich ein weiteres Produktattribut dar. Wenn die durch langsame Vorbereitung die Bereitschaft zu stärken, einen
154 Kapitel 7  •  Prinzipien der sozialen Urteilsbildung

teuren Tisch zu kaufen. Auf den Rat eines Experten hin änder-
1 ten sie ihr Konzept und zeigten nun zuerst den teuren Tisch für
3000 Dollar. Während unter der alten Bedingung der Umsatz im
2 Schnitt bei 550 Dollar lag, konnten sie nun einen durchschnitt-
lichen Kauf von 1000 Dollar verzeichnen (zit. n. Cialdini 1993,
S. 41 f).
3 Man kann Kontrasteffekte auch dadurch erzeugen, dass man
zusätzliche, im Grunde irrelevante Informationen gibt. (Ich dis-
4 kutiere solche Möglichkeiten in ▶ Abschn. 9.2.4 als „Bereitstel-
len einer Attrappe“.) Wie wir vom Ankereffekt (▶ Abschn. 9.2.3)
5 wissen, können die indiskutablen Kontextalternativen praktisch
beliebig gewählt werden.

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155 8

Prinzipien der Kaufentscheidung


Georg Felser

8.1 Arten des Kaufs  –  156


8.1.1 Extensiver Kauf – 156
8.1.2 Impulsiver Kauf – 157
8.1.3 Limitierter Kauf – 158
8.1.4 Gewohnheitskauf – 159

8.2 Kaufentscheidungen gegen ein Produkt  –  160


8.2.1 Die Rolle der Werbung  –  160
8.2.2 Unternehmensphilosophie und ethisch korrekter Konsum  –  161

8.3 Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien  –  163


8.3.1 Präskriptive (und normative) Entscheidungsmodelle  –  163
8.3.2 Affekte und Kognitionen  –  164
8.3.3 Prospect Theory – 166
8.3.4 Der Fokus auf der Informationssuche  –  170
8.3.5 Eine Auswahl an Entscheidungsregeln  –  170
8.3.6 Bewertung der Entscheidungsmodelle  –  173

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
156 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

Zusammenfassung: 8. Entscheidungsstrategien, die alle verfügbaren und relevanten


1 1. Je nach Produkt können verschiedene Kaufarten unterschieden Informationen berücksichtigen, sind häufig nicht wesentlich er-
werden: folgreicher als Entscheidungen, die auf einfachen Faustregeln
2 – Beim extensiven Kauf verarbeiten Konsumenten die verfüg- beruhen.
baren Informationen ausgiebig und sind in der Regel hoch
involviert. Das vorliegende Kapitel wie auch ▶ Kap. 9 widmen sich aus
3 – Der impulsive Kauf wird wesentlich von äußeren Bedingun- unterschiedlichen Perspektiven der eigentlichen Entscheidung
gen bestimmt. Er hat unter Umständen eine stimmungsre- für ein Produkt. Ich beginne zunächst mit einer verbreiteten
4 gulierende Funktion. Systematisierung unterschiedlicher Kaufarten, die eher aus den
– Limitierte Kaufentscheidungen sind zu erwarten, wenn wir Wirtschaftswissenschaften als der Psychologie hervorgegangen
5 in der Kaufsituation nicht über alle nötigen Informationen ist. Im Folgenden wird auf unterschiedlichen Ebenen aufgezeigt,
verfügen und auf Heuristiken und Faustregeln zurückgreifen dass eine psychologische Perspektive auf das Thema „Entschei-
müssen. dungen“ unverzichtbar ist – vor allem natürlich deshalb, weil die
6 – Habitualisierte Kaufentscheidungen bestehen in längerfris- tatsächlichen Triebfedern hinter unseren Entscheidungen eben
tigen und stabilen Verhaltensgewohnheiten. Sie können keine ökonomischen sind.
7 eine Entlastungsfunktion haben. Konsumenten bringen
aber auch durch ihre Konsumgewohnheiten, Überzeugun-
8.1 Arten des Kaufs
8 gen und Selbstbilder zum Ausdruck.
2. Konsumenten können sich auch gegen den Kauf von Produkten
entscheiden. Geläufige Gründe dafür sind das Missfallen gegen- Äußerlich hängen Kaufentscheidungen wesentlich davon ab, was
9 über der Werbung oder moralische Erwägungen. gekauft wird und welche Voraussetzungen der Konsument mit-
3. Normative Entscheidungstheorien sehen Entscheidungen als bringt. Diese Dimensionen sind die Grundlage für eine verbrei-
10 Ergebnis eines Kalküls, bei dem der Nutzen des Entscheiders tete und hilfreiche Systematisierung von Kaufentscheidungen,
maximiert werden soll. Hierzu werden zu jeder Entscheidungs- die im Folgenden diskutiert werden soll (Katona 1960; Howard
option ihr subjektiver Wert und die Wahrscheinlichkeit, mit der und Sheth 1969; Kroeber-Riel 1992, S. 370 ff; Kaas 1994, S. 256 f;
11 sie realisiert wird, zu einem Erwartungswert verrechnet. Die Op- Moser 1990, S. 84 f; Weinberg 1994, S. 174 ff).
tion mit dem höchsten Erwartungswert wird gewählt.
12 4. Menschliche Entscheidungen werden sowohl von impulsiven als
auch von reflektierten Prozessen beeinflusst. Beide Prozessar- 8.1.1 Extensiver Kauf
13 ten können exakt die gleichen Verhaltenstendenzen zur Folge
haben. Wo das aber nicht der Fall ist, kommt darauf an, ob der Beim extensiven Kauf ist der Käufer noch unentschlossen, sucht
Organismus für reflektierte Prozesse über genügend Ressourcen daher aktiv nach Information und ist in der Regel hoch invol-
14 verfügt. Davon hängt ab, ob Impulse kontrolliert werden oder viert. Er erwartet nennenswerte Produktunterschiede und ist der
sich durchsetzen. Werbebotschaft gegenüber verhältnismäßig aufmerksam. Ein ty-
15 5. Entscheidungen haben immer etwas mit „Bewerten“ zu tun, pisches Beispiel, bei dem wir alle vermutlich einen „extensiven
und daher fallen Entscheidungen auch immer unter affektiver Kauf “ betreiben, ist der Kauf eines Autos. Kleine Dinge, wie etwa
Beteiligung. Wenn Entscheidungen von den Forderungen der Genussmittel oder Artikel für den täglichen Bedarf, werden da-
16 Rationalität abweichen, geht das weniger auf den Einfluss von gegen kaum extensiv gekauft.
Emotionen zurück als vielmehr auf die spezifischen Eigenheiten Man kann zwischen zwei Haltungen des extensiven Käufers
17 des menschlichen Denkens und Bewertens. unterscheiden. Die eine besteht nur in einer insgesamt erhöhten
6. Die Prospect Theory beschreibt tatsächliche menschliche Ent- Aufmerksamkeit gegenüber Produktinformationen, die andere
dagegen in der aktiven Suche nach Informationen und dem
18 scheidungen, ohne dabei die Grundideen der normativen Ent-
scheidungstheorie aufzugeben. Drei Grundprinzipien prägen gezielten Nutzen der bevorzugten Informationsquellen. Eine
Entscheidungen besonders: (1) Optionen werden nicht absolut, Werbung, die Argumente liefert, passt besonders gut zu einem
19 sondern von einem variablen Referenzpunkt aus bewertet, (2) extensiven Kauf, denn der extensive Käufer sucht Informationen
mit wachsender Höhe schlagen sich sowohl Gewinne als auch und Entscheidungshilfen. Allerdings „[ist] der Anteil von solchen
20 Verluste immer weniger in der subjektiven Bewertung nieder, extensiven Entscheidungen auf 15–20 Prozent aller Kaufentschei-
und (3) Verluste werden intensiver erlebt als Gewinne. dungen zu schätzen, der Anteil von teilweise überlegten Kaufent-
7. Tatsächlich entscheiden Menschen sehr häufig nicht auf der scheidungen auf 30 Prozent und der Anteil der rein gefühlsmä-
21 Grundlage von Erwartungswerten, die sie zuvor aus den vor- ßigen und gewohnheitsmäßigen Entscheidungen auf mindestens
liegenden Informationen bestimmt haben. Um tatsächliche 50 Prozent“ (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982, S. 14).
22 Entscheidungen vorherzusagen, ist von großer Bedeutung, wie Lachmann (1993) diskutiert den Kauf langlebiger Gebrauchs-
Menschen überhaupt zu den Informationen kommen, auf deren güter, der üblicherweise einer extensiven Kaufentscheidung folgt.
Er unterscheidet dabei vier Phasen, in denen die Konsumenten
23 Basis sie entscheiden. Viele Entscheidungsstrategien sehen vor,
dass der Entscheidungsprozess beendet wird, sobald eine der jeweils auf unterschiedliche Weise angesprochen werden sollten:
Optionen bestimmte Kriterien erfüllt und daher gewählt werden 1. Kaufinteresse: In dieser Phase äußern oder bejahen die Kon-
kann. sumenten erstmals ein Interesse, schätzen ihre Kaufwahr-
8.1  •  Arten des Kaufs
157 8

scheinlichkeit hoch ein, sind im Produktfeld einigermaßen Exkurs 8.1  Ausbrecher-Werbung  |       | 
informiert.
2. Wunschphase: Diese Phase hat meist besondere Auslöser, Wir beobachten einen ausbrechenden Häftling, der mühsam eine
steile Mauer emporklettert. Plötzlich wird er von einem Scheinwerfer
die zu einem wellenförmigen Übergang zwischen Interesse
angestrahlt, Sirenen heulen, alles scheint verloren. In diesem Augen-
und Wunsch führen. Ein möglicher Auslöser könnte etwa blick aber ruft der Regisseur „Schnitt!“; der „Ausbrecher“ entpuppt
sein: „Mein Nachbar hat sich gerade auch so ein Ding ge- sich als Schauspieler, er hängt auch nicht an einer steilen Wand,
kauft“, „Mein alter versagt hin und wieder“, „Ich erfahre von sondern liegt vielmehr auf einer Schräge, mit der nur durch eine ver-
Neuerungen auf dem Markt“. Je höher die Welle schwappt, drehte Kameraperspektive eine Wand simuliert wird. Eine Mitarbeite-
rin reicht ihm zur Pause eine Schachtel Eiskonfekt, und eine Stimme
desto wahrscheinlicher ist, dass der Konsument in die Ent-
aus dem „Off“ sagt: „Langnese gibt es auch hier im Kino.“
scheidungsphase eintritt. Ein wellenförmiger Verlauf, in
dem sich das Interesse bis zur eigentlichen Entscheidung
hochschaukelt, ist nicht immer zu erwarten. Er ist vielmehr
wahrscheinlich, wenn das Produkt selbst zum Beispiel ein 8.1.2 Impulsiver Kauf
teures Zusatz- oder Ersatzgerät darstellt. Wenn dagegen das
alte wirklich verschrottet wird, geht der Wunsch direkt in die Manchmal kaufen wir das Erstbeste, das uns begegnet, zumin-
Entscheidung über. dest entscheiden wir uns nicht erst großartig für eine Marke.
3. Eigentliche Entscheidungsphase: Erst in dieser Phase begin- Einleuchtende Beispiele sind ein Getränk im Kino oder ein Eis,
nen die sehr bewussten und kontrollierten Prozesse der Ent- wenn es warm ist. Der impulsive Kauf ist ein reaktives Verhalten,
scheidung. Allerdings ist diese Phase auch bei langlebigen er wird von Umweltbedingungen kontrolliert (Kroeber-Riel und
Gebrauchsgütern oft sehr kurz. Lachmann (1993) gibt für die Meyer-Hentschel 1982, S. 14). Für ihn ist entscheidend, dass der
Entscheidung für Produkte aus der Unterhaltungselektronik Person im richtigen Augenblick, etwa vor dem Regal, das Rich-
maximal zwei Monate bis wenige Tage an. Daher sei Massen- tige in den Sinn kommt. Das ist alles, was verlangt wird. Für den
werbung hier völlig fehl am Platz, denn sie erreiche die Men- impulsiven Kauf sind Argumente also nicht besonders wichtig.
schen eben in der Regel nicht in der Entscheidungsphase. Ein gutes Beispiel dafür ist die „Ausbrecher-Werbung“ von Lang-
In der Entscheidungsphase allerdings ist die Wirkung von nese (▶ Exkurs 8.1). Es gibt kein Argument für Langnese, nur der
Marketingkommunikation maximal: Hier kann es auch zu Name wird noch einmal ins Gedächtnis gerufen, und der Impuls
dem von Lachmann (1993, S. 849) beschriebenen Tunnelef- soll geweckt werden.
fekt kommen: Der Käufer taucht in die Entscheidungsphase Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass in den Einkaufs-
(Tunnel) mit der Absicht, A zu kaufen, und kommt am Ende wagen mancher Geschäfte kleine Werbeschilder angebracht sind.
des Tunnels mit B wieder heraus. Im Tunnel unterliegt er Beim Herumfahren mit dem leeren Wagen sieht man immer
bestimmten Einflüssen. Je nachdem, wie sicher er sich bei diese Anzeigen. Sie sollen – genauso wie die Durchsagen über
der Produktwahl im Vorhinein war, können in der Entschei- die aktuellen Angebote –Ihre Bereitschaft zu spontanen Einkäu-
dungsphase verschiedene Punkte seine Meinung ändern, fen fördern (Rulffs 1988; zit. n. Kroeber-Riel 1992, S. 387). Man
zum Beispiel wenn das Produkt nicht auf Lager ist, ein Mei- kann davon ausgehen, dass zwei Drittel aller Kunden in einem
nungsführer oder der Verkäufer ihn beeinflusst, er ein Son- Supermarkt mindestens einen Impulskauf tätigen (Pratkanis und
derangebot oder eine Produktneuheit entdeckt. Aronson 1992, S. 26).
4. Bestätigung: Auch diese Phase gehört noch zum Kaufprozess. In manchen Versionen der hier verwendeten Systematik wird
Kurz nach einer Kaufentscheidung sind Konsumenten wei- noch die Kategorie „Abwechslung suchendes Kaufverhalten“ un-
terhin hoch empfänglich für Informationen, die die Entschei- terschieden. Hierbei sind Konsumenten besonders offen dafür,
dung unterstützen, bzw. lassen sich durch Informationen neue Produkte auszuprobieren – und gegebenenfalls ihrer be-
verunsichern, die sie in Frage stellen. Auch in dieser Phase vorzugten Marke untreu zu werden. Auch dieses Kaufverhalten
ist also eine unterstützende Informationspolitik angemessen, ist sehr stark außengesteuert und setzt nur geringes Involvement
etwa in Form von bestätigenden Testergebnissen. voraus; somit überlappt es sich an wichtigen Stellen mit dem im-
Diese Phase sollte von der sogenannten Nachkaufwerbung pulsiven Kaufverhalten.
begleitet werden. Diese Art der Kommunikationspolitik hat Wie alles impulsive Verhalten unterliegt auch der impulsive
aber nicht nur die Funktion, beim Käufer Unsicherheit (z. B. Kauf gewissen Normen. Mehr als bei anderen Arten des Kaufver-
kognitive Dissonanz; ▶ Abschn. 11.2) zu reduzieren, sondern haltens achten viele Konsumenten beim impulsiven Kauf darauf,
auch die Kommunikation zwischen Interessierten bzw. Käu- dass er nur in angemessenen Situationen erfolgt (Rook und Fis-
fern in der Wunschphase und sogenannten rezenten Käufern her 1995). Aus der Sicht der Konsumenten ist der impulsive Kauf
in Gang zu bringen. Denn diese ist eine der besten Quellen dann gerechtfertigt, wenn sich die Produkte kaum in ihrer Qua-
zur Einstellungsbeeinflussung der suchenden Käufer – viel lität unterscheiden. Es lohnt dann die Mühe nicht, die Produktei-
besser als Massenkommunikation (Lachmann 1993, S. 853). genschaften genau abzuwägen, weil man am Ende ohnehin keine
Im Bereich langlebiger Gebrauchsgüter ist dieser Prozess der großartigen Unterschiede finden wird. Häufig verletzen Konsu-
eigentlich entscheidende für die Marketingkommunikation. menten aber mit einem Impulskauf ihre subjektiven Normen, so
Außerhalb dieses Kaufprozesses kann Werbung „generisch“ dass sie ihre Käufe im Nachhinein bereuen (Neuner et al. 2005).
wirken, das heißt, sie wirkt nicht nur für das eigene Produkt, Impulsive Kaufentscheidungen hängen eng mit der Stim-
sondern auch für die Konkurrenz. mung zusammen. Man kann sowohl in negativer als auch in posi-
158 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

Exkurs 8.2  Reagieren auf Schlüsselreize  |       | 


1
Bei der Anwendung unserer Urteilsheuristi- Xerox machine?“, ließen sie nur noch 60 % der solche gedanklichen Abkürzungen ist der

2 ken überprüfen wir nicht, ob die entscheiden-


den Kriterien erfüllt sind, also wir überprüfen
Wartenden vor.
Die Personen reagieren auf die Tatsache, dass
Befund, dass Anzeigen, die Fließtexte enthal-
ten, für glaubwürdiger gehalten werden – und
nicht tatsächlich die Überlegenheit des das Verhalten begründet ist. Nun kann es aber zwar unabhängig davon, ob der Fließtext
3 Produkts, sondern reagieren auf Merkmale,
die mit den entscheidenden Merkmalen mehr
auch vorkommen, dass Personen gar nicht
wirklich erwägen, ob ihnen eine Begründung
gelesen wird oder nicht (Kroeber-Riel und
Meyer-Hentschel 1982, S. 109 f ). Der Fließtext
oder weniger zusammenhängen. In einem einleuchtet, sondern auf andere äußere Merk- stellt die Werbung in einen argumentativen
4 originellen Experiment konnten Langer
et al. (1978) zeigen, wie in einer alltägli-
male eines begründeten Verhaltens reagieren,
zum Beispiel auf die grammatische Form.
Kontext. Dieser Hinweisreiz genügt, um die
Wahrnehmung zu beeinflussen.
chen sozialen Situation das Verhalten der Tatsächlich brauchte die Frau ihren Wunsch Die Erwartung eines gut begründeten
5 Versuchspersonen von Merkmalen abhing, nicht wirklich zu begründen. Sagte sie an der Verhaltens lässt sich auch beim „Anpumpen“
die mit dem eigentlich vernünftigerweise grammatischen Stelle der Begründung im erzeugen. Wir kennen vermutlich alle die Situ-
verhaltenssteuernden Kriterium nur sehr kausalen Nebensatz einfach das, was sowieso ation, auf der Straße mit der Bitte angespro-
6 lose zusammenhängen. Der entscheidende schon jeder wusste, wurde sie genauso chen zu werden: „Entschuldigen Sie, könnten
Ausgangsgedanke in ihrem Experiment war vorgelassen, wie wenn sie ihren Wunsch be- Sie wohl eine Mark/einen Euro entbehren?“
folgender: Wir reagieren auf begründetes gründete. Die Aussage „Excuse me, I have five (in der Realität klingt diese Bitte freilich eher
7 Verhalten mit mehr Verständnis als auf unbe- pages. May I use the Xerox machine because I wie „Hassmanemaak?“ bzw. heute „Hassman­
gründetes. Wir nehmen auch auf begründetes have to make some copies?“ hat allenfalls die euro?“). Würden uns dieselben Personen
Verhalten anderer mehr Rücksicht als auf äußere Form eines begründeten Anliegens, in nicht um einen Euro, sondern um 1,25 Euro
8 unbegründetes. Im Experiment wollte sich Wirklichkeit ist sie natürlich trivial. Das Wort oder um 75 Cent anpumpen, hätten sie eine
eine Frau in einer Warteschlange vor dem „weil“ hat hier die Funktion eines „Placebos“. wesentlich bessere Aussicht auf Erfolg (Santos

9 Kopierer vordrängeln. Wenn sie ihren Wunsch


nun begründete, indem sie sagte: „Excuse me,
Trotzdem ließen sie 93 % der Wartenden
vorgehen – genauso viel wie bei einer echten
et al. 1994). Überlegen Sie selbst, was würden
Sie bei einer solchen Frage denken? Auch
I have five pages. May I use the Xerox machine Begründung. ohne über weitere Informationen zu verfügen,

10 because I’m in a rush?“, ließen sie 94 % der


Wartenden vorgehen. Wenn sie dagegen die
Dieses Beispiel zeigt, dass wir tatsächlich im
Alltag für unsere Bewertungen ohne weitere
würden die meisten von uns davon ausgehen,
dass jemand, der 1,25 Euro erbittet, ein besser
Begründung wegließ und lediglich sagte: Prüfung gedankliche Abkürzungen verwen- begründetes Anliegen hat als jemand, der „mal
11 „Excuse me, I have five pages. May I use the den. Ein werbepsychologisches Beispiel für ’n Euro“ haben will.

12 tiver Stimmung Impulskäufe beobachten. In positiver Stimmung genauso wie auf das soziale und berufliche Leben und natürlich
sind diese Käufe darauf gerichtet, die positive Stimmung zu hal- auf die finanzielle Situation. Zwischen 1 und 5 % der Bevölkerung
ten; sie sind dann meist nicht sehr gezielt. In negativer Stimmung neigen zu unkontrolliertem Kaufen. Neuner et al. (2005) berich-
13 dagegen kaufen Personen gezielt – wenn auch impulsiv –, um die ten allerdings von einer allgemein steigenden Tendenz, wobei
negative Stimmung wieder zu heben. So berichten Personen, die Länder, in denen der Konsum in der Vergangenheit eine gerin-
14 eben einen Misserfolg erlebt haben (z. B. schlechte Klausur), dass gere Rolle gespielt hat als gegenwärtig (z. B. in den neuen Bun-
sie sich gezielt eine CD gekauft haben, um sich wieder ein wenig desländern), eine besonders hohe Steigerungsrate verzeichnen.
15 aufzuheitern (Rook und Gardner 1993). Dieser Befund passt zu In der Regel hat dieses Verhalten wie gesagt eine kompen-
einer allgemeinen Argumentationslinie, nach der das Verhalten satorische Funktion, indem es kurzfristig negative Stimmungen
bei positiver Stimmung weniger reflektiert und einkommende bessert (für einen Überblick vgl. Lejoyeux et al. 1996). Einen
16 Information weniger intensiv geprüft wird als bei negativer oder Ratgeber für Personen, die zu unkontrolliertem Kaufverhalten
neutraler Stimmung (Bless et al. 1990; Bohner et al. 1994). neigen, legen Catalano und Sonenberg (1996) vor. Ein Screening-
17 Impulse werden üblicherweise kontrolliert, damit sie sich verfahren zur Erhebung von kompensatorischem und süchtigem
nur in angemessenem Grade und zur passenden Zeit durchset- Kaufverhalten stammt von Raab et al. (2005).
zen. Diese Kontrolle kostet den Organismus Energie und gelingt
18 umso schwerer, je stärker der Organismus bereits in der Vergan-
genheit beansprucht wurde (Baumeister 2002). In der Tat können 8.1.3 Limitierter Kauf
19 Vohs und Faber (2007) zeigen, dass Impulskäufe wahrscheinli-
cher werden, je mehr die Konsumenten zuvor durch Aufgaben Folgt eine Person dem Verhaltensmuster des limitierten Kaufs, hat
20 beansprucht waren, die ihrerseits Selbstkontrolle von ihnen for- sie auf dem Gebiet schon einige Kauferfahrung und verfährt nach
derten (siehe auch ▶ Abschn. 5.5.2). bewährten Faustregeln. Charakteristisch für den limitierten Kauf
Offenbar hat das Kaufen selbst mitunter eine regulierende ist, dass eine Person zwar relativ hohes Involvement mitbringt, aber
21 Funktion, zum Beispiel indem es Stimmungen aufbessert oder zum extensiven Kauf nicht in der Lage ist. Dies könnte der Fall
ablenkt. Diese Funktion scheint auch den pathologischen Ext- sein, weil sie sich in der Produktkategorie nicht auskennt, weil sie
22 remfällen impulsiven Kaufverhaltens zu Grunde zu liegen. Ein keine Zeit hat oder weil sie abgelenkt ist. Gleichzeitig hat sie aber
derart unkontrolliertes Kaufverhalten äußert sich in starken, ge- Erfahrungen mit dem Kaufen insgesamt. Durch diese Erfahrungen
radezu zwanghaften Bedürfnissen zu kaufen sowie erfolglosen haben sich Urteilsheuristiken ausgebildet (▶ Exkurs 8.2). Beim Kauf
23 Versuchen, das eigene Kaufverhalten zu kontrollieren. In der genügen oft kleine Argumente, die solche Heuristiken anstoßen.
Regel wirkt sich unkontrolliertes Kaufverhalten auf verschie- Diese Argumente sind zum Beispiel der Preis eines Produkts, denn
dene Aspekte des Lebens negativ aus: auf die eigene Stimmung wir machen die Erfahrung, dass im Schnitt die teuren Produkte
8.1  •  Arten des Kaufs
159 8

auch die besseren sind. Auch wenn die Qualität eines Produkts
.. Tab. 8.1  Vorurteile und Mythen zu Produkten, die sich besonders
noch gar nicht erwiesen ist, würden wir daher vom Preis auf seine auf limitierte Kaufentscheidungen auswirken können (aus Solomon
Qualität schließen (Tull et al. 1964, siehe ▶ Abschn. 20.2.1). 1999, S. 289, Tab. 9-3; Übers. GF).
Ein anderes Entscheidungskriterium, auf das die Werbung
Annahme über „Vorurteil“
auch systematisch setzt, ist das der Umweltverträglichkeit: Viele
von uns folgen der Vorstellung, dass umweltfreundliche Produkte Marken No-Name-Produkte sind im Grunde dieselben
vorzuziehen sind. Wir glauben das weniger aus ökonomischen, wie die Markenprodukte, sie kosten nur weniger.
sondern aus ökologischen, beinahe moralischen Gründen. Wenn Die besten Marken sind diejenigen, die am
es einer Werbung gelingt, ihrem Produkt einen umweltfreund- häufigsten gekauft werden.
lichen Anstrich zu geben, wird sie den „moralischen Mechanis-
Im Zweifelsfall ist eine einheimische Marke
mus“ in uns anstoßen, und damit hat sie bei uns Punkte gemacht. immer die beste.
Als Kaufheuristik dienen oft auch verbreitete Vorurteile ge-
Geschäfte Im Fachgeschäft sollte man sich nur über die
genüber Marken, Produkten oder Werbung. Solomon (1999, Produkte informieren. Man kauft billiger im
S. 289) benutzt den Begriff „common market beliefs“. Beispiele Supermarkt.
für solche Annahmen sind in . Tab. 8.1 aufgeführt. Viele von
Je größer das Geschäft ist, desto niedriger sind
ihnen beruhen auf korrekten Beobachtungen und sind allenfalls die Preise.
in ihrer Verallgemeinerung oder ihrer Änderungsresistenz nicht
Lokale Geschäfte bieten einen besseren Service
ganz korrekt zu nennen. Einige bieten auch Ansatzpunkte zur
als überregionale Ketten.
Ausnutzung der Konsumenten.
Geschäfte, die gerade erst eröffnet haben, bie-
ten besonders gute Preise.
8.1.4 Gewohnheitskauf Preise und Mit Sonderangeboten wollen die Anbieter typi-
Sonderangebote scherweise Ladenhüter loswerden.
Beim habitualisierten oder Gewohnheitskauf kauft eine Person Ein Geschäft, das ständig nur Sonderangebote
das, was sie schon immer gekauft hat. Typische Artikel für den führt, bietet nicht wirklich gute Preise.
habitualisierten Kauf sind Nahrungs- und Genussmittel, zum Werbung Je aggressiver die Werbung ist, desto schlechter
Beispiel Brot und Fleisch, das man oft bei demselben Bäcker bzw. ist die Qualität.
Metzger kauft, oder die Tabak-, Kaffee- oder Biermarke. Wie der Bei einem Produkt, das hart beworben wurde,
Impulskauf enthält auch der Gewohnheitskauf keine Entschei- bezahlt man die Marke, nicht die Qualität.
dung. Konsumenten unterstellen aber meist, dass ein habitu-
Produkt Verpackungen mit großen Mengen sind umge-
alisiertes Kaufverhalten früher einmal gut begründet gewesen rechnet billiger als kleine Mengen.
ist. Dies muss nicht unbedingt der Fall sein. Die Entstehung der
Kurz nach der Einführung sind Produkte am
Gewohnheit kann bei genauem Hinsehen völlig zufällig und ar-
teuersten; die Preise sinken mit der Zeit.
biträr erscheinen. Gleichwohl ist es wahrscheinlicher, dass der
Konsument die Gewohnheit für gut begründet hält. Ist man sich sicher, lohnt es sich, in die Extras
zu investieren, denn später würde man sie ganz
Mindestens zwei Arten von Gewohnheitskäufen lassen sich
bestimmt vermissen.
unterscheiden (Kroeber-Riel 1992, S. 378). Es gibt Kaufgewohn-
heiten, die wir ausgebildet haben, um in Zukunft entlastet zu wer- Natürliche Produkte sind besser als synthetische.

den, und solche, die unsere besonderen Vorlieben widerspiegeln. Wenn ein Produkt noch ganz neu ist, sollte man
vorerst die Finger davon lassen. Der Hersteller
Entlastungsfunktion braucht noch einige Zeit, um kleine Mängel zu
beseitigen.
Im ersten Fall geht es den Konsumenten darum, über unwich-
tige Punkte nicht immer neu nachdenken zu müssen. Solche Ge-
wohnheiten laufen relativ gleichgültig ab. Zu den Produkten, die onale Bindung, unter Umständen auch ein Gefühl der Loyalität
man auf diese Weise kauft, besteht kaum eine Bindung. gegenüber einer Marke oder einem Produkt (Mullen und Johnson
Gewohnheitskäufe entlasten das Denken. Daher kann man 1990, S. 120). Je stärker der Loyalitätsanteil an einer Produktwahl
über diese Kaufart zweierlei sagen: (1) Je sicherer man sich in wird, desto weniger ist der Käufer davon geleitet, seinen eigenen
seiner Kaufentscheidung ist, desto eher kauft man ein Produkt Nutzen zu maximieren. Vielmehr wird der Konsument seinem
gewohnheitsmäßig. (2) Zu Gewohnheitskäufen neigen vor allem Produkt auch dann noch die Treue halten, wenn er selbst zuge-
solche Personen, die nicht besonders gerne einkaufen. Für diese ben muss, dass es bessere Alternativen gibt. Loyalität zu einer
Menschen ist die Entlastungsfunktion offenbar sehr zentral (Kro- Marke oder einem Produkt findet sich vor allem dort, wo das
eber-Riel 1992, S. 393 f). Kaufverhalten „persönlich“ geworden ist, zum Beispiel wo ein
persönlicher Kontakt zu einem Verkäufer oder Vertreter besteht.
Ausdruck einer stabilen Präferenz
Es gibt aber auch Artikel, die wir gerade deshalb gewohnheitsmä- Änderungsresistenz
ßig kaufen, weil wir es besonders gern tun, zum Beispiel wenn wir Habitualisiertes Kaufverhalten stellt für Werbungtreibende eine
eine eindeutige Lieblingsmarke haben. Hier besteht eine emoti- große Herausforderung dar. Das zeigt eine Untersuchung von
160 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

Charlton und Ehrenberg (1976). Die Autoren versuchten, ihre Das Bemühen, die bisherigen Kunden zu halten, wird als de-
1 Versuchspersonen von deren etablierten Kaufgewohnheiten fensive Marketingstrategie bezeichnet. Das Bemühen um neue
abzubringen: „durch Sonderpreise, Werbung, veränderte Ver- Kunden heißt dementsprechend offensive Strategie. Zu der defen-
2 fügbarkeit des Produktes und Einführung einer neuen Marke“ siven Strategie gehört, dass man sich ein Bild von der normalen
(Kroeber-Riel 1992, S. 395). Keine der Strategien hatte nennens- „Kundenverweildauer“ verschafft, um herauszufinden, wie lange
werte Nachwirkungen. Parfitt und Collins (1972) „weisen darauf Kunden normalerweise dem Unternehmen oder der Marke treu
3 hin, daß der Konsument bei routinemäßigem Verhalten zwar die bleiben. Der Verlust eines Kunden, der abwandert, noch bevor er
Angebotsbedingungen beachtet und bereit ist, vorübergehend die durchschnittliche „Verweildauer“ erreicht hat, gilt als beson-
4 auf ein anderes Produkt überzugehen. Er kehrt aber schnell ders kritisch, denn dieser Verlust erscheint in besonderem Maße
wieder zur gewohnten Marke zurück, wenn die Sonderaktionen vermeidbar (Kotler und Bliemel 1995, S. 75).
5 nachlassen“ (Kroeber-Riel 1992, S. 395; vgl. auch O’Shaughnessy
1987, S. 57). Dieses immer wieder bestätigte Muster zeigt, dass
Gewohnheitskäufe keine Automatismen sind, die vom Gedanken 8.2 Kaufentscheidungen gegen ein Produkt
6 an den eigenen Nutzen losgekoppelt wären. Gewohnheitskäufe
werden unterlassen, wenn sich andere interessante Optionen 8.2.1 Die Rolle der Werbung
7 ergeben. Man kehrt aber zu den Gewohnheiten zurück, sobald
die besonderen Gründe, die den Wechsel angeregt haben, weg- „Haben Sie schon einmal ein Produkt bewusst deshalb nicht ge-
gefallen sind. kauft, weil Sie sich über dessen Werbung geärgert haben?“ Diese
8 Tragischerweise entwickeln die Konsumenten kaum einen Frage richtete im März 1995 die GfK-Marktforschung an eine
Blick für die Vorzüge eines Produkts, das sie nur im Rahmen Stichprobe von 2565 Konsumenten (Horizont, 11/95, S. 26). Im-
9 einer Sonderaktion zu besonders günstigem Preis oder mit einem merhin 30 % der Befragten in den alten Bundesländern gaben
anderen Bonus gewählt haben. Gerade die Tatsache, dass es ein an, dass sie sich schon einmal aus Ärger über die entsprechende
10 lockendes Kaufargument gab, versperrt den Konsumenten den Werbung gegen den Kauf eines Produkts entschieden haben.
Blick auf weitere Gründe über dieses lockende Argument hinaus, Am häufigsten wurde ganz unspezifisch Waschmittelwerbung
die ebenfalls für einen Wechsel gesprochen hätten. Das eigene als Ärgernis genannt. Die Gründe für das Missfallen werden in
11 Kaufverhalten ist mit dem Argument der Sonderaktion und den der Analyse nicht berichtet. In den meisten Fällen sind es aber
damit verbundenen Vorteilen mehr als hinreichend begründet. nicht Produktgruppen, sondern spezielle Kampagnen einzelner
12 Diese Begründung ist völlig external – so nimmt es auch der Marken, die zu einer Abwertung der Marke insgesamt geführt
Konsument wahr. Eine intrinsische Motivation ist nicht zu er- haben. Wer sich an die Kampagnen erinnert, wird darüber
kennen. Eine Bindung an das Konkurrenzprodukt ist nicht zu spekulieren können, warum die Werbung so wenig Anklang
13 erwarten. Dieses Phänomen nennt man Oversufficient-Justifi- gefunden hat. Am bekanntesten ist vielleicht die in den Jahren
cation-Effekt (▶ Abschn. 11.4.4). 1993/1994 äußerst umstrittene Werbung der Firma Benetton. Es
14 Warum ist der Gewohnheitskauf eigentlich so eine harte ist kaum verwunderlich, dass sie auf Platz sechs der als ärgerlich
Nuss? Der für unser Problem relevante Grundgedanke ist, dass empfundenen Markenwerbung rangiert. In einer Untersuchung
15 wir die Richtung unseres Verhaltens nicht ohne besonderen aus den 1980er Jahren (Aaker und Bruzzone 1981) benannten

16
Grund ändern, während für die Beibehaltung der Richtung keine
weitere Begründung erforderlich ist (mehr dazu in ▶ Kap. 11).
Das bedeutet für das Kaufverhalten, dass ein konkurrierendes
Produkt besser sein muss als das gewohnheitsmäßig gekaufte
-
die Konsumenten verschiedene Typen von ärgerlicher Werbung:
Am ärgerlichsten wurden verschiedene Spots für Frau-
en-Hygiene-Produkte wahrgenommen. Das extremste
Beispiel war ein Spot für Stayfree Maxi-Pads, in dem eine
17 Produkt. Keine Konkurrenz kann es sich leisten, nur genauso Frau eben noch ein Taxi einholt und während der Fahrt
gut zu sein wie die anderen (O’Shaughnessy 1987, S. 59). ihrer Freundin die Vorteile ihrer Monatsbinde darlegt.
Zudem wird eine Person, die einen Artikel gewohnheitsmäßig Unangenehm bis zur Peinlichkeit fanden die Konsumenten
18 kauft, mit diesem Artikel zufrieden sein. Zufriedenheit gehört auch einige Spots für Magen- und Darmpräparate sowie für

19
20
zum habitualisierten Kauf dazu – sonst hätte man die Gewohnheit
ja nicht. Für das Marketing ergibt sich hieraus: Es ist leichter, Kun-
den zu halten als Kunden hinzuzugewinnen. Meist sind nämlich
die anzuwerbenden Kunden bereits Gewohnheitskäufer anderer
- Damenunterwäsche.
Viele Konsumenten betrachteten Werbung für Dinge, die
eigentlich nicht beworben werden sollten, als ärgerlich.
Darunter fiel zum Beispiel die Werbung für Zigaretten und

21
Marken. Die Zigarettenmarke West warb über viele Jahre mit der
Kampagne „Test the West“, die besonders augenfällig die Absicht
vertrat, Gewohnheiten aufzubrechen. Solche Werbung appelliert
nicht zuletzt an ein Bedürfnis nach Abwechslung. Zudem wird
- für scharfe Alkoholika.
Einige Spots wurden als extrem dumm, albern oder unlo-
gisch empfunden. In einem Spot für Bubble Yum Bubble
Gum wurde auf einer Party vorgeschlagen, den Kaugummi
22 auch an eine soziale Norm appelliert, „öfter mal etwas Neues“ zu als Vorspeise zu benutzen. Ein anderer Spot zeigte Sir Isaac

23
machen, Neuerungen ein Chance zu geben und „Probieren über
Studieren“ gehen zu lassen (O’Shaughnessy 1987, S. 76, Punkt 1b).
Eine solche Norm gibt es tatsächlich: Viele Konsumenten verfah-
ren nach einer Einkaufsregel, die regelmäßige Variation in den
- Newton, wie er den Carefree Sugarless Gum erfindet.
Sogenannte Slice-of-Life-Spots, also solche, die alltägliche
Situationen zeigen und besonders um Authentizität bemüht
sind, wurden in einigen Fällen als „verlogen“ empfunden
Konsumentscheidungen vorsieht (Drolet 2002). und daher abgewertet. So wurde in einer simulierten natür-
8.2  •  Kaufentscheidungen gegen ein Produkt
161 8

lichen Situation von einem Fleckenentferner behauptet, er Bürger, sondern in erster Linie auf die Unternehmen zurück.1
könne große Ölflecken entfernen. In der Folge entwickeln Konsumenten „moralische“ Kriterien,
anhand derer sie Produkte bewerten. Thunfisch, Pelze oder be-
Bergler et al. (1992, S. 104 ff) berichten von ihren Befragten, dass stimmte Kosmetika werden von manchen Konsumenten abge-
hauptsächlich Unglaubwürdigkeit der Werbung eine gezielte Ab- lehnt, weil sie mit dem Quälen oder unsinnigen Töten von Tieren
lehnung des Produkts zur Folge habe. Der von ihnen untersuchte in Verbindung gebracht werden (vgl. auch O’Shaughnessy 1987,
Grund der Frauendiskriminierung in der Werbung spielte bei S. 143). Andere Produkte erscheinen den Konsumenten zu wenig
solchen Entscheidungen dagegen eine eher geringe Rolle. Nach umweltverträglich, zum Beispiel Sprühdosen, die noch immer
Young und Robinson (1992) wird eine Werbung dann negativ Fluorkohlenwasserstoffe als Treibgas enthalten. Wieder andere
bewertet, wenn „die für das Verständnis und die Verarbeitung Produkte werden mit der Politik eines Unternehmens (z. B.
notwendige Dramaturgie nicht mehr erkennbar bzw. nachvoll- Shell, s. o.) oder gar eines ganzen Landes (z. B. Frankreich, das
ziehbar ist“ (Schimansky 1999, S. 131). im Herbst 1995 mit Atomtests im Südpazifik begann) identifiziert
In einer Untersuchung von Schimansky (1999) wurden von und deshalb boykottiert.
129 untersuchten Spots besonders solche positiv bewertet, die Für den einzelnen Konsumenten gibt es neben den Prinzi-
humorvoll gestaltet waren oder mit besonders eingängiger Musik pien der Nutzenmaximierung Erwägungen darüber, was richtig
einhergingen. Interessanterweise wurden Spots, die versuchten, oder falsch ist; auch diese beeinflussen eine Kaufentscheidung
über die Vorteile des Produkts zu informieren, eher negativ er- (O’Shaughnessy 1987, S. 144). Mehr als zwei Drittel der Konsu-
lebt. Typischerweise gehören zu den negativ bewerteten Spots menten sind dabei der Meinung, sie könnten durch ihre Kauf­
solche für Wasch- und Geschirrspülmittel und Zahnpflegepro- entscheidung „erheblichen Druck auf die Hersteller ausüben“
dukte. Die in einem Vortest besonders positiv bzw. besonders (Hansen et al. 1994, S. 238). Hinzu kommt, dass viele dieser „mo-
negativ bewerteten Spots wurden Versuchspersonen präsentiert. ralischen“ Entscheidungen die Konsumenten nicht viel kosten. So
Hierbei zeigte sich, dass die unabhängig festgestellte Spotqualität war es für die meisten Autofahrer kein besonderes Problem, nicht
einen erheblichen Einfluss auf die Tendenz zur Werbevermei- bei Shell, sondern woanders zu tanken. Daher sind altruistische
dung sowie auf die Produkt- und Spotsympathie hatte. Nach oder ideelle Motive bei der Kaufentscheidung auch dann in Rech-
diesen Befunden kann man davon ausgehen, dass Zuschauer nung zu stellen, wenn man – wie einige beinharte Ökonomen
ihre Bereitschaft, Werbung zu betrachten, stark von der erlebten (O’Shaughnessy 1987, S. 144) – davon ausgeht, kein Konsument
Qualität der Werbespots abhängig machen. wäre bereit, aus „moralischen“ Gründen materielle Nachteile in
Kauf zu nehmen. Tatsächlich ist freilich die Bereitschaft, ökono-
mische Nachteile zu akzeptieren, um dadurch ein unanständiges
8.2.2 Unternehmensphilosophie und ethisch Verhalten der Unternehmen zu bestrafen oder sonst irgendwie
korrekter Konsum „quitt“ zu werden, erheblich größer, als ökomische Theorien er-
warten lassen. Bechwati und Morrin (2003) beschreiben unter-
Als im Juni 1995 der Shell-Konzern die ausgediente Ölplattform schiedliche Strategien, mit denen Konsumenten Unternehmen,
Brent Spar in der Nordsee versenken wollte, protestierten Politi- die sich aus ihrer Sicht unkorrekt verhalten haben, sozusagen auf
ker wie Verbraucher gegen dieses Vorgehen. Eine Boykottwelle eigene Kosten „eins auswischen“.
von Shell-Tankstellen setzte – zumindest in Deutschland – ein. Das Interesse an „moralischem“ oder „politisch korrektem“
In der Billigentsorgung des konzerneigenen Schrotts sahen die Einkauf wird durch entsprechende Broschüren und Buchver-
Verbraucher nicht nur die Schadstoffbelastung der Nordsee. Sie öffentlichungen befriedigt. In den USA sind Ratgeber wie The
wurde auch als Zeichen für Zynismus und Kaltschnäuzigkeit von Consumer’s Guide to Effective Environmental Choices: Practical
Seiten des Shell-Konzerns verstanden. Die damalige Werbekam- Advice from the Union of Concerned Scientists (Brower und Leon
pagne von Shell stellte aber gerade Verantwortungsbewusstsein 1999), The Better World Shopping Guide: Every Dollar Makes a
und Sorge für die Zukunft in den Mittelpunkt. Der Slogan „Shell. Difference (Jones 2012), „The virtuous consumer: Your essential
Wir kümmern uns um mehr als Autos“ musste den Verbrau- shopping guide for a better, kinder, healthier world“ (Garrett und
chern wie blanker Hohn vorkommen. Ein frustrierter Mitarbei- Greenberg 2007) oder Shopping for a Better World (Council on
ter der Werbeagentur konnte daher in einem Fernsehinterview Economic Priorities 1990) populär.
(14.6.1995 in der ARD-Sendung Im Brennpunkt) nur noch raten, Ein deutsches Pendant für die Lebensmittelbranche ist die
diese Werbekampagne so schnell wie möglich zu stoppen, was bei Rowohlt erschienene Broschüre Der Unternehmenstester.
dann auch tatsächlich geschehen ist. Eine folgende Anzeigen- Die Lebensmittelbranche. Ein Ratgeber für den verantwortlichen
kampagne trug den Titel „Wir werden uns ändern“ (vgl. Green- Einkauf (Dammann und Strickstrock 1995). Im ersten Monat
peace 2005; Löding, Schulze & Sundermann 2006). seien von diesem Ratgeber bereits 8000  Exemplare verkauft
Dieses Beispiel stößt uns auf einen anderen Punkt, der bei worden. Grundlage für diese Broschüre sind Auskünfte von
Kaufentscheidungen eine Rolle spielt: Konsumenten schreiben
den Herstellern und Unternehmen in wichtigen Bereichen des 1 Dagegen werden Unternehmen weit weniger für andere naheliegende
Aufgaben in die Pflicht genommen. Zum Beispiel sehen die Konsumenten
öffentlichen Lebens die Hauptverantwortung zu. Zu diesen Be-
nach einer EMNID-Umfrage (Hansen et al. 1994, S. 236) nur sehr geringe
reichen gehören in erster Linie der Umweltschutz und der verant- Verantwortung für den Aufschwung in den neuen Bundesländern oder für
wortliche Umgang mit neuen Technologien (Hansen et al. 1994, gerechten Handel mit Entwicklungsländern bei den Unternehmen. Diese
S. 236). Probleme in diesen Bereichen fallen nicht auf Staat und Arbeit soll in erster Linie vom Staat geleistet werden.
162 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

Exkurs 8.3  Der Homo oeconomicus und das Prinzip der Nutzenmaximierung  |       | 
1
Von einem ökonomischen Blickwinkel aus Sicht Vorteile zu erlangen (zu den Problemen Umgang mit dem Begriff kennt eine ganze

2 gesehen ist der Mensch in erster Linie Homo


oeconomicus, dessen wichtigstes Ziel in der
solcher reduktionistischen Positionen siehe
Müller et al. 1995, S. 66 ff ).
Reihe von „Rationalitätsfiguren“, von denen
der Verweis auf den Nutzen nur eine ist. So
persönlichen Nutzenmaximierung besteht. In Nutzenmaximierung als Rationalitätsprinzip wäre auf die Frage „Warum hast du ihm dein
3 wirtschaftlichen Kontexten gilt weitgehend
die Überzeugung, dass kein Verhalten gezeigt
hat mindestens vier Probleme: Erstens sieht
dieses Prinzip nicht vor, Ziele unabhängig von
Auto geliehen?“ eine vernünftige Begründung:
„Weil er mein Freund ist.“ Der Rekurs auf die
wird, das dem Prinzip der Nutzen- oder Wert- ihrer Eignung zur Nutzenmaximierung nach Freundschaft ist in bestimmten Kontexten völ-
4 maximierung widerspricht. Viele Verhaltens-
weisen, die auf den ersten Blick dem Prinzip
ihrer Vernünftigkeit zu bewerten. Zweitens ist
es in dem Modell keine Frage der Rationalität,
lig ausreichend, um das Verhalten als rational
auszuweisen (Rothermund 2003).
der Nutzenmaximierung widersprechen, ob die Personen vernünftige Erwartungen In der Gleichsetzung von Nutzenmaximie-
5 werden demnach entweder als erzwungen daran haben, was aus ihren Handlungen folgt. rung und Rationalität liegt auch eine Gefahr:
angesehen, oder man unterstellt, dass sie Drittens erlaubt das reine Prinzip der Nutzen- Wo diese Form des Denkens dominiert,
diesem Prinzip letztendlich wenigstens maximierung nur sehr beschränkte Hand- überschätzen Menschen erheblich das
6 mittelbar dienen. Eine mittelbare Nutzen- lungsmöglichkeiten in Situationen, in denen Ausmaß, in dem andere egoistisch denken,
maximierung bei einer Kaufentscheidung mehrere Personen handeln und in denen es und halten sich mit ihren Handlungsimpulsen
wäre, wenn man von günstigeren Käufen auf Kooperation ankommt. Einige vernünftige zurück, wenn sie ihr Verhalten nicht mit einem
7 absieht, um eine freundschaftliche Beziehung Varianten der Kooperation sind nicht auf der eigenen Nutzen begründen können (Miller
zu einem Verkäufer nicht zu gefährden, weil Dimension der Nutzenmaximierung bewertbar 1999). Holmes et al. (2002) zeigen in einem

8 sich diese Beziehung auf lange Sicht auszahlt (Rothermund 2003). Hier ist man vielmehr auf Experiment, welche Folgen die ökonomische
(Beispiel nach Kotler und Bliemel 1995, S. 54). traditionelle Vorstellungen der Gerechtigkeit Denkweise für unser Handeln und Begrün-
Das Verhalten, beim Freund zu kaufen, ist angewiesen. Das Grundmodell der Nutzenma- dungsverhalten hat: Dass Menschen erst

9 demnach deshalb rational, weil es sich auf


Dauer auszahlen kann. Auch Spendenverhal-
ximierung muss für solche Probleme verlassen
oder, um es weniger dramatisch auszudrü-
dann altruistisch handeln, wenn hierzu ein
äußerer Nutzen winkt, liegt nicht daran, dass
ten wird von Ökonomen häufig unter einem cken, „erweitert“ werden (z. B. in dem Katalog sie diesen Nutzen als eigenen materiellen
10 Nutzenaspekt gesehen (Dichtl und Schneider
1994). Problematisch wird diese Sicht dann,
zur Charakterisierung optimaler und fairer
Strategiekombinationen von Nash 1950).
Gewinn anstreben. Der Nutzen dient vielmehr
der Legitimation, weil nur so ein altruistisches
wenn man sie reduktionistisch betrachtet. Viertens schließlich entspricht dieser Rati- Verhalten nach außen begründbar erscheint
11 Damit würde man unterstellen, dass eine
Spende im Grunde nur dazu dient, auf lange
onalitätsbegriff nicht unserem alltäglichen
Begriff von „Vernünftigkeit“. Unser alltäglicher
(vgl. auch Felser 2003).

12
Unternehmen bzw. Recherchen der Herausgeber (unter ande- von Griskevicus et al. (2010), dass statusmotivierte Konsumenten
rem des Instituts für Markt – Umwelt – Gesellschaft (Imug) in nur dann zu einem nachhaltigen Konsum zu bewegen sind, wenn
13 Hannover). Über die Unternehmen werden nicht nur produkt- dieser erstens nach außen sichtbar und zweitens teurer als der
bezogene Informationen vorgelegt. Es geht auch um wichtige normale ist. Dieser Befund unterstreicht noch einmal die hohe
14 Punkte der Unternehmensphilosophie, zum Beispiel wie sie mit Wertschätzung des Nachhaltigkeits-Themas: Für bestimmte Kon-
Verbrauchern, Arbeitnehmern, Frauen, Behinderten und der sumentengruppen schafft also der „ethisch korrekte“ Konsum
15 Umwelt umgehen. Gefragt wurde auch nach Sponsoring, Tier- die Gelegenheit, mit ihrem Verbraucherverhalten nach außen zu
schutz oder Gentechnologie. Nicht immer stoßen die Heraus- prunken und zu protzen (▶ Abschn. 20.2.2).
geber auf auskunftsbereite Unternehmen. Trotzdem sei aber die Ein anderes, teilweise gegenläufig funktionierendes Motiv der
16 Resonanz auf die Broschüre insgesamt positiv, auch von Seiten Konsumenten besteht in dem Ziel, sich selbst als „moralisch“ und
einiger kritisierter Unternehmen (W&V 10/1994, S. 66; W&V „anständig“ zu sehen. Zur Prestigemotivation verhält sich dieses
17 28/1995, S. 10). Ziel insofern gegenläufig, als sich Moralität eben gerade nicht in
Nachhaltigkeit in Produktion oder Vertrieb hat seit dem Be- einer allzu offensiven Sichtbarkeit, sondern eher im Verborgenen
ginn dieser Trends in den 1990er Jahren als Verkaufsargument zeigt. Ein ethisch korrektes Verhalten, das viele andere bemer-
18 immer weiter an Gewicht gewonnen. Mehr als die Hälfte der der ken, mag für mich als Handelnden viele Vorteile haben. Aber ob
Verbraucher (56 %) geben 2013 an, häufig Produkte zu kaufen, ich tatsächlich ein moralischer Mensch bin, zeigt sich – gerade
19 die „ethisch korrekt“ hergestellt sind – dies ist ein Wert der sich für mich selbst – eher in dem, was ich in dem Bewußtsein tue,
allein zwischen 2009 und 2013 mehr als verdoppelt hat. Die hier dass andere es nicht bemerken werden. Diese Überlegungen er-
20 zitierte Studie der Otto Group (2013) steht nur exemplarisch für klären, warum Konsumenten, wenn sie selbst Preise festlegen
eine Vielzahl unterschiedlicher Forschungsarbeiten, die insge- können (also unter einer „Pay-what-you-want“-Bedingung;
samt den nachhaltigen Konsum auf dem Vormarsch sehen. Hier- ▶ Exkurs 10.6. und ▶ Abschn. 20.2.3), diese Preise nicht etwa zu
21 bei darf man als bemerkenswert hervorheben, dass der „ethisch ihrem eigenen Vorteil niedrig, sondern eher hoch wählen – und
korrekte“ Konsum häufig teurer ist als der herkömmliche, so das sogar um so mehr, wenn der Preis, den sie zahlen, für andere
22 dass dieser Trend auch gleichzeitig einen Widerspruch zu der gar nicht sichtbar ist (Gneezy et al. 2010).
Annahme dokumentiert, Konsumenten seien in erster Linie Dies wären wie gesagt nur zwei sehr unterschiedliche Motive,
durch ökonomische Interessen und Eigennutz motiviert (vgl. die hinter einem etwas teureren nachhaltigen Konsum stehen
23 ▶ Exkurs 8.3). könnten. Freilich zeigen sich an vielen Stellen auch Entwicklun-
Die tatsächlichen Motive hinter dem nachhaltigen Konsum gen zum Gegenteil. So führt etwa der zunehmende Versandhan-
dürften freilich sehr heterogen sein. So zeigen etwa die Arbeiten del übers Internet zu Umweltbelastungen durch Verpackungs-
8.3  •  Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien
163 8

müll und Transport. Vor Weihnachten 2013 sind täglich bis für den Fall, dass Gott existiert, wiegen auf jeden Fall die Ein-
zu 15 Millionen Päckchen verschickt worden (Schaefer 2013). schränkungen eines gottgefälligen Lebens oder die möglichen
Etliche dieser Sendungen wurden dann später wieder zurück- Vorteile eines gottlosen Lebens im Diesseits auf. Damit wäre
geschickt. Der Online-Fashionhändler Zalando hat 2012 dank gezeigt, dass es vernünftig ist, an Gott zu glauben, auch wenn
seiner sehr liberalen Rücknahmepolitik 70 % der verschickten man seine Existenz nicht beweisen kann (Beispiel nach Betsch
Waren zurückerhalten. Neben der hohen Umweltbelastung sind et al. 2011).
dabei natürlich auch die Gewinne ausgeblieben (Groh-Kontio Die ersten Schrammen erhält das normative Entscheidungs-
2012). modell durch eine Beobachtung des Schweizer Mathematikers
Aus diesen Beobachtung wird man resümieren müssen: Daniel Bernoulli: Bernoulli machte darauf aufmerksam, dass der
Nachhaltiger und „ethisch korrekter“ Konsum können unter- subjektive Nutzen, den wir aus einer Sache ziehen, nicht linear
schiedliche Motive befriedigen, und darin liegt sicher auch die mit ihrem Wert ansteigt. Sie dürfen also erwarten, dass Ihr Wohl-
Stärke des Nachhaltigkeits-Trends. An vielen Stellen fehlt aber befinden durch Ihre erste Million stärker ansteigt als durch Ihre
auch ein Bewußtsein dafür, was bestimmte Konsumhandlungen zweite. Die Funktion, nach der sich Ihr Wohlbefinden mit stei-
für die Nachhaltigkeit bedeuten. Hier ist das Verhalten noch mit gendem objektiven Gewinn verändert, ähnelt dem Zusammen-
ganz anderen Motiven verknüpft, und es käme darauf an – ähn- hang von Reizempfinden als Funktion der objektiven Reizstärke,
lich wie in ▶ Abschn. 5.3 vorgeschlagen – in diesen Zusammen- das Sie aus dem Weber’schen Gesetz kennen (▶ Abschn. 2.1.1,
hängen das jeweils verantwortungsvollere Konsumverhalten mit insbesondere . Abb. 2.1). Mit dieser Beobachtung alleine war
den Motiven der Konsumenten zu verbinden. schon klar, dass bei menschlichen Entscheidungen keine ökono-
misch bestimmbaren, sondern subjektiv repräsentierte Größen
optimiert werden.
8.3 Präskriptive und deskriptive Als Folge davon wurde der subjektive Wert eines Gewinns
Entscheidungstheorien (bzw. Verlusts) nicht mehr als „Wert“, sondern als „Nutzen“ uti-
lity) bezeichnet. Die normative Entscheidungstheorie ist also
In den vorausgegangenen Ausführungen klang an, dass Entschei- schon aufgrund der Argumente von Bernoulli reformuliert wor-
dungen häufig und scheinbar sogar „eigentlich“ daran gemessen den: Die Entscheidungsgröße ist nicht mehr der erwartete Wert
und bewertet werden, welchen ökonomischen Nutzen sie den einer Option, sondern der subjektiv erwartete Nutzen. Entspre-
Entscheidern bringen. Konsumentscheidungen, bei denen der chend diesem Begriff spricht man von einem subjective expected
Kunde „draufzahlt“, erscheinen zumindest erstaunlich. Über utility- bzw. SEU-Modell (z. B. Jungermann et al. 2005; Betsch
Jahrhunderte – mindestens jedenfalls seit den Arbeiten des Phi- et al. 2011). Damit soll betont werden, dass bestimmte Besonder-
losophen Blaise Pascal (1623–1662) oder des Mathematikers heiten des menschlichen Entscheidens, nämlich die Nichtlineari-
Daniel Bernoulli (1700–1782) – war die Annahme, dass Ent- tät der subjektiv empfundenen Werte, im Modell berücksichtigt
scheidungen den Nutzen des Entscheiders maximieren sollen, wurden. Allerdings sollten noch etliche andere Besonderheiten
die Grundlage auch der theoretischen Beschäftigung mit Ent- folgen.
scheidungen (Betsch et al. 2011; siehe auch ▶ Exkurs 8.3).
Die Entscheidungsforschung hat – von den oben zitierten
historischen Referenzen ausgehend – Entscheidungen meist als 8.3.1 Präskriptive (und normative)
Ergebnis eines Kalküls verstanden. In dieses Kalkül fließen zwei Entscheidungsmodelle
Faktoren ein: zum einen der Wert einer Option und zum ande-
ren die Wahrscheinlichkeit, mit der dieser Wert realisiert wird. Dem Bild des rational denkenden Menschen sind auch die
Analog zu den in ▶ Abschn. 5.3.2 diskutierten Erwartungswert- Modelle der sogenannten präskriptiven Entscheidungstheorie
modellen der Motivation wird in den Modellen rationaler Ent- verpflichtet. Die präskriptive Entscheidungstheorie erklärt, „wie
scheidungen unterstellt, dass Personen hierbei den Wert mit der man sich verhalten bzw. welche Option man wählen sollte, wenn
Wahrscheinlichkeit gewichten. Das Ergebnis, das sie dabei erhal- man bestimmte Grundpostulate rationalen Denkens für richtig
ten, wird als Erwartungswert bezeichnet. Nach der normativen hält; sie liefert formalisierte Regeln und Verfahren zur Struk-
Entscheidungstheorie wird dann die Option mit dem größten turierung und Verarbeitung von Information und sieht ihre
Erwartungswert gewählt. Aufgabe darin, Menschen bei schwierigen Entscheidungen zu
Nach dieser Logik beweist zum Beispiel Pascal, dass es ra- unterstützen“ (Jungermann et al. 2005, S. 6; Hervorhebung GF).
tional ist, an Gott zu glauben. Er ging – für seine Zeit unge- Die oben zitierten „Grundpostulate rationalen Denkens“
wöhnlich – davon aus, dass weder die Existenz noch die Nicht­ bilden eine normative Entscheidungstheorie, die so gesehen die
existenz Gottes bewiesen werden kann. Damit muss man auch Grundlage der präskriptiven Entscheidungstheorie ist (Betsch
die Wahrscheinlichkeit einer ewigen Seligkeit und einer ewigen et al. 2011). Von Neumann und Morgenstern (1947) haben diese
Verdammnis nach dem Tod mit einem Wert veranschlagen, der Postulate als Axiome formuliert, und wie bei Axiomen üblich
größer ist als Null. Da nun aber der Wert der ewigen Seligkeit wird man beim ersten Hinsehen kaum einen Einwand finden,
wie auch der Schaden oder „Unwert“ der ewigen Verdammnis warum diese offensichtlichen Prinzipien nicht gelten sollten. Im
unendlich sind, wird in dem Kalkül ein unendlicher Wert mit Folgenden nur einige Beispiele: So besagt das Axiom der voll-
einem Wert größer Null multipliziert, was auch im Ergebnis zu ständigen Ordnung, dass man die Optionen bei einer Entschei-
unendlichen Werten führt. Diese unendlichen Erwartungswerte dung in eine Präferenzreihenfolge bringen kann. Dies bedeutet
164 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

unter anderem, dass man von jedem Objekt sagen kann, ob man weis wird als entscheidender Erkenntnisfortschritt gefeiert (z. B.
1 es lieber, genauso gern oder weniger gern wählen würde als ein Damásio 2000; Häusel 2005). In ▶ Abschn. 5.2 habe ich bereits
bestimmtes anderes und dass diese Urteile auf eine halbwegs sta- dargelegt, dass dieser Vorstellung ein sehr unscharfer, stellen-
2 bile Präferenzrangfolge hinauslaufen. weise etwas eigenwilliger Begriff von „Emotionen“ zu Grunde
Das Axiom der Unabhängigkeit besagt, dass die Präferenz- liegt. Es ist freilich nicht überflüssig, dem Einfluss von Emotio-
rangfolge nicht von Merkmalen beeinflusst wird, die alle Opti- nen bzw. – etwas allgemeiner – dem Einfluss von Affekten einen
3 onen gemeinsam haben. Prüfe ich beispielsweise verschiedene eigenen Abschnitt zu widmen:
Angebote für ein Auto, dann ändert sich die Rangfolge meiner
4 Präferenzen nicht, wenn ich erfahre, dass alle Angebote die glei-
che erweiterte Garantie auf Reparaturleistungen anbieten. 8.3.2 Affekte und Kognitionen
5 Das Axiom der Dominanz unterstellt, dass ich stets die do-
minante Option wähle: Wenn also B einen höheren Nutzen hat Das muss jetzt wirklich ganz schnell gehen! Entscheiden Sie:
als A, wird B auch A vorgezogen. Es kommt nach diesem Axiom Schokoladentorte oder Obstsalat? Für viele Menschen, vielleicht
6 also auch nicht vor, dass die Option mit dem geringeren Nutzen auch für Sie, ist die Schokoladentorte verlockender als der Obst-
gewählt wird. salat. In diesen Fällen bevorzugt der erste Impuls bei Ihrer Ent-
7 Das Axiom der Invarianz schließlich fordert, dass die Prä- scheidung die Kalorienbombe aus Schokolade. Andererseits ist
ferenz für die Optionen nicht davon abhängen soll, wie die Op- der Obstsalat wohl doch die gesündere Option, und wenn man
tionen dargestellt sind. So sollte es eigentlich egal sein, ob der ein wenig nachdenkt, tut man sich wohl den größeren Gefal-
8 Joghurt nun 4 % Fett enthält oder zu 96 % fettfrei ist und ob Sie len, wenn man die Vitamine wählt. Das wäre dann aber erst der
bei Barzahlung einen Rabatt erhalten oder bei Kartenzahlung zweite Impuls bei der Entscheidung. Hätten Sie wirklich „ganz
9 einen gleich hohen Aufpreis zahlen. schnell“ entschieden, dann hätte die Schokoladentorte gegenüber
Spätestens bei dem letzten Beispiel ahnen Sie sicher, dass sich dem Obstsalat deutlich bessere Chancen gehabt, als wenn Sie sich
10 die Axiome in der Realität nicht bewähren dürften. Tatsächlich bei der Entscheidung Zeit gelassen hätten.
gilt für alle hier genannten Axiome (insgesamt sind es übrigens Shiv und Fedorikhin (1999) untersuchten Entscheidungen,
sieben), dass Entscheider in realen Entscheidungen die Annah- bei denen die affektive Reaktion eine andere Option bevorzugt
11 men verletzen (z. B. Betsch et al. 2011). Beispiele hierfür finden als die kognitive. Die Autoren setzen voraus, dass ihre Probanden
sich in den folgenden Kapiteln an vielen Stellen. die Schokoladentorte auf der affektiven Ebene und den Obst-
12 Hier genügt es einstweilen festzustellen: Menschen verletzen salat auf der kognitiven Ebene positiver bewerten. Sie können
vielfach die Voraussetzungen normativer Modelle und realisieren zeigen, dass Personen dann eher den Schokoladenkuchen wäh-
dadurch nicht den größtmöglichen Nutzen für sich selbst, Sie len, wenn ihre kognitiven Ressourcen beschränkt sind, wenn sie
13 verletzen bei ihren Entscheidungen die Forderungen der Ratio- also sozusagen keine Möglichkeit zum Nachdenken haben. Bei

14
--
nalität, indem sie beispielsweise
gleichwertige Optionen nicht gleich behandeln,
vollen kognitiven Ressourcen dagegen bevorzugen Probanden
den Obstsalat.

15 -- verfügbare relevante Informationen nicht nutzen,


in die Entscheidung irrelevante Informationen einbeziehen,
Dieses Befundmuster wird plausibel, wenn man unter-
schiedliche Bewertungssysteme auf unterschiedlichen Ebenen

- gegen die Gesetze der Logik (z. B. Transitivität) verstoßen,


aus mehreren Möglichkeiten das Ergebnis mit dem geringe-
unterstellt. Das simplere Bewertungssystem reguliert Annähe-
rung und Vermeidung auf der Ebene kurzfristiger Folgen, etwa

-
16 ren Nutzen wählen, unmittelbare Bedrohung oder Genuss. Dieses System ist hoch
mit ihrer Entscheidung nicht zum gleichen Ergebnis kom- effizient und funktioniert auch unter starken Einschränkungen.
17
18
- men wie Außenstehende,
unter gleichen Umständen nicht zum gleichen Urteil kom-
men.
Das komplexere System bezieht längerfristige Folgen mit ein und
reguliert Annäherung und Vermeidung auch auf der Basis weiter
entfernt liegender Ziele oder übergeordneter Interessen. Dieses
System kommt nur zum Tragen, wenn auch die entsprechenden
Auch die nach dem normativen Modell geforderte Gewichtung kognitiven Ressourcen vorhanden sind.
19 von Einzelmerkmalen wird in der Regel nicht vollzogen (z. B. Üblicherweise werden beide Systeme auch gern mit dem
Bauer 2000; siehe auch ▶ Abschn. 20.4.1). Gegensatzpaar affektiv – kognitiv etikettiert, und da das einfa-
20 Zur Erklärung von solchen „Entscheidungsanomalien“ wird chere System nach dieser Logik affektiv ist, wird daraus auch ein
gerne das Bild vom „kognitiven Geizhals“ (cognitive miser; z. B. Vorrang affektiver Reaktionen gegenüber kognitiven abgeleitet
Fiske 1995) herangezogen: Wir neigen offenbar stark dazu, An- (z. B. Zajonc 1980). Diese Redeweise scheint insofern ungenau,
21 strengungen zu vermeiden, und diese Tendenz wirkt sich auch als ja auch das komplexe System eine Bewertung auf der „Po-
auf unsere kognitiven Tätigkeiten aus. Daher bevorzugen wir sitiv-negativ“-Dimension vornimmt und ebenso wie das sim-
22 einfache Faustregeln gegenüber strengen, aber aufwendigen Al- ple System Annäherung und Vermeidung reguliert. Shiv und
gorithmen. Fedorikhin (2002) ordnen daher auch dem komplexen System
Vielfach wird diskutiert, dass vor allem die Emotionen da- ein Zusammenspiel von Affekten und Kognitionen zu. (Übri-
23 für sorgen, dass unsere Entscheidungen nicht dem normativen gens behauptet genau das die Neuroforschung, nämlich dass
Modell folgen. Der emotionale Anteil an unseren Entscheidun- an jeder – auch der wohlüberlegten – Entscheidung affektive
gen wird gerade vom Neuromarketing gern betont, sein Nach- Bewertungen beteiligt sind.) Zudem sind die kognitiven Be-
8.3  •  Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien
165 8

wertungsdimensionen nicht „positiv“ und „negativ“, sondern Die scharfe Trennlinie, die Zajonc (1980) zwischen Af-
„wahr“ und „falsch“. Insofern ist das komplexere System nur in fekten und Kognitionen zieht, lädt zu einer Reihe von Miss-
dem Grade ein kognitives System, in dem es für die Bildung von verständnissen ein. So kann man angesichts dieser Trennung
Präferenzen Urteile verwendet, die ihrerseits wahr oder falsch leicht übersehen, dass Kognitionen durchaus in einem hohen
sein können. Grade automatisiert auftreten können. Beispiele hierzu sind
Der Gedanke eines Primats der Affekte gegenüber den Ko- etwa das Primingeffekte (z. B. ▶ Abschn. 4.5 oder ▶ Kap. 6), die
gnitionen wurde besonders prominent in Zajoncs einflussrei- automatische Aktivation von Stereotypen (siehe hierzu auch
cher Arbeit über „Affekt und Kognition“ (Zajonc 1980) formu- ▶ Abschn. 13.3), das Einsehen von unmittelbarer Evidenz, das
liert. Zajonc betont, dass unsere Vorlieben für eine Option oft Verstehen eines Arguments oder das Einsetzen einer Erinne-
schneller sind als die Gründe für solche Vorlieben. Wir haben rung. Auch das Eingangsbeispiel belegt nicht immer die höhere
uns manchmal schon entschieden, noch bevor wir überhaupt an Effizienz affektiver Entscheidungen: Scarabis et al. (2006) kön-
Vor- und Nachteile für eine Sache gedacht haben. nen anhand der Wahl zwischen Apfel und Schokoriegel nicht
Er führt das Beispiel einer Kollegin an, die sich entscheiden zeigen, dass die affektive Reaktion schneller wäre als die kog-
sollte, ihre Arbeitsstelle zu wechseln. Wie es sich für einen be- nitive. Ihre Probanden fällten mit Zeitdruck keine andere Ent-
sonnenen und rationalen Menschen gehört, habe die Kollegin scheidung als ohne – tendenziell zu Gunsten des Obstsalats. Die
sich vor ein großes Blatt Papier gesetzt, für jede der Optionen Autoren vermuten, dass auch hier die kognitiven Einflüsse, die
eine Spalte mit Vor- und eine mit Nachteilen vorbereitet und gegen die affektiv dominante Option sprechen (z. B. „Schoko-
wacker alles eingetragen, was sie für wichtig hielt. Nach einer lade ist schlecht für die Zähne“), ohne großen Aufwand und
ganzen Reihe von Eintragungen habe sie sich die Haare gerauft weitgehend automatisch wirksam werden, so dass das simple
und zu sich selbst gesagt: „Verdammt, es kommt nicht das Rich- wie auch das komplexe System dieselbe Wahl favorisieren. Kurz:
tige dabei heraus. Ich muß einen Weg finden, wie ich ein paar Man kann aus der hohen Effizienz einer bestimmten Form der
Vorteile auf die andere Seite bekomme …“ (Zajonc 1980, S. 155, Entscheidung nicht ableiten, dass diese effiziente Form affektiv
Fußnote 6). dominiert sei.
Dieses Beispiel illustriert vielleicht am besten, wie sich Za- Strack et al. (2006) unterscheiden bei der Handlungssteue-
jonc das Zusammenspiel von Affekten und rationalen Gründen rung zwischen einem reflektiven und einem impulsiven System:
vorstellt: Im Grunde hatte die Kollegin sich schon entschieden. Das reflektive System zeichnet sich aus durch Bewusstheit der
Es ging nur noch darum, der Entscheidung den passenden ko- Stimuli, abstrakte Beziehungen zwischen Begriffen, bewusste
gnitiven „Überbau“ zu verschaffen. Die Gründe, die sie später Verarbeitung und Elaboration. Das reflexive System ist sehr fle-
würde anführen können, wären wohl kaum diejenigen Gründe xibel und in der Lage, Verknüpfungen zwischen Symbolen und
gewesen, die sie letztlich zu ihrer Entscheidung gebracht haben. Stimuli zu ziehen. Daher kann es auch Repräsentationen inte-
Zajonc würde sagen: Rationale Gründe im Sinne einer rechneri- grieren, die eine längerfristige Perspektive voraussetzen. Aller-
schen Abwägung von Vor- und Nachteilen waren es nie gewesen. dings wird das reflektive System leicht durch parallel ablaufende
Es gab eine frühe affektive Reaktion auf die Optionen, in der sich mentale Prozesse gestört und beeinträchtigt.
die Sympathien eindeutig verteilt haben und die später durch Das impulsive System zeichnet sich durch das Gegenteil aus:
rationale Überlegungen nicht mehr überwunden werden konnte. Stimuli sind nicht bewusst, es berücksichtigt nur konkrete Be-
Es ist offensichtlich, dass unter Zeitdruck geringere kogni- ziehungen, ist eher schemagetrieben und verarbeitet die Stimuli
tive Beteiligung an einer Entscheidung erwartet werden muss. eher emotional. Vor allem ist es eher unflexibel und reagiert in
Allerdings kommt es bei der affektiv dominierten Wahl nicht so relativ gleichbleibender Weise. Affektiv löst das impulsive Sys-
sehr darauf an, dass sie quasi automatisch getroffen wird. Eine tem einfache, wenig komplexe Gefühle aus: Reaktionen auf die
affektive Dominanz lässt sich auch erzeugen, wenn Konsumenten physikalische Beschaffenheit der Umwelt (z. B. Gerüche, Farben),
auf ihre affektive im Unterschied zu ihrer kognitiven Reaktion Bewertungen, die sich auf gelernte Assoziationen beziehen, oder
auf das Produkt fokussieren. So wählten die Probanden von Shiv Gefühle der Vertrautheit. Komplexere Affekte sind setzen eher
und Fedorikhin (2002) auch dann die Schokoladentorte, wenn Tätigkeiten des reflexiven Systems voraus.
diese über eine längere Zeit sichtbar war und damit ihr gedank- Verhalten verstehen Strack et al. (2006) immer als ein Zu-
licher Fokus auf die affektiv überlegene Option gelenkt wurde. sammenspiel beider Systeme. Je nach Situation überwiegt aber
Scarabis et al. (2006) ließen ihre Probanden im Vorfeld zur Wahl der Anteil des einen oder anderen Systems am resultierenden
zwischen einem Apfel oder einem Schokoriegel entweder imagi- Verhalten:
nieren, wie sie den Geschmack des gewählten Essens genießen, Das reflektive System dominiert, wenn wichtige Entschei-
oder die Probanden sollten Gründe für Schokoriegel oder Apfel dungen anstehen oder wenn eine Person erwartet, dass sie ihre
aufschreiben. Der hierbei erzeugte Fokus auf die affektiv oder ko- Entscheidung rechtfertigen muss. Das impulsive System do-
gnitiv bedeutsamen Gründe für die jeweilige Option beeinflusste miniert zum Beispiel bei Verhaltensweisen, die durch starke
auch die Wahl. Somit scheint es keineswegs zwingend, ja viel- Gewohnheiten geprägt sind. Dies können bestimmte Schemata
leicht nicht einmal die Regel, dass sich affektive Komponenten sein, die ein Konsument ausgebildet hat, wie etwa der regelmä-
einer Entscheidung nur dann durchsetzen, wenn Kognitionen ßige Wochenendeinkauf. Wird das Schema aktiviert, erleichtert
eingedämmt und blockiert werden. Bei Scarabis et al. (2006) wa- dies alle damit verbundenen Verhaltensweisen, seien sie nun
ren die Kognitionen geradezu die Geburtshelfer für die affektiv gedanklich (Abruf der Einkaufsliste) oder motorisch (Griff ins
dominierte Entscheidung. Regal). Impulsive Elemente sind ebenfalls dominant, wenn
166 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

motivationale Orientierungen aktiviert sind. Schließlich steigt Qualitäten sich ändern. In Glücksspielen verspielen Menschen
1 der Anteil an impulsiven Einflüssen auf das Verhalten, wenn mit solchen Beeinträchtigungen Haus und Hof (z. B. Damásio
der Organismus dysreguliert und die Homöostase in Frage ge- 2004). Die Beteiligung emotionsrelevanter Zentren wie des OFC
2 stellt ist. Das ist der Fall, wenn bestimmte Defizite bestehen. am Entscheidungsprozess ist demnach eine wesentliche Beglei-
Durst beispielsweise beeinflusst die Bewertung von Wasser, ein terscheinung guter und richtiger Entscheidungen. So scheinen
längerer Verzicht aufs Rauchen beeinflusst die Bewertung von Prozesse im OFC über die unterschiedlichsten Entscheidungs-
3 Zigaretten (z. B. Brendl et al. 2003; Ferguson und Bargh 2004). optionen hinweg dafür zu sorgen, dass der Entscheider versteht,
Ein allgemein beeinträchtigtes Wohlbefinden, zum Beispiel was ihm letztlich nützt und gut für ihn ist (Cunningham et al.
4 eine negative Stimmung, macht Menschen erheblich anfälli- 2011; siehe auch ▶ Abschn. 5.2.3).
ger dagegen, ihre Stimmung durch impulsives Verhalten wie Dies weckt erst einmal Zweifel an der These, emotionale
5 Schokoladeessen zu heben (für einen Überblick vgl. Baumeis- Einflüsse seien dafür verantwortlich, dass menschliche Ent-
ter 2002). scheidungen nicht den Kriterien der Rationalität genügen.
Diese Beispiele deuten bereits darauf hin, dass das reflektive Zumindest in manchen Fällen scheint es vielmehr so, dass das
6 System geschwächt wird, wenn sich der Organismus in einem Fehlen emotionaler Einflüsse die Entscheidung zuallererst ir-
Defizit befindet. Reflektive Prozesse beanspruchen anscheinend rational macht.
7 deutlich mehr Ressourcen als impulsive (vgl. auch Vohs 2006). Nun ist es andererseits aber auch die Aktivation in den
Daher können auch verhaltensregulierende Prozesse durch wie- emotionsrelevanten Hirnregionen kein strenges Kriterium für
derholte Beanspruchung geschwächt bzw. ausgezehrt werden. das Vorliegen einer Emotion. Hirnaktivitäten sind allenfalls
8 Baumeister (2002) zeigt an einer Reihe von Untersuchungen, Teilkomponenten von Emotionen. Um dieses Problem etwas
dass Personen zu verstärktem impulsivem Verhalten neigen, zu entschärfen, habe ich in diesem Abschnitt auch stets von
9 wenn zuvor ihre Selbstkontrolle beansprucht wurde. Auch wenn Affekten bzw. affektiven Einflüssen gesprochen (denn Affekte
auf lange Sicht vielleicht ein Übungseffekt dank wiederholt aus- haben gegenüber den Begriffen Stimmungen oder Emotion
10 geübter Selbstkontrolle und letztlich ein antrainierter Automa- (▶ Abschn. 5.2) eine weniger spezifische Bedeutung; z. B. For-
tismus zu erhoffen sind, ist der kurzfristige Effekt bei der Bean- gas 1991). Allerdings kann man aus neurologischen Daten allein
spruchung des reflektiven Systems doch der einer Erschöpfung nicht auf Affekte schließen. Insofern ist es problematisch, wenn
11 und nachlassenden Wirksamkeit. Diese Beanspruchung kann im man auf Basis von hirnphysiologischen Befunden behaupten
Konsumbereich in einem anstrengenden Arbeitstag bestehen, wollte, Entscheidungen würden immer unter dem Einfluss von
12 an dessen Ende man eher geneigt ist, seine Stimmung mit ei- Emotionen gefällt.
nem schönen Einkauf zu heben. Aber auch Kaufentscheidungen Mit dem populären Begriff der „Bauchentscheidung“ (z. B.
verlangen von uns Selbstkontrolle, und so wirkt der Einkaufs- auch Gigerenzer 2008) wird oft reklamiert, dass eine Entschei-
13 prozess selbst auszehrend auf unsere Selbstkontrollressourcen. dung „gefühlsmäßig“ bzw. aus einem „Gefühl“ heraus getroffen
Nach einem anstrengenden Einkauf sollten wir daher besonders wurde. Allerdings sind bekanntlich viele Gefühle keine Emotio-
14 anfällig für ungeplante und außengesteuerte Kaufentscheidun- nen (z. B. Bauchschmerzen). Das Gefühl hinter einer „Bauchent-
gen sein (Baumeister 2002). Vohs und Faber (2007) zeigen, dass scheidung“ wird jedenfalls von vielen Forschern im Bereich intu-
15 in der Tat die Bereitschaft zu impulsiven Kaufentscheidungen itiver Entscheidungen nicht als Emotion beschrieben. Es ähnelt
steigt, wenn die Selbstkontrollressourcen durch Beanspruchung eher einer Überzeugung, „dass es jetzt richtig ist, X zu tun“ – nur
verbraucht sind. eben, dass man sich von dieser Überzeugung keine Rechenschaft
16 Die Unterscheidung von impulsiven und reflektiven Hand- geben und sie nicht begründen kann. In ▶ Abschn. 9.3 werde ich
lungstendenzen zeigt erneut, dass weniger die Dichotomie zwei unterschiedliche theoretische Konzepte für intuitive Ent-
17 zwischen affektiv und kognitiv, sondern eher die zwischen au- scheidungen vorstellen, die beide nicht unterstellen, unsere „Bau-
tomatisch und reflektiert für das Verständnis von Konsument- chentscheidung“ beruhten auf Emotionen.
scheidungen wichtig ist. Befunde wie der, dass Konsumenten Einer der einflussreichsten Versuche, die Abweichungen
18 unter Zeitdruck eher die Schokoladentorte und bei unbegrenz- menschlicher Entscheidungen von den normativen Vorgaben
ten kognitiven Ressourcen eher den Obstsalat wählen (Shiv und zu erklären ist die Prospect Theory von Kahneman und Tversky
19 Fedorikhin 1999), sind in das Modell von Strack et al. (2006) (1979). Auch diese Theorie unterstellt keinen korrumpierenden
leicht zu integrieren: Unter Zeitdruck ist der impulsive und Einfluss von Emotionen. Sie geht vielmehr davon aus, dass un-
20 ohne Zeitdruck der reflektive Einfluss größer. Affekte und Be- ser menschlicher Bauplan uns von vornherein dazu disponiert,
wertungen sind in beiden Entscheidungen beteiligt. Entschei- in bestimmten Punkten von der normativen Theorie abzuwei-
dend sind die Komplexität und zeitliche Ausrichtung dieser chen (Kahneman 2011, S. 8). Dies soll im Folgenden das Thema
21 Bewertungen. sein:
Auch die neurologische Forschung sieht Emotionen als einen
22 Bestandteil jeder Entscheidung – so betont sie etwa, dass bei Ent-
scheidungen eigentlich immer die „Emotionszentren“ beteiligt 8.3.3 Prospect Theory
sind. Besonders beeindruckend sind Befunde von Menschen, die
23 nach Läsionen im orbitofrontalen Kortex (OFC) nicht mehr in Sie haben soeben im Quiz 10.000 Euro gewonnen. Nun bie-
der Lage sind, den Belohnungswert von Entscheidungsoptionen tet Ihnen der Quizmaster ein Spiel an: Er wirft eine Münze,
richtig einzuschätzen – insbesondere dann nicht, wenn diese und wenn dabei „Zahl“ erscheint, verdoppelt er den Gewinn
8.3  •  Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien
167 8

auf 20.000 Euro. Wenn „Kopf “ erscheint, verlieren Sie Ihre subjektiver Wert
10.000 Euro. Würden Sie spielen? eines Gewinns (+)
Aus einem ökonomischen Blickwinkel sind diese beiden Op-
tionen gleichwertig, denn sie haben denselben Erwartungswert,
nämlich 10.000 Euro. Eigentlich müssten Sie bei dieser Entschei-
dung indifferent sein, und wenn man einer ganzen Reihe von
Personen diese Situation schildert, sollten sich diejenigen, die
spielen, und die, die nicht spielen, die Waage halten. Die meisten
tatsächlicher tatsächlicher
Menschen allerdings haben bei dieser Art von Wette Vorbehalte,
Verlust (€) Gewinn (€)
ignorieren die formale Gleichwertigkeit und bevorzugen den si-
cheren Gewinn gegenüber dem riskanten.
Betrachten Sie nun ein etwas anderes Szenario: Ihre subjektiver
10.000 Euro sind nicht etwa ein Gewinn, sondern Schulden, Referenzpunkt
die Sie bei Ihrem Onkel haben. Nun bietet Ihr Onkel Ihnen ein
ähnliches Spiel an: Bei „Zahl“ erlässt er Ihnen die Schulden, bei
„Kopf “ allerdings würde sich der Betrag auf 20.000 Euro ver- subjektiver Wert
doppeln (Beispiel nach Betsch et al. 2011). Auch hier sind die eines Verlustes (–)
Erwartungswerte wieder identisch, nur geht es um einen Verlust
.. Abb. 8.1  Wertfunktion der Prospect Theory. Subjektiver Nutzen oder
und nicht um einen Gewinn. Unter einer solchen Beschreibung
Schaden als Funktion objektiver Gewinne und Verluste. (Eigene Darstellung)
verändert sich die Risikobereitschaft bei Entscheidern grund-
legend: In einer berühmten analogen Aufgabe (dem Asian-Di-
sease-Szenario, Tversky und Kahneman 1981, s. u.) wählten, die runden. Tatsächlich beträgt der erwartete Gewinn bei B 50 Euro
Probanden im „Gewinn“-Fall nur zu 28 % die riskante Option, im und bei A 49,49 Euro (Beispiel nach Jungermann et al. 2005,
Verlustfall dagegen stieg die Risikobereitschaft auf 78 %. S. 221).
Wir beobachten hier gleich zwei psychologische Besonder- Offenbar werden bereits in der Editierungsphase Heuristiken
heiten, die sich aus der normativen Theorie des Entscheidens verwendet, die gegebenenfalls zu Entscheidungsanomalien füh-
nicht ergeben: Zum einen spielt es bei gleichen Erwartungswer- ren, wie etwa die Framing-Effekte. Unter Framing versteht man
ten offenbar eine große Rolle, ob eine Option sicher oder nur in der Prospect Theory die kognitive Codierung eines Ereignis-
wahrscheinlich ist. Zu Gunsten der Sicherheit vernachlässigen ses. Ein Framing-Effekt ist demnach ein Effekt einer bloß unter-
Menschen die möglichen Erträge und bevorzugen sogar Opti- schiedlichen Beschreibung desselben Sachverhalts. Berühmt ist
onen mit geringerem Erwartungswert, aber höherer Sicherheit. etwa das Beispiel der asiatischen Krankheit (Asian Disease, s. o.),
Zum anderen ist wichtig, ob eine Sache als Gewinn oder als an das ja auch das Eingangsbeispiel angelehnt ist: Sie können als
Vermeidung eines Verlusts dargestellt wird. Wie wir gesehen ha- Gesundheitsminister entscheiden, ob Sie eine neue Maßnahme
ben, werden wir risikofreudiger, wenn es darum geht, Verluste einführen, die nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zum
zu verhindern, während wir bei Gewinnen Risiken eher scheuen. Erfolg führt. Je nachdem, ob man die Alternative zu diesem Pro-
Die Prospect Theory von Daniel Kahneman und Amos Tver- gramm in Überlebens- oder in Todesraten darstellt, entscheiden
sky (1979) liefert ein Modell, in das diese und andere Besonder- Probanden eher risikofreudig oder risikoavers (Tversky und Kah-
heiten des menschlichen Entscheidens integriert sind. Sie löst neman 1981). Ebenso ist die formale Darstellung von Erträgen
eine ganze Reihe von Problemen, die man sich einhandelt, wenn anfällig für Framing-Effekte. Wenn etwa die Dividende für eine
man versucht, menschliche Entscheidungen nach den eigentlich Geldanlage mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit zwischen
extrem naheliegenden Regeln der normativen Entscheidungs- dem Betrag X1 und X2 liegt, dann bedeutet es für Anleger einen
theorie zu erklären. großen Unterschied, ob die Erträge mit der Wahrscheinlichkeit
Die Prospect Theory unterscheidet zwei Phasen einer Ent- p höher sein werden als X1 oder ob sie – was praktisch dasselbe
scheidung: die Editierung und die Evaluation. Die Theorie geht ist – mit der Wahrscheinlichkeit p niedriger sind als X2 (Kirchler
also ausdrücklich davon aus, dass die gedankliche Darstellung, et al. 2005).
die mentale Repräsentation der Entscheidungsoptionen, das Auf die Editierung folgt die Bewertung der Optionen, die
Ergebnis beeinflusst – das jedenfalls ist mit Editieren gemeint. Evaluation. Wie im SEU-Modell werden auch in der Prospect
In der Editierungsphase werden die Entscheidungsprobleme Theory Nutzen und subjektive Wahrscheinlichkeiten verrech-
vereinfacht, etwa indem Attribute, die alle Optionen teilen, aus net. Wieder geht es darum, die Optionen mit Werten und
der Entscheidungsaufgabe gestrichen werden – wie die norma- Wahrscheinlichkeiten zu versehen, um daraus Erwartungswerte
tive Theorie ja schon in dem Axiom der Unabhängigkeit fordert. zu bilden. In diesem Punkt weicht die Theorie also nicht von
Andere Vereinfachungen widersprechen dagegen möglicher- den traditionellen Vorstellungen der normativen Theorie ab.
weise den normativen Forderungen. So editieren Menschen Die Besonderheiten der Prospect Theory liegen in den Annah-
die Wahl zwischen den beiden Lotterien A („Gewinne 101 Euro men, wie die objektiven Größen „Wert“ und „Wahrscheinlich-
mit einer Wahrscheinlichkeit von p = .49“) und B („Gewinne keit“ subjektiv repräsentiert sind. Dies zeigt sich an den beiden
100 Euro mit p = .5“) so, als wären beide Optionen gleich. Dies zentralen Funktionen, der Wert- und der Gewichtungsfunktion.
geschieht, weil sie p = .49 auf p = .5 und 101 Euro auf 100 Euro Die Wertfunktion (. Abb. 8.1) drückt aus, wie sich die Freude
168 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

und vorherzusagen. Bei diesen Entscheidungen sind sowohl die


1 1,0
Menge der Optionen und deren Attribute wie auch die jeweiligen
Wahrscheinlichkeiten bekannt. Dies sind eigentlich sehr beson-
gewichtete (empfundene)
Wahrscheinlichkeit w (p)

0,8
2 dere Entscheidungssituationen, denen viele alltägliche Entschei-
0,6 dungen nicht entsprechen. Gleichwohl hat dieses Paradigma die
Entscheidungsforschung über viele Jahre dominiert (Betsch et al.
3 0,4 2011). Relativ gut passen Entscheidungen im Finanzmarkt in das
Schema des Glücksspielparadigmas. Auch viele Anwendungen
4 0,2 der Prospect Theory beziehen sich auf Situationen an Finanz-
markt und Börse.
w+(Gewinne)
5 0
w–(Verluste)
Wenn Anleger ihre Wertpapiere veräußern, dann haben sie
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 mit dem Verkauf von Papieren, deren Werte gegenüber dem
Ankaufspreis gefallen sind, im Durchschnitt 124 Tage gewartet,
6 objektive Wahrscheinlichkeit p
während sie steigende Papiere nach durchschnittlich 104 Tagen
.. Abb. 8.2  Gewichtungsfunktion der Prospect Theory. Die durchgezogene
verkaufen (Odean 1998). Dieser Unterschied ist schon deshalb
Linie zeigt die subjektive Wahrscheinlichkeit als Funktion der objektiven.
7 (Eigene Darstellung) bemerkenswert, weil eigentlich für die Frage, ob man verkaufen
sollte, nur die zukünftige Entwicklung des Papiers bedeutsam ist,
über Gewinne und der Schmerz über Verluste (auf der Ordinate nicht aber sein Ankaufspreis. Wenn man zusätzlich berücksich-
8 abgetragen) zur objektiven Größe der Gewinne und Verluste ver- tigt, dass Verluste aus Wertpapiergeschäften steuerlich geltend
halten (auf der Abszisse abgebildet). Die Gewichtungsfunktion gemacht werden können, ergibt sich durch die Orientierung am
9 zeigt die subjektiv erlebten Wahrscheinlichkeiten als Funktion Ausgangspreis ein erheblicher Verlust: In der Regel würden die
der objektiven (. Abb. 8.2). Anleger deutlich höhere Gewinne erzielen, wenn sie steigende
10 In der Wertfunktion kommen die drei Kernannahmen der Papiere länger halten und fallende früher veräußern (Odean
Prospect Theory zum Ausdruck: 1998).
1. Der subjektive Nutzen oder Schaden steigt nicht linear mit Die Prospect Theory erklärt diese Anomalie mit zwei ihrer
11 zunehmenden Gewinnen oder Verlusten an. Vielmehr stei- Grundannahmen: Zum einen urteilen Menschen nicht absolut,
gert die zweite Million unsere Freude nicht mehr so stark sondern von einem Referenzpunkt aus. Dieser Punkt ist für Ak-
12 wie die erste Million, und der Verlust der ersten 10.000 Euro tienbesitzer meist der Ankaufspreis; für Außenstehende, die noch
erhöht unseren Schmerz stärker als der Verlust der zweiten keine Aktien haben, gelten andere Referenzpunkte. In Relation
10.000 Euro. Um dies auszudrücken, verläuft die Kurve im zu solchen Punkten betrachten Menschen Veränderungen, die
13 Gewinnbereich konkav (nach innen gewölbt) und im Ver- sie als Gewinne oder Verluste erleben können.
lustbereich konvex (nach außen gewölbt). Hierauf bezieht sich die zweite Grundannahme: Verluste
14 2. Verluste schmerzen uns mehr, als uns gleichwertige Gewinne und Gewinne werden ungleich erlebt. Verluste wiegen subjektiv
freuen. Daher wird der Funktionsverlauf asymmetrisch ge- schwerer als gleich große Gewinne. Dieses Phänomen der Ver-
15 spiegelt: Die Kurve steigt im Gewinnbereich weniger steil an, lustaversion ist eine der wichtigsten und vielleicht auch bestdo-
als sie im Verlustbereich fällt. kumentierten Größen des wirtschaftlichen Handelns. Menschen
3. Gewinne und Verluste werden an einem subjektiven Refe- sind stärker motiviert, einen Verlust zu vermeiden als einen
16 renzpunkt festgemacht, der je nach Person, Situation und gleich großen und gleich wahrscheinlichen Gewinn herbeizu-
Deutung ein anderer sein kann. Daher ist der „Nullpunkt“ führen (ausführlicher hierzu ▶ Abschn. 9.3.2). Dieser Gedanke
17 des Diagramms nicht weiter definiert. gilt weit über die Prospect Theory hinaus. Die Verlustaversion
lässt Menschen vor Risiken zurückschrecken und lieber den Sta-
Die Gewichtungsfunktion der Prospect Theory modelliert wei- tus quo beibehalten, auch wenn dies ökonomisch gesehen nicht
18 tere Urteilsanomalien bei Entscheidern, nämlich den verzerr- sinnvoll ist (vgl. auch Florack und Zoabi 2003).
ten Umgang mit Wahrscheinlichkeiten. Menschen überschät- Auf das Beispiel des Aktienkaufs angewendet, stellt sich
19 zen offenbar geringe Wahrscheinlichkeiten und unterschätzen auf Basis der beiden Grundannahmen die Frage, welchen Re-
hohe. Auch dies hat zum Beispiel zur Folge, dass Menschen in ferenzpunkt ein Entscheider hat. Für den Besitzer einer Aktie
20 Lotterien mit sehr geringen Gewinnchancen investieren – und ist wie gesagt der Ankaufspreis ein naheliegender, wenngleich
gegebenenfalls auch unsinnige Versicherungen gegen extrem un- nicht zwingender Ankerpunkt. Von diesem Punkt aus gesehen ist
wahrscheinliche Schadensfälle abschließen. dann in der Tat jede Abweichung nach unten ein Verlust, den der
21 Die Funktionen sind in . Abb. 8.1 und 8.2 sehr schematisch Anleger zu vermeiden sucht, indem er die Aktie weiterhin behält.
dargestellt und sollen nur die Grundgedanken illustrieren. Zur Auch unser Eingangsbeispiel – das ja ganz offenbar ins
22 Gewichtungsfunktion existieren deutlich besser ausgearbeitete Glücksspielparadigma passt – kann man mit Hilfe der Prospect
Modelle, in denen unter anderem unterschiedliche Verläufe für Theory erklären: Wenn es darum geht, durch den Münzwurf den
Gewinne und Verluste beschrieben werden (Tversky und Kah- Gewinn im Quiz zu verdoppeln, befindet sich der Entscheider
23 neman 1992). gedanklich im oberen rechten Quadranten der Wertfunktion,
Die Prospect Theory eignet sich besonders gut, um Ent- also im Gewinnbereich. Wenn man sich vom Referenzpunkt
scheidungen im sogenannten Glücksspielparadigma zu erklären um den Betrag 10.000 Euro nach rechts auf der Abszisse bewegt,
8.3  •  Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien
169 8

Exkurs 8.4  Die Prospect Theory in Verhandlungen  |       | 


Stellen wir uns vor, Sie wollen um eine Die Prospect Theory behauptet nun, dass nicht verhandelt, macht weniger Zugeständnisse
Gehaltserhöhung verhandeln. Die Erträge von vornherein feststeht, welcher von diesen und kommt seltener zu einer Einigung als
aus dieser Verhandlung können Sie an einer Bezugspunkten für Sie maßgeblich ist. Sie kön- derjenige, der sich einen Gewinnrahmen setzt
ganzen Reihe unterschiedlicher Bezugspunkte nen sie sich gewissermaßen aussuchen. Und (Neale und Bazerman 1985). Das hat zum
messen: jeder Bezugspunkt, den Sie fokussieren, verän- einen zur Folge, dass Verhandler aus dem
a) an Ihrem aktuellen Einkommen, dert Ihre Wahrnehmung in charakteristischer Verlustrahmen heraus im Falle einer Einigung
b) am ersten Angebot der Firma, Weise. Von 1 bis 5 wandern Sie nämlich immer höhere Erträge erzielen. Zum anderen
c) an dem geringsten Angebot, das Sie weiter von einem Gewinn- in einen Verlustrah- allerdings gehen Verhandler mit negativem
gerade noch akzeptieren würden, men. Stellen wir uns vor, Sie verdienen zurzeit Frame nun einmal mehr Risiken ein (wie der
d) an dem Betrag, den Sie als das größte 15 Euro/Stunde und haben 19 Euro/Stunde Verlustrahmen Entscheider ja immer tendenzi-
realistische Ergebnis ansehen, gefordert. Ein Zuwachs von 2 Euro/Stunde ist ell mehr risikoaffin als risikoavers stimmt), und
e) an Ihrem Wunschergebnis bzw. an Ihrem aus Perspektive 1 ein Gewinn von 2 Euro, aus das bedeutet, dass ihre Verhandlungen auch
eigenen ersten Gebot (was sinnvoller- Perspektive 5 aber ein Verlust von 2 Euro. häufiger ergebnislos bleiben, also scheitern
weise identisch sein sollte). Diese Wahrnehmung hat praktische Kon- (Bazerman et al. 1985).
sequenzen. Wer mit einem Verlustrahmen

ergibt sich daraus ein bestimmter Wert für den subjektiven Nut- der Steuererklärung nicht ganz ehrlich zu sein – der sicherlich
zen. Wenn man den Abstand vom Referenzpunkt nun verdop- nicht Sie, aber manche andere auch nachweislich erliegen. Auch
pelt, also auf einen Gewinn von 20.000 Euro erhöht, verdop- aus diesem Grund ist es– aus Sicht der Finanzämter – klug, eher
pelt sich der subjektive Nutzen keineswegs, er steigt nur noch zurückzuzahlen als nachzufordern (z. B. Kirchler 2005). ▶ Ex-
verhältnismäßig schwach an. Dies erklärt, warum Menschen kurs 8.4 zeigt die Bedeutung von „Gain-“ und „Loss-Frame“ in
nicht bereit sind, hohe Risiken auf sich zu nehmen, um ihre Verhandlungen.
Gewinne zu steigern. Im Schulden-Beispiel dagegen befindet Die Kernannahmen der Prospect Theory gehören sicherlich
sich der Entscheider im unteren linken Quadranten. Mit dem zu den wichtigsten Grundkenntnissen, die man braucht, um
Münzwurf will er also keinen Gewinn herbeiführen, sondern ökonomisches Verhalten zu verstehen. Es zählt zu den großen
einen Verlust vermeiden. Auch hier kann es vorkommen, dass Verdiensten der Theorie, dass sie in der Lage ist, eine ganze Reihe
sich der Euro-Betrag verdoppelt – was im Falle von Schulden von Widersprüchlichkeiten aufzulösen, die sich aus normativen
natürlich einen negativen Nutzen hätte. Allerdings steigt der Entscheidungstheorien ergeben.
negative Nutzen, die „Schmerzen“ wegen der Schulden, nicht in Gleichzeitig bleibt die Prospect Theory aber auch dem
demselben Ausmaß an, wie die Schulden steigen – je höher die Grundgedanken ökonomischer Nutzentheorien treu: Auch ihr
Beträge werden, desto weniger erhöhen neu hinzukommende liegt letztlich das gleiche Rationalitätskonzept zu Grunde, das
Schulden den Schmerz. Dies erklärt, warum Entscheider eher in der Ökonomie ohnehin vorherrscht, nämlich die Vorstellun-
ein Risiko eingehen, wenn es darum geht, Verluste oder gene- gen, dass Entscheidungen das Produkt aus subjektiver Erwartung
rell negative Ereignisse zu verhindern: Wenn es schiefgeht und und subjektivem Nutzen optimieren sollen. Dies ist sicherlich
sich die Verluste vergrößern, tut das verhältnismäßig gar nicht insofern ein Vorteil, als dass dadurch die Theorie relativ leicht in
so sehr weh. gängige ökonomische Vorstellungen vom menschlichen Verhal-
Dass Menschen risikobereiter sind, wenn es um die Vermei- ten integriert werden kann.
dung von Verlusten geht, wissen auch unsere Steuerbehörden. Die Annahme einer nicht linear verlaufenden Nutzenfunk-
Zumindest spiegelt sich diese Erkenntnis in der Praxis, lieber tion ist zudem für Ökonomen wie Psychologen plausibel. Das
zu viel gezahlte Steuern zurückzuzahlen als zu wenig gezahlte dazugehörige Modell entspricht für die einen der bekannten
Steuern nachzufordern. Aus Sicht der Steuerzahler wird die zu- Grenznutzenfunktion, für die anderen der Funktion für Reiz-
rückerhaltene Steuer oft wie ein Gewinn und die nachgeforderte sensibilitäten nach dem Weber’schen Gesetz (▶ Abschn. 2.1.1).
Steuer wie ein Verlust erlebt. Dies ist ökonomisch natürlich ei- Die Orientierung an den ökonomischen Entscheidungs-
gentlich unsinnig, denn wo Sie Steuern nachzahlen, profitieren modellen bringt gleichzeitig Beschränkungen mit sich: Wie die
Sie ja sozusagen von einem zinslosen Kredit des Finanzamts, und meisten dieser Modelle gilt auch die Prospect Theory nur für
umgekehrt haben Sie Ihrerseits dem Finanzamt gratis Ihr Geld wohlstrukturierte Entscheidungssituationen, in denen die Menge
geliehen, wenn Sie Steuern zurückerhalten. So können Sie diese der Alternativen und alle Konsequenzen bekannt sind. Es wird in
Situation eben auch deuten, aber dass Sie es oft genau umgekehrt diesen Entscheidungsmodellen weder danach gefragt, wie Men-
sehen, unterstreicht noch einmal die Beliebigkeit Ihres subjekti- schen überhaupt zu den Alternativen kommen, noch danach,
ven Referenzpunkts. Wenn Sie nun Ihre Steuererklärung in der wie sie die Vielzahl von Informationen bewältigen, die oft bereits
Erwartung abfassen, eine Rückzahlung zu erhalten, befinden Sie kleine Entscheidungen mit sich bringen (vgl. auch Betsch et al.
sich mental im gain frame (Gewinnrahmen), Sie erwarten quasi 2011).
einen Gewinn. Wenn Sie dagegen befürchten, dass aufgrund Ih- Wenn Sie sich für einen Urlaub entscheiden, beginnt der Ent-
rer Erklärung das Finanzamt Nachforderungen stellen wird, be- scheidungsprozess ja nicht damit, dass alle Urlaubsziele mit allen
finden Sie sich im loss frame (Verlustrahmen). Und da Menschen Eigenschaften bereits vor Ihnen liegen. Wo Sie die Alternativen
stärker motiviert sind, einen Verlust zu vermeiden, als einen Ge- hernehmen, ob von den Empfehlungen Ihrer Freunde, den Pro-
winn herbeizuführen, ist hier auch die Versuchung größer, bei spekten aus dem Reisebüro oder Ihren Erfahrungen aus der Ver-
170 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

gangenheit, spielt für Ihre Entscheidung eine ebenso große Rolle schen mit ihren Entscheidungen tatsächlich den größtmöglichen
1 wie die Frage, wann Sie aufhören, nach weiteren Alternativen zu Nutzen anstreben (▶ Exkurs 8.3).
suchen, oder ob Sie bestimmte Optionen bereits ausschließen, Simon (1955) hält dagegen, dass Menschen mit ihren Ent-
2 noch bevor Sie andere gesehen haben. All diese Fragen sind im scheidungen zufriedenstellende Konsequenzen anstreben.
Entscheidungsmodell, für das die Prospect Theory steht, nicht Hierzu verwenden sie die Satisficing-Regel (Simon 1955): Man
darstellbar. vergleicht die Optionen mit bestimmten Kriteriumswerten bzw.
3 Auch die unterstellte S-Form der Wertfunktion gilt vermut- Anspruchsniveaus. Die erste Option, die alle diese Kriterien er-
lich nicht für alle Arten von Konsequenzen. Zumindest aus der füllt, wird gewählt. Man kann durch dieses Vorgehen bessere
4 Wahrnehmungspsychologie weiß man, dass für bestimmte Reiz- Optionen übersehen – aber man gelangt mit wenig Aufwand zu
modalitäten die Sensibilität mit höheren Reizstärken nicht etwa einer Entscheidung, die die eigenen Bedürfnisse befriedigt.
5 ab-, sondern zunimmt. So steigt die Aversivität von Stromstößen Die Satisficing-Regel ist im Grunde nur eine von sehr vielen
exponentiell mit der Stärke an (Stevens 1957). Dies kann für be- möglichen Entscheidungsstrategien. Simon (1955) geht davon
stimmte Formen von Gewinnen und Verlusten ebenfalls gelten aus, dass sie sich evolutionär herausgebildet hat, dass sie also in
6 (Coombs und Avrunin 1977). gewissem Sinne einen Anpassungsvorteil verbürgt (und insofern
also keineswegs „irrational“ ist). Das lässt sich leicht bestätigen:
7 Abgesehen davon, dass vielleicht wirklich mehr Entscheidungen
8.3.4 Der Fokus auf der Informationssuche nach einem Satisficing-Prinzip getroffen werden – im Vergleich
zur Nutzenmaximierung –, zeigt sich zudem, dass Menschen, die
8 Die Idee der Nutzenmaximierung wird, wie oben bereits erläu- einer solchen Regel folgen, zufriedener, glücklicher und weniger
tert, mit der Prospect Theory nicht in Frage gestellt. Entscheider depressiv sind als Menschen, die tatsächlich versuchen, mit ihren
9 maximieren ihren Nutzen dadurch, dass sie alle relevanten Opti- Entscheidungen immer das Bestmögliche zu treffen (Schwartz
onen mit all ihren relevanten Attributen bewerten – mit charak- et al. 2002).
10 teristischer Verzerrung zwar, aber immer noch nutzenmaximie- Die Satisficing-Regel zeigt noch einen anderen wichtigen As-
rend. Entscheidungssituationen, die so funktionieren, machen pekt tatsächlicher Entscheidungen: In den meisten Fällen hängt
eine Reihe von unrealistischen Voraussetzungen: das Ergebnis unserer Entscheidung mindestens zum Teil auch
11 Alle möglichen Optionen und deren Konsequenzen müssen davon ab, welche Option uns wann begegnet. Stellen Sie sich vor,
bekannt sein. Der Entscheider muss jede Konsequenz eindeutig Sie sind auf Wohnungssuche. Sie haben konkrete Vorstellungen
12 hinsichtlich deren Nutzen und deren subjektiver Eintrittswahr- von Größe, Preis und ungefährer Lage der Wohnung. Sie organi-
scheinlichkeit bewerten können. Als Voraussetzung dafür müs- sieren sich einen Besichtigungstag, an dem Sie zwölf Wohnungen
sen eine Nutzenfunktion und eine subjektive Wahrscheinlich- anschauen. Drei davon erfüllen Ihre Anforderungen. Als echter
13 keitsfunktion existieren, die über den Verlauf der Entscheidung Satisficer müssten Sie die erste dieser drei nehmen – die restli-
konstant bleiben. Der Entscheider muss in der Lage sein, die kog- chen Besichtigungstermine könnten Sie dann absagen, und den
14 nitiven Operationen durchzuführen, die das Werterwartungskal- Rest des Tages hätten Sie frei. Allerdings würde Ihre Wahl eben
kül verlangt, vor allem die Integration der Informationen. nicht nur – wie bei einer nutzenmaximierenden Strategie – von
15 Nur übermenschliche Wesen sind zu dieser Art der Entschei- den Merkmalen der Wohnung abhängen, sondern eben auch da-
dung in der Lage, daher bezeichnet Simon (1955) dieses Opti- von, welche Ihnen zuerst begegnet ist.
mierungsprinzip als olympisches Modell. Eines der größten Pro- Wie man an diesem Beispiel sieht, liegt bei Strategien wie der
16 bleme der Nutzentheorien betrifft die Frage, wie die Entscheider Satisficing-Regel der Fokus eben nicht allein auf den Merkma-
überhaupt zu den Optionen kommen und nach welchen Krite- len der Optionen, sondern mindestens genauso stark auf dem
17 rien das Prüfen von Alternativen beendet werden soll. Nach dem Prozess der Informationssuche (Betsch et al. 2011). Was gewählt
SEU-Modell kann man eigentlich suchen und prüfen, bis man wird, hängt mindestens so stark davon ab, wie man sucht, wie da-
schwarz wird, weil ja eine Entscheidung, die nicht alle relevanten von, wie man die Optionen und deren Konsequenzen bewertet.
18 Informationen berücksichtigt, auch nicht rational ist. Die folgende Forschung beschäftigte sich mit der Frage, welche
Gigerenzer und Goldstein (1999) haben mit ihren Forschun- Entscheidungsregeln – außer der Satisficing-Regel – Menschen
19 gen diesen Rationalitätsbegriff herausgefordert und in Frage ge- noch anwenden.
stellt. Sie sehen als ein wesentliches Element traditioneller Rati-
20 onalitätsvorstellungen folgende zwei Forderungen (S. 83):
8.3.5 Eine Auswahl an Entscheidungsregeln
1. „Complete search: Thou shalt find all the information availa-
ble.“
21 2. „Compensation: Thou shalt combine all pieces of information. Die Forschung zu unterschiedlichen Entscheidungsstrategien
Thou shalt not rely on just one piece.“ war sehr erfolgreich – „leider“ muss man sagen, denn tatsäch-
22 lich findet sich ein regelrechter Wildwuchs von unterschiedlichen
Das Scheitern der normativen Theorien bei der Erklärung und Strategien, die auch mitunter ganz schicke Namen tragen, die
Vorhersage echter Entscheidungen geht sicher zum Teil darauf aber kaum zu überschauen sind. Aus diesem Grund kann hier
23 zurück, dass sie diesen unangemessenen Rationalitätsbegriff zu nur eine kleine Auswahl vorgestellt werden. Freilich gibt es einige
Grunde legen. Vielleicht ist aber auch eine andere Grundvoraus- Ordnungsgesichtspunkte, die den Überblick immerhin ein wenig
setzung der normativen Theorie falsch, nämlich die, dass Men- erleichtern.
8.3  •  Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien
171 8

So kann man Entscheidungen zunächst danach unterteilen, Es gibt eine Reihe von Belegen, dass die mit der MAU-Re-
ob die Eigenschaften der Optionen überhaupt eine Rolle spielen gel berechneten Entscheidungen relativ gut mit tatsächlichen
oder nicht. Wenn ich per Münzwurf entscheide oder unbesehen korrelieren (Jungermann et al. 2005). Dies ist allerdings kein
das nehme, was ein Experte empfiehlt, hängt meine Entschei- Beleg dafür, dass die kognitiven Prozesse bei Entscheidungen
dung offensichtlich nicht von den Merkmalen der Optionen ab. tatsächlich nach dieser Regel ablaufen. Zudem hat die MAU-Re-
Eine solche Entscheidung würde man eine „nichtanalytische“ gel, wie andere Modelle in diesem Abschnitt auch, die Voraus-
Strategie nennen – im Unterschied zur analytischen, bei denen setzung, dass alle notwendigen Informationen auch tatsächlich
die Attribute selbst die entscheidenden Informationen liefern. vorliegen.
Weitere Beispiele für nichtanalytische Strategien (und ihre „schi- Eine Variante zur MAU-Regel oder zur weighted additive rule

-
cken“ Namen; Betsch et al. 2011):
Wir wählen, was wir schon früher gewählt haben (habitual
wäre die equal weight rule (Betsch et al. 2011). Auch dieses Ver-
fahren ist kompensatorisch angelegt; allerdings entfällt bei dieser

- heuristic, repeat prior choice rule).


Wir fällen Kaufentscheidungen auf Grundlage einer positi-
ven Einstellung zur Marke (affect referral, attitude heuri-
Strategie die Gewichtung, alle Attribute gehen mit demselben
Gewicht in die Entscheidung ein.
Eine Alternative zu dem Entscheidungsverfahren nach Fish-

- stic).
Wir kopieren die Entscheidungen anderer; wir folgen einer
Konvention oder Norm (compliance with convention; be-
sonders sinnvoll, wenn man keinerlei Erfahrungen mit der
bein ist das sogenannte Idealabstandsmodell (Kotler und Bliemel
1995, S. 324). Danach hat der Konsument bestimmte Idealvor-
stellungen von einem Produkt. Für jedes einzelne Produktmerk-
mal kann er angeben, was für ihn die optimale Ausprägung wäre
Situation hat, z. B. in einer fremden Kultur). Diese Strategie und wie wichtig ihm dieses Merkmal ist. Die Grundlage für ein
ähnelt auch der Konsensheuristik (▶ Abschn. 10.1.4): Man solches Ideal könnte auch ein Konkurrenzprodukt sein. Diese
macht das, worin mehrere andere (meist die Mehrheit) Vorstellung gilt als der Standard, an dem das gesuchte Produkt
übereinstimmen. gemessen wird (O’Shaughnessy 1987, S. 43). Das zu wählende
Produkt ist jenes, das den geringsten Abstand zum Ideal aufweist.
Normalerweise werden aber analytische Entscheidungen inten- Man ist bei einer Entscheidung durchaus nicht immer bereit,
siver erforscht. Hier fließen die Eigenschaften, also die Attribute Kompromisse einzugehen. Wenn sich etwa ein Kandidat um die
der Optionen, sehr wohl in die Entscheidung ein – die Frage ist Stelle eines Piloten bewirbt, dann wird er mangelnde Sehschärfe
eben nur, wie. Eine Unterscheidungsdimension zwischen zwei nicht durch andere Vorzüge ausgleichen können. In solchen
Grundausrichtungen betrifft die Frage, ob Nachteile einer Op- Fällen werden für die nichtkompensatorische Entscheidung be-
tion durch Vorteile aufgewogen werden können. Wenn das geht, stimmte (Schwellen-)Werte festgelegt, die mindestens gegeben
spricht man von einer kompensatorischen Entscheidungsregel. sein müssen, damit man sich für die Option entscheidet.
Bringe ich alle meine Wünsche in eine Hierarchie (oder Ich könnte mir beim Hemdenkauf vornehmen: „Ich nehme
würde ich allen meinen Wünschen eine Zahl für „Wichtigkeit“ das Hemd nur, wenn es rot ist und auch Schurwolle enthält.“
zuordnen), könnte man für jedes mögliche Sortiment von An- Für die beiden Merkmale Material und Farbe habe ich somit be-
geboten errechnen, mit welcher Wahl die meisten von meinen stimmte Werte festgelegt, von denen ich nicht abweichen will.
Wünschen verwirklicht würde. Dieses Entscheidungsverfahren Diese beiden Werte müssen überdies gleichzeitig vorliegen.
wird als Fishbein-Modell bezeichnet (benannt nach einem seiner Deshalb nennt man ein solches Verfahren konjunktives Modell
Entwickler, Martin Fishbein, siehe Fishbein und Ajzen 1975; eine (z. B. Kotler und Bliemel 1995, S. 325). Allgemein gesagt: Nach
Weiterentwicklung dieses Modells stelle ich in ▶ Abschn. 13.2.4 einem konjunktiven Modell wird eine Entscheidung nur getrof-
vor). Rational zu wählen, bedeutet in diesem Beispiel, dass ich fen, wenn alle Merkmale, die der Konsument spezifiziert hat, die
möglichst wenig Kompromisse machen muß. gewünschten Werte besitzen.
Ein entsprechendes Verfahren diskutieren Jungermann et al. Stellen wir uns demgegenüber folgende Entscheidungsstrate-
(2005, S. 123 ff) als die MAU-Regel (das additive multiattribu- gie vor: „Das Hemd muss entweder Schurwolle enthalten, oder
tive Nutzenmodell, MAU = multi-attribute utility). Danach wird es darf nicht mehr als 28 Euro kosten.“ In diesem Fall werden
der Gesamtnutzen einer Entscheidung als lineare Funktion der ebenfalls für zwei Merkmale Werte angegeben. Aber es genügt
Wichtigkeit und des Partialnutzens einzelner Attribute beschrie- offenbar, wenn einer dieser beiden Werte vorliegt. Daher spricht
ben. Ein ganz ähnliches Verfahren wie die MAU-Regel diskutie- man von dieser Strategie als einem disjunktiven Modell. Wir kön-
ren Betsch et al. (2011) unter der Bezeichnung weighted additive nen disjunktive und kunjunktive mit kompensatorischen Mo-
rule. Tatsächlich setzt dieses Verfahren ja am ehesten die Forde- dellen verbinden, indem wir verschiedene Merkmalsgruppen
rungen der normativen Theorie bzw. des SEU-Modells um. bilden: Eine Gruppe sind Merkmale, deren Fehlen den Kauf ins-
Nach der MAU-Regel könnte man eine Produktentscheidung gesamt ausschließt (rejection inducing dimension), eine zweite
anhand einer Bewertungstabelle der Stiftung Warentest vorneh- Gruppe sind die Merkmale, die zur Not auch durch andere
men: Die Nutzenwerte sind vorgegeben, das sind die Testergeb- aufgewogen werden können (trade-off dimension); eine letzte
nisse. Auch die Wichtigkeit ist gegeben, denn jeder Komplex von Gruppe sind schließlich die Merkmale, die einen Vorteil darstel-
Einzelattributen geht mit einem bestimmten, explizit angegebe- len, ohne unverzichtbar zu sein (relative preference dimension;
nen Gewicht in die Gesamtbewertung ein. Freilich können die Bettman 1979).
Konsumenten ihre eigenen Gewichte vergeben – und damit auch Eine bedeutende andere Kategorie von Strategien bilden die
einen individuellen Gesamtnutzen bestimmen. sogenannten lexikographischen Modelle (z. B. Payne et al. 1993).
172 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

Diese Strategien funktionieren ebenfalls nicht kompensatorisch. tegie wird als Take the Best bezeichnet (Gigerenzer und Goldstein
1 Zudem sind sie sehr ökonomisch, denn sie setzen nicht voraus, 1999).
dass man alle Informationen über alle Optionen berücksichtigt. Man kann die Entscheidungsregeln noch zusätzlich danach
2 Ihre Sparsamkeit beruht auf einer weiteren Besonderheit der le- unterteilen, ob sie deterministisch oder stochastisch sind: Eine
xikographischen Modelle: deterministische Regel kommt bei mehrmaliger Anwendung
Die meisten bisher betrachteten Strategien gehen „opti- immer zu demselben Ergebnis; bei einer stochastischen dagegen
3 onszentriert“ vor (Betsch et al. 2011), das heißt: Sie betrachten könnte in unterschiedlichen Durchgängen auch Unterschiedli-
von den verfügbaren Optionen nacheinander, welche Merkmale ches gewählt werden. Dies ist offenbar bei der Anwendung von
4 sie jeweils haben. Wenn wir beim Beispiel der Stiftung Waren- Take the Best möglich. Auch die Elimination-by-Aspects-Regel
test bleiben, würde das bedeuten, dass der Entscheider für jedes (Tversky 1972) enthält ein stochastisches Element. Ihr zufolge
5 Produkt prüft, welche Noten es in den jeweiligen Dimensionen werden Optionen anhand von Aspekten (ich habe hierzu bisher
bekommen hat. Eine andere Klasse von Strategien geht den um- Attribute oder Merkmalsdimensionen gesagt) beschrieben. As-
gekehrten Weg, schaut auf die Dimensionen und prüft, welche pekte beim Kauf eines Fahrrads sind zum Beispiel die Gangzahl,
6 der Optionen in dieser Dimension einen besonders günstigen die Farbe, die Marke und der Preis. Die Aspekte sind unter-
Wert hat. Diese Strategien nennt man daher „attributzentriert“. schiedlich wichtig; je wichtiger ein Aspekt ist, desto wahrschein-
7 Lexikographische Strategien sind besonders prominente Ver- licher ist es, dass ein Objekt aus dem wählbaren Feld entfernt
treter eines attributzentrierten Vorgehens. Stellen wir uns zum wird, wenn es auf dem Aspekt keine befriedigende Ausprägung
Beispiel vor, ich will einen Rasenmäher kaufen. Das wichtigste hat. Im Grunde entspricht die Elimination-by-Aspects-Regel
8 Attribut ist für mich, dass er mit Strom, aber ohne Kabel läuft. dem lexikographischen Modell mit dem Unterschied, dass die
Damit sortiere ich alle Rasenmäher, die mit Benzin laufen, von Reihenfolge, mit der Aspekte „abgearbeitet“ werden, nur einer
9 Hand betrieben werden müssen oder ein Kabel haben, aus. Das bestimmten Wahrscheinlichkeit unterliegt und nicht determi-
zweitwichtigste Kriterium ist die Laufzeit des Akkus. Ich suche niert ist.
10 in der Liste der verfügbaren Rasenmäher den mit der längsten Viele Entscheidungsregeln sind Kombinationen von Einzel­
Laufzeit heraus. Wenn es hierbei einen eindeutigen Sieger gibt, elementen, bei denen manche Prinzipien nur verwendet werden,
dann ist die Suche hier schon beendet; ich wähle das Produkt, das um Optionen auszusondern und den Suchraum einzugrenzen,
11 auf dem zweitwichtigsten Attribut den höchsten Wert hat. Wenn und andere die Entscheidung selbst herbeiführen. Dabei ist es
die längste Laufzeit von mehreren Rasenmähern erreicht wird, nicht ganz unwichtig, ob die Strategie vielleicht schon zu einem
12 muss ich zum drittwichtigsten Kriterium übergehen, das könnte frühen Zeitpunkt eine Entscheidung ermöglicht und gar nicht
zum Beispiel der Preis sein. Dann würde ich aus den verbleiben- bis zum Schluss durchlaufen werden muss, denn dann ist sie
den Optionen die preisgünstigste wählen. sparsam und effizient. Ein Beispiel für eine solche Strategie ist
13 Der Begriff „lexikographisch“ bezieht sich auf die klare Re- die Prioritätsheuristik (Brandstätter et al. 2006), die – stark ver-
gel, nach der die Schritte zur Entscheidung geordnet sind, wie einfacht – nach folgendem Prinzip funktioniert:
14 im Lexikon eben: Dort schaue ich auch zunächst auf den ersten Menschen gehen bei ihren Entscheidungen lexikographisch
Buchstaben, wenn mehrere Wörter den gleichen haben, dann vor, sie prüfen also nacheinander bestimmte Merkmale und
15 setze ich die Suche mit diesen Wörtern fort und betrachte nun brechen die Prüfung ab, wenn auf einem dieser Prüfschritte
den zweiten und so fort. Dieses Verfahren wiederhole ich so oft, ein bestimmtes Kriterium erfüllt ist. Sie beginnen die Prüfung,
bis an einer Buchstabenposition der gesuchte Buchstabe nicht indem sie bei Entscheidungen zwischen zwei Optionen zuerst
16 mehr mehrfach vorkommt. Dann habe ich – im günstigen Fall die schlechtesten Ausgänge vergleichen, dann deren Wahr-
– meinen Eintrag gefunden. Im lexikographischen Modell wird scheinlichkeiten und zum Schluss die besten Ausgänge. Diese
17 die Entscheidung auf der Basis eines einzigen Merkmals getrof- drei Vergleiche werden nicht unter allen Umständen gezogen:
fen, nämlich auf der Grundlage des ersten relevanten Attributs, Wenn sich die schlechtesten Ausgänge bereits hinreichend un-
auf dem sich die Optionen unterscheiden (Brandstätter et al. terscheiden, wird der Prozess gestoppt, und man entscheidet sich
18 2006). für die weniger aversive Option. Unterscheiden sich die Worst
Natürlich sind in diesem Verfahren viele Variationen denk- Cases nicht hinreichend stark, werden die Wahrscheinlichkei-
19 bar. Eine relativ simple Variante wäre in meinem Beispiel die, in ten verglichen, die ihrerseits einen bestimmten Schwellenwert
der ich für die Akku-Laufzeit einen Schwellenwert bestimme: Da überschreiten müssen, um hinreichend verschieden zu sein. Sind
20 mein Rasen nicht riesengroß ist, würde mir eine mittlere Laufzeit sie das, entscheidet die Person auf Basis der Wahrscheinlichkeit,
genügen. In diesem Fall würden alle Rasenmäher jenseits eines mit der das schlechteste Ergebnis erzielt wird. Sind auch diese
bestimmten Schwellenwerts als gleichwertig behandelt, und ich Wahrscheinlichkeiten gleich, wird auf Basis der maximalen Er-
21 müsste zum nächstwichtigen Attribut übergehen. träge entschieden.
Weniger simpel sind Variationen, in denen die Rangfolge der Wesentlich an der Prioritätsheuristik ist zum einen ihre
22 Attribute aufgegeben wird. Der Entscheider pickt sich einfach Sparsamkeit: Sie kommt ohne die Verrechnung von Nutzen und
irgendein Attribut heraus, zum Beispiel die Lärmwerte, und ent- Wahrscheinlichkeiten aus, und sie muss keine Referenzpunkte
scheidet auf Grundlage dieses Merkmals – wählt also den lei- und andere Parameter einführen, um tatsächliche Entscheidun-
23 sesten Rasenmäher. Wenn mehrere Rasenmäher die niedrigsten gen an formale Vorgaben wie das SEU-Modell anzupassen. Zum
Werte erhalten, pickt sich der Entscheider einfach ein anderes anderen folgt die Prioritätsheuristik streng den empirischen Be-
Merkmal heraus und vergleicht die Optionen erneut. Diese Stra- funden zum menschlichen Entscheidungsverhalten: Man weiß,
8.3  •  Präskriptive und deskriptive Entscheidungstheorien
173 8

Exkurs 8.5  Auszeit! Was ist eine Heuristik?  |       | 


Also: Mit „Heuristik“ ist eine grobe Regel muss keineswegs immer zu einer Lösung füh- Heuristiken werden zur Problemlösung unter
gemeint, die uns hilft, ein Problem zu lösen, ren (Anderson 1988, S. 193). Das unterscheidet folgenden Bedingungen eingesetzt (Pratkanis
Entscheidungen zu fällen oder Erkennt-
nisse zu gewinnen. In der Forschungspraxis
spricht man von einer Heuristik auch als einer
„Arbeitshypothese“. Ein alltägliches Beispiel
sie von einem Algorithmus. Auf das Beispiel
übertragen heißt das, dass ich mit meiner
groben Methode den entscheidenden Brief
übersehen könnte. Ich kann mich also nicht
--
1989):
wenn wenig Zeit zur Verfügung steht,
wenn wir vor einer zu großen Informati-
onsmenge stehen, die wir nicht erschöp-
für eine Heuristik wäre folgendes: Ich erwarte
einen Brief von meiner Tante aus Übersee. Von
darauf verlassen, dass der Brief nicht dabei ist,
wenn ich ihn nicht unter den Luftpostbriefen
- fend verwerten können,
wenn das Problem nicht besonders wich-
einem riesigen Posthaufen will ich so schnell
wie möglich entscheiden können, ob der Brief
gefunden habe. Das ist der Nachteil einer Heu-
ristik. Ein Algorithmus würde mir garantiert
- tig ist,
wenn wir nur wenig Erfahrung mit dem
dabei ist oder nicht. Hierzu folge ich beim
Durchsehen der Regel: „Der Brief muss einen
Luftpostaufkleber haben.“ Diese Regel könnte
man eine Heuristik nennen. Eine Heuristik
eine Lösung bescheren. Demnach wäre die
Methode, jeden Brief in dem Stapel tatsäch-
lich zu lesen, um den richtigen zu finden, ein
Algorithmus.
- Problem haben,
wenn uns eine bestimmte Heuristik
besonders schnell einfällt.

dass Menschen Ausgänge eher beachten als Wahrscheinlichkei- pensatorischen Verrechnung das richtige Vorzeichen verwendet
ten, daher behauptet die Theorie, dass zunächst die Ausgänge ge- (Dawes 1979). Solange die Vorteile mit einem positiven und die
prüft werden. Man weiß, dass Menschen Verluste stärker gewich- Nachteile mit einem negativen Gewicht in die Entscheidung ein-
ten als Gewinne, daher werden zuerst die schlechtesten und dann gehen, lässt sich das Ergebnis durch zusätzliche Gewichtung der
erst die besten Ausgänge geprüft. Auch das, was „hinreichend Komponenten anscheinend nicht mehr verbessern.
verschieden“ bei den beiden Abbruchkriterien bedeutet, ist em- Auch die Idee, dass alle relevanten Informationen integriert
pirisch abgeleitet (vgl. hierzu Brandstätter et al. 2006, S. 412 f). werden sollten, beschreibt weder tatsächliche Entscheidungen,
Brandstätter et al. (2006) zeigen, dass die Prioritätsheuristik die noch garantiert sie ein optimales Ergebnis. So enthalten die le-
bekannten Entscheidungsanomalien und tatsächliches mensch- xikographischen Entscheidungsmodelle durch die Reihenfolge,
liches Entscheidungsverhalten besser vorhersagt als die Modifi- in der die Optionen betrachtet werden, zwar noch eine Gewich-
kationen des SEU-Modells (z. B. die Prospect Theory). tung, aber keine vollständige Integration aller relevanten Infor-
mationen. Trotzdem sind Entscheidungen auf dieser Basis nicht
wesentlich schlechter als Entscheidungen, die alle Informationen
8.3.6 Bewertung der Entscheidungsmodelle integrieren (Gigerenzer et al. 1999; Payne et al. 1993).
Czerlinski et al. (1999) demonstrieren in einer Reihe von
Die oben angedeuteten Entscheidungsmodelle kann man auf Computersimulationen, dass Entscheidungen aus den unter-
zwei sehr unterschiedlichen Dimensionen bewerten, nämlich schiedlichsten Lebensbereichen (z. B. Medizin, Ökonomie, Psy-
nach ihrer Effektivität und nach ihrem Aufwand. Man kann also chologie, Soziologie) die besten Ergebnisse erzielen, wenn hierzu
einerseits danach fragen, ob man in einer gegebenen Situation sehr einfache Faustregeln bzw. Heuristiken (▶ Exkurs 8.5) ver-
gut entscheidet, wenn man dieser Regel folgt, andererseits aber wendet wurden, und die schlechtesten, wenn die Entscheidung
auch danach, wie aufwendig die Entscheidung ist. Ein Kriterium auf Basis der multiplen Regression getroffen wurden. Dabei kann
für eine gute Produktentscheidung kann die Qualität des Pro- die in den Simulationen untersuchte multiple Regression als ein
dukts sein – bei Bankprodukten, insbesondere Geldanlagen, ist analoger Fall für die oben diskutierte MAU-Regel oder das Fish-
dies besonders einfach feststellbar, wenn man hier als Nutzen bein-Modell gelten. Der Versuch, alle Aspekte der Entscheidung
den Ertrag einer Geldanlage ansetzt. Man könnte zum Beispiel zu berücksichtigen und zudem alle diese Aspekte mit einem ei-
verschiedene Algorithmen für eine Entscheidung an der Börse genen Gewicht in die Entscheidung eingehen zu lassen, führte
gegeneinander antreten lassen und feststellen, mit welcher Stra- zu weniger treffsicheren Ergebnissen als etwa eine minimalisti-
tegie der beste Ertrag erzielt worden wäre. sche Regel, bei der von den verschiedenen möglichen Aspekten
Hier könnte man die Idealvorstellung von Rationalität und immer nur einer herausgegriffen wurde, auf dem sich die zwei
Nutzenmaximierung, die im SEU-Modell beschrieben wird, ge- in Frage stehenden Objekte unterschieden, und alle anderen As-
gen andere Verfahren antreten lassen. Eine Entscheidung ist, wie pekte ignoriert wurden.
schon gesagt, nach diesem Modell nur dann rational, wenn sich Ein Beispiel: Bei der Wahl zwischen zwei möglichen Akti-
die Person um alle relevanten Informationen bemüht und diese enpaketen gibt es eine Reihe von Variablen, die man berück-
auch alle berücksichtigt – am besten nach einer sorgfältigen Ge- sichtigen könnte. Die MAU-Regel würde alle diese Aspekte be-
wichtung. Wie es scheint, ist aber dieses Ideal nicht der beste Weg rücksichtigen, würde jeden mit einem Gewicht versehen – denn
zur besten Entscheidung: manche sind vielleicht wichtiger als andere – und würde daraus
So macht es in einer Computersimulation unterschiedlicher für jedes der beiden Pakete einen Wert bestimmen. Wer jedoch
Entscheidungsstrategien (Czerlinski et al. 1999) keinen beson- nach der minimalistischen Strategie vorgeht (oben als Take the
deren Unterschied, ob man bei der Entscheidung die Attribute Best bezeichnet), würde sich per Zufall einen der Aspekte her-
gewichtet. Man kann das Ergebnis durch die Gewichtung nicht auspicken, würde dann prüfen, ob eines der beiden Pakete auf
wesentlich verbessern; wichtig ist nur, dass man bei der kom- diesem Merkmal dem anderen überlegen ist. Wenn ja, würde
174 Kapitel 8  •  Prinzipien der Kaufentscheidung

er dieses Paket wählen, ohne sich um die anderen Aspekte zu


1 kümmern. Diese einfache Strategie ist geradezu erschreckend
effektiv – und das gleich auf mehreren Anwendungsfeldern.
2 In dem Test von Czerlinski et al. (1999) waren Entscheidun-
gen auf der Basis einer multiplen Regression höchstens genauso
gut wie minimalistische Entscheidungen, oft waren sie sogar
3 unterlegen. Dies ist ein doppelter Nachteil für das aufwendige
Verfahren, denn neben der hohen Treffsicherheit spricht auch
4 die hohe Schnelligkeit für ein weniger aufwendiges Vorgehen.
Zu betonen bleibt: Die Ergebnisse von Czerlinski et al. (1999)
5 wurden mit einer Computersimulation erzeugt. Sie enthalten also
kein deskriptives Element und testen so die Annahmen einer
präskriptiven Entscheidungstheorie sozusagen mathematisch
6 genau. Menschliche Unzulänglichkeiten sind hier noch ebenso
wenig thematisiert wie menschliche Flexibilität, zu der auch das
7 adaptive Umschalten von einer Faustregel auf die andere gehört.
Diese spontane Anpassungsleistung ist ein Ergebnis der Le-
benserfahrung und dürfte die Effektivität von Entscheidungen
8 zusätzlich steigern. Schließlich kann man eine Faustregel genauso
wenig „einfach so“ und ohne Voraussetzungen effektiv einsetzen
9 wie die multiple Regression.
Das Forschungsprogramm von Gigerenzer et al. (1999) dreht
10 sich um den Begriff der „ökologischen Rationalität“. Damit ist
eine Form der Anpassung gemeint, bei der die Heuristiken stets
die Besonderheiten der Umwelt berücksichtigen. Ein Beispiel von
11 Simon mag das illustrieren (zit. n. Gigerenzer und Todd 1999,
S. 13): Stellen wir uns ein Tier vor, in dessen Umwelt das Futter
12 zufällig auf verschiedene Orte verteilt ist. Dieses Tier käme mit
der Heuristik „Lauf ziellos herum, bis du Futter gefunden hast“
aus. In einer anderen Umwelt ist das Futter an bestimmten Stellen
13 versteckt, zum Beispiel unter Steinen und zwischen Sträuchern.
In dieser Umwelt käme das Tier mit einer komplizierteren Heu-
14 ristik besser zurecht, der zufolge es die Hinweise auf das Futter,
Steine und Sträucher, besonders beachtet. Hier bräuchte es auch
15 – im Unterschied zur ersten Umwelt – Lern- und Merkfähigkeit.
Um zu wissen, was ökologische Rationalität im Einzelfall for-
dert, muss man also auf die Struktur der Umwelt und die darin
16 enthaltenen Informationen schauen. Nicht Heuristiken allgemein
sind gut, sondern eben immer nur die richtigen. Die richtigen
17 zu finden, ist eine Folge der Anpassung; das kann im Einzelfall
auch heißen: des Wissens und der Erfahrung. Hier wie überall
ist es günstig, viel zu wissen, lern- und anpassungsfähig zu sein.
18 Auch in der Vorstellung von Gigerenzer et al. (1999) bleibt es
bei der Überlegenheit von Experten gegenüber Laien. Nur: Wir
19 unterschätzen vermutlich die Bedeutung, die grobe Faustregeln
auch für die erfahrensten Experten noch immer haben!
20
21
22
23
175 9

Zur Psychologie
der Kaufentscheidung
Georg Felser

9.1 Entscheidungsheuristiken – 176
9.1.1 Die Verfügbarkeitsheuristik (zum Zweiten)  –  176
9.1.2 Die Rekognitionsheuristik – 178
9.1.3 Die Repräsentativitätsheuristik – 180
9.1.4 Die Budgetheuristik oder mentale Kontoführung  –  181
9.1.5 Der Einfluss irrelevanter Informationen  –  183
9.1.6 Verwässerungseffekt und die Wirkung zusätzlicher Informationen  –  183
9.1.7 Das Bemühen um eine Information  –  184
9.1.8 Der Ankereffekt – 186
9.1.9 Bereitstellen einer Attrappe: Der Attraktionseffekt  –  187

9.2 Weitere Urteilsverzerrungen – 188


9.2.1 Wahrscheinlichkeiten und Ergebnisse  –  188
9.2.2 Der Endowment-Effekt – 188
9.2.3 Vergleichsasymmetrien – 190
9.2.4 Ursprungsabhängigkeit – 192

9.3 Intuition – 192
9.3.1 Kann Intuition besser sein als bewusstes Entscheiden?  –  192
9.3.2 Intuition und komplexe Entscheidungen  –  193
9.3.3 Intuition als Vereinfachung – 194

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
176 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

Zusammenfassung: geln, Heuristiken (▶ Exkurs 8.5) oder die bereits zitierte Satisfi-


1 1. Die geistige Verfügbarkeit einer Information, die Leichtigkeit, cing-Regel (▶ Abschn. 8.3.4). Sie haben den Vorteil, einfach und
mit der sie uns in den Sinn kommt, werten wir selbst wieder effizient zu sein; ihr Nachteil ist, dass sie nur mit einer gewissen
2 wie eine Information. Wir nutzen sie als Hinweis auf Wichtigkeit, Wahrscheinlichkeit, nicht aber mit Sicherheit zu einer korrekten
Relevanz oder Wahrheit. Lösung führen.
2. Wenn wir von zwei Optionen eine wiedererkennen und eine Manche Heuristiken verletzen sogar elementare logische
3 andere nicht, dann neigen wir stark dazu, die wiedererkannte Prinzipien, wie etwa das Gesetz der Transitivität. Wenn ich Pro-
Option zu wählen – weitgehend unabhängig davon, warum wir dukt A dem Produkt B und gleichzeitig Produkt B dem Produkt
4 sie wiedererkennen. C vorziehe, dann verlangt es das Gesetz der Transitivität, dass ich
3. Beim Urteil über einen Gegenstand orientieren wir uns daran, mich beim Vergleich von A und C nicht für C entscheide. Genau
5 wie repräsentativ dieser Gegenstand für eine bestimmte Kate- das ist aber beim Einsatz mancher vereinfachter Entscheidungs-
gorie erscheint. Dabei vernachlässigen wir oft aussagekräftige regeln und damit bei vielen Konsumentscheidungen durchaus
statistische Informationen. möglich (Aschenbrenner 1987; Gigerenzer und Goldstein 1999,
6 4. Wir weisen unsere Ressourcen mentalen Konten zu. Wenn eine S. 83).
Ressource (z. B. Geld) bereits für ein bestimmtes Ziel bestimmt In früheren Arbeiten (z. B. Tversky und Kahneman 1974) wur-
7 war, wird sie nicht ohne weiteres für ein anderes Ziel eingesetzt. den die meisten entscheidungsrelevanten Heuristiken wie Fehler-
5. Wir neigen grundsätzlich dazu, Informationen zu nutzen, wenn quellen oder Unterwanderungen der Rationalität beschrieben. In
der Tat werden Sie in der folgenden „Revue“ verschiedener psy-
8 wir sie erhalten, egal ob sie relevant sind oder nicht. Dies gilt
insbesondere für solche Informationen, um die wir uns selbst chologischer Entscheidungsregeln eine ganze Reihe von potentiell
bemüht haben. Daher kann man durch die Gabe irrelevanter verzerrenden Einflüssen erkennen. Zudem wurde unterstellt, dass
9 Informationen erheblichen Einfluss auf Urteile und Entscheidun- Menschen nur dann auf Heuristiken zurückgreifen, wenn ihnen
gen ausüben. die entscheidungsrelevanten Informationen nicht zur Verfügung
10 6. Bei objektiv gleichwertigen Optionen werden drohende Verluste stehen oder keine Möglichkeit besteht, alle diese Informationen
höher bewertet als erhoffte Gewinne. zu nutzen. Diese Sicht auf menschliches Entscheidungsverhalten
7. Werden zwei Objekte miteinander verglichen, dann sind die Er- ist allerdings nicht korrekt: Zum einen greifen Menschen sehr
11 gebnisse dieses Vergleichs nicht unbedingt symmetrisch. Durch häufig auch bei günstiger Informationslage und wenig belaste-
eine Verschiebung des Vergleichsfokus können unterschiedliche ten Ressourcen auf Faustregeln zurück, zum anderen sind sie mit
12 Ergebnisse erzeugt werden. dieser Strategie erstaunlich erfolgreich (vgl. hierzu insbesondere
8. Menschen nutzen für ihre Entscheidungen auch intuitives Wis- Gigerenzer et al. 1999).
13 sen, das sie nicht verbalisieren oder über dessen Herkunft sie
sich keine Rechenschaft geben können. Es gibt Situationen, in
denen der Gebrauch intuitiven Wissens zu besseren Entschei- 9.1 Entscheidungsheuristiken
14 dungen führt als der Versuch, rational zu entscheiden.
Wie bereits angedeutet, vereinfachen Konsumenten ihre Kauf-
15 Bislang haben wir Entscheidungen eher aus einer Perspektive entscheidung sehr gern. Sie setzen gewissermaßen persönliche
betrachtet, die dem ökonomischen Rationalitätsmodell noch sehr Filter vor das Angebot, die aus den verschiedenen Informationen
nahe steht. Diesem Modell zufolge sollen Entscheidungen den er- nur eine Handvoll aussondern, die bei der Entscheidung verwer-
16 lebten Nutzen des Entscheiders optimieren. Die Prospect Theory tet werden. Diese Filter werden als „Entscheidungsheuristiken“
kann als Versuch angesehen werden, dieses Ideal beizubehalten bezeichnet. Im Folgenden diskutiere ich die wichtigsten dieser
17 und es an die psychologische Realität anzupassen. Heuristiken.
Da wir schon allein wegen unserer begrenzten Verarbeitungs-
kapazität hinter dem Ideal einer perfekt rationalen Entscheidung
18 zurückbleiben müssen, werden menschliche Entscheidungen un- 9.1.1 Die Verfügbarkeitsheuristik
ter der Voraussetzung einer eingeschränkten oder begrenzten (zum Zweiten)
19 Rationalität (bounded rationality) konzipiert. Den Begriff der
bounded rationality hatte ursprünglich Herbert Simon geprägt. „Da die Konsumenten Kaufentscheidungen oft sehr schnell und
20 Simon meinte mit diesem Begriff allerdings nicht so sehr eine Ra- mit geringem geistigen Aufwand treffen, werden zur Marken-
tionalität, die unter der Bedingung eingeschränkter Ressourcen wahl einfach zu erinnernde Informationen, die sich sozusagen
genau dieselben Kriterien erfüllt wie das Ideal unter der Bedin- an der geistigen Oberfläche bewegen, eher genutzt als schwierig
21 gung unbegrenzter Ressourcen. Entscheidend war vielmehr die zu erinnernde und schwer zugängliche Informationen. Das gilt
Orientierung daran, wie menschliche Entscheidungen tatsächlich auch dann, wenn die schwer zu erinnernden Informationen für
22 und nicht idealerweise funktionieren. die Kaufentscheidung von gleicher oder gar noch größerer Re-
Unter diesem Blickwinkel scheint das menschliche Ent- levanz sind. [ … ] Das bedeutet: Wenn eine Werbeinformation
scheidungsverhalten vor allem durch eines dominiert zu sein: zwar nicht vergessen, aber nur mit geistigem Aufwand abzurufen
23 einfache Entscheidungsregeln, die in einer gegebenen Situation ist, dann wird ihr Platz bei der Konfrontation mit verschiedenen
schnell und mit hinreichender Genauigkeit zum Erfolg führen. Marken von einer anderen, leichter verfügbaren Information ein-
Die meisten dieser Regeln sind nicht mehr als bloße Faustre- genommen“ (Baker 1993, S. 55, Übers. GF).
9.1 • Entscheidungsheuristiken
177 9

Exkurs 9.1  Die Marken mit dem größten Umsatz  |       | 


Meyer-Hentschel (1996, S. 66) stellt seine Leser machen. Nachfolgend finden Sie eine Liste mit Es folgt eine Liste mit 22 Markennamen, die
vor folgende Aufgabe: „Kennen Sie die Riesen? 20 Marken. Wer gehört nach Ihrer Kenntnis, ich hier in abgewandelter Form, nämlich mit
Jährlich ermitteln die Marktforscher, welche Ihrem Gefühl oder Ihrer Eingebung zu den Daten von 2010 wiedergebe:
der bekannten Marken den größten Umsatz Umsatzriesen? Wählen Sie jetzt.“

Aldi BASF Bayer AG BMW Continental AG


Deutsche Bahn Deutsche BP AG Deutsche Post AG Deutsche Telekom E.ON
Edeka Volkswagen AG Lufthansa Metro AG REWE Group
ThyssenKrupp AG RWE Schwarz-Gruppe Shell Deutschland Siemens AG
Robert Bosch GmbH Franz Haniel & Cie. GmbH
Wie würden Sie die Aufgabe von Meyer-Hent- Namen „durch den Kopf gehen lassen“ und an Einflüsse auf Ihre Verarbeitungsflüssigkeit.
schel lösen? Nun, vermutlich werden Sie nicht der Leichtgängigkeit – der Verarbeitungsflüs- Wenn Sie zum Beispiel letzte Woche mit einer
zu den wenigen Menschen gehören, die über sigkeit –, mit der sie Ihren Kopf passieren, ent- Lufthansa-Maschine geflogen sind, könnte
die Umsätze der größten Unternehmen im scheiden, welchen Rang das Unternehmen Ihnen Lufthansa überdurchschnittlich gut
Bilde sind. Das „Gefühl“ oder die „Eingebung“, haben dürfte. Wie gut sind die Treffer, die verfügbar sein, obwohl dies nichts mit dem
die Meyer-Hentschel in diesem Fall von Ihnen man bei diesem Vorgehen erzielt? Das hängt Umsatz des Unternehmens zu tun hat.
fordert, können Sie aber mit Namen benen- davon ab, wie viel die Verarbeitungsflüssig- Die Lösung mit den Umsatzzahlen von 2010
nen; voraussichtlich werden Sie die Verfügbar- keit mit den tatsächlichen Umsätzen zu tun finden Sie weiter unten.
keitsheuristik bemühen. Sie werden sich die hat. Es wirken nämlich auch viele irrelevante

Der hier von Baker (1993) zitierte Gedanke ist sicher richtig, Medien berichtet als ein Tod durch Krebs. Daher werden Ihnen
aber er fängt die eigentliche Pointe der Verfügbarkeitsheuristik als durchschnittlichem Zeitungsleser die wenigen Morde in der
noch nicht ein. Sie kennen diese Heuristik aus ▶ Abschn. 7.1.1 letzten Zeit möglicherweise verhältnismäßig leicht einfallen. Das
als ein prominentes Beispiel für eine Metakognition. Und als birgt das Risiko, dass Sie eine verschwindend kleine Zahl über-
Metakognition stellt die Verfügbarkeitsheuristik eben nicht nur schätzen. Dieses Risiko ist noch größer für Personen mit einem
die Frage „Welche Informationen liegen mir denn vor?“, sondern besonders ausgiebigen Medienkonsum (Gerbner et  al. 1986).
vor allem „Wie leicht oder schwer sind sie mir eingefallen?“. Die Umgekehrt neigen zum Beispiel Ärzte dazu, die Wahrschein-
Tatsache, dass uns eine bestimmte Information eher als eine an- lichkeit für bestimmte Erkrankungen zu überschätzen, einfach
dere einfällt, werten wir selbst wieder wie eine Information. Die weil sie ihnen hoch verfügbar sind.
mentale Verfügbarkeit wird also nach einer bestimmten Regel in Breite Berichterstattung in den Medien kann Versicherungs-
die Entscheidung mit einbezogen. kunden dazu verleiten, die Wahrscheinlichkeit bestimmter Scha-
Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie wollen Ihre nächste Ur- densfälle falsch zu bewerten. So überschätzen etwa Bewohner
laubsreise planen. Hier sind viele Dinge zu berücksichtigen, etwa der Küstengegenden in Kalifornien die Wahrscheinlichkeit eines
der Termin, die Wünsche der Mitreisenden, das Transportmittel, Erdbebens, während sie die Wahrscheinlichkeit eines Brandes
die Unterkunft, ganz zu schweigen von dem Ziel. Als Erstes fällt unterschätzen (Kardes 1999, S. 408).
Ihnen ein, dass Sie im letzten Urlaub in den unmöglichsten Bet- Stellen Sie sich nun vor, es geht darum, die Popularität eines
ten übernachten mussten. Die besondere Verfügbarkeit dieser politischen Kandidaten, einer Rockband oder eines Produkts ein-
einen Information führt nicht nur dazu, dass Sie sie besonders zuschätzen. Oft genug beantworten wir uns auch solche Fragen
früh berücksichtigen, sondern auch dazu, dass Sie die Informa- mit der Feststellung „Habe ich jedenfalls schon mal gehört“. Das
tion für wichtig halten. bedeutet: Wenn in einer Entscheidungssituation der Name des
Eine Heuristik ist ja eine Regel, und als Regel ausgedrückt Produkts mit großer Leichtigkeit in den Sinn kommt, dann kann
fordert die Verfügbarkeitsheuristik: „Achte besonders auf die diese Leichtigkeit vom Subjekt als Indiz für Produktmerkmale
Dinge, die dir als Allererstes einfallen. Es hat schon seine Gründe, gewertet werden. Die hohe Verarbeitungsflüssigkeit kann dann
dass dir eher diese als andere Dinge einfallen.“ beispielsweise als Zeichen für Popularität, langjährige Bewäh-
Die Verfügbarkeitsheuristik dürfte auch für viele Vorurteile rung oder hohe Verbreitung erlebt werden (▶ Exkurs 9.1).
verantwortlich sein. Stellen Sie sich zum Beispiel folgende Fra- Wohlgemerkt: Es geht nicht allein darum, dass die Informa-
gen: Wie viele berühmte Persönlichkeiten der Geschichte waren tion überhaupt in den Sinn kommt. Die Leichtigkeit, mit der das
Frauen? Wie hoch ist die Kriminalität unter schwarzen Amerika- geschieht, ist entscheidend. Dieser Gedanke geht über die einfa-
nern? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, ermordet zu werden che Vorstellung hinaus, dass die bei der Entscheidung letztlich
– im Unterschied etwa dazu, an Magenkrebs zu sterben? Ver- ausschlaggebenden Informationen Teilmengen unterschiedlicher
mutlich werden Sie jede einzelne dieser Fragen auf der Basis der Sets sind (z. B. awareness set, consideration bzw. evoked set, re-
Verfügbarkeitsheuristik beantworten: Sie werden sich Beispiele levant set, available set; Kroeber-Riel 1992; Mowen und Minor
für die jeweiligen Fälle vor Augen führen – und je nachdem, wie 1998). Theoretisch kann ein durchaus präsenter Produktvorteil
leicht Ihnen diese Beispiele in den Sinn kommen, werden Sie zum Nachteil des Produkts ausschlagen – wie bei der Klientin
urteilen. Bei der Beantwortung der genannten Fragen freilich in der Eheberatung, die der Therapeut bittet, die Vorzüge ihres
werden Sie vermutlich vor Verzerrungen nicht sicher sein. Ein Mannes aufzuzählen. Es gelingt ihr auch, eine Reihe von posi-
Mord wird mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit in den tiven Merkmalen zu generieren, aber nachher ist sie mit ihrer
178 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

Exkurs 9.1  (Fortsetzung) Die Marken mit dem größten Umsatz (Lösung in Mio. €)  |       | 
1
1. Volkswagen 126.785 6. Telekom 62.421
2 2. E.ON 92.863 7. BMW 60.477
3. Siemens 75.978 8. Schwarz 60.000

3 4. Metro
5. BASF
67.258
63.873
9. Deutsche BP
10. REWE
54.281
53.040
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 186 vom 13./14./15. August 2011. Titel: „Top 100 in Deutschland“
4
5 Ehe unzufriedener als zuvor (Beispiel nach Kunda 1999). Auch einen fragten sie: „Was würden Sie tun, um in eine müde Fete
hier wirkt die Verfügbarkeitsheuristik: Vermutlich war es nicht Leben zu bringen?“, die anderen: „Welche Dinge gibt es an lau-
einfach, positive Merkmale des Partners zu finden, mit dem man ten Feten, die Ihnen missfallen?“ In einer späteren Befragung
6 sich in einer Krise befindet. Die Mühen beim Suchen lastet die beschrieben sich die Probanden der ersten Gruppe als deutlich
Klientin ihrem Partner an: Wenn er wirklich so ein toller Typ extravertierter als die Probanden der zweiten Gruppe. Erklärbar
7 wäre, müsste sie doch ganz mühelos auf positive Merkmale kom- ist dieser Effekt damit, dass die Suggestivfragen selektiv Verhal-
men. tens- und Einstellungsmerkmale der Extra- bzw. der Introversion
Wänke et al. (1996; siehe auch Florack und Zoabi 2003; aktivierten. Diese Merkmale waren dann bei der Selbstbeschrei-
8 Schwarz et al. 1991; Wänke et al. 1997) wiesen diesen Effekt bung jeweils unterschiedlich verfügbar.
der Verfügbarkeitsheuristik für Produktbeurteilungen expe- Ein Effekt wie dieser wird besonders für solche Personen
9 rimentell nach. Sie baten ihre Versuchspersonen, drei Argu- stark sein, die sich nicht schon seit Jahren mit hoher subjektiver
mente zu nennen, die dafür sprechen, einen BMW zu kaufen, Sicherheit als extra- oder introvertiert beschreiben – subjektive
10 die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen oder die FDP zu Unsicherheit im Urteil ist eben eine der zentralen Voraussetzun-
wählen. Üblicherweise übt die Tatsache, dass die Personen gen beim Gebrauch einer Heuristik.
über Argumente nachgedacht haben, einen positiven Einfluss Die erhöhte Verfügbarkeit muss nicht einmal als Fakt und
11 auf ihre Einstellung aus (▶ Abschn. 14.2.5). Dieser Effekt kehrt Realität empfunden werden. Auch was sich erwiesenermaßen
sich allerdings um, wenn die Personen nicht drei, sondern nur in unserer Phantasie abgespielt hat, wirkt gleichwohl auf
12 sieben Argumente generieren sollen. Es ist nämlich meistens die Verfügbarkeit und beeinflusst damit auch das Ergebnis der
gar nicht leicht, sich sieben Argumente für (oder gegen) eine Verfügbarkeitsheuristik. Gregory et al. (1982) ließen ihre Ver-
Sache auszudenken. Die Verarbeitungsflüssigkeit ist bei dieser suchspersonen darüber phantasieren, wie es wohl wäre, wenn
13 Aufgabe deutlich herabgesetzt. Das wird von den Personen sie dieses oder jenes Produkt hätten. Diese rein hypothetische
wahrgenommen und fälschlicherweise einer vermeintlich ge- Vorstellung allein hatte bereits eine Einstellungsänderung zu
14 ringeren Gültigkeit der so mühsam gesammelten Argumente Gunsten des Produkts zur Folge (siehe auch ▶ Abschn. 14.2.5
angelastet. Man könnte nun meinen, ab dem vierten Argument und 15.1.5).
15 würden den Probanden nur noch schwache Gesichtspunkte
einfallen, die dann auch die vorangegangenen starken Argu-
mente kontaminierten (in der Tat kann der positive Effekt 9.1.2 Die Rekognitionsheuristik
16 starker Argumente geschwächt werden, wenn schwache Ar-
gumente hinzukommen; vgl. auch Petty und Cacioppo 1984). In einer Untersuchung von 1999 (Goldstein und Gigerenzer
17 Dies ist aber in dem Experiment nicht der Fall gewesen. Hier 1999) wurden amerikanische Studenten werden gefragt, welche
war offensichtlich die subjektive Erfahrung einer geringeren US-Stadt wohl mehr Einwohner habe, San Diego oder San An-
Verarbeitungsflüssigkeit entscheidend für den Effekt, denn er tonio. Fragen Sie sich doch zunächst selbst einmal, welche Sie
18 stellt sich nicht bei Personen ein, die die Argumente nicht selbst für größer halten. Eine Mehrheit von 80 % der amerikanischen
erfinden, sondern nur lesen sollen. In dieser Situation wird die Studierenden wusste, dass die richtige Antwort San Diego lau-
19 längere Liste von Argumenten überzeugender erlebt als die ten musste. Was kommt nun heraus, wenn man dieselbe Frage
kürzere. Interessanterweise kommt es nicht einmal so sehr da- an deutsche Studierende richtet? Wie viele werden hier auf San
20 rauf an, dass die Probanden wirklich die Mühen einer Suche Diego tippen? Das Ergebnis ist vielleicht auf den ersten Blick
nach Argumenten erleben. Es genügt bereits, sich vorzustellen, überraschend: 100 % der deutschen Studierenden hielten San
man müsste zehn Gründe für den Kauf eines BMW generieren Diego für größer.1 Wieso waren die deutschen Studierenden bei
21 (Wänke et al. 1996). Dass diese Aufgabe nicht flüssig erledigt dieser Frage so viel erfolgreicher als die amerikanischen? Auf den
werden kann, leuchtet offenbar jedem intuitiv sofort ein, und zweiten Blick wird Sie vielleicht das Ergebnis nicht mehr beson-
22 diese bloß antizipierte geringe Verfügbarkeit genügt, um den ders erstaunen: Der Grund liegt wohl darin, dass die Deutschen
Effekt der Verfügbarkeitsheuristik zu erzeugen. in der Regel nur San Diego kannten, viele hatten von San Antonio
Die Verarbeitungsflüssigkeit kann auch kurzfristig manipu-
23 liert werden – mit entsprechenden Folgen, wenn die Verfügbar- 1 Tatsächlich liegen die beiden Städte mit ihrer Einwohnerzahl 2013 eng
keitsheuristik zur Anwendung kommt: Fazio et al. (1981) stellten beieinander, und zumindest im Jahr 2011 hatte San Antonio sogar etwas
ihre Versuchspersonen vor unterschiedliche Ausgangsfragen. Die mehr Einwohner (1,49 Mio. gegenüber 1,36 Mio.).
9.1 • Entscheidungsheuristiken
179 9

noch nie gehört. Und so benutzten sie die einfache Faustregel,


dass der Name, der ihnen bekannt vorkam, auch der bedeuten- Welches Theaterstück stammt nicht von Schiller?
dere sein musste.
Die Deutschen haben hier die Wiedererkennungs- oder
Rekognitionsheuristik (recognition heuristic; Goldstein und Gi- a) Don Carlos b) Kabale und Liebe
gerenzer 1999) angewandt. In vielen Situationen beruht unsere
Entscheidung einfach auf dem Argument „Kenne ich, habe ich
c) Die beiden Veroneser d) Die Räuber
schon einmal von gehört“. Das bloße Wiedererkennen eines Ob-
jekts wirkt oft so überzeugend, dass weitere Entscheidungskrite-
.. Abb. 9.1  Quizfragen wie diese werden häufig mit Hilfe der Rekognitions-
rien außer Acht gelassen werden. Dabei kommt es nicht darauf
heuristik beantwortet.
an, dass man weiß, warum man sich an die betreffende Sache
erinnert; das Gefühl des Wiedererkennens genügt.
Um die Rekognitionsheuristik anwenden zu können, brau- Hinweise haben. Zum Beispiel „erfuhr“ der Computer zusätzlich
chen wir ein gewisses Maß an Ignoranz. Der Kern dieser Faust- beim Lernen des Städtenamens, ob die Stadt eine Fußballmann-
regel besteht nämlich in folgendem Prinzip: „Wenn du zwischen schaft in der Bundesliga hat oder ob es eine Intercity-Verbindung
zwei Alternativen zu wählen hast, von denen dir eine bekannt in die Stadt gibt. Diese Merkmale hängen eng mit der Größe
vorkommt und die andere nicht, dann wähle die bekannte.“ einer Stadt zusammen. Die Hinweise hierauf verbesserten die
Ein solches Prinzip ist natürlich nicht anwendbar, wenn uns Vorhersagen auch bei zunehmender Kenntnis der Städte, aber nie
beide Alternativen bekannt vorkommen. So waren also auch die wurde die Treffsicherheit so hoch wie bei mittlerer Bekanntheit
amerikanischen Studierenden einfach nicht unwissend genug, der Städte und Anwendung der Rekognitionsheuristik. Selbst
um von der Heuristik zu profitieren. Und weder das Wissen wenn neun durchaus valide Hinweise auf die Größe der Stadt
noch die Faustregeln, die sie stattdessen anwenden konnten, vorliegen, ist die Rekognitionsheuristik noch immer die überle-
waren so treffsicher wie die Rekognitionsheuristik für die Deut- gene Entscheidungsstrategie – wohl dem, der unwissend genug
schen. ist, dass er sie auch anwenden kann.
Die Rekognitionsheuristik funktioniert immer dann, wenn Die Überlegenheit der Rekognitionsheuristik zeigt sich na-
die Wahrscheinlichkeit, mit der uns eine Sache bekannt vor- türlich auch in empirischen Studien mit menschlichen Versuchs­
kommt, mit dem Kriterium, um das es bei der Wahl geht, kor- personen. Borges et al. (1999) ließen Börsenlaien Aktienpakete
reliert. So müssen im Allgemeinen die größeren Städte auch schnüren. Das Prinzip bei der Auswahl war die Rekognitionsheu-
die bekannteren sein. Bei der Produktwahl ist zum Beispiel die ristik: Die Laien wählten die Aktien, die sie kannten, und mieden
Qualität eines Produkts ein solches naheliegendes Kriterium. die unbekannten. Experten können diese Regel nicht anwenden,
Und in Situationen, in denen die bekannten Produkte auch ten- ihnen sind alle Produkte bekannt. Sie folgen den Regeln, die ihre
denziell die besseren sind, ist die Rekognitionsheuristik eine Expertise vorgibt. Gleichwohl erzielten die Portfolios, die auf Ba-
gute Wahl. sis der reinen Wiederkennung erstellt wurden, in mehreren Un-
Goldstein und Gigerenzer (1999) demonstrierten in einer tersuchungen (vgl. auch Gigerenzer et al. 2008, S. 37 ff, S. 248 f)
Computersimulation ein Phänomen, das sie den „less-is-more bessere oder mindestens gleich gute Ergebnisse wie die Portfolios
effect“ nennen. Der Computer erhält Zufallspaare von Namen von Börsenexperten.
der 83 deutschen Städte mit über 100.000 Einwohnern und soll Wenn Sie gerne anderen dabei zuschauen, wie sie versu-
angeben, welche der beiden Städte größer ist. Wo immer mög- chen, Millionär zu werden, dann haben Sie die Rekognitions-
lich, verwendet der Computer die Rekognitionsheuristik. Hierzu heuristik schon oft in Anwendung gesehen. Stellen wir uns vor,
muss er zunächst wie ein Außenstehender einige Städtenamen im Schillerjahr 2005 wäre die Quizfrage aus . Abb. 9.1 gestellt
„lernen“. In einer Befragung unter amerikanischen Studieren- worden.
den war zum Beispiel München so gut wie jedem bekannt. Also Wer nicht gerade besonders literaturbegeistert ist, wird ver-
lernt der Computer als Erstes München. Eine Stadt wie Stutt- mutlich die frühe Shakespeare-Komödie The Two Gentlemen of
gart kannten nur 63 % der Befragten, also lernt der Computer Verona nicht kennen. Von den anderen drei Titeln allerdings
Stuttgart später; noch später zum Beispiel Duisburg, denn das wird man schon gehört haben (hoffentlich), und so kann man
kennen nur 7 % der Befragten (Goldstein und Gigerenzer 1999, relativ leicht die richtige Lösung treffen, indem man auf das
S. 45, Tab. 2-1). tippt, was man nicht wiedererkennt. Das Beispiel zeigt zudem,
Der Computer erzeugt die meisten Treffer, wenn er ein mitt- dass man die Rekognitionsheuristik auch anwenden kann, wenn
leres Wissen hat, wenn er also etwa die Hälfte der Städtenamen man aus mehr als zwei Optionen wählen muss. Allerdings dient
kennt und die andere Hälfte nicht. Je mehr Wissen hinzukommt, sie für all jene, die damals im Deutschunterricht allzu häufig
desto seltener kann der Computer die Rekognitionsheuristik an- wegen Schnupfens das Bett hüten mussten, möglicherweise nur
wenden, denn desto häufiger kommen dann Paare vor, bei denen dazu, den Suchraum einzugrenzen, denn sie erkennen vielleicht
beide Paarlinge bekannt sind. Dann nimmt die Treffsicherheit nicht alle drei Schiller-Dramen. Für die übrig gebliebenen Op-
wieder ab. tionen brauchen die Literaturmuffel dann eben eine andere
Dies also ist der Less-is-more-Effekt, der demonstriert, wie Heuristik.
uns unsere Unwissenheit zu schlauen Entscheidungen führt. Als in den 1990er Jahren Oliviero Toscani mit seiner Werbung
Allerdings gilt dieser Effekt auch dann noch, wenn wir weitere für Benetton die Welt schockierte, platzierte er damit die italie-
180 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

nische Firma im Handumdrehen unter die fünf bekanntesten Der Mika hat genau doppelt so viele Pannen wie der Schumi.
1 Marken der Welt (zit. n. Goldstein und Gigerenzer 1999, S. 56). Gleichzeitig hat Schumi sämtliche Eigenschaften eines hochwerti-
Im Grunde war seine Strategie eine besonders konsequente Um- gen Autos, wie Sie fachmännisch am Geräusch beim Zuschlagen
2 setzung der Forderungen, die die Rekognitionsheuristik stellt: Es der Wagentür, an der Innenausstattung, den Extras einschließ-
kommt nicht so sehr darauf an, warum man wiedererkannt wird. lich Lackierung und beim Blick unter die Motorhaube feststellen.
Wichtiger ist, überhaupt wiedererkannt zu werden. Freilich pro- Keine Frage, Sie wählen Schumi. Überraschend ist nun aber, was
3 fitiert Benetton nicht nur von der Rekognitions-, sondern auch passiert, wenn man die Pannenstatistik umdrehen würde, wenn
von der Verfügbarkeitsheuristik. Überhaupt scheint es auf den also Schumi gegenüber Mika doppelt so viele Pannen hätte. Die
4 ersten Blick, als liefen diese beiden Entscheidungsverfahren im Wahrscheinlichkeit, mit der Sie Schumi wählen, würde davon
Wesentlichen auf das Gleiche hinaus. Aber das stimmt nur zum kaum affiziert – solange Schumi hinreichend repräsentativ für
5 Teil. ein hochwertiges Auto ist.
Die Rekognitionsheuristik hat mit der Verfügbarkeitsheu- Dieses Beispiel ist einem klassischen Experiment nachemp-
ristik gemeinsam, dass beide auf einer Metakognition beruhen funden (Kahneman und Tversky 1972): Die Versuchspersonen
6 (▶ Abschn. 7.1): Die Rekognitionsheuristik wird von dem Gefühl sollten von einer Person entscheiden, ob sie wohl Anwalt oder
ausgelöst, sich zu erinnern; die Verfügbarkeitsheuristik beruht Ingenieur ist: Jack ist 45 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat vier
7 auf der Erfahrung einer mehr oder weniger flüssigen Informati- Kinder. Im Allgemeinen ist er konservativ, sorgfältig und ehr-
onsverarbeitung. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden geizig. Er interessiert sich nicht für Politik oder soziale Fragen
liegt in den beteiligten Gedächtnisprozessen: Die Verfügbarkeits- und verwendet den größten Teil seiner Freizeit auf eines seiner
8 heuristik braucht ein spontanes Erinnern, die Rekognitionsheu- Hobbys, zum Beispiel Tischlern, Segeln und mathematische
ristik dagegen kann nur angewendet werden, wenn der Gegen- Denksportaufgaben.
9 stand schon vorliegt und entschieden werden muss, ob man ihn Vor dieser Beschreibung wird eine wichtige Zusatzinforma-
wiedererkennt oder nicht. Ein weiterer Unterschied zwischen tion gegeben: Jack entstammt einer Gruppe von 100 Personen,
10 beiden besteht im „binären Charakter“ der Rekognition (Gold- von denen 70 Anwälte und 30 Ingenieure sind. Diese Information
stein und Gigerenzer 1999, S. 56 f): Entweder man erkennt die wird aber praktisch nicht genutzt. Das sieht man nicht nur daran,
Sache wieder oder nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob man dem dass Jack mit höherer Wahrscheinlichkeit für einen Ingenieur
11 Reiz früher drei-, neun- oder nur einmal begegnet ist. Dieser gehalten wird (weil er eher „ingenieurtypische“ Eigenschaften
Umstand ist aber von großer Bedeutung für die Verarbeitungs- hat), sondern noch mehr daran, dass sich an dem Wahrschein-
12 flüssigkeit und damit für die Verfügbarkeit. lichkeitsurteil kaum etwas ändert, wenn man die Verteilungs-
merkmale umdreht (so dass in der Gruppe, aus der Jack kommt,
30 Anwälte und 70 Ingenieure vertreten sind).
13 9.1.3 Die Repräsentativitätsheuristik Die meisten Beispiele für Verzerrungen durch Nutzung der
Repräsentativitätsheuristik basieren auf der Missachtung statis-
14 Der Grundgedanke der Repräsentativitätsheuristik ist ziemlich tischer Regeln (siehe auch ▶ Exkurs 9.2). Das Jack- bzw. Schu-
einfach: Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Gegenstand einer mi-Beispiel besteht in der Missachtung von Basisraten. Bei der
15 Kategorie angehört, wird nach der Ähnlichkeit beurteilt, die er Frage, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Ereignis ist, muss man
mit der Kategorie hat. Oder noch einfacher: Was aussieht wie immer im Auge behalten, wie häufig das Ereignis insgesamt auf-

16
17
eine Ente, watschelt wie eine Ente, quakt wie eine Ente und auf
dem Wasser schwimmt, wird wohl eine Ente sein.
Die Repräsentativitätsheuristik folgt dabei im weitesten Sinne
dem Prinzip der Ähnlichkeit, etwa nach dem Prinzip „Große Er-
-
tritt. Also:
Wie wahrscheinlich ist es, dass dieses Auto eine Panne
haben wird? Hierzu muss man wissen, wie wahrscheinlich
Pannen überhaupt sind und, noch besser, wie wahrschein-

18
eignisse haben große Ursachen“, „schweres Verbrechen – schwere
Strafe“ oder „Was von außen schlecht aussieht, ist innen auch
schlecht“ (klappt ja auch gut bei Obst, nicht aber bei Menschen
oder Büchern …).
- lich Pannen für Autos dieses Typs sind.
Wie gut sind die Erfolgsaussichten meines Unternehmens?
Hierzu sollte man in Rechnung stellen, wie hoch die Rate
von Unternehmenspleiten insgesamt ist. In der Regel wer-
19 Dieser Repräsentativitätsschluss hat mehrere Gesichter, zum den diese Raten unterschätzt – was freilich für die Motiva-

20 --
Beispiel:
Eine Stichprobe ist repräsentativ für die Grundgesamtheit.
tion sicher eher günstig ist. Eine andere Unternehmung, bei
der die Grundrate des Scheiterns regelmäßig außer Acht

21 - Ein Element ist repräsentativ für eine Kategorie.


Ein Verhalten ist repräsentativ für einen Handelnden.

Interessant und problematisch wird die Repräsentativitätsheuris-


gelassen wird, ist übrigens das Heiraten. Vielleicht überzeu-
gen Sie diese beiden Beispiele davon, dass die Fehlurteile
bei Missachtung der Grundrateninformation psychologisch
durchaus ihren Sinn haben können und nicht unbedingt
22
23
tik in solchen Fällen, in denen wir andere wichtige Informationen
ignorieren, nur weil uns die Repräsentativität eines Beispiels in
die Irre führt.
Stellen Sie sich vor, sie haben vor dem Autokauf zunächst die
- mit allen Mitteln bekämpft werden müssen.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient
diese Krankheit hat? Hierzu muss man wissen, wie oft
die Krankheit in der Bevölkerung überhaupt vorkommt.
Pannenstatistik des ADAC genau studiert und stehen nun vor Diese Wahrscheinlichkeitsschätzung nehmen selbst Ärzte
zwei Modellen: dem Schumi Formula 1.2 und dem Mika Starship. in der Mehrzahl unkorrekt vor und schließen – ohne die
9.1 • Entscheidungsheuristiken
181 9

Exkurs 9.2  Regression zur Mitte  |       | 


Auch andere Fälle, in denen wir statistische ist eine statistische Notwendigkeit – unter der Im Alltag müssen wir uns immer wieder davor
Informationen vernachlässigen oder falsch Voraussetzung, dass Erst- und Zweitmessung hüten, diesem Fehler aufzusitzen, indem wir
nutzen, werden gerne mit der Repräsen- nicht perfekt korreliert sind bzw. nicht absolut dem Effekt inhaltliche Gründe geben. Wenn
tativitätsheuristik erklärt (Kunda 1999). So fehlerfrei gemessen wurde (diese Vorausset- die besten Produkte aus einem ersten Probe-
neigen wir häufig dazu, ein statistisches zung ist in der Psychologie praktisch immer durchgang beim zweiten Mal schlechter sind,
Artefakt inhaltlich zu interpretieren, nämlich erfüllt). dann muss das eben nicht heißen, dass sich
die „Regression zur Mitte“. Dieses Phänomen Worin besteht diese Notwendigkeit? Wie gut die Produzenten nicht mehr anstrengen oder
stellt sich immer dann ein, wenn man eine Ihnen das Restaurant gefällt, hängt von zwei sich auf ihren Lorbeeren ausruhen. Auch in der
Extremgruppe aus einer ersten Messung ein Faktoren ab, nämlich einerseits der stabilen Marktforschung kann man durch Missachtung
zweites Mal betrachtet. Stellen Sie sich vor, Sie Qualität des Restaurants und andererseits von des Regressionsphänomens Fehler begehen.
suchen für eine große Feier eine Gaststätte Zufallsfaktoren, die unsystematisch variieren Stellen Sie sich etwa vor, man ist in einer Un-
und probieren nun während der Vorbereitun- und vielleicht nur an einem bestimmten Tag tersuchung besonders an den Unterschieden
gen eine ganze Reihe von Restaurants aus. Sie gelten. Diese Zufallsfaktoren sind für Ihren zwischen sehr konservativen und sehr innova-
bilden eine Rangreihe und fragen für Ihren Zweck „Messfehler“, denn darauf können tiven Konsumenten interessiert. Um besonders
Termin natürlich nur in der Spitzengruppe Sie ja Ihre Planung nicht bauen. Es ist leicht pointierte Ergebnisse zu haben oder um die
nach. Am entscheidenden Tag kommen Ihnen einzusehen, dass in Fällen, in denen diese teuren Versuchsdurchgänge nicht häufiger
aber Essen und Service irgendwie schwächer Zufallsfaktoren besonders stark wirken, auch durchführen zu müssen als unbedingt nötig,
vor als beim ersten Mal. mit höherer Wahrscheinlichkeit Extremwerte lädt man nur solche Probanden ein, die in
Solche Effekte können viele Gründe haben, herauskommen. Das bedeutet anders gesagt, einem Vortest extrem konservativ oder extrem
aber einer davon spielt jedoch mit Sicherheit dass in den Extrembereichen einer Verteilung innovativ waren; Probanden mit durchschnitt-
eine Rolle, und dieser ist trivial: Wenn man von Messergebnissen die Messungen stärker lichen Ausprägungen lässt man weg. Dieses
Fälle betrachtet, die in einer ersten Messung fehlerbehaftet sind. Dieser Fehler, der wie ge- Verfahren ist nicht falsch, aber man darf sich
(Ihrem Testessen) eine Extremgruppe bildeten, sagt zufällig ist, kann bei der zweiten Messung nicht wundern, wenn bei der zweiten Messung
dann tendieren diese Fälle bei einer zweiten für andere Exemplare gelten als bei der ersten die innovativen plötzlich weniger innovativ
Messung (dem Fest) zum Gruppenmittel- (gerade darin besteht die Zufälligkeit). Daher und die konservativen weniger konservativ
wert: Extrem gute Fälle bringen tendenziell kommt der falsche Eindruck, die Stars aus der sind. Das ist bereits aus statistischen Gründen
schwächere Messwerte, extrem schwache Fälle ersten Messung würden beim zweiten Mal zu erwarten, inhaltlich muss das keine Bedeu-
tendenziell bessere Werte. Dieses Phänomen nachlassen und andere wären nun besser. tung haben.

Grundraten zu beachten – aus einem Testergebnis auf die und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie schwimmt gerne und
Wahrscheinlichkeit der Erkrankung (Gigerenzer 1993; geht oft ins Kino. Schon seit Jahren ist sie treue Abonnentin der
Gigerenzer et al. 2008).2 Zeitschrift Emma. Sie setzt sich intensiv mit Fragen der sozialen
Gerechtigkeit auseinander. Das politische Geschehen verfolgt sie
Welcher Fall ist wahrscheinlicher? (1) Ich ziehe aus dem Stapel mit lebhaftem Interesse.
von Karten ein Pik. (2) Ich ziehe ein Pik As. Unter dieser Be- Welche der folgenden Aussagen über Linda ist wahrschein-
schreibung würden Sie vermutlich keine Sekunde zögern – allen- licher?
falls noch, um sich zu fragen, warum ich so eine einfache Frage 1. Linda ist Bankangestellte.
stelle und wo der Trick ist. Ein verbundenes Ereignis, nämlich 2. Linda ist Bankangestellte und in der Frauenbewegung aktiv.
Pik und As gleichzeitig, kann einfach nicht wahrscheinlicher sein
als die Einzelereignisse. Trotzdem zählt der Verstoß gegen diese Natürlich ist Aussage 2 nur eine Teilmenge dessen, was in Aus-
Regel zu den hartnäckigsten Fehlurteilen überhaupt. sage  1 behauptet wird. Deshalb kann Aussage  2 nicht wahr-
In der Regel wird dieser Irrtum mit dem Linda-Beispiel scheinlicher sein als Aussage 1. Gleichwohl ist die Beschreibung
demonstriert (Tversky und Kahneman 1983), das somit auch von Linda repräsentativer für die Aussage 2, jedenfalls für ihr
bei uns nicht fehlen darf: Linda ist 35 Jahre alt, sehr intelligent Engagement in der Frauenbewegung. So werden im Dienste der
Repräsentativität verbundene Ereignisse für wahrscheinlicher
gehalten als die Einzelereignisse.
2 Verbreitet ist zum Beispiel, die Sensitivität eines Tests falsch zu interpre-
tieren. Dieses Maß gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Test positiv
ist, vorausgesetzt dass das Merkmal vorliegt. Gigerenzer (1993) berichtet
ein Beispiel, in dem die Mammographie eine Sensitivität von 79 % besitzt. 9.1.4 Die Budgetheuristik oder mentale
Bedeutet dies also, dass eine Frau mit einem positiven Ergebnis nun mit Kontoführung
einer rund 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Krebs
zu haben? Diese Einschätzung kommt auch bei Medizinern vor, sie ist aber
falsch. Die Patientin braucht eine ganz andere Zahl, nämlich die Wahr-
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Kinokarte für 10 Euro gekauft,
scheinlichkeit, dass sie Krebs hat, wenn das Ergebnis positiv ist. Die eigent- und beim Eintreten ins Kino bemerken Sie, dass Sie diese Karte
lich interessierende Wahrscheinlichkeit kann man erst berechnen, wenn verloren haben. Werden Sie eine neue Karte kaufen, um den Film
man die Grundraten für Krebs in der Bevölkerung kennt. Wenn diese für doch noch zu sehen? Vergleichen Sie diese Situation mit einer
die interessierende Altersgruppe realistisch bei 1 % veranschlagt wird, dann
anderen: Sie bemerken noch vor dem Kauf der Karte, dass Sie
steigert das positive Ergebnis der Mammographie diese Wahrscheinlichkeit
auf 7,5 Prozent. Damit ist die Wahrscheinlichkeit zwar ganz erheblich gestie-
10 Euro verloren haben. Der Verlust ist in beiden Beispielen der
gen (eben um das 7,5fache), aber sie liegt natürlich nicht, wie oft irrtümlich gleiche. Es würde nur rational erscheinen, dass beide Verluste
angenommen, bei der Sensitivität des Tests, nämlich bei rund 80 %. auch in gleicher Weise den Verlauf beeinflussen, den das Gesche-
182 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

hen ohne den Verlust genommen hätte. Die Dinge liegen aber tung“ und „Arbeiten“, daher werden die Ausgaben hierfür auch
1 anders. Wesentlich mehr Personen nehmen vom Kinobesuch unterschiedlichen Konten zugerechnet.
Abstand, wenn sie die Karte statt des Geldes verloren haben (bei Ein entscheidender Gedanke des Ansatzes von Brendl et al.
2 Verlust der Karte 54 %, bei Verlust des Geldes 22 %; Tversky und (1998) ist, dass die Posten graduell zugewiesen werden. So kann
Kahneman 1981). die Ausgabe für das Notebook zum Teil auch das Freizeitkonto
Warum werden diese ökonomisch gleichwertigen Situatio- belasten – je nachdem, wie dieses Gerät beim Käufer subjektiv
3 nen so unterschiedlich bewertet? Tversky und Kahneman (1981) repräsentiert ist. „Je repräsentativer ein Ereignis für das kontoer-
gehen davon aus, dass wir die beiden Ereignisse unterschied- stellende Ziel ist, mit einem um so höheren Gewicht wird es in
4 lich kategorisieren (sie sprechen von Framing; ▶ Abschn. 8.3.3): dieses Konto eingetragen werden“ (Brendl et al. 1998, S. 94). Dies
Geht die Karte verloren, dann gehört dieser Verlust bereits zum zeigt sich auch in einer Untersuchung von Heath und Soll (1996):
5 Kinobesuch dazu; bei einem neuen Kauf der Karte würde sich Probanden beurteilten unterschiedliche Produkte danach, ob sie
diese Konsumhandlung auf 20 Euro verteuern. Der Verlust des typisch für Unterhaltung seien. Sportereignisse galten als ein be-
Geldes wird dagegen anders kategorisiert; er hat viel weniger mit sonders typisches, Partyhäppchen als eher untypisches Beispiel,
6 dem Kinobesuch zu tun, wird also gleichsam von einem anderen Rollschuhverleihe rangierten dazwischen. Wenn sich nun eine
Rahmen gefasst. Versuchsperson vorstellte, sie habe bereits einen Betrag in Unter-
7 Das Bild zu dieser Form der mentalen Kategorisierung ist das haltung investiert, dann verringerte sich dadurch der Restbetrag,
der mentalen Buchhaltung oder Kontoführung (mental accoun- den sie in derselben Woche noch in Unterhaltung zu investieren
ting). Die Idee dahinter ist, dass wir unsere Aufwendungen – sei bereit war. Der Minderungsbetrag variierte allerdings, je nach-
8 es nun Zeit, Anstrengung, Geld oder anderes – bestimmten men- dem, wie typisch das Produkt für Unterhaltung war: Eine Aus-
talen Konten zurechnen. Die verlorene Karte wird somit einem gabe für ein Sportereignis verringert das Unterhaltungsbudget
9 mentalen „Kinokonto“, der verlorene 10-Euro-Schein dagegen stärker, als wenn derselbe Betrag für Partyhäppchen ausgegeben
einem anderen Konto zugewiesen. Auf dem Kinokonto sieht es worden wäre.
10 bei Verlust der Karte düster aus, denn der Verlust müsste mit der Für die Verkaufspraxis ergeben sich aus der mentalen Buch-
neuen Aufwendung, dem erneuten Kauf der Karte, verrechnet haltung zweierlei Konsequenzen: Zum Ersten sollte ein Verkäufer
werden; der Verlust steigt damit auf 20 Euro an. Geht hingegen wissen, wie seine Kunden ihre Ausgaben kategorisieren, um ab-
11 das Geld verloren, wird dieser Verlust auf einem anderen Konto schätzen zu können, ob sie noch mehr investieren würden oder
eingetragen und wird beim erneuten Kartenkauf nicht mit ver- nicht. Normalerweise gilt: Wer gerade eine Karte für ein Sport­
12 rechnet. ereignis gekauft hat, ist in der Folge weniger bereit, in derselben
Ein zweites Beispiel (Tversky und Kahneman 1981): Ver- Woche zusätzlich in die Oper zu gehen. Wie gesagt, diese Konto-
suchspersonen sind im Begriff, sowohl einen Taschenrechner für struktur ist plausibel, aber nicht zwingend. Wenn der Konsument
13 25 Dollar und eine Jacke für 120 Dollar zu kaufen. Einem Teil einen Besuch in der Oper als Unterhaltung ansieht, dann belastet
der Probanden wird gesagt, sie könnten beim Taschenrechner er beim Kauf der Opernkarten sein Unterhaltungskonto, und das
14 15 Dollar sparen, wenn sie 20 Minuten zu einem anderen Laden ist ja schon durch die Karten für das Basketballspiel strapaziert.
fahren würden. Der andere Teil der Versuchspersonen kann Vielleicht sieht er aber auch die Oper als Investition in seine Bil-
15 15 Dollar bei der Jacke sparen, ebenfalls unter der Bedingung, dung an, dann belastet er eher das (Aus-)Bildungskonto – und
dass sie 20 Minuten Weg investieren. Auch hier ist die Situation wäre folglich eher zu einem Kauf zu motivieren.
ökonomisch gleichwertig, trotzdem entscheiden sich mehr Per- Darin liegt also die erste Herausforderung, nämlich zu wis-
16 sonen für den Umweg, wenn sie beim Taschenrechner sparen sen, wie die Konten gebildet werden. Dabei können die Dinge,
können. Dieser Befund macht Sinn, wenn man davon ausgeht, die unter ein Ziel gefasst werden, extrem heterogen sein. Für un-
17 dass beide Konsumartikel und damit auch die jeweilige Erspar- terschiedliche Personen mögen auch sehr unterschiedliche Dinge
nis unterschiedlichen Konten zugewiesen werden. In diesem zu Zielen wie „Unterhaltung“, „Gewinnmaximierung“ oder „Be-
Fall wiegt nämlich in der Tat die Ersparnis beim Taschenrechner quemlichkeit“ beitragen.
18 schwerer als bei der Jacke. Hieraus ergibt sich die zweite Herausforderung, nämlich
Wie werden nun diese mentalen Konten gebildet? Wovon die, auf die mentale Kontoführung selbst einzuwirken. Stellen
19 hängt es ab, ob ein Posten diesem oder jenem Konto zugeschla- Sie sich vor, eine Kundin kauft sich einen Wintermantel. Ihr Ziel
gen wird? Brendl et al. (1998) schlagen hierzu ein „Ziel-Reprä- könnte gewesen sein, „für die kalte Jahreszeit gerüstet zu sein“.
20 sentativitäts-Modell“ vor. Danach richten Menschen mentale Das Konto zu diesem Ziel ist belastet und wird zunächst we-
Konten für ihre unterschiedlichen Ziele ein. Welchem Konto eine niger bereitwillig geplündert. Die Verkäuferin hat nun aber ein
Aufwendung oder ein Ertrag zugewiesen wird, hängt davon ab, elegantes Kostüm aus einem warmen Stoff, das der Kundin recht
21 wie repräsentativ der Posten für das Ziel ist. gut passen würde. Unter der Überschrift „Mit neuen Sachen in
Damit lässt sich zum Beispiel erklären, warum Menschen die Wintermonate“ kann sie die Kundin vermutlich weniger gut
22 nach dem Kauf eines Surfbretts nicht sofort ein zweites Mal motivieren, als wenn sie ganz neue Ziele in Spiel bringt, an denen
in ihre Freizeit investieren und sich etwa einen neuen Video- auch andere Konten hängen, etwa: „andere Leute beeindrucken“,
recorder zulegen, wohl aber bereit sind, ein Surfbrett und ein „sich selbst mal etwas gönnen“ oder „im Beruf immer schick aus-
23 Arbeitsgerät, etwa ein Notebook zu kaufen. Die jeweiligen Kon- sehen“. Mit anderen Worten, sie kann die mentale Buchhaltung
sumartikel Surfbrett, Videorecorder und Notebook sind in un- ihrer Kundin verkaufsstrategisch nutzen, indem sie verschiedene
terschiedlichem Grade repräsentativ für die Ziele „Freizeitgestal- Artikel auch unterschiedlichen mentalen Konten zuweist.
9.1 • Entscheidungsheuristiken
183 9

Durch die mentale Kontoführung werden oft ökonomisch dort mit einem Freund zu Abend zu essen, brauche ich entweder
gleiche Sachverhalte unterschiedlich bewertet – mit erheblichen freie Ressourcen auf meinem Essens- oder auf meinem Unterhal-
Folgen für das ökonomische Verhalten. Konsumenten sind bei- tungskonto. In beiden Fällen kann ich die Ausgabe rechtfertigen.
spielsweise bereit, einen Kredit für eine Ausgabe aufzunehmen, Um mir dagegen eine Pizza kommen zu lassen (anstatt selbst zu
die sie genauso gut aus ihren Ersparnissen bestreiten können kochen), brauche ich Ressourcen auf dem Essenskonto, und um
– eben weil das gesparte Geld auch mental auf einem anderen ins Konzert zu gehen, muss auf dem Unterhaltungskonto noch
Konto liegt (Karlsson et al. 1997). Das erscheint zunächst irrati- ein Rest sein. Pizzaservice und Konzert lassen sich eben eindeu-
onal3, Brendl et al. (1998) sehen aber einen zentralen selbstregu- tig zuordnen, die Musikkneipe passt jedoch zu mehreren Konten.
lativen Nutzen in diesem Verhalten: Die mentale Kontoführung, Für diese mehrfach einzuordnenden Ausgaben richten Konsu-
in der Güter für bestimmte Ziele reserviert werden, ist eine Me- menten auch eher einmal ein Konto ein bzw. definieren ein Konto
thode der Selbstkontrolle. Sie erlaubt langfristige Planungen und so, dass die Ausgabe noch gerechtfertigt erscheint (Cheema und
gehört daher zu anderen Selbstregulierungsstrategien wie etwa Soman 2006).
dem Belohnungsaufschub (der Fähigkeit, sich eine kurzfristige So gesehen ist die mentale Kontoführung auch ein Instru-
kleine Belohnung zu versagen, um später in den Genuss einer ment, mit dessen Hilfe wir das, was uns ohnehin den Kram passt,
größeren zu kommen). Die Bereitschaft zur Aufnahme des Kre- auch gut begründen können. Dank ihrer Formbarkeit ist sie eben
dits war in der Untersuchung von Karlsson et al., (1997) auch als Mittel der Selbstkontrolle nur bedingt geeignet.
umso größer, je weniger die Anschaffung mit dem Zweck der Wichtig ist die mentale Kontoführung aber auch aus ande-
Ersparnis zu tun hatte – umso stärker drängte sich auch auf, die ren Gründen, erlaubt sie uns doch überhaupt erst, mehrere Ziele
jeweiligen Zwecke als unterschiedlich anzusehen und vonein- gleichzeitig zu verfolgen, denn durch die psychologische Buch-
ander abzugrenzen. „Dass Menschen Geld für Urlaub zur Seite haltung werden die Ressourcen für das eine Ziel vor Übergriffen
legen, könnte sie in die Lage versetzen, ihren Urlaub zu genießen, zu Gunsten konkurrierender Ziele geschützt. Es wird sozusagen
ohne sich damit zu quälen, andere Geldziele (wie zum Beispiel eine ständige Interferenz der Ziele verhindert.
Vermögen anzusammeln) verletzt zu haben“ (Brendl et al. 1998,
S. 100).
So gesehen schränkt die mentale Kontoführung Genüsse und 9.1.5 Der Einfluss irrelevanter Informationen
unmittelbare Bedürfnisbefriedigung an der einen Stelle ein, an
einer anderen ermöglicht sie sie geradezu. Insgesamt ist es aber In meiner Schublade befinden sich nur einzelne Socken, 25 sind
meist die Aufgabe der mentalen Kontoführung, angenehme und schwarz und 15 sind blau. Wie viele Socken muss ich höchstens
bevorzugte Repräsentationen der eigenen Ressourcen zu gewähr- aus der Schublade nehmen, um ganz sicher ein gleichfarbiges
leisten oder, wie Thaler (1999, S. 188) es ausdrückt: „We expect Paar zu bekommen? Wie beantworten Sie diese Frage? Vielleicht
mental accounting to be as hedonically efficient as possible.“ So haben Sie auch einen Augenblick gezögert und überlegt, was sich
zeigt sich, dass Kreditnehmer den Gebrauch des Guts, für das sie wohl aus der Verteilung der Socken für die Frage ergibt. Wenn Sie
den Kredit genommen haben, nicht gemeinsam mit dem Darle- sich freilich bildlich vorstellen, wie Sie in die Schublade greifen,
hen kategorisieren, gleichzeitig aber die Raten bei der Rückzah- wird ziemlich schnell deutlich, welche Bedeutung diese Infor-
lung durch Gedanken über die Vorteile des erworbenen Guts mation für das Problem hat, nämlich gar keine. Wenn es nur
abpuffern (Kamleitner und Kirchler 2006). Menschen vermeiden zwei Farben gibt, dann muss ich spätestens nach dem dritten
es also, sich eine positive Sache durch Gedanken an die Kosten zu Hineingreifen ein gleichfarbiges Paar haben – ganz egal ob das
vermiesen, und wiegen gleichzeitig die Nachteile derselben Sache Verhältnis dieser beiden Farben nun 25:15 oder 25:25 oder gar
durch Gedanken an die Vorteile auf. 1:500 ist.
Die Flexibilität, mit der Konten gebildet und Ressourcen ge- Dieses Beispiel illustriert ein interessantes psychologisches
bucht werden, sorgt auch dafür, dass Menschen diese Strategie Phänomen: Es ist anscheinend eine grundsätzliche Tendenz un-
eben nicht nur zur Selbstkontrolle nutzen, sondern auch, um serer Urteilsbildung, dass wir Informationen nutzen, wenn sie
impulsives und genussorientiertes Verhalten zu rechtfertigen. uns gegeben werden. Da aber nicht jede Information wichtig,
Wenn das Geld knapp ist und gleichwohl die Urlaubszeit her- nützlich oder relevant ist, kann diese Tendenz auch zu verzerr-
anrückt, rechtfertige ich meine Ausgabe für die Ferienreise trotz ten Urteilen oder suboptimalen Entscheidungen führen, wie die
angespannten Budgets einfach damit, dass ich ja schon seit zehn folgenden Beispiele zeigen.
Jahren kein Kabelfernsehen habe – und das dabei gesparte Geld
reicht nicht nur für den Urlaub, sondern sogar für eine neue
Couchgarnitur (Beispiel nach Cheema und Soman 2006). 9.1.6 Verwässerungseffekt und die Wirkung
Willkommen sind vor allem solche Ausgaben, die nicht ein- zusätzlicher Informationen
deutig zuzuordnen sind: Um in eine Musikkneipe zu gehen und
Zwei Personen, Fritz und Franz, wer von beiden wird mit größe-
3 Das Verhalten im Kinokartenszenario verstößt nicht nur deshalb gegen die rer Wahrscheinlichkeit kleine Kinder misshandeln? Franz neigt
Forderungen der Rationalität, weil hierbei ökonomisch gleichwertige Opti-
zu abnormen sexuellen Phantasien, hatte eine schlimme Kindheit
onen unterschiedlich behandelt werden. Zudem werden bei dem Szenario
sogenannte „versunkene Kosten“ berücksichtigt. Die vorhergehenden Kos-
und trinkt zu viel. Fritz neigt zu abnormen sexuellen Phantasien,
ten haben aber keine Auswirkung darauf, wie groß der zukünftige Verlust ißt gerne Pizza, hatte eine schlimme Kindheit, arbeitet in einem

oder Gewinn ausfällt (Näheres hierzu in  Abschn. 11.4.5). Geschäft für Herrenoberbekleidung und trinkt zu viel. Bei einer
184 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

solchen Entscheidung schreiben die meisten Menschen das grö- sammenhängen, wobei der 25. Prädiktor das Stirnrunzeln des
1 ßere Risiko Franz zu (vgl. auch Nisbett et al. 1981). Seine Merk- Brokers rechts neben mir sein könnte. Also bestimme ich meine
male entsprechen wohl alle dem Vorurteil, das man normaler- Vorhersage zukünftiger Börsendaten aus diesen 25 Variablen,
2 weise von einem Menschen hat, der kleine Kinder misshandelt. denn diese waren es ja, die tatsächlich am Tag Y die beste Da-
Dieselben Merkmale hat Fritz auch, nur wurde die Beschreibung tenanpassung (man könnte auch sagen „Datenfit“, daher der Be-
bei ihm um einige Merkmale erweitert, die im Hinblick auf die griff „Overfitting“) erreichten. Aber dieser Schluss ist trügerisch:
3 Kategorisierung irrelevant sind. Für die Frage der Kindesmiss- Oft genug empfiehlt es sich, nicht alle relevanten Merkmale der
handlung ist eine Vorliebe für Pizza nicht weiter diagnostisch Vergangenheit auf die Zukunft zu übertragen. Man erhält dann
4 – trotzdem neigen Personen dazu, diese irrelevante Information zwar nur vergröberte Vorhersagen, im Beispiel etwa nur den Ver-
in ihre Entscheidung einzubeziehen. Nisbett et al. (1981) nennen lauf einer bestimmten Branche oder eines Aktienpakets, aber die
5 diesen Effekt daher den Verwässerungseffekt (dilution effect). Er erwünschte Akkuratheit würde man mit dem überangepassten
ist erklärbar mit der Repräsentativitätsheuristik (▶ Abschn. 9.1.3; Modell mit den 25 Variablen auch nicht erreichen. Die Moral ist
vgl. auch Kunda 1999, S. 69): Franz sieht mit seinen Merkmalen vielmehr: Jede Umwelt hat ihr Optimum an Vorhersagegenau-
6 dem typischen Kindesmisshandler ähnlicher und ist insofern für igkeit, das mit entsprechend groben oder feinen Methoden am
diese Kategorie repräsentativer als Fritz. besten erzielt wird. Der Versuch, noch feinere Vorhersageme-
7 Den Verwässerungseffekt könnte man werbetechnisch dort thoden einzusetzen, kann in eine Erhöhung der Fehler münden.
nutzen, wo eine eigentlich diagnostische Information ein gerin-
geres Gewicht erhalten soll. Wenn ein Kunde beim Kauf eines
8 Gebrauchtwagens das Risiko einer baldigen Reparatur abschät- 9.1.7 Das Bemühen um eine Information
zen möchte, dann könnte der Verkäufer neben den diagnosti-
9 schen Merkmalen (z. B. Alter, Kilometerstand, bisherige Unfälle Dass Menschen dazu neigen, Informationen zu nutzen, wenn sie
und Pannen) auch einige undiagnostische Informationen ein- sie haben, zeigt sich noch eindrucksvoller in folgendem Beispiel
10 flechten (z. B. Bereifung, Benzinverbrauch, Innenausstattung). (Bastardi und Shafir 1998). Studentische Versuchspersonen wer-
Für uns als Urteiler ist der Verwässerungseffekt freilich eine den mit folgender Situation konfrontiert: „Sie finden einen sehr
dringende Warnung, belegt er doch unsere grundsätzliche Ten- günstigen CD-Player, der noch für eine Woche zu diesem Preis
11 denz, Informationen, die uns angeboten werden zu nutzen, auch zu haben ist. Sie würden ihn gerne kaufen. Die Frage ist aber: Soll
wenn diese Informationen für die Frage, um die es geht, gar nicht ich das Geld jetzt ausgeben? Der Verstärker Ihrer Anlage muss
12 wichtig sind. nämlich leider in Reparatur und die Garantie ist abgelaufen.“ In
Diese Tendenz zeigt sich auch in folgendem Beispiel: Ver- dieser Kontrollbedingung würden sich 91 % der Personen für den
suchspersonen sollen an der Börse spekulieren und verlassen Kauf entscheiden. Eine andere Gruppe von Versuchspersonen
13 sich dabei mit solidem Erfolg zunächst auf wenige Informationen steht vor einem leicht abgeänderten Problem. Die Sache mit der
und grobe Faustregeln wie etwa die Wiedererkennungsheuristik Garantie für den Verstärker ist unklar. Die Werkstatt würde am
14 (s. o.). Nun erhalten diese Versuchspersonen weitere Informa- nächsten Tag erst noch prüfen, ob sie dies als Garantiefall aner-
tionen; sie versuchen, diese auch zu berücksichtigen – und je kennt oder nicht. Die Versuchspersonen haben nun Gelegenheit,
15 mehr Informationen sie berücksichtigen wollen, desto geringe- zwischen drei Optionen zu wählen:
ren Erfolg haben sie mit ihren Investitionen (Beispiel nach Davis 1. Ich kaufe den CD-Player auf jeden Fall.
et al. 1994). Auch hier wird die Präzision eines Urteils durch 2. Ich kaufe den CD-Player auf keinen Fall.
16 zusätzliche Informationen verwässert, allerdings hat sich dieser 3. Ich warte ab, ob ich die Reparatur bezahlen muss, und ent-
Effekt auch mit Informationen zeigen lassen, die durchaus rele- scheide mich dann.
17 vant waren.
Die menschliche Neigung, Informationen auf jeden Fall zu Nüchtern betrachtet müsste Option 1 für die willigen Käufer,
nutzen, sobald man sie hat, trägt oft nicht zur Verbesserung, die 91 % aus der Kontrollgruppe, eigentlich gleichgültig sein. Sie
18 sondern eher zur Verschlechterung der Urteile bei (siehe hierzu wollten ja so oder so kaufen. Was sollte es da ausmachen, ob sie
auch Gigerenzer et al. 1999). Dass dies auch für im Grunde rele- das Geld für die Reparatur sparen oder nicht? Trotzdem ändern
19 vante Informationen gilt, ist freilich überraschend. Ein möglicher sich die Verhältnisse dramatisch, wenn die Information über die
Grund hierfür mag darin liegen, dass viele relevante Detailinfor- Garantie unsicher ist: 69 % aller Personen würden am liebsten
20 mationen viel zu starken Schwankungen unterliegen und daher abwarten und sich dann erst entscheiden, 5 % würden so oder
zu wenig robust sind, um präzise Vorhersagen zu ermöglichen. so nicht kaufen, und 26 % kaufen auf jeden Fall. Dieser Befund
Gigerenzer und Todd (1999, S. 19) erinnern hier an das Prob- alleine widerspricht bereits den Normen des rationalen ökono-
21 lem des Overfitting. Dies besteht in der Tendenz, bei Vorhersagen mischen Verhaltens. Die Information über die Garantie ist ja für
zu spezifisch zu sein und jedes noch so kleine Detail zu berück- die 91 %, die ohnehin kaufen würden, eigentlich nutzlos. Trotz-
22 sichtigen. Zum Overfitting neigen wir nicht zuletzt aufgrund ei- dem entscheiden sich 65 % aller Personen dafür, diese nutzlose
ner simplen Tatsache: Bei einem bereits eingetretenen Ereignis Information vor der Entscheidung noch einzuholen.
verbessert sich die „Vorhersage“ (wohlgemerkt: die „Vorhersage“ Aber der Verstoß gegen die ökonomische Rationalität geht
23 im Nachhinein) tatsächlich mit jeder relevanten Information, noch weiter: Wer Option 3 gewählt hat, erfährt nun, dass er in
die ich hinzunehme. So kann ich zu dem Schluss kommen, dass der Tat die Reparatur bezahlen muss. Am Ende ist also die Si-
die Börsendaten des Tages Y mit den Variablen X1 bis X25 zu- tuation in der zweiten Bedingung genauso wie in der ersten. Es
9.1 • Entscheidungsheuristiken
185 9

.. Tab. 9.1  Personen, die den CD-Player gekauft bzw. die Wohnung gemietet haben (in Prozent) (Daten für CD-Player aus Bastardi und Shafir 1998,
S. 24, Tafel 5; Daten für Wohnung aus Röpcke et al. 2006).

CD-Player gekauft Wohnung gemietet

Version Sofort Nach Abwarten Gesamt Sofort Nach Abwarten Gesamt

Ohne Warten 91 – 91 27 – 27

Mit Warten 26 29 55 8 55 63

müssten sich demnach die ursprünglichen Verhältnisse herstel- tet das? Im Falle des CD-Players wurde zunächst die Hoffnung
len, so dass alle, die in der ersten Bedingung gekauft hätten, auch induziert, die Reparatur könnte als Garantiefall behandelt wer-
in der zweiten kaufen. Aber weit gefehlt: Nachdem sie einmal auf den. Diese Möglichkeit wurde dann aber nicht realisiert. Im Falle
die Information gewartet haben, entscheiden sich nur noch 29 % der Wohnung darf man unterstellen, dass Mieter normalerweise
für und 40 % der Personen gegen den Kauf (. Tab. 9.1, links). kein kostenloses Internet in Wohnungen erwarten (zumindest
In den beiden Situationen, die ökonomisch völlig gleich sind, zum Zeitpunkt des Experiments 2006 war das noch so) – auch
entscheiden sich einmal 91 % und ein anderes Mal 55 % aller diese Erwartung wurde dann im positiven Sinne „enttäuscht“.
Konsumenten für einen Kauf. Wichtig ist aber immer, dass die Urteiler wissen, was sie erwarten
Offenbar hat es einen sehr starken Effekt, wenn man Perso- sollen.
nen dazu anregt, Informationen zu nutzen, die eigentlich für sie Bastardi und Shafir (1998) zeigen die Bedeutung dieses
völlig nutzlos sein müssten. Eine Information, die eigentlich die Punkts in einem anderen Experiment: Sie sollen entscheiden, ob
Entscheidung nicht beeinflussen kann, gewinnt instrumentellen Sie einen Bewerber nehmen, der auf seinem Zeugnis ein B bzw.
Wert, sobald sie gesucht wird. nach unserem Notensystem eine 2 hat. Wenn Sie in einer Expe-
Bastardi und Shafir (1998) untersuchten ausschließlich den rimentalbedingung auf die Note warten, ohne dass dabei eine Er-
Effekt, den ein eigens erfragter Nachteil auf die Entscheidung hat. wartung erzeugt wird, gibt es keinen Effekt für das Abwarten: Es
Dass auch positive Informationen mit größerem Gewicht in die entscheiden sich immer gleich viele Urteiler für den Kandidaten,
Entscheidung einfließen, wenn sie eigens nachgefragt werden, egal, ob sie die Note sofort oder erst durch Nachfragen erfahren.
zeigen Röpcke et al. (2006). Sie konfrontierten ihre Probanden Der Effekt stellt sich aber wieder ein, wenn bei der „Warten-In-
mit einer Entscheidung für eine Wohnung. Als besonderer Vor- struktion“ eine Erwartung erzeugt wird: „Der Kandidat hat ent-
teil war bei der Wohnung eine Internetflatrate in der Miete ent- weder eine 2 oder eine 1. Wollen Sie sofort entscheiden, oder
halten. Die Zustimmung zur Wohnung betrug im Durchschnitt möchten Sie erst wissen, welche der beiden Noten er hat?“
27 %, stieg aber auf 63 %, wenn der Internetanschluss zunächst Wie gesagt: Wenn es darum geht, ob es einen Internetan-
noch unsicher war und die Probanden erst später informiert wur- schluss gibt, ist relativ klar, welche Alternative dazu besteht,
den, dass eine „Flatrate“ im Mietpreis enthalten ist (. Tab. 9.1, nämlich, dass es keinen gibt. Wenn die nicht realisierten Alter-
rechts). nativen allerdings nicht so klar sind (z. B. bei Noten, von denen
Das bedeutet natürlich auch, dass die Informationspolitik es ja eine ganze Reihe gibt), müssen sie explizit genannt werden,
beim Verkauf großen Einfluss ausübt. Der Verkäufer kann ent- denn sie machen erst den Vorteil zum Vorteil und den Nachteil
weder ungefragt sagen „Ich kann Ihnen diesen Rabatt gewähren“ zum Nachteil.
oder „Möglicherweise kann ich Ihnen diesen Rabatt gewähren. Auch ohne Nachfragen scheint es übrigens günstig zu sein,
Wenn Sie wünschen, werde ich mich danach erkundigen“. Nie- positive Informationen zu bestimmten Optionen später zu prä-
mand, der sowieso gekauft hätte, wird bei der zweiten Formu- sentieren. Dies gilt zumindest für die Wahl zwischen mehreren
lierung vom Kauf Abstand nehmen. Allerdings werden umge- Optionen: Eine dieser Optionen kann beinahe willkürlich auf-
kehrt viele Leute, die in der ersten Bedingung sofort den Kauf gewertet werden, wenn ein positiver Aspekt noch für eine be-
abgelehnt hätten, in der zweiten Bedingung immer noch die In- stimmte Zeit zurückgehalten wird. Ge et al. (2012) gehen davon
formation abwarten (obwohl das eigentlich irrational ist). Und aus, dass ein Entscheidungsprozess mindestens zwei Phasen
sobald sie dann die positive Auskunft bekommen, behandeln sie durchläuft. In der ersten Phase wird bestimmt, welche Optio-
sie als wichtig und relevant und entscheiden sich nun mit grö- nen überhaupt ernsthaft in Frage kommen, in der zweiten wird
ßerer Wahrscheinlichkeit für den Kauf (was im Grunde noch dann innerhalb dieser „engeren Wahl“ entschieden. Wenn nun
irrationaler ist – aber es funktioniert; Bastardi und Shafir 1998). in dieser zweiten Phase eine neue Information über eine der Op-
Die Handlungsanweisung lautet also kurz gesagt: Sorge da- tionen bekannt wird, gewinnt sie – gegenüber allen „statischen“
für, dass der Kunde die Vorteile deines Angebots erfragt und die Informationen, die bisher bekannt waren – an Gewicht. Wenn
Nachteile ohne Nachfrage erhält. Informationen, um die man diese Information also einen Vorteil gegenüber den anderen Al-
sich selbst bemüht hat, werden nämlich bei der Entscheidung ternativen darstellt, wird die eine Option auf- und alle anderen
eher genutzt als Informationen, die man ohne weiteres Bemühen werden abgewertet.
sofort hatte. Der Verkäufer kann also von dem Produkt, das er letztlich
Wichtig ist bei dem Effekt allerdings, dass den Entscheidern verkaufen will, einen Vorteil zurückhalten, bis für den Käufer
die nicht realisierte Alternative klar vor Augen steht. Was bedeu- die Optionen in der engeren Wahl feststehen, und dann erst den
186 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

unseren Probanden einen Malerkoffer (. Abb. 9.2) und baten


1 sie, hierfür den Preis zu schätzen. Zusätzlich wurden die Pro-
banden darüber informiert, welchen Preis eine (angebliche)
2 Vorgängergruppe geschätzt hatte, nämlich entweder 36 oder
560 Euro. Diese Information hatte natürlich einen enormen Ein-
fluss auf die Schätzungen: Bei niedrigem Anker schätzten unsere
3 Probanden im Durchschnitt den Preis auf 73 Euro, bei hohem
auf 410 Euro. (Übrigens kostet ein solcher Koffer in Wirklichkeit
4 rund 300 Euro.)
Nun ist der zitierte Ankereffekt ja alles andere als spektaku-
5 lär. Es sollte einen nicht erstaunen, dass Produktlaien sich derart
stark durch Vorgaben beeinflussen lassen. Wer jetzt aber glaubt,
eine solche Situation komme in der Konsumwirklichkeit prak-
6 tisch nicht vor, der ist noch nie auf einem Flohmarkt gewesen.
Gleichwohl: Noch interessanter wird der Ankereffekt, wenn
7 man ihn auch bei Experten nachweist. Northcraft und Neale
(1987) ließen beispielsweise Makler den Wert eines Hauses schät-
zen. Im Exposé erhielten sie die nötigen Randinformationen; zu-
8 dem hatten sie Gelegenheit, das Haus zu besichtigen. Der Anker
wurde variiert, indem den Maklern unterschiedliche Listenpreise
9 .. Abb. 9.2  Was kostet wohl ein solcher Malerkoffer im Baumarkt? (Aus
genannt wurden. In Abhängigkeit von dieser Vorgabe differierten
Becker et al. 2003) die Schätzungen der Experten um mehr als 7000 Dollar, was etwa
10 10 % des Werts ausmachte.
Vorteil des einen Produkts bekanntgeben. Dies sorgt auf jeden Einen Ankereffekt macht sich ein Anbieter auch zunutze,
Fall – auch wenn der Konsument nicht nachgefragt hat – für eine wenn er zum Beispiel drei Baseballkappen nach der Regel
11 Aufwertung dieses einen Produkts relativ zu den Alternativen. „Nimm 3, zahl 2“ verkauft. Die ersten beiden Kappen kosten
Eine wichtige Gefahr birgt diese Strategie freilich: Es müssen 15 Dollar, die dritte geht dann mit 0 Dollar in die Berechnung mit
12 natürlich von der Zieloption genügend Vorteile bekannt sein, ein. Dieses Angebot ist subjektiv attraktiver als das ökonomisch
damit sie überhaupt in die engere Wahl kommt. Die Menge der gleichwertige Angebot: drei Kappen zu dem Einzelpreis 10 Dol-
Vorteile, die von Anfang an bekannt sind, darf nicht unter einen lar. Durch den Anker von 15 Dollar wird der „Preis“ der dritten
13 bestimmten Schwellenwert sinken, sonst scheidet die Zieloption Kappe im Kontrast überbewertet (Bauer 2000, S. 12).
schon in der ersten Phase der Entscheidung aus. Ankereffekte sind außerordentlich robust. Sie treten offenbar
14 auch ein, wenn der Anker für das in Frage stehende Urteil keinen
Informationswert hat, wie das Eingangsbeispiel zeigt. Die Unter-
9.1.8 Der Ankereffekt
15 suchung von Auch Experten Ankereffekten unterliegen ihm und
dass er Effekt kann nicht durch die eigentlich relevanten Informa-
In einer klassischen Demonstration von Tversky und Kahneman tionen (zum Beispiel nach Besichtigung des Hauses) neutralisiert
16 (1974) sollten die Probanden schätzen, wie viele afrikanische werden (Northcraft und Neale 1987). Selbst völlig unplausible
Staaten in der UNO vertreten seien. Von einem Glücksrad wurde extreme Vorgaben können Ankereffekte hervorrufen. Strack und
17 ihnen eine Zahl vorgegeben: entweder 65 oder zehn. Die Frage Mussweiler (1997) konnten sogar noch einen Ankereffekt nach-
lautete nun: „Ist der Anteil an afrikanischen Staaten in der UNO weisen, wenn die Probanden das Alter von Mahatma Gandhi
höher oder niedriger als 65 (10) Prozent?“ Obwohl die Vorgabe schätzen sollten und als numerische Vorgabe die Zahl 140 er-
18 nichts mit der Antwort zu tun hatte, schätzten die Probanden hielten.
den Anteil afrikanischer Staaten sehr unterschiedlich, nämlich Auch die Motivation hat keinen Einfluss auf den Ankereffekt.
19 entweder mit durchschnittlich 45 oder 25. Selbst wenn für eine möglichst präzise Schätzung eine Belohnung
Die Vorgabe einer offensichtlich beliebigen Zahl beeinflusste ausgeschrieben wird oder die Probanden die ausdrückliche In-
20 das Urteil der Probanden, so dass sie ihre Schätzung an diese struktion erhalten, den irrelevanten Einfluss durch die Vorgabe
Vorgabe anpassten. Die Vorgabe diente als Anker; der Anker­ zu unterdrücken, bleibt der Ankereffekt gleichwohl erhalten (vgl.
effekt besteht darin, dass wir uns in einem numerischen Urteil zusammenfassend Mussweiler et al. 2000).
21 an solchen Ankerreizen orientieren und uns nur wenig davon Eine wirksame Strategie zur Unterdrückung des Ankeref-
entfernen. fekts stellen Mussweiler et al. (2000) vor. Sie leiten die Strategie
22 Ankereffekte kann man nicht nur in solch künstlichen aus ihrem Modell der selektiven Zugänglichkeit ab (vgl. auch
Versuchsanordnungen wie bei Tversky und Kahneman (1974) Mussweiler et al. 1997). Demnach wird bei einer numerischen
nachweisen. In einer eigenen Untersuchung4 präsentierten wir Schätzung als Ausgangswert immer der Anker verwendet, und
23 es werden Hypothesen erwogen, nach denen der gesuchte Wert
4 Empiriepraktikum aus dem SS 2002 an der Hochschule Harz, Wernigerode größer, kleiner oder gleich dieser Vorgabe ist. Dieses Verfahren
(Becker et al. 2003). erhöht die kognitive Verfügbarkeit für Schätzungen, die nahe an
9.1 • Entscheidungsheuristiken
187 9
3.600
.. Tab. 9.2  Zwei Wahlmöglichkeiten: Ausprägungen auf zwei Merk-
3.400 malsdimensionen.
geschätzter Preis in DM

3.200
Qualität* Entfernung
3.000 (min)

2.800 Venezia 7 5
2.600 Pizza Sole 10 35
2.400 *
  10 = höchste Qualität
Anker
2.200 DM 2.800
2.000 DM 5.000
ohne mit .. Tab. 9.3  Zwei Wahlmöglichkeiten mit Attrappe: Ausprägungen auf
Erwägen von Gegenargumenten zwei Merkmalsdimensionen.

.. Abb. 9.3  Preisschätzungen für das Auto in Abhängigkeit von Anker und Qualität* Entfernung
selbstgenerierten Gegenargumenten. (Daten aus Mussweiler et al. 2000, (min)
S. 1146; Tab. 1)
Venezia 7 5

der Vorgabe liegen. Dieser Effekt ist selbst dann zu erwarten, Pizza Sole 10 35
wenn gar nicht ernsthaft erwogen wird, dass der gesuchte Wert Vesuvio 5 5
der Vorgabe entspricht.
*
  10 = höchste Qualität
Wenn der Ankereffekt überwunden werden soll, muss nach
dieser Modellvorstellung solche Information verfügbar gemacht
werden, die mit dem Anker nicht verträglich ist. Mussweiler et al. 9.1.9 Bereitstellen einer Attrappe:
(2000) testeten diese Überlegung in einem Feldexperiment, bei Der Attraktionseffekt
dem sie einen alten Opel Kadett zu Autohändlern bzw. Werk-
stätten brachten, um dessen Wert schätzen zu lassen. Sie gaben Stellen wir uns vor, wir wollen Pizza essen und stehen vor fol-
hierbei vor, sie würden die Ausbesserung einer Beule erwägen, gender Wahl (Beispiel in Anlehnung an Pratkanis und Aronson
wüssten aber nicht, ob sich das bei dem Auto noch lohne. Die 1992, S. 67 f.):
Experten erhielten die nötigen Informationen und hatten Gele- 1. Wir können ins Venezia gehen. Dort ist die Pizza ganz gut,
genheit, sich den Wagen anzusehen. Als Anker gaben die Ver- und wir müssen nicht so weit laufen.
suchsleiter vor, sie hätten daran gedacht, den Wagen für 2800 2. Wir können aber auch ins Pizza Sole gehen. Dort gibt’s die
bzw. für 5000 DM zu verkaufen. Dann fragen sie den Experten beste Pizza. Allerdings ist es weit bis dahin. Entweder wir
nach seiner Meinung. nehmen das Auto, oder wir haben einen weiten Fußmarsch
In dieser Kontrollbedingung hatte der Anker seinen üblichen vor uns.
Effekt: Wenn die Vorgabe bei 5.000 DM lag, schätzten die Ex-
perten das Auto im Durchschnitt auf 3563 DM, wenn die Vor- Die Argumente liegen miteinander im Wettstreit. . Tab. 9.2 zeigt
gabe bei 2800 DM lag, wurde ein Preis von 2520 DM geschätzt die Alternativen. Vor- und Nachteile halten sich nach Ihren Be-
(. Abb. 9.3). Die unterschiedliche Vorgabe hatte also bei den wertungsmaßstäben exakt die Waage, und so bleibt die Situation
Experten einen Unterschied in der Schätzung von mehr als verfahren.
1000 DM zur Folge. Das Hinzufügen einer dritten Option kann diesen Wettstreit
Zur Überwindung des Ankereffekts sollte für die Urteiler entscheiden, und zwar ohne dass diese dritte Option jemals
Information verfügbar gemacht werden, die mit dem Anker ernsthaft in Erwägung gezogen würde. Stellen wir uns vor, je-
im Widerstreit liegt. Hierzu fuhren die Versuchsleiter in der mand führt folgendes Argument an:
Experimentalbedingung gegenüber den Experten fort: „Ein 3. Es gibt ja auch noch das Vesuvio. Die Pizza ist dort zwar nur
Freund von mir sagte mir neulich, er halte meinen Preis für Mittelklasse, aber das ist ebenfalls nicht weit.
zu hoch (in der 5000-Mark-Bedingung) bzw. für zu niedrig (in
der 2800-Mark-Bedingung). Was spricht Ihrer Meinung nach Man möchte fragen, warum bringt hier jemand eine Option ins
gegen den Preis, den ich im Sinn habe?“ Auf diese Weise gene- Spiel, zu der es bereits bessere Alternativen gibt, nämlich das Vene-
rierten die Experten selbst Informationen, die sie vom Anker zia? Aber genau darin liegt der Punkt. Durch die neue Option wird
wegführen mussten. In der Tat war unter dieser Bedingung der ein Kontrasteffekt erzeugt, von dem vor allem das Venezia profi-
Unterschied zwischen den Vorgaben schwächer: Bei hohem An- tiert. Die neue Option ist nur eine Attrappe, die einzig dem Zweck
ker wurden nur noch 3130 DM und beim niedrigen 2783 DM dient, eine andere Option durch Kontrast aufzuwerten (. Tab. 9.3).
geschätzt. Man hätte ebenso gut hinzufügen können: „Vergessen wir
Das Erwägen der widersprechenden Argumente hatte also nicht das Palermo. Dort ist die Pizza etwas besser als im Venezia.
eine abschwächende Wirkung auf den Ankereffekt – vollständig Es ist allerdings genauso weit wie das Pizza Sole.“ Palermo wäre
neutralisieren konnte diese Strategie ihn allerdings nicht! ebenfalls eine Attrappe, mit der aber durch Kontrastbildung un-
sere zweite Option aufgewertet worden wäre.
188 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

Dieses Phänomen wurde von Huber et  al. (1982) als „at- Hinzufügen einer Attrappe nach der Entscheidungsheuristik
1 traction effect“ beschrieben. Der Attraktionseffekt verletzt eine der sequentiellen Elimination (Bettman 1979) verfahren. Da-
zentrale Grundannahme ökonomischer Entscheidungsmodelle, nach werden die Produktmerkmale nacheinander geprüft, und
2 nämlich das Axiom der Unabhängigkeit (▶ Abschn. 8.3.1). Da- das jeweils schwächste Exemplar für dieses Merkmal wird elimi-
nach sollte die Relation zwischen zwei Wahlmöglichkeiten A und niert. Beim Merkmal „Qualität“ würde also das Vesuvio und bei
B nicht davon abhängen, ob als weitere Optionen C, D oder E „Entfernung“ das Pizza Sole aus den Optionen gestrichen. Wo
3 zur Auswahl stehen. Ob A besser oder schlechter ist als B, lässt diese Strategie angewandt wird, gibt es offensichtlich immer die
sich aber durch das Hinzufügen einer irrelevanten Alternative – Möglichkeit, das Verhältnis zwischen zwei Alternativen durch
4 Huber et al. (1982) sprechen von einem „decoy“ – sowohl in die Hinzufügen irrelevanter dritter Optionen in jede Richtung zu
eine als auch in die andere Richtung entscheiden. manipulieren.
5 Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Strategie sind deut- Schließlich kann auch die Theorie der relativen Einzelurteile
lich: Durch Hinzufügen eigentlich indiskutabler Alternativen (Bauer 2000) den Attraktionseffekt erklären. Diese Theorie (die
kann ein Verkäufer bestimmte Produktattribute in den Mittel- übrigens in ▶ Abschn. 20.4.1 ausführlicher dargestellt wird) un-
6 punkt stellen und auf dieser Dimension Kontrasteffekte zu Guns- terstellt, dass Konsumenten bei ihren Entscheidungen keinen Ge-
ten der Optionen in engerer Wahl erzeugen. Natürlich nutzen samtnutzen bestimmen und auf dessen Grundlage entscheiden.
7 Menschen diese Strategie im Alltag auch ausgiebig (Hamilton Vielmehr fällen Konsumenten ihre Urteile auf der Basis von Ein-
2003). Was aber sind die Mechanismen, denen der Attraktions- zelvergleichen. Im obigen Beispiel müsste man die Restaurants
effekt unterliegt? immer nur paarweise auf der jeweiligen Dimension vergleichen
8 Das Hinzufügen der Attrappe verändert die Verteilung der und dabei auszählen, wie oft eines der Restaurants gewonnen
Merkmalsausprägungen. Sinnvollerweise ist die Attrappe so ge- hat. Wenn man Punkte wie bei der Bundesliga vergeben würde,
9 wählt, dass sich der Wertebereich des einen Merkmals vergrö- erhielten in . Tab. 9.3 das Vesuvio 0 Punkte, das Pizza Sole 4 und
ßert, während er für das andere Merkmal einigermaßen kon- das Venezia 5.
10 stant bleibt. Das Vesuvio im Beispiel (. Tab. 9.3) vergrößert den
Wertebereich für Qualität dergestalt, dass sich Venezia nun im
Mittelfeld wiederfindet. Damit verliert der Qualitätskontrast zwi- 9.2 Weitere Urteilsverzerrungen
11 schen Venezia und Pizza Sole an Gewicht. Der Kontrast auf dem
Merkmal „Entfernung“ bleibt dagegen erhalten, ja wird sogar 9.2.1 Wahrscheinlichkeiten und Ergebnisse
12 unterstrichen, da nun die Verteilung für die Entfernungsvariable
eindeutig in Richtung fünf Minuten tendiert (der Modalwert für Beim rationalen Abwägen von Alternativen nach dem SEU-Mo-
„Entfernung“ liegt nun ja bei 5 ) – die 35 Minuten für Pizza Sole dell sollen subjektive Wahrscheinlichkeiten vergeben werden, mit
13 sehen nun erst recht wie ein Extremwert aus. denen ein bestimmter Nutzen verwirklicht wird. Wie wir oben
Huber und Puto (1983) konnten allerdings zeigen, dass der gesehen haben, unterliegt der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten
14 Attraktionseffekt nicht gesteigert werden kann, wenn man be- einer Reihe von Fehlereinflüssen. Auf zwei möchte ich hier noch
sonders extreme Attrappen wählt. Entscheidend ist einzig die einmal hinweisen: Zum einen tendieren Menschen dazu, geringe
15 Rangrelation zwischen Attrappe, Zielprodukt und Konkurrent. Wahrscheinlichkeiten zu überschätzen. „Kleinen Wahrschein-
Es hätte demnach keinen Unterschied gemacht, ob die Qualitäts- lichkeiten wird bei Entscheidungen oft ein […] unproportional
punkte für Vesuvio nun bei 6, 5 oder 3 liegen oder ob man dort- großes Gewicht gegeben, beispielsweise der Wahrscheinlichkeit
16 hin nun fünf oder vielleicht doch sieben Minuten laufen muss. eines Unfalls in einem Kernkraftwerk oder der Wahrscheinlich-
Hauptsache es kommt eine Rangreihe heraus, bei der die Relation keit eines Einbruchs in die eigene Wohnung (davon leben Versi-
17 zwischen Venezia und Pizza Sole klar bestimmt werden kann. cherungen)“ (Jungermann et al. 2005, S. 225).
Nach Ratneshwar et al. (1987) sorgt die Attrappe dafür, dass Zum anderen wird üblicherweise die emotionale Bedeutung
uneindeutige Merkmalsausprägungen Bedeutung erhalten. Ob des Ereignisses erheblich stärker gewichtet als seine Wahrschein-
18 eine Qualitätsausprägung von 7 viel oder wenig ist, zeigt sich lichkeit (für einen Überblick vgl. Brandstätter et al. 2006). Das
am besten, wenn man sieht, welche Ausprägungen andere Kon- hat im Extremfall zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit eines
19 kurrenten haben, auch wenn diese Konkurrenten gar nicht in Ereignisses vollständig vernachlässigt und nur auf Basis des Er-
Betracht kommen. Diese Bedeutungszuschreibung nehmen wir eignisses selbst entschieden wird. Wenn zum Beispiel Option A
20 häufig vor, wenn wir Preise beurteilen: Ob 500 Euro für ein Paar ganz scheußlich ist und Option B mittelmäßig scheußlich, dann
Boxen eher ein hoher oder ein niedriger Preis sind, zeigt sich kann es vorkommen, dass Personen B immer gegenüber A be-
dem Laien, wenn er eine Reihe von Preisen gesehen hat. vorzugen, egal wie wahrscheinlich das Eintreten der jeweiligen
21 Merkmale, deren Bedeutung offensichtlich ist bzw. bei denen Scheußlichkeit ist.
man sich gut auskennt, wären demnach vom Attraktionseffekt
22 weniger betroffen. In der Tat konnten Ratneshwar et al. (1987)
zeigen, dass sich der Effekt abschwächt (ohne ganz zu verschwin- 9.2.2 Der Endowment-Effekt
den), wenn man die Variablen Bedeutung (meaningfulness) und
23 Vertrautheit (familiarity) kontrolliert. Stellen Sie sich vor, ich hätte Ihnen im Rahmen eines Experi-
Eine andere theoretische Erklärung, die Ratneshwar et al. ments soeben einen kleinen Becher geschenkt. Den können Sie
(1987) diskutieren, geht davon aus, dass die Konsumenten beim mit nach Hause nehmen, wenn Sie mögen. Sie können ihn aber
9.2  •  Weitere Urteilsverzerrungen
189 9

auch verkaufen, wenn Sie einen Käufer finden, der Ihren Preis hohe Wahrscheinlichkeiten werden unterbewertet. Das zeigt
bezahlt. Dann können Sie das Geld mitnehmen. Einer Reihe von sich, wenn sich Wahrscheinlichkeiten ändern. Personen sind
anderen Teilnehmern habe ich keinen Becher geschenkt. Aber zwar bereit, ein zweites Lotterielos zu kaufen, das ihre Chancen
auch diese Gruppe kann mit Becher oder Geld nach Hause ge- von 5 auf 10 % verdoppelt. Sie sind aber gleichzeitig leicht zu
hen, sie können wählen. Wenn Sie jetzt meinen, die Situationen irritieren, wenn ein sicherer Gewinn (Wahrscheinlichkeit von
seien ökonomisch gesehen gleich, dann befinden Sie sich in guter 100 %) aus irgendeinem Grund nur noch sehr wahrscheinlich
Gesellschaft. Eine streng ökonomische Theorie würde hier auch (90 %) ist. Kommt nun noch der Endowment-Effekt hinzu, lässt
keinen wesentlichen Unterschied unterstellen. Wenn nun aber sich beobachten, dass Personen selbst mit Geld nicht dazu zu
die Geldbeträge variieren, die die Personen mit nach Hause neh- bewegen sind, ein Lotterielos, das sie bereits besitzen, gegen ein
men könnten, zeigt sich etwas anderes: Die meisten Personen, anderes einzutauschen, das objektiv dieselben Gewinnchancen
denen der Becher (noch) nicht gehört, wählen bereits ab einem hat (Bar-Hillel und Neter 1996).
Betrag von etwa 3 Dollar lieber das Geld. Die Personen, denen Dieser Effekt ist besonders stark für Güter, die Vergnügen
der Becher bereits vor der Wahl gehört hat, verkaufen ihren Be- und Genuss bedeuten (hedonic goods), im Unterschied zu Ge-
sitz erst dann, wenn er ihnen 7 Dollar einbringt. Andernfalls be- brauchsgütern (utilitarian goods). Dies zeigen Cramer und An-
halten sie lieber den Becher. Dieser Befund, der sogenannte En- tonides (2011) bei der Wahl von Lebensmitteln: Sie gaben ihren
dowment-Effekt (Kahneman et al. 1990; Thaler 1980; Tverksy und (jugendlichen) Probanden entweder ein gesundes Lebensmittel
Kahneman 1991; siehe auch ▶ Abschn. 8.3.3) widerspricht zwei (Apfel oder Rosinen) oder ein weniger gesundes (Schokoriegel,
wichtigen ökonomischen Prinzipien. Das eine ist die Annahme, Kartoffelchips oder Lolli). Die Probanden konnten die Lebens-
dass die Präferenzen der Konsumenten im Wesentlichen stabil mittel gegen das jeweils andere austauschen, wenn sie wollten.
sind. Der Endowment-Effekt zeigt uns nun, dass die Präferenzen Wer also einen Apfel geschenkt bekommen hatte, konnte diesen
schon bei der verhältnismäßig einfachen Frage, ob jemand eine gegen einen Schokoriegel tauschen. Eine Kontrollgruppe konnte
Sache bereits besitzt oder nur kurz davor steht, sie zu besitzen, sich frei aussuchen, ob sie lieber ein gesundes oder weniger ge-
wie eine Fahne im Wind hin und her flattern. Weiterhin ist ein sundes Lebensmittel wollten.
ökonomisches Prinzip, dass der Wert von A im Tausch gegen B Auch in dieser Versuchsanordnung zeigte sich ein klarer
derselbe ist wie der Wert von B im Tausch gegen A. Also hätte Endowment-Effekt: Die Probanden behielten stets lieber das
auch dasselbe herauskommen sollen – ob die Versuchspersonen Lebensmittel, das sie geschenkt bekommen hatten. Während
nun einen Becher gegen Geld oder Geld gegen den Becher tau- 45,5 % der Probanden bei freier Wahl das gesunde Lebensmittel
schen. Weit gefehlt. wählten, stieg die Zahl für den Fall, dass sie das Produkt bereits
Das zentrale Merkmal des Endowment-Effekts besteht darin, besaßen auf 54,4 %. Allerdings war dieser Effekt noch einmal er-
dass mögliche Verluste höher bewertet werden als gleichwertige heblich größer für das Genussprodukt: 54,5 % entschieden sich
Gewinne. Der Verkauf des Bechers, wenn man ihn schon besitzt, bei freier Wahl für das ungesunde Lebensmittel – gegenüber
wird eher als Verlust, der Kauf eher als Gewinn erlebt. So erklärt 76,4 %, wenn das Wählen eigentlich „behalten, was mir ohnehin
sich die Asymmetrie. schon gehört“ bedeutete.
Ein geflügeltes Wort besagt daher: „Losses loom larger than Bleiben wir beim Thema Lebensmittel: Haben Sie auch schon
gains.“ Wenn ein Konsument bei einer der Optionen einen Verlust einmal einen Joghurt gegessen, der sein Verfallsdatum schon um
wittert (z. B. durch einen überhöhten Preis), wird er von dem Kauf ein oder zwei Tage überschritten hat? Nun, ein oder zwei Tage
Abstand nehmen. Ein gleichwertiger Gewinn (z. B. durch einen sind ja auch harmlos, nicht wahr? In der Tat ist die Bereitschaft,
entsprechenden Preisnachlass) wird ihn aber umgekehrt nicht auch abgelaufene Lebensmittel noch zu konsumieren, nicht ge-
zum Kauf motivieren können. Ein einleuchtendes Anwendungs- ring – dies gilt allerdings nur für Lebensmittel, die uns bereits
gebiet dieser Regelmäßigkeit sind Versicherungen. Eine Versiche- gehören. Würde man Ihnen denselben Joghurt im Supermarkt
rung ist eine Möglichkeit, einen denkbaren Verlust zu verhindern anbieten, würden Sie vermutlich lieber auf die frische Variante
oder wenigstens abzumildern. Ein Lotterielos dagegen stellt eine ausweichen. Sen und Block (2009) demonstrierten dies, indem
Möglichkeit dar, einen denkbaren Gewinn zu erzielen. Es ist si- sie ihre Probanden baten, die Verpackung eines Smoothies zu
cher kein Zufall, dass viel mehr Leute ihr Geld in Versicherungen bewerten. Dies sollte sicherstellen, dass die Probanden auch das
stecken als in Lotterielose. Auch wenn Gewinn und Verlust als (abgelaufene) Haltbarkeitsdatum sahen. Einem Teil der Proban-
gleich wahrscheinlich erlebt würden (beide sind ja in Wirklichkeit den wurde gesagt, der Smoothie gehöre ihnen, die andere Gruppe
extrem unwahrscheinlich), hielten es vermutlich immer noch die ging nicht davon aus, dass es ihrer sei.
meisten Menschen für vernünftiger, in eine Versicherung zu inves- Am Ende der Befragung sollten die Probanden entscheiden,
tieren als in Lotterielose. Das zu sichern, was man bereits besitzt, ob sie den Smoothie trinken oder wieder zurückgeben wollten
ist ein stärkeres Motiv, als neue Gewinne zu erzielen. und ob es aus ihrer Sicht gesund sei, den Smoothie zu trinken.
Der Endowment-Effekt ist eine der drei Kernannahmen der Hier machte es einen Unterschied, ob die Probanden subjektiv
Prospect Theory, die ich in ▶ Abschn. 8.3.3 dargestellt habe. Aus „ihre eigenes“ Produkt bewerteten oder nicht: Wer den Smoothie
dieser Theorie ergibt sich noch ein weiterer wichtiger Punkt: bereits „besaß“, setzte häufiger sein Kreuz bei der Option „trin-
Gewinn- und Verlusterwartungen sind bei objektiv gleichen ken“ und fand mehr Argumente, dass das Produkt noch gut und
Wahrscheinlichkeiten psychologisch nicht gleich verteilt. Dies keineswegs ungesund sei.
ergibt sich zum einen aus der üblichen Verzerrung von Wahr- Die Frage, was als Gewinn und was als Verlust gesehen wird,
scheinlichkeiten: Geringe Wahrscheinlichkeiten werden über-, ist mindestens zum Teil eine Frage der Deutung bzw. des Fra-
190 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

ming. Betrachten wir etwa das Bonussystem bei den Kassenleis- frame ist daher wenig risikofreudig und macht lieber Zugeständ-
1 tungen für Zahnersatz. Ein Teil der Zuzahlung hängt davon ab, nisse, als dass er gar nichts verkauft. Man kann daher auch zei-
ob man regelmäßig zum Zahnarzt geht. Diese Regel kann man gen, dass in Verkaufsverhandlungen Käufer in aller Regel bessere
2 unterschiedlich kommunizieren (Felser 2007, S. 274). So kann Erträge erzielen als Verkäufer (Bazerman und Neale 1992, S. 41).
man sagen: „Sie haben ein Recht auf eine Zuzahlung der Kran-
kenkasse bei Ihrem Zahnersatz. Sie verspielen 10 % dieser Zuzah-
3 lung, wenn Sie nicht regelmäßig zum Zahnarzt gehen.“ 9.2.3 Vergleichsasymmetrien
Eine logisch äquivalente, psychologisch deutlich weniger
4 wirksame Formulierung wäre: „Wenn Sie regelmäßig zum Zahn- Die Psychologie kennt eine Reihe von Fällen, in denen wir Al-
arzt gehen, können Sie die Zuzahlung Ihrer Krankenkasse zum ternativen, die eigentlich kommutativ sein sollten, sehr unter-
5 Zahnersatz um 10 % erhöhen.“ schiedlich bewerten, je nachdem, wie sie uns präsentiert werden.
Offenbar wird im einen Fall der Verlust-, im anderen Fall der Werden zum Beispiel zwei Optionen hintereinander dargeboten,
Gewinnrahmen gesetzt – und der Verlustrahmen motiviert nun dann entscheiden die einzigartigen Eigenschaften der zweiten
6 einmal mehr (für experimentelle Belege in einem analogen Fall Option, was gewählt wird. Hat die zweite Option positive Eigen-
vgl. Meyerowitz und Chaiken 1987). schaften, die die erste nicht hat, dann wird die zweite gewählt,
7 Das Gefühl des Besitzes und die damit verbundene Aufwer- auch wenn die erste ihrerseits andere positive Merkmale besitzt,
tung des Produkts kann schon durch bloßes Anfassen erzeugt die die zweite nicht hat. Hat die zweite Option einzigartige nega-
werden. Peck und Shu (2009) ließen ähnlich wie Kahneman et al. tive Merkmale, wird die erste gewählt, auch wenn diese ihrerseits
8 (1990) Tassen bewerten, die allerdings ein Teil der Probanden eigene negative Merkmale besitzt (Houston et al. 1989).
anfassen sollte, ein anderer Teil nicht. Wer den Becher anfasste, Eigentlich sollte die Reihenfolge der Präsentation bei der
9 erlebte den Becher stärker als seinen eigenen und veranschlagte Wahl unwesentlich sein, genauso wie der Vergleichsfokus bei
seinen Wert höher. Entsprechende Befunde zeigten sich auch für einem komparativen Urteil. Dem ist aber nicht so: Wenn ich ein
10 andere Produktkategorien. Wenn ein Produkt beim Anfassen Objekt A mit einem anderen Objekt B vergleiche, komme ich
eher unangenehm erlebt wurde – im Experiment galt dies etwa nicht unbedingt zu demselben Ergebnis, wie wenn ich B mit A
für Knetseife –, wurde nur das subjektive Gefühl des Besitzes vergleiche (Tversky 1977).
11 erhöht, nicht aber der Wert (▶ Abschn. 2.5). Dies lässt sich aus einem zentralen Grundgedanken heraus
Diese Befunde unterstreichen noch einmal die Rolle der Hap- erklären: Die Aufmerksamkeit des Entscheiders ist eigentlich im-
12 tik bei der Bewertung von Produkten – ein Punkt, der im Zeit- mer ungleich verteilt (vgl. auch Dhar und Simonson 1992): Beim
alter der Internetkäufe sicherlich aus dem Blickfeld zu geraten Vergleich von zwei Optionen erhält immer eine mehr Aufmerk-
droht (für eine bemerkenswerte Ausnahme siehe Hartmann und samkeit als die andere, und dies erzeugt die Effekte. Bei Houston
13 Haupt 2014). Allerdings lassen sich auch für Produkte, die nicht et al. (1989) steht die als Zweites gezeigte Option im Fokus der
angefasst werden können, Gefühle des Besitzes erzeugen, etwa Aufmerksamkeit, und da gemeinsame Merkmale der Optionen
14 indem Konsumenten ermutigt werden, sich den Besitz vorzu- aus der Bewertung quasi „herausgekürzt“ werden, beruht die Ent-
stellen (Gregory et al. 1982; Peck et al. 2013; Peck und Shu 2009). scheidung allein auf den einzigartigen Merkmalen der Option, die
15 Das Kaffeebecher-Experiment von Kahneman et al. (1990) im Fokus steht (weiterführende Überlegungen in ▶ Exkurs 9.3).
habe ich oben so gedeutet, dass der Becher durch den Verkauf Die gleiche Logik bestimmt auch, wie ähnlich sich zwei Op-
verloren geht. Genauso gut könnte man ihn aber auch als „Wäh- tionen sind. Stellen wir uns vor, ich soll das wohlvertraute Unter-
16 rung“ betrachten, mit der man Gewinne erwirtschaften kann. nehmen McDonald’s mit Burger King vergleichen. Mein Problem
Dies würde dazu führen, dass man die Situation eher unter einem hierbei ist: Ich weiß von Burger King nicht viel. Was immer mir
17 Gewinnaspekt sieht. Tversky und Kahneman (1981) bezeichnen dazu einfällt, ist für Burger King nicht spezifisch. Geht mein
dies als gain frame (Gewinnrahmen), der um die Entscheidungs- Vergleich nun von Burger King aus, fallen mir vor allem jene
situation gelegt wird. In diesem Fall wäre die Preisgabe des Be- Merkmale ein, die beide Unternehmen gemeinsam haben, zum
18 chers deutlich weniger unangenehm, die Zurückhaltung beim Beispiel das Angebot oder die Zielgruppe. Fokussiere ich in dem
Akzeptieren der Angebote würde sinken und der Becher zu ei- Vergleich dagegen auf McDonald’s, werden mir viele Merkmale
19 nem geringeren Preis verkauft. Dies zeigt sich auch im Experi- einfallen, die für McDonald’s allein charakteristisch sind, etwa
ment: Der Effekt bleibt aus, wenn die Probanden keine Becher, das Marketingkonzept oder die Werbefigur. Diese Unterschiede
20 sondern „Tokens“ (Gutscheine, Chips oder Spielmünzen, die sie durch die Fokussierung führen zu dem paradoxen Ergebnis, dass
wie Geld einsetzen können) erhalten. die Gemeinsamkeiten von Burger King mit McDonald’s größer
In den meisten echten Verkaufssituationen ist dies auch die sind als die Gemeinsamkeiten von McDonald’s mit Burger King.
21 übliche Deutung des Verkäufers: Die Ware ist das Gut, mit dem er Das Beispiel ist einem Experiment von Tversky (1977) nachemp-
sein Geld verdient. Umgekehrt ist für echte Verkaufssituationen funden, der zeigen konnte, dass die Ähnlichkeit beim Vergleich
22 der loss frame (Verlustrahmen) beim Käufer nicht unüblich: Er von Nordkorea mit China größer erlebt wird als beim Vergleich
will verhindern, zu viel von seinem guten Geld herzugeben. Dies von China mit Nordkorea. Die Befragten hatten zu China meist
sorgt für eine Umkehrung der Rollen gegenüber dem Experiment. mehr distinkte Informationen als zu Nordkorea, und sobald diese
23 Hier besteht eine höhere Risikobereitschaft beim Kunden, der lie- Informationen besondere Aufmerksamkeit erhielten (wenn also
ber akzeptiert, dass gar kein Geschäft zustande kommt, als einen China fokussiert wurde), zeigten sich weniger Gemeinsamkeiten
überhöhten Preis zu zahlen. Der Verkäufer dagegen steht im gain zwischen den Ländern.
9.2  •  Weitere Urteilsverzerrungen
191 9

Exkurs 9.3  Gemeinsame und einzigartige Merkmale  |       | 


Dass die gemeinsamen Merkmale von Entscheider sich nicht an die gemeinsamen bewerten, dann fließt in diese Bewertung vor
Optionen aus der Bewertung „herausgekürzt“ Merkmale der Optionen erinnern. Normaler- allem das ein, was dieser Rechner nicht mit
werden, ist ein generelles Phänomen und weise ist nämlich die Erinnerung an gemein- dem anderen gemeinsam hat – auch wenn gar
nicht auf Vergleiche oder Entscheidungen same Merkmale der Optionen sogar besonders kein Vergleich der Rechner gefordert war.
beschränkt. Gemeinsame Merkmale von Opti- gut (Brunner und Wänke 2006, S. 102). Vermut- Dieser Effekt wird zum Beispiel abgeschwächt,
onen werden auch dann ignoriert, wenn nicht lich beruht der entscheidende Mechanismus wenn die Bewertung erst eine gewisse
zwischen beiden entschieden werden soll, eher auf dem Problem, dass Menschen nicht Zeit nach der Begegnung mit dem Produkt
sondern beide separat bewertet werden, wenn in der Lage sind, reliable Absoluturteile zu gefordert wird. Je später das Urteil gefällt
also von jeder Option gesagt werden soll, wie ▶
fällen (  Abschn. 9.2.3), und dass sie daher für wird, desto geringer wird die Wahrscheinlich-
attraktiv sie ist (und nicht, ob sie attraktiver ist ihr Urteil stets einen Vergleichswert nutzen. keit, dass der ursprüngliche Kontext bei der
als die andere). Dieser Vergleichswert wird eben durch den Urteilsbildung wieder reaktiviert wird. Daher
Das heißt, es verschwinden die gemeinsamen Kontext geliefert. So nehmen Konsumenten wächst mit zunehmendem Abstand zwischen
Merkmale generell aus der Bewertung, nicht als Vergleichsstandard das Produkt, dem sie Präsentation und Urteil der Einfluss der
nur aus der Entscheidung zwischen den Optio- gleichzeitig oder wenigstens im selben Kon- gemeinsamen Merkmale auf die Bewertung
nen. Dieser Effekt geht nicht auf ein Gedächt- text begegnet sind. Wenn Sie also zwei Rech- (die ja ohnehin besser erinnert werden als die
nisproblem zurück – etwa in dem Sinne, dass ner vor sich haben und sollen nur einen davon einzigartigen).

Eher mehr oder weniger Gemeinsamkeiten mit einem Ver- unterschiedlich. Wenn dagegen die Reihenfolg im Satz den Fokus
gleichsobjekt zu haben, wirkt sich natürlich auf die Bewertung bestimmt, dann würden sich A und B in diesem Punkt nicht
aus: Schwarz und Scheuring (1986) befragten Probanden nach unterscheiden. Wänke (1996b) variierte in ihrem Experiment
ihrer Beziehungszufriedenheit. Zuvor sollte ein Teil der Proban- die Nennung der Optionen in der Frage und die Funktion im
den ihren realen Partner mit ihrem Partnerideal vergleichen. Der Vergleich unabhängig voneinander. Wurde die Zeitung mit dem
andere Teil sollte sich den idealen Partner vorstellen und diesen Fernsehen verglichen, dann wurde in einer experimentellen Ver-
mit dem tatsächlichen vergleichen. Die aktuelle Beziehungszu- sion das Fernsehen zuerst genannt (wie oben in Beispiel B) und
friedenheit war im ersten Fall höher als im zweiten. Im ersten in der anderen die Zeitung.
Fall gingen die Probanden von ihrem tatsächlichen Partner aus; Die Ergebnisse zeigen, dass nicht die Position im Satz, son-
daher wurden die Merkmale, die der aktuelle Partner nicht auf- dern die Funktion im Vergleich darüber entscheidet, welche
weist, mit geringerer Wahrscheinlichkeit beim Zufriedenheitsur- Option im Fokus steht: Wenn eine Alternative das Subjekt des
teil genutzt als im umgekehrten Fall, wenn der Idealpartner den Vergleichs bildet, hat sie eine größere Wahrscheinlichkeit gewählt
Ausgangspunkt bildete. zu werden, als wenn sie das Referenzobjekt ist.
Dhar und Simonson (1992) gehen davon aus, dass sich die Das bedeutet wohlgemerkt nicht, dass das Subjekt immer
ungleiche Aufmerksamkeitsverteilung vor allem dann nieder- positiver wahrgenommen wird als die Referenz: Zum einen
schlägt, wenn die Merkmale der Optionen aus dem Gedächtnis kann ja, „gewählt“ zu werden, selbst etwas Negatives bedeuten.
abgerufen werden müssen. In der Tat können sie zeigen, dass So war eine Frage in der Untersuchung von Wänke (1996b), ob
sich die Effekte verringern, wenn alle Merkmale explizit genannt die Industrie oder der Verkehr mehr zur Umweltverschmutzung
werden und dem Entscheider direkt vorliegen. beitragen. In der Tat erhielten sowohl Industrie als auch Verkehr
In vielen Fällen bestimmt die Reihenfolge der Präsentation, jeweils mehr Schuld an der Umweltverschmutzung, wenn sie das
welche Option den Ausgangspunkt des Vergleichs bildet (Hous- Subjekt des Vergleichs bildeten.
ton et al. 1989; Dhar und Simonson 1992). Wenn mir die zweite Zum anderen gibt es natürlich neben den Vergleichseffekten
Ferienwohnung nach der ersten begegnet, bildet diese auch mei- auch grundsätzliche Unterschiede in den Bewertungen. So fragte
nen Fokus, von dem meine Vergleiche ausgehen. Sie bildet sozu- Wänke (1996b) ihre Probanden danach, ob eher sie selbst oder
sagen das Subjekt des Vergleichs, das mit einem Referenzobjekt eher andere Menschen mehr Glück im Leben hatten. Hier gab es
verglichen wird. Man kann nun fragen, ob dies streng im gram- zunächst einen überwältigenden Effekt für die eigene Person: Die
matischen Sinne zu verstehen ist oder ob letztlich doch mehr die meisten Befragten glaubten von sich selbst, mehr Glück im Leben
Präsentationsreihenfolge bestimmt, wo der Fokus des Vergleichs zu haben als andere. Andererseits aber war dieser Unterschied
liegt. Betrachten wir hierzu das folgende Beispiel (nach Wänke geringer ausgeprägt, wenn die Befragten nicht sich mit den an-
1996b): deren, sondern die anderen mit sich selbst vergleichen sollten.
A Verglichen mit der Berichterstattung Ihrer Tageszeitung, ist Wenn ich also meine alte Waschmaschine mit einer brand-
das Fernsehen eigentlich besser oder schlechter? neuen vergleiche, dann wird mit hoher Wahrscheinlichkeit und
B Ist die Berichterstattung der Tageszeitung eher besser oder unabhängig von der Vergleichsrichtung das neue Produkt zu-
eher schlechter als die des Fernsehens? nächst einmal besser bewertet als das alte. Trotzdem macht dabei
aber die Richtung des Vergleichs einen Unterschied, denn wenn
In A ist das Fernsehen das Subjekt, in B ist es die Zeitung. Die ich meine alte mit einer neuen vergleiche, dann kommt die alte
Reihenfolge der Präsentation ist allerdings immer gleich: In bei- relativ besser weg, als wenn ich die neue mit meiner alten ver-
den Fällen wird die Zeitung vor dem Fernsehen genannt. Wenn glichen hätte.
nun die Rolle der Option im Vergleich für die Asymmetrien ent- Stellen wir uns vor, wir wollten in der Werbung Unzufrie-
scheidend ist, dann wären die Fokusoptionen in Beispiel A und B denheit mit dem herkömmlichen Produkt erzeugen. In diesem
192 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

Fall ist es offenbar wirksamer, wenn wir vom idealen Produkt freien: Üble Staubfänger, überflüssige „Stehrümchen“ werden
1 ausgehen, denn dann fließen die Merkmale, die das herkömmli- aufbewahrt, weil sie der Preis für einen gewonnenen 100-Me-
che nicht hat, eher in das Zufriedenheitsurteil mit ein. Es sollte ter-Lauf, eine frühe eigene Laubsägearbeit oder ein Geschenk
2 also nicht gefragt werden: „Betrachten Sie einmal Ihre Wasch- waren. Würden Ihnen dieselben Gegenstände von jemand anders
maschine; sollte eine gute Waschmaschine nicht  X, Y und Z auf dem Flohmarkt angeboten, wären Sie eher bereit, selbst Geld
haben?“, sondern: „Was sollte eine gute Waschmaschine haben? zu zahlen, nur um den Plunder nicht mitnehmen zu müssen!
3 Hat Ihre all diese Merkmale?“ Auch wenn in beiden Fällen die
alte Waschmaschine schlechter abschneiden würde als die neue,
4 dürfte dieser Effekt doch im zweiten Fall viel ausgeprägter sein. 9.3 Intuition
Die geschilderten Asymmetrien können also in der Werbung
5 für eine Änderung der Präferenzen sorgen. Derselbe Effekt ist Ob Sie Ihren nächsten Urlaub lieber am Meer oder in den Bergen
freilich für die Marktforschung problematisch. Vergleiche zwi- verbringen, kann das Ergebnis längeren Nachdenkens und Abwä-
schen Produkten sind offenbar davon abhängig, in welcher Rei- gens sein. Aber manchmal kommt es auch vor, dass Sie entschei-
6 henfolge die Produkte präsentiert werden bzw. welches Produkt den, ohne dass Sie darüber viel hätten nachdenken müssen. Sie
im Wortlaut der Instruktion das Subjekt bildet. folgen dann einer Ahnung oder plötzlichen Erkenntnis, die von
7 dem starken Gefühl begleitet ist, dass die Entscheidung richtig
ist, ohne dies genau begründen zu können. Dies könnte man als
9.2.4 Ursprungsabhängigkeit die Hauptmerkmale der Intuition bezeichnen (Gigerenzer 2008,

--
8 S. 25):
Was wäre Ihnen lieber: 1000 Euro in einer Lotterie oder bei ei- rasches Auftauchen im Bewusstsein,
9
10
nem Quiz zu gewinnen? Vermutlich würden Sie wie die meisten
Menschen einen Gewinn durch eigene Leistung höher bewerten
als durch pures Glück (Jungermann et al. 2005, S. 68 ff). Diesen
Effekt nennen Loewenstein und Issacharoff (1994) das Prinzip
- fehlende Einsicht in die tieferen Gründe dahinter,
hinreichende Stärke und Überzeugungskraft, um trotzdem
danach zu handeln.

der Ursprungsabhängigkeit (source dependency). Ökonomisch


11 gleichwertige Optionen werden unterschiedlich bewertet, je 9.3.1 Kann Intuition besser sein als bewusstes
nachdem, woher sie stammen. Dieser Effekt hat auch direkte in Entscheiden?
12 Geld messbare Konsequenzen:
Versuchspersonen erhielten Kaffeebecher mit unterschied- Es entspricht sicher nicht unserem Idealbild einer rationalen
licher Begründung. Einem Teil der Probanden erklärte man, Handlung, aber in manchen Situationen bewährt es sich nach-
13 sie hätten in einem vorangegangenen Test so gut abgeschnitten, weislich, einer solchen Ahnung zu folgen. In einem Experiment
und dies sei die Belohnung dafür; den anderen wurde erklärt, von Wilson und Schooler (1991) sollten Versuchspersonen ver-
14 sie seien durch Glück zu ihrem Kaffeebecher gekommen. Nun schiedene Sorten von Erdbeermarmelade beurteilen. Nach dem
sollten die Probanden erklären, zu welchem Betrag sie ihren Be- Urteil von Lebensmittelexperten unterschieden sich die unter-
15 cher wieder verkaufen würden. Wer den Becher durch „Leistung“ suchten Marken erheblich voneinander. Wenn die Versuchsper-
erhalten hatte, wollte im Schnitt 6,35 Dollar dafür haben, wer sonen die Marken spontan beurteilen sollten, dann entsprach
dagegen durch Glück an den Becher gekommen war, hätte durch- ihr Urteil ungefähr dem der Experten (Korrelation von r = .55).
16 schnittlich schon ab 4,71 Dollar wieder verkauft (Loewenstein Wurden die Versuchspersonen allerdings vor ihrem Urteil gebe-
und Issacharoff 1994; vgl. auch Jungermann et al. 1998, S. 67). In ten, die Gründe für ihre Präferenzen zu analysieren und aufzu-
17 dem Experiment zeigte sich übrigens auch ein Endowment-Ef- schreiben, wich ihr Endergebnis von dem der Experten deutlich
fekt: Versuchspersonen, die den Becher nicht besaßen, gaben ei- ab. Wie es scheint, haben die Probanden hier intuitiv das Bessere
nen mittleren Kaufpreis von 3,23 Dollar an. Mit anderen Worten: gewählt, und die Reflexion über die Beurteilungskriterien hat
18 Die bloße Tatsache, den Becher durch Zufall zu besitzen, erhöhte dem Urteil geschadet.
seinen Wert bereits um beinahe 1,50 Dollar. Den Becher durch Studien über die Stabilität solcher reflektierter Präferenzen
19 eigene Leistung zu besitzen, erhöhte seinen Wert noch einmal zeigen, dass Versuchspersonen in späteren Situationen wieder
um gut 1,50 Dollar. zu den Präferenzen zurückkehren, die sie ohne Reflexion gehabt
20 Für viele Menschen bedeuten Marketing und Werbung nichts hätten. In einem entsprechenden Experiment waren Personen,
wesentlich anderes, als ein Objekt aufzuwerten, ohne objektiv die eine reflektierte Wahl getroffen hatten, mit ihrer Entschei-
daran etwas zu ändern. Das Prinzip der Ursprungsabhängigkeit dung später weniger zufrieden als Personen, die spontan gewählt
21 gibt jedenfalls ein konkretes Beispiel für diese Möglichkeit ab: hatten (Wilson und Schooler 1991, S. 185).
Dieselben Gegenstände werden danach in der Tat wertvoller, je Die Arbeit von Wilson und Schooler (1991) ist eine von
22 nachdem woher sie stammen. Eine Dekofigur wird als Souvenir mehreren, in denen sich eine Überlegenheit von intuitiven ge-
oder als Geschenk zumindest für den Besitzer aufgewertet. Der- genüber reflektierten Entscheidungen zeigt – und zwar in drei
selbe Kuchen ist wertvoller, wenn er selbstgebacken ist, als wenn unterschiedlichen Gesichtspunkten:
23 er aus dem Supermarkt stammt. 1. Zufriedenheit: Probanden sollten Poster bewerten und konn-
Stellen Sie sich nur selbst einmal auf die Probe, indem Sie ten eines davon für sich selbst wählen. Wer über die Gründe
Ihren Keller oder Schränke ausmisten und von Gerümpel be- für seine Präferenzen nachdachte, war drei Wochen später
9.3 • Intuition
193 9

weniger zufrieden mit seiner Wahl als andere Personen, die mente sollten Probanden zwischen verschiedenen Autos wählen.
ihr Urteil spontan bzw. intuitiv abgegeben hatten (Wilson Die Angebote waren unterschiedlich komplex: Einige Probanden
et al. 1993). mussten Angebote mit vier Attributen bewerten, andere Proban-
2. Validität des Urteils: Nicht nur die Qualität einer gewählten den verglichen Angebote mit je zwölf Attributen. Außerdem un-
Option kann bei einer intuitiven Entscheidung besser sein terschieden sich die Autos objektiv in ihrer Qualität: Die Menge
(Wilson und Schooler 1991; s. o.). Mit einem intuitiven Ur- an positiven gegenüber negativen Merkmalen variierte zwischen
teil über ihre Beziehung sagten Probanden in einer Untersu- 25 und 75 %.
chung von Wilson et al. (1984) besser vorher, ob sie in der Bevor sie sich für ein Angebot entscheiden sollten, hatten die
Zukunft noch mit ihrem Partner zusammen sein werden, als Probanden vier Minuten Zeit. Ein Teil der Probanden sollte die
wenn sie vor ihrem Urteil reflektierten, warum sie in ihrer Frist als Bedenkzeit zu nutzen. Ein anderer Teil wurde während
Beziehung zufrieden (oder unzufrieden) sind. der vier Minuten von der Entscheidungsaufgabe abgelenkt: Sie
3. Stabilität der Entscheidung: Probanden, die über ihre Prä- sollten in dieser Zeit Anagramme lösen.
ferenzen bewusst nachdachten, änderten diese Präferenzen Die entscheidende Variable war die Häufigkeit, mit der die
häufiger als Probanden, die ohne Nachdenken spontan wähl- Probanden das bessere Auto wählten, also das Auto, das mehr-
ten (Levine et al. 1996; Nordgren und Dijksterhuis 2009). heitlich positive Merkmale aufwies. Wenn die Probanden nicht
allzu viele Informationen zu beachten hatten, profitierte die Ent-
Wir sehen: Intuitive Entscheidungen können sich von reflektier- scheidung von der Bedenkzeit: Hier wählten die Personen am
ten unterscheiden, und sie können den reflektierten Entschei- besten, die ihre Frist zum Nachdenken nutzen konnten. Bei den
dungen überlegen sein. Unter welchen Bedingungen und warum komplexen Angeboten allerdings brachte das Nachdenken gar
dies so ist, darüber gibt es noch unterschiedliche Ansichten. Wil- nichts: Die Probanden verfehlten unter dieser Bedingung das
son (z. B. Wilson et al. 1993) geht davon aus, dass die bewusste beste Auto sogar besonders häufig. Erfolgreich wählten dagegen
Überlegung den Prozess der Präferenzbildung stört, indem sie jene Probanden, die sich in der Zeit bis zur Entscheidung mit
die Aufmerksamkeit von wichtigen Attributen der Optionen ab- einem anderen Problem beschäftigt hatten.
lenkt und dadurch unwichtige Attribute zu stark gewichtet. Vermutlich haben auch Sie schon einmal die Erfahrung
Anscheinend haben Menschen tatsächlich in manchen Situ- gemacht, dass Ihnen eine Entscheidung oder die Lösung eines
ationen eine erstaunliche Fähigkeit, Wissen und Informationen Problems leichter gefallen ist, wenn Sie darüber eine Nacht ge-
zu nutzen, von deren Vorhandensein sie sich selbst keine Re- schlafen haben. Zumindest haben Sie diesen Rat sicherlich schon
chenschaft geben können. Aber für jedes genial genutzte „ge- mehr als einmal gehört. Die Experimente von Dijksterhuis (2004)
fühlte Wissen“ gibt es ein Gegenbeispiel dafür, wie man seine sollen genau diese Empfehlung hinterfragen. Die Entscheidungs-
Sache zuverlässig vor den Baum fährt, wenn man sich nur auf frist unter Ablenkung soll die Situation simulieren, die entsteht,
die Intuition verlässt. Manchmal sind Menschen vielleicht mit wenn man das Problem eine Weile lang liegen lässt und sich mit
ihrem Bauchgefühl an der Börse erfolgreich (Betsch et al. 2001; anderen Dingen beschäftigt oder schläft.
vgl. auch Borges et al. 1999; kritisch hierzu Frings et al. 2003). In Warum nun aber soll es vorteilhaft sein, Zeit vergehen zu
anderen Fällen riskieren (unerfahrene) Anleger, die sich auf ihr lassen, ohne sich mit dem Problem zu beschäftigen? Dijkster-
Gefühl beim Generieren von Argumenten für oder gegen eine huis (2004) erklärt dies mit Kapazitätsunterschieden zwischen
Geldanlage verlassen, eine falsche Entscheidung zu treffen (Flo- bewussten und automatischen Prozessen. Bewusste Informati-
rack und Zoabi 2003). Eine falsche Intuition war auch für die onsverarbeitung hat den großen Vorteil, flexibel und präzise zu
Reaktorkatastrophe in Tschernobyl verantwortlich (nämlich die sein. Sie kann auf veränderte Randbedingungen reagieren, und
intuitive Neigung, bei einem steuernden Eingriff nur Zustände, mit ihrer Hilfe können wir auch komplexeren Regeln folgen (z. B.
aber keine Prozesse zu berücksichtigen; vgl. hierzu z. B. Dörner beim Rechnen). Ihr großer Nachteil dabei ist aber die Kapazität
1992, S. 47 ff). des Arbeitsspeichers (z. B. Baddeley 2009): Wir können nur eine
Auch Wilson und Schooler (1991) betonen, dass ihre Ergeb- begrenzte Menge von Informationen simultan verarbeiten.
nisse für bestimmte Ausnahmesituationen gelten. Reflexion und Unsere automatischen Prozesse haben dieses Problem nicht
analytisches Denken bringt in verschiedenen Situationen klare – jedenfalls sofern man von der Annahme ausgeht, dass die au-
Vorteile. So hat es eine positive Wirkung, wenn man eine Per- tomatische Informationsverarbeitung nicht auf die begrenzten
son, die Angst hat, vor Gruppen zu reden, dazu auffordert, über Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses angewiesen ist. Ohne die
die Gründe dieser Angst nachzudenken (Wilson und Schooler bewusste Steuerung können wir viel höhere Mengen an Informa-
1991, S. 191). tionen parallel verarbeiten, allerdings sind solche Automatismen
verhältnismäßig unflexibel. Regeln befolgen unsere Automatis-
men allenfalls insofern, als mit ihrer Hilfe Muster erkannt wer-
9.3.2 Intuition und komplexe Entscheidungen den können (siehe jedoch ▶ Exkurs 9.4). Das Befolgen einer selbst
formulierten Regel wie „Heute will ich nicht mehr als 20 Euro
Offenbar kommt es unter anderem auf die Komplexität der Ent- ausgeben“ wird mit Hilfe automatischer Prozesse allein jedoch
scheidung an, denn davon hängt ab, ob man mit der reflektierten nicht gelingen.
oder mit der intuitiven Entscheidung das bessere Ergebnis erzielt. Aus diesen Überlegungen folgt, dass eine bewusste Problem-
Dijksterhuis (2004; vgl. auch Dijksterhuis et al. 2006) zeigt dies lösung durch Nachdenken erleichtert wird, solange die Aspekte,
anhand von Konsumentscheidungen. In einem seiner Experi- die zu bedenken sind, die Kapazität des Arbeitsspeichers nicht
194 Kapitel 9  •  Zur Psychologie der Kaufentscheidung

Exkurs 9.4  Unbewusste Kreativität  |       | 


1
Das Periodensystem der Elemente ist seinem Antworten also lauteten: 3, 7, 1, dann folgten die Personen, die die vereinfachende Regel

2 Entwickler, dem russischen Chemiker Dmitri


Mendeleyev, nach seiner eigenen Auskunft
darauf: 1, 7, 3. Wer diese Regel entdeckt hatte,
wusste schon nach der zweiten präsentierten
nicht erkannten, damit aber auch ihren Auto-
matismus weiter anwenden und perfektionie-
im Schlaf eingefallen (Beispiel zit. n. Stickgold Zahl, wie die (geforderte) siebte aussehen ren konnten. Vermutlich bindet die Anwen-
3 und Walker 2004). Paul McCartney erzählt, er
sei mit der Melodie von Yesterday aus einem
musste. Diese Probanden warteten die weite-
ren Vorgaben nicht mehr ab. In der Wach-
dung der neuen Regel erst einmal kognitive
Ressourcen – sie muss sich sozusagen über die
Traum aufgewacht (Miles 1997). Viele Entwick- Gruppe bemerkten auch 23 % der Probanden bisher erworbenen Strategien legen. (2) Vom
4 ler kreativer Leistungen behaupten, im Schlaf
zu ihren Einfällen und Lösungen gekommen
die versteckte Regel. In der Schlaf-Gruppe
erhöhte sich diese Zahl auf 59 %. Die Chancen,
Schlaf profitierten nur Probanden, die das Pro-
blem vor dem Einschlafen schon kannten. Dies
zu sein. die verborgene Regel zu entdecken, waren spricht dafür, dass der Schlaf zu einer kreativen
5 Die Bedeutung des Schlafs für kreative also nach einer längeren Schlafpause mehr als Neustrukturierung der Informationen beiträgt,
Prozesse lässt sich auch experimentell zeigen doppelt so groß. und gegen die These, im Schlaf (und im Traum)
(Wagner et al. 2004): Probanden übten eine Allem Anschein nach verfügen Menschen würden mentale Prozesse der Wachphasen
6 Reihe von Aufgaben, in denen sie Zahlreihen über ein autonomes System, das ihnen quasi nur reproduziert oder der Schlaf fördere nur
vervollständigen sollten. Einige Probanden automatisch Einsichten, Problemlösungen und ganz unspezifisch kreative Informationsverar-
konnten nach drei Übungsblöcken schlafen, Entscheidungen liefert. Erkenntnisse wie diese beitung.
7 andere Probanden hatten eine Pause ohne sprechen eher gegen die These, automatische Von besonderer Bedeutung beim Problem-
Schlaf. Die Reihen folgten unterschiedlichen Informationen seien nur reproduktiv und lösen sind übrigens die traumintensiven
und manchmal durchaus komplizierten auf einfache Prozesse wie Mustererkennung REM-Phasen. Vorgängeruntersuchungen
8 Regeln. Es gab aber auch eine Möglichkeit, die beschränkt. Dies wird auch durch weitere Be- (zit. n. Stickgold und Walker 2004) zeigen,
Aufgabe zu vereinfachen: Unabhängig von funde aus den Experimenten von Wagner et al. dass neuartige und semantisch reichhaltige

9 der allgemeinen Produktionsregel waren die


letzten drei Ziffern der Reihe stets das Spie-
(2004) gestützt. (1) Probanden, die die verein-
fachende Regel entdeckt hatten, verlangsam-
Verknüpfungen nur dann wahrscheinlicher
werden, wenn der Schlaf auch REM-Phasen
gelbild der ersten drei. Wenn die vorherigen ten ihre Reaktionszeiten. Schneller wurden nur enthalten hat.

10
übersteigen. Sobald dies geschieht, nimmt die Qualität der be- also auch automatisch ein Abwägen statt, nur eben wesentlich
11 wussten Problemlösung ab. Die nicht bewussten Prozesse sind effizienter als über kontrollierte Prozesse.
dagegen relativ unempfindlich gegenüber einer Zunahme an Dieser Abwägungsprozess braucht zum einen die Freigabe
12 Komplexität. Hier sinkt die Qualität mit der Menge an Informa- der kritischen Information, etwa durch Ablenkung oder Schlaf,
tionen nicht ab – solange die Lösung nicht wesentlich flexiblere zum anderen braucht er Zeit. Die Vorteile der intuitiven Wahl
Leistungen erfordert als etwa bloße Mustererkennung. bleiben nicht mehr bestehen, wenn die Personen weder Zeit zu
13 Entscheidungen, denen eine Phase der Ablenkung voraus- bewusstem noch zu nicht bewusstem Nachdenken hatten, son-
geht, können nicht nur die objektiv bessere Lösung treffen, sie dern ohne eine Frist sofort wählen mussten (Dijksterhuis 2004;
14 führen auch zu größerer Zufriedenheit. Dies zeigen jedenfalls Messner und Wänke 2011).
Messner und Wänke (2011) mit einem Experiment, in dem die
15 Probanden aus sechs bzw. 24 Pralinensorten wählen sollten. Es
9.3.3 Intuition als Vereinfachung
stellt sicher eine Herausforderung, vielleicht sogar eine Über-
forderung dar, aus 24 unterschiedlichen Sorten eine Auswahl zu
16 treffen. Frühere Studien zeigen auch, dass Entscheider mit einer Eine intuitive Entscheidung scheint sich nach den Befunden von
Wahl aus sehr vielen Alternativen nicht unbedingt zufriedener Dijksterhuis (2004; 2006) also dadurch auszuzeichnen, dass in
17 sind, als wenn sie aus wenigen Optionen wählen (Iyengar und ihr eine Vielzahl von Informationen höchst effizient zu einem
Lepper 2000; siehe hierzu auch ▶ Abschn. 12.4.2). Dies galt auch Urteil integriert wird (zur Effizienz von Entscheidungen siehe
18 für die Probanden von Messner und Wänke (2011), allerdings ▶ Exkurs 9.5). Dieser Idee steht eine konkurrierende gegenüber,
nur, wenn sie spontan wählen sollten oder wenn sie für fünf Mi- der zufolge Intuition darin besteht, dass man ein Minimum an
nuten über ihre Wahl bewusst nachdachten: In beiden Fällen wa- Informationen, hiervon aber gerade die richtigen verwertet (z. B.
19 ren Probanden, die aus sechs Sorten wählen konnten, zufriedener Gigerenzer et al. 1999). Auch die in ▶ Abschn. 8.3.6 beschriebene
als Probanden in der 24-Sorten-Bedingung. Wenn die Proban- „ökologische Rationalität“ ist eine solche Entscheidungsgrund-
20 den allerdings nach der Präsentation und vor der Wahl für fünf lage, bei der der Organismus durch extreme Vereinfachung sei-
Minuten Anagramme lösten, also abgelenkt waren, kehrte sich ner Strategien effektiv und effizient wird.
das Verhältnis um: Unter dieser Bedingung waren Probanden Gigerenzer (2008) erläutert diese Idee am Beispiel eines Balls,
21 zufriedener, die aus 24 Sorten wählen konnten. der in hohem Bogen auf uns zufliegt und den wir fangen wol-
Dies also ist die Idee hinter der Empfehlung, „eine Nacht über len. Interessanterweise gelingt uns diese Aufgabe erstaunlich gut,
22 dem Problem zu schlafen“: In dieser Zeit können automatische wenn man bedenkt, dass die Flugbahn von einer Unmenge an
Prozesse mit ihren höheren Kapazitäten an dem Problem arbei- Faktoren beeinflusst wird, angefangen mit der Kraft beim Abwurf
ten. Was dabei geschieht, entspricht einem Erwägen von Vor- über den Drall während des Flugs bis hin zum Luftwiderstand
23 und Nachteilen, ist also dem bewusst gesteuerten Prozess nicht und möglichen weiteren Faktoren. Errechnen wir also alle diese
unähnlich. Dies betont auch Dijksterhuis (2004), indem er seinen Größen intuitiv und kommen so zum Erfolg? Gigerenzer (2008)
Effekt den „deliberation without attention effect“ nennt. Es findet behauptet, dass hinter solchen intuitiven Leistungen ganz andere
9.3 • Intuition
195 9

Exkurs 9.5  Wie schnell können Entscheidungen sein?  |       | 


Es gibt unterschiedliche Schätzungen für die ten (es werden also nie gleich bevorzugte Für schwierige Aufgaben (also eher ähn-
minimale Dauer von Entscheidungen, aber nur Produkte gezeigt). Die Probanden sollen mit lich bevorzugte Produkte) lag die mittlere
wenige gehen von weniger als einer Sekunde den Augen so schnell wie möglich dorthin Reaktionszeit bei 411 Millisekunden, für
aus. Milosavljevic et al. (2011) erwarten aber schauen, wo das bevorzugte Produkt ist, einfache Aufgaben (also sehr unterschiedlich
ein so hohes Tempo für Entscheidungen, unter womit sie gleichzeitig ausdrücken, welches sie bewertete Produkte) beschleunigte sich die
anderem weil sich ein Unterschied zwischen wählen. Von vornherein ist bekannt, wie gern Reaktionszeit auf 386 Millisekunden, was sich
bevorzugten und weniger bevorzugten die Probanden bestimmte Produkte mögen. im statistischen Test als hoch signifikanter
Produkten hirnphysiologisch schon deutlich Damit ist die korrekte Entscheidung diejenige, Unterschied zeigte.
schneller zeigen lässt. Die Präsentation von bei der das bevorzugte Produkt gewählt wird. Die Ergebnisse von Milosavljevic et al. (2011)
Schuhen bei Frauen beispielsweise zeigt Gemessen wurde die Zeit, die die Probanden zeigen, dass Reaktionszeiten von 313 Mil-
schon nach 130 bis 180 Millisekunden zu für die Ausrichtung des Blicks benötigen. lisekunden bereits ausreichen können, um
Aktivationen in okzipitotemporalen Regionen, Diese Variable enthält natürlich nicht nur die aus zwei Produkten überzufällig häufig das
nicht aber die Präsentation von Motorrädern Zeit, die für die Entscheidung gebraucht wird, bevorzugte zu identifizieren.
(Junghoefer et al. 2010; zit. n. Plassmann et al. sondern auch die Zeit für die Identifikation Die berichtete Studie betrachtet die Wahl aus
2012, S. 21). der Objekte sowie für die motorische Aufgabe zwei Optionen. Für die Wahl aus einer Menge
Milosavljevic et al. (2011) zeigen die hohe (Blickbewegung). von 16 Optionen brauchen Probanden zwar
Effizienz von Entscheidungen anhand von Die Autoren zeigen unter anderem, dass die deutlich länger, aber auch hier ist innerhalb
Blickbewegungen: Probanden werden für Genauigkeit der Wahl zu- und die Reaktions- von etwa drei Sekunden eine zuverlässige
20 Millisekunden zwei Produkte präsentiert, zeiten abnehmen, je größer der Unterschied Identifikation und Auswahl des bevorzugten
die sie auf jeden Fall unterschiedlich bewer- in der Präferenz für die beiden Optionen ist. Produkts möglich (Reutskaja et al. 2011).

Mechanismen stecken. Zum Fangen eines Balls etwa reicht es aus, Intuitionen im Sinne von Gigerenzer (2008) nutzen wir
wenn man einer sehr einfachen Regel folgt: „Fixiere den Ball, wohl vor allem bei Gelegenheiten, die einer vertrauten Situation
während er fliegt. Bewege dich so, dass du den Winkel, in dem hinreichend ähnlich sind. Insofern deutet sich hier schon eine
du auf den Ball schaust, stets konstant hältst. Diese Strategie führt Regel an, die zwischen unterschiedlichen Intuitionskonzepten
dich mit Sicherheit an die Stelle, wo der Ball zu Boden kommt vermitteln könnte: Unvertraute Situationen, zu denen es noch
und du ihn bequem fangen kannst.“ keine Routinen gibt, profitieren vielleicht von anderen Formen
Diese „Blickheuristik“ ist ein Beispiel dafür, wie unsere Intu- der Intuition – etwa im Sinne von Dijksterhuis (2006) durch das
ition, unser „Bauchgefühl“, auf der Anwendung stark vereinfa- Integrieren einer Vielzahl von Informationen.
chender Faustregeln beruht, die aber sehr treffsicher sein können.
Ein konsumentenpsychologisch interessanteres anderes Beispiel
ist etwa die Rekognitionsheuristik (▶ Abschn. 9.1.2).
Wir betrachten die Blick- oder die Rekognitionsheuristik als
Beispiele für sehr simple Regeln, die möglicherweise die Basis
für unsere intuitiven Entscheidungen bilden. Nach der Vorstel-
lung von Gigerenzer (2008) handelt es sich bei diesen Regeln um
Werkzeuge aus einem Arsenal, das sich im Laufe der Evolution
herausgebildet hat. Auch in der Konzeption von Gigerenzer sind
diese Regeln verhältnismäßig unflexibel und bleiben auf ganz
konkrete Situationen beschränkt. So ist die oben genannte Blick-
heuristik nur auf Objekte anwendbar, die in hohem Bogen auf
uns zufliegen. Flach gespielte Bälle fangen wir mit Hilfe anderer
Intuitionen.
Auf Basis dieser Überlegungen könnte man also auch speku-
lieren, in welchen Lebensbereichen sich denn effektive Heuris-
tiken herausgebildet haben könnten und in welchen nicht. Über
Jahrtausende wird es beispielsweise eine wichtige Frage gewesen
sein, ob wir uns einer Person zuwenden und unter Umständen
gar mit ihr kooperieren sollen. Insofern ist es immerhin denkbar,
dass wir intuitive Heuristiken haben, die es uns erlauben, halb-
wegs verlässliche Aussagen darüber zu machen, wie man eine
Person nach kurzer Begegnung einzuschätzen hat. Kunden tun
dies relativ automatisch (und zum Teil durchaus treffsicher) nach
kurzer Begegnung mit Verkäufern (Ambady et al. 2006). Ande-
rerseits wird uns die Evolution kaum mit Heuristiken ausgestattet
haben, wie wir Flugzeuge fliegen oder Kernkraftwerke führen
sollen – insofern ist schon theoretisch nicht zu erwarten, dass
die Intuition hier ein guter Ratgeber ist.
197 10

Sozialpsychologische
Grundlagen
Georg Felser

10.1 Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst  –  198


10.1.1 Selbst und Selbstwert  –  199
10.1.2 Konsumentscheidungen in der Gruppe  –  200
10.1.3 Dazugehören oder Individuum sein?  –  203
10.1.4 Konsensinformationen und soziale Bewährtheit  –  206
10.1.5 Modell-Lernen: Eine soziale Variante des Lernens  –  209

10.2 Personwahrnehmung aus der Außenperspektive  –  210


10.2.1 Der fundamentale Attributionsirrtum  –  211
10.2.2 Der Dritte-Person-Effekt – 211
10.2.3 Sechs Merkmale, die sympathisch machen  –  212
10.2.4 Physische Attraktivität in Werbung und Verkauf  –  215

10.3 Die Regel der Gegenseitigkeit – quid pro quo  –  216


10.3.1 Die Regel der Gegenseitigkeit in der psychologischen Forschung  –  216
10.3.2 Gegenseitige Zugeständnisse und die Tür-ins-Gesicht-Technik  –  217
10.3.3 Gegenseitigkeitsprinzipien im Konsumentenverhalten  –  220

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
198 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Zusammenfassung: logie. Die Sozialpsychologie beschäftigt sich mit der Tatsache,


1 1. Kaufverhalten wird auf vielfache Weise sozial kontrolliert. Einen dass wir nicht auf einer Insel leben, sondern dass wir von an-
besonderen Stellenwert nehmen hierbei Familie und Partner- deren Personen umgeben sind. Viele unserer Verhaltensweisen
2 schaft ein. Die Werbung appelliert nicht selten an soziale Kont- und Konsumwünsche würden wir ohne den Einfluss anderer
rollmechanismen, wie etwa Konventionen, Modeerscheinungen, Personen nicht zeigen. Dies gilt zum Beispiel für die Variabilität
das Verhalten vergleichbarer anderer Personen oder Erforder- unserer Konsumentscheidungen: Wir wechseln unsere Produkte
3 nisse des sozialen Status. und Marken häufiger, wenn andere unseren Konsum bemerken
2. Ob eine Gruppe Marken- oder Produktwahl beeinflusst, hängt (Ratner und Kahn 2002). Die soziale Situation der Konsumenten
4 von der Produktkategorie ab. Die Beeinflussbarkeit durch die wird daher in der Werbung thematisiert. Besonders augenfäl-
Gruppe ist zudem eine Frage von Persönlichkeit und Selbstwert. lig ist das bei folgenden Produktkategorien (Kroeber-Riel und
5 Die Art des Gruppeneinflusses geht nicht auf die Gruppe als sol- Meyer-Hentschel 1982, S. 134; Fisher und Price 1992):
che zurück, sondern auf die spezifischen Gruppennormen. 1. Produkten, die aus dem üblichen Schema fallen (z. B. weil sie
3. Der Vergleich mit anderen Personen, die uns in relevanter Hin- nicht von jedem gekauft werden, die „Luxus“ sind);
6 sicht ähnlich sind, liefert uns Maßstäbe und Normen. Er bildet 2. Produkten, deren Konsum von anderen bemerkt wird, etwa

-
die Grundlage für eine Reihe von psychologisch wichtigen Pro- weil sie
7 zessen, zum Beispiel: öffentlich konsumiert werden (z. B. Genussmittel wie

--
– Urteile: etwa Präferenzurteile über Produkte; Zigaretten oder Alkohol),
am Nutzer sichtbar sind (z. B. Kosmetika),
8 – Entscheidungen: etwa Kaufentscheidungen, bei denen wir
uns noch unsicher sind; Gegenstand von Gesprächen sind (z. B. Reisen oder
– Erwerb von neuen Verhaltensweisen: etwa das „Erlernen“ Filme).
9 eines Konsumverhaltens an Modellen.
4. Wenn wir das Verhalten anderer Personen beobachten, neigen Die soziale Umwelt wirkt auf die Wahl von beiden, aber inter-
10 wir dazu, Situationseinflüsse zu vernachlässigen und den Beitrag essanterweise ist die Beeinflussung der Markenwahl vor allem
der Personmerkmale zu dem Verhalten zu hoch zu veranschla- eine Sache der zweiten Kategorie. Menschen wählen zwar häufig
gen. Dies gilt auch für die Erwartung an unser eigenes Verhalten. Marken, die auch bei anderen angesagt sind, aber sie tun das vor
11 Hieraus ergeben sich verschiedene Urteilsverzerrungen. allem dort, wo andere auch sehen, was sie haben.
5. Starke Beeinflussungswirkung geht von Personen aus, die uns Dies zeigt sich, wenn nur eine der beiden Bedingungen er-
12 besonders sympathisch sind. Diese Einflüsse werden nicht nur in füllt: Es gibt Produkte, die in der Öffentlichkeit sichtbar sind,
der Werbung, sondern auch in der direkten Interaktion deutlich. aber per se noch keinen Luxus darstellen (normale Kleidung,
Autos, Armbanduhren). Gerade hier beeinflusst die Gruppe die
13 Eine besondere Rolle im Rahmen der Sympathiemechanismen
kommt der physischen Attraktivität zu, da sie sowohl Mittel der Marke, die man wählt; die Wahl des Produkts als solches unter-
Werbung als auch ihr Gegenstand sein kann. liegt dagegen keinen sozialen Einflüssen.
14 6. In vielen für das Kaufverhalten relevanten Situationen lässt sich Dies ist genau umgekehrt bei Luxusgütern, die aber eher
die Wirksamkeit psychologischer Gegenseitigkeitsprinzipien im privaten Bereich sichtbar sind. Hier ist die erste Bedingung
15 nachweisen. Der Kern dieser Prinzipien besteht in folgenden erfüllt, die zweite aber nicht. Solche Produkte wären etwa ein
Punkten: Billardtisch, ein privates Hallenbad oder eine Sauna. Auch bei
– Eine Gefälligkeit oder ein Dienst, den mir ein anderer er- solchen Konsumentscheidungen wirkt die Gruppe, allerdings
16 weist, stellt einen Druck her, die Gefälligkeit zu erwidern. nicht auf die Wahl der Marke – die sieht ja ohnehin niemand.
– Um den Gefallen muss ich dabei gar nicht gebeten haben. Hier wirkt die Gruppe auf die Wahl des Produkts, also die Tatsa-
17 – Auch wenn mir der Gefallen nicht willkommen ist, bleibt das che, über diese Güter überhaupt zu verfügen (Bearden und Etzel
Gesetz der Gegenseitigkeit wirksam. 1982).
18 – Die Person, die mir den Gefallen tut, muss mir nicht sympa-
thisch sein, damit ich die Verpflichtung zur Gegenseitigkeit
verspüre. 10.1 Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst
19 – Die Erwiderung eines Gefallens muss keineswegs dem ur-
sprünglichen Gefallen entsprechen. Sie kann im Gegenteil Ein Großteil unseres Verhaltens wird von der sozialen Umge-
20 weit über das hinausgehen, was eigentlich erwidert werden bung kontrolliert. Diese Effekte sind nicht darauf angewiesen,
soll. dass zwischen den Individuen irgendeine Beziehung besteht. Die
– Das Nachgeben bei Verhandlungen wird wie ein Gefallen Kontrolle beginnt bereits bei der bloßen Anwesenheit anderer
21 gewertet. Ein Rückzug von einer hohen Forderung verbes- Personen. So hängt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Besu-
sert die Chancen, dass die neue Forderung, auf die man sich cher einer öffentlichen Toilette vor dem Hinausgehen die Hände
22 zurückgezogen hat, akzeptiert wird. waschen, stark davon ab, ob sich noch andere Personen im Raum
befinden (Pedersen et al. 1986; Geschlechterstereotype sind hier
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir einen allgemeinpsy- übrigens fehl am Platz: Die Autorinnen belegten den Effekt der
23 chologischen Blickwinkel eingenommen mit dem Fokus auf der sozialen Kontrolle auf das Händewaschen für die Besucherin-
menschlichen Informationsverarbeitung. Nun werden wir eine nen einer Damentoilette). Offensichtich genügt es oft, dass zum
andere Perspektive einnehmen, nämlich die der Sozialpsycho- selben Zeitpunkt verschiedene Individuen am selben Ort sind.
10.1  •  Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst
199 10

Überhaupt sind Menschen meist eher bereit, Normen zu fol- 10.1.1 Selbst und Selbstwert
gen, wenn auch andere in der Nähe sind (vgl. auch Duval und
Wicklund 1972), allerdings hängt diese Normbefolgung nicht Wenn sich Personen mit den Erfolgreichen und Gewinnern as-
von der physischen Präsenz anderer Personen ab. Attrappen ge- soziieren, so dass gleich eine ganze Nation auf einmal Papst ist,
nügen, wie das folgende Beispiel zeigt: Im Psychologie-Institut so geschieht das nicht in erster Linie, um mit der Gruppe zu ver-
der Universität Newcastle kann man sich schon seit vielen Jahren schmelzen und die Individualität aufzugeben, sondern sicherlich
Tee und Kaffee nach Belieben holen. Man bezahlt in eine honesty auch, um die eigene Person aufzuwerten und den Selbstwert zu
box, so viel man eben möchte. Bateson et al. (2006) hängten über steigern. Diese selbstwertsteigernde Funktion zeigt sich in dem
die Box wochenweise andere Bilder: entweder Blumen oder Au- Befund, dass Menschen sich besonders gern mit der Gewinner-
gen. Die Box enthielt in der Augen-Woche stets mehr Geld als in gruppe assoziieren, wenn es mit ihrem eigenen Selbstwert nicht
der Blumen-Woche (siehe auch Nettle et al. 2012, zur Abschre- so weit her ist. Dies zeigten zum Beispiel Cialdini et al. (1976):
ckung von Fahrraddieben durch die Präsentation von Augen Sie manipulierten den Selbstwert ihrer Probanden durch eine
über öffentlichen Fahrradständern). Haley und Fessler (2005) lie- fingierte Rückmeldung in einem Leistungstest. Später wurden
ßen ihre Probanden am, Computer eine Variante des Ultimatum- die Teilnehmer in einem anderen Zusammenhang nach einem
spiels spielen (das sog. „Diktatorspiel“; siehe ▶ Abschn. 10.3.2). siegreichen Spiel ihrer Hochschulmannschaft befragt. Proban-
Wenn über dem Icon zum Anklicken ein stilisiertes Augenpaar den, deren Selbstwert zuvor gedämpft wurde, sprachen von der
abgebildet war, trafen die Probanden weniger egoistische Ent- Gewinnermannschaft häufiger in der ersten Person (z. B. „Wir
scheidungen als bei einem neutralen Bildschirmhintergrund. haben ein Tor erzielt“) als Probanden, deren Selbstwert durch
Die bloße Andeutung von sozialer Kontrolle durch Attrappen die Rückmeldung gehoben wurde (▶ Exkurs 10.1).
verändert also bereits das Verhalten – ein Gruppeneinfluß ist Gruppenzugehörigkeit kann den Selbstwert steigern, aber
dazu gar nicht nötig. Menschen haben parallel zu dem Wunsch, zu einer Gruppe zu
Allerdings wird auch aus fremden Individuen auffallend gehören, auch einen starken Drang zu Dingen und Informati-
schnell eine Gruppe, die sich durch bestimmte Beziehungen der onen, die mit ihrer eigenen Personen zusammenhängen. Und
Individuen zueinander auszeichnet. Die Beliebigkeit, mit der sich auch dieser Hang ist besonders ausgeprägt, wenn der Selbstwert
Gruppen erzeugen lassen, hat schon etwas Erschreckendes. In gering ist. Dies zeigt sich beispielhaft im Name-Letter-Effekt:
sozialpsychologischen Experimenten kann man einander völlig Menschen mögen im Alphabet diejenigen Buchstaben lieber, die
fremden Versuchspersonen erklären, die Menschheit zerfalle in auch in ihrem eigenen Namen vorkommen (Nuttin 1985). Diese
zwei Gruppen: die Leute, die gerne, und die, die weniger gerne ins Vorliebe beruht keineswegs nur auf den Mere-Exposure-Effekt
Theater gehen, oder Leute, die sich beim Zählen von Schneeflo- (▶ Abschn. 4.7.2). Sie dient vielmehr der Selbstregulation. So zei-
cken nach oben, und solche, die sich nach unten verschätzen. Eine gen zum Beispiel Jones et al. (2002), dass der Name-Letter-Effekt
solche Aufteilung von Personen entspricht dem sogenannten Pa- besonders stark ist, wenn die Probanden zuvor einen Essay über
radigma der minimalen Gruppe (minimal group paradigm): Man ihre Schwächen geschrieben haben, dass der Effekt aber nur sein
gliedert die Personen in Gruppen und kann fortan mit diesen übliches Ausmaß hat, wenn Personen zuvor über ihre Stärken
Gruppen die typischen Gruppeneffekte nachweisen, angefangen geschrieben haben.
bei selektiver Bevorzugung bis hin zum Rassismus (z. B. Sherif Die Vorliebe für Buchstaben des eigenen Namens hat inte-
et al. 1961; Tajfel 1981; Turner 1987; Brown et al. 1988). ressanterweise auch zur Folge, dass Menschen Objekte, deren
Offenbar gehört nicht viel dazu, dass Menschen zu einer Namen viele Buchstaben des eigenen enthalten, bevorzugt wäh-
Gruppe werden und sich daraus psychologische Gruppenpro- len. Die positive Assoziation bleibt also nicht auf den Namen
zesse ergeben. Nach Tajfel und Turner (1986) sorgen dafür nur beschränkt, sondern wird auf die damit bezeichneten Objekte

--
die folgenden Bedingungen:
Es müssen mehr als zwei Individuen sein.
Es muss eine Regel geben, nach der man eine soziale Kate-
ausgedehnt. Dies gilt auch für Produkte. Brendl et al. (2005) lie-
ßen ihre Probanden Cracker einer angeblich japanischen Marke
probieren. Den Probanden wurden zwei Namensvorschläge zur

- gorie bildet.
Es muss einen minimalen Konsens darüber geben, wer
nach dieser Regel unter die Kategorie fällt.
Bewertung gegeben, von denen einer stets aus den ersten drei
Buchstaben des eigenen Namens bestand, die dann mit „-oki“
fortgesetzt wurden (z. B. erhielt eine Versuchsperson, die Monika
heißt, den Produktnamen Monoki zur Auswahl). In Übereinstim-
Wir haben zudem eine ausgeprägte Neigung, unsere Gruppen- mung mit den Ergebnissen von Jones et al. (2002) bevorzugten
zugehörigkeit nach außen zu kommunizieren, besonders wenn Probanden den Produktnamen, der die Buchstaben des eigenen
unsere Gruppe zur Gewinnerseite gehört. Dieses Phänomen zeigt Namens enthielt, nur dann, wenn sie zuvor einen Aufsatz über
sich zum Beispiel, wenn Sporterfolge zu feiern sind. Die Bereit- ihre persönlichen Schwächen geschrieben hatten.
schaft, sich als ein Mitglied einer Gemeinschaft auszuweisen (z. B. Die Bevorzugung des Namens hat auch eine Bevorzugung
durch Tragen eines entsprechenden T-Shirts), steigt, wenn diese des Produkts zur Folge. Dies geht allerdings nicht auf eine all-
Gemeinschaft soeben einen Erfolg zu verzeichnen hatte (Cialdini gemeine Sympathie zurück, sondern auf eine Aufwertung der
et al. 1976). Einen der absurdesten Auswüchse dieser Neigung produktspezifischen Eigenschaften. Ein Getränk, dessen Name
konnten wir nach der Wahl des ehemaligen Kardinals Ratzin- die gleichen Buchstaben wie der eigene enthält, wird also nicht
ger zum Papst Benedikt XVI. beobachten. Am 20.4.2005 lautete unspezifisch aufgewertet, sondern man erwartet vielmehr von
daraufhin die Schlagzeile der BILD-Zeitung: „Wir sind Papst.“ ihm, dass es besonders erfrischend ist und besonders gut den
200 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Exkurs 10.1  Namedropping  |       | 


1
Mein guter Freund, der Bundespräsident, hat allerdings nur, wenn sie zuvor einen Misserfolg Analysen zeigen, dass die Erwähnung des

2 mir immer schon abgeraten, mit prominenten


Bekannten zu prahlen. Das kommt nicht gut
erlebt hatte. Wer kurz zuvor bei einem Erfolg
beobachtet wurde, profitierte nicht von seiner
prominenten Freunds als manipulativ erlebt
wird und dass es vor allem diese manipulative
an. Ob er damit recht hat, zeigen unterschied- Assoziation mit den New England Patriots. Absicht ist, die zur Abwertung der Person
3 liche Experimente zu dieser Frage.
Carter und Sanna (2006) zeigen immerhin,
Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind,
schadet es einer Person eher, wenn sie sich mit
führt.
Zwei weitere Einschränkungen sind zu
dass Personen, die gerade einen Misserfolg er- einem Prominenten oder Sieger assoziiert. In bedenken: Zum einen ist nicht jeder Sieger
4 lebt haben, positiver wahrgenommen werden,
wenn sie sich mit einer Gewinnermannschaft
den Experimenten von Lebherz et al. (2009)
lasen die Probanden die Selbstpräsentation
zur Aufwertung geeignet: Carter und Sanna
(2006) wiederholten ihre Versuchsanordnung
assoziieren, als wenn sie das nicht tun. Die einer fingierten anderen Versuchsperson, die zwei Jahre später, nachdem die Patriots erneut
5 Ergebnisse von Cialdini et al. (1976) gelten also sich in Vorbereitung für eine spätere gemein- gesiegt hatten, dieses Mal aber über eine
anscheinend nicht nur für das Selbstbild der same Aufgabe in einem kurzen Text vorstellen beliebte lokale Mannschaft. Unter diesen
Person, sondern auch für das Bild, das andere sollte. Beiläufig erwähnte die Stimulusperson Umständen machte sich die Stimulusperson
6 von ihnen haben. in diesem Text, dass sie mit einem berühmten schon deutlich weniger beliebt, wenn sie sich
In dem Experiment von Carter und Sanna Sportler befreundet sei. mit dem Sieger assoziierte. Insbesondere die
(2006) sahen die Probanden einen Film, in Im Unterschied zu den Studien von Cialdini Anhänger der unterlegenen lokalen Mann-
7 dem eine Stimulusperson ein positives oder et al. (1976) oder von Carter und Sanna (2006) schaft werteten dies eher negativ.
negatives Ergebnis eines Intelligenztests er- nennt die Stimulusperson ihre Assoziation Zum anderen überschätzen Personen den
fuhr. Der Versuchsleiter fragte die Stimulusper- mit dem Prominenten, ohne danach gefragt Eindruck, den die Assoziation mit Prominen-
8 son daraufhin beiläufig, was das für ein T-Shirt worden zu sein und ohne dass ein Misserfolg ten auf andere macht: Es beeinflusst zwar
sei, das sie da trage, worauf diese antwortete: vorausgegangen wäre. Dies hat für die soziale die soziale Wahrnehmung, wenn man mit

9 „Das zeigt die New England Patriots, wir haben


den Superbowl gewonnen.“ Die Assoziation
Bewertung durchaus negative Folgen: Der Hin-
weis auf die Freundschaft mit dem Prominen-
einer anderen Person ein so oberflächliches
Merkmal wie den Geburtstag teilt (z. B. Finch
mit dem Sieger fand also erst auf Nachfragen ten hatte die geringste Beliebtheit zur Folge. und Cialdini 1989), dieser Eindruck ist aber

10 statt.
Mit dieser Bemerkung konnte sich die Stimu-
Dagegen hatte es keinen negativen Effekt,
wenn die Stimulusperson nur behauptete, ein
stets größer für die Selbstwahrnehmung. Für
die Wahrnehmung durch andere ist er eher
lusperson im Urteil der Probanden aufwerten, großer Fan dieses Sportlers zu sein. Nähere schwach (Carter und Sanna 2006).
11
Durst löscht. Die Bevorzugung des Produktnamens hatte also In diesem Fall beurteilten auch Probanden mit einem niedrigen
12 in dem Experiment von Brendl et al. (2005) vor allem für hung- Selbstwert die Marke nach den kritischen Statements negativer.
rige Personen zur Folge, dass diese auch das Produkt häufiger Allem Anschein nach hat die Selbstaufwertung durch die Beur-
wählten. teilung der Eigen- versus Fremdgruppe die Bedrohung durch die
13 Konsumverhalten kann offenbar auf sehr unterschiedliche kritische Markeninformation bereits neutralisiert. In der Folge
Weisen in den Dienst des Selbstwerts gestellt werden. So können konnten also auch Probanden mit niedrigem Selbstwert akzeptie-
14 auch positiv bewertete Marken – ähnlich wie positiv bewertete ren, dass ihre Marke doch nicht so toll ist, wie sie normalerweise
Gruppen – sozusagen als eine Erweiterung des Selbst fungieren denken.
15 und dadurch den Selbstwert erhöhen. In Übereinstimmung mit Drei Dinge sollte man aus den Untersuchungen von Lisjak
dieser Annahme finden Lisjak et al. (2012), dass markenaffine et  al. (2012) festhalten: Zum Ersten zeigen die Experimente,
Konsumenten auf eine Bedrohung ihrer bevorzugten Marke ganz dass Marken zu einem Teil des Selbst werden können, so dass
16 ähnlich reagieren wie auf eine Bedrohung ihres Selbstwerts. So ein Angriff auf die Marke wie ein Angriff auf die eigene Per-
lasen Fans der Kaffeekette Starbucks Aussagen wie: „Starbucks son erlebt wird. Zum Zweiten zeigen sie aber erneut, dass es vor
17 schlägt Kapital aus den Krankheiten der modernen Gesell- allem Personen mit niedrigem Selbstwert sind, die diese Form
schaft, indem sie mehr an unser Ego appelliert als an unsere der Selbstaufwertung verwenden. Zum Dritten zeigen sie, dass
Geschmacksnerven“ (Lisjak et al. 2012, S. 1123; Übers. GF). In Menschen den Wert und die Integrität ihres Selbst auf sehr un-
18 anderen Experimenten lasen die Probanden kritische Texte zu terschiedliche Weisen sicherstellen können. Wir verfügen über
Facebook. Solche Stellungnahmen beeinträchtigten die Bewer- einen ganzen „Zoo“ von unterschiedlichen Selbstentwürfen (Tes-
19 tung von Starbucks und Facebook für die meisten Probanden, ob ser et al. 2000; zit. n. Lisjak et al. 2012, S. 1127, sprechen von
sie nun Fan der Marke waren oder nicht – mit einer Ausnahme: einem „self-zoo“), und diese unterschiedlichen Konzepte können
20 Fans mit einem niedrigen Selbstwert hielten an der positiven Be- einander bei der Aufgabe, den Selbstwert zu sichern, ersetzen.
wertung fest. Sie zeigten damit die üblichen Strategien, die Men- Die Marke ist so gesehen nur ein Ersatz für eine andere Selbstdi-
schen auch anwenden, wenn ihr Selbstwert bedroht ist. mension, die vielleicht ebenso gut genutzt werden könnte – und
21 Dass hinter dieser hartnäckigen Immunisierung des positi- bei sich bietender Gelegenheit auch genutzt wird –, um einen
ven Markenbilds tatsächlich der bedrohte Selbstwert steht, zeigt niedrigen Selbstwert aufzubessern.
22 eine Variante des Experiments. Die Probanden sollten vor der
Beurteilung der Marke die Angehörigen ihrer eigenen und ei-
ner fremden Hochschule auf einer Reihe von positiv bewerteten 10.1.2 Konsumentscheidungen in der Gruppe
23 Merkmalen einschätzen. Diese Aufgabe gab ihnen Gelegenheit,
ihren Selbstwert an einem anderen Gegenstand, nämlich der Kaufentscheidungen werden von der Bezugsgruppe beeinflusst.
Zugehörigkeit zu einer positiv bewerteten Gruppe, zu erhöhen. Grob geschätzt werden etwa 60 % aller Kaufentscheidungen nicht
10.1  •  Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst
201 10

allein gefällt. Am stärksten orientieren sich Konsumenten an ih- (1976) beispielsweise war der vermutete Wunsch des Partners das
rer Bezugsgruppe, wenn es um teure Produkte wie Autos und zweitwichtigste Entscheidungskriterium nach dem Preis. Aber
Fernsehgeräte geht und wenn ein Produkt noch relativ neu ist daraus ergibt sich nicht, dass Liebesbeziehungen ganz ohne Fair-
(Kirchler 1995, S. 97; Kotler und Bliemel 1995, S. 284). ness auskommen. Im Gegenteil: Auch familiäre und Liebesbe-
ziehungen werden von den Beteiligten wir Außenstehenden nur
Familie und Partnerschaft dann positiv wahrgenommen, wenn sich unter dem Strich doch
Besonders die Familie spielt bei Konsumentscheidungen eine noch eine Ausgewogenheit ergibt. Das zeigt sich auch empirisch.
wichtige Rolle. Nachgewiesen ist beispielsweise der Einfluss, den So wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich der eine Partner in Zu-
Kinder auf die Kaufentscheidungen ihrer Eltern nehmen (z. B. kunft bei einer Kaufentscheidung durchsetzt, immer geringer, je
Atkin 1978; Goldberg 1990; Felser 1994; Martensen und Grøn- häufiger er sich in der Vergangenheit durchgesetzt hat (Kirchler
holdt 2008). In diesen Untersuchungen ging es freilich meist um 1995, S. 111 ff).
kindtypische Produkte wie Frühstücksflocken. Zudem scheint
der Einfluss der Kinder vor allem in den frühen Phasen der Ent- Konformität in Gruppen
scheidung groß zu sein, in denen es erst einmal darum geht, ei- Die Verhaltensunterschiede zwischen Individuen sind kleiner,
nen Bedarf zu identifizieren (Shoham und Dalakas 2005). Aber wenn sie zu derselben Gruppe gehören, als wenn sie alleine
auch die Anschaffung eines Wagens, die Bildung von Rücklagen sind. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Gruppe scheint oft die
oder die Planung einer Urlaubsreise werden häufig mit der gan- Unterschiede einzuebnen, die zwischen den Gruppenmitglie-
zen Familie vorgenommen (Kroeber-Riel 1992, S. 443 ff.; Kirchler dern bestanden haben. Oft fällt zum Beispiel das Entschei-
1995, S. 89 ff.; Kotler und Bliemel 1995, S. 286 ff.). Interessanter- dungsverhalten verschiedener Personen vielfältiger aus, wenn
weise wird der Einfluss der Kinder auf die Entscheidungen der jede Person alleine für sich selbst entscheidet. Wenn Personen
Eltern von diesen eher unterschätzt, während die Kinder selbst in Gesellschaft einkaufen, besuchen sie mehr Geschäfte, ma-
sich ihrer Einflussmöglichkeiten durchaus bewusst sind (Flurry chen mehr ungeplante Einkäufe und erzielen größere Überein-
und Burns 2005). stimmung in ihrer Warenauswahl, als wenn sie allein unterwegs
Konflikte in der Familie, vor allem in Partnerschaften, be- sind (Duncker 1938; Luo 2005; Marinho 1942; Granbois 1968;
treffen häufig Kaufentscheidungen (einschließlich die Aufnahme Reingen et al. 1984; Witt und Bruce 1972). Sommer et al. (1992)
eines Kredits für eine Anschaffung). In einer Studie von Kirchler beobachteten zufällig ausgewählte Personen im Supermarkt. Es
et al. (2001; zit. n. Kirchler et al. 2008, S. 520) lag die Quote für zeigte sich, dass Personen, die in Gesellschaft waren, sowohl
Auseinandersetzungen, die sich auf Anschaffungen und Ausga- länger im Supermarkt blieben als auch größere Mengen ein-
ben bezogen, über einen Jahreszeitraum bei 3,6 %; der Durch- kauften.
schnittswert für Konflikte lag bei 2,5 %. Kaufentscheidungen sind Foster et al. (1955) ließen die Süße von Fruchtsäften in Grup-
demnach in Partnerschaften ein ungewöhnlich brisantes Thema. pen beurteilen. Nachdem der Erste ein Urteil ausgesprochen und
Ein Konflikt zwischen den beteiligten Personen kann unter- eine Eigenschaft zugeschrieben hatte, zogen andere nach, und das
schiedliche Quellen haben. Divergenzen ergeben sich, wenn die Produkt wurde in einer gruppenkonformen Weise von allen Mit-
Partner die Attribute der Produkte unterschiedlich wahrnehmen gliedern wahrgenommen. In einem anderen Experiment (Ven-
oder wenn sie unterschiedliche Ziel- und Wertvorstellungen ha- katesan 1966) sollten Versuchspersonen die Qualität von drei
ben (Kirchler 1993, 1995, S. 92 f). Anzügen beurteilen. Es handelte sich um drei gleiche Anzüge.
Stellen wir uns vor, die Ehefrau möchte sich einen Pelzman- Den Versuchspersonen wurde aber gesagt, die Anzüge seien von
tel kaufen (Beispiel nach Kirchler 1993, S. 106). Sie kann nun unterschiedlicher Qualität. Wenn sich vermeintliche andere Ver-
mit ihrem Partner darüber uneins sein, ob dieser oder jener Pelz suchspersonen klar und eindeutig für einen bestimmten Anzug
gut verarbeitet oder zu einem angemessenen Preis zu haben ist. aussprachen, erhielt dieser Anzug auch von den tatsächlichen
Das wäre ein Sachkonflikt, den man durch Argumente beilegen Versuchspersonen deutlichere Zustimmung als ohne das klare
könnte. Votum.
Die Sache sieht aber anders aus, wenn der Partner meint, Rhodes (1997, S. 200) ließ weibliche Versuchspersonen an
Pelzmäntel kämen aus moralischen Erwägungen gar nicht in einer fingierten Fokusgruppe zum Thema Mode teilnehmen. Die
Frage. Hier prallen Werthaltungen aufeinander. Das Argumen- Probandinnen sollten eingangs einige Modefotografien bewerten.
tieren hat hier schnell ein Ende, und andere Konfliktlösungs- In einer Gruppe mit hohem sozialen Druck erfuhren die Frauen,
strategien werden wahrscheinlicher (z. B. Verführungskünste, dass ihre Bewertung später von allen anderen in der Gruppe dis-
Rückzug, vor vollendete Tatsachen stellen; Kirchler 1993). kutiert werden würde; in einer Gruppe mit niedrigem sozialen
Eine dritte Konfliktart betrifft Verteilungen in Familie und Druck erwarteten die Probandinnen, dass ihre Einschätzung
Partnerschaft. Fairness und Ausgewogenheit sind hier wichtige geheim bleiben würde. Zudem erhielten die Versuchspersonen
Kriterien. Zwar laufen Kaufentscheidungen in Liebesbeziehun- noch die – fingierten – Einschätzungen der anderen Gruppen-
gen anders ab als in Geschäftsbeziehungen. In einer Partnerschaft mitglieder, die entweder eine positive oder negative Tendenz hat-
verrechnen die Partner Vorteile und Zugeständnisse nicht mit ten. Das Urteil der anderen Gruppenmitglieder hatte nur dann
spitzem Stift. Es ist geradezu üblich, dass sich ein Partner das einen Einfluss auf die Probandinnen, wenn diese erwarteten, dass
Wohl des anderen zu eigen macht und bei der Entscheidung be- alle ihr Urteil erfahren würden. Das heißt also, nur der soziale
rücksichtigt (Kirchler 1989, 1995, S. 42 ff und S. 89 ff; vgl. auch Druck, als Abweichlerin erkannt zu werden, motivierte die Per-
Menasco und Curry 1989). In einer Untersuchung von Wind sonen überhaupt zu einer höheren Konformität.
202 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Exkurs 10.2  Warum variieren wir unsere Entscheidungen, obwohl es unseren Nutzen nicht maximiert?  |       | 
1
Menschen variieren ihre Produktwahl auch
- Personen wissen nicht, wie sich ihre Präfe-
- Sie streben nach Stimulation und Neuheit

2 dann, wenn sie eigentlich klare Favoriten


haben und sie insgesamt größeren Nutzen
(Genuss) hätten, wenn sie sich nur auf diese - renzen in Zukunft entwickeln.
Sie erwarten (irrtümlich) eine Sättigung
bei ihrer Präferenz für das favorisierte - „um ihrer selbst willen“.
Sie wollen möglichst viel über alle Optio-
nen wissen (um aus diesem Wissen heraus
3 Favoriten konzentrieren würden (z. B. Simon-
son 1990). Das heißt: Menschen entscheiden
- Produkt.
Sie gehen davon aus, dass keine Option
- ihre Wahl weiter zu optimieren).
Sie wollen für neue Optionen offen blei-

4
hier wieder einmal nicht nutzenmaximierend.
Hierfür wurde bereits eine Vielzahl an Erklä-
rungen diskutiert, wie die folgende Auswahl
zeigt (Ariely und Levav 2000; Ratner und Kahn
auf allen Attributen „perfekt“ ist, so dass
sie auch einmal auf weniger attraktive
Optionen ausweichen müssen, um bei
einem bestimmten Attribut eine hohe
- ben.
Es gibt eine evolutionär bereits fest-
gelegte Tendenz des Menschen, nach
Abwechslung und Vielfalt zu streben.
5 2002): Ausprägung zu haben.

6 Nicht nur Werturteile, sondern auch der konkrete Konsum nicht per se bereits die Tendenz zur Konformität. Auch hierfür
scheinen sich in Gesellschaft anzugleichen. So verringert die ist die spezifische Gruppennorm entscheidend, wie die folgenden
7 Anwesenheit anderer die Unterschiedlichkeit der konsumier- Beispiele zeigen.
ten Mengen beim Essen (vgl. auch Herman et al. 2005). Hinzu Ariely und Levav (2000) ließen in einer Kneipe die Gäste
kommt, dass Menschen auch mehr essen, wenn sie in einer unter vier verschiedenen Biersorten wählen. Wenn jeder für
8 Gruppe sind. Auch dieser Einfluss beginnt bereits, wenn belie- sich alleine wählte, ähnelten sich die Entscheidungen stärker, als
bige andere anwesend sind, er ist allerdings stärker, wenn die An- wenn die Gäste am Tisch nacheinander wählten. Wie es scheint,
9 wesenden eine Gruppe bilden. Die berichteten Steigerungsraten zogen die Gäste in Betracht, welche Biersorten bereits „verge-
durch die Anwesenheit anderer Personen liegen zwischen 33 und ben“ waren, und wählten unter den übrig gebliebenen. Die später
10 96 %, je nach Art und vor allem Größe der Gruppe (Wansink wählenden Gästen folgten hierbei einer Norm, der zufolge sich
2004). in der Wahl Individualität und über alle Gäste hinweg Vielfalt
Allerdings gibt es auch durchaus Ausnahmen zu der oben ausdrücken sollte.
11 genannten Regel, dass Menschen in Gesellschaft mehr essen. Das Bemühen um Vielfalt in der Wahl hat aber zur Folge,
Bestimmte soziale Situationen verringern die Verzehrmengen, dass die später wählenden Gäste mit ihrer Wahl weniger zu-
12 beispielsweise ein Essen im Rahmen einer Bewerbung oder ein frieden sind als Gäste, die unabhängig von der Gruppe gewählt
erstes „Date“ (Wansink 2004). Entscheidend ist also nicht die haben, oder die zuerst wählenden Gäste. Offenbar macht es die
soziale Situation per se, sondern die spezifische Norm, die mit Wählenden nicht zufriedener, wenn sie sich um Vielfalt bemü-
13 ihr einhergeht. Dieser Punkt wird uns im Folgenden weiter be- hen. Diesen Effekt beobachtet man übrigens auch in anderen
schäftigen. Zusammenhängen, wie ▶ Exkurs 10.2 zeigt.
14 Hier steht neben den in ▶ Exkurs 10.2 diskutierten Gründen
Gruppennormen sind entscheidend noch ein weiterer Aspekt im Mittelpunkt: Vielfalt und Abwechs-
15 Familien beeinflussen noch in anderer Weise das Kaufverhalten. lung werden sozial stärker gebilligt als das Beharren bei immer
So ist zum Beispiel die Neigung zu ungeplanten Impulskäufen der gleichen Wahl. Empirisch jedenfalls unterscheidet sich das
geringer, wenn Personen mit Familienmitgliedern zusammen soziale Image von Abwechslung im Unterschied zum Beharren.
16 einkaufen (Luo 2005). Den umgekehrten Effekt hat dagegen die Menschen, die ihre Wahl eher abwechslungsreich gestalten, wer-
Anwesenheit von Freunden und Peergroups (Peers). In Gesell- den als aufregender, amüsanter, offener und flexibler erlebt als
17 schaft von Freunden und Gleichaltrigen neigen Personen stärker Menschen, die immer wieder das Gleiche wählen. Letztere gel-
zu impulsiven Kaufentscheidungen. Luo (2005) erklärt diesen Ef- ten eher als beschränkt, langweilig, öde und rigide (Ratner und
fekt mit den jeweiligen Gruppennormen: Die Familie steht eher Kahn 2002). Es verbessert also das soziale Ansehen, wenn man
18 für langfristige Ziele und das Funktionieren der Gemeinschaft. abwechslungsreich wählt.
Ein ungeplanter Kauf aus einer Laune heraus würde die dazuge- Den Charakter der sozialen Norm untermauern weitere
19 hörenden Normen verletzen. Freunde und die Peers stehen eher Studien von Ratner und Kahn (2002). In einem dieser Experi-
für den Augenblick und den unmittelbaren Genuss. Gerade in mente konnten die Probanden fünf beliebige Schokoriegel aus
20 jüngeren Peers wird Impulsivität oft mit Spontaneität gleichge- den folgenden Marken wählen: Kit Kat, Snickers, Starburst, Nestlé
setzt und positiv bewertet. Ein ungeplanter Kauf entspricht daher Crunch und Sweet Tarts. Ein Teil der Probanden traf seine Wahl
der Gruppennorm. anonym (private Wahl). Ein anderer Teil wählte so, dass andere
21 Wichtig ist für den Gruppeneinfluss also nicht die Gruppe als die erfuhren, was sie wählten (öffentliche Wahl). Probanden
solche, sondern die spezifische Gruppennorm. Gruppennormen in der privaten Wahl wählten im Schnitt 2,67 unterschiedliche
22 können auch einen anderen scheinbaren Widerspruch auflösen: Marken, in der öffentlichen Bedingung wählten sie 3,31 unter-
Oben habe ich Studien zitiert, nach denen Personen, die in Ge- schiedliche Marken.
sellschaft einkaufen, in ihren Bewertungen und der Produktwahl Außerdem wählten Probanden in der öffentlichen Bedingung
23 stärker übereinstimmen. Andere Studien zeigen dagegen, dass mit gleicher Wahrscheinlichkeit Marken, die sie mochten, und
die Anwesenheit anderer die Tendenz verstärkt, vielfältig und solche, die sie nicht mochten. In der privaten Bedingung wählten
abwechslungsreich zu wählen. Gruppen verstärken offensichtlich Probanden dagegen nur Marken, die sie auch mochten.
10.1  •  Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst
203 10

Exkurs 10.3  Self-Monitoring  |       | 


Das Merkmal des Self-Monitoring wurde von Dieses Merkmal hat auch Einfluss darauf, wie „When it comes to taste everyone draws the
Snyder (1974) beschrieben. Nach dieser Idee Werbeargumente wirken: High Self-Monito- same conclusion.“ Die abhängige Variable
unterscheiden sich Personen darin, wie wich- rers achten mehr auf die Imagewirkung eines war der Preis, den die Probanden maximal für
tig es ihnen ist, wie andere über sie denken, Produkts, während Low Self-Monitorers mehr den Whisky ausgeben würden. Wie erwartet
und ob sie der sozialen Norm entsprechen. auf die Qualität achten. Snyder und DeBono würden die High Self-Monitorers in der Image-
Personen mit hohen Ausprägungen auf dem (1985) zeigten zwei Versionen einer Anzeige, version mehr für den Whisky bezahlen als in
Merkmal überwachen ihr Verhalten ständig bei der eine Flasche Whisky auf einem Stapel der Qualitätsversion (9,8 vs. 8,1 Dollar). Bei den
und sind sehr auf ihre Außenwirkung bedacht. von Bauzeichnungen für ein Haus stand. In Low Self-Monitorers war das Verhältnis genau
Sogenannte Low Self-Monitorers kümmern der Imageversion lautete der zugehörige umgekehrt (7,7 vs. 8,7 Dollar).
sich weniger darum, wie sie auf andere wirken. Text: „You’re not moving in, you’re moving
Sie handeln vor allem nach eigenen Prinzipien. up.“ In der Qualitätsversion hieß es dagegen:

Eine zweite Studie sollte klären, welche Rolle die Selbstdar- nicht mögen, als bei einer individuellen, denn auch hier folgen
stellung gegenüber der Gruppe spielt: Einem Teil der Probanden sie ja eher einer Norm als ihrem eigenen Geschmack.
wurde gesagt, dass ihre Wahl anonym sei, einem anderen Teil, die Vielleicht sollten Sie sich diese Befunde besonders gut mer-
Wahl würde durch andere bewertet, und zwar danach, wie inte- ken, denn das Thema „sozialer Einfluss“ wird allzu sehr von
ressant oder wie vernünftig (rational) sie sei. Außerdem wurden Begriffen wie „Herdenverhalten“ und „Konformitätsdruck“
die Probanden danach eingeteilt, ob sie hohe oder niedrige Werte dominiert, auch von „Lemmingen“ ist nicht selten die Rede
im Merkmal „Self-Monitoring“ hatten (▶ Exkurs 10.3). (z. B. ▶ http://www.ariva.de/forum/Von-Lemmingen-und-Kursbla-
Ratner und Kahn (2002) zeigen, dass Personen, die stark auf sen-60469; Abruf 10.6.2012). Sozialer Einfluss besteht aber, wie
ihre Außenwirkung achten (High Self-Monitorers), stärker va- wir hier sehen, eben gerade nicht darin, dass andere uns zum
riieren, wenn sie nach der Interessantheit ihrer Wahl bewertet stumpfsinnigen Nachahmen anstiften. Auch wenn uns – etwa
werden, aber weniger variieren, wenn ihre Wahl nach Rationa- über das Funktionieren der Spiegelneuronen und über Mecha-
lität bewertet wird. Demnach suchen vor allem solche Personen nismen des Embodiment (▶ Abschn. 6.1 und 6.2.2) – solche Ver-
Vielfalt, die darauf achten, wie sie auf andere wirken, und die haltenstendenzen innewohnen, würden wir doch die Pointe der
gerne originell und interessant wirken wollen. sozialen Beeinflussung übersehen, wenn wir in ihr nur die Folge
Eine dritte Studie sollte klären, inwieweit die Suche nach eines „Nachahmungs- oder Herdentriebs“ sehen.
Vielfalt eine soziale Norm ist. Bekanntlich können soziale Nor-
men bereits durch einen einzigen Abweichler von der Norm auf-
geweicht und außer Kraft gesetzt werden (z. B. Allen und Levine 10.1.3 Dazugehören oder Individuum sein?
1969). In dieser Studie sollten die Probanden verschiedene Vor-
speisen zusammenstellen. Sie erfuhren von einer anderen Person, Individualität und Konformität werden in unterschiedlichen
die ebenfalls gewählt hatte, dass sie eine Lieblingsspeise hat, die Kontexten zwar unterschiedlich betont. Beides ist aber als Be-
sie immer wieder wählt. Dies sollte ein Hinweis darauf sein, dass dürfnis bei uns angelegt und beeinflusst unser Verhalten: Men-
es „in Ordnung“ ist, immer das Gleiche zu wählen. Ohne diesen schen suchen einerseits Anschluss an Gruppen und wollen dazu-
Hinweis streben die Entscheider mehr Vielfalt an, wenn andere gehören. Dies hat auch objektive Vorteile: Menschen, die soziale
ihre Entscheidung sehen. Dieser Effekt verschwindet aber, sobald Kontakte pflegen und integriert sind, leben länger und sind dabei
die soziale Norm durch den Hinweis außer Kraft gesetzt wird. seelisch und körperlich gesünder als Menschen, die isoliert und
Die beschriebenen Studien zeigen, dass Konsumenten in sozial vernachlässigt leben (Myers 1999; ▶ Exkurs 10.4).
ihren Produktentscheidungen sowohl intra- als auch interindi- Andererseits gibt es starke Evidenz dafür, dass Menschen sich
viduelle Vielfalt anstreben, um damit einer sozialen Norm zu dagegen wehren, in einer Gruppe unterzugehen und ihre Indivi-
genügen. Die soziale Norm besteht darin, dass Vielfalt und Ab- dualität aufzugeben. Manche Produkte werden geradezu dadurch
wechslung positiver bewertet werden als Gleichförmigkeit und abgewertet, dass eine Mehrheit von Konsumenten sie bereits
dass Individualität positiver gewertet wird als Konformität. Wenn nutzt. Ein Produkt, das viele verwenden, kann keine Individu-
wir dieser Norm genügen, tun wir dies auf Kosten unseres per- alität ausdrücken. Allerdings sind nicht alle Produkte gleicher-
sönlichen Nutzens, denn in jedem Fall wählen wir dabei häufiger maßen identitätsrelevant: Berger und Heath (2007) zeigen, dass
Dinge, die wir gar nicht mögen. Konsumenten bei Gegenständen wie Musik, CDs oder Frisuren
Dass die Motivation hinter diesem Verhalten in der Tat eine die Meinung einer Mehrheit meiden, dass sie aber bei Spülmittel,
soziale Norm ist, zeigen auch kulturvergleichende Studien: Ari- Rucksäcken oder Stereoanlagen bereit sind, einer Mehrheitsmei-
ely (2008, S. 284) wiederholte die Bierstudie in Hongkong, also nung zu folgen. Aussehen und Musikgeschmack werden erwar-
einer Umgebung, in der Konformität positiver bewertet wird als tungsgemäß deutlich häufiger genutzt, um eine erwünschte Iden-
in westlichen Kulturen. Hier finden sich gegenteilige Ergebnis- tität auszudrücken, als die Marke des Spülmittels (vgl. auch Boer
muster bei sequentiellen Entscheidungen: Personen bestellen et al. 2011). Wenn ein Produkt erfolgreich als identitätsrelevant
eher die gleichen Marken wie die Person vor ihnen. Dies führt kommuniziert bzw. positioniert wird, ändert sich entsprechend
selbstverständlich ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Personen bei die Reaktion der Konsumenten auf das Verhalten der anderen:
einer sequentiellen Bestellung häufiger etwas wählen, was sie Identitätsstiftende Produkte werden gemieden, wenn viele andere
204 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Exkurs 10.4  Retroprodukte zur Steigerung der Zugehörigkeit  |       | 


1
Adidas bringt Schuhe in einem Design heraus, Experimente von Loveland et al. (2010). Sie bewerteten in jeder Produktkategorie die nos-

2 das vor Jahrzehnten aktuell war, viele Produkte


aus den neuen Bundesländern pflegen be-
aktivierten bei ihren Probanden das Bedürfnis
nach Zugehörigkeit, indem sie genau dieses
talgischen Produkte positiver als nicht isolierte
Probanden.
wusst ein Ost-Image, selbst Raider ist wieder Bedürfnis frustrierten: In einem weiteren Experiment durften
3 auferstanden und heißt nicht mehr nur Twix
(. Abb. 10.1). Warum sind Produkte aus der
Die Probanden spielten am Bildschirm
ein elektronisches Ballspiel, bei dem sie
die Probanden nostalgische oder aktuelle
Keksmarken probieren. Hier wurde nach dem
Vergangenheit populär? Ein Grund dafür ist entweder häufig oder sehr selten angespielt Probieren ihr Zugehörigkeitsbedürfnis erneut
4 vermutlich, dass der Gebrauch dieser Produkte
ein Gefühl der Zugehörigkeit befriedigt. Die
wurden. Eine darauf folgende Priming-Auf-
gabe stellte sicher, dass diese Manipulation
gemessen: Es verschwand – allerdings nur,
wenn sie von der Retrokeksmarke probier-
Produkte stammen für viele Konsumenten Gefühle der Integration oder der Isolation ten. Übrigens zeigten sich die Effekte in den
5 aus einer Zeit, die sie selbst erlebt haben, die erzeugt hatte. Experimenten von Loveland et al. (2010)
sie als eine „gute alte Zeit“, als Kindheit oder Schließlich sollten die Probanden Produkte unabhängig davon, ob die Probanden die nos-
Jugend verklären können und die im Rückblick nach ihrer Attraktivität bewerten, wobei in talgischen Produkte aus ihrer eigenen Jugend
6 behütet und geborgen erscheint. Dass diese jeder Kategorie sowohl nostalgische Produkte kannten oder nicht. Das Durchschnittsalter
Nostalgie in der Tat etwas mit dem Bedürfnis aus der Vergangenheit und aktuelle Produkte ihrer Teilnehmer lag je nach Studie bei 21 bis
nach Zugehörigkeit zu tun hat, belegen die zu bewerten waren. Die isolierten Probanden 43 Jahren.
7
nicht durch die Wahl des knappen Guts aus (Van Herpen et al.
8 2009). Allerdings hat diese Strategie einen erheblichen Nachteil:
Ein offensichtlich begehrtes Produkt hat ja vermutlich durchaus
9 attraktive Eigenschaften, die einem entgehen, wenn man nun
gezielt etwas anderes wählt. Genau das Problem hatten die Pro-
10 banden im oben beschriebenen Bierexperiment von Ariely und
Levav (2000; siehe auch ▶ Abschn. 10.1.2).
Die geschilderte Situation birgt also einen Konflikt: Man
11 kann durch seine abweichende Wahl zwar seine Individualität
kommunizieren, es ist aber häufig durchaus sinnvoll, das zu
12 tun, was andere schon vorgemacht haben und was sich allein
dadurch schon bewährt hat (siehe hierzu auch ▶ Abschn. 10.1.4).
Der Schlüssel zur Lösung des Konflikts liegt in dem Ausdruck
13 „seine Individualität kommunizieren“: Van Herpen et al. (2009)
zeigen, dass Konsumenten in einer solchen Situation dem Bei-
14 spiel der anderen folgen, wenn niemand von ihrer Wahl erfährt.
Wenn sie dagegen in einem nahen Geschäft einkaufen, in dem sie
15 Bekannte treffen und in dem es entsprechend „nahe“ Personen
waren, die das Regal leergekauft haben, dann entscheiden sich
Konsumenten für das abweichende Produkt. Das Bedürfnis, sich
16 .. Abb. 10.1 Produkte, deren Design an die Vergangenheit erinnert, können zu unterscheiden, betrifft also vor allem eine Unterscheidung, die
ein Gefühl der Zugehörigkeit erzeugen. von nahestehenden anderen auch bemerkt wird.
17 Das Beispiel zeigt, dass Individualität kein stets dominieren-
sie benutzen, insbesondere wenn die anderen Verwender eine des Bedürfnis ist. Menschen handeln vielmehr situationsange-
unattraktive Identität repräsentieren (Berger und Heath 2007). passt – schließlich müssen sie ohnehin zwei sehr unterschiedliche
18 Um Individualität und Einzigartigkeit zu kommunizieren, Motive miteinander vereinbaren: das Bedürfnis „dazuzugehören“
wählen Konsumenten auch gerne knappe und seltene Produkte. und das Bedürfnis einzigartig zu sein. Beide Bedürfnisse müssen
19 Hier sind zunächst zwei unterschiedliche Arten von Knappheit ausbalanciert werden.
zu unterscheiden: Die eine betrifft Produkte, von denen es ob- Menschen streben einen Zustand optimaler Distinktheit an.
20 jektiv nicht so viele gibt. Diese Produkte werden durch ihre Sel- Mit Hilfe verschiedener Strategien versuchen wir also, in einem
tenheit aufgewertet – und zwar vermutlich nicht nur aus dem für uns befriedigenden Ausmaß anders zu sein als die anderen
Grund, weil man mit ihnen Individualität ausdrücken kann (Van und trotzdem dazuzugehören. Diese Strategien wollen wir im Fol-
21 Herpen et al. 2009), sondern auch weil sie psychologische Reak- genden näher betrachten: Solange wir uns die Gruppen aussuchen
tanz auslösen (▶ Kap. 11). können, zu denen wir gehören möchten, regulieren wir die op-
22 Eine Knappheit, die dadurch entsteht, dass andere das Pro- timale Distinktheit durch die Wahl der Gruppe. Können wir die
dukt ebenfalls begehren, kann dagegen ganz andere Effekte nach Gruppe nicht wählen, findet die Regulation über Wahrnehmungs-
23 sich ziehen. Wenn etwa ein Produkt im Regal nahezu ausverkauft
erscheint, zeigt dies an, dass viele andere es bereits gekauft haben.
Dies würde dafür sprechen, lieber nicht das zu kaufen, was alle
anderen auch haben. Individualität drückt man hier also gerade
-
und Interpretationsprozesse statt (Hornsey und Jetten 2004):
Gruppengröße: Um das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu
befriedigen, wählen wir eher kleine Gruppen. Große Grup-
pen befriedigen dieses Bedürfnis schlechter, sie werden
10.1  •  Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst
205 10

also eher gewählt, wenn das Bedürfnis nach Zugehörigkeit

- schwächer ist oder auf anderem Wege befriedigt wird.


Subgruppen: Befindet man sich zwangsweise in einer gro-
ßen Gruppe (z. B. einem großen Unternehmen), bilden sich
schnell Subgruppen, die dann ihrerseits optimale Distinkt-
heit bieten. Solche Subgruppen können ganz offiziell beste-
hen, wie etwa Gryffindor und Slytherin auf Hogwarts, oder
auch halb offiziell, wie etwa der linke und der rechte Flügel
einer Partei. Sie können auch ganz willkürlich entstehen,
wie zum Beispiel die Mieter im Hochhaus, die im selben
Stockwerk wohnen. Grundsätzlich ist die Neigung, solche
Subgruppen aufzusuchen oder zu konstruieren umso grö-

- ßer, je größer die übergeordnete Gruppe ist.


Anders sein: Immer wieder bilden sich Moden heraus, die
mit einer paradox anmutenden Einstellung gepflegt wer-
den: Zum einen muss sich der Anhänger der Mode deutlich
.. Abb. 10.2  Wer eine Harley-Davidson fährt, ist Teil einer großen Gemein-
schaft, die Individualität zur Gruppennorm erhoben hat. Dazuzugehören
und trotzdem Individuum zu sein, ist hier besonders einfach. (© gargiulo73
vom konventionellen Fall abheben, zum anderen befolgt
– Fotolia.com)
er dazu aber seinerseits strenge Konventionen. Beispiele
hierfür sind etwa Mode und Haartracht aus der Hippiezeit
ebenso wie bei der Punkbewegung oder – etwas jünger Möglichkeit des Ausbalancierens dann entfällt. Unabhän-
– die auf die Spitze getriebene Nachlässigkeit der „Gefäng- gig von der Gruppengröße ermöglicht aber die Rolle eines
nis“-Mode mit bis weit unterhalb des Hinterns schlabbern- Gruppenführers immer, dass sich die Person distinkt und
dem Hosenbund. Diese Paradoxie löst sich auf, wenn man gleichzeitig integriert fühlt. Dies wird besonders erleichtert,
das im Grunde hoch konforme Verhalten als eine weitere wenn der Gruppenführer auch in besonderer Weise die
Strategie versteht, die optimale Balance zu finden zwischen
dem Bedürfnis dazuzugehören und anders zu sein.
In diesem Zusammenhang kann man auch das Phänomen
der „horizontalen Feindseligkeit“ beobachten. Betrachten
- Eigenschaften der Gruppe verkörpert.
Individualität als Gruppennorm: Wieder eine Episode aus
dem Leben des Brian: Unser Held wird irrtümlich für
den Messias gehalten. Verzweifelt fleht Brian die riesige
wir hierzu zum Beispiel Brian, einen jungen Mann, der Menschenmenge an, die ihm bis nach Hause gefolgt ist, sie
etwa 25 Jahre nach Christi Geburt im römisch besetzten sollten endlich aufhören, nach jemandem zu suchen, der
Palästina Anschluss und Freunde sucht. Er bewirbt sich ihnen sagt, was zu tun sei, und stattdessen versuchen, wie
um Aufnahme in die „judäische Volksfront“, einer Wider- Individuen zu denken. Einstimmig antwortet die Menge:
standsbewegung gegen die römischen Besatzer. Doch als er „Ja, wir sind alle Individuen“ (Jones 1979). Tatsächlich gibt
sich mit diesem Ansinnen einer Gruppe von Widerständ- es Beispiele für die paradoxe Strategie, dass man sich einer
lern nähert, erntet er zu seiner Überraschung die größte Gruppe anschließt, die Individualität zur Gruppennorm
Verachtung: „Verzieh dich! ,Judäische Volksfront‘, Quatsch! erhebt, etwa die Marke Harley-Davidson. „Man wird auf
Wir sind die Volksfront von Judäa.“ Es kostet Brian einige den Straßen dieser Welt kaum zwei identische Produkte
heftige Schimpftiraden auf die Römer, um den anderen der Marke finden. Denn in diesem kultisch eng geführten
zu beweisen, dass er die Gruppennorm erfüllt. Er wird System herrscht ,Gruppenzwang zum Individualismus‘, wie
aufgenommen, aber man schärft ihm ein: „Es gibt Typen, es ein Biker einmal formulierte. Jeder Fahrer ist nach dem
die wir noch mehr hassen als die Römer: Diese verfluchten Erwerb verpflichtet, sein Motorrad durch Zubehör und
Judäische-Volksfront-Mistkerle“ (Jones 1979). Oft bilden Dekoration in eine besondere, in ,seine‘ Harley zu verwan-
sich also für Außenstehende unverständliche Feindseligkei- deln. Dass trotzdem selbst Autofahrer jede Harley sofort
ten zwischen einzelnen Gruppen, die eigentlich demselben identifizieren können, erklärt sich aus einigen wenigen un-
Status angehören und sich daher eher unterstützen als veränderlichen Merkmalen wie der V-förmigen Anordnung
bekämpfen sollten. Die Statusähnlichkeit bedroht die Ein- der Zylinder in Verbindung mit einem unverwechselbaren

- zigartigkeit, mit der die jeweilige Gruppe „anders“ ist.


Rollendifferenzierung: Die optimale Distinktheit können
Gruppenmitglieder auch durch ihre Rollen erreichen.
Manche Rollen in Gruppen können nur durch eine Person
- Sound“ (Brandmeyer 2002, S. 32 f; siehe auch . Abb. 10.2).
Primus inter pares: Der als Augustus bekannte römische
Kaiser Octavian wusste genau, wie allergisch die Römer auf
eine Abschaffung der Republik reagieren. Um den Eindruck
ausgefüllt werden, zum Beispiel in einer Familie die Rolle seiner Alleinherrschaft abzuschwächen, bezeichnete er sich
der Mutter. Eine solche Rollenzuweisung birgt für die selbst nur als „Ersten unter Gleichen“, als „primus inter pa-
betroffene Person die Möglichkeit, sich als Individuum zu res“. Was er nach außen nur sein wollte, war ein besonders
fühlen und trotzdem integriert zu sein. Normalerweise ha- herausragender Repräsentant all dessen, was Rom aus-
ben nur kleinere Gruppen die Möglichkeit, ihre Rollen ein- machte. Für Octavian war es PR, für andere ist es aber eine
fach zu besetzen. In größeren Gruppen werden Rollen oft weitere Strategie zum Ausbalancieren von Zugehörigkeit
von mehreren Personen gleichzeitig ausgefüllt, so dass diese und Individualität: Menschen neigen grundsätzlich dazu,
206 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

sich selbst als noch besserer Repräsentant der Gruppen- werden weitergehen und Sie für einen Spinner halten. Gehen
1 norm anzusehen als die durchschnittlichen Gruppenmit- Sie am nächsten Tag zu derselben Stelle und bringen Sie vier
glieder (Codol 1975). Ist eine Gruppe durch Kooperativität Freunde mit, die gleichzeitig mit Ihnen eine Minute lang
2 ausgezeichnet, dann neigen individuelle Gruppenmitglie- in den leeren Himmel starren. Nach Milgram et al. (1969)
der dazu, sich selbst als überdurchschnittlich kooperativ haben Sie die Chance auf die Gesellschaft von etwa 80 % der
3
4
zu sehen; wäre dieselbe Gruppe durch Kreativität definiert,
würde sich das einzelne Mitglied tendenziell für kreativer
halten als die anderen Mitglieder. Dieser Effekt geht über
die grundsätzliche Tendenz hinaus, sich selbst in übertrie-
- Passanten.
Ein Tipp für die Pferderennbahn: Die Gewinnquoten eines
Pferds hängen davon ab, wie viel Geld auf dieses Pferd ge-
wettet wurde. Personen, die sich mit dem Pferderennen nicht
bener Weise positive Merkmale zuzuschreiben. Der ent- gut auskennen, setzen häufig auf Pferde, auf die auch viele
5 scheidende Punkt ist hier die Abgrenzung zu den anderen andere gewettet haben. Sie können dann zwar nicht allzu
Mitgliedern der eigenen Gruppe. Die einzelne Person kann viel Geld gewinnen, dafür haben sie aber wahrscheinlich auf
sich so deutlich von den anderen abheben, ohne dabei ihre den Favoriten gesetzt. Sie folgen einfach dem Beispiel vieler
6 Konformität mit der Gruppennorm zu verletzen: Sie be- anderer, die es vermutlich besser wissen als sie selbst und die
hauptet einfach von sich, sie stimme selbst noch konformer deshalb ihr Geld mit wenig Risiko eingesetzt haben. Wenn
7 mit dieser Norm überein als andere. man dagegen das große Geld machen will und zudem die
Favoriten des Rennens schon vor dem Wetten kennt, dann
empfiehlt sich eine andere Strategie: Sofort nach Öffnen
8 10.1.4 Konsensinformationen und soziale des Wettbüros setzt man einen nennenswerten Betrag auf
Bewährtheit ein schwaches Pferd. An der Tafel erscheint dieses Pferd
9 daraufhin mit einer entsprechenden Quote. In einem frühen
Stellen Sie sich vor, Sie stehen bereits eine geraume Zeit auf einer Stadium sieht es für den uneingeweihten Beobachter wie der
10 zweispurigen Strecke im Stau. Immer wieder geht es zähflüssig vo- Favorit aus. In diesem Augenblick werden viele Nichtexper-
ran, und bei einem dieser mageren Impulse nach vorn bemerken ten auf den vermeintlichen Favoriten setzen, was sich in der
Sie, wie einige Ihrer Vorderleute die Spur wechseln. Es gibt keinen entsprechenden Quote äußert, woraufhin wieder andere von
11 ersichtlichen Grund dafür. Eine Fahrbahnverengung wurde nicht der Favoritenrolle des Außenseiters überzeugt werden, und
angezeigt und ist auch nicht vorauszusehen. Keine der beiden Spu- so fort. Auf den tatsächlichen Favoriten wird auf diese Weise
12 ren hatte bisher den Eindruck besonderer Vorzüglichkeit gemacht. verhältnismäßig wenig Geld gesetzt. Wenn man nun seine
Was also sollen Sie tun (Beispiel nach Cialdini 1993)? Je unsicherer eigentliche Wette abschließt, hat man einen umso höheren
13
14
und unklarer Ihnen selbst die Situation ist, desto eher werden Sie
geneigt sein, das Verhalten der anderen nachzuahmen, ohne zu
wissen, wozu das gut sein soll. Es ist sogar in solchen Situatio-
nen oft völlig nutzlos zu wissen, was der Vordermann denkt, weil
- Gewinn – vorausgesetzt, der Favorit enttäuscht uns nicht.
In der Werbung wird von einem Produkt mit Vorliebe
behauptet, es sei das „meistverkaufte“. Auf diese Weise
braucht man niemanden direkt davon zu überzeugen, dass
dieser nämlich genau so schlau ist wie Sie selbst. Welche anderen das Produkt gut ist. Man muss nur erklären, dass viele Leute
15 Situationen gibt es, in denen wir aus dem Verhalten anderer auf die glauben, das Produkt sei gut, was offenbar Beweis genug
Angemessenheit unseres eigenen Verhaltens schließen? Betrach- ist. Friedman und Fireworker (1977) konnten zeigen, dass
ten wir eine Reihe von Beispielen, die für das Thema Konsumen- Konsumenten ihr Urteil über ein Produkt bereits durch eine

-
16 tenverhalten und Werbung von Bedeutung sind (Cialdini 1993): Information beeinflussen ließen, die mit den Worten anfing:
Manche Kellner folgen der Strategie, ein vermeintlich „Einige Leute sagen über dieses Produkt, es sei …“. Es musste
17 großzügiges Trinkgeld des Vorgängers an einem Tisch noch also nicht einmal eine riesige Zahl von überzeugten anderen
einen Augenblick liegen zu lassen, so dass es der nachfol- Konsumenten angenommen werden. Zur Beeinflussung
gende Gast registriert und aus dieser Verhaltensweise des genügte die Unterstellung, dass es schon ein Urteil irgendwel-

- -
18 anderen entnehmen kann, was hier angemessen ist. cher anderen Leute gab, an dem man sich orientieren konnte.
Von dem amerikanischen Prediger Billy Graham wird Beim Internethandelsunternehmen Amazon werden Sie
19 berichtet, dass er einen eigenen Trupp von Anhängern bei jedem Produkt, das Sie betrachten, darüber informiert,
zum Jubeln und Beklatschen mit sich geführt habe, die an welche Artikel die Käufer dieses Produkts noch gekauft
20 ausgewählten Punkten seiner Veranstaltung in „spontanen“ haben. Dadurch wird zum einen angeregt, die weiteren

21 - Jubel auszubrechen hatten.


Auf dem Höhepunkt des Diskofiebers erzeugten einige Dis-
kothekenbesitzer vor ihrem Schuppen künstliche Schlan-
gen, die, auch wenn es drinnen leer war, den Eindruck
Artikel ähnlich wahrzunehmen wie das gerade betrachtete
Produkt, sie also sozusagen alle unter dieselbe Kategorie zu
subsumieren (▶ Kap. 7). Zum anderen wird diese Anre-
gung mit Hilfe der Konsensinformation gegeben, also der
22
23
- vermittelten, hier sollte man unbedingt reingehen.
Wer mag, kann folgendes Experiment von Milgram et al.
(1969) wiederholen: Stellen Sie sich auf die Straße, wählen
Sie einen beliebigen Punkt im Himmel und beobachten
Information darüber, wie andere, die sich ebenso für Sie für
dieses Produkt interessieren, sich verhalten haben.

Der Verkaufsexperte Cavett Robert hat erklärt: „Since 95 percent


Sie diesen Punkt für eine Minute. Was meinen Sie, was die of the people are imitators and 5 percent are initiators, people are
Passanten tun werden, die Sie dabei beobachten? Richtig, sie persuaded more by the action of others than by any proof we can
10.1  •  Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst
207 10

Exkurs 10.5  Der Bandwagon-Effekt  |       | 


Der „Bandwagon“ steht für den „fahrenden attraktiven Wahloption teilhaben wollen. Als Konsumenten von anderen gezielt nachge-
Zug“, auf den jemand aufspringt, wenn er sich Bandwagon-Effekte gelten auch Fälle, in de- ahmt wird, beobachtet man eine steigende
einer offensichtlich erfolgversprechenden nen das Bedürfnis, dazuzugehören oder nicht Nachfrage bei steigendem Preis. In manchen
Sache anschließt. In der Konsumentenfor- aufzufallen, den Ausschlag gegeben haben Situationen ist der steigende Preis genau das
schung hat sich der Begriff „Bandwagon-Ef- (für einen Überblick vgl. Van Herpen et al. Signal, das die Popularität des Guts anzeigt.
fekt“ etabliert als Ausdruck für Situationen, in 2009, S. 203 f.). Daher kann es vorkommen, dass Konsumen-
denen Konsumenten nachahmen, was andere Wo von Bandwagon-Effekten die Rede ist, ten beim Bandwagon-Effekt bei einer Investi-
Konsumenten auch tun. Bei dem Gebrauch steht meist ein ökonomisch paradoxes Phä- tion einsteigen bzw. ein Produkt kaufen, nicht
des Begriffs wird offenbar die Motivation, aus nomen im Vordergrund (Leibenstein 1950): obwohl, sondern gerade weil der Preis steigt.
der Konsumenten sich anderen anschließen, Der Effekt geht mit einer erhöhten Nach- Ein klassisches Beispiel für dieses Phänomen
weit gehend ausgeblendet. Jedenfalls wird frage einher, was den Preis für ein Produkt sind etwa Aktienkäufe; Ähnliches kann man
von einem Bandwagon-Effekt nicht nur dann in die Höhe treibt. Normalerweise reguliert aber auch auf Auktionen beobachten (z. B. bei
gesprochen, wenn – wie der Name ja sugge- ein steigender Preis die Nachfrage wieder Ebay; z. B. Ku et al. 2006).
riert – Konsumenten am Erfolg der offenbar nach unten. Wenn aber das Verhalten der

offer“ (Cialdini 1993, S. 97). Cialdini (1993) versteht unter dieser abweichenden Meinung als stresshaft erlebt wird, wenn man es
Art der Imitation eine Orientierung am social proof, der „sozialen als die Abweichung von der Meinung anderer Menschen erlebt.
Bewährtheit“. Das Prinzip der sozialen Bewährtheit bringt er auf Der Effekt der Konsensinformation erschöpft sich nicht in ei-
die Formel: „The greater the number of people who find any idea nem Druck der sozialen Umwelt, sich konform zu verhalten. Wie
correct, the more a given individual will perceive the idea to be bereits mehrmals angedeutet, wird die Information, wie andere
correct“ (S. 105). Erb (1998) spricht in demselben Zusammen- urteilen, eher als eine Hilfe oder Unterstützung beim eigenen
hang von „Konsens“. Er meint damit die Information darüber, Urteil, gegebenenfalls auch als eine Bestätigung erlebt. Dies zeigt
dass andere in Bezug auf ein bestimmtes Einstellungsobjekt eine sich in dem Experiment von Cohen und Golden (1972), deren
übereinstimmende Meinung haben. Versuchspersonen eine neue Kaffeemarke bewerten sollten. Bei
In einer Gruppe mit seiner Meinung der einzige Abweichler der Untersuchung waren die Einschätzungen der anderen Vor-
zu sein, wird allem Vermuten nach als unangenehm und stresshaft gänger auf einer Tafel deutlich sichtbar. Obwohl keine andere
erlebt (z. B. Cialdini und Goldstein 2004). Evidenz für diese Art Person anwesend war und somit kein direkter Konformitäts-
von Stress liefert zum Beispiel ein Experiment von Berns et al. druck ausgeübt werden konnte, beeinflusste die Konsensinfor-
(2005). Die Probanden sollten zwei dreidimensionale Figuren, mation die Bewertung erheblich.
die jeweils aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt waren, Burnkrant und Cousineau (1975) zeigten in einem ähnlichen
danach beurteilen, ob sie gleich oder verschieden waren. Dabei Experiment, dass die Probanden sich nicht davon beeinflussen
erhielten sie fingierte Rückmeldung darüber, wie andere Personen ließen, ob die Urteile auf der Tafel von Mitgliedern der eigenen
bei dieser Aufgabe geantwortet hatten. Diese Antworten waren oder einer Fremdgruppe stammten oder ob die Urteile privat
häufig falsch, so dass die Wahrnehmung der Probanden mit der oder öffentlich abzugeben waren (ähnliche Ergebnisse berich-
Konsensinformation im Widerstreit lag. Trotzdem folgten die ten Pincus und Waters 1977). Nach diesen Befunden nutzen wir
Probanden häufig der angeblichen falschen Meinung der anderen. also Konsensinformationen nicht (allein) deshalb, weil wir uns
Sie taten das allerdings häufiger, wenn die anderen für sie auf dem unter einem sozialen Druck fühlen, ähnlich zu urteilen. Wir
Computermonitor als Gesichter angezeigt wurden. Wenn die an- nutzen vielmehr die Urteile anderer als Zeichen dafür, wie in
deren Urteile nur durch Rechner repräsentiert waren, von denen einer bestimmten Situation zu urteilen ist, was vermutlich das
jeweils ein Urteil ausging, war die Bereitschaft zur Konformität korrekte oder wahre Urteil ist. Insofern ist auch hier die populäre
signifikant geringer. Auch wenn in beiden Fällen die Falschinfor- Redeweise vom „Herdentrieb“ unangebracht: Wer der Konsens-
mation einen Einfluss auf das Urteil hatte, war der Einfluss größer, heuristik folgt, tut dies häufig mit dem Ziel, korrekt zu urteilen
wenn besonders ins Auge sprang, dass er von anderen Personen oder aus mehreren Option die beste zu wählen. Und in vielen
ausging, wenn also das Soziale am sozialen Einfluss salient war. Fällen funktioniert das auch. Wenn sich der Besucher der Mensa
Berns et al. (2005) haben während der Urteile die Gehirnak- an jener Essenstheke anstellt, wo die längste Schlange ist, um
tivität ihrer Probanden gemessen. Für jene Probanden, die von auf diese Weise das leckerste Essen zu bekommen, dann beruht
der falschen Meinung der anderen abwichen und sich auf ihre dieses Verhalten auf einer sehr vernünftigen Überlegung: Was
eigentlich richtige Wahrnehmung verließen, fanden die Forscher viele wollen, dürfte mir auch gefallen – vorausgesetzt, ich kann
eine erhöhte Aktivität im Mandelkern, der Amygdala. Aktivitäten davon ausgehen, dass ich keinen ganz anderen Geschmack habe
in der Amygdala begleiten häufig negative Emotionen. Ebenso ist als andere. Aber keine Sorge, das glauben die meisten Menschen
die Amygdala beteiligt an der Regulation des sozialen Verhaltens, von sich ohnehin. Dafür sorgt schon der „false consensus bias“
und sie reagiert auf den emotionalen Ausdruck von Gesichtern (Ross et al. 1977), nämlich der Glaube, man selbst repräsentiere
(Berns et al. 2005). Die erhöhte Mandelkernaktivation war nur die Norm und die meisten Menschen würden gut finden, was
zu beobachten, wenn die Urteiler Gesichter vor sich sahen, nicht man selbst gut findet. Es gibt freilich auch Situationen, in denen
jedoch, wenn die Urteile der anderen nur durch die Eingaben aus dieses Verhalten letztlich nicht zur Wahl der besten Option führt.
einem Computer repräsentiert wurden. Die Autoren interpretie- Die geschieht allerdings nur unter besonderen Bedingungen, wie
ren dies als einen weiteren Beleg dafür, dass das Vertreten einer der Bandwagon-Effekt zeigt (▶ Exkurs 10.5).
208 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Die Konsensinformation kann auch die Verbreitung und Ge- einer Kontrollbedingung wurde der „gesunde“ Riegel in 55 % der
1 läufigkeit von Verhaltensweisen beeinflussen, seien es nun der Fälle gewählt. Diese Zahl verringerte sich auf 40 %, wenn bishe-
Gebrauch von Kondomen, kalorienbewusstes Essen, Rauchen rige Teilnehmerinnen „ungesund“ gewählt hatten – sie erhöhte
2 oder ein hochprozentiger Drink zwischendurch. Die Geläufig- sich auf 68 %, wenn bisher der „gesunde“ Riegel gewählt wurde.
keit eines Verhaltens wächst mit der Häufigkeit, mit der man es Das Verhalten der Probandinnen konnte durch die Konsensin-
an anderen Personen beobachtet. Dabei kann die unterstellte formation also in beide Richtungen manipuliert werden (Burger
3 Normalität des Verhaltens auch eine Illusion sein. Man kann et al. 2010).
beispielsweise beobachten, dass Menschen, die sehr viel fern- Goldstein et al. (2008) betonen in ihren Experimenten vor
4 sehen, über ihre soziale Umwelt Urteile abgeben, die eher mit allem den normstiftenden Charakter der Konsensinformation.
der Fernsehrealität als mit der echten übereinstimmen (Gerbner Was andere tun, gilt als Norm, an der man sich orientieren kann.
5 et al. 1986; zu experimentellen Befunden hierzu vgl. Iyengar und Besonders wirksam sind hierzu weniger globale, als spezifische
Kinder 1987; siehe auch ▶ Kap. 15). Normen (Goldstein et al. 2008, sprechen von einer „provincial
Meinungen und Verhalten anderer sind keineswegs nur dann norm“). Es ist nicht der Energieverbrauch im Bevölkerungs-
6 besonders wirksam, wenn diese auch gleich eine Mehrheit bil- durchschnitt, an dem ich mich orientiere, sondern der in mei-
den. Unter bestimmten Bedingungen sind Minderheiten sogar ner Nachbarschaft. Die Bedeutung dieser lokalen Normen zeigen
7 einflussreicher als Mehrheiten. Wenn Gruppen auf der Basis Goldstein et al. (2008) in einem Experiment: Es ging darum, Ho-
von Einstellungen gebildet wurden, darf man erwarten, in einer telgäste dazu zu bewegen, ihre Handtücher mehrmals zu ver-
Minderheitengruppe eine stärkere Einstellung anzutreffen als in wenden und nicht schon nach einer Benutzung zur Wäsche zu
8 der Mehrheit. So ist beispielsweise die bevorzugte Verwendung geben. Die Aufforderung dazu steht in jedem Hotelzimmer, aber
von Macintosh versus PC für viele Konsumenten eine Frage der die Mitarbeit der Gäste hierbei lässt zu wünschen übrig. Um die
9 Einstellung, gleichwohl gilt das voraussichtlich in der Minderhei- Aufforderung zu verstärken, verwenden die Hotels verschiedene
tengruppe, also bei den Macintosh-Nutzern, in stärkerem Maße. Strategien, die soziale Bewährtheit allerdings wird nicht genutzt.
10 Brunel et al. (2004) finden, dass Macintosh-Nutzer stärkere posi- Ein üblicher Text wäre etwa der folgende, ein Appell an die
tive Assoziationen zu ihrer Marke haben als PC-Nutzer zum PC. ökologische Vernunft: „HELP SAVE THE ENVIRONMENT. You
Dies dürfte auf mindestens zwei Effekte zurückgehen: Zum einen can show your respect for nature and help save the environment
11 ist die Minderheitengruppe vermutlich eine besondere Auslese by reusing your towels during your stay“ (zit. n. Goldstein et al.
von Personen, die verhältnismäßig starke Gründe für ihr Ver- 2008, S. 473).
12 halten sehen. Zum anderen mag aber auch in der Minderhei- Goldstein et al. (2008) verglichen die übliche Formulierung
tengruppe sehr viel eher die Situation eintreten, dass man seine mit dem Hinweis auf soziale Bewährtheit: „JOIN YOUR FEL-
Minderheitenposition verteidigt und dabei weitere Loyalität auf- LOW GUESTS IN HELPING TO SAVE THE ENVIRONMENT.
13 baut (vgl. auch Brunel et al. 2004). Für die Unsicheren, die sich Almost 75 % of guests who are asked to participate in our new
auf der Suche nach sozialer Bestätigung befinden, ist jedenfalls resource savings program do help by using their towels more
14 die Meinung der Minderheit in solchen Fällen informativer als than once. You can join your fellow guests in this program to help
die Meinung der Mehrheit, denn in der letzteren Gruppe sind save the environment by reusing your towels during your stay.“
15 solche Leute überrepräsentiert, die im Grunde nur tun, was die Mit dieser Formulierung steigerten die Autoren die Bereit-
anderen machen. schaft zum Mitmachen von 35 auf 44 %. Menschen sind also an-
Um die Konsensheuristik im Konsumentenverhalten anzu- scheinend mehr durch das Verhalten ähnlicher anderer zu beein-
16 stoßen, muss man darauf hinweisen, wie sich andere verhalten. flussen als durch ökologische oder ökonomische Überlegungen.
Man muss also eine „Konsensinformation“ geben. Burger und Es sind aber nicht beliebige andere, deren Verhalten Einfluss aus-
17 Shelton (2011) beispielsweise brachten an mehreren Stellen ih- übt. Üblicherweise geht man davon, dass besonders einflussreich
rer Universität zwischen Aufzug und Treppe Schilder an, die zur ähnliche andere sind, also Menschen gleichen Alters, gleichen
Benutzung der Treppe anregen sollten. Der bloße Hinweis, dass Geschlechts, gleicher Herkunft und so weiter. Die Ähnlichkeit
18 es eine gute Idee und für die Gesundheit nützlich ist, statt des der aktuellen sozialen Umgebung bleibt dabei meist unberück-
Aufzugs die Treppe zu benutzen, hatte keinen Effekt. Die zusätz- sichtigt. Dabei hebt schon das Sprichwort die Bedeutung der un-
19 liche Information, dass die meisten Leute die Treppe benutzten, mittelbaren Umgebung hervor. Es heißt „When you’re in Rome,
reduzierte dagegen die Verwendung des Aufzugs um 46 %. do as the Romans do“ und nicht „When you’re a Roman“.
20 Eleganter und mindestens ebenso wirksam sind Konsensin- In einer weiteren Studie verglichen Goldstein et al. (2008)
formationen, die weniger direkt und aufdringlich gegeben wer- daher Appelle an unterschiedliche soziale Identitäten. Auch hier
den: In einem Experiment zur gesunden Ernährung etwa sollten war die Standardformulierung am wenigsten effektiv. Allerdings
21 Probandinnen aus unterschiedlichen Riegeln wählen – unter kam der stärkste soziale Einfluss nicht von den Menschen, die
dem Vorwand, es gehe um die Auswirkung von Temperatur auf den Probanden in scheinbar wichtigen Merkmalen ähnlich wa-
22 den Geschmack. Die Teilnehmerinnen sahen zu Beginn ihrer ren, wie etwa Geschlecht oder sozialer Hintergrund. Die stärkste
Verkostung entweder die Verpackung eines Diätmüsli- oder ei- normstiftende Kraft ging von einem unscheinbar erscheinenden,
nes Schokoriegels, die sie dann in einen Papierkorb werfen soll- aber besonders unmittelbaren Kriterium der Ähnlichkeit aus:
23 ten, der ebenfalls mehrheitlich Diät- oder Schokoverpackungen Den stärksten Einfluss hatte die Formulierung: „In a study […]
enthielt. Damit wurde suggeriert, die bisherigen Teilnehmerin- 75 % of the guests who stayed in this room (Nr. xxx) participated
nen hätten mehrheitlich die eine oder andere Sorte gewählt. In in our […] program“ (Hervorhebung GF).
10.1  •  Die soziale Bezugsgruppe und das Selbst
209 10

Für die soziale Bewährtheit ist also das wichtigste Kriterium lernen ist, dass ein Verhalten, das zunächst überhaupt nicht im
der Ähnlichkeit die Situation (diese Ähnlichkeit stiftet nach Repertoire einer beobachtenden Person vorhanden war, durch
Goldstein et al. 2008, eine sogenannte „provincial norm“): Wir Beobachten erworben wird.
achten vor allem auf Menschen, die sich in der gleichen Situation Die Überlegungen zum operanten Konditionieren (▶ Ab-
befinden wie wir, und erst in zweiter Linie auf Menschen, die schn. 3.4) besagten, dass ein Verhalten dann gelernt wird, wenn
uns in anderen – subjektiv vielleicht wichtigeren – Merkmalen es positive Konsequenzen hat. Die Theorie des sozialen Lernens
ähnlich sind. fügt dem die Feststellung hinzu, dass ich längst nicht alle Hand-
Warum wirkt die situationale Ähnlichkeit am stärksten? lungserfolge am eigenen Leibe erfahren haben muss. Vielmehr
Goldstein et al. (2008) deuten zwei Denkrichtungen an: Zum genügt es oft schon, wenn ich sehe, wie andere mit einem be-
einen führt es vielleicht normalerweise zu guten Ergebnissen, stimmten Verhalten Erfolg haben bzw. dafür belohnt werden
wenn man denjenigen Normen folgt, die der aktuellen Situa- (Bandura 1971).
tion am ähnlichsten sind. Dieses Verhalten wird üblicherweise Nach der Idee des Modell-Lernens können wir komplexe
am ehesten verstärkt. Zum anderen wissen wir, dass sich auch Handlungsfolgen wie auch soziale Hemmungen erwerben, in-
Gruppen nach sehr oberflächlichen Kriterien bilden können dem wir sie an anderen beobachten. Die Belohnung allerdings
(▶ Abschn. 10.1). Wichtig ist nun einmal, dass dieses Kriterium spielt dabei eine andere Rolle als beim operanten Konditionieren.
im Moment salient ist – und im Hotel ist die Identität als Gast Hierzu ein Beispiel: Was würden Sie tun, wenn Sie eine Bank
möglicherweise salienter als beispielsweise die Geschlechtsiden- überfallen wollten? Wenn Sie hinreichend fernsehsozialisiert
tität –, und darum werden auch eher Normen befolgt, die zu sind, wüssten Sie schon, worauf Sie achten müssen. Ein anderes
dieser Identität passen. Beispiel: Ich darf mir schmeicheln, dass ich in meinem ganzen
Für den deutschen Sprachraum haben Schlüter et al. (2012) Leben noch nie eine Schusswaffe in der Hand hatte. Trotzdem
die Ergebnisse von Goldstein et al. (2008) repliziert. Hierbei sind weiß ich, dass ich im Ernstfall diese Waffe entsichern muss, da-
drei Punkte bemerkenswert: Wie zu erwarten war, ist das Um- mit sie funktioniert. Das weiß ich nur, weil ich es in Kino und
weltbewusstsein in Deutschland höher als in den USA: Während Fernsehen oft gesehen habe – genau wie den Banküberfall. Nun
in den USA 35 % ohne Konsensinformation dem Appell folgen, haben insbesondere die Bankräuber in den meisten Filmen, die
sind es in Deutschland von vornherein bereits 82 %. Dass diese ich gesehen habe, ihr Geld nicht behalten dürfen. Sie wurden
hohe Zahl mit Hilfe der sozialen Bewährtheit noch weiter ge- verhaftet oder haben sich zerstritten – irgendwie ging es meistens
steigert werden kann (je nach Bedingung auf bis zu 91 %), un- schlecht aus. Trotzdem weiß ich, worauf man beim Banküberfall
terstreicht die Macht dieses Beeinflussungsmittels. achten muss.
Allerdings fanden Schlüter et al. (2012) keinen Effekt für die Mit anderen Worten: Menschen lernen in jedem Fall, was
provinzielle Norm. Tatsächlich war in ihrer Untersuchung (mit Modelle tun, und könnten es auch nachmachen. Dies gilt auch
immerhin 638 Teilnehmern) das allgemeine Verhalten anderer für Modellverhalten, das nicht belohnt oder gar bestraft wurde.
Gäste am einflussreichsten. Hilfreich war allerdings zudem, wenn Nur weil wir keine positiven Konsequenzen erwarten, unterdrü-
darauf hingewiesen wurde, dass das eigene Verhalten sichtbar cken wir dann ein Verhalten, das zu zeigen wir durchaus in der
wird: Schlüter et al. (2012) variierten den Hinweis auf die Betei- Lage wären. Das Verhalten ist nach dem Beobachten als Option
ligung am Programm: „In einer [aktuell] vs. [im Herbst 2009] in unserem Repertoire vorhanden. Unter gewissen Umständen,
in diesem Hotel laufenden Studie nahmen schon 75 % der Gäste wenn wir nämlich damit günstige Folgen erwarten, zeigen wir es
[…] an unserem neuen Umweltschutzprogramm teil […].“ Den auch tatsächlich. Anders ausgedrückt: „Verstärker determinieren
stärksten Effekt hatte es, wenn die Gästen davon ausgingen, dass nur die Ausführung gelernter Reaktionen“ (Mayer 1993, S. 89).
die Studie noch läuft ihr eigenes Verhalten somit zu der Statistik Gelernt – im Sinne von „als Verhaltensmöglichkeit gespeichert“
beitragen würde. – wird das Verhalten auch ohne Verstärker. Die Verstärkung be-
stimmt nur den Grad, in dem das Verhalten spontan gezeigt wird
– wobei eine spontane Verhaltensbereitschaft freilich für viele
10.1.5 Modell-Lernen: Eine soziale Variante Werbeanwendungen sehr willkommen ist.
des Lernens Für das Konditionieren von Reaktionen durch Werbung be-
deutet das Phänomen des Modelllernens, dass die Beobachter
Eine der effektivsten Gestaltungsformen von Fernsehspots ist nicht unbedingt den unkonditionierten Reiz – etwa die Vorzüge
die, in der der „typische Verwender“ eines Produkts gezeigt des angepriesenen Produkts – selbst empfinden müssen, um bei
wird (z. B. Laskey et al. 1994), eine Person, mit der wir uns leicht der Darbietung positive Reaktionen zu entwickeln. Es würde be-
identifizieren können und die uns die Verwendung des Produkts reits helfen, wenn sie die Wonnen anderer Personen im Zusam-
zeigt. Auf welche Mechanismen kann sich eine solche Werbeform menhang mit dem Produkt beobachten. Wie man sehen kann,
stützen? Andere Personen können mein Verhalten in der Weise ist das Modelllernen für Werbung sehr wichtig. Eine mögliche
beeinflussen, dass ich ihre Verhaltensweisen übernehme, ohne Anwendung ist folgende: Ein Verhalten, von dem man wünscht,
sie jemals vorher für mich selbst ausprobiert zu haben. Dies ist dass es häufiger gezeigt wird, wird von Modellen beispielhaft aus-
der Fall beim sozialen Lernen oder Modell-Lernen. Andere kön- geübt, und die Modelle werden in ihrem Verhalten bestärkt. Das
nen für mich eine Art Vorbild-, eben Modellfunktion haben, so ist die erste wichtige Bedingung für das optimale Wirken von
dass ein Teil unserer Verhaltensweisen nicht etwa von uns selbst, Modelllernen. Hierzu ein – mittlerweile schon etwas angegrau-
sondern von Modellen erprobt wird. Das Besondere am Modell- tes – Beispiel (▶ http://www.youtube.com/watch?v=g1EtCcb2NOI,
210 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Abruf 20.6.2013): Ein junger Mann will im Supermarkt eine Pa- Verhaltensweisen, die mit dem Verzehr dieser Nahrungsmittel
1 ckung Kondome kaufen und schiebt sie an der Kasse ganz ver- verknüpft werden, sind ebenfalls aus rein gesundheitlicher Per-
schämt unter seine weiteren Waren, um unter allen Umständen spektive eher fragwürdig und kaum zu empfehlen. Die meisten
2 einen peinlichen Auftritt zu vermeiden – insbesondere weil vor Snacks oder Schokoriegel beispielsweise werden im Vorbeigehen
ihm eine junge Frau in der Schlange steht. Aber sein Alptraum konsumiert. Ihr Konsum soll auch nicht unbedingt den Hunger,
wird wahr: Die Kassiererin zerrt die Kondome aus dem Stapel sondern vielmehr andere Bedürfnisse befriedigen, etwa soziale
3 hervor und ruft durch den ganzen Laden, was denn die Kondome oder emotionale. Gleichwohl sind die meisten Modelle, die die-
kosten sollen. Anstatt dass sich nun alle im Laden über den jun- ses Verhalten zeigen, schlank bis sehr schlank (42 und 38 %).
4 gen Mann mokieren, kommt sachlich-freundliche Hilfestellung. Übergewicht wird aus der Perspektive der Beobachter höchstens
Die hübsche Frau vor ihm sagt: „3,99“, die ältere Dame hinter bei 20 % der dargestellten Modelle gesehen. Dieser Befund ist
5 ihm korrigiert: „Nein, 2,99, die sind im Angebot.“ Die junge Frau ein gutes Beispiel für die im Grunde naive Weltsicht, die durch
verabschiedet sich mit einem Lächeln – Riesenerleichterung bei Werbung vermittelt wird, denn streng genommen widerspricht
dem jungen Mann. die Assoziation von Schlankheit und Gesundheit mit dem ge-
6 Wichtig ist natürlich auch, dass die Modelle zur Identifika- wohnheitsmäßigen Konsum von Süßigkeiten und Junk-Food
tion taugen. Sie sollten der Zielgruppe möglichst ähnlich sein. jedem gesunden Menschenverstand.
7 Zudem ist es günstig, wenn es sympathische – womöglich at-
traktive – Personen sind (▶ Abschn. 10.2). Prominente Personen
eignen sich besonders gut als Modelle. Der junge Mann im oben 10.2 Personwahrnehmung
8 genannten Beispiel, Ingolf Lück, zum Beispiel war in den 1990er aus der Außenperspektive
Jahren als Schauspieler und Moderator bekannt, wirkte überdies
9 in einer ganzen Reihe von Spots zur AIDS-Prävention mit. Wie wir andere sehen und wie wir von anderen gesehen werden,
Nach einer Inhaltsanalyse von Werbeanzeigen besitzen die beeinflusst unser soziales Handeln sehr. Die oben angedeuteten
10 abgebildeten Personen in der Zigarettenwerbung folgende Ei- Kaufentscheidungen in der Familie etwa verlangen nicht selten,
genschaften, mit denen ihre Modellwirkung verstärkt wird (Kro- dass man Präferenzen anderer Familienmitglieder kennt oder

11
--
eber-Riel 1992, S. 659):
jugendliches bis mittleres Alter – bis 40 Jahre (95 %),
freie Natur als Umfeld, zum Beispiel Waldlandschaften
korrekt vorhersagt. Das allerdings funktioniert oft schlechter als
erwartet. Wenn Partner vorhersagen sollen, welches Produkt der
jeweils andere wählen würde, besteht die beste Gewähr für eine
12
-- (40 %),
hobby- und freizeitbeschäftigt (64 %),
zutreffende Vorhersage darin, dass die Partner einander ähnlich
sind. In einer Untersuchung von Davis et al. (1986) wurden die
13
14
- lebensfrohe Geselligkeit (66 %),
das Produkt direkt konsumierend, also rauchend (64 %).

Durch die Darstellung soll einerseits die Identifikation erleich-


besten Vorhersagen erzielt, indem die Partner die eigenen Prä-
ferenzen als Ausgangspunkt nahmen. Sobald die Personen ver-
suchten, andere Informationen bei der Vorhersage zu nutzen,
verringerte sich die Vorhersagegenauigkeit. Mit anderen Worten:
tert, noch mehr aber soll gezeigt werden, wie gut es den Mo- Die Partner wissen oft gar nicht wirklich, was der jeweils andere
15 dellpersonen geht, während sie das Produkt konsumieren. Die will. Es kommt eben nur häufig genug vor, dass Partner einan-
erwarteten Effekte des Modelllernens mögen es gewesen sein, der so ähnlich sind, dass sie nur ihre eigenen Wünsche auf den
die 1966 (und in späteren Verschärfungen) die Tabakindustrie anderen verallgemeinern müssen, um damit dessen Präferenzen
16 bewogen haben, sich bestimmte Einschränkungen aufzuerlegen. halbwegs genau zu treffen.
Danach dürfen zum Beispiel die Personen in der Zigarettenwer- Zu dieser eher ernüchternden Bilanz kommt noch die Er-
17 bung nicht jünger als 30 Jahre sein (z. B. ZAW 1993b). Jüngere kenntnis, dass Partner in ihrer Kenntnis des anderen mit zuneh-
Modelle würden vermutlich über die Identifikation eher Jugend- mender Partnerschaftsdauer sogar eher schlechter als besser wer-
liche ansprechen und damit der Möglichkeit Raum geben, dass den (Thomas et al. 1997; Van Es und Shingi 1972): Scheibehenne
18 durch die Werbung nicht etwa Überläufer von anderen Marken et al. (2010) finden in ihren Studien zum Teil deutlich bessere
zu der eigenen bewegt werden, sondern dass Erstäufer geworben Vorhersagegenauigkeiten für junge Paare im Unterschied zu äl-
19 würden, die ohne Werbung nicht geraucht hätten (diese Behaup- teren. Die bis zu 40 Jahre längere Erfahrung mit dem anderen
tung wird freilich durch die Aussagen von einigen Angehörigen verbesserte zwar die Zuversicht, mit der die Partner glaubten,
20 der Zigarettenindustrie Lügen gestraft; J. Greenwald 1997; siehe einander zu kennen, aber nicht die tatsächliche Kenntnis. Ver-
auch ▶ Exkurs 14.5). mutlich verhindert gerade die Erwartung, dass man den anderen
Die positive Darstellung von Modellpersonen in der Wer- ja kennt, eine genaue Beobachtung, die man bei kurzer Dauer
21 bung geht sogar so weit, dass sie jeder vernünftigen Erfahrung der Beziehung noch braucht. Und so versagen ältere Paare vor
widerspricht. Dafür ist nicht nur der berühmte „Marlboro-Mann“ allem bei der Vorhersage von ganz alltäglichen Präferenzen (z. B.
22 ein Beispiel, der in den Werbespots Verwegenheit, Robustheit beim Essen) und von den besonders starken Vorlieben und Ab-
und Gesundheit verkörpert hatte, im „wirklichen Leben“ dage- neigungen.
gen qualvoll seiner Lungenkrebserkrankung erlegen ist. Einer Freilich betreffen die genannten Befunde nur einen kleinen
23 Analyse von Kaufman (1980) zufolge dominieren in der Fernseh- Teil des großen Themas „interpersonelle Wahrnehmung“. Die
werbung für Nahrungsmittel solche, die eigentlich keinen beson- folgenden Ausführungen geben hier einen kleinen Einblick. Ich
deren Nährwert haben und vor allem dick machen (80 %). Die beginne mit einer der wichtigsten Wahrnehmungsverzerrungen
10.2  •  Personwahrnehmung aus der Außenperspektive
211 10

überhaupt und diskutiere dann im Folgenden wichtige Einfluss- die Situationseinflüsse zu denken, etwa an die Studioatmosphäre,
faktoren, die darüber entscheiden, wie sympathisch wir anderen das perfide Lächeln des Quizmasters oder den Stress durch die
sind. bisherigen Fragen.
Der Irrtum besteht in der Annahme, das menschliche Ver-
halten werde im Wesentlichen von den Eigenschaften der han-
10.2.1 Der fundamentale Attributionsirrtum delnden Individuen bestimmt. Dass wir als Individuen immer in
Situationen handeln und dass diese Situationen oft einen starken
Im Fernsehquiz hat der Kandidat soeben ein kleines Vermögen Druck ausüben, übersehen wir sehr leicht – auch für uns selbst:
verspielt, indem er Karl Marx mit Karl May verwechselte. Wel- Wenn wir einmal unter den Druck einer Situation geraten, ver-
cher Gedanke kommt uns als Betrachter dabei? „Wie kann man halten wir uns oft anders, als wir vorhergesagt hätten. Aus der
nur so blöd sein. Mir wäre das nie passiert.“ Wäre uns das wirk- Außenperspektive sehen wir bei uns wie bei anderen stets die
lich nie passiert? Betrachten Sie die Beispiele von Beeinflussung Eigenschaften.
in diesem Buch. Viele davon sind gut belegt und sehr wirkungs- Wir unterstellen also Personen, deren Verhalten wir sehen,
voll. Was sagen Sie zu Ihrer eigenen Beeinflussbarkeit? Werden dass dieses Verhalten etwas mit ihren Eigenschaften oder Einstel-
Sie sich so verhalten wie die meisten Personen? lungen zu tun hat, und vernachlässigen die Möglichkeit, dass die
In den meisten Fällen neigen wir dazu, die Wirkung von Situation dieses Verhalten bereits ausreichend erklärt. Wenn sich
Situationen zu vernachlässigen und die Einflussmöglichkeiten etwa ein Testimonial in der Werbung für ein Produkt ausspricht,
der handelnden Personen zu stark zu betonen. Diese Tendenz neigen wir – ähnlich wie die Probanden in dem Fidel-Castro-Ex-
ist einer der robustesten und traditionsreichsten Irrtümer, den periment – dazu, der Person eine dazu passende Einstellung zu
die Psychologie beschrieben hat. Er ist unter zwei Bezeichnun- unterstellen. Dass in Wirklichkeit auch hier eine wichtige Situa-
gen bekannt. Sein „Entdecker“ Edward E. Jones nannte ihn noch tionsvariable im Spiel war (die Testimonial-Person hat nämlich
„correspondence bias“, bekannter wurde dann aber die Bezeich- viel Geld für diesen Auftritt bekommen), berücksichtigen wir
nung von Lee Ross: „fundamental attribution error“ („funda- kaum.
mentaler Attributionsirrtum“; (für einen Überblick vgl. Gilbert Von der American Rifle Association wird gern der Satz be-
1995, 1998). Was hat es also mit diesem grundlegenden Irrtum müht: „Guns don’t kill people, people kill people“. Offensichtlich
auf sich? soll hiermit suggeriert werden, dass es letztlich die handelnden
In einem klassischen Experiment hierzu sollten Versuchs- Personen sind und nicht das Vorhandensein von Schusswaffen,
personen Aufsätze beurteilen, die für oder gegen das Regime was dazu führt, dass Menschen erschossen werden. So verstan-
von Fidel Castro argumentierten (Jones und Harris 1967). Ei- den ist dieser Satz ein gutes, wenn auch trauriges Beispiel für
nem Teil der Probanden wurde gesagt, die Autoren hätten die einen fundamentalen Attributionsfehler. Präsenz und Verfüg-
Aufsätze freiwillig geschrieben, den anderen, die Autoren hätten barkeit von Schußwaffen sind Situationsfaktoren, die man bes-
das Thema nicht wählen können und seien gezwungen gewesen, ser nicht vernachlässigen sollte. Tatsächlich führt ja bereits das
entweder für oder gegen Castro zu argumentieren. Aufgabe der Priming von Waffen in Wort oder Bild zu erhöhter Aggressivität
Probanden war nun, die tatsächliche Einstellung der Autoren (z. B. Anderson et al. 1998), und das weiß man eigentlich auch
gegenüber Fidel Castro einzuschätzen. schon seit vielen Jahrzehnten (Berkowitz und LePage 1967; ▶ Ab-
Eigentlich kann man aus einem Verhalten nicht auf Perso- schn. 6.2.1). Wer also dem oben zitierten Slogan zustimmt, tappt
neigenschaften schließen, wenn die Situationsanforderungen in eine gefährliche Falle, denn es ist nachweislich nicht nur eine
dieses Verhalten ohnehin nahelegen (z. B. Kelley 1972). Ob ich Frage der Personeigenschaften, ob jemand mit einer Waffe einen
ein Angsthase bin, kann man nicht erschließen, wenn ich mit anderen Menschen tötet.
schlotternden Knien gemeinsam mit einem hungrigen Löwen in
einem engen Käfig sitze. Hier sind die Situationsanforderungen
so stark, dass mein Verhalten über meine Eigenschaften keinen 10.2.2 Der Dritte-Person-Effekt
Aufschluss erlaubt. In dieser Situation würde jeder Angst haben,
sei er nun ein Angsthase oder nicht. Im Fidel-Castro-Fall be- „Hat Sie damals als Kind die Werbung so weit beeinflusst, dass
deutet das: Außenstehende sollten nur dann den Autoren eine Sie Ihre Eltern überredet haben, Ihnen Dinge zu kaufen, die Sie
Pro-Castro-Einstellung zuschreiben, wenn diese frei wählen ohne Werbung nicht gewollt hätten?“ „Sind nach Ihrer Erinne-
konnten. Wer nicht frei wählen konnte, teilt uns mit seinem rung andere Kinder von der Werbung derart beeinflusst wor-
Pro-Castro-Aufsatz nichts über seine Einstellung mit. den?“ In der Regel sehen sich auf eine solche Frage die Befragten
So rational dieser Schluss auch ist, die Versuchspersonen als deutlich weniger beeinflusst als andere.
zogen ihn offenbar nicht. Sie unterstellten den Autoren immer Dieses als Dritte-Person-Effekt (third-person effect; Davison
die Einstellung, die sie in ihren Aufsätzen vertraten, ob sie dies 1983; Moser und Hertel 1998) bekannte Phänomen besteht aus
nun freiwillig taten oder gezwungen. Die Probanden hatten an- zwei Hauptkomponenten: Zum einen hält man sich selbst für wi-
scheinend die Situationsinformation, den Zwang, unter dem die derstandsfähiger gegen einen Beeinflussungsversuch als andere.
Autoren standen, nicht in Rechnung gestellt und daher aus dem Zum anderen neigt man dazu, die Wirkung einer persuasiven
Verhalten auf die Einstellung der Person geschlossen. Genauso Botschaft auf andere zu überschätzen, so dass man unabhängig
schließen wir in dem Eingangsbeispiel aus dem Quiz auf die Per- von der Wirkung auf die eigene Person glaubt, alle anderen müss-
soneigenschaften, hier die Blödheit des Kandidaten, ohne viel an ten von dieser Botschaft auf jeden Fall überzeugt werden.
212 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

So universell diese Tendenz auch ist, gibt es doch eine Reihe meiner Wahrnehmung – nicht der Fall. Vielmehr wirkt die Si-
1 von Bedingungen, unter denen sie eher zu erwarten ist als unter tuation nur auf einige, nämlich solche, die die entsprechenden
anderen. Grundsätzlich scheint mit dem Begriff der Beeinflus- Merkmale (Beeinflussbarkeit, Anpassungsdrang etc.) mitbringen,
2 sung eine abwertende Bedeutung einherzugehen. Niemand gibt während Menschen mit anderen Merkmalen (starke Persönlich-
gerne von sich zu, beeinflusst worden zu sein. Dagegen hat es keit, klarer eigener Wille) davon unberührt bleiben.
bereits eine abmildernde Wirkung, wenn statt von „beeinflussen“
3 von „stimulieren“ oder „ansprechen“ gesprochen wird (Brosius
und Engel 1996). Andere nachgewiesene Einflussfaktoren sind 10.2.3 Sechs Merkmale, die sympathisch
4
-
die folgenden (vgl. auch Moser und Hertel 1998, S. 148 ff.): machen
Parteilichkeit der persuasiven Botschaft: Der Effekt ist
5 größer, wenn die Botschaft einseitig und tendenziös ist. Attraktiv und sympathisch zu sein, ist eines der vornehmsten
In diesen Fällen unterschätzen Personen auch den Effekt, Ziele des sozialen Handelns – und dieses Ziel scheint sich auch zu
den die Botschaft auf die eigene Person hat; das heißt, sie lohnen. Es ist eine Binsenweisheit, dass wir Personen, zu denen

-
6 ändern ihre Einstellung, ohne dass sie dies merken. wir uns hingezogen fühlen, besser behandeln als Personen, die
Inhalt der persuasiven Botschaft: Der Effekt ist größer, wenn uns abstoßen. Ich möchte im Folgenden zwei Themen diskutie-
7 die Botschaft negative und sozial unerwünschte Inhalte ren, die mit Sympathie und Attraktivität zu tun haben. Das erste
anspricht. Wenn dagegen das Thema imageförderlich ist, ist die Frage, wovon Attraktivität abhängt. Das zweite Thema
kann der Effekt ganz verschwinden oder sich sogar in sein widmet sich dem naheliegenden Spezialfall der physischen At-
8 Gegenteil verkehren. So behaupten Personen durchaus traktivität.
gerne von sich, von Werbung gegen Ausländerfeindlichkeit Beginnen wir mit sechs Einflussfaktoren, von denen abhängt,
9 oder gegen Landminen angesprochen zu werden, wäh- wie attraktiv andere für uns sind (vgl. auch Bourne und Ekstrand
rend sie eine Wirkung von Modewerbung nur bei anderen 1992, S. 415; Hassebrauck 1985; Jones 1990; S. 167 ff.; Mikula und
10 vermuten (Moser und Hertel 1998, S. 149; Moser und Leitl Stroebe 1991): Ähnlichkeit, Nähe, sozialer Austausch, Sympathie

11 - 2006).
Soziale Distanz: Der Dritte-Person-Effekt nimmt zu, je
weiter diese Dritten von der eigenen Person entfernt sind.
Diese Distanz kann auch in der zunehmenden Abstraktheit
uns gegenüber, Assoziation mit angenehmen Dingen und phy-
sische Attraktivität.
Von diesen Merkmalen hängt ab, ob Personen als sympa-
thisch und attraktiv angesehen werden, aber auch, ob andere mit
12 bestehen. Zum Beispiel sind Studierende einer anderen ihnen kooperieren wollen. Insofern sind sie konsumentenpsy-
Universität beeinflussbarer als die Kommilitonen am chologisch hoch bedeutsam: Wer sympathisch ist, kann andere
eigenen Studienort; besonders beeinflussbar ist allerdings erheblich leichter zu einer Handlung bewegen, ist also beim
13 die abstrakte „öffentliche Meinung“. Moser und Leitl Beeinflussen erfolgreicher. Zum Zweiten aber sind Attraktivität
(2006) zeigen, dass der Effekt der sozialen Distanz nur und Sympathie nicht nur Mittel, sondern auch Ziel der Werbung,
14 bei Profit-Werbung gilt, nicht aber bei Werbung für sozial denn sympathisch sein wollen ja schließlich alle.
erwünschte Themen. Im Fall der Non-Profit-Werbung Nun sind die Attraktivitätsmerkmale in unterschiedlichem
15 werden andere unabhängig von der sozialen Distanz als Grade manipulierbar: Ähnlichkeit zum Beispiel kann man nicht

- ähnlich beeinflussbar gesehen wie die eigene Person.


Alter: Ältere Menschen zeigen einen stärkeren Dritte-Per-
herbeizaubern, aber man kann sie hervorkehren, wo sie vor-
handen ist. Gegenseitigkeit dagegen kann man verhältnismäßig

-
16 son-Effekt. leicht herstellen, und man kann sich auch aktiv mit positiven
Wissen: Je mehr Wissen sich eine Person in einem Gebiet Dingen assoziieren. Wichtig ist aber, dass die künstlich erzeugte
17 zutraut, desto eher hält sie andere bei diesem Thema für Attraktivität von außen nicht als gezielt und gewollt erlebt wird.
beeinflussbar. So ist vielleicht auch der Befund von Aune (1999) zu verstehen,
der zeigen kann, dass nur geringe Mengen von Parfum geeignet
18 Der letzte Punkt hat einen vernünftigen Kern: Je mehr sich eine sind, die Attraktivität einer Person zu steigern, dass aber hohe
Person durch ihr Wissen von anderen unterscheidet, desto mehr Mengen eine Abwertung der Person zur Folge haben. Ja selbst
19 Grund hat sie anzunehmen, dass sie in diesem Gebiet weniger eine natürliche, nicht eigens hergestellte Attraktivität kann auch
beeinflussbar ist als andere. Dies ist einer von wenigen Erklä- negative Folgen haben, wenn nämlich der Außenstehende den
20 rungsansätzen für den Dritte-Person-Effekt, der keinen motiva- Einfluss der Attraktivität auf sein Urteil als irrelevant erkennt und
tionalen Aspekt enthält. Andere Ansätze sehen in diesem Effekt ihn nun aktiv zu unterdrücken sucht (siehe auch ▶ Abschn. 7.3.1).
schlicht eine Methode, sich selbst gegenüber anderen aufzuwer-
21 ten, und erklären ihn also mit dem Motiv, den Selbstwert bei Ähnlichkeit
allen günstigen Gelegenheiten zu erhöhen. Wir empfinden Personen als umso sympathischer, je ähnlicher
22 Im Grunde kann der Dritte-Person-Effekt als ein Spezialfall sie uns sind. Damit ist nicht (nur) gemeint, dass sie aussehen wie
des fundamentalen Attributionsirrtums gelten. Auch hier wird wir, sondern auch, dass sie ähnliche Einstellungen und Werthal-
nämlich wieder die Wirkung der Situation – hier der persuasiven tungen haben wie wir. Wenn sich bei einer mir zunächst fremden
23 Botschaft – gegenüber den Personmerkmalen besonders gering Person herausstellt, dass sie dieselbe Musik mag wie ich, dann hat
veranschlagt. Wäre diese situationale Wirkung stark, dann würde die Person bei mir schon einen Pluspunkt (vgl. auch Boer et al.
sie auf alle Menschen in etwa gleich wirken. Dies ist jedoch – in 2011). Ohne Frage muss eine solche Person einen ganz erlese-
10.2  •  Personwahrnehmung aus der Außenperspektive
213 10

nen Geschmack haben. Eine mögliche Erklärung für den Effekt sollte ein Tonkopfreiniger verkauft werden. Als die Kunden mit
der Einstellungsähnlichkeit könnte in der sozialen Bewährtheit ihren ausgesuchten Kassetten an die Kasse gingen, um zu be-
(▶ Abschn. 10.1.4; vgl. auch Heider 1977/1958) liegen: Die Über- zahlen, pries der Kassierer diesen Reiniger an. In einigen Fällen
einstimmung meiner Meinung mit der anderer Personen gibt mir erwähnte er überdies, dass er denselben Musikgeschmack habe
das Gefühl, dass meine Einstellung angemessen ist. Die andere wie die Käufer. Der Verkauf unter dieser Ähnlichkeitsbedingung
Person wird damit zu einer Quelle der Bestätigung: An ihr wer- war deutlich höher, als wenn die Ähnlichkeit nicht bestand.
den die eigene Kompetenz und Adäquatheit deutlich.
Die Ähnlichkeit ist neben der physischen Attraktivität ver- Nähe
mutlich der am häufigsten diskutierte Sympathiefaktor. Dabei ist Personen, die sich räumlich nahe sind, schließen eher Freund-
nicht immer klar, ob denn wirklich die Ähnlichkeit die Ursache schaften und gehen auch eher Intimbeziehungen ein als weiter
für Sympathie ist. Auch der umgekehrte Fall ist nachweisbar: voneinander entfernte Personen. Dies ist in einer Hinsicht trivial:
Wenn uns Personen sympathisch geworden sind, nehmen wir Personen, die sich näher sind, begegnen sich häufiger und haben
sie auch in der Folge als ähnlicher wahr (z. B. Dryer und Horo- deshalb viel mehr Gelegenheit, sich kennen zu lernen und anzu-
witz 1997). Zudem hängt Ähnlichkeit mit einer sehr trivialen Be- freunden (Schellenberg 1960). Nähe begünstigt zudem Mere-Ex-
dingung der Sympathie zusammen: Ähnliche Menschen haben posure-Effekte, die auch für Personen gelten (Bornstein 1989). Es
bessere Chancen, einander zu begegnen. Besonders die Ähnlich- erhöht bereits die Bereitschaft zur Kooperation, wenn man nur
keit von Einstellungen und Interessen zeigt sich ja in bestimmten kurz mit einer Person in demselben Raum gewartet oder wenige
Verhaltensweisen, zum Beispiel das gleiche Fach zu studieren, die Worte mit ihr gewechselt hat (Burger et al. 2001).
gleichen Partys zu besuchen oder im gleichen Verein Sport zu Außerdem sind sich Personen, in größerer räumlicher Nähe
treiben. Und da ja die Wahrscheinlichkeit, einander zu begegnen, auch meistens in ihren Einstellungen, ihren Familienhintergrün-
eine sehr wichtige, wenngleich triviale Bedingung der Sympathie den oder Vorlieben ähnlicher, zum Beispiel weil sie in derselben
ist, muss auch aus diesem Grund ein Zusammenhang zwischen Gegend wohnen, weil sie denselben Beruf ausüben oder zu der-
Ähnlichkeit und Sympathie erwartet werden. selben Kirchengemeinde gehören. Ein anderer Grund ist viel-
Dass Ähnlichkeit darüber hinaus auch tatsächlich Sympa- leicht weniger trivial: Sozialbeziehungen lassen sich über kurze
thie verursacht, lässt sich nachweisen, wenn eine Person dadurch, Distanzen leichter aufrechterhalten als über lange. Daher sind
dass sie sich ähnlich macht, sympathischer wird. In der Tat kann Personen, die uns näher sind, auch vielversprechendere Sozial-
man Sympathie erzeugen, indem man von sich behauptet, man partner. Eine Beziehung mit ihnen würde sich eher auszahlen als
habe zum Beispiel die gleiche Einstellung wie die andere Person. eine mit einer weiter entfernten Person.
Mit der Sympathie steigt auch die Bereitschaft zur Koope- Die bloße Erwartung, auch in Zukunft mit einer Person wie-
ration, wenn zwischen Personen Ähnlichkeiten bestehen. Diese der zu tun zu haben, begünstigt Interesse und Sympathie (Ber-
Ähnlichkeiten müssen nicht einmal auf der Ebene von Einstel- scheid et al. 1976). Dies zeigt sich im sogenannten anticipated
lungen und Werthaltungen bestehen. Wenn Verhandlungspart- interaction paradigm (Darley und Berscheid 1967). Die Grund-
ner voneinander glauben, sie hätten am gleichen Tag Geburtstag, struktur einer solchen Untersuchung ist folgende: Die Versuch-
ist ihre Bereitschaft zur Kooperation höher (zusammenfassend spersonen sollen eine Aufgabe ausführen und werden dabei von
vgl. Greenwald und Banaji 1995, S. 11 f). Burger et al. (2004) einer netten Versuchsleiterin betreut. Das Experiment hat meh-
baten Probandinnen, einen achtseitigen Text zu lesen und Feed­ rere Teile, so dass sie in den nächsten Wochen noch zwei- oder
back zu geben. Die Bereitschaft hierzu war größer, wenn die dreimal kommen sollen. Nun erfahren einige Versuchspersonen,
Bittstellerin vermeintlich den gleichen Geburtstag hatte (62,2 % dass sie bei den anderen Gelegenheiten einen anderen Versuchs-
vs. 24,2 %). Garner (2005) belegt an mehreren Experimenten leiter kennen lernen werden. Anderen Versuchspersonen wird
den Effekt des gemeinsamen Vornamens auf die Bereitschaft zur gesagt, dass sie dieselbe Versuchsleiterin wieder antreffen wer-
Kooperation. In einem Beispiel konnte er den Rücklauf bei ei- den. Am Ende sollten die Probanden einschätzen, wie nett sie
ner Fragebogenerhebung steigern, indem der Adressat auf dem die Versuchsleiterin finden. Es zeigt sich, dass dieselbe Person als
Rücksendeumschlag denselben Vornamen hatte wie die ange- sympathischer erlebt wird, wenn die Versuchspersonen glauben,
schriebene Person. sie würden sie wiedersehen. Die Verfügbarkeit macht hier also in
Diese Bedeutung der Ähnlichkeit wird in Trainingsprogram- Form eines sicheren Wiedersehens sympathischer.
men für Verkäufer verwertet: Es ist wahrscheinlicher, dass eine
Person von einem Verkäufer kauft, der ihr ähnlich ist (z. B. Lom- Gegenseitigkeit und sozialer Austausch
bard 1955; Evans 1963; Gadel 1964; Brewer 1979). Also werden Diejenigen Sozialbeziehungen, in denen sich das Geben und
Verkäufer angewiesen, auf besondere Merkmale der potentiellen Nehmen der Beteiligten einigermaßen die Waage hält, sind die
Käufer zu achten, etwa die Herkunft oder Hobbys, und in der günstigeren. Personen, die von uns etwas nehmen, ohne uns et-
Folge Ähnlichkeiten zu sich selbst herauszustellen. Es kommt nur was zurückzugeben, sind für uns unattraktiv (Burgess und Hus-
darauf an, die Merkmale mit detektivischem Gespür zu ermitteln, ton 1979). Menschen erhöhen die Enge von Beziehungen, indem
indem man etwa auf das Autokennzeichen oder den Dialekt eines sie zum Beispiel Grüße oder Geschenke erwidern, bzw. schaffen
Käufers achtet, und die Ähnlichkeit überzeugend darzustellen Distanz, indem sie das nicht tun. Aber auch auf der Ebene nicht
(Cialdini 1993). Ein solches Verfahren wurde zum Beispiel von bewussten Verhaltens kann Gegenseitigkeit auf Sympathie wir-
Woodside und Davenport (1974) in einem Experiment einge- ken: Wenn eine Person kleine Gesten oder Körperhaltungen der
setzt. In einem Fachgeschäft für Schallplatten und Tonbänder anderen erwidert, dann wird sie dadurch sympathischer, ohne
214 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

dass die andere Person die Erwiderung bemerkt haben muss von Personen mit positiven oder negativen Umständen kann
1 (Chartrand und Bargh 1999). bis hin zu abergläubischem Verhalten führen: Ganz analog zu
Oben habe ich gesagt, dass bereits eine kurze Interaktion die der antiken persischen Praxis, den Überbringer einer schlechten
2 Bereitschaft zur Kooperation erhöht (Burger et al. 2001). Do- Nachricht das Schlechte selbst büßen zu lassen, müssen sich in
linski et al. (2001) zeigen, dass bei solchen kurzen Begegnungen heutiger Zeit gelegentlich Meteorologen groteske Vorwürfe we-
die Gegenseitigkeit in der Interaktion eine wichtige Rolle spielt: gen des schlechten Wetters anhören (Cialdini 1993, S. 154 ff.; vgl.
3 In ihrem Experiment war zum Beispiel die Bereitschaft, etwas zu auch Rosen und Tesser 1970). Sie sehen, die Assoziation muss
spenden, höher, wenn der Bitte ein echter Dialog im Unterschied keine logische sein, solange sie eben nur positiv ist.
4 zu einem Monolog vorausgegangen war.
Physische Attraktivität
Sympathie uns gegenüber
5 Folgende Eigenschaften haben physisch attraktivere Personen in
Wir mögen diejenigen Leute, die uns mögen. Dieser Effekt setzt den Augen anderer angeblich in besonderem Ausmaß: Sie sind
sich sogar gegen andere Effekte wie zum Beispiel dem der Ein- wärmer, sensibler, freundlicher, entgegenkommender, interes-
6 stellungsähnlichkeit durch (Berscheid und Walster 1969; Ber- santer, stärker, ausgeglichener, bescheidener, geselliger, fähiger,
man und Brickman 1971; Byrne und Rhamey 1965; Condon und haben einen besseren Charakter, verfügen über mehr Prestige,
7 Crano 1988; Jones et al. 1972; Murstein und Lamb 1973). Sehr bekommen voraussichtlich bessere Arbeitsstellen, führen eine
schön ist diese psychologische Regel in Shakespeares Much Ado bessere Ehe und führen überhaupt voraussichtlich ein erfüllte-
About Nothing illustriert: Beatrice und Benedict können sich res Leben. Attraktive Personen gelten auch als „vielschichtiger,
8 nicht leiden und lassen keine Gelegenheit aus, sich in geistrei- aufnahmefähiger, umsichtiger, zuversichtlicher, selbstsicherer,
chen Dialogen anzugiften. Diese offenbare Abneigung reizt die glücklicher, aktiver, kooperativer, […] freimütiger, humorvoller,
9 Freunde der beiden dazu, aus den Streithähnen ein Paar zu ma- selbstbeherrschter und flexibler“. Aber nicht nur in den Augen
chen. Sie lassen Beatrice wissen, Benedict habe sich hinter ihrem anderer besitzen physisch attraktive Personen besondere Vor-
10 Rücken sehr positiv über sie geäußert – und umgekehrt. Ohne züge. Physisch attraktive Personen zeigen auch ein sichereres
dass die Annahme fundiert wäre, nehmen beide also daraufhin soziales Auftreten als weniger attraktive, so dass man zu dem
Sympathie von Seiten des anderen wahr. Diese bloße Wahrneh- Schluss gelangen könnte, physisch attraktive Personen seien
11 mung führt bereits dazu, dass sie den anderen mit positiveren auch tatsächlich besonders selbstsicher (zusammenfassend vgl.
Augen sehen, dass sie ihm eine Chance geben, und am Ende … Berscheid und Walster 1974; Huston und Levinger 1978, S. 123;
12 Die Bedeutung von Sympathiekundgebungen und Schmei- Asbell und Wynn 1993, S. 60).
chelreden für den Verkauf wurde schon im 16. Jahrhundert in Diese Zuschreibungen haben praktische Konsequenzen:
einem Ratgeber für den erfolgreichen Verkauf niedergelegt (zit. Physisch attraktive Personen gewinnen eher eine Wahl (Efran
13 n. Kirchler 1995, S. 161): „Ist dir an aine Kundin was gelegen, so und Patterson 1976), ihnen wird bereitwilliger geholfen (Benson
mache dich gesellig, sage, dass sie schönleibig sey und du Wohl- et al. 1976), und sie bekommen eher eine Arbeitsstelle (Mack
14 gefallen an ihr findest, sie wird geblendet sain und du kannst auf und Rainey 1990; Schuler und Berger 1979). Sie haben auch bes-
vorteilhaften Verkauf sicher sain, auch wenn die Waiber häßlich sere Chancen vor Gericht (zusammenfassend vgl. Cialdini 1993;
15 und narbig saint, thue ihnen schön, es bringt Nutz.“ Verkäufer Kulka und Kessler 1978; Bierhoff et al. 1989). Physisch attraktiven
haben bessere Chancen, wenn sie persönliches Interesse an ihren Personen wird wesentlich seltener zugetraut, dass sie überhaupt
Kunden signalisieren (Lombard 1955). So hat es bereits einen ein Verbrechen begangen haben. Ist das Vergehen allerdings
16 deutlichen positiven Effekt, wenn ein Verkäufer den Namen ei- nachgewiesen, dann hat dasselbe Vergehen bei attraktiven Per-
nes Kunden im Gedächtnis behält und in Zukunft verwendet sonen eine geringere Bestrafung zur Folge als bei unattraktiven
17 (Howard et al. 1995). Ein weiteres Beispiel für die Wirksamkeit (Patzer 1985). Zu diesem Befund gibt es allerdings eine wich-
von Sympathiekundgebungen: Der Welt bester Autoverkäufer ist tige Ausnahme, die für das Thema Überzeugen und Verkauf von
nach dem Stand von 1993 laut Guinness-Buch der Rekorde Joe Gi- Bedeutung ist: So zeigt sich in einer Studie (Sigall und Ostrove
18 rard aus Detroit. Anscheinend kann man von diesem Menschen 1975), dass attraktive weibliche Straffällige nachsichtiger behan-
einiges lernen. Interessant ist jedenfalls folgende Gewohnheit: delt werden. Dieser Effekt kehrt sich allerdings um, wenn bei
19 Jeden Monat schickt Girard seinen früheren Kunden – es sind dem Vergehen die körperliche Attraktivität eine Rolle gespielt
mittlerweile über 13.000 – eine Grußkarte, je nachdem zum Ge- hat. Dies ist zum Beispiel bei Betrügerei der Fall, im Unterschied
20 burtstag, zu Weihnachten, Ostern oder Thanksgiving. Die Karte etwa zu Einbruch. Ein attraktiver Betrüger kann seine körperli-
enthält nichts weiter als die Grüße und den einfachen Satz: „I chen Vorzüge nutzen, um das Vertrauen des Betrogenen zu er-
like you.“ Den Karten sieht man durchaus an, dass sie nicht per- schwindeln, denn attraktive Personen haben bessere Aussichten
21 sönlich bearbeitet wurden – und trotzdem. So wird man erfolg- auf Erfolg, wenn sie andere überzeugen wollen (Chaiken 1979).
reicher Autoverkäufer und verdient über 200.000 Dollar im Jahr In solchen Fällen wurden attraktive Sünderinnen mit härteren
22 (Cialdini 1993). Strafen bedacht. Das zeigt, dass gerade in den sensiblen Berei-
chen, in denen Vertrauen eine Rolle spielt, attraktive Menschen
Assoziation mit positiven Dingen zwar im Vorteil sind, dass aber dieser Vorteil bei der Bewertung
23 Der Kartenverkäufer im Kino hat bessere Chancen, von Ihnen des Verhaltens in Rechnung gestellt wird.
gemocht zu werden, als der Polizist, der Ihnen soeben einen Die Industrie macht sich solche Forschungsergebnisse gerne
Strafzettel wegen falschen Parkens verpasst hat. Die Assoziation zunutze. Wenn nachweisbar ist, wie viele Vorteile Schönheit mit
10.2  •  Personwahrnehmung aus der Außenperspektive
215 10

sich bringt, dann muss sie diese Nachweise auch unter die Leute
bringen, denn umso größer ist die Chance, dass ihr Angebot,
etwa Mode, Diät oder Kosmetik, angenommen wird. Dies tut
zum Beispiel die Cosmetic, Toiletry und Fragrance Association
aus Washington, indem sie die Durchführung und Verbreitung
von wissenschaftlicher Forschung über die Vorzüge der physi-
schen Attraktivität besonders fördert (Cialdini 1993). Weitere
Befunde und theoretische Überlegungen möchte ich in der fol-
genden Vertiefung diskutieren.

10.2.4 Physische Attraktivität in Werbung


und Verkauf

Gutes Aussehen ist für Werbung und Verkauf in mindestens


zweierlei Hinsicht wichtig. Zum einen kann man unbesehen vor-
hersagen, dass die meisten Menschen lieber attraktiv als hässlich
sein möchten (▶ Abschn. 5.3.3). Mit dem Ziel der Attraktivität
spricht man ein sicheres Bedürfnis der Konsumenten an. Phy-
sisch attraktive Menschen sind besser als andere geeignet, eine
beeinflussende Kommunikation zu übermitteln. Man vertraut ih-
.. Abb. 10.3  Wie zufrieden sind Sie eigentlich mit Ihrem Aussehen? Wenn
nen leichter (Mills und Aronson 1965; Eagly und Chaiken 1975;
man Ihnen das dargestellte Bild als Schnappschuss einer ganz normalen Frau
Joseph 1982), sie sind geeignetere Modelle (▶ Abschn. 10.1.5), präsentiert, nehmen Sie die Attraktivität des Models als Standard, an dem
und manchmal sind sie einfach nur nützlich, um in der Werbung Sie auch Ihr eigenes Aussehen messen. Das Wissen, dass es sich um ein Foto-
einen angenehmen Kontext abzugeben (Joseph 1982). modell in einer Werbung handelt, schränkt dagegen die Bedeutung dieses
Patzer (1985, S. 200 ff) konnte in einem Experiment zeigen, Attraktivitätsstandards für Ihre eigene Zufriedenheit ein. (© Piotr Marcinski/
shutterstock.c)
dass physisch attraktivere Fotomodelle in der Werbung ver-
trauenswürdiger und sympathischer wahrgenommen wurden.
Außerdem wurde ihnen eher zugetraut, dass sie sich mit dem überhaupt nicht auf Attraktivität bezogen werden kann. Wenn
Produkt auskannten. Patzer schließt aus seinen Ergebnissen es etwa um Fruchtsaft oder Käse und nicht um Kosmetika geht,
sogar, dass es für die Werbegestaltung besser sei, gar keinen findet sich in manchen Studien kein vorteilhafter Einfluss attrak-
Kommunikator zu wählen als einen unattraktiven. Eine Erklä- tiver Kommunikatoren auf die Kaufabsicht der Konsumenten
rung für die Überzeugungswirkung bei attraktiven Personen (Baker und Churchill 1977; Joseph 1982, S. 22; Kahle und Homer
ist vielleicht ein gewisser Ablenkungseffekt. Die hohe Attrak- 1985; Caballero et al. 1989). In den Studien von Liu et al. (2007)
tivität bindet die Aufmerksamkeit des Publikums und lenkt zeigte sich allerdings immer ein Vorteil eines attraktiven (athle-
sie von einer angemessenen Verarbeitung der Argumente ab tischen) Testimonials – unabhängig davon, ob sich das Produkt
(Festinger und Maccoby 1964; Patzer 1985, S. 191; Petty und auf Attraktivität beziehen ließ oder nicht.
Cacioppo 1986). Vielleicht lässt sich die höhere Glaubwürdig- Wie in anderen Gebieten der Urteilsbildung finden wir auch
keit aber auch damit erklären, dass attraktiven Leuten sehr viel bei der Einschätzung von Attraktivität das Phänomen, dass der
eher unterstellt wird, sie seien die Bestimmer und Lenker ihres Kontext einer Urteilsbildung einen Einfluss auf das Urteil hat
eigenen Schicksals. Diese Zuschreibung bringt es mit sich, dass (▶ Abschn. 7.3). Cash et al. (1983) zeigten in einem Experiment,
ihnen auch eher eine unbeeinflusste eigene Meinung zugetraut dass beim Urteil über die eigene Attraktivität Kontrasteffekte vor-
wird. Daher wird ihrer Meinung auch eher vertraut (Joseph kommen können. Wer soeben die herrlichsten Gestalten bewun-
1982, S. 16). Aber auch diese Erklärung deckt noch nicht alle dern durfte, hat zu seiner eigenen Attraktivität eine nüchternere
Effekte ab: Eine besondere Spielart der physischen Attraktivität, Meinung als eine Person, die vielleicht nur mit durchschnittlich
das kindliche Gesicht oder baby face, ist offenbar ebenfalls mit attraktiven anderen konfrontiert war. Dieser Kontrasteffekt
einer besonderen Glaubwürdigkeit gesegnet. Sowohl weibliche konnte in dem Experiment von Cash et al. (1983) ausgeschaltet
als auch männliche Verkäufer erzielen bessere Ergebnisse, wenn werden, indem die Bilder von hochattraktiven Kontextpersonen
sie ein baby face haben (Olson und Zanna 1993). Eine beson- – im Experiment nur Frauen – als Bilder einer Werbeanzeige
dere Selbstsicherheit wird den erwachsenen Kindergesichtern ausgegeben wurden. Das heißt: Wenn dieselbe Person als ein
vermutlich nicht unterstellt. Werbemodel in Erscheinung trat, wurde sie plötzlich nicht mehr
Der Glaubwürdigkeitsvorteil physisch attraktiver Menschen als Vergleichsperson herangezogen. Sie spielte gleichsam „außer
verschwindet wieder, wenn zusätzliche Informationen gegeben Konkurrenz“. Dies bedeutet für die Werbung, dass sie beim Ein-
werden. Wenn das Publikum eine Person für einen kompetenten satz von hyperattraktiven Supermodels nicht unbedingt fürchten
Experten hält, dann spielt die Attraktivität dieses Experten für muss, die betrachtenden Frauen kämen sich dagegen hässlich vor.
seine Glaubwürdigkeit keine Rolle mehr. Strittig ist die Frage, ob Stattdessen ist vielmehr damit zu rechnen, dass die Models nicht
die Werbung auf Attraktivität setzen sollte, wenn das Produkt zum Vergleich herangezogen werden (. Abb. 10.3).
216 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Komplett neutralisiert wird jedoch der Kontrasteffekt durch verpflichten, die bis hin zum Verbrechen geht? In den Anfängen
1 den Hinweis auf den Werbecharakter einer Abbildung nicht seiner Karriere findet sich eine Situation, in der Vito Corleone
(Richins 1991). Petersen (2005) konnte zeigen, dass Frauen, seinen Freunden und Geschäftspartnern vorschlägt, sie von un-
2 die zuvor eine Reihe von hochattraktiven Werbemodellen (z. B. angenehmen Zahlungen an einen lokalen Don zu befreien. Wie
. Abb. 10.3) gesehen hatten, eine größere Diskrepanz zwischen er das anstellen will? „Surely that’s no concern of yours […]. I’ll
ihrer Idealfigur und ihrer tatsächlichen erlebten als Frauen, die reason with him […]. Just remember that I’ve done you a service“
3 Anzeigen ohne Modelle betrachtet hatten. Der Effekt war unab- (Puzo 1973, S. 205 f). Damit hat alles angefangen: Ich habe dir
hängig vom Geschlecht der präsentierten Modelle, er galt aber einen Gefallen getan und habe daher das Recht, diesen Gefallen
4 nur für weibliche Probanden. wieder zurückzufordern. Dieses Prinzip, die „Regel der Gegen-
Die Werbung wird in ihrem Umgang mit physischer Attrak- seitigkeit“ (rule for reciprocation; Cialdini 1993; Gouldner 1960)
5 tivität nicht selten kritisiert. In der Tat kommt ihr bei der Unter- wird in The Godfather als außerordentlich mächtig geschildert.
mauerung des Attraktivitätsstereotyps ein besonderes Gewicht Ich möchte im Folgenden prüfen, wie mächtig dieses Prinzip
zu (Patzer 1985, S. 250 ff.). Downs und Harrison (1985) konnten nach dem Stand der psychologischen Forschung tatsächlich ist.
6 zeigen, dass mehr als ein Viertel von 4’294 untersuchten Werbe-
spots im Fernsehen direkt physische Attraktivität zum Thema
7 hatte. Dabei wurden immer wieder Gelegenheiten genutzt, das 10.3.1 Die Regel der Gegenseitigkeit
Ziel der Attraktivität aufzuwerten. In einem besonders einpräg- in der psychologischen Forschung
samen Spot sagte beispielsweise eine ältere Frau: „Sie nennen
8 es Altersflecken; ich nenne es einfach nur hässlich!“ Überhaupt Betrachten wir zunächst ein Experiment (Regan 1971): Eine Ver-
appelliert die Werbung noch immer wesentlich häufiger bei suchsperson sollte mit einer anderen Person zusammen als Teil-
9 Frauen als bei Männern an das Ziel der Attraktivität. Diese Un- nehmer eines Experiments zur Wahrnehmung von Kunst Bilder
gleichverteilung findet sich nicht nur in traditioneller Werbung. einschätzen. Die andere Person, nennen wir sie Joe, war – wie oft
10 Auch jugendorientierte und fortschrittliche Werbung, wie sie in solchen Experimenten – keine Versuchsperson, sondern ein
zum Beispiel in dem Jugendsender MTV erwartet werden kann, Assistent des Versuchsleiters. In einer der Versuchsbedingungen
bestätigt nach wie vor traditionelle Geschlechtsstereotype, nach tat Joe der Versuchsperson unaufgefordert einen Gefallen, indem
11 denen in erster Linie Frauen attraktiv zu sein haben (Kerin et al. er ihr in einer Pause eine Cola mitbrachte. In der anderen Be-
1979; Signiorelli et al. 1994). dingung kam Joe mit leeren Händen aus der Pause zurück. Als
12 schließlich alle Bilder eingeschätzt waren, bat Joe seinen Kollegen
um einen Gefallen. Er verkaufe nämlich Lose für ein Auto, und
10.3 Die Regel der Gegenseitigkeit – quid pro wenn er besonders viele Lose verkaufe, bekomme er eine Prämie.
13 quo Die entscheidende Frage war nun: Wie viele Lose kaufen die Ver-
suchspersonen? Nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit kann man
14 » Ein Dienst ist wohl des andern wert [Goethe: Faust I, Z. 3033, vorhersagen, dass die Versuchspersonen, die von Joe eine Cola
Straße] erhalten hatten, mehr Lose gekauft haben als die, die keine Cola
15 bekommen hatten. Das war auch tatsächlich der Fall. Was das
Der italienische Einwanderer Amerigo Bonasera muss an der Experiment von Regan (1971) aber eigentlich interessant macht,
Gerechtigkeit in seiner neuen Heimat Amerika zweifeln. Die sind die folgenden Besonderheiten.
16 Burschen, die auf brutale Weise versucht haben, seine Tochter
zu vergewaltigen, werden von der amerikanischen Justiz trotz Be- Unerbetene Gefälligkeiten
17 weisen und Geständnis nur zu drei Jahren Gefängnis auf Bewäh- Die erste Besonderheit springt schon bei der oben geschilderten
rung verurteilt. Bei seinem Padrone Don Vito Corleone bittet er Rohfassung des Experiments ins Auge: Die Versuchspersonen
um Gerechtigkeit. Der Don lässt sich halb widerwillig zu dieser haben um den Gefallen gar nicht gebeten (im Unterschied zu
18 Ausübung seiner Macht bewegen: „You shall have your justice. Amerigo Bonasera in The Godfather). Trotzdem verhalten sie sich
Some day, and that day may never come, I will call upon you to so, als seien sie Joe gegenüber zu etwas verpflichtet.
19 do me a service in return. Until that day consider this justice Ist Ihnen schon einmal passiert, dass Ihnen jemand auf der
a gift from my wife, your daughter’s godmother“ (Puzo 1973, Straße ein Geschenk gemacht und Sie unmittelbar darauf um
20 S. 31). Der Gefallen wird getan, und Bonasera macht sich darauf eine Spende gebeten hat? Dieses Prinzip wurde früher zum Bei-
gefasst, eines Tages – vielleicht bald, vielleicht nie – seinem Pad- spiel regelmäßig von Sekten eingesetzt (Pratkanis und Aronson
rone einen Dienst zu erweisen. Don Corleone hat es geschafft. 1992, S. 178 ff; Cialdini 1993, S. 23 f). Die Hare-Krishna-Sekte
21 Er hat eine ganze Subkultur, eine weit verzweigte Gruppe von versuchte auf diese Weise, Spenden zu bekommen. Die Krishnas
Personen über Verwandtschaftsbeziehungen, Gefälligkeiten und taten einfach vor der Bitte um die Spende wildfremden Passan-
22 Zuwendungen zur Loyalität verpflichtet. Mit dieser Stärkung im ten einen „Gefallen“. In der kostengünstigsten Variante bekamen
Rücken geht er unauffällig und konsequent den verschiedensten die Passanten einfach eine Blume geschenkt, die sie unter kei-
Geschäften nach. Offiziell handelt er freilich zeit seines Lebens nen Umständen zurückgeben durften. Wenn die Personen nun
23 nur mit Olivenöl. die Blume hatten und klar war, dass sie sie behalten sollten, in
Wie war diese Macht über andere Menschen möglich? Wie dem Augenblick also, wo der Druck der Gegenseitigkeitsregel
konnte er sich andere Personen auf Dauer zu einer Verbundenheit am stärksten war, baten die Krishnas um einen Beitrag zu ihrer
10.3  •  Die Regel der Gegenseitigkeit – quid pro quo
217 10

Religionsgemeinschaft. Überflüssig zu sagen, dass die Krishnas kleiner interpretiert oder dass auf dem Weg zu ihm tatsächlich
mit der Strategie Erfolg hatten. Interessanterweise konnte man physisch etwas verlorengeht. Um ganz sicher zu gehen, wähle ich
beobachten, dass die Geschenke weder erbeten (das haben wir das Ausmaß der Entschädigung so hoch, dass ich mir auch ein
oben schon gesehen) noch in irgendeiner Weise willkommen „verrauschtes“ Signal an mein Gegenüber leisten kann. So berich-
waren. Vielfach wurden die Blumen von den Passanten auf dem tet Van Lange (1999), dass gegenüber der einfachen Kooperati-
weiteren Weg in die nächste Mülltonne geworfen. Selbst solche onsstrategie tit for tat („Wie du mir, so ich dir“), die Variante tit
Personen, die eine Spende geleistet und die Blume sozusagen for tat – plus one deutlich überlegen sei.
teuer gekauft hatten, legten keinerlei Wert auf das „Geschenk“. Ich möchte zusätzlich eine eigene Erklärung anbieten: Eine
Dieses Verhalten war so verbreitet, dass es sich für die Krishnas Rückzahlung, die exakt der Vorleistung entspricht, stellt nur
lohnte, den Weg der Passanten nachzugehen und die Blumen aus einen Gegenwert wie eine Bezahlung dar. Dadurch wirkt sie
dem Müll wieder hervorzuholen, um sie wieder zu verwenden erzwungen. Eine Gegenleistung, die über den obligatorischen
(Cialdini 1993, S. 31). Umfang hinausgeht, ist dagegen freiwillig. Wer also mehr zu-
rückzahlt, als er bekommen hat, kann sich immer sagen, er tue
Gegenseitigkeit und Sympathie dies freiwillig und sei eigentlich dazu nicht verpflichtet. Durch
Die zweite Besonderheit ergibt sich aus einer zusätzlichen Be- die angenommene Freiwilligkeit kann man sich weiter der Über-
fragung, die Regan (1971) in seinem Experiment durchgeführt zeugung hingeben, Herr über die eigenen Handlungen zu sein.
hat: Die Versuchspersonen wurden danach befragt, ob ihnen Joe Die Gegenleistung erscheint nicht als erzwungene Rückzahlung,
sympathisch war. Normalerweise würden Personen, die Joe mö- sondern als freiwilliger Gefallen.
gen, mehr Lose kaufen als solche, die ihn nicht mögen. Dieser
Effekt galt aber nur für diejenigen Versuchspersonen, die keine Entschädigung im Verborgenen
Cola bekommen hatten. Die Personen, die Joe einen Gefallen Burger et al. (2009) variierten das Experiment von Regan (1971),
schuldig waren, kauften ihm die Lose ab, egal ob sie ihn mochten indem sie ihre Probanden baten, einen Fragebogen zu bearbeiten,
oder nicht. Dieses Ergebnis zeigt die Macht der Gegenseitigkeits- den sie mit nach Hause nehmen sollten und den sie – falls sie
regel: Sie setzt andere Regeln außer Kraft, die sonst eine starke nicht interessiert seien – ausdrücklich auch wegwerfen durften.
Wirkung haben. Ohne Getränk taten dies auch 95 % der Probanden. Die magere
Kooperationsrate von 5 % wurde durch den Gefallen allerdings
Das Ausmaß der Entschädigung nahezu versechsfacht: 28,3 % der Probanden mit Getränk mach-
In den späten 1960er Jahren, zur Zeit von Regans Experiment, ten mit und gaben – später – einen ausgefüllten Fragebogen ab.
kostete eine Cola etwa 10  Cent. Joes Lose dagegen kosteten Burger et al. (2009) zeigen mit diesem Experiment, dass die
25 Cent. Joe hatte also bereits einen Gewinn von 150 % gemacht, Regel der Gegenseitigkeit, auch dann gilt, wenn der andere nicht
wenn die Versuchsperson ihm nur ein einziges Los abkaufte. merkt, dass ich den Gefallen erwidere. Die Untersuchung enthielt
Die Durchschnittsabnahme in der Cola-Bedingung waren aber eine anonyme Bedingung, in der die Probanden praktisch sicher
sieben Lose! Was motiviert jemanden so stark, seine Schuld zu waren, dass niemand erfährt, ob sie den Bogen zurückbringen
begleichen, dass er sogar weit über das hinausgeht, was eigentlich oder nicht. Allerdings war der Unterschied zwischen der Bedin-
fair wäre? Cialdini (1993, S. 32 f) bietet zwei Erklärungen an: gung mit Getränk und der ohne in anonymer und nicht anony-
Zum einen erinnert er daran, wie unangenehm es ist, Schulden mer Bedingung der gleiche. Die Reziprozitätsnorm ist also eine
zu haben. Man denke nur an das Gefühl von Amerigo Bonasera, stark verinnerlichte Regel – auch ohne direkte Interaktion fühlt
als ihm der Pate sagt: „Ich werde dich bitten, mir dafür einen man sich unter Druck, Gefälligkeiten zu erwidern.
Gefallen zu tun“, wie er dann zitternd dem Tag entgegensieht,
an dem der Don auf ihn zukommen und sagen wird: „Erinnerst
du dich, dass ich dir einen Gefallen getan habe?“, und an seine 10.3.2 Gegenseitige Zugeständnisse
Aufregung, als schließlich später tatsächlich der Padrone ruft, um und die Tür-ins-Gesicht-Technik
seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Eine weitere Erklärung
ist, dass die soziale Umwelt darüber wacht, dass Gefallen erwidert Stellen Sie sich vor, ein Freund bittet Sie, eine umfangreiche
werden. Schnorrer und Parasiten werden nicht geduldet. Diese schriftliche Arbeit für ihn zu tippen – eine Bitte, die normaler-
soziale Ächtung besteht nicht nur in den Köpfen der Schuldner, weise wohl etwas weit geht. Sie lehnen ab, aber sofort kommt die
sie existiert tatsächlich. Auch im umgekehrten Fall reagiert die nächste Bitte: Ob Sie nicht wenigstens bereit wären, für ihn die
soziale Umwelt mit Unbehagen und Antipathie: Eine Person, die Tippfehler zu korrigieren. Stellen Sie sich vor, die Sache kommt
einer anderen einen Gefallen tut, ohne der anderen die Gele- Ihnen so oder so ungelegen, würden Sie immer noch Nein sa-
genheit zu geben, den Gefallen zu erwidern, wird von neutralen gen, nachdem Sie schon einmal abgelehnt haben? Es ist offenbar
Beobachtern deutlich negativ eingeschätzt. Dieser Befund ließ wesentlich einfacher, jemanden zu einer Gefälligkeit zu bewe-
sich in einer kulturvergleichenden Studie für Schweden, die USA gen, nachdem er schon einmal eine andere, größere Gefälligkeit
und Japan bestätigen (Gergen et al. 1975). abgelehnt hat. Dieses Prinzip wird als Tür-ins-Gesicht-Technik
Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Störung der Kommunika- (Door-in-the-Face-Technik) bezeichnet, weil man sich zunächst
tion durch „Rauschen“. Damit ist das Risiko gemeint, dass meine die Tür vor der Nase zuschlagen lassen muss, um in der Folge
Entschädigung ohne mein Verschulden nicht vollständig beim sehr viel bessere Erfolgsaussichten zu haben als ohne die zuge-
anderen ankommt – sei es, dass der andere die Entschädigung als schlagene Tür.
218 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

Cialdini et al. (1975) tarnten sich als Mitarbeiter des County chene mit der Gewährung der kleineren Bitte erwidert. Die Me-
1 Youth Counseling Program und fragten Studenten, ob sie bereit taanalyse von O’Keefe und Hale (1998) zeigt aber wie gesagt, dass
seien, unentgeltlich eine Gruppe von jugendlichen Delinquenten die Höhe der Verringerung (und damit das Ausmaß der Gefäl-
2 auf einem Ausflug in den Zoo zu begleiten. Die Mehrheit (83 %) ligkeit) für die Wirkung der Strategie unerheblich ist. Denkbar
lehnte ab. Wenn die Studenten allerdings zuvor gebeten wurden, scheint demnach, dass ein Entgegenkommen auch vollständig
für ein Minimum von zwei Jahren einige Stunden pro Woche als entbehrlich ist und dass die Tür-ins-Gesicht-Technik auch ohne
3 Berater für jugendliche Delinquenten zu fungieren, was natürlich Entgegenkommen funktioniert. O’Keefe (1999) bezweifelt gene-
jeder ablehnte, betrug die Zustimmungsrate zu der zweiten Bitte rell, dass die Reduktion der Bitte, also die Gegenseitigkeit von
4 nahezu 50 %. Zugeständnissen, eine notwendige Bedingung für die Wirkung
Wenden wir die Regel der Gegenseitigkeit auf dieses Vor- der Technik ist. Sein Erklärungsansatz geht davon aus, dass die
5 gehen an. Der Rückzug von der ersten Forderung kann wie ein Zurückweisung der ersten Bitte ein Gefühl der Schuld oder un-
Zugeständnis an die ablehnende Person empfunden werden. erledigten Aufgabe erzeugt, das mit der Gewährung der zweiten
Indem man seine erste Position abschwächt, kommt man dem Bitte neutralisiert wird.
6 Partner gleichsam entgegen und kann demnach auch verlangen, Die Reduktion der ersten Bitte hat daher möglicherweise
dass dieser seinerseits Teile seiner Position aufgibt. Dieses Prin- nicht den Zweck, den Druck zur Kooperation aufzubauen (dazu
7 zip liegt offenbar den verschiedensten Arten von Verhandlungen war die Ablehnung der ersten Bitte bereits ausreichend). Sie ist
zu Grunde, sei es beim Versuch, das Auto der Eltern für einen eher dazu da, dem Bittsteller überhaupt die Möglichkeit zu ge-
Abend zu leihen, seien es Tarif- oder Abrüstungsverhandlun- ben, eine zweite Bitte zu stellen. Immerhin kann man ja nicht so
8 gen, sei es auf dem Flohmarkt oder Basar. Das Besondere bei ohne weiteres zweimal hintereinander exakt dasselbe fordern.
der Tür-ins-Gesicht-Technik besteht darin, dass eigentlich keine Dies würde geltende Kommunikationsnormen verletzen (z. B.
9 Situation erforderlich ist, die die erste – unverschämte – Forde- Grice 1975).
rung legitimiert, wie beispielsweise bei Tarifverhandlungen das
Kontrasteffekte im Dienste der
10 Ablaufen des Tarifvertrags oder auf dem Flohmarkt die gesamt
Gegenseitigkeitsregel
Kauf- und Verkaufssituation. Die erste Bitte kann aus der Luft
gegriffen werden, und trotzdem wirkt das Abweichen davon wie Die Gegenseitigkeitseffekte bei Zugeständnissen stellen eine
11 ein Entgegenkommen. nicht unerhebliche Abkehr von ökonomischen Prinzipien der
Wenn ich auf die Gegenseitigkeit von Zugeständnissen hoffe, Wertmaximierung dar. Bedenken wir: In vielen Fällen wird ja
12 stehe ich offenbar immer auf der Gewinnerseite. Wenn ich Sie objektiv gar kein Gewinn erzielt. Was von uns psychologisch auf
zum Beispiel um 10 Euro anpumpe, obwohl ich nur 5 Euro brau- der Gewinnseite verbucht wird, ist in Wirklichkeit nichts weiter
che, dann kann es sein, dass Sie mir tatsächlich 10 Euro geben als die triviale Feststellung, dass eine Person, die viel von uns
13 – und dagegen würde ich mich nicht wehren. Wenn Sie sich aber verlangt, theoretisch noch mehr verlangt haben könnte. Offenbar
erwartungsgemäß weigern, habe ich mit meiner nun folgenden stehen hier Kontrast- (▶ Abschn. 7.3) bzw. Ankereffekte (▶ Ab-
14 eigentlichen Bitte um 5 Euro wesentlich größere Chancen auf schn. 9.2.3) Pate. Allerdings funktioniert das Kontrastprinzip
Erfolg, weil jetzt die Regel der Gegenseitigkeit für mich arbeitet. auch ohne Gegenseitigkeitsregel. Der einfache Grundgedanke ist
15 Ein herrliches Lotteriespiel: Bei Kopf gewinne ich, bei Zahl ver- der, dass neben einer extremen Forderung jede andere Forderung
lieren Sie (Cialdini 1993, S. 41). wie ein Zugeständnis aussehen muss, wenn sie nur kleiner ist.
Nach einer Metaanalyse von O’Keefe und Hale (1998) funk- Auf diesem Boden gedeiht auch die That’s-not-all-Technik, nur

-
16 tioniert die Tür-ins-Gesicht-Technik am besten, wenn … mit anderem Vorzeichen: Ein Verkäufer macht ein Angebot, und
Bittsteller und Adressat von der ersten zur zweiten Bitte die bevor sein Gegenüber ihm antworten kann, verbessert er das An-
17
-- gleichen bleiben,
die Bitte einen „sozialen“, nicht eigennützigen Inhalt hat,
gebot noch durch eine Dreingabe oder einen Preisnachlass. Im
Unterschied zur Gegenseitigkeit bei Verhandlungen bezieht die
18
19
- der Abstand von der ersten zur zweiten Bitte gering ist,
die Bitte von Angesicht zu Angesicht gestellt wird.

Die Höhe des Nachgebens von der ersten zur zweiten Bitte hat
That’s-not-all-Technik ihre Kraft aus der Tatsache, dass das Ent-
gegenkommen des Verkäufers, die Verbesserung des Angebots,
spontan erfolgt und nicht ausgehandelt wurde (Burger 1986).
In allen diesen Fällen kommt es darauf an, in welchen Kon-
jedoch keinen Effekt. text die Dinge gestellt werden. Das Kontrastprinzip ermutigt
20 Dass die Tür-ins-Gesicht-Technik am besten in der direkten uns, auf Gegenseitigkeitsmechanismen auch dann zu hoffen,
Interaktion funktioniert, bedeutet übrigens nicht, dass sie in der wenn der erste Versuch, durch eigene Zugeständnisse andere
virtuellen Welt wirkungslos wäre. So zeigen Eastwick und Gard- zu erlangen, fehlschlägt. Goldman und Creason (1981) konnten
21 ner (2009), dass Menschen sich von der Tür-ins-Gesicht-Technik zeigen, dass die letztendliche Gefälligkeit sogar noch größer aus-
(und übrigens auch von der Fuß-in-der-Tür-Technik; +++) auch fiel, wenn die erste Bitte sehr unverschämt war – und abgelehnt
22 dann beeinflussen lassen, wenn die Manipulation im Rahmen wurde –, die zweite Bitte immerhin noch ziemlich unverschämt
eines Computerspiels von einem Avatar ausgeht. war – und auch abgelehnt wurde – und sich erst die dritte Bitte
Die Tür-ins-Gesicht-Technik wird gerne als eine Anwendung in einigermaßen vernünftigen Dimensionen bewegte.
23 der Reziprozitätsnorm dargestellt (Cialdini et al. 1975, tun dies Eine andere Technik, den Effekt zu steigern, besteht aber
ausdrücklich). Danach ist die Verringerung der ursprünglichen darin, die gebetenen Personen selbst das Ausmaß bestimmen
unverschämten Bitte ein Entgegenkommen, das der Angespro- zu lassen, in dem sie gefällig sein wollen (Goldman und Crea-
10.3  •  Die Regel der Gegenseitigkeit – quid pro quo
219 10

Exkurs 10.6  Pay what you want  |       | 


Eine Notiz in einer Tageszeitung: „In einer glaube kaum. Die beiden Wirte lassen die Käufer mehr als bei regulären Preisen (Gneezy
Kneipe mit dem bezeichnenden Namen? im Gegenseitigkeitsregel im vollen Umfang et al. 2010; Kim et al. 2009).
fränkischen Fürth machen die Gäste große Au- für sich arbeiten, indem sie es den Gästen Besonders wirksam ist auch hier die Kom-
gen, wenn sie Wirt Franz Bayer nach der Rech- anheimstellen, wie viel das Essen nun wirklich bination des Verfahrens mit der Regel der
nung für das Essen fragen. „Bei mir bezahlt wert war. Die Freiwilligkeit, mit der die Gäste Gegenseitigkeit: Haller et al. (2012) schenkten
jeder nur das, was ihm das Essen wert war“, zu bezahlen gezwungen werden, hat etwas einem Teil ihrer Probanden unaufgefordert
sagt der 37-Jährige. Zusammen mit seinem sehr Subtiles. Sie verhindert die ganze Freude, eine kleine Tüte Gummibärchen und boten
Partner Arno Hoffmann hat er das „alternative“ die man gehabt hätte, wenn man irgendwo für ihnen danach selbst gebackene Muffins zum
Lokal eröffnet. Wer für den Schweinebraten einen Spottpreis ein prima Essen bekommen Verkauf an. Wenn die Probanden den Preis für
mit Knödel nur drei Mark auf den Tisch legt, hätte, wo aber dieser Spottpreis vorher festge- die Muffins selbst festlegen konnten, zahlten
muss für seine Knauserigkeit wenigstens eine standen hätte. sie höhere Beträge, wenn sie zuvor das kleine
Begründung geben. Doch dabei sind die Wirte Die Rockband Radiohead bot ihren Fans für Geschenk erhalten hatten. Interessanterweise
nicht kleinlich. „Wenn ein Gast keinen Pfennig zwei Monate die Gelegenheit, ihr Album war dieser Effekt besonders ausgeprägt, wenn
mehr in der Tasche hat, bekommt er trotzdem In Rainbows für einen selbst gewählten Preis die Muffins nicht mehr ganz frisch waren. Dies
sein Essen.“ Aber beim nächsten Mal sollte er herunterzuladen. Nach Angaben der Band zeigt, dass die Regel der Gegenseitigkeit dazu
schon mehr Geld mitbringen, sagt Bayer. Denn war der Ertrag aus dem Download mit diesem führt, dass Konsumenten nicht mehr an ihre
Schmarotzer setze er schließlich doch vor die Preissystem höher als bei allen anderen Alben Nutzenmaximierung, sondern eben an den
Tür (Trierischer Volksfreund, 23.10.1995, S. 23). der Band zusammengenommen (zit. n. Kim Ausgleich für die Gefälligkeit denken.
Hätten Sie Lust, in diesem Restaurant zu et al. 2009). Generell scheint sich das Prinzip Mehr zum Thema Pay what you want findet
essen? Würde dann jemand, der gerne gut pay what you want auszuzahlen – nur wenige ▶
sich in  Abschn. 20.2.3.
und gleichzeitig preiswert isst, in diesem Konsumenten nutzen es aus, um tatsächlich
Restaurant auf seine Kosten kommen? Ich gar nichts zu zahlen, und im Schnitt zahlen die

son 1981). Gelegentlich lässt sich die geforderte Gefälligkeit in pflegen, ist eine andere Umsetzung der Strategie, nach der ich die
Zahlen oder Geldbeträgen messen. In solchen Fällen zeigt sich, Forderung so winzig verkleinere, dass sie der andere sinnvoller-
dass es sich nicht lohnt, mit der entscheidenden Bitte eine Zahl weise nicht ablehnen kann.
vorzugeben, die den größten Erfolg verspricht. Noch größeren
Erfolg hat man, wenn dieses Ausmaß von den Personen selbst Fairness und Zufriedenheit
festgelegt wird (▶ Exkurs 10.6). Sie erkennen vielleicht die Möglichkeiten zur Manipulation
Ein geflügeltes Wort ist in diesem Zusammenhang die Fest- und stellen sich die Frage, ob die betroffenen Personen nicht
stellung even a penny helps. Wenn bereits ein Penny eine Hilfe auf Dauer mit ihrem sozusagen erzwungenen Verhalten unzu-
darstellt, wie ließe sich da noch begründen, dass man nichts bei- frieden sind und sich sagen: „Einmal und nie wieder.“ Auch zu
tragen will? Wenn man nun akzeptiert, dass man sich unter die- dieser Frage wurden Experimente durchgeführt (Benton et al.
sen Umständen der Bitte nicht verweigern kann, dann heißt das 1972; vgl. auch Cialdini und Ascanti 1976). Versetzen Sie sich
aber nicht, dass man die Geschmacklosigkeit begeht, tatsächlich in folgende Situation: Sie und ich nehmen an einem Experiment
nur einen Penny zu spenden. Eine üble Zwickmühle: Die Bitte teil, in dem wir 100 Euro unter uns aufteilen sollen. Wenn wir in
wird so mikroskopisch verkleinert, dass ihr wirklich jeder ohne einer bestimmten Frist eine Einigung erzielt haben, dann kön-
Probleme stattgeben kann. Aber tatsächlich in diesen winzigen nen wir das Geld in diesem Einvernehmen aufteilen und damit
Ausmaßen der Bitte zu entsprechen, das bringt niemand übers nach Hause gehen. Wenn wir uns nicht einigen können, dann
Herz. Da legt man schon lieber selbst, ganz freiwillig, eine Größe bekommt keiner von uns etwas. „Nichts leichter als das“, höre
fest, mit der man der Bitte nachkommt. Ihr Freund in dem oben ich Sie schon sagen, „jeder kriegt 50 Euro.“ Aber Sie haben nicht
genannten Beispiel könnte Sie also bitten, dass Sie ihm wenigs- mit mir gerechnet. In einer von mehreren Versuchsbedingungen
tens eine einzige Seite Korrektur lesen. Nun könnte man meinen, beanspruche ich 56 Euro, ohne von dieser Position zu weichen.
unser Freund müsste wohl jetzt bis zum Sankt Nimmerleinstag Sie können den Restbetrag akzeptieren, oder Sie lassen den ge-
Leute anheuern, die ihm so wie Sie in kleinsten Portionen den samten Geldbetrag für sich und für mich verfallen. In einer an-
gewünschten Gefallen erweisen. Aber das wird er nicht nötig ha- deren Bedingung verlange ich zunächst 85 Euro, aber Sie merken,
ben. Es zeigt sich nämlich, dass nach der Verringerung der Bitte dass ich nachgebe. Unter Zeitdruck – immerhin geht das gesamte
auf eine Mikroversion die tatsächlich gewährten Gefälligkeiten, Geld verloren, wenn wir nicht rechtzeitig ein Ergebnis erzielen
Zuwendungen oder Spenden genauso groß ausfallen wie bei der – versuchen Sie, mich weichzuklopfen. Am Ende gehen Sie mit
Normalversion der Bitte. Der einzige Unterschied: In der Mikro- 39 Euro nach Hause.
version geben wesentlich mehr Personen der Bitte nach (Cialdini Welche der beiden Bedingungen ist Ihnen am liebsten?
und Schroeder 1976). Auch hier scheint die Antwort zunächst einfach: In der ersten
Ein anderes Beispiel für diese Strategie aus dem Alltag: Ich Bedingung gehen Sie letztendlich mit 44 Euro nach Hause, also
fege über den Flur und eile bereits viel zu spät in eine Bespre- müssten Sie in dieser Bedingung auch am zufriedensten sein.
chung oder in die Vorlesung. Auf dem Gang treffe ich einen Dem ist aber nicht so. Normalerweise sind Versuchspersonen
Kollegen oder Studenten, der noch etwas mit mir zu besprechen zufriedener mit einem Ergebnis, das sie selbst herbeigeführt ha-
hat. Mit welchen Worten redet er mich an? „Hallo, ganz kurz ben, auch wenn der Nettoertrag dabei geringer ausfällt als unter
…“ Dieses „ganz kurz“, mit dem wir unsere Anliegen einzuleiten anderen Bedingungen, auf die sie aber keinen Einfluss haben
220 Kapitel 10 • Sozialpsychologische Grundlagen

(Benton et al. 1972). Wenn Personen das Gefühl haben, selbst über ein Restaurant: „The food is horrible and, what’s worse, they
1 an einem Ergebnis mitgewirkt zu haben, dann sind sie schon mit serve such small portions“ (zit. n. O’Shaughnessy 1987, S. 94).
verhältnismäßig geringen Erträgen zufrieden. In entsprechen- Diese Argumentation ist keine reine Überzeichnung. Sie macht
2 den Untersuchungen nach dem geschilderten Muster brachen auf eine interessante psychologische Unterscheidung aufmerk-
die Versuchspersonen bei der Verhandlungsbedingung sogar sam: Die Frage, ob man ein Produkt mag, lässt sich zumindest
ihre Bemühungen ab, nachdem sie dem Partner nur verhältnis- teilweise von der Frage unterscheiden, ob man einen angemes-
3 mäßig kleine Zugeständnisse entlockt hatten. Die Zufriedenheit senen Gegenwert zu seiner Investition erhalten hat.
mit dem Ergebnis stellte sich also schon zu einem Zeitpunkt ein, Als Konsumenten wollen wir bekommen, wofür wir bezahlt
4 von dem aus die Probanden durchaus noch einen höheren Ertrag haben. Störungen dieser Stimmigkeit motivieren uns stärker
hätten erzielen können. als gleichwertige Gewinne oder Verluste, die ohne das Prinzip
5 Diese Versuchsanordnung habe ich dem sogenannten Ulti- der Gegenseitigkeit erzielt wurden. Erinnern Sie sich nur an
matumspiel (Roth 1995; Thaler 1988) nachempfunden, das die das bekannte Phänomen mit der verlorenen Kinokarte (▶ Ab-
Bedeutung von fairem Austausch noch in einem anderen Sinne schn. 9.1.4): Wer ins Kino gehen will und am Eingang bemerkt,
6 belegt. In der Grundversion des Spiels wird im Vorhinein fest- dass er die Karte im Wert von 10 Euro verloren hat, ist weniger
gelegt, dass eine von zwei Versuchspersonen der anderen einen geneigt, eine neue Karte zu kaufen, als jemand, der an er Kino-
7 Betrag für die Aufteilung nennt, und die andere akzeptiert oder kasse bemerkt, dass er einen 10-Euro-Schein verloren hat (Kah-
eben nicht. Würde die Theorie der Nutzenmaximierung zutref- neman und Tversky 1982). Nach Verlust der Karte würden durch
fen, dann würden Anbieter Beträge nahe Null offerieren, und einen neuen Kauf Gegenseitigkeitsprinzipien verletzt (O’Shaug-
8 Akzeptierer würden lieber geringe Beträge einstreichen als gar hnessy 1987, S. 93 f). Der Konsument würde doppelt bezahlen,
nichts. Das tatsächliche Verhalten von Menschen im Ultimatum- obwohl er nur den einfachen Gegenwert erhält. Bei Verlust der
9 spiel ist allerdings mit dem Bild des Homo oeconomicus unver- 10 Euro würde die Situation dagegen mental anders verbucht
träglich: Tatsächlich bieten die Anbieter in der Regel Summen an, und überhaupt nicht als eine soziale Situation wahrgenommen.
10 die weit über Null liegen, und die Akzeptierer verweigern Sum- Man hätte die 10 Euro niemandem gegeben, um dafür etwas zu
men, die sie für unfair halten und lassen stattdessen das Geld ver- erhalten. Daher wäre es auch keine Verletzung der Gegenseitig-
fallen. Offenbar geben Menschen in manchen Situationen lieber keitsprinzipien, sich gleich nach dem Verlust noch einmal um
11 ihren Nutzen preis, wenn sie damit verhindern können, dass ein 10 Euro zu erleichtern.
unfaires Ergebnis entsteht. Es ist allerdings nicht nur die Angst Das vorangegangene Beispiel ging davon aus, dass wir in-
12 vor der Ablehnung des Akzeptierers, die den Bieter veranlasst, vestiert haben und nun auf unsere Kosten kommen wollen. Die
nicht eigennützig zu bieten. Bieter tun dies nämlich auch in einer Standardfälle, die wir oben diskutiert haben, hatten demgegen-
verschärften Variante des Spiels, dem sogenannten Diktatorspiel, über eine andere Struktur. Darin wurde uns eine Gefälligkeit er-
13 bei dem die Akzeptierer das Gebot akzeptieren müssen und nicht wiesen oder ein Geschenk gemacht, und wir standen unter dem
die Möglichkeit haben, abzulehnen. Druck der Regel. Diese Fälle sind im Konsumentenverhalten
14 besonders interessant. Wer nämlich die Gegenseitigkeitsregel in
diesem Sinne für sich arbeiten lässt, braucht nicht mehr an die
10.3.3 Gegenseitigkeitsprinzipien
15 im Konsumentenverhalten
Nutzenmaximierung der Partner zu denken. Die Gegenseitig-
keitsregel führt uns als Partner in der Transaktion geradewegs zu
der Überlegung „Wie kann ich meine Schuld begleichen?“ oder
16 Prinzipien des Austauschs gehören zu den Kernkonzepten eines „Wie kann ich ausgeglichene Verhältnisse schaffen?“. Der Ge-
marketingorientierten Wirtschaftssystems. Man missversteht den danke „Ist das ein gutes Geschäft?“ oder „Was habe ich von der
17 Austauschbegriff des Marketings aber, wenn man ihn auf ein ein- Transaktion?“ tritt in den Hintergrund (Pratkanis und Aronson
faches Befolgen der Gegenseitigkeitsregel reduziert, an dessen 1992, S. 183).
Ende ausgeglichene Verhältnisse stehen sollen. Der entschei- In ähnlicher Weise geben Konsumenten auch ihren Nutzen
18 dende Punkt beim Austausch ist, dass beide Parteien nach dem preis, wenn sie glauben, sie müssten dem Unternehmen etwas
Austausch besser dastehen als vorher. „In diesem Sinne wirkt der „heimzahlen“. Verärgerte und unzufriedene Konsumenten sind
19 Austausch als Wertschaffungsprozeß“ (Kotler und Bliemel 1995, ebenfalls eher davon getrieben, mit dem Unternehmen irgendwie
S. 11). Das Prinzip der Gegenseitigkeit ist nur eines von verschie- subjektiv „quitt“ zu werden, anstatt ihren Nutzen zu maximieren
20 denen psychologischen Momenten, die bei der Wahrnehmung (Bechwati und Morrin 2003).
und Bewertung wirtschaftlicher Austauschprozesse eine Rolle Übrigens sind Menschen unterschiedlich sensibel gegenüber
spielen. Dabei ist seine Bedeutung allerdings zentral. Unfairness – auch das zeigt sich im oben zitierten Ultimatum-
21 „Surely the rule ,not let someone take advantage of you’ was a spiel. Ein Faktor bei diesen Personunterschieden ist Serotonin.
social rule before being a rule of economic exchange“ (O’Shaugh- Unter einer Deprivation von Serotonin ist die Sensibilität größer.
22 nessy 1987, S. 93). Jeder Konsument fragt, ob er durch sein Kon- Umgekehrt erhöht Serotonin die Toleranz gegenüber Unfairness
sumverhalten auf seine Kosten gekommen ist, ob er den Gegen- (Crockett et al. 2008).
wert seiner Investition bekommen hat. Das ist nicht identisch Gefälligkeiten wie in unseren Anfangsbeispielen sind natür-
23 mit der Frage, ob er mit dem Konsumverhalten besser dasteht als lich ein Marketinginstrument. Ein erstes Beispiel liefert uns die
ohne. Erinnern wir uns an Woody Allens Annie Hall. In einem Technik der Gratisprobe. Gratisproben haben eine wichtige Dop-
Gleichnis auf das Leben als solches beklagt sich Woody Allen pelfunktion. Zunächst einmal informieren sie den Kunden über
10.3  •  Die Regel der Gegenseitigkeit – quid pro quo
221 10

das Produkt. Der Kunde soll wissen, woran er mit dem Produkt Ehrengäste auf einer Veranstaltung der betreffenden Wohltätig-
ist. Darüber hinaus ist eine Gratisprobe aber auch ein Geschenk, keitsorganisation.
und als solches ist es in der Lage, den Gegenseitigkeitsmecha- Die Beteiligten einer Verhandlung sind mit den Verhand-
nismus anzustoßen. Insbesondere in der direkten Kaufsituation lungsergebnissen wesentlich zufriedener, wenn sie das Gefühl
im Supermarkt kann man mit dieser Technik eine starke Wir- haben, zu dem Ergebnis wirklich etwas beigetragen zu haben.
kung erzielen. Packard (1974) erwähnt einen Supermarkt in Diese Erklärung kann zum Verständnis eines Befunds zur Mar-
Indiana, der seine Verkaufszahlen beim Käse extrem gesteigert kentreue von Konsumenten beitragen: „Von den Kunden, die sich
haben soll, indem den Kunden einfach erlaubt wurde, beliebig beschweren, werden 54–70 Prozent wieder beim Unternehmen
viele Käseproben zu entnehmen. Das Unternehmen Amway, das kaufen, wenn der Beschwerdegrund beseitigt wird. Dieser Wert
seine Produkte von Tür zu Tür verkauft, weist seine Verkäufer an, erhöht sich sogar bis auf 95 Prozent, wenn der Kunde das Ge-
den Kunden stets eine Kollektion der Produkte gratis im Haus fühl hat, daß seine Beschwerde rasch erledigt wurde.“ Dies zeigt,
zu lassen. Es handelt sich dabei um Putzmittel, Shampoo und wie wichtig es ist, Beschwerden von Kunden ernst zu nehmen:
Insektenvertilgungsmittel. Die Kollektion soll zwischen einem Dadurch, dass er sich beschwert, zeigt der Kunde bereits eine
und drei Tagen beim Kunden verbleiben und keine Verpflich- gewisse Bereitschaft, ein korrigierendes Entgegenkommen von
tung darstellen. Der Verkäufer bittet lediglich, dass der Kunde Seiten des Unternehmens zu akzeptieren. Das heißt, die Kunden,
die Produkte testen soll. Nach dem Test nimmt er sie wieder mit die sich beschweren, stellen von vornherein eine Positivauslese
und gibt sie an einen anderen Kunden weiter. Die Erfolge, die dar, „denn 95 Prozent der unzufriedenen Kunden beschweren
Amway nach Einführen dieser Verkaufstechnik zu verzeichnen sich nicht beim Unternehmen. Viele hören einfach auf zu kau-
hatte, waren überwältigend (Cialdini 1993, S. 28). fen.“ Wer nun das Gefühl bekommt, durch seine Beschwerde tat-
Die Reziprozitätsnorm lässt sich auch auf dem eher unper- sächlich etwas bewirkt zu haben, ist umso zufriedener. Allgemein
sönlichen Postweg aktivieren: Wenn Spendenaufrufe mit einem gesagt: Je stärker der Kunde seine Eigenbeteiligung am Aushan-
Geschenk einhergehen, zum Beispiel individuelle Adresssticker, deln eines fairen Ergebnisses wahrnimmt, desto größer ist seine
dann erhöht sich die Spendenbereitschaft von 18 auf 35 % (Smo- Bindung an den Partner in dieser Verhandlung. Und außerdem:
lowe 1990). Berry und Kanouse (1987) berichten von einem Fall, „Kunden, die sich beschwert haben und deren Beschwerden zu
in dem Ärzte für eine Fragebogenumfrage gewonnen werden ihrer Zufriedenheit erledigt wurden, berichten im Durchschnitt
sollten. Wenn das Honorar für das Ausfüllen bereits mit dem fünf anderen von der Behandlung, die sie erfahren haben“ (Zitate
Fragebogen verschickt wurde, nahmen 78 % der angeschriebenen aus Kotler und Bliemel 1995, S. 28).
Ärzte teil. Von diesen lösten 95 % den Scheck auch tatsächlich
ein. Wenn dagegen das Honorar erst später kommen sollte, nah-
men nur 66 % teil.
Offenbar wurde die Stichprobe sehr viel besser ausgeschöpft,
wenn das Honorar bereits im Voraus gezahlt und damit die Re-
ziprozitätsnorm aktiviert wurde. Nun kann man sich natürlich
fragen, ob dieses Verfahren nicht extrem teuer ist, denn man
schickt ja auch an jene, die letztlich doch nicht teilnehmen, ei-
nen Scheck. Allerdings wirkt die Reziprozitätsnorm auch auf
die Nichtteilnehmer: Von den Ärzten, die nicht teilgenommen
hatten, lösten nur 26 % den Scheck ein, 74 % nahmen also unter
diesen Umständen das Geld gar nicht erst an. Die Regel der Ge-
genseitigkeit wirkte also auf zwei unterschiedliche Weisen: Ent-
weder sie motivierte Teilnehmer, die sonst den Fragebogen nicht
ausgefüllt hätten, oder sie hielt etliche von denen, die sich nicht
motivieren ließen, davon ab, das Geld, das sie praktisch schon
besaßen, auch tatsächlich abzuholen.
Ein weiteres Beispiel, in dem Gegenseitigkeitsmechanismen
greifen, sind Überlassungen, Spenden, Geschenke und Sponso-
ring (Kotler und Bliemel 1995, S. 12; siehe auch ▶ Abschn. 1.5.2).
Wenn man etwas ohne greifbare Gegenleistung abgibt, entstehen
notgedrungen ein Ungleichgewicht und eine Störung der Rezi-
prozitätsnorm. In vielen Fällen des Wirtschaftslebens lassen sich
aber doch Mechanismen benennen, über die die Schenkenden
ihre Erwartungen erfüllen und ihren Zwecken dienen können.
Sie können sich das Wohlwollen des Beschenkten für die Zu-
kunft sichern. Sie können neue Möglichkeiten der Imagepflege
erhalten, indem sie beispielsweise mit dem Sponsoring werben.
Sie können vom Beschenkten in eine Gemeinschaft eingebunden
werden, etwa als Abnehmer einer Mitgliederzeitschrift oder als
223 11

Psychologische Konsistenz
und Reaktanz
Georg Felser

11.1 Konsistenz: Wenn Widersprüche das Verhalten lenken  –  224


11.2 Die Dissonanztheorie – 225
11.3 Die Bedingung für kognitive
Konsistenzmechanismen: Bindung – 226
11.3.1 Die Größe des Handlungsanreizes  –  226
11.3.2 Wahlfreiheit – 227
11.3.3 Hindernisse, Nachteile, Anstrengungen  –  227
11.3.4 Die magische Handlung: Schreiben  –  227
11.3.5 Öffentlichkeit – 227
11.3.6 Besitz – 228

11.4 Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf  –  229


11.4.1 Dissonanz nach Entscheidungen  –  229
11.4.2 Die Fuß-in-der-Tür-Technik – 230
11.4.3 Low Balling – 231
11.4.4 Oversufficient-Justification-Effekt – 232
11.4.5 Ausgabeneffekt – 233

11.5 Die Reaktanztheorie – 233


11.5.1 Aufwertung durch Unzugänglichkeit  –  234
11.5.2 Der Bumerangeffekt bei der Beeinflussung  –  235

11.6 Einschränkungen und Bedingungen der Reaktanztheorie  –  235


11.6.1 Wettbewerb – 236
11.6.2 Reaktanz und Saure-Trauben-Effekt  –  237

11.7 Reaktanz und Gesetze  –  237


11.8 Die Reaktanztheorie in Werbung und Verkauf  –  237
11.8.1 Reaktanz und Beeinflussung  –  238
11.8.2 Werbeunterbrechungen – 239
11.8.3 Reaktanz und Kaufentscheidungen  –  239
11.8.4 Einschränkung als Werbe- und Verkaufsmittel  –  239

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
224 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Zusammenfassung: 11.1 Konsistenz: Wenn Widersprüche


1 1. Wir streben nach Übereinstimmung zwischen dem, wofür wir das Verhalten lenken
einstehen, und dem, was wir tatsächlich tun. Werden wir auf
2 Widersprüche aufmerksam, richten wir unser Verhalten deut- Konsistenztheorien gründen auf der Kernannahme, dass Menschen
licher darauf ein, dass es mit den Fakten unseres Einstehens in Widersprüche zwischen verschiedenen Kognitionen nur ungern
Einklang steht. hinnehmen. Was kann das konkret heißen? Wir verstehen unter
3 2. Habe ich etwas getan, was mit meinen Einstellungen unverträg- „Kognition“ geistige Phänomene wie Überzeugungen, Urteile, Er-
lich ist, dann suche ich nach äußeren Rechtfertigungen dafür. innerungen, Wissen oder Absichten. Kognitive Konsistenz bedeu-
4 Finde ich keine, entsteht eine kognitive Dissonanz zwischen tet somit, dass sich Gedanken, Meinungen, Erinnerungen einer
meiner Erinnerung an das Verhalten und meiner Einstellung. Person miteinander in Einklang befinden. Eine banale kognitive
5 Die Dissonanz kann dazu führen, dass sich meine Einstellung Unverträglichkeit besteht schon, wenn ich verspreche, etwas zu tun,
dem Verhalten anpasst. es dann aber doch nicht tue. Der Widerspruch zwischen dem, was
3. Kognitive Dissonanz kann nur entstehen, wenn die Person eine ich gesagt, und dem, was ich getan habe, kann bei mir Unbehagen
6 psychologische Bindung an ein Verhalten eingegangen ist, das verursachen. Ich werde ungern an solche Widersprüche erinnert.
mit Einstellungen oder anderen Verhaltensweisen inkonsistent Bereits diese sehr einfache Art der psychologischen Inkon-
7 ist. Eine Bindung kann auf verschiedene Weisen entstehen: sistenz wird verkaufstechnisch genutzt. Ein Beispiel: Als Student
– Der äußere Anreiz für ein Verhalten war nicht besonders habe ich mein Geld bei einem großen Spielwarensupermarkt
verdient. In der Vorweihnachtszeit wurden bestimmte Artikel
8 groß.
– Es bestand kein äußerer Druck, das Verhalten zu zeigen. besonders aus dem Sortiment hervorgehoben. In einem Jahr war
– Das Verhalten war mit Hindernissen und Kosten verbun- dies das Barbie-Wohnmobil, für das zwar fleißig inseriert wurde,
9 den. das aber so gut wie immer vergriffen war. Für die Mitarbeiter
– Zu dem Verhalten gehörte ein schriftliches oder gar öffent- war es natürlich unangenehm, den Kunden immer wieder sagen
10 liches Bekenntnis. zu müssen, „haben wir nicht, kriegen wir später wieder rein“.
– Man ist durch Besitz an ein Element in der Konstellation ge- Damals sollte ich das begehrte Spielzeug auch für meine beiden
bunden. Cousinen besorgen, die jede eine kleine Tochter haben. Nur dank
11 4. Die einmal eingeschlagene Richtung eines Verhaltens wird ohne meiner bevorzugten Position direkt an der Quelle konnte ich bis
Gründe nicht geändert. Für die Beibehaltung der Verhaltens- zu Weihnachten eines – nicht aber die verlangten zwei – beschaf-
12 richtung sind dagegen keine weiteren Gründe erforderlich. Auf fen. Was hätten Sie wohl gemacht, wenn Sie die verzweifelten
diesem Gedanken beruht auch die Fuß-in-der-Tür-Technik, die Eltern ohne Wohnmobil gewesen wären? Bis zu Weihnachten
musste Ersatz beschafft werden, denn der Gabentisch durfte ja
13 besagt, dass eine Gefälligkeit eher erwiesen wird, wenn bereits
vorher eine andere, kleinere Gefälligkeit erwiesen wurde. schließlich nicht leer sein. Nach Weihnachten schien der Wohn-
5. Je stärker ein Verhalten durch äußere Anreize motiviert wird, mobilengpass überstanden, und der Artikel war wieder zu ha-
14 desto unwahrscheinlicher ist eine Bindung der Person an dieses ben. Für solche Eltern, die bei dem kleinen Kind die begründete
Verhalten. Erwartung auf ein Wohnmobil geweckt hatten, galt es, ein Ver-
15 6. Reaktanz ist die Folge einer wahrgenommenen Freiheitsein- sprechen einzulösen. Und die Spielwarengeschäfte hatten beste
schränkung. Der Effekt der Reaktanz besteht in der Aufwertung Aussichten, kurz nach Weihnachten gleich wieder zu verkaufen.
der bedrohten oder verlorenen Alternative. Das kann im Ein- Cialdini (1993) beschreibt dasselbe Phänomen, für das ich
16 zelfall bedeuten, dass eine Person nach der bedrohten Option hier aus eigener Erfahrung ein authentisches Beispiel angeführt
strebt, um die Freiheit wiederherzustellen. Ist eine Option end- habe, als eine gezielte Verkaufsstrategie der Spielwarenbranche:
17 gültig verloren, dann wird sie im Rückblick höher bewertet. Die Kinder werden auf ein ganz bestimmtes Produkt heiß gemacht,
Quelle der Einschränkung wird abgewertet. das dann aber praktisch nicht zu bekommen ist. Wenn die Uhr
bis zum Heiligabend tickt, dann kann man ziemlich zuverlässig
18 7. Reaktanz ist an folgende Bedingungen geknüpft:
– Wenn es um Verhalten geht, müssen wir tatsächlich Freiheit damit rechnen, dass die Eltern Ersatzkäufe tätigen. Nach Weih-
erwarten. Wo keine Freiheit erwartet wird, entsteht auch nachten kommt die Mangelware wieder in die Regale. Die Eltern,
19 keine Reaktanz. Wo keine Freiheit erwartet wird, ist mit ei- die sich in der Mehrzahl vermutlich während der Adventszeit
nem „Saure-Trauben-Effekt“ zu rechnen: Das, was nicht mehr Andeutungen oder gar Versprechen haben entlocken lassen, das
20 erreichbar ist, wird abgewertet. Bei Einstellungen und Mei- teure Spielzeug zu kaufen, haben das Gefühl, gegenüber ihren
nungen erwarten wir immer Freiheit. Dort kann also auch Kindern im Wort zu stehen, und kaufen nun auch das ursprüng-
immer Reaktanz auftreten. lich gewünschte Produkt. Nach Cialdini (1993) setzt die Spielwa-
21 – Die Freiheit muss uns etwas bedeuten. renindustrie diese Strategie alle Jahre wieder ganz bewusst ein.
– Freiheitseinschränkung durch Personen ist wirksamer als Ob ich aus meiner Erfahrung bestätigen kann, dass die Unter-
22 durch äußere Umstände. versorgung Methode hat? Verständlicherweise bin ich nicht in
Verkaufsstrategien des Geschäfts einbezogen worden, daher kann
ich nur sagen: Den oben beschriebenen Effekt hatte der Spielwa-
23 rensupermarkt, bei dem ich gearbeitet hatte, ganz sicher – und
das auch sicher nicht nur in einem Fall. Das könnte natürlich
auch ein Zufall sein; bilden Sie sich eine eigene Meinung.
11.2 • Die Dissonanztheorie
225 11

Manchmal genügt es einfach, Personen an ihre Ansichten, Was würde hier die Lerntheorie (▶ Abschn. 3.4) sagen? Der
Überzeugungen und Interessen zu erinnern. Wenn Ihnen Ihre ei- Grundgedanke war ja, dass ein Verhalten stärker gezeigt wird,
genen Ansichten soeben ins Gedächtnis gerufen wurden, Sie sich wenn es belohnt bzw. verstärkt wird. Diejenigen Versuchsper-
eventuell sogar öffentlich dazu bekannt haben, wird es Ihnen sehr sonen, die für die Aussage, das Experiment sei interessant, die
schwerfallen, im nächsten Augenblick dagegen zu handeln. Elliot größere Belohnung erhalten hatten, sollten dieses Verhalten auch
Aronson (1992), einer der „Pioniere“ der Konsistenztheorien, hat bereitwilliger zeigen. Also sollte die 20-Dollar-Gruppe das Expe-
in mehreren Experimenten die Wirksamkeit solcher Erinnerun- riment als interessanter bewerten.
gen nachgewiesen. So engagierte er beispielsweise Studierende Festinger und Carlsmith (1959) bezogen aber die Gedanken-
für eine Art Werbevideo, in dem die Kommilitonen aufgefordert gänge ihrer Versuchspersonen mit ein. Beide Gruppen, die der
werden sollten, in Zukunft Kondome zum Schutz vor AIDS zu Nachfolgerin erzählt hatten, das Experiment sei interessant, hatten
benutzen. Studierende, die ein solches Video gemacht hatten, gelogen, so viel ist sicher. Wer aber für 20 Dollar gelogen hatte, der
waren in der Folge eher bereit, auch in Zukunft Kondome zu hatte einen äußeren Grund zum Lügen, er wurde dafür bezahlt.
benutzen, als solche, die lediglich passiv mit den Argumenten Wer dagegen für das Lügen nur 1 Dollar erhalten hatte, der konnte
konfrontiert wurden. In einer anderen Studie wurden College- sich sein Lügen nicht so einfach erklären. Die Dissonanztheorie
studentinnen gebeten, einen öffentlichen Aufruf zum Wasser- setzt aber voraus, dass wir uns Verhalten – zumal unser eige-
sparen zu unterzeichnen. Kurze Zeit später benutzten dieselben nes – erklären wollen, und zwar stimmig und widerspruchsfrei.
Studentinnen nach einer Sportveranstaltung die Duschen. Ihr Nun steht die Behauptung „Dieses Experiment ist interessant“ in
Wasserverbrauch und ihre Duschzeit wurden bei dieser Gele- einer unharmonischen Beziehung zu der Tatsache, dass es ster-
genheit gemessen. Wie erwartet fiel beides wesentlich geringer benslangweilig ist. Dieser Widerspruch wird unter bestimmten
aus, als dies unter normalen Umständen ohne Aufruf zu erwarten Bedingungen als unangenehm, eben dissonant empfunden. Die
gewesen wäre (zusammenfassend vgl. Aronson 1992). 20-Dollar-Gruppe hat einen guten externalen Grund für ihr Ver-
Aber Konsistenztheorien wären sicher nicht besonders be- halten, nämlich relativ viel Geld. Nicht so die 1-Dollar-Gruppe.
deutsam, wenn sie nur davon handelten, dass man lieber seine Als externer Anreiz ist 1 Dollar zu schwach, um das im Grunde
Versprechen hält oder das praktiziert, wofür man eintritt. Kom- widersprüchliche Verhalten zu erklären. Die 1-Dollar-Gruppe ist
men wir im Folgenden nun zu noch feineren Mechanismen der es demnach auch, die kognitive Dissonanz empfinden sollte.
kognitiven Konsistenz. Die Dissonanz wird als eine Art Motivations- oder Mangel-
zustand verstanden. Sie soll nach Möglichkeit aufgehoben wer-
den. In allgemeiner Form sagt die Dissonanztheorie, dass es von
11.2 Die Dissonanztheorie einer Person als unangenehm erlebt wird, wenn sie zwei wider-
sprüchliche Kognitionen, also Gedanken, Meinungen, Urteile
In einem der berühmtesten Experimente der Psychologie soll- etc., gleichzeitig hegt. Diese Unannehmlichkeit soll beigelegt
ten die studentischen Versuchspersonen an einem angeblichen werden, indem die Person ihr Wissen in Bezug auf die Kogniti-
Leistungstest teilnehmen (Festinger und Carlsmith 1959). Die onen um einige konsonante Elemente erweitert oder indem sie
Aufgaben, die über 60 Minuten ausgeführt werden sollten, wa- eine oder beide dissonante Kognitionen ändert, so dass sie wieder
ren über die Maßen langweilig. Das eigentliche Experiment be- zueinander passen (Aronson 1969). In unserem experimentellen
gann allerdings erst nach dieser ersten Stunde: Der Versuchsleiter Beispiel könnte man die beiden Kognitionen so formulieren:
bedankte sich bei den Teilnehmern, hatte dann aber noch eine A. Das Experiment ist sterbenslangweilig.
Bitte. Die Versuchspersonen sollten einer wartenden Studentin B. Ich habe behauptet, das Experiment sei interessant.
erzählen, dieses Experiment sei sehr interessant und anregend.
Es ginge nämlich darum herauszufinden, wie unterschiedliche A und B werden als unverträglich erlebt. Die 20-Dollar-Gruppe
Erwartungen an das Experiment die Leistung beeinflussten, und wird dieser Unverträglichkeit mit folgender Kognition begegnet
der Student, der sonst die anderen vorbereiten sollte, sei nicht er- sein:
schienen. Für diese Aufgabe der Einweisung sei auch ein Honorar C. Ich habe eine Dienstleistung ausgeübt, indem ich für 20 Dol-
vorgesehen. Dieses Honorar freilich variierte unter verschiedenen lar gesagt habe, das Experiment sei interessant. Das war nur
Bedingungen und betrug einmal 1 Dollar und einmal 20 Dollar. ein Job, für den ich angemessen bezahlt wurde.
Nachdem die Versuchspersonen ihrer Nachfolgerin erzählt
hatten, das Experiment sei interessant, ihr Geld erhalten hatten Genau dieser Vorstellung, nämlich angemessen bezahlt worden
und gegangen waren, wurden sie auf dem Gang von Studenten zu sein, konnte sich die 1-Dollar-Gruppe nicht hingeben. Als
des jüngeren Semesters angesprochen, die im Rahmen einer In- externale Rechtfertigung wog die Entlohnung zu leicht. Daher
terviewstudie etwas über die an der Universität durchgeführten konnte sie nicht, wie die 20-Dollar-Gruppe eine weitere Kogni-
Untersuchungen erfahren wollten. Bei diesen Interviews wurde tion C hinzuziehen. Stattdessen änderten sie die Kognition A:
regelmäßig nach dem soeben absolvierten Experiment gefragt. A. So schlimm war das Experiment nun auch wieder nicht.
Die Versuchspersonen hatten Gelegenheit, unverblümt zu sagen,
was sie von der Prozedur hielten. Die entscheidende Frage war: Weil die 1-Dollar-Gruppe unter den externalen Bedingungen kei-
Welche Gruppe würde das Experiment interessanter finden – die, nen überzeugenden Grund vorfindet, von dem Experiment zu
die für das Lügen 1 Dollar, oder die, die 20 Dollar bekommen behaupten, es sei interessant, passt sie die internalen Bedingun-
hatten? gen an und wertet das Experiment auf. Nachdem sie einmal ihre
226 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Meinung zu dem Experiment geändert hatte, gab es für die 1-Dol- unter denen Widersprüche verhaltenswirksam werden (für einen
1 lar-Gruppe keine kognitive Dissonanz mehr bei der Behauptung. Überblick vgl. die Diskussion um Aronson 1992). Was macht
Theoretisch könnte natürlich auch die Kognition B, also die Widersprüche und Unstimmigkeiten aversiv? Der logische Wi-
2 Erinnerung an die Aussage, geändert werden. Dass wir Disso- derspruch allein ist es jedenfalls nicht, denn immerhin war die
nanzen auf diese Weise auflösen, legt uns auch der Philosoph klassische Dissonanz aus dem Festinger-Carlsmith-Experiment
Friedrich Nietzsche nahe: „,Das habe ich getan‘, sagt mein Ge- logisch völlig unproblematisch: Kognition A steht ja nicht in
3 dächtnis. ,Das kann ich nicht getan haben‘, sagt mein Stolz und einem logischen Widerspruch zu Kognition B (▶ Abschn. 11.2).
bleibt unerbittlich. Endlich – gibt das Gedächtnis nach“ (Nietz- Nun, was würden Sie sagen, wenn ich Sie darauf aufmerksam
4 sche 1979, S. 625, Aphorismus Nr. 68). In der Tat finden wir in mache, dass aus den Annahmen der Lerntheorie und denen der
unserem Alltag sicherlich viele Beispiele wieder, in denen eher Dissonanztheorie logisch widersprüchliche Vorhersagen folgen?
5 das Gedächtnis nachgegeben hat, in denen wir also Dissonanzen Vielleicht sind einige von Ihnen so freundlich und verändern
einfach deshalb nicht empfinden, weil wir uns an Dinge, die uns interessiert Ihren Gesichtsausdruck, aber Kummer würde Ih-
unangenehm sind, nicht erinnern. nen diese Inkonsistenz sicher nicht bereiten. Vielleicht aber,
6 In anderen Situationen allerdings ändert sich die Einstellung und damit kommen wir der Sache schon näher, würden Sie mir
und nicht die Erinnerung an das Verhalten. In Varianten zu der zutrauen, dass das Nachdenken über zwei einander widerspre-
7 Versuchsanordnung von Festinger und Carlsmith (1959) sollen chende psychologische Theorien mir Kopfzerbrechen bereitet.
die Probanden einen einstellungskonträren Aufsatz schreiben, Nun stellen Sie sich einmal einen Forscher vor, der sein ganzes
für den sie ebenfalls unterschiedlich entlohnt werden (z. B. Co- Leben lang einer dieser Theorien verpflichtet war und nun Wi-
8 hen 1962). Auch hier zeigt sich, dass die Gruppe, die am wenigs- dersprüche mit plausiblen anderen Theorien bemerkt – dieser
ten entlohnt wurde, die stärkste Einstellungsänderung vornimmt. muss nun wirklich Sorgen haben.
9 Die Experimente von Festinger und Carlsmith (1959) Eine der Kernbedingungen für das Wirksamwerden von In-
oder von Cohen (1962) sind Beispiele für das sogenannte konsistenzen ist der Grad, bis zu welchem die eigene Person in
10 Forced-Compliance-Paradigma, eine Versuchsanordnung, die diesen Widerspruch verstrickt ist. Inkonsistenzen und Unverträg-
aufgrund einer forcierten oder erzwungenen Einwilligung zu ei- lichkeiten führen dann zu Dissonanz; sie werden als unangenehm
ner Einstellungsänderung führt. Der dahinterstehende Gedanke empfunden, wenn die Person einen Bezug zu mindestens einem
11 ist einigermaßen originell. Normalerweise würde man wohl da- der logischen Elemente besitzt. Diesen Bezug bezeichnen wir
von ausgehen, dass man, um eine Person in ihrem Verhalten zu als Commitment (Aronson 1969; Cialdini 1993). Im Folgenden
12 beeinflussen, zunächst durch Überzeugung und Überredung ihre werde ich meist von „Bindung“ sprechen.1 Je größer die Bindung
Einstellung ändern muss, um in der Folge auf entsprechend ver- einer Person in eine Sache ist, desto eher wird sie Bedrohungen
ändertes Verhalten zu hoffen. Nicht jede Verhaltensänderung ist dieser Sache als unangenehm empfinden. Im Fall des einstellungs-
13 aber auf eine Einstellungsänderung angewiesen. Die Dissonanz- konträren Verhaltens zum Beispiel ist die Bindung umso größer,
theorie macht uns nun noch ganz andere Hoffnungen: Nicht nur, je stärker die Person sich für das Verhalten verantwortlich fühlt.
14 dass wir Personen dazu bringen können, etwas zu tun, wovon sie Ich binde mich, indem ich eine Behauptung über eine Sache öf-
gar nicht überzeugt sind. Zu allem Überfluss könnten die Perso- fentlich ausspreche, indem ich ein Versprechen abgebe, indem ich
15 nen, wenn wir es nur geschickt genug anfangen und die Anreize in eine Sache Geld oder Zeit investiere, vor allem wenn ich dabei
für das Verhalten nicht zu hoch setzen, auch noch im Nachhin- nicht auf meine Kosten komme, oder auch, indem ich eine Sache
ein eine zum Verhalten passende Einstellung entwickeln. Somit unter anderen auswähle. Ich bin gebunden an alle Dinge, die mich
16 hätten wir beides: Einstellungs- und Verhaltensänderung, nur in selbst betreffen, zum Beispiel meine Fähigkeiten, meine Charak-
umgekehrter Reihenfolge. ter- und Temperamentsmerkmale und meinen moralischen Wert.
17 Die Reduzierung der kognitiven Dissonanz ist ein weit ge-
hend unbewusster Prozess. Personen können auch im Nach-
hinein nicht mehr korrekt einschätzen, was sie vorher gedacht 11.3.1 Die Größe des Handlungsanreizes
18 haben: Wenn man Versuchspersonen bittet, sich an ihre frühere
Einstellung zu erinnern, so können diese von keiner Änderung Es gibt eine nicht zu kleine Grauzone von Handlungsanreizen, in
19 berichten. Sie behaupten vielmehr, sie hätten ihre jetzige Ein- deren Bereich ein Verhalten zwar noch tatsächlich gezeigt wird,
stellung schon immer gehabt (z. B. Bem und McConnell 1970; die aber zu klein sind, um das Verhalten wirklich restlos zu recht-
20 Nisbett und Wilson 1977a). Hier findet also ein Rückschaufehler fertigen. In diesem Grauzonenbereich muss der Handlungsanreiz
(▶ Exkurs 15.2) statt, dem zufolge wir unsere eigenen inneren liegen, damit Dissonanz auftritt. Um bei dem ersten Beispiel zu
Zustände nicht richtig erinnern und sie deshalb den jetzigen für bleiben: Gebe ich wesentlich mehr als 1 Dollar, dann ist keine
21 ähnlicher halten, als sie tatsächlich sind. Einstellungsänderung zu erwarten, weil die Belohnung zu groß
ist. Gebe ich aber gar keinen Grund für das Verhalten, kein Geld
22 und keine andere Begründung, muss ich damit rechnen, dass das
11.3 Die Bedingung für kognitive Verhalten überhaupt nicht gezeigt wird. Der Anreiz muss eben
Konsistenzmechanismen: Bindung so klein wie möglich sein, damit das Verhalten gerade eben noch
23
Seit die Dissonanztheorie formuliert wurde, versuchen sich die 1 Dieser Bindungsbegriff ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff des At-
Forscher daran, die spezifischen Bedingungen zu formulieren, tachment (Bowlby 1969), der ebenfalls mit „Bindung“ übersetzt wird.
11.3  •  Die Bedingung für kognitive Konsistenzmechanismen: Bindung
227 11

gezeigt wird. (In ▶ Abschn. 11.4.4 werden wir sehen, wie sonst können: Die Unterzeichner haben ihre Bindung an die Sache,
der Schuss nach hinten losgehen kann.) um die es geht, durch ihre Unterschrift erheblich erhöht. Dem
Schreiben wird deshalb bei der Bindung ein besonderes Gewicht
gegeben: Was ich geschrieben habe, damit bin ich schon ein we-
11.3.2 Wahlfreiheit nig enger verbunden als mit dem, was ich nur gesagt habe. Ci-
aldini (1993) nennt das Schreiben gar eine magische Handlung
Nun mag man sich fragen, ob denn zum Beispiel das Schreiben (magic act), mit der man die Bindung einer Person an das Ge-
eines einstellungskonträren Aufsatzes auch dann eine innere schriebene erhöhen kann.
Bindung zur Folge hätte, wenn die Handlung erzwungen wäre. Dies ist einer der Gründe, warum bei manchen Preisaus-
Das ist nicht der Fall: Um eine Einstellungsänderung erwarten schreiben die einzige Leistung darin besteht, dass man einen
zu können, ist internale Ursachenzuschreibung unverzichtbar. Slogan, der überall auf dem Teilnahmeschein oder der Anzeige
Anders ausgedrückt: Die Person muss sich selbst als Verursacher zu finden ist, noch einmal eigenhändig in einen ausgesparten
ihrer Handlung wahrnehmen. Wer für ein Verhalten großzügig Freiraum hineinschreibt. Die bloße Tatsache, dass man eigenhän-
belohnt worden ist, der sieht die Ursache für dieses Verhalten dig diesen Slogan geschrieben hat, trägt schon dazu bei, dass man
in der Belohnung, nicht bei sich selbst. Wer zu einem Verhalten sich mit dem Inhalt des Slogans enger verbunden fühlt. Wenn
gezwungen wurde, der erklärt sich sein Verhalten mit dem Zwang, man sich freilich im Rahmen eines Preisausschreibens auch noch
nicht mit seinen Einstellungen, Überzeugungen oder Wünschen. den Kopf darüber zerbrochen hat, wie man die Tugenden des
Wie wir oben gesagt haben: Es darf kein äußerer Handlungsanreiz Produkts in einem zweizeiligen Slogan anpreisen könnte, wenn
erkennbar sein, der das Verhalten plausibel erklären kann. Alle also die Aufgabe darin bestanden hat, Vorschläge zu einem Wer-
diese Äußerlichkeiten, Belohnung oder Zwang, verhindern, dass bespruch zu machen, dann ist das Engagement natürlich noch
sich die Person für ihr eigenes Verhalten verantwortlich fühlt. viel höher.
Diese Magie der selbstgeschriebenen Worte machen sich
die Vertreter des Unternehmens Amway zunutze, um zu ver-
11.3.3 Hindernisse, Nachteile, Anstrengungen hindern, dass die Kunden von ihrem Recht Gebrauch machen,
einen Kauf, den sie an der Haustür getätigt haben, innerhalb der
Fred möchte ein Autoradio kaufen. Er schwankt zwischen zwei Frist zu widerrufen. Sie lassen die Kunden einfach ihre Bestellung
Geräten. Der Verkäufer bringt ihn so weit, dass er sich dafür ent- selbst ausfüllen. Dadurch erhöht sich die Verbundenheit mit der
scheidet, das Gerät A zu kaufen. Das Problem besteht nun da- Handlung, und ein Widerruf wird unwahrscheinlicher (Cialdini
rin, dass Gerät A nicht sofort zu haben ist, sondern erst noch 1993). Eine andere Taktik beim Tür-zu-Tür-Verkauf besteht da-
bestellt werden muss. Die Wartezeit von einer Woche ist zwar rin, ein schriftliches Urteil über das Produkt zu erbitten. Nach
nicht allzu lang, sie ist aber unangenehm. Wenn Fred nun endlich einer unverbindlichen Präsentation werden die Kunden gefragt,
das Gerät A eingebaut und eine Zeitlang benutzt hat, wie wird ob sie bereit sind, ihre Meinung über das Produkt schriftlich dar-
seine Einschätzung von Gerät A gegenüber Gerät B ausfallen? Die zulegen. Es werden die bevorzugten Produktmerkmale erfragt,
Konsistenztheorien machen zwei Vorhersagen: Erstens wird Fred und damit die Phantasie ein bisschen angeregt wird, sollen die
ohnehin das Gerät A positiver beurteilen, weil er es gewählt hat. Kunden den Bogen einfach ausfüllen, „as if you were buying a set
Die Differenz zwischen A und B wird ein Woche nach dem Kauf today“ (Pratkanis und Aronson 1992, S. 183). Auf diesem Weg
größer sein als im Augenblick der Entscheidung. Zweitens aber gleiten die Kunden ganz sachte in eine Bindung an das Produkt.
wird Fred auch das Gerät A positiver bewerten als ein anderer Dieser Effekt kann noch verstärkt werden, wenn der Verkäufer
Beispielkonsument, nennen wir ihn Paul. Paul konnte ebenfalls die Angaben als eine Bestellung „missversteht“. Er nutzt dann
zwischen A und B wählen und ist auf dieselbe Weise letztlich an nämlich eine Facette der Fuß-in-der-Tür-Technik, nach der auch
A gekommen. Der Unterschied zu Fred ist aber: Paul musste nicht eine fälschlich unterstellte Bindung noch immer bindende Kraft
warten. Fred müsste also durch seine Aufwertung von A auch die besitzt. Wir kommen darauf weiter unten wieder zu sprechen.
Wartezeit rechtfertigen, während Paul nur seine Entscheidung
rechtfertigen müsste. Der Hintergedanke bei dieser Vorhersage
ist, dass alle Mühsal, alle Anstrengung, alle Hindernisse, alle Ext- 11.3.5 Öffentlichkeit
rainvestitionen, die man auf sich nimmt, um eine Sache zu errei-
chen, eine Art des Engagements sind und Bindung erzeugen. Was Stellen Sie sich vor, Sie wollen das Rauchen aufgeben. Eine Strate-
ganz leicht zu haben ist, hat demnach keine so starke Bindung zur gie, die Ihnen dabei helfen sollte, besteht darin, dass Sie sich den
Folge, wie das, was mit Anstrengungen verbunden ist. Cardozo Rückfall in die alte Gewohnheit so schwer wie möglich machen.
(1965) zeigte dem entsprechend, dass die Zufriedenheit mit einem Wie wir oben gesehen haben, könnte dieses Ziel schon ein Stück
Produkt umso höher ist, je aufwendiger die Beschaffung war. weit erreicht werden, indem Sie sich einen Zettel schreiben: „Ich
will nie wieder rauchen. Echt, ehrlich!“ – mit Unterschrift. Noch
viel besser wäre es aber, diesen Zettel nicht nur in der Wohnung
11.3.4 Die magische Handlung: Schreiben aufzuhängen, so dass ihn jeder Mitbewohner oder Besuch lesen
kann, sondern, Freunde, Verwandte, Kollegen und Nachbarn da-
Ich bin besonders engagiert in die Dinge, die ich unterschrieben von in Kenntnis zu setzen, dass Sie das Rauchen bleiben lassen
habe. Das zeigt, welche Effekte Unterschriftenaktionen haben wollen. Ihre Hoffnung dabei: Der drohende Gesichtsverlust, wenn
228 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Exkurs 11.1  Weitere Beispiele für Bindung  |       | 


1
Nach dem Massaker an Regimegegnern einstellungskonträre Verhalten hoch belohnt wanderungsbehörde vorzubereiten, legen

2 auf dem Platz des Himmlischen Friedens


in Peking 1989 veranstaltete die chinesi-
wird.
Nun die Version für Cineasten: Der Film Green
die beiden fingierte Urlaubsfotoalben an,
vereinbaren Antworten auf die Frage nach
sche Regierung allein in Peking über neun Card von Peter Weir aus dem Jahr 1990 ist Gewohnheiten des anderen und – vor allem
3 Zeitungen Aufsatzwettbewerbe zu dem
Thema „Wie man konterrevolutionärer
ein sehr gutes Beispiel für die Wirkung von
Konsistenzmechanismen auf die Einstel-
– schreiben einander weit zurückdatierte
Liebesbriefe (denken Sie an die magische
Rebellion begegnen sollte“ (Cialdini 1993). lung. Es geht in der Geschichte darum, dass Handlung Schreiben). Am Ende müssen
4 Wohlgemerkt: Was es bei dem Wettbewerb zu
gewinnen gab, blieb unbestimmt; wir haben
Andie McDowell und Gerard Depardieu nach
außen hin ein Ehepaar spielen müssen, weil
sie dann tatsächlich – sozusagen öffentlich
– voneinander die vorteilhaftesten Dinge
oben bereits gesehen, dass eine Einstellungs- jeder der beiden davon einen Vorteil hat. behaupten. Klar, dass die Einstellungsände-
5 änderung nicht zu erwarten ist, wenn das Um sich auf neugierige Fragen der Ein- rung nicht ausbleibt.

6 Sie eine dieser informierten Personen wieder mit dem Glimms- sonen beliebige Objekte aushändigt, so dass sie sie besitzen, steigt
tengel antrifft, wird Sie wirksam allen Versuchungen widerstehen der subjektive Wert dieser Objekte. Wir kennen dieses Phänomen
7 lassen. (Abgebrühte Anhänger des blauen Dunstes mit einiger aus ▶ Abschn. 9.3.2 als Endowment-Effekt. Geläufig ist auch die
Erfahrung versichern freilich, dass der Gesichtsverlust viel kleiner Bezeichnung Mere-Ownership-Effekt (Kahneman und Tversky
ausfällt, als man ihn sich im Vorhinein ausmalt und dass er ab 1982; Kahneman et al. 1990; Tversky und Kahneman 1991; Tha-
8 dem dritten oder vierten Anlauf kaum noch ins Gewicht fällt.) ler 1992).
Das Verhältnis der beiden Techniken, nämlich des Aufschrei- Wir können den Besitz einer Sache als eine Art der Ver-
9 bens und des Publikmachens wurde in einem Experiment von bundenheit, eine persönliche Bindung an die Sache, eben als
Deutsch und Gerard (1955) untersucht. Ihre Versuchspersonen eine Form des Commitment, verstehen. Der Verlust dieser Sa-
10 sollten die Länge von Linien schätzen. Eine Gruppe der Personen che muss dann Dissonanz hervorrufen. Was bedeutet das für
sollte ihre Schätzung auf einen Zettel schreiben, unterschreiben die Praxis? Auch wenn man Angebote macht, kann man be-
und beim Versuchsleiter abgeben. Eine andere Gruppe sollte die rücksichtigen, dass ein drohender Verlust mehr motiviert als
11 Schätzung lediglich aufschreiben, hatte aber die Gewähr, dass ihre ein ebenso wahrscheinlicher Zugewinn. Es genügt manchmal
Angabe anonym blieb. Eine Kontrollgruppe schließlich schätzte schon eine kleine Akzentverschiebung, um ein und dasselbe
12 für sich allein, ohne zu schreiben und ohne gefragt zu werden. Angebot in dieser Hinsicht zu verbessern. Wurde Ihnen auch
Nun gab der Versuchsleiter den Personen Zusatzinformationen schon einmal auf dem Umschlag eines adressierten Werbe-
über die abgebildeten Linien, die in der Kontrollgruppe fast un- briefs erklärt: „Mit dieser Gewinnnummer sind Sie vielleicht
13 weigerlich dazu führte, dass das ursprüngliche Urteil revidiert jetzt schon stolzer Besitzer eines BMW“? Hätte die Ankündi-
wurde. In der Gruppe, die ihre erste Schätzung für sich alleine gung gelautet: „Mit dieser Gewinnnummer können Sie einen
14 aufgeschrieben hatte, führte die gleiche Information erkennbar BMW gewinnen“, würde der Endowment-Effekt nicht optimal
weniger zu einer Revision der Meinung. Die stärkste Hartnä- genutzt. Wenn der Gewinn „bereits für Sie reserviert“ ist, wird
15 ckigkeit, oder besser Loyalität, gegenüber der ursprünglichen er Ihnen gleichsam bereits als Besitz zugeschrieben. Den Um-
Meinung, fand sich aber in der dritten Gruppe, die ihr Urteil schlag ungeöffnet zum Altpapier zu geben, würde Dissonanz
öffentlich machen musste. hervorrufen.
16 Man kann sich hierzu eine Werbestrategie vorstellen, die ge- In einem Feldexperiment von Gonzales et al. (1988) ging es
nau auf diesem Gedanken beruht: Eine Werbung verlangt nicht, darum, Hausbesitzer zu einer besseren Isolierung ihrer Häuser
17 dass man das Produkt kauft oder benutzt, sondern dass man sich zu bewegen. Wenn man diesen Hausbesitzern nun in Aussicht
öffentlich für das Produkt ausspricht. Das kann natürlich voraus- stellte, dass ihnen dadurch beachtliche Summen zusätzlich in
setzen, dass man das Produkt zuvor gekauft und benutzt hat, aber die Haushaltskassen fließen würden, dann hatte das keinen so
18 darauf kommt es gar nicht an. Die Werbung macht vor, wie man großen Effekt, wie wenn man ihnen ausmalte, wie viel Geld sie
sich zu dem Produkt bekennt, man soll es einfach nachmachen. durch unsachgemäße Isolierung an ihrem Haus völlig unnötig
19 Das heißt: Nicht der Konsum wird durch die Werbung vorge- verheizten. Maheswaran und Meyers-Levy (1990) hatten bei ih-
macht, sondern das Bekenntnis zum Produkt. Ein Beispiel für ren Versuchspersonen mit der Formulierung „Wenn Sie diesen
20 diese Technik ist, wenn für ein Preisausschreiben verlangt wird, Bluttest machen, erfahren Sie Ihren Cholesterinspiegel“ keinen
dass die Teilnehmer am Telefon einen Slogan aufsagen. Um den Erfolg. Dieser stellte sich erst ein, als es hieß „Wenn Sie diesen
Effekt zu steigern, sollte man allerdings den entscheidenden An- Bluttest nicht machen, erfahren Sie nichts über Ihren Cholester-
21 ruf öffentlich machen, zum Beispiel im Radio ausstrahlen (siehe inspiegel“, das heißt, als es etwas zu verlieren gab. Smith (1996)
auch ▶ Exkurs 11.1). konnte einen entsprechenden Effekt für negativ formulierte Wer-
22 beanreize, zum Beispiel „Sie verschenken …, wenn Sie X nicht
kaufen“ oder „Ohne X verpassen Sie …“, nachweisen. Allerdings
11.3.6 Besitz beschränkte sich der Effekt der Verlustangst auf Probanden mit
23 geringerem Bildungsstand. Für Personen mit höherer Bildung
Die bloße Tatsache, dass man einen Gegenstand besitzt, wertet war es dagegen attraktiver, einen positiven Effekt herbeizuführen,
diesen Gegenstand auf. Sobald man beispielsweise Versuchsper- als einen negativen zu vermeiden.
11.4  •  Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf
229 11
11.4 Konsistenzmechanismen in Werbung gen, welches von zwei Produkten sie kaufen würden, steigt damit
und Verkauf die Wahrscheinlichkeit, dass sie entgegen ihren ursprünglichen
Absichten doch etwas kaufen. Die hypothetische und nur vorge-
Konsumenten bringen nach den Konsistenztheorien offenbar stellte Entscheidung zwischen den beiden Alternativen versetzt
eine deutliche Tendenz mit, bei den Entscheidungen zu bleiben, die Konsumenten offensichtlich in einen mentalen Kaufmodus
die sie einmal getroffen haben. Allein mit dieser Feststellung (Xu und Wyer 2007). Ähnliche Phänomene habe ich bereits in
kann man zum einen die Werberezeption vorhersagen: Kon- ▶ Abschn. 7.1.3 diskutiert, in dem es darum ging, dass die bloße
sumenten verarbeiten bevorzugt solche Werbeinformationen, Vorstellung eines Verhaltens die Verarbeitungsflüssigkeit erhöht
die mit ihrem bisherigen Verhalten in Einklang zu bringen sind und dies das Verhalten subjektiv wahrscheinlicher macht. Das
(Calder 1981). Zum anderen kann man eine wichtige Mark- Beispiel von Xu und Wyer (2007) beruht aber vermutlich nicht
tregel ableiten: Der Zeitpunkt, wann ein Produkt relativ zu der nur auf der erleichterten Informationsverarbeitung, die durch die
Konkurrenz auf den Markt kommt, ist von größter Bedeutung. hypothetische Entscheidung herbeigeführt wird. Es dürfte auch
Hat das Entscheidungsverhalten der Konsumenten bereits eine davon profitieren, dass die Entscheidung ja ein Commitment für
bestimmte Richtung, kann man mit Werbung nur noch wenig den Kauf voraussetzt und dass demnach mindestens temporär
daran ändern (Tellis 1988). nicht nur die Entscheidung, sondern eben auch das Commitment
Die Bereitschaft, ein zuvor gezeigtes Verhalten noch einmal zum Kauf an sich simuliert wird.
zu zeigen, ist auch im Kleinen beobachtbar: Menschen sind eher Zum anderen kann aber auch das bloß unterstellte Commit-
geneigt, etwas zu kaufen, wenn sie kurz zuvor bereits etwas ande- ment eine Verlustaversion wecken. In diesem Sinne ist auch das
res gekauft haben. Dhar et al. (2007) nennen das den „shopping Experiment von Nunes und Drèze (2006) zu verstehen, das ich
momentum effect“. Der erste Kauf setzt sozusagen das Verhalten am Beginn von ▶ Kap. 6 vorgestellt habe: Die Autowaschanlage
in einer bestimmten Richtung in Bewegung. Diese Richtung wird wirbt mit einer Rabattkarte, die nach acht Wäschen eine Gratis-
ohne gute Gründe erst einmal nicht mehr geändert. Für den ers- wäsche verspricht. Die Karte hat aber nicht etwa nur acht leere
ten Kauf muss es gute Gründe geben, dieser Kauf muss ein sehr Felder. Es sind vielmehr insgesamt zehn, von denen aber zwei
attraktives Produkt betreffen. Alle folgenden Käufe können dage- bereits – in Ihrem Namen – abgestempelt wurden. Auch hier
gen deutlich weniger attraktiv sein – sie beruhen ja nicht nur auf wird die Illusion geschaffen, Sie hätten bereits ein Commitment
den Eigenschaften der gekauften Güter, sondern eben auch auf gezeigt und seien auf halbem (naja, eigentlich nur fünftel) Weg
der bloßen Tatsache, dass sie bereits im „Einkaufsmodus“ sind. zur Gratiswäsche. Die Autoren nennen dies den „Endowed Pro-
Daher macht es natürlich auch einen großen Unterschied, zu gress-Effekt“ und spielen damit auf den Endowment-Effekt an:
welchem Zeitpunkt man den ersten Kauf tätigt: Wenn Sie beim Die zwei bereits abgestempelten Felder würde ich ja verlieren,
Stadtbummel bereits in der ersten Boutique fündig werden, steigt wenn ich die Karte nicht ganz ausfülle …
die Chance für eine ganze Reihe weiterer Produkte, die Ihnen
danach noch begegnen, deutlich an. Dieselben Produkte würden
Sie möglicherweise nicht beachten, wenn Sie die oben genannte 11.4.1 Dissonanz nach Entscheidungen
Boutique erst gegen Ende Ihres Bummels aufsuchen (Dhar et al.
2007). Ein beispielhafter Fall von kognitiver Dissonanz ist das ungute
Die Konsistenztheorien erlauben aber mehr Ableitungen als Gefühl nach Entscheidungen (▶ Abschn. 11.8.3). Eine frühe
nur eine Erklärung für die Stabilität von Verhaltensweisen. Ge- Studie zur Dissonanztheorie zeigte bereits, dass Autokäufer
rade wenn man die direkte Interaktion zwischen Verkäufer und nach ihrer Kaufentscheidung relevante Informationen selek-
Kunde betrachtet, ergeben sich einige tiefergehende Mechanis- tiv beachten und dabei versuchen, Dissonanz zu vermeiden.
men, die für das Konsumentenverhalten bedeutsam sind. Zum Nach dem Kauf des Autos lesen sie Werbung für den gekauften
Beispiel kann das Gefühl, in den Augen eines anderen bereits Wagen häufiger als Werbung für andere Wagen, für die sie sich
eine Bindung eingegangen zu sein, bei uns selbst ein Gefühl der nicht entschieden haben (Ehrlich et al. 1957). Typischerweise
Bindung verstärken. Stellen wir uns vor, Sie führen ein Verkaufs- haben Konsumenten nach einer Kaufentscheidung für solche
gespräch und Sie bemerken, dass der Verkäufer seit einiger Zeit Informationen, die die Entscheidung stützen, ein offenes Ohr.
davon auszugehen scheint, dass Sie sich längst zum Kauf ent- Sie meiden dagegen solche Informationen, die die Entscheidung
schlossen haben. Sie möchten das richtigstellen und erklären, in Frage stellen (Silberer 1987). Die mögliche kognitive Disso-
dass Ihre Kaufentscheidung sich eigentlich noch in der Schwebe nanz, die in der Vermutung besteht, eine falsche Entscheidung
befindet. Der Verkäufer entschuldigt sich und erklärt, er habe getroffen zu haben, kann auch von Verkäufern selbst aufgefan-
da etwas missverstanden. Aber er hat damit bei Ihnen den Keim gen werden, indem sie die Kaufentscheidung gutheißen und
für eine Bindung gelegt (Pratkanis und Aronson 1992, S. 183). unterstützen. Wenn ich mich endgültig nach langem Ringen
Auf diese Weise kann er das Gefühl bei mir wecken, als würde für einen teuren Artikel, zum Beispiel eine Stereoanlage, ent-
ich mich mit einem Nein zu dem Kauf eigentlich inkonsistent schieden habe, wird ein geschickter Verkäufer meine Entschei-
verhalten. dung sofort verstärken, sie loben und gutheißen und die bisher
Hierbei wirkt zum einen wohl die mentale Vorwegnahme ei- ebenso gepriesenen Alternativen ignorieren. Er erreicht damit,
nes Commitments: Die Strategie induziert bei Ihnen die Vorstel- dass ich nicht ins Grübeln über meine Entscheidung verfalle
lung, dass Sie kaufen bzw. das Produkt besitzen. Wenn Menschen, und meine Entscheidung wieder rückgängig mache. Aber auch
die eigentlich gar nichts kaufen wollen, nur hypothetisch überle- längere Zeit nach dem Entscheidungsprozess können noch
230 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Exkurs 11.2  Eitelkeit  |       | 


1
Sehr ähnlich ist die Technik, die Cialdini (1993) Die wahnsinnstolle Frau: Wie oft gehen Sie Cialdini: Symphonische Musik meistens, aber

2 nach seinem Bericht offenbar am eigenen


Leib erfahren hat: Eine attraktive junge Frau
auswärts essen?
Cialdini: Oh, sicher drei- bis viermal in der
ich schätze gelegentlich auch Popmusik, wenn
sie eine hohe Qualität besitzt.
steht vor der Tür und bittet darum, dass man Woche. Ich liebe vorzügliche Restaurants. … einige Fragen später …
3 an einer Befragung teilnimmt. Besonders
der männliche Teil der Befragten wird diese
Die wahnsinnstolle Frau: Bestellen Sie dann
Wein zum Essen?
Die wahnsinnstolle Frau: Tja, ich glaube, bei
Ihrem Interessenspektrum kann ich Ihnen ein
Bitte nicht ohne weiteres ausschlagen, umso Cialdini: Nur, wenn er importiert ist. ganz vorzügliches Angebot machen. Es ist
4 weniger als die Befragung sich als eine gute
Gelegenheit entpuppt, die eigene Person
Die wahnsinnstolle Frau: Gehen Sie oft ins
Kino?
sicher nicht ganz billig, diese Gewohnheiten
zu pflegen, und wenn Sie dem Clubamerica
der attraktiven Frau gegenüber in einem Cialdini: Ich kann nicht genug davon bekom- beitreten, könnten Sie 1’200 Dollar im Jahr
5 positiven Licht darzustellen. Es geht nämlich men. Besonders liebe ich diese intellektuellen sparen. Jemand, der so engagiert und inte-
um kulturelle Interessen, also um diejenigen Filme, wo die Dialoge unten auf der Leinwand ressiert ist wie Sie, wird sicher diese Vorteile
Eigenschaften, die eine Person als gebildet, geschrieben stehen. nutzen wollen, was meinen Sie?
6 kultiviert und intelligent ausweisen. Nun also Die wahnsinnstolle Frau: Gehen Sie zu Kon- Cialdini: Nun …
der Dialog im Wortlaut: zerten? (Cialdini 1993, S. 86 f; Übers. GF)

7
immer Bestätigungen für das Kaufverhalten gegeben werden. sagen – zum einen, weil Sie nur hypothetisch gefragt und nicht
So lassen viele Hersteller die Gebrauchsanweisungen zu ihrem etwa ernsthaft gebeten werden, zum anderen, weil Sie ungern
8 Produkt mit den Worten beginnen: „Wir beglückwünschen Sie als mitleidloser Eisklotz dastehen wollen. Wenn aber einige Tage
zu Ihrer Entscheidung …“. Eine weitere Methode, Dissonanz nach dieser Umfrage die tatsächliche Bitte an Sie herangetragen
9 nach Kaufentscheidungen möglichst gering zu halten, besteht wird, etwa Geld für die Krebsforschung zu sammeln, dann steht
in der sogenannten Nachkaufwerbung, bei der ein Kunde nach Ihre öffentliche Erklärung im Hintergrund und gemahnt Sie an
10 seinem Kauf immer noch mit Werbung bedacht wird. In ei- Ihre großen Töne. Diese Technik ist mehrfach erprobt worden
ner Untersuchung von Donnelly und Ivancevich (1970) wurde (z. B. Sherman 1980; Pliner et al. 1974; Greenwald et al. 1987).
durch Nachkaufwerbung die Rückgabequote bei Autokäufen Eine ähnliche Technik wie die oben genannte möchte ich anhand
11 von 6,4 auf 2,4 % gesenkt. eines Dialogs vorstellen:
Kyner et  al. (1976) wiesen nach, dass die Nachentschei- A: „Guten Tag, Herr Felser, wie geht es Ihnen heute?“
12 dungsdissonanz bereits bei Kindern im Alter von sechs bis neun F: „Vielen Dank, mir geht es sehr gut.“
Jahren auftritt. In ihrer Untersuchung sollten die kleinen Ver- A: „Das freut mich, denn ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht
suchspersonen in einer gespielten Kaufsituation Schokoriegel zu einer kleinen Spende bereit wären. Es geht um die un-
13 verschiedener erfundener Marken erwerben. Dabei hatte jedes glücklichen Opfer von …“
der Kinder eine bevorzugte Marke. Nachdem die Schokorie-
14 gel gekauft waren, sollten die Kinder noch einmal die Marken Hat man einmal öffentlich bekräftigt, dass alles in bester Ord-
bewerten. Es zeigte sich, dass bei den Kindern die jeweils ge- nung ist, fällt es natürlich schwer, plausibel zu machen, dass es
15 wählte Marke sehr viel besser bewertet wurde. Dieser Effekt – nun doch nicht so gut geht, dass man gleich echtes Geld ent-
und hier beginnt es erst interessant zu werden – war besonders behren könnte. In der Tat macht es einen nennenswerten Un-
stark, wenn die Marken ursprünglich ungefähr gleich bewertet terschied, ob man bei der Bitte die Frage nach dem Befinden
16 wurden. Im Nachhinein wurde also die Bewertung mit dem vorausschickt oder nicht: Howard (1990) fragte seine Probanden,
gezeigten Verhalten, dem Kauf, in Einklang gebracht. Wir wer- ob jemand wegen einer Spende bei ihnen vorbeikommen könne.
17 den im Folgenden (ab ▶ Abschn. 11.5) noch sehen, dass unter Ohne die Frage nach dem Befinden gaben 18 % der Befragten die
bestimmten Umständen dieser Dissonanzreduktionsprozess Erlaubnis. Mit Frage waren es 32 % – nachdem sie wie erwartet
durch Bestrebungen, die eigene Handlungsfreiheit zu sichern, geantwortet haben, es gehe ihnen gut. Von diesen spenden 89 %
18 behindert werden kann. (siehe auch ▶ Exkurs 11.2).
Die Dissonanztheorie sagt auch für die Phase nach einer Ist es Ihnen auch schon einmal passiert, dass Sie in einem
19 Kauf­entscheidung einen Zusammenhang zwischen Preis und Geschäft ein paar Schnürsenkel gekauft, in einem Hotel einmal
wahrgenommener Qualität des Produkts vorher. Habe ich viel eine Nacht verbracht oder bei einer Bank einmal für kurze Zeit
20 Geld in eine Sache investiert, dann muss sie es wert sein. Die Dis- ein Konto mit 50 Euro geführt haben und danach lebenslang als
sonanz, viel Geld für etwas ausgegeben zu haben, was man viel- Kunde galten? Dahinter steckt eine Erkenntnis der Verkaufspsy-
leicht auch billiger hätte haben können, wird umgangen, indem chologie, die Fuß-in-der-Tür-Technik (Foot-in-the-Door-Tech-
21 der Gegenwert des Geldes besonders hoch veranschlagt wird. nik): Ungeachtet wie klein die Bindung einer Person an ein
Unternehmen ist, sobald sie dort etwas gekauft hat, gilt sie als
22 Kunde. Indem nun der Kontakt zu dem Kunden gepflegt wird,
11.4.2 Die Fuß-in-der-Tür-Technik zum Beispiel durch freundliches Grüßen, durch Weihnachtspost
oder durch bevorzugte Nachricht über günstige Angebote, wird
23 Wenn Sie im Rahmen einer Umfrage unverbindlich gefragt wer- er immer an sein Engagement erinnert. Gleichzeitig appelliert
den, ob Sie zu einer freiwilligen Arbeit im Dienste der Wohltä- das Unternehmen auf diese Weise an unsere natürlichen Kon-
tigkeit bereit wären, werden Sie in den meisten Fällen wohl Ja sistenzbestrebungen: Man will ja sein früheres Verhalten nicht
11.4  •  Konsistenzmechanismen in Werbung und Verkauf
231 11

dadurch in Frage stellen, dass man später völlig andere Entschei- Ein Auto wird zu einem Spottpreis angeboten, so dass willige
dungen trifft (Cialdini 1993).2 Käufer in diesem niedrigen Preis einen überzeugenden Anreiz
Das Gewicht der Fuß-in-der-Tür-Technik zeigt eindrucksvoll zum Kauf des Autos sehen. Der Verkäufer indessen hat keineswegs
eine Studie von Freedman und Fraser (1966): Sie befragten zu- die Absicht, zu diesem Preis wirklich zu verkaufen. Er will nur die
nächst Anwohner einer Vorstadtwohngegend in Kalifornien, ob Aufmerksamkeit des Käufers und sein Engagement. Im Zuge der
sie bereit seien, ein kleines Schild vor ihrem Haus aufzustellen, Verhandlungen werden verschiedene Mechanismen eingesetzt,
mit dem die vorbeifahrenden Fahrzeuge an eine vorsichtige Fahr- die die Bindung des Kunden erhöhen, etwa eine Probefahrt mit
weise erinnert werden sollten. Die Bitte war im Grunde klein, das dem neuen Wagen für einen ganzen Tag, was übrigens mit dem
Schild störte kaum. Die meisten der Befragten willigten also ein. Unterzeichnen von Dokumenten verbunden ist. Üblicherweise
Wenig später allerdings kam eine erneute Anfrage, dieses Mal mit stellen sich bei solchen Probeunternehmungen beim Käufer ganz
dem Anliegen, ein wirklich großes Schild aufstellen zu dürfen. von selbst Gründe ein, die aus seiner Sicht für das Auto sprechen.
Dieses Schild hätte das Haus in seinen enormen Schatten gestellt, Der Kunde entschließt sich also zum Kauf. Und nun kommt’s: Der
und es war überdies auch noch sehr plump geschrieben. Wenn ursprüngliche Vorteil verschwindet. Der Verkäufer kann ihm das
nun die Bitte wegen des kleinen Schildes nicht vorausgegangen Auto nicht zu dem günstigen Preis verkaufen. Ein unverzeihlicher
war, dann waren nur 17 % der Befragten bereit, sich das Haus Fehler der Bank oder der Druck des Herstellers oder was auch
durch ein riesiges Schild verstecken und verdunkeln zu lassen. immer, was der brave Verkäufer eigentlich nicht zu verantworten
Von denjenigen Befragten jedoch, die in das Aufstellen des klei- hat. Na ja, aber eins steht doch fest: Das war doch das Auto, das
nen Schildes eingewilligt hatten, willigten 76 % auch in das Auf- der Kunde haben wollte, oder etwa nicht?
stellen des großen Schildes ein. Es kommt also darauf an, dass der Kunde in der Zwischenzeit
Das kleine Entgegenkommen, das die Befrager im Hinblick eine ganze Reihe von Argumenten kennengelernt hat, die für
auf das kleine Schild erwirkt hatten, genügte also schon, um den das Auto sprechen. Das eine Argument, der Preis, trägt die Ent-
Anwohnern das Gefühl zu geben, in die Kampagne so stark in- scheidung für das Auto nicht mehr allein. Neue Gesichtspunkte
volviert zu sein, dass ihnen weitere, größere Gefälligkeiten fol- sind zwischenzeitlich dazugekommen. Der Entscheidung zum
gerichtig und passend vorkamen. Eine Verweigerung wäre als Kauf sind in der Zwischenzeit sozusagen neue Beine gewachsen,
inkonsistentes Verhalten empfunden worden. Kurz gesagt ist bei so dass sie auf das eine ursprüngliche Standbein nicht mehr an-
der Fuß-in-der-Tür-Technik zu beachten, dass schon das kleinste gewiesen ist.
Entgegenkommen eine Art des Engagements darstellt und dass Für diese Technik gibt es noch eine Reihe weiterer Beispiele,
in der Folge immer wieder der Druck aufgebaut werden kann, im zum Teil experimentelle: Cialdini et al. (1978) nutzten in ihrem
Einklang mit dieser anfangs gezeigten Verhaltensweise zu handeln. Experiment die Tatsache, dass Studierende der Psychologie ver-
Die Fuß-in-der-Tür-Technik zeigt einen Aspekt der Kon- pflichtet sind, als Versuchspersonen an Untersuchungen teilzu-
sistenztheorien auf, die ich „das Trägheitsprinzip der Psycholo- nehmen. Ihre Probanden konnten zwischen zwei Testteilnahmen
gie“ nennen möchte. Es geht hier um die Konsistenz zwischen wählen, von denen Test B zwar der interessantere war, aber nur
ähnlichen Verhaltensweisen. Diese Konsistenz beruht auf dem mit einer Bonusstunde vergütet wurde, während der uninteres-
Prinzip, dass ich gute Gründe brauche, um die Richtung meines santere Test A zwei Stunden einbrachte. Ein Teil der Probanden
Verhaltens zu ändern. Für die Beibehaltung der Richtung bedarf durfte frei wählen, der andere Teil wurde dagegen vom Versuchs-
ich dagegen keiner besonderen Gründe. leiter gedrängt, den vorteilhafteren, aber uninteressanten Test A
zu wählen. Nachdem die Studierenden zu ihrer Entscheidung
gelangt waren, wurde ihnen mitgeteilt, dass sie durch einen Irr-
11.4.3 Low Balling tum eine falsche Information zu Test A bekommen hatten: Er
bringe doch nur eine Bonusstunde. Unter diesen geänderten Be-
Eine geschickte auf Dissonanz aufbauende Beeinflussungstechnik dingungen durften sich die Probanden neu entscheiden. Die Pro-
sollte die Handlungsanreize so gestalten, dass sie gerade eben banden, die nicht hatten wählen können, entschieden sich unter
noch stark genug sind, ein Verhalten herbeizuführen, gleichzei- den nun geänderten Bedingungen mehrheitlich für den anderen
tig aber, bei Lichte besehen, der handelnden Person zu schwach Test (58 %); sie näherten sich damit dem Wert einer Kontroll-
erscheinen, um das Verhalten völlig zu rechtfertigen. In diesen gruppe, die bereits von Anfang an wusste, dass Test A nur eine
Fällen müsste die Dissonanz maximal sein. Es gibt aber eine Stunde bringt; hier wählten 69 % den interessanteren Test. Unter
interessante Technik aus der amerikanischen Autobranche, den Probanden jedoch, die frei wählen konnten, blieben 75 %
die es überflüssig macht, einen Handlungsanreiz umständlich bei ihrer anfänglichen Entscheidung für den uninteressanten
so schwach wie möglich und gleichzeitig so stark wie nötig zu Test A, obwohl der ursprüngliche Vorteil dieser Wahl eigentlich
wählen (Cialdini et al. 1978): weggefallen war. Das Experiment zeigt deutlich den Einfluss des
Commitment auf die Konsistenz in der Entscheidung: Durch die
2 Im Zusammenhang mit der Gegenseitigkeitsregel wurde auch die Tür-ins- Freiwilligkeit ihrer Wahl (denken Sie an das Bindungsmerkmal

Gesicht-Technik beschrieben (  Abschn. 10.3.2). Gelegentlich mache ich „Wahlfreiheit“ aus ▶ Abschn. 11.3.2) sind die Studierenden eine
die Erfahrung, dass Studierende in Klausuren die den beiden Techniken
Bindung eingegangen, die auch dann wirksam bleibt, wenn der
gemeinsame Tür quasi herauskürzen und die Verfahren zur „Fuß-ins-Ge-
sicht-Technik“ verschmelzen. Ich bin überzeugt, dass auch eine solche Be-
eigentliche Grund für die Wahl gar nicht mehr besteht.
einflussungstechnik wirksam ist, jedoch stelle ich mir ihren Einfluß eher Pallak et al. (1980) baten Hausbesitzer, an einem Projekt zum
physisch und deutlich weniger subtil vor. Energiesparen teilzunehmen. Zunächst wurden die Versuchsper-
232 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

sonen in einer Voruntersuchung nur über das Projekt informiert, eine höhere Anspannung, wenn sie erfahren, dass sie die erste
1 mit Information zum Energiesparen versorgt und gebeten, in Zu- Bitte nicht erfüllen können. Die Höhe dieser Anspannung hängt
kunft einen geringeren Energieverbrauch anzustreben. Der Effekt eng mit der Bereitschaft zusammen, der zweiten Bitte zuzustim-
2 dieser Maßnahme war gleich null. In der eigentlichen Phase des men, und sie sinkt, wenn der zweiten Bitte entsprochen wurde.
Experiments wurde einer anderen Gruppe von Versuchsperso- Wenn die zweite Bitte erst nach einiger Zeit vorgetragen wird
nen in Aussicht gestellt, dass sie bei einem Erfolg der Kampagne (mehr als 15 Minuten), ist die Anspannung auch von selbst ge-
3 mit ihrer Energiesparleistung namentlich in der Zeitung er- sunken, und der Lure-Effekt bleibt aus.
scheinen würden. Der Erfolg der Maßnahme blieb nicht aus, die Im Marketing werden übrigens Low Balling und Lure-Effekt
4 Energieersparnis in den beteiligten Haushalten war beträchtlich. auch unter der Bezeichnung Bait-and-Switch-Technik („Ködern
Nach einiger Zeit aber wurden die Haushalte davon in Kenntnis und Umlenken“)) diskutiert. Hierbei macht das Geschäft ein ext-
5 gesetzt, dass aus der versprochenen Zeitungserwähnung nichts rem attraktives Angebot, das dann vor Ort nicht eingelöst werden
werde. Der Grund für die Absage ist gleichgültig; die Versuchs- kann (z. B. weil Ihre total ungewöhnliche Größe nicht auf Lager
personen hatten jedenfalls Grund genug, enttäuscht und verär- ist). Stattdessen wird ein neues, deutlich weniger attraktives An-
6 gert zu sein. Unter dieser Voraussetzung hätte es nahegelegen, die gebot gemacht, das gleichwohl gute Chancen auf Akzeptanz hat.
alten Gewohnheiten wieder aufzunehmen und das Energiesparen
7 anderen zu überlassen. Dies war jedoch nicht der Fall, sondern
die Energiesparleistung in den betroffenen Haushalten verstärkte 11.4.4 Oversufficient-Justification-Effekt
sich sogar. Das Engagement für die Sache war im Grunde un-
8 verständlich – musste sogar töricht erscheinen, nachdem der Man kann beobachten, dass der Absatz von Produkten, die mit
ursprünglich wirksame Grund weggefallen war. Aber in der Zwi- einem besonderen Bonus verbunden waren (in den USA sind
9 schenzeit hatten sich so viele zusätzliche Gesichtspunkte gefun- das häufig Coupons, die man sammeln muss und mit denen man
den, dass die Verhaltensweise aus guten Gründen weiterverfolgt dann einen Rabatt erhält), erheblich zurückgeht, wenn dieser
10 werden konnte. Bonus nicht mehr zu haben ist (Mullen und Johnson 1990). Mit
Die Technik des Low Balling („Ball niedrig halten“)ist alles Hilfe der Dissonanztheorie kann man diesen Effekt erklären. Die
andere als selten, man muss sie sich auch nicht als besonders Käufer hatten für das eigene Kaufverhalten in dem Bonus bereits
11 kompliziert vorstellen. Sie funktioniert schon in folgendem ein- eine hinreichende Begründung. Auf die Frage, „Warum dieses
fachen Beispiel (Cialdini 1993): Eine Tankstelle hängt einen Ben- Produkt und nicht das andere?“, konnte man mit dem Hinweis
12 zinpreis aus, der wenige Pfennige unter dem Durchschnittspreis auf den Bonus bereits eine ausreichende Begründung geben.
liegt: Ist man einmal an diese Tankstelle herangefahren, stellt sich Diese Rechtfertigung für den Kauf war mehr als hinreichend
heraus, dass die Preise an der Zapfsäule in Wirklichkeit höher lie- (oversufficient). Herausragende Produkteigenschaften mussten
13 gen, dass also der außen angegebene Preis wohl nicht umgestellt zur Begründung des Kaufverhaltens gar nicht mehr bemüht
worden ist. Wer aber tanken muss, der tankt jetzt auch, zumal werden.
14 wenn der tatsächliche Preis überall sonst auch zu erwarten ge- Diesen Effekt der übergenügenden Rechtfertigung kennt man
wesen wäre. Nur wenige Personen machen sich die Mühe, jetzt auch aus der Forschung zur Leistungsmotivation: Sie können
15 ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. zum Beispiel die Motivation bei einer Aufgabe gründlich unter-
Sehr ähnlich wie das Low Balling funktioniert der Lure-Effekt graben, wenn Sie ohne Not eine Belohnung anbieten. In einer
(z. B. Joule et al. 1989) funktioniert. Es wird eine erste attraktive klassischen Arbeit konnten Lepper et al. (1973) zeigen, dass ein
16 Bitte gestellt (z. B. an einem Experiment teilzunehmen, das viel vormals gerne gezeigtes Verhalten durch eine Belohnung entwer-
Spaß macht oder großzügig bezahlt wird). Viele Probanden stim- tet werden kann: Die Probanden waren Kinder, die gerne und eif-
17 men zu. Dann stellt sich heraus, dass die attraktive Aufgabe doch rig mit bunten Stiften malten. Einer Teilgruppe der Kinder wurde
nicht zur Verfügung steht (z. B. man hat bereits genug Probanden nach einer ersten Phase des Experiments gesagt, sie würden für
bei dem attraktiven Experiment). Stattdessen gibt es aber eine das Malen in der nun kommenden Phase belohnt. In der Tat
18 unattraktive Aufgabe (z. B. ein langweiliges Experiment), für das malten diese Kinder in der Belohnungsphase besonders wacker.
man noch Probanden braucht. Die Zustimmung zu dem langwei- In der dritten Phase war keine Belohnung mehr zu erwarten.
19 ligen Experiment ist deutlich höher, wenn zuvor die attraktive Die Kinder durften in der verbleibenden Zeit malen oder etwas
Bitte gestellt wurde. anderes tun. Genau das war das Interessante dieser Phase, denn
20 Lure-Effekt und Low Balling haben viel gemeinsam, die Un- hier konnte gemessen und verglichen werden, welche Gruppe
terschiede allerdings machen den Lure-Effekt sehr interessant, der Kinder länger beim Malen blieb. In der Tat ließ das Interesse
denn er scheint breiter anwendbar zu sein: So wird beim LowBal- der belohnten Kinder deutlich nach; in dieser Gruppe wandten
21 ling dieselbe Bitte einmal attraktiv und einmal unattraktiv darge- sich mehr Kinder einer anderen Tätigkeit zu als in der Kontroll-
stellt. Beim Lure-Effekt werden dagegen zwei Bitten gestellt, die gruppe, die nicht belohnt wurde.
22 allerdings nicht besonders viel miteinander zu tun haben müssen Unter dem Oversufficient-Justification-Effekt oder, kürzer,
und die sogar in unterschiedlichen Kontexten (z. B. von unter- Overjustification-Effekt leidet durchaus nicht nur die Motivation
schiedlichen Personen) gestellt werden können. von Kindern (Felser 2002). Daher ist es auch nicht besonders
23 Die Wirksamkeit der Lure-Technik beruht aber auf dem geschickt, ein Kaufverhalten durch allzu hohe Anreize zu sti-
Commitment und dem Unbehagen, das damit einhergeht, dass mulieren. Einen wesentlich stärkeren Effekt hätte es, wenn das
man der ersten Bitte nicht entsprechen kann: Personen erleben Kaufverhalten durch Gründe, die außerhalb der Produkteigen-
11.5 • Die Reaktanztheorie
233 11

schaften bzw. der eigenen Vorlieben liegen, nicht erklärbar wäre. Sie können sich vorstellen, dass ein solches Verhalten durch-
Die Dissonanztheorie erfordert gerade hier ein Defizit an Erklä- aus weit verbreitet ist. Die Konsistenztheorien können dieses
rungen. Hierzu ist es vorteilhaft, wenn mit dem Produkt auch Verhalten erklären: Jede Aufwendung, die in der Vergangenheit
einige wenige Nachteile verbunden sind, etwa dass es schwer zu erbracht wurde, erhöht die Bindung. Am Ende kann es zu einer
bekommen oder teuer ist, dass seine Herstellung umständlich ist, Eskalation des Commitment (escalation of commitment; Brock-
dass es nur die allernötigsten Extras hat, dass man es lange vorher ner et al. 1986) kommen: Man hält umso hartnäckiger an einer
bestellen muss usw. (▶ Abschn. 11.3.3) – umso größer wird die sinnlosen Tätigkeit fest, je mehr man bereits darein investiert hat.
Loyalität zu dem Produkt sein, denn umso weniger kann man Der Ausgabeneffekt zeigt sich in einem weiteren experimen-
den tatsächlichen Kauf des Produkts durch Eigenschaften recht- tellen Beispiel, in dem es ausnahmsweise nicht um hypotheti-
fertigen, die das Produkt nicht unmittelbar selbst betreffen. sches, sondern um tatsächliches Marktverhalten ging (Arkes und
Die Hersteller von J&B Scotch versprachen ihren Kunden Blumer 1985). Versuchspersonen waren 60 Studierende, die sich
einen ungewöhnlich hohen Bonus, wenn sie ihr Produkt kau- ein Theaterabonnement für die kommende Saison kauften. Dabei
fen: Mit jeder Flasche war ein Gutschein für eine Uhr, ein Radio wurden nach einem Zufallsprinzip drei verschiedene Versionen
oder eine Videokassette verbunden. Eine derart hohe Dreingabe des Abos ausgegeben: das normale Abo zu 15 Dollar sowie eine
muss unter normalen Umständen den Overjustification-Effekt um 2 Dollar und eine um 7 Dollar verbilligte Version. Die Karten
hervorrufen – und nicht nur das: Die Geschenke waren teurer hatten unterschiedliche Farben, so dass leicht festgestellt werden
als die Flasche selbst. Nun war aber der Gutschein Teil des Fla- konnte, in welchem Umfang die Studierenden von ihrem Abon-
schenetiketts. Nur wenige Konsumenten machten sich die Mühe, nement Gebrauch machten.
tatsächlich das Etikett von der Flasche zu lösen (was allenfalls in Nach der ersten Hälfte der Saison hatten mehr Inhaber des
Seifenlauge, jedenfalls nur mit größter Sorgfalt gelingen konnte). normalen Abos die Vorstellung besucht als Studierende, die ver-
Der hohe Anteil an slippage (Prozentsatz derjenigen Personen, billigte Abos bekommen hatten. Dieses Experiment ist eine be-
die einen angebotenen Rabatt bzw. eine Dreingabe nicht neh- sonders „reine“ Demonstration des Ausgabeneffekts, weil hier
men) sorgte dafür, dass das Unternehmen bei dem Angebot kein nicht unterstellt werden kann, dass die Studierenden im Vorhin-
Minusgeschäft machte (Beispiel nach Mowen und Minor 1998, ein bereits unterschiedliche Erwartungen an den Theaterbesuch
S. 141). Damit ist gleichzeitig auch die Gefahr der übergenügen- hatten, sich also die Studierenden, die mehr investiert hätten,
den Rechtfertigung abgewendet – und man befindet sich bereits auch mehr davon versprechen würden. Man kann vielmehr da-
auf halbem Weg zum Low Balling. von ausgehen, dass die Tatsache, einen bestimmten Betrag inves-
Mit einem Overjustification-Effekt muss man auch rechnen, tiert zu haben, eine Bindung erzeugt hat und dass diese Bindung
wenn man gesetzliche Anreize schafft, um ein Verhalten zu er- umso größer war, je höher die Investition ausfiel.
reichen. So sollte beispielsweise der Einbau von Katalysatoren Kirchler et al. (2002; vgl. auch Kirchler et al. 2002) unter-
in Kraftwagen durch Steuervorteile attraktiver gemacht werden. suchten das Commitment von Bankkunden gegenüber ihrem
Wenn nun ein Autofahrer nicht schon von vornherein Katalysa- Geldinstitut. Entsprechend dem Commitment-Modell von Rus-
toren für eine gute Sache gehalten hat, konnte man dann hoffen, bult (1980) erwarteten sie, dass Bankkunden ein umso größeres
dass die Steuervorteile seine Einstellung gegenüber Katalysatoren Commitment zeigen, je zufriedener sie mit ihrer Bank sind, je
verbessern? Die Dissonanztheorie würde hier zur Skepsis raten: mehr sie bereits in die Geschäftsbeziehung investiert haben und
Gerade wenn das Verhalten selbst eigentlich nicht sehr akzep- je weniger attraktiv die Alternativen zu ihrer Bank sind. Ent-
tiert ist, sorgen Belohnungen eher dafür, dass eine distanzierte gegen der Erwartung spielte die Attraktivität der Alternativen
Haltung aufrechterhalten wird (zu dem Beispiel vgl. auch Stroebe für Commitment und Kundentreue keine Rolle, wohl aber die
und Jonas 1990, S. 191). Investitionen, also damit auch Kosten und Nachteile, die mit dem
Verlassen der Geschäftsbeziehung einhergehen würden. Auch
wenn man die ebenfalls wichtige Zufriedenheit mit der Bank
11.4.5 Ausgabeneffekt bereits berücksichtigt, zeigt sich ein eigenständiger Beitrag der
Investitionen zum Gefühl der Bindung an die Bank.
Stellen Sie sich vor, Sie müssen als Vorstandsvorsitzende einer
Fluggesellschaft entscheiden, ob Sie 1 Million Dollar in die Ent-
wicklung eines neuen Flugzeugs investieren wollen, bei dem der 11.5 Die Reaktanztheorie
Konkurrent bereits einen nennenswerten Vorsprung hat. Unter
dieser Beschreibung würden nur 17 % der befragten Probanden Sie erinnern sich sicher an Tom Sawyer. Eines der ersten Aben-
investieren. Das ändert sich jedoch, wenn die Probanden erfahren, teuer, das er zu bestehen hat, ist eine psychologische Herausfor-
dass die Gesellschaft in dieses Projekt bereits 9 Millionen Dollar derung. Er muss für Tante Polly den großen Zaun streichen, eine
investiert hat. Unter dieser Beschreibung würden 85 % der Befrag- Strafarbeit, die auf ein zuvor bestandenes Abenteuer zurückgeht.
ten das Projekt zu Ende führen (Arkes und Blumer 1985). Dieses Es ist ein wunderschöner Tag, und alle Freunde von Tom ha-
Verhalten ist irrational, weil hier „gutes Geld schlechtem hinter- ben große Pläne. Nur Tom nicht. Er geht widerwillig vor das
hergeworfen wird“. Es werden „versunkene Kosten“ (sunk costs) Haus und ringt sich mühsam die ersten Pinselstriche ab. Toms
berücksichtigt, das heißt, man blickt in die Vergangenheit anstatt Verzweiflung steigert sich. Er malt sich den Verlust an Freiheit,
in die Zukunft und legt Ausgaben in die Waagschale, die ökono- der ihm so despotisch zugemutet wird, in den düstersten Farben
misch für die Folgen der aktuellen Entscheidung irrelevant sind. aus – und doch hat er, als sein Freund Ben auf dem Weg zum
234 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Schwimmen an ihm vorbeikommt, eine bange Hoffnung … Ben Zum Zeitpunkt, als Ben abgearbeitet war, hatte Tom bereits
1 wundert sich, dass sein Freund Tom gar nicht auf ihn reagiert die nächste Runde an Billy Fisher verkauft, für einen Drachen
und in eine recht unangenehme Tätigkeit vertieft zu sein scheint. in leidlich gutem Zustand; und als dieser fertig war, hatte sich
2 Mehrmals spricht er ihn an, endlich reagiert der wackere Ar- bereits Jonny Miller eingekauft, für eine tote Ratte an einer
beiter: Schnur, an der man sie herumwirbeln konnte …
(Twain 1960, S. 32 f; Übers. GF)
3 » „Ach du bist’s, Ben! Ich hab dich gar nicht bemerkt.“
„Ich geh jetzt Schwimmen, hör mal. Würdest du nicht auch
4 gern? Ach ja, du arbeitest wohl lieber, was?“ 11.5.1 Aufwertung durch Unzugänglichkeit
„Was nennst du Arbeit?“
5 „Na, wenn das keine Arbeit ist …“ Wir sehen, Tom spart sich nicht nur die Arbeit, er geht aus der
„Nun, vielleicht ist es Arbeit, vielleicht nicht … Alles, was ich ganzen Sache sogar als reicher Mann hervor. Tom erweist sich als
weiß, ist, es ist genau das Richtige für Tom Sawyer.“ geschickter Werbefachmann: Er kann seine Freunde dazu brin-
6 „Jetzt hör aber mal auf, du willst doch nicht sagen, dass du gen, etwas zu tun, was sie unter normalen Umständen nie getan
das gerne machst.“ hätten. Aber wie gelingt es ihm, die eigentlich unangenehme Ar-
7 beit attraktiv zu machen? Tom versucht bei Ben gar nicht erst,
Der Pinsel bewegte sich weiter. die Arbeit nicht als Arbeit hinzustellen, sondern er sagt: „Well,
maybe it is work, maybe it ain’t. All I know, is, it suits Tom Sawyer
8 „Es gerne machen? Nun, ich sehe nicht, warum ich es nicht […]. I don’t see why I oughtn’t to like it. Does a boy get a chance
gerne machen sollte. Kriegt ein Junge denn alle Tage die to whitewash a fence every day?“ Damit hat er schon die halbe
9 Chance, einen Zaun zu tünchen?“ Miete: Die Arbeit erscheint als eine exklusive Sache, die nicht
jeder jeden Tag machen kann. Aber als Ben dann fragt, ob er
10 Das warf ein neues Licht auf die Dinge. […] Tom strich mit denn auch mal ein bisschen streichen dürfe, treibt Tom es auf die
dem Pinsel auf und ab, trat zurück, um den Effekt zu begut- Spitze: Er verbietet es ihm. Aber gerade durch das Verbot, dass
achten, fügte hier und da einen Klecks hinzu, beäugte das nämlich nicht einfach jeder diese Arbeit machen dürfe, macht
11 Resultat erneut, während Ben jede Bewegung beobachtete Tom die Sache geradezu maßlos attraktiv. Man könnte sagen,
und immer mehr interessiert, immer mehr gefesselt wurde. er schafft den Reiz des Verbotenen. Nachdem Ben weiß, dass
12 Mit einem Mal sagte er: es ihm eigentlich verboten ist, den Zaun zu streichen, will er es
umso mehr.
Ich möchte nun ein anderes Beispiel vorstellen, eine alltäg-
13 „Hör mal Tom, kann ich mal ein bisschen tünchen?“
liche Situation, die mit denselben psychologischen Begriffen er-
Tom dachte nach, er war kurz davor einzuwilligen, doch er klärt werden kann wie die Geschichte von Mark Twain. Es han-
14 änderte seine Meinung: delt sich dieses Mal nicht um eine erfundene Geschichte, sondern
um einen authentischen Bericht einer Konsumentin:
15 „Nein, nein, ich denke, das würde nicht gehen, Ben. Schau,
Tante Polly nimmt’s sehr genau mit diesem Zaun, gerade hier » Ich will Fleisch für sieben Leute einkaufen, da ich Besuch
zur Straße hin, weißt du – wenn es die Rückseite wäre, hätte bekomme. Ich bin unschlüssig, was ich nehmen soll […]. Auf
16 ich nichts dagegen und sie auch nicht. […]“ einmal sehe ich, wie eine Dame die letzte Packung des Son-
„[…] Mensch, lass mich doch mal versuchen. Nur ein biss- derangebots herausnimmt; es ist Jungschweinefleisch. Aus
17 chen. – Ich würde dich lassen, wenn du an meiner Stelle der Tafel entnehme ich, daß vier Kotelett, ein Stück Braten, ein
wärest.“ Eisbein, Rippchen und Schulter drin sind. In diesem Augen-

18 „Ben, ich würde ja gerne, ehrlich. Aber Tante Polly – nun, Jim
wollte schon, und sie ließ ihn nicht, Sid wollte, und sie ließ
blick denke ich mir, das wäre das richtige gewesen! Ich hoffe,
daß die Dame das Paket wieder hinlegt. Als ich sehe, daß es
auch Sid nicht. Siehst du nicht, in was für einer Klemme ich aussichtslos ist, nehme ich mißmutig Kotelett.
19 stecke?“ Eine Woche später komme ich wieder in das Kaufhaus und
„Ich bin auch ganz vorsichtig. Lass mich doch versuchen. Ich sehe, daß es das oben erwähnte Sonderangebot wieder gibt.
20 gebe dir auch das Gehäuse von meinem Apfel.“ Da es noch immer attraktiv für mich ist, greife ich zu. Die
„Na ja gut … Ach nein, Ben, lass. Ich hab Angst …“ verschiedenen Fleischsorten schmecken lecker, aber erst jetzt
„Ich gebe dir den ganzen Apfel.“ wird mir klar, daß das Paket letzte Woche für meinen Zweck
21 überhaupt nicht geeignet gewesen wäre, da ich mindestens
Tom gab den Pinsel mit Widerstreben im Blick, aber mit drei verschiedene Gerichte hätte machen müssen. (Link et al.
22 Triumph im Herzen. Und während [Ben] in der Sonne 1977, Geschichte 27)
schwitzte, setzte sich der vormalige Künstler auf ein Fass in
Eine andere Dame schnappt unserer Konsumentin das Sonder-
23 den Schatten, knabberte an seinem Apfel und schmiedete
Pläne, wie er weitere Unschuldige zur Schlachtbank führen angebot vor der Nase weg. Was ist die Konsequenz? Im selben
könnte. Es gab genug Auswahl; immer wieder kamen Jungs Moment wünscht die Konsumentin, das Produkt selbst zu be-
vorbei; sie kamen, um zu spotten, sie blieben zum Tünchen. kommen. Sie wünscht es sich offenbar sehr, denn erstens reagiert
11.6  •  Einschränkungen und Bedingungen der Reaktanztheorie
235 11

sie missmutig, nachdem sie keinen Erfolg hat, und zweitens kauft folgende Situation vor (Beispiel nach West und Wicklund 1985;
sie, ohne zu zögern, das Angebot, nachdem es wieder verfügbar Bohner et al. 1995): Es geht um das Reizthema Fluoridierung
ist. Doch offenbar hat sie, nüchtern betrachtet, gar keinen Grund, des Trinkwassers. Sie wissen zu wenig über dieses Thema, um
dieses Produkt so sehr zu begehren, denn ihren Zwecken dient es wirklich mitreden zu können, aber Sie wurden nun einmal in das
kaum. Es ist etwas anderes, das ihre Interessen auf das Angebot Gremium gewählt, das in Ihrer Gemeinde darüber zu befinden
richtet – und das hat damit zu tun, dass ihre freie Wahl durch die hat. Sie kommen aus einer Sitzung und wollen Pause machen.
andere Konsumentin behindert wird. Hier haben wir die Paral- In diesem Moment kommt ein Mann auf Sie zu und beschwört
lele zu unserem Anstreicher aus dem vorangegangenen Beispiel: Sie nachdrücklich: „Es ist doch gar keine Frage, natürlich muss
Auch Ben wird ganz unverhofft mit Hindernissen konfrontiert. die Fluoridierung sein.“ Wie wird Ihre Meinung nach diesem
Er stößt auf ein Verbot, mit dem er nicht gerechnet hat. Und auch Satz aussehen? Stellen wir uns zur Verschärfung vor, Sie kennen
ihm erscheint das, was hinter den Hindernissen liegt, attraktiv. diesen Mann: Er ist ein Chemiker, der sich zwar auskennt, der
Was unsere beiden Beispielpersonen erleben, wird in der aber ein Unternehmen leitet, das von dem Beschluss zur Fluo-
Reaktanztheorie (Brehm 1966) beschrieben. Reaktanz zeigt ridierung sehr profitieren würde. Wie groß ist Ihre Bereitschaft,
sich, wenn eine Freiheit bedroht wird oder schon verloren ist. dem Projekt in kommenden Sitzungen zuzustimmen?
Sie besteht in der Aufwertung der bedrohten oder verlorenen Der Beeinflussungsversuch stellt einen Eingriff in Ihre Frei-
Alternative. heit dar, nämlich in Ihre Entscheidungsfreiheit. Die beste Me-
Der Begriff der Aufwertung soll ganz allgemein bezeichnen, thode, diese Freiheit wieder herzustellen, besteht darin, gerade
was bei der Reaktanz passieren kann: aktives Bemühen, „Jetzt nicht das zu machen, zu dem Sie überredet werden sollten. Ihre
erst recht“, Ärger, Hinterherheulen und so weiter. Neigung, dem Projekt zuzustimmen, wird mit diesem Beeinflus-
Wie sieht die Anwendung auf unsere Beispiele aus? Im Bei- sungsversuch geringer sein als ohne. Ein so plumper Versuch,
spiel mit der Konsumentin ist die Anwendung klar: Die Option Ihnen etwas aufzuschwatzen, hat nicht selten die gegenteilige
dieses Sonderangebots verschwindet vor meinen Augen. Diese Wirkung. Man spricht deshalb auch von einem Bumerangeffekt.
Option wird aufgewertet, ich trauere ihr nach und entscheide Nicht jeder Versuch, Sie zu beeinflussen, hätte bei Ihnen Trotz
mich auch später noch mit größerer Bereitwilligkeit für die ent- und Gegenwehr bewirkt. Wenn der Chemiker einfach gesagt
gangene Wahlmöglichkeit. hätte: „Also ich halte diese Idee für vernünftig“, dann wäre Ihre
Reaktanz wird als ein unangenehmer Spannungszustand ver- Reaktion vielleicht eher neutral ausgefallen. Vielleicht hätten
standen, der irgendwie abgebaut werden soll. Der Spannungs- Sie sich sogar von der Meinung beeinflussen lassen, erst recht,
zustand äußert sich auf verschiedenen Ebenen: Emotional kann wenn wir annehmen, der Chemiker hätte kein Unternehmen und
es zu Verärgerung oder Wut kommen, die sich meist gegen die demnach auch keine eigennützigen Motive. Worin unterscheiden
Quelle der Freiheitseinschränkung richtet. Auf der kognitiven sich die beiden Situationen? Im ersten Fall scheint es deutlich zu
Ebene ändern Personen oft ihre Einstellung zu einer Sache, be- sein, dass der Chemiker Sie beeinflussen will, im zweiten Fall
werten die verlorene Option positiver und die Quelle der Ein- nicht. Der Bumerangeffekt lebt von der deutlich sichtbaren Be-
schränkung negativer. Die Kundin im Beispiel hatte das entgan- einflussungsabsicht. Davon hängt nämlich auch ab, wie stark die
gene Sonderangebot auch gut erinnert – ebenfalls eine kognitive Bedrohung der Freiheit empfunden wird, wie auch das folgende
Erscheinungsform der Reaktanz. Auf der Verhaltensebene schließ- Beispiel zeigt: Pennebaker und Sanders (1976) prüften den Effekt
lich zeigen Personen bei Reaktanz oft demonstrativ das verbotene von unterschiedlich formulierten Aufforderungen: An den Türen
Verhalten (nach dem Motto „Jetzt erst recht“), verweigern sich von 17 Toiletten ihrer Universität brachten sie Schilder an:
einem Beeinflussungsversuch („Mit mir nicht“) oder verlassen 1. „Do NOT Write on These Walls Under Any Circumstances!“
eine einengende Situation ganz (Schimansky 1999, S. 126). 2. „Please Do Not Write on These Walls.“
Nicht alle Freiheiten kann man wirklich wiederherstellen,
und in manchen Fällen macht es keinen Sinn, sich um eine Wie- In Bedingung 1 finden sich deutlich mehr Graffiti auf den Wän-
derherstellung zu bemühen. Aber auch in diesen Fällen kann den.
man Reaktanz beobachten. Sie äußert sich dann eben nicht unbe- Von Brehm (1966) stammt das folgende Beispiel für einen
dingt in einem aktiven Bemühen um diese Freiheit (wie z. B. das Bumerang-Effekt: Mr. Smith geht am Sonntag meistens Golfen.
Bitten von Ben), sondern eher auf emotionaler und kognitiver Manchmal werkelt er aber auch in der Wohnung herum. Diesen
Ebene: Ärger über die Quelle der Freiheitseinschränkung, der Sonntag erklärt ihm Mrs. Smith, er solle auf jeden Fall golfen
starke Gedanke, die verlorene Option wäre gerade die richtige gehen, denn heute könne sie ihn Zuhause nicht gebrauchen. Dies
gewesen (ähnlich wie im Beispiel mit der Konsumentin). macht das „Herumwerkeln“ zur attraktivsten Tätigkeit für die-
sen Sonntag. Das Beispiel zeigt, daß das Ziel der Beeinflussung
durchaus attraktiv sein kann und man trotzdem Reaktanz zeigt.
11.5.2 Der Bumerangeffekt
bei der Beeinflussung
11.6 Einschränkungen und Bedingungen
Man kann die Wirkung von Reaktanz nicht nur beobachten, der Reaktanztheorie
wenn etwas verboten ist. Auch wenn ich versuche, einer Per-
son etwas einzureden, sie von einer Sache zu überzeugen, kann Die vermutlich wichtigste Vorbedingung der Reaktanz ist die
das als Freiheitseinschränkung gesehen werden. Stellen wir uns Freiheitserwartung: Reaktanz tritt nur dort auf, wo wir auch
236 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Freiheit erwarten. Wenn ich zum Beispiel erfahre, dass die neue entsprechenden realen Bedingungen hierzu eine Studie
1 S-Klasse des Mercedes teurer geworden ist, dann stellt das zwar durchgeführt (▶ Abschn. 11.7). Solch ein Verbot ist bestens
eine weitere Einschränkung meiner Freiheit dar, einen Mercedes dazu geeignet, Reaktanz zu erzeugen: Phosphathaltige
2 zu kaufen. Da ich aber aus Kapitalgründen sowieso nie geglaubt Waschmittel werden stärker begehrt. Dieser Effekt ist vor
habe, dass ich überhaupt die Freiheit hätte, einen Mercedes zu allem bei solchen Leuten zu erwarten, für die es keine
kaufen, wird mich diese Freiheitseinschränkung kalt lassen. In Ausweichmöglichkeit gibt, die sie für gleichwertig halten.
3 Situationen, in denen man ohnehin nicht glaubt, wählen zu kön- In der Studie von Mazis et al. (1973) waren das solche Kon-
nen, wird auch keine Reaktanz auftreten. sumenten, deren Marke keine äquivalente Alternative zur
4 Eine Freiheitseinschränkung wirkt besonders dann, wenn sie phosphathaltigen Version des Waschmittels zur Verfügung
neu ist, wenn sie zum ersten Mal auftritt. Wenn ich zum Beispiel stellte. Anders ausgedrückt: Die Konsumenten, in deren
5 beim wöchentlichen Einkauf im Supermarkt bei einem Produkt Augen die Alternativen zu ihrem üblichen Waschmittel
meine bevorzugte Marke nicht vorfinde, dann mag dies dazu sehr unähnlich waren, weil sie von einer anderen Marke
führen, dass ich jetzt erst recht – und zwar woanders – nach stammten, legten größeren Wert auf die Wahlfreiheit und
6 dieser Marke suche. Fitzsimons (2000) zeigt, dass Kunden, die zeigten daher auch stärkere Reaktanz.
ihre bevorzugte Marke beim Einkauf nicht vorfinden, mit einer
7 Wahrscheinlichkeit von 53 Prozent beim nächsten Einkauf das
Geschäft wechseln. Fehlt ein ein weniger präferiertes Produkt, 11.6.1 Wettbewerb
wechseln Kunden noch immer in 24 Prozent der Fälle. Dieser
8 Effekt ist allerdings deutlich geringer, wenn es immer wieder Reaktanz ist am stärksten im Falle der „sozialen Freiheitsein-
vorkommt, dass ein Produkt nicht verfügbar ist (vgl. Clee und schränkung“, das heißt einer Freiheitseinschränkung durch
9 Wicklund 1980, S.  400). Häufige Ereignisse gewinnen allein andere Personen. Worchel et al. (1975) untersuchten das Urteil
durch ihre Häufigkeit an Normalität, und dies dämpft die Frei- ihrer Probanden über Schokoladenkekse. Eine bestimmte Sorte
10 heitserwartung. dieser Kekse – nennen wir sie Voltaire – war für eine Gruppe in
Eine weitere Bedingung ist die Wichtigkeit der Freiheit. Auch großen Mengen vorhanden, für die andere Gruppe gab es von
hierzu ein Beispiel: Ich kann wählen, welche Sorte von Streich- derselben Sorte nur zwei Kekse. Die geringe Verfügbarkeit der
11 hölzern ich kaufe. Wenn nun aber eine bestimmte Sorte zufällig Kekse kann als eine Art Freiheitseinschränkung wahrgenommen
nicht verfügbar ist, kaufe ich ohne weitere Bedenken eine an- werden. Reaktanzeffekte waren also möglich. Wie wir oben ge-
12 dere. Wenn ich aber einen DVD-Rekorder kaufen will, dann ist sehen haben, muss bei den Personen eine Erwartung bestehen,
die Tatsache, dass eine bestimmte Marke nicht vorrätig ist und frei wählen zu können. Folgerichtig gab es auch im Experiment
ich sie somit nicht wählen kann, für mich eine unangenehme von Worchel et al. (1975) nur dann Reaktanzeffekte, wenn die
13 Erfahrung. Die eine Marke, die fehlt, erscheint mir dann beson- Versuchspersonen zuerst viele Voltaire-Kekse hatten, die ihnen
ders attraktiv, auch wenn man mir versichert, dass die anderen später weggenommen wurden. Sahen die Versuchspersonen von
14 genauso gut sind. Clee und Wicklund (1980, S. 391) erklären, Anfang an nur zwei Voltaire-Kekse und kamen somit nie auf den
unter welchen Bedingungen Wahlfreiheit wichtig ist und unter Gedanken, dass man genauso gut auch mehr haben könnte, wur-
15
16
-
welchen weniger. Wichtig ist Wahlfreiheit,
wenn man durch Ausüben dieser Freiheit ein wichtiges
Bedürfnis befriedigen kann. Also ist die Wahl der Berufs-
ausbildung wichtiger als die Wahl des Mittagessens in der
den Voltaire-Kekse auch nicht aufgewertet. Diesen Effekt konnte
man auch umkehren: So wie eine vor den eigenen Augen ent-
stehende Knappheit die Kekse aufwertete, wurden sie geringer
bewertet, wenn in einer anderen Bedingung die Menge von zwei

17
18
- Kantine.
wenn man durch Ausüben dieser Freiheit mit hinreichen-
der Gewissheit zum eigenen Nutzen beitragen kann. Die
Freiheit zu Handlungsweisen, die man zwar frei wählen
auf zehn aufgestockt wurde.
Das Interessante an diesem Experiment liegt aber in einem
anderen Punkt. Reaktanzeffekte waren bei den Versuchspersonen
besonders dann stark ausgeprägt, wenn die Freiheitseinschrän-
kann, deren Bedeutung aber unklar und deren Nutzen kung durch andere Personen stattfand. Stellten die Versuchsleiter
zweifelhaft ist, wird nicht besonders wichtig empfunden. zuerst einen großen Kekstopf auf den Tisch und nahmen diesen
19 Ein Beispiel: Man besitzt zwar beim Tippen der Lottozahlen später wieder mit dem Hinweis weg, dass auch andere Person
größere Freiheitsgrade als bei der Wahl der Losnummer für aus diesem Topf bedient werden müssten, waren die Reaktanz-
20 das Spiel 77, trotzdem ist diese Freiheit verhältnismäßig un- effekte stärker, als wenn der Kekstopf nur mit der Begründung
wichtig, da mit ihr nicht das sichere Gefühl einhergeht, den reduziert wurde, dies sei ein Irrtum und jeder bekomme nur
Lauf der Dinge beeinflussen zu können. Wer das glaubt, zwei Kekse. Durch diese Versuchsanordnung wird deutlich, wie
21 der ist dem Aberglauben verfallen. Dagegen ist die Freiheit, man sich die soziale Freiheitseinschränkung vorzustellen hat: Es
zwischen Butter und Margarine zu wählen, deutlicher mit muss niemand böswillig etwas wegnehmen, was man selbst gerne
22 realen Effekten verknüpft und würde vermutlich bei Bedro- hätte, es genügt die Wahrnehmung, dass es andere gibt, die auf

23 - hung heftiger verteidigt.


wenn die zur Verfügung stehenden Optionen einander
möglichst unähnlich sind. Stellen wir uns vor, es wür-
den aus Gründen des Umweltschutzes phosphathaltige
das seltene Gut ebenfalls Anspruch haben – wohlgemerkt: haben.
Reaktanz kann bereits eintreten, bevor die Konkurrenten den
Anspruch durchsetzen wollen. Das Keksexperiment zeigt auch,
welche Dynamiken bei Versteigerungen wirksam werden, wenn
Waschmittel verboten. Mazis et al. (1973) haben unter sich nach und nach zeigt, wer alles sich für das Gut interessiert.
11.8  •  Die Reaktanztheorie in Werbung und Verkauf
237 11

Die Bedeutung des Wettbewerbs um ein knappes Gut zeigt schrieb, eine Waffe zu besitzen, wurden von der Bevölkerung we-
sich auch in der Zeit, die Menschen brauchen, um einen Park- sentlich weniger Waffen gekauft (Cialdini 1993). Einen ähnlichen
platz zu räumen: Im Vergleich mit einer Kontrollbedingung ohne Effekt hatte zehn Jahre zuvor das Verbot von phosphathaltigen
weitere Personen nehmen sich Autofahrer für das Verlassen ihres Waschmitteln in Dade County (Miami), Florida. Sogar der Besitz
Parkplatzes im Einkaufszentrum mehr Zeit, wenn sie wahrneh- von phosphathaltigen Waschmitteln war nicht erlaubt. Was war
men, dass jemand anders ihren Parkplatz haben will und beson- der Effekt? Nun, die Leute begannen, Phosphatwaschmittel zu
ders wenn dieser andere die Hupe benutzt (Ruback und Juieng schmuggeln. In regelrechten Seifenkarawanen führten sie einen
1997). Vorrat für die Zukunft ein und versorgten sich über Jahre hin-
aus mit dem verbotenen Produkt. Darüber hinaus sahen jetzt
aber auch die meisten Verbraucher die verbotenen Phosphat-
11.6.2 Reaktanz und Saure-Trauben-Effekt waschmittel in einem besseren Licht als zuvor. Verglichen mit
Einschätzungen aus der Nachbargemeinde, die von dem Verbot
Wir haben oben festgestellt, dass Reaktanz nur dort auftritt, wo nicht betroffen war, hielten die Einwohner von Dade County
auch Freiheit erwartet wird. Ich möchte nun anhand eines Expe- Phosphatwaschmittel einfach für die besseren Produkte (Mazis
riments (Brehm et al. 1966; Hammock und Brehm 1966) zeigen, 1975; Mazis et al. 1973).
welche Rolle die Freiheit bei den Reaktanzphänomenen spielt. Ein gesetzlicher Eingriff, der die Verfügbarkeit einer Sache
Stellen wir uns vor, ich lege Ihnen vier CDs vor und bitte Sie, die einschränken kann und der auf jeden Fall den Charakter der
vier in einer Rangreihe zu bewerten. Einem Teil der Gruppe sage nicht natürlichen Einschränkung trägt, ist eine Steuer. Daher
ich: „Sie können sich später eine der CDs aussuchen und behal- könnten also auch Freiheitseinschränkungen durch die Erhe-
ten“, dem anderen : „Ich werde Ihnen am Ende des Experiments bung von Steuern Reaktanz erzeugen. Nun würden Ökonomen
eine der CDs schenken“. Damit hat die erste Gruppe das Ge- wahrscheinlich einwenden, dass der Nutzen eines Guts abnimmt,
fühl, die Freiheit der Wahl zu haben, während die zweite Gruppe wenn sein Preis steigt, ohne dass gleichzeitig sein Wert zunimmt.
nicht glaubt, frei wählen zu können. Sie hören sich die CDs an Daher müsste eigentlich ein Gut, auf das eine Steuer erhoben
und bringen alle in eine Hierarchie. Ich bitte Sie nun, zu einem wird, abgewertet werden, denn sein Nutzen verringert sich ja
zweiten Termin zu kommen, wonach Sie eine der CDs mitneh- durch die Steuer. Wenn die Steuer aber in eine wie selbstver-
men dürfen. Wenn Sie zum zweiten Termin erscheinen, muss ständlich erwartete Freiheit eingreift, dann verhindern Reakt-
ich Ihnen mitteilen, dass die CD, die bei Ihnen an dritter Stelle anzeffekte die aus rein ökonomischer Sicht zu erwartende Ab-
rangiert hat, leider vergriffen ist. Ich bitte Sie nun, noch einmal wertung (Wicklund 1970). Dieser Gedankengang mag erklären,
anzugeben, wie gut Ihnen die vier CDs gefallen, überlasse Ihnen warum die Erhebung von Steuern auf Genussmittel in der Regel
eine der CDs, und das Experiment ist zu Ende. nicht zu einer Minderung des Verbrauchs führt. Die psychologi-
Was ist nun für die neue Rangreihe zu erwarten? Wenn Sie sche Reaktanz wirkt den Effekten eines geringeren Gesamtnut-
zum zweiten Termin erfahren haben, dass eine der Alternativen zens entgegen und sorgt dadurch für stabile Präferenzen.
ausscheidet, wird diese neue Situation Ihr Urteil beeinflussen. In diesen Zusammenhang gehört auch das Thema Zensur. Es
Die Personen, die geglaubt haben, sie könnten frei wählen, sehen ist zunächst mit und ohne Reaktanztheorie einsichtig, dass wir
durch die Einschränkung ihre freie Wahl bedroht. Die bedrohte Informationen, die man uns vorenthalten will, heiß begehren.
Alternative, nämlich die CD, die nicht zur Verfügung steht, er- Wir wissen, dass Zensurbestrebungen eine der besten Promoti-
scheint nun attraktiver als vorher. Sie rutscht in der Rangreihe onsleistungen für einen Film oder ein Buch sind. Mit Zensur ist
nach oben. Dagegen dürften die Personen, die sowieso nicht aber auch ein weit interessanteres Reaktanzphänomen verknüpft:
erwartet haben, frei wählen zu können, auch keine besondere Eine Information, die uns durch Zensur vorenthalten wird, ist
Einbuße wahrnehmen. Die fehlende Möglichkeit erscheint nicht nicht nur besonders begehrt, sondern wird mit höherer Wahr-
attraktiver als vorher. Im Gegenteil: Wenn die Personen keine scheinlichkeit für wahr gehalten als frei zugängliche Informatio-
Freiheit erwarteten, wurde die bedrohte Alternative sogar abge- nen (z. B. Worchel et al. 1975).
wertet. Die Versuchspersonen fanden die vergriffene Platte nun
noch weniger attraktiv. Allgemein gesagt: „Wenn jemand keine
Freiheit erwartet, und es wird etwas eliminiert, dessen Besitzer er 11.8 Die Reaktanztheorie in Werbung
potentiell hätte werden können, wird er dazu neigen, diese Sache und Verkauf
abzuwerten“ (West und Wicklund 1985, S. 256). Diesen Effekt
nennt man den Saure-Trauben-Effekt. Fragen wir uns nun, was die Reaktanztheorie für die Werbepsy-
chologie bedeutet. Wicklund (1979, S. 88) meint, „für den öko-
nomischen Bereich […] genügt die globale Feststellung, daß
11.7 Reaktanz und Gesetze das Auftreten von Reaktanz dazu geeignet ist, die Effizienz der
Werbung und der Akquisition als Möglichkeit beeinflussender
Die universale Wirksamkeit von Reaktanz zeigt sich auch in der Kommunikation prinzipiell herabzumindern“. Ich glaube nicht,
Befolgung von Gesetzen. Aus psychologischer Sicht ist es be- dass diese Feststellung genügt. Im Folgenden möchte ich dafür
denklich, auf die Bevölkerung durch Gesetze Zwang auszuüben. argumentieren, dass es auch weitere praktische Konsequenzen
Als am 1. Juni 1982 in der US-Gemeinde Kennesaw, Georgia, ein der Reaktanztheorie in Werbung und Verkauf gibt. Beginnen wir
Gesetz erlassen wurde, das es unter Androhung von Strafe vor- aber mit dem naheliegenden Thema: Reaktanz und Beeinflussung.
238 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Exkurs 11.3  Zwei Experimente  |       | 


1
Experiment I: „In einem Supermarkt wurde Experiment II: Wicklund et al. (1970) baten würden oder nicht. Während die Studentinnen

2 Hausfrauen ein bestimmter Geldbetrag gege-


ben mit der Bitte, sich eine ganz bestimmte
Collegetudentinnen, Sonnenbrillen auszu-
probieren. Mit einer Sonnenbrille ihrer Wahl
verschiedene Brillen aufsetzten, brachte die
Versuchsleiterin nun die üblichen Verkäufer-
Brotmarke zu kaufen. In der Kontrollgruppe sollten die Studentinnen als Fotomodell sprüche: „Die steht Ihnen ganz großartig“, „Die
3 (kein Einfluß) kauften 24 Prozent diese Marke,
bei mäßigem Einfluß (‚Bitte kaufen Sie …‘)
fungieren. Später hatten sie die Möglichkeit,
die Sonnenbrille, die sie gewählt hatten, auch
ist wie für Sie gemacht“. In der Provisionsbe-
dingung nun vermuteten die Studentinnen
taten dies 70 Prozent, während bei starkem zu kaufen. In einer Versuchsbedingung ließ hinter diesen Sprüchen eine Manipulations-
4 Druck (‚Sie sollen …‘) nur noch 51 Prozent
diese Marke kauften. Das Absinken der
die Versuchsleiterin durchblicken, dass sie
die Brillen auf Provision verkaufe und daher
absicht der Versuchsleiterin. Sie glaubten,
sie sollten dadurch überredet werden, eine
Verkäufe von 70 auf 51 Prozent wurde als ein gewisses Interesse habe, möglichst viele Brille zu kaufen. Dementsprechend war das
5 durch Reaktanz bedingt interpretiert“ (Weiner Brillen zu verkaufen. In der anderen Versuchs- Ergebnis, dass die Brillen in der Provisionsbe-
und Brehm 1966; zit. n. von Rosenstiel und bedingung tat die Versuchsleiterin so, als sei dingung wesentlich schlechter abschnitten
Neumann 1982, S. 179). es ihr eigentlich egal, ob die Brillen gekauft und auch weniger gekauft wurden.
6
7 11.8.1 Reaktanz und Beeinflussung Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel (1982, S. 107 ff) folgende
Empfehlungen:
Wenn jemand mich ganz offensichtlich beeinflussen will, wehre 1. „Vermeide unnötige Hinweise auf Entscheidungsfreiheiten.“
8 ich mich gegen die Manipulation und tue unter Umständen das Als Negativbeispiel sei ein Anzeigentext für den fairgirl-Na-
Gegenteil dessen, was von mir erwartet wird – sozusagen um gellack angeführt (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982,
9 sicherzustellen, dass ich trotz der Beeinflussungsversuche noch S. 108): „Das ist eine Anzeige für alle Frauen, die Nagellack
immer frei bin. Ein einleuchtendes Beispiel ist ein aufdringli- verwenden. Ihr Selbstbewußtsein ist so groß, daß Sie unbe-
10 cher Verkäufer. Wenn wir das Gefühl haben, der Verkäufer will einflußt selbst entscheiden, wo Sie Ihren Nagellack kaufen.
unbedingt, dass wir etwas bei ihm kaufen, fühlen wir uns unbe- Für Sie ist die Qualität und die Farbe das alles Entscheidende.
haglich und neigen eher dazu, lieber nichts zu kaufen, schon um Deshalb gibt’s Ihren Nagellack im Supermarkt. In ganz bezau-
11 der Manipulation durch den Verkäufer zu widerstehen (▶ Ex- bernden Farben und in ganz ausgezeichneter Qualität.“ Die
kurs 11.3). Wenn ein Verkäufer den Kunden sehr freundlich und Freiheit, die im zweiten und dritten Satz beschworen wird,
12 zuvorkommend bedient hat, kann sich der Kunde dadurch ver- soll also unmittelbar danach wieder eingeschränkt werden.
pflichtet fühlen, nun auch etwas zu kaufen. Die Bedienung wird Ein unverständlicher und unnötiger Hinweis auf das Thema
als ein Entgegenkommen gewertet, demgegenüber man nicht Entscheidungsfreiheit.
13 undankbar sein darf. Dieses Gefühl der Verpflichtung kann als 2. „Vermeide den Eindruck, Entscheidungsfreiheiten seien wich-
unangenehm erlebt werden. Diese Unbehaglichkeit stellt eine tig.“ Gerade im Bereich von Produkten, bei denen die Kauf-
14 Form der Reaktanz dar (Wiswede 1979). Hier tritt das Gefühl entscheidung mit einer gewissen Beliebigkeit getroffen wird,
der Reaktanz in Konkurrenz zur Regel der Gegenseitigkeit ist es unsinnig, die Wichtigkeit von Entscheidungsfreiheiten
15 (▶ Abschn. 10.3). zu betonen.
Werbung zielt definitionsgemäß auf die Einengung von Ver- 3. „Vermeide den Eindruck, Entscheidungsfreiheiten werden
haltens- und Entscheidungsspielräumen. Eine Beeinflussungs- eingeengt.“ Der Eindruck einer Einengung ist dann herab-
16 absicht ist bei der Werbung immer gegeben. Eigentlich müsste gesetzt, wenn der Rezipient die vorgeschlagenen Optionen
Werbung somit stets mit Bumerangeffekten rechnen. Dass diese für notwendig, vernünftig oder gut begründet hält. Zum
17 Effekte aber nicht die ganze Werbewirkung zunichte machen, Beispiel lösen Einschränkungen durch den Rat eines Arztes
liegt an verschiedenen Gründen. Die Beeinflussungsversuche dann keine Reaktanz aus, wenn der Patient erwartet, dass
der Werbung sind nicht immer plump, sondern manchmal so- der Rat gut ist und dass er vernünftigerweise keine Wahl
18 gar sehr unterhaltsam. Die Gestaltung der Werbung bringt es hat. Ebenso erzeugen gut begründete oder besonders glaub-
daher oft mit sich, dass Reaktanzeffekte neutralisiert werden, würdige Beeinflussungsversuche weniger Reaktanz. Daher
19 etwa indem die Werbung ästhetisch ansprechend ist und von ist schon zur Vermeidung von Reaktanz von der Werbung
sympathischen Kommunikatoren präsentiert wird (Clee und Glaubwürdigkeit zu fordern. Zur Erhöhung der Glaubwür-
20 Wicklund 1980, S. 398). Zudem betrifft die meiste Werbung digkeit ist es übrigens auch möglich, Anzeigenwerbung im
Themen, die uns nicht aktuell interessieren. Wir betrachten redaktionellen Stil des Werbeträgers zu gestalten, so dass sie
Werbung in der Regel mit geringem Involvement. In Fällen von wie ein seriöser Bericht und nicht wie Werbung aussieht.
21 geringem Involvement aber, wenn uns der Bereich der Beein- Dieses Vorgehen ist in seiner drastischen Form allerdings
flussung nicht besonders wichtig ist, behindert auch das Wissen nicht statthaft (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982,
22 um die Beeinflussungsabsicht nicht die beeinflussende Wirkung S. 113).
(Petty und Cacioppo 1979). Reaktanz setzt erst bei einigerma-
ßen wichtigen Themen ein. Die Bedingungen für Reaktanz sind Beeinflussungsversuche kommen auch dann sehr ungelegen,
23 also in der Werbung nicht optimal erfüllt; trotzdem kann man wenn Konsumenten bereits eine Präferenz ausgebildet haben.
mit einer Werbebotschaft leichtsinnig Reaktanz gegenüber der Fitzsimons und Lehman (2004) ließen ihre Probanden vier Müs-
eigenen Werbebotschaft provozieren. Für diesen Fall geben liriegel bewerten. Nachdem sich die Probanden mit den Optionen
11.8  •  Die Reaktanztheorie in Werbung und Verkauf
239 11

vertraut gemacht hatten, wurde eine Empfehlung der Zeitschrift 11.8.3 Reaktanz und Kaufentscheidungen
Health and Fitness bekannt gegeben. Diese Empfehlung entsprach
entweder der ursprünglichen Präferenz oder widersprach ihr. Die In ▶ Abschn. 11.4.1 haben wir unter dem Begriff Nachentschei-
Probanden durften sich drei Schokoriegel auswählen. Diese Wahl dungsdissonanz festgestellt, dass Personen kurz nach einer
wurde von der Empfehlung beeinflusst: Wenn auch Health and Entscheidung besonders anfällig für Zweifel und daher auf der
Fitness die bevorzugte Option empfahl, wählen die Probanden Suche nach dissonanzreduzierenden Informationen sind. In die-
rund zwei von den attraktiven Riegeln. Wurde dagegen von der sem Prozess hat die Reaktanz auch einen Platz, nämlich in Form
attraktiven Option abgeraten, wurde diese im Schnitt 2,5-mal einer reaktanten Aufwertung derjenigen Alternative, gegen die
gewählt. Die Probanden taten also – jetzt erst recht – genau das, man sich entschieden hat und die nun verloren ist. Diese (meist
wovon die Empfehlung abgeraten hatte. Fitzsimons und Lehman nur kurzfristige) Aufwertung verstärkt eben die drohende kog-
(2004) gehen davon aus, dass dieser Bumerangeffekt auch für nitive Dissonanz. Dies geschieht jedenfalls dann, wenn vor der
Produktempfehlungen im Onlinekauf zu erwarten ist. Er tritt Entscheidung die Alternativen relativ ähnlich bewertet wurden

-
allerdings nur auf, wenn
die Konsumenten bereits eine Präferenz ausgebildet haben,
(Kyner et  al. 1976; siehe auch ▶ Abschn. 11.4.1). Den Prozess
kann man sich so vorstellen: Das nicht Gewählte wird nach der

-- sie also ein Produkt bevorzugen,


die Empfehlung nicht erbeten wurde,
sie unerwartet kommt (sie also die bevorzugte Option nicht
Entscheidung unzugänglich und dadurch aufgewertet. Wenn es
aber ohnehin wesentlich schlechter bewertet wurde als das Ge-
wählte, bleibt diese Diskrepanz auch nach der Aufwertung erhal-

- empfiehlt),
wenn sie nicht einfach ignoriert werden kann (z. B. weil sie
von einem Experten kommt).
ten. Wurde die Entscheidung allerdings als „knapp“ erlebt, kann
die nicht gewählte Alternative nach der Aufwertung attraktiver
erscheinen als die gewählte. Nur dann droht die dissonante Kog-
nition, dass man nicht das Bessere gewählt hat.

11.8.2 Werbeunterbrechungen
11.8.4 Einschränkung als Werbe-
Wenn ein Programm von Werbung unterbrochen wird, verlassen und Verkaufsmittel
Zuschauer oft den Raum, zappen durch die Kanäle oder arbeiten
sich, wenn sie eine Aufzeichnung anschauen, durch den Schnell- Reaktanz kann auch direkt zur Beeinflussung genutzt werden.
vorlauf voran (▶ Exkurs 1.1). Dieses Vermeidungsverhalten kann Die Beeinflussung kann geradezu auf der Reaktanz der beein-
als typisch reaktant gedeutet werden; insofern ist die Unterbre- flussten Personen beruhen, wie wir schon in unserem Eingangs-
cherwerbung ein sehr naheliegender Fall, bei dem Werbung Re- beispiel von Mark Twain gesehen haben. Zudem kommt der blo-
aktanz auslöst (Schimansky 1999). ßen Tatsache, dass ein Gut selten und schwierig zu bekommen
Die Reaktanz wird umso stärker sein, je mehr die Motive des ist, bereits ein gewisser Informationswert zu (Lynn 1992), der
Zuschauers beim Fernsehen frustriert werden. Ein Ziel wie Zer- auch ohne den Motivationszustand der Reaktanz eine Aufwer-
streuung wird durch die Unterbrechung weniger beeinträchtigt tung des seltenen Guts erwarten lässt.
als etwa Informationsbedürfnis oder der Wunsch nach einer ganz Wie lässt sich die Reaktanztheorie oder die Seltenheit eines
bestimmten Art von Unterhaltung. Guts nun in der Werbung einsetzen, oder wo wird sie gar jetzt
Schimansky (1999) geht von zwei unterschiedlichen Wei- schon eingesetzt? Betrachten wir einen historischen Fall: Kartof-
sen aus, auf die Unterbrecherwerbung Reaktanz auslöst. Zum feln waren in Europa über lange Zeit ein Gemüse zweiter Klasse,
einen stellt die Werbung eine Barriere dar, die dem eigentlich ge- eher für das Vieh als für Menschen geeignet. Um die Kartoffel
wünschten Fernsehkonsum entgegensteht. Zum anderen bedeu- im russischen Speiseplan populär zu machen, ließ Zarin Kat-
tet die Werbung inhaltlich eine Form der Meinungs- oder sozialen harina die Große um jeden Kartoffelacker einen Zaun bauen.
Beeinflussung. Die Einengung ist also eine doppelte: Der Reiz, der Große Schilder warnten davor, die Kartoffeln auf dem Acker zu
mir die Freiheit eines ungestörten Fernsehkonsums nimmt, zielt stehlen (Pratkanis und Aronson 1992, S. 188). In diesem Beispiel
nun auch noch darauf ab, mir die Freiheit einer unbeeinflussten wurde Reaktanz aktiv erzeugt, um den erwünschten Effekt zu
Produktentscheidung zu nehmen. erzielen. Auch heute noch gibt es solche Beispiele in Werbung
Diese Effekte der Unterbrecherwerbung sind wohlgemerkt und Verkauf.3
nur mögliche, keineswegs sichere Effekte. Ob sie eintreffen, hängt
von einer Reihe von Faktoren ab, die wir zum Teil auch unmit-
telbar aus der Reaktanztheorie ableiten können. So dürfte eine
3 Ungeeignet sind als Beispiele jedoch Fälle, in denen Reaktanzphänomene
berechenbare Werbepause weniger Reaktanz auslösen als eine nur erwähnt, aber nicht benutzt werden. Ein solches Beispiel bringt Kro-
überraschende. Wenn etwa eine bekannte Show regelmäßig nach eber-Riel (1992, S. 216, Abb. 49; vgl. auch Kroeber-Riel und Meyer-Hent-
den ersten fünf Minuten und nach dem ersten Interview unter- schel 1982, S. 105 f ). Der Werbetext lautet: „Ich will mich selbst entscheiden
brochen wird, wird dieser Rhythmus schnell gelernt – Reaktanz können.“ Es folgen einige Argumente, die darlegen, dass für die Wahl der
Krankenversicherungen genau dieselben Freiheiten erstrebenswert sind,
ist für den regelmäßigen Zuschauer nicht zu erwarten. Wird die-
wie für die Wahl des Urlaubsorts. Natürlich wird hier, wie Kroeber-Riel
ser Rhythmus durchbrochen oder die Dauer der Unterbrechung (1992, S. 216) anmerkt, „mit den Reaktanzgefühlen der Umworbenen [ge-
verändert, ist Reaktanz dagegen vorprogrammiert. spielt]“. Aber die Werbung benutzt nicht wirklich die Reaktanz, sondern

andere psychologische Mechanismen (z. B.  Abschn. 10.1.4).
240 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Limitierung und geringe Verfügbarkeit ob der Verkäufer denn recht hat, wenn er glaubt, der Artikel sei
1 Wenn ein Produkt nur in limitierter Stückzahl zur Verfügung nicht mehr auf Lager. Der Verkäufer seinerseits knüpft seine Be-
steht, spricht das unsere Reaktanz an. Wenn wir nicht bald zu- mühungen aber an eine Bedingung: „Möglicherweise haben wir
2 schlagen und das Produkt besorgen, dann haben wir die Frei- noch ein Exemplar übrig. Ich würde mir auch gerne die Mühe
heit verspielt, das Produkt jemals zu besitzen. Dem entspricht machen, einmal im Lager nachzusehen. Ich verstehe Sie doch
eine Werbekampagne von McDonald’s aus den 1990er Jahren: richtig, dass Sie an diesem Artikel zu diesem Preis interessiert
3 Ein Werbespot verkündete im Radio, es werde den BigMac nicht sind …?“ Normalerweise würde es nun genügen, dass der Kunde
mehr lange geben. Die Freiheit, BigMac zu kaufen, würde somit sagt, „Ja, das bin ich“, um ihn festzunageln und es ihm nahezu
4 nur noch von kurzer Dauer sein. McDonald’s spielte offenkundig unmöglich zu machen, das Produkt nicht zu kaufen. Das Perfide
mit Manipulationsstrategien. Der BigMac wurde natürlich nicht besteht darin, dass der Kunde in der Situation, in der er am we-
5 aus dem Verkehr gezogen bzw. innerhalb kurzer Zeit wieder ein- nigsten einen klaren Kopf hat, unter Druck gesetzt und zu einer
geführt. öffentlichen Willensbekundung aufgefordert wird, nämlich dann,
Anbieter für Handyverträge bieten günstige Paketpreise in- wenn die Reaktanz am stärksten ist.
6 nerhalb von Aktionswochen an, die jeweils nur bis zum Monats- Unfreiwillige Reaktanzeffekte erzeugte noch im Jahr 1997 die
ende laufen. Allerdings wird die Aktionswoche nach Ablauf des englische Regierung mit der Drohung, Rindfleisch wegen der
7 Monats stets verlängert und gilt dann wieder bis zum nächsten BSE-Gefahr aus dem Verkehr zu ziehen. Der Absatz vervielfachte
Monatsende – und so fort bis in alle Ewigkeit. sich – wenigstens damals … (Time, 15.12.1997; S. 28 ff).
Cialdini (1993, S. 198 f) berichtet von einigen Verkaufstech-
8 niken, bei denen Produkte durch geringe Verfügbarkeit attrak- Exklusivität
tiver gemacht werden sollten: Ein Fotograf von Kinderporträts Ein anderes Beispiel, das in etwas schwächerer, aber subtiler
9 beispielsweise habe seine Kunden standardmäßig darauf hinge- Weise Reaktanz anspricht, ist das einer Weinbrandwerbung.
wiesen, dass er nicht genügend Lagerplatz habe und daher ge- Eine Gruppe von Leuten, jung, attraktiv, dynamisch, kurz, wie
10 zwungen sei, die Negative bald zu vernichten. Daher sei es an- Sie und ich, kommt bei einem Strandspaziergang auf die Idee,
geraten, jetzt schon möglichst viele Kopien anfertigen zu lassen. es sich mit einem Weinbrand gemütlich zu machen. Sie gehen in
Ein Vertreter, der an der Tür Zeitschriftenabonnements verkauft, ein Restaurant, bestellen eine ganze Flasche mit Gläsern und ver-
11 habe seine Kunden stets darauf hingewiesen, dass er „nur heute“ schwinden damit – ganz entgegen den üblichen Gepflogenheiten
in der Gegend sei und auch nicht so schnell wiederkomme, um – wieder ins Freie, setzen sich in die Dünen und schenken aus.
12 das großzügige Angebot zu wiederholen. Diese Politik kennt Dazu der Spruch „einem Remy Martin ist es egal, wo er getrun-
Cialdini (1993) aus eigener Erfahrung. Er hatte sich in ein Un- ken wird, nur nicht von wem“. Was hat das mit Reaktanz zu tun?
ternehmen eingeschleust, um Verkaufstechniken vor Ort zu Hier wird die Gruppe, für die das Produkt gedacht ist, explizit
13 untersuchen. Dieses Unternehmen instruierte seine Mitarbeiter, eingeschränkt. Nach dem Prinzip „nur für Mitglieder“ wird das
sie sollten gegenüber den Kunden gezielt behaupten, man könne Trinken eines Remy Martin lediglich einem exklusiven Kreis zu-
14 sein Angebot nicht zweimal machen, ja man könne auch dann gestanden. Gehören Sie dazu? Die Freiheit dazuzugehören hat

15
das Angebot nicht wiederholen, wenn sich die Person später erst
entschließen sollte, darauf einzugehen. Freilich sind solche Dro-
hungen in der Regel nicht ernst gemeint. Womit sollten solche
Unternehmen denn auch sonst ihr Geld verdienen, wenn nicht
-
nur derjenige, der Remy Martin auch kauft. Andere Beispiele:
In einer Werbeanzeige für die Franklin Mint Golden
Falcon Watch, einer hochexklusiven Uhr, steht neben der
Abbildung eines jungen Mannes im Smoking der Text:
16 damit, Sachen zu verkaufen? „Some men have it. Most never will“ (Cialdini 1993, S. 198,

17
18
Es gibt in Deutschland das gesetzliche Verbot, eine Ware als
verkauft zu bezeichnen, die in Wirklichkeit noch nicht verkauft
ist (Mayer et al., 1982). Dieses Vorgehen gehört natürlich schon
deshalb verboten, weil es gelogen ist. Der Punkt ist folgender:
- . Abb. 7.1).
„Der Sekt Fürst von Metternich ist nur ‚für die wenigen, die
mehr verlangen‘, hergestellt […] Dimple wirbt demonstrativ
mit dem hohen Preis der Marke: ,Teuer finden ihn nur die,
Wenn es keine Wirkung hätte, eine Ware dem Kunden aktiv vor- die ihn noch nie getrunken haben.‘ In einer anderen An-
zuenthalten, dann käme kein Verkäufer auf den Gedanken, es zu zeige heißt es provozierend: ,Whisky muß nicht billig sein‘“

-
19 versuchen. Tatsache ist aber: Wenn ein Käufer glaubt, dass ein (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982, S. 148).
Produkt schwer zu bekommen ist, erscheint es ihm attraktiver, „Das Londoner Bankunternehmen C Hoare & Co. erwägt
20 als wenn er glaubt, es sei im Grunde ohne Probleme verfügbar eine Person nur aufgrund einer Empfehlung langjähriger
(Schwarz 1984). Dies gibt den Anstoß zu folgender Strategie (Ci- Klienten und eines persönlichen Interviews als neuen Kun-
aldini 1993): Ein Verkäufer erkennt, dass bestimmte Kunden an den. Es hat Hoare nie an Klienten gemangelt“ (O’Shaugh-
21 einem Produkt besonderes Interesse haben. Diese Erkenntnis ist nessy 1987, S. 141; Übers. GF).
durch Beobachten relativ leicht zu gewinnen. Er wendet sich an
22 diese Kunden: „Entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche, aber Exklusivität einer Tätigkeit, einer Mitgliedschaft und eines Pro-
ich sehe, Sie interessieren sich für dieses Angebot. Nun habe ich dukts, Unnahbarkeit einer Person können also die Attraktivität
den Artikel soeben an einen anderen Kunden verkauft, es tut mir von Produkt und Person steigern. Reaktanz ist allerdings nicht
23 sehr leid. Soviel ich weiß, war es das letzte, das wir hatten.“ Durch der einzige mögliche Weg, auf dem Dinge durch Unzugänglich-
diesen plötzlichen Verlust der Freiheit steigt nun die Attraktivität keit attraktiver werden. Die Information, dass eine Sache nur
des Artikels beim Kunden. Ihn beginnt die Frage zu interessieren, wenig verfügbar ist, erzeugt oft beim Konsumenten die Wahr-
11.8  •  Die Reaktanztheorie in Werbung und Verkauf
241 11

eine Reaktion der privaten Anbieter auf den neu eingeführten


öffentlich-rechtlichen Sender. Jump hatte in 2000 einen Zuwachs
von über 140 %, womit der Sender für diese Zeit den ersten Platz
in Deutschland belegte (bezogen auf Hörerzuwächse; Daten aus
compact, 7–8/2000, S. 22).
Die Jump-Kampagne ist eine von wenigen, bei denen das
Risiko gewagt wurde, mit einem Verbot und eigentlicher An-
tiwerbung das Produkt attraktiv zu machen. Wenn aber Verbot
und Zensur von anderer Stelle vorgenommen wurden, ist dies
als Werbeargument auch gut nutzbar. Wir wissen, dass wir eine
Information, die uns vorenthalten wird, besonders begehren. Die
Reaktanz wertet diese Informationen auf, und so finden auch
durchschnittliche bis uninteressante Informationen neugierige
Rezipienten. Die unzensierte und ungekürzte Fassung eines
.. Abb. 11.1  Werbung mit Verbot und Zensur. Quelle: © MDR
Buchs oder Films profitiert von vergangenen Einschränkungen.

nehmung, dass die Sache wertvoll ist. Der Wert einer Sache hängt Limitierte Abgabe
ja schon objektiv davon ab, wie leicht verfügbar sie ist. Wenn man Eine interessante Frage wirft die Untersuchung von Lessne und
in diesem Sinne ein Produkt als wertvoll erlebt, sind dafür Ur- Notarantonio (1988) auf: Sie konfrontierten ihre Versuchsper-
teilsprozesse verantwortlich, die ungefähr so funktionieren wie sonen mit einem Verkaufslimit. Sie verkauften Colaflaschen zu
das Schließen vom Preis auf die Qualität des Produkts. So konnte einem sehr günstigen Preis. Jeder Konsument durfte aber nur
Lynn (1989) zeigen, dass seltene Güter vor allem für solche Perso- zwei bzw. vier solcher Flaschen kaufen, je nachdem, zu welcher
nen begehrenswert wurden, die besonders an den Preis dachten Experimentalgruppe er gehörte. Der vorhergesagte Reaktanzef-
und darüber hinaus auch den tatsächlichen Preis der Ware nicht fekt trat ein, allerdings nicht in der erwarteten Stärke. Diejenige
kannten. Demnach geht zumindest ein Teil der Effekte für seltene Gruppe, die lediglich zwei Colaflaschen zu dem günstigen Preis
Güter auf die Unterstellung der Konsumenten zurück, seltene erhielten, zeigte auf manchen Variablen sogar eher Neigungen in
Güter müssten auch mehr kosten. Richtung eines Saure-Trauben-Effekts. In ▶ Abschn. 11.6.1 haben
Reaktanz dagegen ist im Spiel, wenn die Einschränkung der wir gesehen, dass Reaktanzeffekte besonders stark sind, wenn
Verfügbarkeit „gemacht“ erscheint, etwa wenn es andere Perso- andere Personen in Konkurrenz um das bedrohte Gut treten.
nen und nicht unkontrollierbare Umstände sind, die die Verfüg- Im Fall von Lessne und Notarantonio (1988) gab es eine solche
barkeit der Sache einschränken. Das Kriterium des Künstlichen Konkurrenz nicht. Die Limitierung pro Person bestand ganz un-
und Unnatürlichen würde hier zu einer Verstärkung des Effekts abhängig davon, ob jemand anderes ebenfalls Anspruch auf das
führen. Gut erhob. Damit war eine wichtige, wenn auch nicht zentrale
Bedingung für einen starken Reaktanzeffekt nicht erfüllt. Dies
Verbot und Zensur mag erklären, warum die Reaktanzeffekte in der Untersuchung
Es erscheint relativ unwahrscheinlich, dass man mit einer Wer- von Lessne und Notarantonio (1988) so schwach waren.
bestrategie Erfolg haben könnte, die einem den Gebrauch des Praktisch bedeuten die Ergebnisse: Die Limitierung eines
Produkts regelrecht untersagt, obwohl dieses Verfahren wohl Angebots kann sich positiv auf die Verkaufszahlen auswirken.
eine besonders prototypische Anwendung der Reaktanztheorie Die Art der Limitierung spielt allerdings eine Rolle. Wenn das
darstellen würde. Entsprechende Werbebeispiele sind in der Tat Produkt in den Augen der Konsumenten zwar hinreichend vor-
selten und natürlich in der Regel nur ironische, parodistische handen, jedoch die Abgabe pro Konsument eingeschränkt ist,
Verbote. Hierunter fällt etwa ein Album der deutschen Gruppe dann hängt die Einschränkung nicht mehr vom Verhalten an-
Die Ärzte aus den 1980er Jahren mit dem Titel Ab 18. derer Konsumenten ab. Dies spricht für schwächere Reaktanz-
Im Winter und Frühjahr 2000 warb ein Radiosender des Mit- effekte. Außerdem muss man darauf achten, wo man das Limit
teldeutschen Rundfunks (MDR), Jump FM (heute: MDR JUMP), zieht: In der Untersuchung von Lessne und Notarantonio (1988)
mit einer solchen Strategie (. Abb. 11.1). Absender der Anzei- durften die Versuchspersonen nur maximal vier Getränkefla-
gen war die fiktive „Initiative für Radioüberwachung“ mit ihrem schen kaufen. Die Kaufhandlung selbst mag dadurch aufgewertet
immer wiederkehrenden Aufruf „Stoppt Radio Jump FM“. Vor worden seien; auch die Absicht, mehr zu kaufen, wurde dadurch
einem Tapetenmuster, das an Biederkeit kaum zu übertreffen ist, gesteigert. Aber in der Kontrollgruppe ohne Limit war der Absatz

--
stellte die Initiative provokative Fragen wie:
„Wird Radio Jump FM zu laut gehört?“
höher!
Schließlich ist zu bedenken, dass die Limitierung auch einen

-- „Was hat Radio Jump FM im Radio zu suchen?“


„Hat Radio Jump FM eine Sendeerlaubnis?“
„Darf ein deutscher Radiosender Jump FM heißen?“
Ankereffekt erzeugt, der möglicherweise stärker ist als die Re-
aktanz. Wansink et al. (1998) boten in ihrem Experiment preis-
lich attraktive Suppendosen an. Neben einer Kontrollbedingung
ohne Mengenbeschränkung gab es noch zwei Bedingungen, in
Die Kampagne hatte irritierte Anfragen und reichlich Aufmerk- denen die Konsumenten höchstens vier oder höchstens zwölf
samkeit zur Folge. Einige Rezipienten hielten die Werbung für Dosen kaufen durften. Die Mengenbeschränkung erhöhte die
242 Kapitel 11  •  Psychologische Konsistenz und Reaktanz

Kaufhäufigkeit unabhängig vom konkreten Limit von 7 auf rund


1 10 %. Dies könnte man als Reaktanzeffekt interpretieren, es war
aber nicht der einzige und nicht einmal der größte Beitrag zum
2 Erfolg der Strategie. Zusätzlich gab es noch einen Ankereffekt:
In der 12er-Limit-Bedingung wurden im Schnitt sieben Dosen
verkauft, während es ohne Beschränkung im Mittel nur 3,3 und
3 beim 4er-Limit 3,4 Dosen waren. Eine starke Limitierung auf vier
Dosen erhöhte also nur die Kaufhäufigkeit, bei der schwächeren
4 Limitierung dagegen erhöhte sich neben der Häufigkeit auch die
Kaufmenge.
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243 12

Bewerten und die Konstruktion


der menschlichen Zufriedenheit
Georg Felser

12.1 Reaktanz und kognitive Dissonanz  –  244


12.2 Vorhersage künftiger Zufriedenheit  –  245
12.2.1 Vorhersage künftiger Affekte: Facetten des Scheiterns  –  245
12.2.2 Emotionsnormen – 247

12.3 Nachdenken über das, was nicht der Fall ist  –  248
12.3.1 Antizipiertes Bereuen im Konsumentenverhalten  –  249
12.3.2 Kontrafaktisches Denken bei Verhandlungen  –  249

12.4 Fluch und Segen der Konsumentenfreiheit  –  250


12.4.1 Die Umkehrbarkeit von Entscheidungen  –  250
12.4.2 Die Wahl aus vielen Alternativen  –  250
12.4.3 Die freie Gestaltung von Produkten  –  251

12.5 Aufhören, wenn’s am schönsten ist: Die Peak-End-Regel  –  252

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
244 Kapitel 12  •  Bewerten und die Konstruktion der menschlichen Zufriedenheit

Zusammenfassung: heit zuvor gesehen wurde und jetzt nicht mehr besteht, dann
1 1. Die Aufwertung nicht erreichbarer Optionen ist ein vorüber- steht der Dissonanzreduktion eine Hürde in Form der Reaktanz
gehender Zustand, der entweder in die Wiederherstellung der im Wege.
2 ursprünglichen Wahlfreiheit oder in den Saure-Trauben-Effekt . Abbildung 12.1 zeigt die Dissonanzreduktion und die Re-
mündet. aktanz als Elemente in einem psychologischen Prozess, der bei
2. Menschen sind nicht in der Lage, zukünftige Affekte und Präfe- einer Freiheitseinschränkung einsetzt. Bevor es zur Reaktanz
3 renzen korrekt vorherzusagen. Insbesondere überschätzen sie kommt, werden verschiedene Bedingungen geprüft. . Abbil-
die Dauer und Intensität ihrer Affekte und stellen die allgemeine dung 12.1 enthält die beiden wichtigsten: die Wahlfreiheit und
4 menschliche Anpassungsneigung nicht in Rechnung. Dies hat die Wichtigkeit der Option. Ist eine dieser beiden Bedingungen
auch zur Folge, dass wir positive Effekte der Gewöhnung oder nicht erfüllt, kommt es sofort zur Dissonanzreduktion, etwa in
5 den Mere-Exposure-Effekt an uns selbst nicht vorhersagen und Form des Saure-Trauben-Effekts. Diese Teile des Modells habe
daher als Entscheider unser Bedürfnis nach Variation im Vorhin- ich in ▶ Abschn. 11.6.2 bereits diskutiert. Neu ist an dem Modell
ein stark überschätzen. in . Abb. 12.1 die Frage, was denn aus der Reaktanz hervorgeht.
6 3. Wir bewerten unsere Situation oft im Vergleich mit nicht reali- Offenbar gibt es hier im Prinzip zwei Möglichkeiten: Man
sierten Alternativen. Das Nachdenken über bessere Versionen stellt die ursprüngliche Wahlfreiheit wieder her oder nicht. Die
7 der Realität kann Gefühle des Bereuens nach sich ziehen. Vor Wiederherstellung ist natürlich an die Bedingung geknüpft, dass
Konsumentscheidungen spielt vorweggenommenes Bereuen dies überhaupt möglich ist. Wenn ich zweifelnd in der Kantine
vor den letzten Dessertschalen stehe, und ein anderer ist schnel-
8 eine zentrale Rolle und kann entweder die Konsumhandlung
hemmen oder befördern. ler und schnappt sich die Mousse au chocolat, dann kann ich sie
4. Marketingstrategien, die den Konsumenten hohe Freiheiten nicht mehr haben, so groß meine Reaktanz auch sein mag. Ich
9 einräumen, erscheinen zwar vordergründig attraktiv, führen muss nun den Vanillepudding nehmen und mich damit arran-
aber nicht unbedingt zu einer höheren Zufriedenheit bei den gieren. In vielen anderen Situationen dagegen, vor allem wenn es
10 Kunden. Ein Grund hierfür kann darin liegen, dass bei hohen nicht um Gegenstände, sondern darum geht, sich eine Meinung
Freiheiten auch die nicht realisierten Alternativen zur eigenen zu bilden, kann ich mir die bedrohte Option durchaus sichern.
Entscheidung lange mental präsent bleiben. Zwei Punkte möchte ich zu dieser Stelle im Modell besonders
11 5. In die Bewertung eines Erlebnisses fließt nur ein, wie es an sei- hervorheben: Zum einen ist es nicht zwingend, dass die Wahl­
ner intensivsten Stelle und an seinem Ende empfunden wurde. freiheit wiederhergestellt wird, wenn dies möglich ist. Das hängt
12 Dauer und durchschnittliche Empfindung werden ignoriert. Die einerseits von der Stärke der Reaktanz und andererseits von dem
stärkste positive bzw. negative Bewertung ist zu erwarten, wenn Commitment ab, das vielleicht mit dem Freiheitsverlust einher-
geht (▶ Abschn. 11.3).
13 die intensivste Empfindung auch gleichzeitig den Schluss bildet.
Man sollte also zur Maximierung seiner Zufriedenheit in der Tat Zum anderen: Wenn sowohl Wahlfreiheit als auch Wichtig-
„aufhören, wenn’s am schönsten ist“. keit der Option gegeben sind, dann ist es nicht ganz so einfach,
14 zur Dissonanzreduktion zu finden. Der Umweg über „Ablö-
Spätestens das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass die sungsprozesse mit emotionalen Begleiterscheinungen“ gibt Stoff
15 Frage, wie zufrieden wir sind, nur zum Teil davon abhängt, was für umfangreiche Forschungsprogramme, die sich damit beschäf-
wir haben und was wir entbehren. Für unsere Bewertungen sind tigen, wie und warum Menschen in aller Regel auch bei schweren
subjektive Wahrnehmungen und Deutungen mindestens so Schicksalsschlägen und Verlusten irgendwann wieder bei ihrem
16 wichtig wie objektive Gegebenheiten. Nun sind unsere Bewer- habituellen Zufriedenheitsniveau ankommen (z. B. Brickman
tungen und unsere Zufriedenheit zentrale Größen in unserem et al. 1978; Diener et al. 1999). Das Modell aus . Abb. 12.1 gilt
17 Konsumverhalten. Im Grunde ist jede Konsumentscheidung eine nämlich nicht nur für banale Verluste und Freiheitseinschrän-
implizite Bewertung und ein Versuch, Zufriedenheit herbeizu- kungen, wie sie der Konsumalltag vielleicht mit sich bringt. Das
führen. Das vorliegende Kapitel soll daher die psychologischen Grundprinzip gilt mit einigen Modifikationen auch in der For-
18 Hintergründe von Bewertungen und der menschlichen Zufrie- schung zur Bewältigung kritischer Lebensereignisse oder etwa
denheit beleuchten. alternsbedingter Einschränkungen. Dort wird genau dieses lapi-
19 dare Stichwort von den „Ablösungsprozessen“ mit Inhalt gefüllt
(z. B. Brandtstädter 2007; Brandtstädter und Renner 1990).
12.1 Reaktanz und kognitive Dissonanz
20 Insgesamt zeigt das Modell in . Abb. 12.1, dass Dissonanz-
reduktion ein sehr wahrscheinlicher Zustand ist, für den die Re-
Ein wesentliches Element der Zufriedenheit besteht sicherlich aktanz oft allenfalls einen Umweg, aber kein prinzipielles Hin-
21 darin, dass man Dinge nicht begehrt, die man sowieso nicht ha- dernis darstellt. Verglichen mit dem Zustand einer reduzierten
ben kann, und dass man das, was man hat, auch gut findet. Dass Dissonanz ist die Reaktanz sehr kurzlebig. Meist werden schon
22 Dinge, die man nicht bekommen hat, abgewertet werden, ist das wenige Minuten nach der Entscheidung nur noch dissonanzre-
grundsätzliche Ergebnis von Dissonanzreduktion nach einer duzierende Bewertungen beobachtet (Clee und Wicklund 1980,
Entscheidung (▶ Abschn. 11.4.1). Insofern sind die dissonanzre- S. 398). So mächtig der Aktivierungszustand der Reaktanz auch
23 duzierenden Prozesse ein wichtiger Baustein der Zufriedenheit. ist, er ist an einen bestimmten Zeitraum gebunden und klingt
Wird bei einer Entscheidung keine Wahlfreiheit erwartet, ziemlich sicher nach einer Weile wieder ab. In aller Regel finden
setzt die Dissonanzreduktion sofort ein. Wenn dagegen die Frei- wir das, was wir haben, toller als das, was uns abgeht: „Resig-
12.2  •  Vorhersage künftiger Zufriedenheit
245 12
.. Abb. 12.1  Prozessmodell der Re-
Eine Option wird bedroht
aktanz und der Dissonanzreduktion.
oder geht verloren.

Konnte ich über diese


Option verfügen?
Bestand Wahlfreiheit? Nein
Dissonanzreduktion
Ja (Aufwertung der
verfügbaren und Abwertung
Nein der verlorenen Option)
Ist die Freiheit wichtig?

Ja

Reaktanz
(Aufwertung der bedrohten Alternative)

Ablösungsprozesse
Lässt sich die bedrohte
Nein (mit emotionalen
Option wiedererlangen?
Begleiterscheinungen)

Ja

Wiederherstellung der
ursprünglichen Wahlfreiheit

nation is never so perfect as when the blessing denied begins Diese Prozesse sind jedoch ein Garant für unsere grundsätzliche
to lose somewhat of its value in our estimation“ (Austen 1995, Zufriedenheit und bilden sozusagen einen Schutzschild gegen-
S. 92, chapter 20). über widrigen Lebensbedingungen. Daher sprechen Gilbert und
Ebert (2002) hier auch von einem psychologischen Immunsys-
tem, und die erste wichtige Facette in der menschlichen Unfä-
12.2 Vorhersage künftiger Zufriedenheit higkeit, künftige Affekte vorherzusagen, besteht in der Vernach-
lässigung dieses Immunsystems, dem Immune Neglect (Gilbert
„Ich werde nie wieder einen Wunsch haben, wenn ich nur diese und Ebert 2002, S. 503 ff).
Prüfung bestehe.“ Jeder weiß natürlich, dass nach dem erfolgrei- Die zweite Facette besteht in der Überschätzung der Dauer
chen Absolvieren der Prüfung der nächste Wunsch nicht lange affektiver Reaktionen (durability bias). Dieser Fehler stellt sich
auf sich warten lassen wird. Das Glück, das man nach einem nicht nur ein, wenn man die Bewältigung negativer Ereignisse
positiven Ereignis erlebt, ist meist wesentlich kleiner und kurzle- unterschätzt. Er gilt auch für positive Emotionen. In einer Un-
biger, als man im Vorhinein erwartet. Das Gleiche gilt aber auch tersuchung hierzu wurden Assistenzprofessoren befragt, wie
für die Schmerzen nach einem negativen Ereignis oder Verlust. glücklich sie in fünf Jahren sein würden, wenn eine laufende
Bewerbung um eine Dauerstelle angenommen würde. Natürlich
erwarteten sie bei einer Zusage eine deutlich höhere Zufrieden-
12.2.1 Vorhersage künftiger Affekte: Facetten heit als bei einer Ablehnung. Tatsächlich unterschied sich die Zu-
des Scheiterns friedenheit der abgelehnten und der angenommenen Professoren
fünf Jahre später nicht (Gilbert et al. 1998).
Wir scheitern grundsätzlich daran, uns künftige Affektzustände Die dritte Facette zeigt sich darin, dass Menschen sich nur
vorzustellen. So können Menschen zum Beispiel nicht korrekt schwer zukünftige Affekte vorstellen können, wenn sie aktuell
vorhersagen, wie sie sich fühlen werden, wenn sie umziehen, bereits welche haben. Loewenstein und Schkade (1999) bezeich-
mit ihrem Partner „Schluss machen“, erfahren, dass sie ernsthaft nen dies als „Einfühlungslücke“ (empathy gap). Sie kennen dies
krank sind, einen Test hervorragend bestehen, bei einer Bewer- vielleicht aus Situationen, in denen Sie hungrig einkaufen waren.
bung abgelehnt werden, positive oder negative Rückmeldung Es fällt dann oft schwer, sich vorzustellen, dass man all die lecke-
über ihre Persönlichkeit erhalten oder beleidigt werden (Gilbert ren Sachen im Warenkorb nicht mehr so heiß begehrt, wenn man
et al. 1998; Gilbert und Wilson 2003). die ersten davon bereits gegessen hat.
Wir ignorieren bei unseren Vorhersagen beispielsweise, dass Die Fehler in der Vorhersage wiederholen Menschen immer
tatsächliche Ereignisse meist wesentlich positiver erlebt werden wieder. Dies belegt ein Experiment von Wilson et al. (2001): Pro-
als hypothetische. Offenbar vernachlässigen wir dabei die oben banden erhielten eine fingierte positive Rückmeldung über ihr
zitierten Anpassungsprozesse, die uns mit dem zufrieden ma- Abschneiden in einem Test für soziale Kompetenzen. Unmittel-
chen, was wir haben und was ohnehin nicht mehr zu ändern ist. bar danach wurden sie gefragt, wie sie sich fühlen würden, wenn
246 Kapitel 12  •  Bewerten und die Konstruktion der menschlichen Zufriedenheit

sie in einem anderen Test eine positive Rückmeldung erhalten den. Wenn allerdings die letzteren Merkmale für die Zufrieden-
1 würden. Obwohl die Probanden gerade am eigenen Leib erfuh- heit viel wichtiger sind, kann es geschehen, dass Personen eine
ren, dass die Reaktionen schwach und von kurzer Dauer sind, nicht optimale Wahl treffen (z. B. Hodges 1997).
2 hielten sie ihre zukünftige Reaktion für stärker und langlebiger, Eine andere Folge dieser Strategie ist aber auch, dass Men-
als die Erfahrung rechtfertigen würde. schen die affektiven Konsequenzen von Entscheidungen erheb-
Warum sind Emotionen normalerweise kurzlebiger, als wir lich überschätzen. Es mag zwar sinnvoll sein, bei der Wahl zwi-
3 erwarten? Einen Grund dafür sehen Wilson et al. (2003) in biolo- schen Universität A und Hochschule B auf die Unterschiede zu
gischen Funktionen: Emotionen regulieren unter anderem unser achten und nicht auf die Gemeinsamkeiten. Dies bedeutet aber
4 Zu- und Abwendungsverhalten gegenüber ungefährlichen und nicht, dass man sich in A total glücklich und in B total elend
attraktiven oder aber gegenüber gefährlichen Umweltreizen. Um fühlen wird. Dank den vielen Gemeinsamkeiten, die zwischen
5 diese Funktion ausführen zu können, dürfen Emotionen nur beiden Optionen bestehen, werden die affektiven Konsequenzen
vorübergehende Ausschläge auf einer hochsensiblen Skala sein. der Entscheidung relativ ähnlich sein, aber genau dies übersieht
Wenn sie dauerhaft einen bestimmten Wert annähmen, würde man gern. Die Folge ist, dass Personen mit bevorzugten Optio-
6 die Skala die Sensibilität unterhalb dieses Wertes verlieren. nen weniger glücklich und mit den weniger bevorzugten wesent-
Die Vorhersage künftiger Zufriedenheit lässt sich verbessern, lich zufriedener sind, als sie im Vorhinein erwarten.
7 wenn Menschen zum Beispiel andere, die sich bereits in der anvi- Dies zeigen Dunn et al. (2003) in einer Längsschnittunter-
sierten Situation befinden, beobachten oder befragen. Wenn ich suchung mit Studierenden, die jeweils Wohnheimplätze für die
vor dem Autokauf wissen will, ob ich mit diesem Modell zufrie- kommenden Semester zugewiesen bekommen. Es wird erwartet,
8 den sein werde, würde es sich lohnen, andere zu fragen, die die- dass die variierenden Merkmale (z. B. Lage des Wohnheimes)
ses Modell schon haben. Aber leider haben Menschen zu dieser einen viel geringeren Einfluss auf die Zufriedenheit haben als das
9 sinnvollen Strategie keine spontane Neigung. Gilbert et al. (2009) viel wichtigere soziale Klima und der Zusammenhalt im Wohn-
boten ihren Versuchspersonen vor einer emotional relevanten heim, die aber beide nicht variieren.
10 Situation (ein Speed-Dating bzw. die Rückmeldung über negative Wie erwartet, findet sich ein starker Impact Bias: Studierende,
Persönlichkeitsmerkmale) zwei Arten von Informationen an: die nicht in ihr bevorzugtes Wohnheim kamen, überschätzten
A. Erfahrungen anderer Personen, die sich bereits in der Situ- ihre Enttäuschung, und Studierende, deren Wohnwunsch in Er-
11 ation befanden und aus eigenem Erleben Auskunft geben füllung ging, überschätzten auch ihre Freude darüber. Tatsäch-
konnten, lich zeigt sich, dass die Zufriedenheit der Studierenden erheblich
12 B. Fakten über die Situation (z. B. Informationen zur Person, enger mit den sozialen Randbedingungen (soziales Klima und
die sie im Speed-Dating treffen werden bzw. den genauen Zusammenhalt im Wohnheim) zusammenhängt als mit materi-
Wortlaut der möglichen Personenbeschreibungen). ellen Gegebenheiten. Gleichzeitig haben aber die Studierenden in
13 ihren Präferenzen im Vorhinein die weniger wichtigen Merkmale
Die Probanden sollten vorhersagen, wie sie sich in einer be- betont, weil diese zwischen den Optionen variierten.
14 stimmten Situation fühlen würden. Wer diese Vorhersage nur Natürlich irren sich Konsumenten auch bei Produktentschei-
auf Basis der Erfahrung einer anderen Person machte, verringerte dungen oft darin, wie ihnen eine Sache gefallen wird. Die vor-
15 seinen Vorhersagefehler um 49 bzw. 63 % gegenüber der Vorher- hergesagte Zufriedenheit kann dabei wie ein Maßstab fungieren,
sage auf Basis von Fakten. an dem gemessen die tatsächliche blass oder – gegebenenfalls
Offenbar ist die Erfahrung anderer die beste Basis, um fest- auch – überraschend hoch ausfällt. Diese Diskrepanz beeinflusst
16 zustellen, wie einem selbst eine Sache gefallen wird. Die Bewer- auch die aktuelle Zufriedenheit; allerdings zeigen Patrick et al.
tungen anderer Käufer in Internetshops bieten insofern eine (2007), dass dies nur für negativ enttäuschte Erwartungen gilt:
17 unschätzbar wertvolle Entscheidungsgrundlage. Leider bevor- Ein Konsumerlebnis, das schlechter ausfällt als vorhergesagt,
zugen Menschen aber in der Regel andere, weniger hilfreiche dämpft die Zufriedenheit umso stärker, je größer die Diskrepanz
Informationen. In den Experimenten von Gilbert et al. (2009) ist. Überraschend positive Erfahrungen heben dagegen die Zu-
18 waren 75 % der Probanden der Meinung, die Einschätzung der friedenheit kaum. Dies geht darauf zurück, dass Konsumenten
Vorgänger werde ihre Vorhersage verbessern. Den Vorzug ga- bei einer enttäuschend negativen Erfahrung Gründe analysieren,
19 ben sie allerdings den reinen Fakten, die sie in 84 % der Fälle für was sie bei überraschend positiven Erfahrungen nicht tun (Pa-
hilfreich hielten. Obwohl die Probanden also mit Informationen trick et al. 2007).
20 vom Typ A wesentlich besser vorhersagen konnten, wie sie sich Oben habe ich als eines der wichtigsten Element beim Miss-
fühlen würden, bevorzugten sie – vor die Wahl gestellt – Infor- lingen unserer Vorhersagen den Immune Neglect genannt: Wir
mationen vom Typ B. antizipieren nicht angemessen das Ausmaß, in dem wir unsere
21 Wenn wir vor einer Entscheidung stehen, fokussieren wir Emotionen an die Umweltgegebenheiten anpassen. Dies gilt na-
meist auf Dinge, die stark variabel sind, und vernachlässigen türlich nicht nur bei kritischen Lebensereignissen, sondern auch
22 wenig variable Merkmale, auch wenn die letzteren für die Zu- bei der Frage, welche Produkte wir mögen. Kahneman und Snell
friedenheit sehr viel wichtiger sind. Dieses Phänomen bezeichnet (1992) untersuchten dieses Phänomen. So sollten ihre Versuch-
man als Isolation Effect (z. B. Kahneman und Tversky 1979). Per- spersonen vorhersagen, wie gut ihnen ein Joghurt schmecken
23 sonen vereinfachen Entscheidungen, indem sie auf solche Merk- oder ein Musikstück gefallen werde, wenn sie acht Tage lang ein-
male fokussieren, in denen sich Optionen stark unterscheiden, mal täglich den Joghurt essen bzw. das Musikstück hören wür-
und Optionen, bei denen nur geringe Varianz besteht, ausblen- den. Während dieser Zeit wurde an jedem der Tage das aktuelle
12.2  •  Vorhersage künftiger Zufriedenheit
247 12

Urteil erhoben, so dass man den vorhergesagten dem tatsächli- größte Anpassungsleistung erfordert. Mit anderen Worten: Die
chen (Erfahrungs-)Nutzen gegenüberstellen konnte. Beide Arten meisten Menschen trauern deutlich länger als einen Monat. Wer
des Nutzens korrelierten jedoch zu null. das nicht tut, liegt demnach außerhalb einer empirischen Norm.
Simonson (1990) ließ Studenten aus einer Palette von Snacks Andere Normen für die Dauer von Emotionen sind eher sozi-
wählen. Die Studierenden der Kontrollgruppe trafen drei Wo- aler Art, etwa wie lange man sich über den Sieg über einen schwa-
chen lang eine Entscheidung pro Woche. Die Studierenden der chen Gegner freuen oder über den Kaffeefleck auf der Tischdecke
Experimentalgruppe wählten dagegen für drei Wochen im Vor- ärgern sollte. Solche Normen regulieren auch das Zusammenle-
aus. In der Kontrollgruppe neigten die Studierenden dazu, jede ben, verhindern etwa, dass ein anderer gekränkt oder verstört
Woche den gleichen oder einen ähnlichen Snack zu wählen wie wird. Wieder andere Normen sind vielleicht eher begrifflicher
zuvor. In der Experimentalgruppe dagegen variierten die Pro- Art: „Wenn sie vergeht, dann war es nicht die rechte Liebe.“ Witt-
banden ihre Wahl und suchten sich für jede der drei Wochen genstein (1984b, Band 1, § 115) weist darauf hin, dass Sätze wie
einen anderen Snack aus. Die Studierenden nahmen offenbar in dieser nicht auf Erfahrung beruhen, sondern dass sie eher auf
der Vorausschau an, dass ihnen eine Variation der Produkte bes- Sprachregeln verweisen, denen zufolge gewisse Begriffe wie (Eh-
ser gefallen würde als die Konstanz – eine Annahme, die Lügen ren-)Titel verliehen werden. Die „rechte Liebe“ jedenfalls ist nicht
gestraft wurde, sobald die Probanden nicht im Voraus, sondern aus Erfahrung, sondern eher definitionsgemäß unvergänglich.
in der aktuellen Situation wählen durften. Der Vorhersagefehler sollte nun natürlich vor allem bei sol-
Die tatsächliche Präferenz wäre vorhersagbar gewesen, hät- chen Emotionen auftreten, die lang anhalten dürfen oder viel-
ten die Probanden den Effekt der bloßen Darbietung, den Me- leicht sogar sollen. Wood und Bettman (2007) untersuchten die
re-Exposure-Effekt (▶ Abschn. 4.7), in Rechnung gestellt. Dieser Freude über den Sieg der eigenen Hochschulmannschaft. Wenn
Einfluss auf das menschliche Verhalten leuchtet den meisten im Vorhinein betont wurde, dass der „wahre Fan“ sich immer
Menschen intuitiv nicht sofort ein. Von selbst kommt so schnell über den Sieg der eigenen Mannschaft freut, wurde – wie üblich
niemand auf die Idee, einen solchen Effekt auf die eigenen Vor- – die Dauer der Freude überschätzt. Wenn dagegen darauf hin-
lieben anzuwenden. gewiesen wurde, dass der Gegner stark unterlegen und übermä-
Aber auch wenn uns die psychologischen Einflüsse auf un- ßige Freude daher unangebracht sei, erwarteten die Probanden
sere Präferenzen bekannt sind, ist noch immer nicht klar, ob eine deutlich kürzere Zeit der Freude – und entgingen so dem
wir sie korrekt anwenden. Zu verbreitet sind Tendenzen, die Vorhersagefehler.
eigene Beeinflussbarkeit bei sich selbst zu leugnen und allen- Manche Regeln verlangen also, dass Emotionen eher kurz
falls bei anderen zu sehen (z. B. den Einfluss, den Werbung auf andauern sollten. Dies führt nicht etwa nur zu einer Abschwä-
uns hat; vgl. „Dritte-Person-Effekt“, Davison 1983; siehe auch chung des Vorhersagefehlers, sondern gelegentlich auch zu des-
▶ Abschn. 10.2.2). Nisbett und Wilson (1977a) zeigen an einer sen Umkehrung. Wenn die Regel besagt, dass man sich über
Vielzahl von Beispielen, dass Menschen häufig die tatsächlichen eine Sache nicht so sehr aufregen und möglichst schnell darüber
Einflüsse auf ihr Verhalten nicht korrekt erkennen und zudem hinwegkommen sollte, dann unterschätzen Menschen sogar eher
auch noch weit von sich weisen, wenn sie darauf aufmerksam ihre eigenen Emotionen. Die meisten Menschen stimmen bei-
gemacht werden. spielsweise zu, dass man sich über einen geringfügigen Schaden
am Lack des eigenen Autos nicht allzu lange ärgern sollte. Fol-
gerichtig geben Personen auf die hypothetische Frage, wie lange
12.2.2 Emotionsnormen sie sich denn ärgern würden, eine verhältnismäßig geringe Dauer
an. Fragt man aber zum Vergleich Menschen, die dieses kleine
Woher kommen nun aber die Vorstellungen darüber, wie lange Missgeschick gerade erlebt haben, berichten diese von nahezu
eine Emotion dauern wird? Mindestens zum Teil beruhen diese der dreifachen Dauer (Wood und Bettman 2007) – hier führt
Vorstellungen auf Normen. Betrachten wir etwa Hamlet, den Dä- also der durability bias zu einer Unterschätzung.
nenprinzen. In der zweiten Szene des Stückes (Zeile 87 ff) macht Es sind nicht nur negative Emotionen, die nach manchen
ihm der neue König, Hamlets Onkel, bittere Vorwürfe, weil er Konventionen nicht zu lang dauern sollten. Bei positiven Ge-
noch immer den Tod seines Vaters betrauert, der doch immer- fühlen kommt es zwar eher nicht vor, dass man sie sich selbst
hin zwei Monate zurückliege. Dies sei „stubborn, […] unmanly, regelrecht „ausredet“ und man „darüber hinwegkommen soll“.
[…] most incorrect to heaven“ (Zeile 94 f). Hamlet seinerseits Aber es gibt Dinge, die als so trivial bewertet werden, dass man
hat allerdings noch mehr zu klagen, hat doch seine Mutter nach meint, „keine große Sache“ daraus machen zu dürfen, und daher
gerade einmal einem Monat die Trauer abgeworfen und eben nur kurze Emotionen erwartet. Interessanterweise sind gerade im
jenen Onkel, den Bruder des Vaters, geheiratet. Offenbar gibt es Konsumbereich die wirklich großen Sachen eher von geringer
in der Tat Normen dafür, wie lange eine Emotion dauern sollte; emotionaler Konsequenz. Jedenfalls ist der emotionale Unter-
man kann zu lange, man kann aber auch zu kurz trauern. Im Fall schied zwischen dem Kauf eines großen Hauses im Vergleich
von Hamlet ist das Nichteinhalten der Norm sogar ein Baustein, zu einem kleinen oder eines tollen Sportwagens im Vergleich zu
der zur Aufklärung eines Verbrechens führt. einem einfachen Auto enttäuschend gering (Wilson und Gilbert
Hamlets Mutter kannte nicht – wie wir – die Social Readjust- 2003). Hier überschätzt man die Freude über die großen An-
ment Rating Scale von Holmes und Rahe (1967), denn sonst hätte schaffungen erheblich.
sie gewusst, dass in der Tat erfahrungsgemäß der Tod des Ehe- Diesen Gedanken kann man aber auch umkehren. Die klei-
partners von allen stresserzeugenden Lebensereignissen mit die nen Freuden werden daraufhin auch unterschätzt. So ist es viel-
248 Kapitel 12  •  Bewerten und die Konstruktion der menschlichen Zufriedenheit

leicht keine große Sache, wenn man sich Blumen kauft und für Wood und Bettman (2007) machen noch einen weiteren
1 ein paar Tage ins Wohnzimmer stellt. Gerade wenn man sich Anwendungsvorschlag für ihre Überlegungen: Nach allem, was
hier sozusagen selbst belohnt und nicht etwa von jemand anders wir wissen, werden im Gesundheitsbereich sowohl die Unan-
2 einen Strauß geschenkt bekommt, scheint es sich zu verbieten, nehmlichkeiten einer Vorsorgeuntersuchung als auch die Emo-
von diesem Kauf allzu viel Aufhebens zu machen. Darum geben tionen bei einem eventuellen positiven Befund überschätzt – hier
Probanden für diese Situation auch eine verhältnismäßig kurze könnte beispielsweise die Kommunikationspolitik unterstützend
3 Dauer an, in der sie sich über die Blumen freuen würden. Wenn wirksam werden, indem sie zusätzlich Normen bereitstellt, die
man dagegen Personen fragt, die genau das gerade gemacht ha- noch einmal deutlich machen, dass die erwartbaren Unannehm-
4 ben, fällt die berichtete Dauer mehr als fünfmal so lang aus wie lichkeiten eher kurzlebig sein werden. Um dagegen die Freude
die vorhergesagte (Wood und Bettman 2007). Dieser Effekt galt über ein negatives Testergebnis über die erwartete Zeit hinaus
5 auch für Blumenliebhaber, also für Personen, bei denen man er- aufrechtzuerhalten, könnte man etwa Gewohnheiten etablieren,
warten würde, dass sie wissen, wie gut ihnen der Kauf der Blu- negative Befunde zu feiern.
men gefällt. Blumenfreunde sagten zwar eine längere Zeit der Ein nicht geringes praktisches Problem ergibt sich aus der
6 Freude vorher, die tatsächliche erlebte Dauer war aber immer Tatsache, dass nicht nur Vorhersagen, sondern auch Erinne-
noch dreimal so hoch wie die vorhergesagte. Wir bereiten uns rungen von Emotionen den üblichen Emotionsnormen folgen.
7 also mit sehr kleinen – und verhältnismäßig wenig kostspieligen Wood und Bettman (2007) finden in mehreren Studien, dass Per-
– Konsumhandlungen deutlich mehr Freude, als wir erwarten, sonen, die ein weiter zurückliegendes Ereignis erinnern, stets
während unsere großen Anschaffungen – zumindest was die eher normkonsistente Zeiträume für ihre Emotionen erinnern
8 Dauer unserer Freude betrifft – in der Regel hinter unseren Er- als Personen, die an ein kürzer zurückliegendes Ereignis den-
wartungen zurückbleiben (siehe hierzu auch ▶ Exkurs 5.3). ken. Erinnert man zum Beispiel ein mutmaßlich langweiliges
9 Normen können also dazu führen, dass der durability bias Ereignis, das sich wider Erwarten als sehr anregend und unter-
sich sogar umkehrt und die Dauer von Emotionen unterschätzt haltsam erwiesen hat, wird sich gleichwohl die Erinnerung daran
10 wird. Offenbar spielt die subjektive Theorie zu den Gefühlszu- mit der Zeit immer mehr an die eigentlich normativ erwartbaren
ständen für den, der sie erlebt, eine wichtige Rolle. Dies zeigt Freuden und nicht an die tatsächlich erlebten angleichen. Gene-
sich auch in einem anderen Phänomen, bei dem die Dauer von rell gilt: Aus der Ferne betrachtet sehen Freud und Leid unseres
11 Emotionen unterschätzt wird: Intuitiv würden wohl die meisten Konsumverhaltens fast immer so aus, wie sie nach gängigen Vor-
Menschen davon ausgehen, dass eine intensive Emotion länger stellungen aussehen sollten, nicht wie sie wirklich sind. Dies muss
12 anhält als eine weniger intensive (Gilbert et al. 2004, S. 14), ein- man bedenken, wenn man für sich selbst oder – im Rahmen von
fach weil sie länger braucht, bis sie abgebaut ist. Jemandem, der Marktforschungsstudien – für andere vorhersagen will, wie man
uns schwer gekränkt hat, werden wir wohl länger böse sein als sich wohl mit dem Produkt fühlen wird.
13 jemandem, der uns nur auf die Zehen getreten ist. Diese The-
orie ist zwar plausibel, sie ist aber falsch. Manche Menschen-
14 kenner, wie etwa Jane Austen, wussten das auch früher schon: 12.3 Nachdenken über das, was nicht
In Sense and Sensibility heißt es: „She will be more hurt by it, der Fall ist
15 for Robert always was her favourite. She will be more hurt by
it, and on the same principle, will forgive him much sooner“ Jeder Einwohner der Niederlande hat eine Losnummer, mit der
(Austen 1811/1996, S.  35; zit. n. Gilbert et  al. 2004, S.  14). er an der niederländischen Postcode Loterij teilnehmen kann:
16 Dieser Gedanke scheint ebenfalls einleuchtend: Das intensive Diese Lotterie zieht die Gewinner zufällig aus den niederländi-
Gefühl muss, gerade weil es so intensiv ist, möglichst schnell schen Postcodes, einer Kombination von vier Ziffern und zwei
17 bekämpft werden. In der Tat setzen bewusste wie unbewusste Buchstaben (z. B. 5037 ND). Zu einem Postcode gehören ma-
Anpassungsprozesse eher bei starken Emotionen ein, während ximal 25 Adressen. Wird bei einem Mitspieler der Lotterie der
sie bei schwachen oft ganz ausbleiben. Dies führt zu dem para- eigene Postcode gezogen, teilt er den Preis nur mit den Nachbarn,
18 dox erscheinenden Phänomen, dass Menschen in der Tat eine die ebenfalls mitgespielt haben (Zeelenberg und Pieters 2004).
kleine Missetat sehr viel länger nachtragen als eine große und Viele Lotterien induzieren in ihrer Werbung gezielt den Ge-
19 sich von starken und intensiven Emotionen schneller erholen danken: „Du könntest der Gewinner sein“ (Landman und Petty
als von schwachen, während sie gleichzeitig genau das Gegenteil 2000). Spots und Anzeigen veranschaulichen, wie man es bitter
20 vorhersagen (Gilbert et al. 2004) bereuen würde, wann man nicht gespielt hat. Bei der niederlän-
Viele Konsumhandlungen werden danach gewählt, welche dischen Postcode Loterij ist allerdings sicher, dass bei jeder Zie-
Emotionen sie erwarten lassen, und offenbar spielt es eine große hung bis zu 25 Haushalte diesen Gedanken nicht hypothetisch,
21 Rolle, welche Theorie der Entscheider zu der Dauer und Intensi- sondern mit Gewissheit haben können. Vermeiden kann man
tät der Emotion hat. Stellen Sie sich etwa vor, Sie planen ein Es- diese Überlegung nur, indem man spielt oder der Rückmeldung
22 sen und überlegen sich, wo sie bestellen möchten. Es wird einen aus der Lotterie aus dem Weg geht.
großen Unterschied machen, ob Sie das Essen für Ihre Hochzeit Die Angst vor einer zukünftigen Reue wird in der Konsu-
oder für einen geschäftlichen Anlass bestellen. Beide Gelegen- mentenforschung unter der Bezeichnung anticipated regret („an-
23 heiten stellen sehr unterschiedliche normative Anforderungen tizipierte Reue“; ▶ Abschn. 12.3.1) oder auch prefacutal thinking
daran, wie intensiv und wie lange man an dem jeweiligen Essen („präfaktisches Denken“) untersucht (z. B. Landman und Petty
Freude haben sollte. 2000). Die letztere Bezeichnung spielt auf ein Phänomen an, das
12.3  •  Nachdenken über das, was nicht der Fall ist
249 12

die Psychologie unter anderem in der Bewältigungsforschung Vorweggenommenes Bereuen bewegt Konsumenten dazu,
schon seit langer Zeit untersucht, das sogenannte „kontrafakti- sich zu versichern (Hetts et al. 2000) oder Lotterielose zu kaufen
sche Denken“ (z. B: Roese 1997). (Landman und Petty 2000). Es kann aber auch zur Folge haben,
Unter kontrafaktischem Denken versteht man das meist dass Konsumenten vor einer Kaufentscheidung zurückschrecken.
grüblerische Nachdenken über das, was nicht der Fall ist. Da So hält zum Beispiel die Befürchtung, dass das Produkt mögli-
Menschen häufiger über bessere Alternativen der Realität nach- cherweise woanders billiger zu haben ist, Konsumenten oft vom
denken und sich verhältnismäßig selten ausmalen, wie alles noch Kauf ab. Diese Hemmung kann durch Preisgarantien unterbun-
viel schlimmer sein könnte, geht kontrafaktisches Denken meist den werden (McConnell et al. 2000).
mit echtem Bereuen, also dem Bereuen im Nachhinein, einher. Bei der niederländischen Postcode Loterij ist auch für Nicht-
Kontrafaktisches Denken wird meist dadurch angestoßen, spieler klar, ob sie gewonnen hätten. Im Unterschied zu anderen
dass die nicht realisierte Alternative in irgendeiner Weise beson- Lotterien hält dieses System also unter allen Umständen eine
ders ins Auge springt. So ist das kontrafaktische Denken stark, Rückmeldung über die nicht gewählte Alternative bereit. Dies
wenn man der 999 ste Kunde war und der 1.000 ste einen Preis macht sie besonders anfällig für vorweggenommenes Bereuen,
bekommt. Für den 786ten Kunden ist die Alternative, einen Preis denn die Reue wird vor allem dann antizipiert, wenn man über
zu bekommen, subjektiv weit weg; dementsprechend denkt er die nicht gewählten Optionen eine Rückmeldung erhält. Um
auch nicht „hätt ich doch nur …“. Die Nähe zur besseren Al- mögliches Bereuen zu vermeiden, bevorzugen Personen daher
ternative kann auch völlig illusorisch sein: Personen zeigen ein Situationen, in denen sie über die nicht gewählten Optionen
umso stärkeres kontrafaktisches Denken, je näher ihre Losnum- nichts erfahren.
mer arithmetisch an der Gewinnnummer liegt (Roese und Olson Dies zeigt Zeelenberg (1999) in einem originellen Experi-
1995). ment: Die Probanden durften zwischen einer sicheren und einer
Kontrafaktisches Denken wird auch eher durch Handeln als riskanten Glücksspielvariante wählen (z. B. „Nimm 50 Euro oder
durch Unterlassen angeregt. So bereut es ein Investor mehr, wenn spiele um 100 Euro, die du mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %
er durch den Verkauf seiner Papiere Geld verliert, als wenn der- erhältst“). Normalerweise setzt sich in einer solchen Situation die
selbe Verlust dadurch entstanden ist, dass er nicht verkauft hat übliche Risikoaversion beim Entscheiden durch (▶ Kap. 8), und
(Roese 1997). die Mehrzahl der Entscheider bevorzugt die sichere Alternative
Das Bereuen nach Entscheidungen hängt eng mit bevorzug- (im Experiment waren dies 70 % der Teilnehmer). In einer wei-
ten Entscheidungsstrategien zusammen: Bei einer Entscheidung teren Bedingung variierte Zeelenberg (1999) die Rückmeldung
kann man versuchen, die bestmögliche Alternative zu treffen, über die Glücksspiele: Einem Teil der Probanden wurde gesagt,
oder man bricht die Suche ab, sobald man die erste zufrieden- sie werden das Ergebnis der riskanten Variante erfahren, auch
stellende Alternative gefunden hat. Die erstere Strategie wird als wenn sie sich für die sichere Variante entscheiden. In dieser
Maximizing und die letztere als Satisficing bezeichnet (Simon Gruppe kehrten sich die Verhältnisse um, und eine Mehrheit
1955; siehe auch ▶ Abschn. 8.3.4). Das Nachdenken über nicht von 60 % entschied sich für die riskante Variante. Wie ist die-
realisierte (bessere) Alternativen ist eher eine Sache der Maxi- ses Ergebnis zu erklären? Jeder, der sich für die sichere Option
mierungsstrategie, und da diese Formen des Nachdenkens nicht entscheidet, riskiert, dass er bei der riskanten Version mehr ge-
eben beglückend sind, zeigt sich auch, dass Maximierungsstra- wonnen hätte. Aber die Probanden in der Rückmeldebedingung
tegien mit geringerem Wohlbefinden einhergehen. Wenn Men- riskieren obendrein, dass sie davon erfahren – und ihre Entschei-
schen eine habituelle Neigung haben, nach der bestmöglichen dung bereuen werden. Dieses Verhalten zeigt, dass Menschen
Alternative zu suchen, dann sind sie tendenziell auch weniger mit ihren Entscheidungen gezielt Informationen über die nicht
zufrieden mit ihrem Leben, berichten weniger Glücksgefühle gewählten Alternativen meiden.
und Optimismus und zeigen höhere Werte in Depressivität und Eine Wahlmöglichkeit wird also offenbar attraktiver, wenn
Neurotizismus (Schwartz et al. 2002; für eine deutsche Version das Ergebnis der nicht gewählten Alternativen unklar bleibt.
der Maximierungs-Skala vgl. auch Greifeneder und Betsch 2006). Dies wäre ein weiterer Grund, sich beim Kauf eines Autos für
das gleiche Modell zu entscheiden wie letzte Woche schon mein
Nachbar. Wenn ich das Konkurrenzmodell wähle, besteht immer
12.3.1 Antizipiertes Bereuen die Möglichkeit, dass sich vor meinen Augen die nicht gewählte
im Konsumentenverhalten Alternative als die bessere herausstellt

Tatsächlich ist in der Konsumentenpsychologie das antizipierte


Bereuen besser untersucht als das Bereuen im Nachhinein durch 12.3.2 Kontrafaktisches Denken
kontrafaktisches Denken (z. B. Roese 2000). Wenn Konsumenten bei Verhandlungen
sich ihre Reue nach einem Fehlkauf ausmalen, steigt die Wahr-
scheinlichkeit, dass sie ein aktuelles Angebot annehmen (und ein Stellen Sie sich vor, Sie haben auf dem Flohmarkt ein Gemälde ent-
mögliches besseres nicht mehr abwarten) oder eine teure und be- deckt. Es würde recht gut in Ihre Diele passen, aber ob es viel wert
kannte Marke kaufen (und nicht eine weniger teure unbekannte; ist, können Sie nicht sagen. Der Verkäufer besteht darauf, dass Sie
Simonson 1992). Dies liegt daran, dass normative Ereignisse (z. B. das erste Angebot abgeben. Zögernd bieten Sie 150 Euro – und der
das Vertraute kaufen, das vorliegende Angebot annehmen) weni- Verkäufer schlägt sofort ein. Was ist der unweigerliche Effekt einer
ger kontrafaktisches Denken auslösen als nicht normative. solch spontanen Akzeptanz? Die meisten von Ihnen denken nun
250 Kapitel 12  •  Bewerten und die Konstruktion der menschlichen Zufriedenheit

vermutlich: „Das hätte ich auch billiger haben können.“ Immerhin Freiheit verzichtet, eine einmal getroffene Wahl noch einmal zu
1 war ja dem Verkäufer Ihr Angebot sofort genehm, vielleicht haben überdenken? Es wird Sie daher nicht überraschen, dass in einer
Sie damit sogar seine Erwartungen übertroffen; einen Anlass, Sie solchen Situation die meisten Konsumenten die Variante wählen,
2 „hochzuhandeln“, hat er nicht gesehen. Für Ihre Zufriedenheit mit bei der sie ihre Wahl wieder rückgängig machen können.
dem Kauf sind diese Überlegungen natürlich Gift. Man sollte nun erwarten, dass Personen mit einer Lösung,
In der Tat sind Konsumenten mit einem Verhandlungser- die sie derart deutlich bevorzugen, auch zufriedener sein sollten.
3 gebnis weniger zufrieden, wenn dabei ihr erstes Angebot sofort Interessanterweise sind sie das aber nicht: Tatsächlich sind Pro-
akzeptiert wird, als wenn ihm „harte Verhandlungen“ voraus- banden in einem entsprechenden Experiment mit ihrem gewähl-
4 gegangen sind. Das gilt sogar dann, wenn das Ergebnis nach ten Bild sehr viel zufriedener, wenn sie nach ihrer Entscheidung
einer Verhandlung schlechter ist, als die Akzeptanz des ersten davon ausgegangen sind, dass diese Wahl endgültig sei. Das auf
5 Angebots gewesen wäre: Ihr Verkäufer hätte also leicht seiner- den ersten Blick so attraktive Rückgaberecht geht mit einer deut-
seits 250 Euro verlangen und sich dann auf sagen wir 190 Euro lich verringerten Zufriedenheit einher.
herunterhandeln lassen können – Ihnen hätte das immer noch Das Beispiel stammt aus einer Untersuchung von Gilbert
6 besser gefallen als die 150 Euro, die Sie bei der ersten Lösung und Ebert (2002), die zeigen, dass Personen im Vorhinein zwar
bezahlt hätten (Galinsky et al. 2002). Objektiv ist das Ergebnis reversible Entscheidungen bevorzugen, im Nachhinein aber mit
7 besser, subjektiv wird es aber schlechter bewertet. den Ergebnissen irreversibler Entscheidungen zufriedener sind.
Der Grund dafür liegt nicht so sehr darin, dass Verhandeln Dieser Befund zeigt einmal mehr, dass die Probanden ganz
so viel Spaß macht oder dass es als befriedigend erlebt wird, offenbar nicht vorhersagen können, was ihnen in Zukunft wie gut
8 wenn man ein Ergebnis selbst herbeigeführt hat (obwohl auch gefallen wird (▶ Abschn. 12.2). Wichtiger ist hier aber eine an-
diese Effekte belegt sind; z. B. Benton et al. 1972). Wesentlicher dere Facette dieses Ergebnisses: Offenbar ist die Unumkehrbar-
9 scheint der oben zitierte Gedanke zu sein: Die Überlegung, dass keit der Entscheidung ein wichtiges Element der Zufriedenheit.
der Preis leicht auch noch niedriger liegen könnte, ist eben nach Dies liegt daran, dass unser „psychologisches Immunsystem“
10 sofortiger Akzeptanz leicht bei der Hand, nach einer Verhand- diese Unumkehrbarkeit braucht, um überhaupt mit der Arbeit
lung aber nicht. zu beginnen. Erst wenn der Fuchs die Trauben als unerreichbar
Galinsky et al. (2002) können darüber hinaus zeigen, dass erlebt, beginnt er, sie sauer zu finden. So geht es in anderen Situ-
11 Probanden, deren erstes Angebot sofort akzeptiert wurde, in der ationen auch: Solange wir die Umwelt als veränderlich erleben,
Folge weniger dazu neigten, bei einer vergleichbaren Situation befinden wir uns sozusagen im reaktanten Modus (. Abb. 12.1),
12 wieder das erste Angebot abzugeben. Dies ist ein weiteres irrati- versuchen Freiheiten herzustellen oder sonstwie unsere Situation
onales Verhalten, denn damit geben die Probanden einen wich- zu optimieren. Sobald wir eine Lebenslage als endgültige und
tigen Verhandlungsvorteil preis, nämlich den Ankereffekt (▶ Ab- unveränderliche Tatsache erleben, beginnt unser psychologisches
13 schn. 9.2.3), der immer die begünstigt, die in einer Verhandlung Immunsystem, das, was wir haben, auf- und das Unerreichbare
das erste Gebot abgeben (Galinsky und Mussweiler 2001). abzuwerten.
14 Der entscheidende Auslöser für die Prozesse der Anpassung
ist die Endgültigkeit, die Unumkehrbarkeit der Gegebenheiten.
12.4 Fluch und Segen
15 der Konsumentenfreiheit
Wer glaubt, die nicht gewählten Alternativen noch immer ha-
ben zu können, hat ja keinen Anlass, die gewählten Alternati-
ven „schönzureden“. Darin liegt ein Problem für das Marketing:
16 Viele aktuelle Marketingstrategien laufen darauf hinaus, den Wenn Konsumenten ihre Entscheidungen lange in der Schwebe
Konsumenten möglichst große Freiheiten einzuräumen. Konsu- belassen, dann bauen sie auch keine Zufriedenheit mit dem Ge-
17 menten begrüßen diese Freiheiten vielleicht, aber sie sind damit wählten auf. Stattdessen denken sie vielleicht über nicht gewählte
nicht unbedingt zufriedener. Die folgenden Ausführungen zei- Alternativen nach und vergleichen das, was sie haben, mit dem,
gen, wie die Mechanismen, über die Menschen Zufriedenheit was sie haben könnten (vgl. auch Felser 2011).
18 herstellen, durch manche Marketingstrategien auch behindert
werden können.
19 12.4.2 Die Wahl aus vielen Alternativen

12.4.1 Die Umkehrbarkeit von Entscheidungen


20 Aus einer großen Menge an Alternativen wählen zu können, ist
wohl einer der augenfälligsten Vorzüge der freien Marktwirt-
Stellen Sie sich vor, Sie dürften sich aus einer Reihe von Bildern schaft. Große Sortimente sind auch für Konsumenten interes-
21 für Ihre Wohnung eins aussuchen. Dabei können Sie zwischen sant, sie stimulieren aber nicht immer zum Kauf. Iyengar und
zwei Angeboten wählen: Im einen Fall treffen Sie Ihre Wahl end- Lepper (2000) boten ihren Probanden in einem Feldexperiment
22 gültig, im anderen Fall können Sie sie innerhalb von vier Wochen entweder sechs oder 24 Sorten Marmelade, aus denen sie wel-
noch einmal überdenken und wieder rückgängig machen. Wenn che kaufen konnten. Die Kaufwahrscheinlichkeit war wesent-
Sie in beiden Fällen aus denselben Bildern wählen dürfen: Wel- lich höher, wenn die Anzahl der Alternativen überschaubar blieb.
23 ches der beiden Angebote würden Sie bevorzugen? . Abb. 12.2 zeigt die Kaufhäufigkeit für die Marmelade sowie
Diese Frage wird vielen von Ihnen fast schon absurd vor- für die in einem weiteren Experiment verwendeten sechs versus
kommen: Welchen Vorteil soll es schon haben, wenn man auf die 30 Sorten Schokolade.
12.4  •  Fluch und Segen der Konsumentenfreiheit
251 12
50 davon sein. Eine andere ist wohl die Gelegenheit für die Entschei-
45 der, die Wahl aus vielen Optionen an automatische, unbewusste
40 Prozesse zu delegieren. Messner und Wänke (2011) zeigen, dass
35 Personen, die aus 24 statt nur aus sechs Sorten Pralinen wählen
Kaufhäufigkeit (%)

30 konnten, mit ihrer Wahl tendenziell unzufriedener waren, dass


25 dieser Effekt sich aber umkehrte, wenn zwischen der Präsenta-
20 tion der Optionen und der Wahl eine gewisse Zeit, in der die
15 Probanden mit anderen Dingen beschäftigt waren, verstrichen
10
war. Die Autoren gehen davon aus, dass in der Zeit der Ablen-
kung automatische Prozesse der Informationsverarbeitung die
5 Marmelade
Schokolade
Informationen über die vielen Optionen effizienter verarbeite-
0
gering hoch ten, als das bei bewusstem Nachdenken möglich gewesen wäre
Anzahl der Alternativen (▶ Abschn. 9.3).
Schließlich hängt der Too-much-Choice Effekt wohl auch
.. Abb. 12.2  Kaufhäufigkeit für unterschiedlich große Mengen an Alternati-
ven. (Daten aus Iyengar und Lepper 2000)
davon ab, inwieweit die Entscheider bereits vor der Wahl klare
Präferenzen hatten. Üblicherweise zeigt sich der Effekt vor allem,
Auch in diesem Experiment finden wir ein ähnlich parado- wenn die Optionen unbekannt sind und es daher kaum vorherige
xes Muster wie oben bei der reversiblen Entscheidung: Einerseits Präferenzen geben kann (z. B. Iyengar und Lepper 2000).
fanden die Probanden von Iyengar und Lepper (2000) eine große Scheibehenne et al. (2009) fanden in mehreren Studien mit
Menge an Alternativen eigentlich attraktiv und interessant. Sie unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten (Restaurants, Adressaten
blieben häufiger stehen, um die beeindruckende Menge zu be- für Spenden) kaum Effekte einer großen Auswahl. Als auffal-
trachten, sie kauften aber andererseits mit deutlich geringerer lendste Ausnahme zeigte sich, dass Personen, die aus einer gro-
Wahrscheinlichkeit und waren auch weniger zufrieden mit ihrer ßen Menge wählten, signifikant umfangreichere Begründungen
Wahl, wenn sie aus vielen Alternativen wählten. gaben, was wohl darauf hindeutet, dass die Begründungen mit
Offenbar sind Konsumenten von einer extrem hohen Aus- zunehmender Auswahl auch schwieriger werden.
wahl an Produktalternativen zwar fasziniert, wählen aber im Ver- Inbar et al. (2011) führen den Too-much-Choice-Effekt auf
gleich zu einer kleineren Auswahl seltener ein Produkt. Auch eine implizite (metakognitive) Theorie der Entscheider zurück,
dieses Problem könnte darauf zurückgehen, dass Konsumenten, der zufolge eine schnelle Entscheidung auch eine schlechte Ent-
wenn man ihnen eine hohe Menge an Alternativen vor Augen scheidung ist. Damit sich die Entscheidung „richtig anfühlt“,
führt, zu viel und um den Preis der Unzufriedenheit über nicht müsste der Entscheidungsprozess mit zunehmender Menge der
realisierte Optionen nachdenken. Je größer die Auswahl ist, desto Optionen länger dauern. Das tut er aber meist nicht. Entscheider
näher liegt ja auch der Gedanke, dass man noch besser hätte wäh- fühlen sich vielmehr oft unter Zeitdruck, und ihre Laientheorie
len können (z. B. Felser 2011; ähnliche Überlegungen auch bei besagt, dass Entscheidungen unter Zeitdruck eben schlechtere
Sagi und Friedland 2007). Ergebnisse bringen. In der Tat steigen Gefühle der Unzufrieden-
Ein anderes Problem beschreibt Schwartz (2006): Wo die heit und des Bedauerns bei einer Wahl aus vielen Alternativen,
Auswahl groß genug ist, muss man sich eine schlechte Wahl wenn die Probanden bei ihrer Wahl zur Eile angehalten werden.
immer selbst zuschreiben. Wo das nicht der Fall ist, kann man Diese Gefühle bleiben dagegen aus, wenn die Entscheider er-
die geringe Auswahl verantwortlich machen. Habe ich beispiels- mutigt werden, sich Zeit zu nehmen, oder wenn man die An-
weise Gäste, und ich musste das, was ich meinen Gästen biete, nahme in Zweifel zieht, dass schnelle Entscheidungen tatsächlich
aus einem geringen Angebot wählen, brauche ich mich nicht zu schlechter sind als sorgfältig überlegte.
schämen, wenn es nicht besonders gut ist. Wenn ich allerdings
eine große Auswahl hatte, bin ich auch voll verantwortlich.
Negative Auswirkungen einer großen Auswahl werden auch 12.4.3 Die freie Gestaltung von Produkten
als Too-much-Choice-Effekt bezeichnet. Sie sind mehrfach be-
legt. Iyengar et al. (2004) beispielsweise zeigen, dass Menschen In vielen Konsumsituationen hat der Konsument die Möglich-
umso länger zögern, sich um ihre Altersvorsorge zu kümmern, je keit, das Produkt selbst zu gestalten. Diese Freiheit bringt es mit
mehr Optionen sie haben, was natürlich mit finanziellen Nach- sich, dass das endgültige Produkt über längere Zeit keine defi-
teilen einhergeht (weitere Beispiele für Too-much-Choice-Effekte nitive Form hat. Ein komplexes Beispiel ist das Eigenheim. Die
berichten z. B. Scheibehenne et al. 2009, S. 230 f). Frage „kaufen“ oder „bauen“ ist unter anderem die Frage, ob man
Eine große Auswahl an Produkten hat sicherlich Vor- und eine riesige Vielfalt von Optionen bewältigen möchte oder ob
Nachteile – jedenfalls finden sich nicht unter allen Umständen man es bevorzugt, das zu nehmen, was einmal ein anderer gebaut
negative Effekte. In einer Metaanalyse finden Scheibehenne et al. hat, so wie es ist. Stellen wir uns vor, die Hausbesitzer bemerken,
(2010), dass die Menge an Optionen die Zufriedenheit mit der dass ein Anschluss, Wasser oder Telefon, an einer sehr ungüns-
Wahl weder generell positiv noch negativ beeinflusst. Die Be- tigen Stelle liegt. Wer wird sich darüber wohl mehr ärgern: der
funde, die entweder den einen oder den anderen Effekt stützen, Käufer oder der Bauherr?
hängen also allem Anschein nach von weiteren Bedingungen ab. Wenn Produkte frei gestaltet werden können, ist eine zent-
Das Nachdenken über nicht gewählte Alternativen könnte eine rale Vorbedingung für kontrafaktisches Denken erfüllt: Handeln.
252 Kapitel 12  •  Bewerten und die Konstruktion der menschlichen Zufriedenheit

Exkurs 12.1  Individualisierte Massenanfertigung  |       | 


1
Jeder Kunde soll das Produkt so bekommen, nun möglich, dass die tatsächlich verkauften bezeichnet (für einen Überblick z. B. Piller und

2 wie er es will. Er soll alle Vorteile der Einzelan-


fertigung haben, dies aber zu den günstigen
Autos in dieser individuell gewünschten
Ausstattung weltweit jeweils nur ein einziges
Stotko 2003).
So aufwendig die Sonderanfertigungen für
Konditionen der Massenproduktion. Wenn Mal gebaut werden. Trotzdem garantiert BMW den Hersteller auch sein mögen, die Strategie
3 man ein Auto, ein Mittelklassemodell, kaufen
will, fragt BMW: „Touring oder Limousine?
gleichbleibende Qualität, und eine anspruchs-
volle Computersteuerung stellt sicher, dass
hat für BMW, wie es scheint, hochwillkom-
mene Folgen, denn „die meisten Kunden wer-
Benzin oder Diesel? Wie viele PS? Welche die Teile rechtzeitig zum Einbau geliefert ten ihr Fahrzeug noch kurz vor der Produktion
4 Lackierung, welche Felgen, welches Lenkrad?
Standheizung, Sitzheizung, Lenkradheizung?
werden und weiterhin mit den Methoden der
Massenfertigung gearbeitet werden kann.
auf“ (Norbert Reithofer, Chef des Bereichs
Produktion im BMW-Vorstand; zit. n. Heiser
Automatikgetriebe, Anhängerkupplung, Der Käufer kann sogar nach der Bestellung 2005, S. 61). Diese letzten Sonderausstattungs-
5 CD-Wechsler, Navigationssystem, Seitenair- bis eine Woche vor Beginn der Montage wünsche sind dann meist besonders teure
bag? Getränkehalter …?“ (Heiser 2005, S. 58). Veränderungen an seinem Produkt vorneh- (Heiser 2005) – ein Effekt, dessen Gründe wir
Allein beim 5er BMW sind rund 1017 Ausstat- men (Heiser 2005). Diese Marketingstrategie an anderer Stelle schon diskutiert haben (z. B.
6 tungsvarianten denkbar. Dank einer völlig wird – leicht ironisch – als „kundenindividuelle ▶  Abschn. 2.1.1 oder 8.3.3).
umgestellten Produktionslogik ist es bei BMW Massenanfertigung“ (mass customization)

7
Menschen konvertieren mental vor allem solche Situation, die sie 12.5 Aufhören, wenn’s am schönsten ist:
8 durch ihr eigenes Handeln erzeugt haben. Fakten, die sie vorfin- Die Peak-End-Regel
den oder eben als unveränderlich erleben, aber auch eine Realität,
9 die einfach passiv so belassen wurde, wie sie war, werden mental „Ein angenehmes Ereignis ist umso schöner, je länger es anhält
ebenfalls nicht verändert (z. B. Roese 1997). und je zufriedener man während dieser Dauer im Schnitt war.“
10 Das heutige Marketing lässt es sich besonders angelegen Diese Behauptung ist falsch. Die Bewertung von Ereignissen
sein, den Konsumenten alle denkbaren Optionen zur Entschei- hängt nämlich gerade auffallend wenig von ihrer Dauer und ih-
dung vorzulegen, damit auch jeder sein individuell gestaltetes rer durchschnittlichen Annehmlichkeit ab. Worauf es eigentlich
11 Produkt erhält (▶ Exkurs  12.1). Unter ▶ www.mymuesli.com ankommt, sind zwei andere Punkte: Wie angenehm war das in-
können sich Verbraucher ihr eigenes Müsli komponieren. Rei- tensivste Erlebnis, die „Spitze“ (peak), und wie endete diese Er-
12 severanstalter arbeiten mit der Methode des Dynamic Packa- fahrung? Bei Bewertungen verfahren Menschen nach der „Spit-
ging, die es den Touristen ermöglicht, die Parameter ihres Ur- zen-Ende-Regel“, der Peak-End-Regel (Kahneman 1994, 1999).
laubs selbst zusammenzustellen und noch am Urlaubsort zu Das gleiche Phänomen zeigt sich auch bei negativen Er-
13 revidieren. Solange aber bei diesen Verfahren die Produkte als fahrungen. Das rückblickende Schmerzerleben von Patienten
Entscheidungen in der Schwebe erlebt werden, verbleiben die beispielsweise kann man nur aus dem maximalen Schmerzemp-
14 Entscheider in einem Maximierungsmodus und denken über finden und aus dem Schmerz am Ende der Untersuchung vor-
bessere Varianten des Status quo nach. Das könnte eine we- hersagen, nicht jedoch aus der Dauer oder aus der durchschnitt-
15 niger erfreuliche Kehrseite der so beliebten Freiheiten für den lichen Schmerzintensität (Redelmeier und Kahneman 1996).
Konsumenten sein. Die Einschätzung eines Erlebnisses kann man nach der Pe-
Eine interessante Alternative hierzu wurde im Jahr  2005 ak-End-Regel verbessern, indem man kurz vor dem Urteil eine
16 mit dem Preis der Deutschen Marktforschung ausgezeichnet: positive Erfahrung bereitstellt. So berichten Probanden eine
Das von der Vocatus AG, München, entwickelte Expertentool höhere allgemeine Zufriedenheit, wenn sie kurz zuvor in einem
17 MOPS (motivorientierte persönliche Suche; Bauer 2005) bietet öffentlichen Telefon ein 10-Cent-Stück gefunden haben (Schwarz
den reiselustigen Kunden zunächst eine Abfrage ihrer persönli- und Strack 1999).
chen Wünsche. Auf Basis dieser Wünsche werden die Kunden Da sowohl das Ende und die „Spitze“ der Erfahrung zu dem
18 bestimmten Urlaubstypen zugeordnet. In der Folge erhalten sie Gesamturteil integriert werden, liegt es auf der Hand, wie man
Vorschläge, die besonders gut zu ihren Wünschen passen. Diese das erinnerte Glück bei einem Erlebnis maximieren kann: Das
19 Vorschläge sind aber nicht nur danach gefiltert, was Reisever- Ende muss mit dem Höhepunkt zusammenfallen. Wenn es nach
anstalter für den jeweiligen Urlaubstyp als passend ansehen. In dem Höhepunkt noch weitere Erlebnisse von geringerer Inten-
20 die Empfehlung gehen auch die Bewertungen früherer Nutzer sität gibt und die Erfahrung dann auch mit einem dieser Erleb-
des MOPS-Systems ein, die zu demselben Urlaubstyp gehören nisse endet, muss dies bei der Verrechnung von peak und end
und diese Reise bereits gemacht haben. Dieses Empfehlungs- zwangsläufig dazu führen, dass die Gesamtbewertung gegenüber
21 system hat deutliche psychologische Vorteile: Nicht nur, dass der Bewertung des Höhepunktes geringer ausfällt. Hier offenbart
hier das Nachdenken über nicht realisierte Alternativen nicht sich die tiefe Weisheit der Empfehlung unserer Großmütter: Man
22 eigens provoziert wird, das MOPS-System nutzt zudem eine er- sollte eben immer dann aufhören, wenn’s am schönsten ist (vgl.
fahrungsgemäß besonders effektive Entscheidungsgrundlage – auch Spitzer 2006).
die Erfahrungen von Konsumenten mit ähnlichen Bedürfnissen
23 (▶ Abschn. 12.2.1).
253 13

Explizite und implizite


Einstellungen
und ihre Beziehung
zum Verhalten
Georg Felser

13.1 Einstellungen und ihre Komponenten  –  254


13.2 Einstellung und Verhalten – 255
13.2.1 Das Problem der Verhaltensvorhersage  –  255
13.2.2 Verhaltensänderung ohne Einstellungsänderung  –  256
13.2.3 Die Verfügbarkeit einer Einstellung  –  258
13.2.4 Einstellung und Verhaltensabsichten – 258

13.3 Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen  –  259


13.3.1 Was bedeutet „implizit“? – 259
13.3.2 Stärken und Schwächen des IAT  –  262
13.3.3 Weitere Maße für implizite Einstellungen auf
Basis von Parallelaufgaben  –  265
13.3.4 Maße für implizite Einstellungen ohne Parallelaufgaben  –  266
13.3.5 Die Validität indirekter Verfahren und das Verhältnis von
impliziten zu expliziten Einstellungen  –  267
13.3.6 Bewertung indirekter Verfahren – 269

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
254 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

Zusammenfassung: In erster Linie bestehen Einstellungen in einer affektiven Be-


1 1. Einstellungen regeln die Bereitschaft, auf den Gegenstand der wertungskomponente. Einstellungen regeln die Fragen, was eine
Einstellung mit Zu- oder Abwendung zu reagieren. Person „gut“ oder „schön“ findet. Zudem haben Einstellungen
2 2. Die Kenntnis der Einstellungen einer Person erlaubt noch keine auch eine kognitive Urteilskomponente. Durch Änderungen in
perfekte Vorhersage über ihr Verhalten. Vorhersagen können dem, was man über einen Gegenstand für wahr hält, können
scheitern, weil man nicht alle relevanten Einstellungen berück- Einstellungen modifiziert werden. Wenn ich zum Beispiel er-
3 sichtigt hat oder weil das Verhalten von anderen Gründen außer fahre, dass 85 % der Konsumenten des neuen Duschgels Saval-
den Einstellungen beeinflusst wird. Solche anderen Gründe sind las später Haarausfall bekamen, dann kann diese Information
4 zum Beispiel Freundschaft und Sympathie, Belohnung und Be- meine Einstellung gegenüber dem Produkt erheblich beeinflus-
strafung oder Autorität und Gehorsam. sen. Will man aber genau sein, kann man nicht sagen, meine
5 3. Einstellungen wirken nicht direkt auf Verhalten. Vielmehr kann Einstellung bestehe in dem Urteil, „Savallas erzeugt Haar­
sich auf Basis der Einstellung eine Verhaltensabsicht bilden, die ausfall“. Meine Einstellung besteht in der Disposition, dieses
ihrerseits sehr viel enger mit Verhalten zusammenhängt als die Produkt abzulehnen. Diese Ablehnung ist eine verständliche,
6 Einstellung. Dies liegt daran, dass in die Verhaltensabsicht zu- aber keine zwingende Folge meines Urteils. Somit bestehen
sätzlich einfließt, inwieweit die Person glaubt, über das Verhal- Einstellungen aus Urteilen (z. B. „Schwarze Oliven enthalten
7 ten Kontrolle zu haben bzw. mit dem Verhalten sozialen Normen einen Wirkstoff, mit dem man 150 Jahre alt wird“) und einer
zu genügen. Bewertung (z. B. „Prima!“). Die Einstellung disponiert in der
Folge zu bestimmtem Verhalten (z. B. schwarze Oliven zu essen,
8 4. Nicht alle verhaltenswirksamen Einstellungen können auf Nach-
fragen auch benannt werden. Manche Einstellungen bleiben un- wenn man sie bekommen kann).
bewusst und können nur aus indirekten Hinweisen im Verhalten In diesem Beispiel sind alle drei traditionellen Elemente der
9 erschlossen werden. Aus diesem Grund bezeichnet man diese Einstellung enthalten: das affektive, das kognitive und das be-
Einstellungen als „implizit“. haviorale Element (Katz und Stotland 1959). Heutige Modelle
10 5. Unbewusste Einstellungen können zum Beispiel auf der Basis gehen aber nicht mehr davon aus, dass Einstellungen immer alle
von Reaktionszeiten, etwa mit Hilfe des Impliziten Assoziati- drei Elemente enthalten müssen. So ist zum Beispiel die Ein-
onstests (IAT) oder verwandter Verfahren gemessen werden. stellung gegenüber der eigenen Mutter eher affektiv, die Einstel-
11 Automatische Reaktionen in einem solchen Verfahren hängen lung gegenüber Studiengebühren aber eher kognitiv dominiert
mit wenig kontrollierten, impulsiven Anteilen des Konsumver- (Bohner und Wänke 2002). Es kann auch vorkommen, dass die
12 haltens zusammen. affektive Seite einer Einstellung auch dann erhalten bleibt, wenn
die kognitive bereits widerlegt ist (Sherman und Kim 2002; ▶ Ab-
Sie brauchen in der Regel weniger als eine Sekunde, um nahezu schn. 15.2.6). Einstellungen unterscheiden sich danach, wie sie
13 beliebige Objekte danach einzuteilen, ob Sie sie positiv oder ne- zustande gekommen sind. Die oben zitierte Trias der Einstel-
gativ bewerten (Bargh et al. 1996; Fazio et al. 1986). Diese Ihre lungskomponenten – kognitiv, affektiv und behavioral – soll uns
14 Bewertungen regulieren in der Folge, was Sie aus Ihrer Umgebung als Systematik für die Ursprünge von Einstellungen dienen: Eine
wahrnehmen (Hastorf und Cantril 1954), welche Objekte und erste mögliche Quelle für eine Einstellung kann in der Tat eine
15 Situationen Sie meiden oder aufsuchen oder welche Menschen Kognition sein, wie die Beispiele Duschgel oder Oliven zeigen.
Sie mögen oder nicht mögen. Auf solchen Bewertungen beru- Auf affektivem Weg können Einstellungen über Prozesse wie das
hen unsere Einstellungen. Zur Vorhersage und Beeinflussung des evaluative Konditionieren (▶ Abschn. 3.2) oder den Effekt der
16 Verhaltens setzt man häufig an der dazugehörigen Einstellung an. bloßen Darbietung (▶ Abschn. 4.7.2) entstehen. Ein Beispiel für
Die Besonderheiten dieses Weges sollen im Folgenden diskutiert Verhalten als Ursprung einer Einstellung wird im Forced-Com-
17 werden. Dabei geht es vor allem um die Struktur von Einstellun- pliance-Paradigma gegeben (▶ Abschn. 11.2).
gen und ihren Zusammenhang mit dem Verhalten. ▶ Kapitel 14 Die meisten Einstellungen sind sicherlich erfahrungsbasiert,
widmet sich dann der Veränderung von Einstellungen. schließlich kann man schlecht zu einem Gegenstand eine Einstel-
18 lung haben, noch bevor man von ihm weiß (bzw. ihn in welchem
Sinne auch immer „erfahren“ hat). Gleichwohl wird man von ei-
19 13.1 Einstellungen und ihre Komponenten nigen Einstellungen sagen können, dass sie sozusagen schon vor
der Erfahrung bestehen. Solche Einstellungen haben dann ge-
20 Einstellungen bezeichnen die Bereitschaft einer Person zu be- netische Wurzeln (Olson und Kendrick 2004). Geschmacksprä-
stimmten Bewertungen bzw. zu einem zu- oder abwendenden ferenzen wie zum Beispiel unsere Vorliebe für süße Substanzen
Verhalten einem Objekt gegenüber (Stahlberg und Frey 1990, sind von dieser Art (z. B. Logue 1991).
21 S. 145; Kotler und Bliemel 1995, S. 302; Greenwald und Banaji Von diesen Ausnahmen abgesehen, ist die Erfahrung die
1995, S. 7). Einstellungen regeln demnach die Bereitschaft zu Re- wichtigste Quelle einer Einstellung, und hier stellt sich als Nächs-
22 aktionen, etwa die Bereitschaft, „Hurra!“ oder „Pfui!“ zu rufen, tes die Frage, ob es sich um eine direkte oder vermittelte Erfah-
oder die Bereitschaft, eine Sache zu kaufen oder links liegen zu rung handelt. Gerade in Werbung und Marketing sind direkte
lassen. Einstellungen werden neben Motiven und Persönlich- Erfahrungen mit einer Marke oder einem Produkt nicht leicht
23 keitsmerkmalen als diejenigen Dispositionen verstanden, die zu vermitteln. In vielen Fällen besteht die „Erfahrung“ nur in
dafür sorgen, dass eine Person sich gegenüber gleichartigen Ob- einer Werbebotschaft oder einer Empfehlung. Beide Formen der
jekten auch stets in ungefähr gleicher Weise verhält. vermittelten Erfahrung sollte man freilich unterscheiden: Infor-
13.2 • Einstellung und Verhalten
255 13

Exkurs 13.1  Offensiver Umgang mit Vorurteilen, die sich ohnehin nur bestätigen würden …  |       | 
In mehreren Spots intoniert die LBS seit gegeben echt coolen – Nachbarn, die Conga Die Tochter: „Und Gerd hat eine Wohnung auf

Jahren eine „Ode an die Spießigkeit“ (  http:// und Blues-Gitarre spielen, Rastalocken oder einem Dach, von wo der über die ganze Stadt
www.lbs.de/ht/die-lbs/unsere-werbung; Irokesenschnitt tragen und ihr Essen im Freien sehen kann.“
Abruf 2.7.2013). Am bekanntesten ist wohl über offener Flamme kochen. Der Vater: „Meine Alten hatten auch so ’ne
ein Dialog zwischen Vater (Ingo Naujoks) Die Tochter erzählt: „Du Horst, ich kenn da ein Wohnung. Das waren übrigens auch Spießer.“

und Tochter (Lena Beyerling) (z. B.  http:// Mädchen aus meiner Klasse, und der Vater Die Tochter: „Du, Horst … Papa, wenn ich groß
www.youtube.com/watch?v=SKfiYu807NA; von der hat sein eigenes Haus, wo jeder sein bin, will ich auch mal Spießer werden.“
Abruf 2.7.2013): Beide sitzen in einer wenig eigenes Zimmer hat.“
einladenden Bruchbudensiedlung mit – zu- Der Vater daraufhin: „Das sind doch Spießer.“

mationen in der direkten Interaktion (z. B. beim sogenannten Die Frage, ob eine Einstellung auch in Verhalten mündet, führt
„Empfehlungsmarketing“) haben erwartungsgemäß eine stärkere uns zum nächsten wichtigen Unterscheidungsmerkmal, der
Überzeugungswirkung als Massenkommunikation. Stärke einer Einstellung. Man spricht von einer starken Einstel-
Um Einstellungen zu ändern, also beispielsweise Vorurteile lung, wenn sie erstens persistent, das heißt beständig über die
abzubauen, wird daher empfohlen, möglichst direkte Erfahrun- Zeit, ist, wenn sie zweitens resistent, das heißt widerständig gegen
gen mit dem Gegenstand des Vorurteils zu ermöglichen. Dies Beeinflussung, ist, und wenn sie drittens prädiktiv ist für Ver-
funktioniert auch: Wenn Mitglieder von Gruppen, die starke halten (Bohner und Wänke 2002). Man erkennt also die Stärke
Vorurteile über die jeweils anderen hegen, direkten Kontakt zur einer Einstellung gleichsam daran, dass sie mit dem Verhalten
Fremdgruppe erhalten, werden häufig soziale Distanzen abge- korreliert. Dieses letztere Kriterium der Stärke wird uns im Fol-
baut und Konflikte entschärft (für einen Überblick vgl. Barlow genden beschäftigen.
et al. 2012). Allerdings kann die Wirkung des direkten Kontakts
auch „nach hinten losgehen“: Barlow et al. (2012) zeigen nämlich,
dass eine negative Erfahrung im direkten Kontakt das Vorurteil 13.2 Einstellung und Verhalten
stärker festigt, als umgekehrt eine positive Erfahrung es lockern
würde. Wenn also durch das Marketing Vorurteile abgebaut Einstellungen und Verhalten entsprechen einander nicht immer
werden sollen (z. B. „Alkoholfreies Bier ist kein richtiges Bier“, (z. B. LaPiere 1934; kritisch vgl. hierzu Six und Eckes 1996). Wir
„Bausparen ist uncool“), dann sollte sicher sein, dass diese Vorur- handeln aus den verschiedensten Gründen anders, als unsere
teile sich nicht bestätigen, wenn die Konsumenten den direkten Einstellungen nahelegen.
Test wagen. Andernfalls wäre es klüger, eine andere Strategie zu
wählen, wie zum Beispiel in ▶ Exkurs 13.1.
Die Beispiele belegen eine große Macht der direkten Erfah- 13.2.1 Das Problem der Verhaltensvorhersage
rung bei der Entstehung von Einstellungen. Zudem gilt, dass Ein-
stellungen, die auf direkter, unvermittelter Erfahrung beruhen, Ich möchte zwei Gründe vorstellen, warum Einstellungen nicht
auch eher späteres Verhalten vorhersagen (z. B. Fazio et al. 1989; immer dem Verhalten entsprechen. Der erste ist ein methodi-
Smith und Swinyard 1983). Rajagopal und Montgomery (2011) scher Grund. Wenn man mit Hilfe einer bestimmten Einstel-
fordern dieses Befundbild heraus, indem sie die verzerrte Erinne- lung Verhalten vorhersagen will, kann es konkurrierende andere
rung auf Basis einer bloß vorgestellten Erfahrung zu den direkten Einstellungen geben, die dem Verhalten, das man vorhersagen
zählen. Anders ausgedrückt: Wenn ich mich fälschlicherweise an will, näher stehen. Wenn diese Tatsache eine gute Vorhersage
eine frühere Begegnung mit dem Produkt erinnere, dann ist der verhindert, dann hat man nicht richtig oder nicht das Richtige
Effekt derselbe, wie wenn ich mich richtig erinnere. Hauptsache, gemessen. Der zweite ist ein prinzipieller Grund: Es gibt andere
es fühlt sich wie eine Erinnerung an. Einflüsse auf unser Verhalten neben den Einstellungen (Beispiele
Rajagopal und Montgomery (2011) liefern drei Hauptbe- hierzu in ▶ Abschn. 13.2.2). Daher können Einstellungen auch
funde: keine perfekte Verhaltensvorhersage liefern.
1. Werbung, die Vorstellungsbilder davon weckt, dass man das Einstellungen beziehen sich auf unterschiedlich abstrakte
Produkt konsumiert, kann falsche Erinnerungen an einen Objekte. Man kann gegenüber einer Idee, einer Person oder
vorherigen Konsum erzeugen. Diese Erinnerungen verstär- gegenüber einem konkreten Verhalten eine Einstellung haben.
ken positive Einstellungen gegenüber dem Produkt, und die Daher beziehen sich Einstellungen auch auf ganz unterschied-
auf diesem Weg erzeugten Einstellungen sagen Verhalten liche Formen von Verhalten. Stellen wir uns vor, es geht um die
genauso gut vorher wie Einstellungen, die auf direkte Erfah- Einstellung zu rechtsradikalen Ideen. Wer hierzu eine Einstel-
rungen zurückgehen. Dies funktioniert nicht mit Anzeigen, lung hat, neigt entweder zu ablehnendem oder zustimmendem
die keine Vorstellungsbilder wecken. Verhalten. Dieses Verhalten spielt sich aber zunächst nur auf
2. Eine falsche Erinnerung lässt sich nur mit plausiblen Kon- der Ideenebene ab. Mit anderen Worten: Das zu dieser Einstel-
sumhandlungen erzeugen (z. B. mit einer Marke, die man lung zugehörige Verhalten besteht in erster Linie aus verbaler,
kennt, im Unterschied zu einer völlig unbekannten). gedanklicher oder emotionaler Zustimmung oder Ablehnung.
3. Die Erinnerungsverzerrung entfaltet sich über die Zeit, sie Die Frage, ob jemand auf eine Demonstration geht, um gegen
wird mit der Zeit stärker. Rechtsradikalismus zu protestieren, hängt dagegen nicht allein
256 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

1 .. Tab. 13.1  Bivariate Korrelationen zwischen Einstellung und Verhalten (Daten aus Davidson und Jaccard 1979). Je spezifischer die Einstellung erho-
ben wird, desto enger korreliert sie mit dem Verhalten.

2 Gemessene Einstellung Korrelation mit spezifischem Verhalten


(Verwendung der Antibabypille innerhalb der nächsten zwei Jahre)

Einstellung gegenüber Schwangerschaftsverhütung .083


3
Einstellung gegenüber Antibabypille .323

4 Einstellung gegenüber der Verwendung der Antibabypille .525

Einstellung gegenüber der Verwendung der Antibabypille innerhalb .572


der nächsten zwei Jahre
5
von seiner Einstellung gegenüber den Ideen ab. Ideen haben mit 13.2.2 Verhaltensänderung
6 Marschieren oder Demonstrieren nur mittelbar etwas zu tun. ohne Einstellungsänderung
Eine andere Einstellung, auf die es ebenfalls ankommt, ist die
7 Einstellung gegenüber Demonstrationen. Unser Verhalten unterliegt mitunter Einflüssen, die überhaupt
Die besten Aussichten, korrekt von einer Einstellung auf ein nicht darauf angewiesen sind, dass sie mit unseren Einstellungen
später folgendes Verhalten zu schließen, habe ich, wenn ich die verträglich sind. Im Folgenden möchte ich an drei Möglichkeiten
8 Einstellung einer Person auf genau demselben Abstraktionsni- erinnern, wie ein Verhalten beeinflusst werden kann, ohne dass
veau erfasse, auf dem sich auch das Verhalten bewegt, das ich dabei die Einstellung eine Rolle spielt.
9 vorhersagen will. Es macht eben einen sehr großen Unterschied,
ob ich frage „Was halten Sie vom Umweltschutz?“ oder „Was hal- Belohnung und Bestrafung
10 ten Sie davon, Ihr Haus von Grund auf neu isolieren zu lassen, Solange es nur Kampagnen zur Gurtbenutzung gegeben habe,
um dadurch Energie zu sparen und die Umwelt zu schonen?“. hätten sich nur wenige Autofahrer dazu bereit gefunden, den
Je genauer die Einstellung dem vorherzusagenden Verhalten Gurt auch tatsächlich anzulegen. Als dann aber das Gesetz zur
11 entspricht, desto besser wird die Vorhersage. Dies zeigt sich an- Anschnallpflicht eingeführt worden sei, sei die Häufigkeit der
schaulich in einer Längsschnittstudie von Davidson und Jaccard Gurtbenutzung sofort sprunghaft angestiegen. Dies ist nur eines
12 (1979). Es ging darum, aus der Einstellung zur Schwangerschafts- von vielen Beispielen dafür, dass man Verhalten sehr gut kon-
verhütung die tatsächliche Nutzung der „Pille“ vorherzusagen. trollieren kann, indem man Anreize für dieses Verhalten setzt
Die globale Einstellung zum Thema korreliert nur minimal mit (Stroebe und Jonas 1990). Äußere Anreize zur Verhaltenskont-
13 dem Verhalten. Der Zusammenhang wird jedoch eng, wenn die rolle haben aber einen entscheidenden Nachteil: Sie erzeugen fast
erfragte Einstellung nahezu exakt dem Verhalten entspricht, das nie eine dauerhafte Einstellungsänderung. Wenn die Hoffnung
14 vorhergesagt werden soll (. Tab. 13.1). auf Belohnung oder die Furcht vor Bestrafung wegfällt, dann
Die genaue Entsprechung zwischen Einstellung und vorher- fällt die ganze Basis für das Verhalten in sich zusammen. Wir
15 gesagtem Verhalten gilt nicht nur für das Abstraktionsniveau, haben dieses Phänomen für das Konsumentenverhalten bereits
sondern auch für den Schwerpunkt in der Einstellungsstruktur: als Overjustification-Effekt in ▶ Abschn. 11.4.4 kennengelernt.
Wie ich betont habe, können manche Einstellungen eher kognitiv
16 und andere eher affektiv dominiert sein. Gleichzeitig kann auch Freundschaft und Sympathie
ein Verhalten eher unter einem affektiven oder kognitiven Vor- Einer Bitte oder Aufforderung kommt man entschieden eher nach,
17 zeichen stehen. Affektiv dominiert ist ein Verhalten, wenn man wenn sie von einem Freund, einem guten Bekannten oder einer
es zum Vergnügen ausübt; kognitiv dominiert wäre es, wenn es Person, die einem sympathisch ist, geäußert wird (z. B. Cialdini
als das Mittel zur Erreichung eines anderen Ziels angesehen wird. 1993, S. 136 ff.). Dies ist einer der Gründe, warum es für Verkäufer
18 Millar und Tesser (1986) stellten ihren Probanden das Lösen ei- sehr günstig ist, wenn sie sympathisch wirken (▶ Abschn. 10.2.3)
nes Puzzles entweder als Tätigkeit zum Vergnügen oder als Mittel oder wenn sie sich an neue Kunden mit den Worten wenden kön-
19 zu einer Zielerreichung dar. Ob sich die Probanden tatsächlich nen: „Herr Soundso hat mir Ihren Namen genannt als eine Person,
mit dem Puzzle beschäftigten, hing zwar signifikant von ihrer die vielleicht an dieser vorzüglichen Enzyklopädie interessiert sein
20 Einstellung gegenüber Puzzles ab, allerdings war der Zusammen- könnte …“ Eine praktische Anwendung dieser Prinzipien findet
hang enger, wenn die Art des Verhaltens (affektiv versus kognitiv man in den verbreiteten „Tupper-Partys“ (▶ Exkurs 13.2), die ja in
dominiert) der Art der Einstellung entsprach. aller Regel in privatem Kreise unter befreundeten Frauen statt-
21 Natürlich stellt sich nicht allein die Frage, ob Einstellungen finden, ganz so, als wären es gar keine Verkaufsveranstaltungen.
überhaupt verhaltenswirksam werden, sondern auch, welche Ein- Eine Studie von Frenzen und Davis (1990) zeigt, dass die Wahr-
22 stellungen den Ausschlag geben. So fanden Heslop et al. (1981), scheinlichkeit, auf einer privaten Verkaufsparty etwas zu kaufen,
dass bei der Frage nach einer energiebewussten Lebensweise ein- von der Beziehung zur Gastgeberin bzw. zum Gastgeber abhängt.
zig ein hohes Preisbewusstsein mit Energiesparen einherging. Interessanterweise sagt aber die Enge dieser Zweierbeziehung
23 Andere auf den ersten Blick relevante Einstellungsbereiche wie nur vorher, ob überhaupt, nicht jedoch wie viel gekauft wird. Dies
politische Gesinnung, Umwelt- und soziales Verantwortungsbe- spricht dafür, dass Gäste, die mit den Gastgebern gut befreundet
wusstsein hingen nicht mit dem Energieverbrauch zusammen. sind, vor allem deshalb etwas kaufen, um die einladende Freun-
13.2 • Einstellung und Verhalten
257 13

Exkurs 13.2  Die Verkaufspolitik auf Tupper-Partys  |       | 


Eine Tupper-Party findet in privatem Rahmen, ohne ein Geschenk. Auf diese Weise wird die sonderen Effekt hat es aber, dass diese Partys
meist im Haus einer Freundin statt. Zu- ▶
Regel der Gegenseitigkeit wirksam (  Ab- stets im privaten Rahmen, ja Freundeskreis
nächst bekommt jede anwesende Person ein schn. 10.3). Das laute Aufsagen von Vorteilen durchgeführt werden. Schon die Einladung
Geschenk. Dann sollen alle nacheinander der Tupper-Artikel schafft Bindung, erhöht kann man schwieriger ausschlagen, wenn sie
beschreiben, wofür sich die Artikel von Tupper ▶
das Commitment (  Abschn. 11.3). Wenn von einer Freundin kommt. Hat man darüber
eignen. Schließlich beginnt das Kaufen, einige dann einige Leute mit dem Kaufen beginnen, hinaus auch noch Anlass zu glauben, man tue
beginnen, andere ziehen nach. wird die Angemessenheit dieses Verhaltens der betreffenden Person einen Gefallen, indem
Dieses Vorgehen weist gleich mehrere beein- bestätigt, die Verfügbarkeit der Kaufhandlung man kommt oder gar indem man etwas kauft,
flussende Komponenten auf (vgl. auch Cialdini wird erhöht und die Schwelle für jede weitere ist auch hier die Schwelle, etwas zu kaufen,
1993, S. 136 f.): Niemand verlässt die Party ▶
Person gesenkt (  Abschn. 10.1.2). Einen be- gesenkt.

din oder einladenden Freund nicht zu enttäuschen, dass aber die Milgram konstruierte eine Situation, in der seine Versuchsper-
Menge des Kaufs nicht unbedingt groß ist. sonen von einer Autoritätsperson den Befehl erhielten, andere
Trotzdem spielen Freundschaftsbeziehungen auch für die (vermeintliche) Probanden mit Stromstößen zu bestrafen, sobald
Menge des Kaufs eine Rolle. Grayson und Iacobucci (1999) zei- diese in einem Lernversuch einen Fehler machten. Die Strom-
gen, dass zwar nicht die Zweierbeziehung zum Gastgeber, wohl stöße wurden mit jedem Fehler stärker und endeten schließlich
aber die Enge des sozialen Netzwerks unter den Gästen insgesamt bei einer Voltzahl, die eigentlich tödlich sein musste. Es wurden
mit der Kaufmenge zusammenhängt: Befindet man sich unter zwar tatsächlich keine Stromstöße verteilt und die Reaktionen
engen Freunden, kauft man auch mehr. der bestraften Schüler waren nur gespielt, aber die als Lehrer
Genauso wie Belohnung und Bestrafung können auch Freund- eingeteilten Versuchspersonen wußten das nicht. Die meisten
schaft und Sympathie eine Bindung und damit eine Einstellungs- Probanden waren bereit, ihre vermeintlichen Schüler mit sehr
änderung systematisch verhindern. In einer kulinarischen Vari- schmerzhaften und gefährlichen Stromstößen zu quälen.
ante des klassischen Dissonanzexperiments servierten Zimbardo Einen bedeutenden Anteil an der Autorität des Versuchslei-
et al. (1965) ihren Versuchspersonen ein recht unappetitlich ausse- ters hatte sein Auftreten, etwa sein weißer Kittel, oder sein ver-
hendes exotisches Essen: gebratene Heuschrecken. Die Helfer des meintlicher Rang als Professor. Wenn solche Randinformationen
Versuchsleiters waren dabei entweder sehr sympathisch oder sehr fehlten, wenn der Versuchsleiter beispielsweise als eine Hilfskraft
unsympathisch. In welcher Bedingung wird das Essen nachher am Lehrstuhl vorgestellt wurde, war die Bereitschaft zum Gehor-
besser bewertet? Sie werden sicherlich erwarten, daß die meisten sam geringer. In Werbung und Verkauf werden Autoritäten oft
Menschen etwas Unangenehmes lieber tun, wenn sie ein sympa- mit ähnlichen Utensilien ausgestattet. Man denke nur an Dr. Best,
thischer Mensch darum bittet als wenn die Bitte von einer unsym- der zeigt, dass sogar Konsumenten mit einem Zahnfleisch wie
pathischen Person kommt. Aber darin liegt andererseits auch wie- Tomatenpelle mit der neuen Zahnbürste ungefährdet die Zähne
der das Problem: Das einstellungswidrige Verhalten löst so keine putzen können.
kognitive Dissonanz aus. Es ist nicht weiter dissonant, wenn man Die Autoritätswirkung von Ärzten trägt mitunter skur-
sich sagt, „ich habe zwar Heuschrecken gegessen, aber was tut man rile Züge. Personen tun manchmal völlig unsinnige Dinge, im
nicht alles einem netten Menschen zuliebe“. Die Sympathie zum Glauben, ein Arzt habe das so angeordnet. So berichtet Cialdini
Versuchsleiter funktioniert hier wie die 20-Dollar-Bedingung im (1995, S. 272) von dem einzigartigen Fall rektaler Ohrenschmer-
Experiment von Festinger und Carlsmith (1959, ▶ Abschn. 11.2): zen (rectal earache; vgl. auch Cohen und Davis 1981): Der Arzt
Das Verhalten wird durch den externen Anreiz (hier also die Sym- schreibt auf das Rezept für die Ohrentropfen nicht place in right
pathie zu der bittenden Person) ausreichend gerechtfertigt. Daher ear, sondern place in r ear. Die Schwester verabreicht daraufhin
wird in der sympathischen Bedingung die distanzierte Haltung die Ohrentropfen in den Hintern.
zu der ursprünglich als eklig empfundenen Speise beibehalten. Ohrenschmerzen scheinen besonders zu medizinischen Fehl-
Zimbardo et al. (1965) berichten sogar von einem Bumerangeffekt, leistungen zu inspirieren. Ein Patient, der zur Behandlung von
dem zufolge die Probanden Heuschrecken als Nahrung nach dem Ohrenschmerzen eine Klinik in Brasilien aufsuchte, wurde irr-
Experiment noch negativer bewerteten. Erst wenn die Probanden tümlich einer Vasektomie (Sterilisation) unterzogen. Die Mana-
den Versuchsleiter nicht mögen, entsteht das Defizit an äußeren gerin der Klinik, Vanessa Guimaraes, stand dem Vorfall fassungs-
Gründen, das für das Forced-Compliance-Paradigma so wichtig los gegenüber: „The strangest thing is that he asked no questions
ist: Hier ist die Versuchsperson zu folgendem Gedankengang ge- when the doctor started preparations in the area“ (Time-Maga-
zwungen: „Ich werde doch keine Heuschrecken essen, um dieser zine September 1, 2003, p. 13). Dies als Beispiele für die fatale
unsympathischen Person zu gefallen.“ Da wird wohl eher die Nei- Macht von Autoritäten.
gung zu dem Essen eine Rolle gespielt haben … Auch die Behauptung von Expertise und Tradition kann als
Versuch verstanden werden, Autorität zu reklamieren, etwa wenn
Autorität und Gehorsam die Firma betont, „seit 1841“ in der Branche zu sein oder „Babies
Die Untersuchungsergebnisse der von Milgram (z. B. 1961; 1965) are our business […] our only business“ (Cialdini 1995, S. 273).
durchgeführten Experimente zur Gehorsamsbereitschaft gehören Im selben Sinne lässt sich auch der Name Toys R Us interpretie-
zu den beeindruckendsten in der experimentellen Psychologie. ren.
258 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

Exkurs 13.3  So funktioniert ein IAT  |       | 


1
Im ersten Durchgang sollen Sie entscheiden, tive Wörter zuständig (. Abb. 13.1). Sie ahnen Hand zu reagieren – und umgekehrt. Das

2 ob die Ihnen dargebotenen Wörter eine


positive oder negative Bedeutung haben. Mit
natürlich die Konsequenz. Die Übung aus den
vorangegangenen Durchgängen hat dazu ge-
üben die Probanden noch einmal, worauf
wieder ein kombinierter Durchgang folgt.
der linken Hand sollen Sie A-Taste betätigen führt, dass die linke Hand sozusagen die „ne- Der Markenfreund von vorhin findet nun
3 und mit der rechten die L-Taste. Wenn nun das
Wort eine positive Bedeutung hat, drücken Sie
gative“ Hand ist. Wenn wir nun voraussetzen,
dass Markenprodukte generell eher positiver
die Tastenbelegung passend zu seinen
Einstellungen vor – seine Reaktionszeiten
die L-Taste, bei einer negativen die A-Taste. Die gesehen werden als No-Name-Produkte, dann werden gegenüber dem ersten kombinierten
4 Wörter sind eindeutig klassifizierbar, sie lauten
zum Beispiel „Dreck“, „Liebe“, „Henker“, „schön“
ist hier eine Interferenz zu erwarten. Obwohl
man Markenprodukte positiv bewertet, muss
Durchgang schneller.
Nach der IAT-Logik ist dieser letzte Durchgang
oder „schlecht“. man sie mit der „negativen“ Hand bestätigen, der sogenannte „kompatible“ Block, der erste
5 Im zweiten Durchgang sehen Sie Fotos von um die Aufgabe zu lösen. Die Reaktionszeiten kombinierte Block ist dagegen der „inkom-
Marken- sowie No-Name-Produkten. Auch verlangsamen sich. patible“. Der Vergleich dieser beiden Blöcke
diese Stimuli sollen Sie klassifizieren: Bei Auf diesen kombinierten Durchgang folgt sorgt gleichzeitig dafür, dass individuelle
6 einem Markenprodukt drücken Sie links, bei zunächst ein vierter Übungsdurchgang: Besonderheiten beim Bearbeiten von Reak-
einem No-Name-Produkt rechts. Darin wechselt die Tastenbelegung für eine tionszeitaufgaben herausgerechnet werden:
Im dritten Durchgang werden die beiden Auf- der beiden Kategorien, für die andere bleibt Es geht nicht um die absolute Schnelligkeit,
7 gaben kombiniert. Die linke Taste – und damit sie konstant. So könnten die Probanden sondern um die relative, genauer: um die
natürlich auch die linke Hand – sind nunmehr instruiert werden, auf negative Wörter nicht Veränderung von kompatiblem zu inkompa-
sowohl für Markenprodukte als auch für nega- tiblem Block.
8
mehr mit der linken, sondern mit der rechten

9 13.2.3 Die Verfügbarkeit einer Einstellung diese auch hoch verfügbar gemacht werden, indem die Konsu-
menten daran erinnert werden, dass sie diese Einstellung haben
10 Wenn unser Verhalten anderen Einflüssen als unseren Einstel- (z. B. „Als Eltern wollen Sie immer das Beste für Ihr Kind“).
lungen folgt, dann hat das oft einen ganz banalen Grund: Wir
denken nicht immer an unsere Einstellungen; nicht alle Einstel-
11 lungen sind uns in einer gegebenen Situation hoch verfügbar. 13.2.4 Einstellung und Verhaltensabsichten
Verhaltenswirksam werden aber besonders die verfügbaren Ein-
12 stellungen. Das Beispiel aus ▶ Abschn. 13.2.1 (vor allem . Tab. 13.1) zeigt:
Fazio et al. (1989) baten ihre Versuchspersonen um Urteile Verhalten hängt weniger von einer globalen Werthaltung, son-
zu zehn Schokoriegeln. Dabei wurde die Zeit gemessen, die die dern eher von einer ganz konkreten Verhaltensabsicht ab. Dies ist
13 Probanden für eine Antwort brauchten. Diese Zeit kann als Maß auch eine zentrale Annahme der Theorie des geplanten Verhal-
für die Verfügbarkeit der Einstellung gelten; wenn die Einstellung tens (z. B. Ajzen 2005). Diese Theorie sieht in Einstellungen nur
14 hoch verfügbar ist, reagieren die Probanden eben schneller. Nach den mittelbaren Auslöser für ein Verhalten. Wichtiger ist – wie
dem Experiment durften sich die Probanden „als Dank für die gesagt – die Absicht zu dem konkreten Verhalten, die ihrerseits
15 Teilnahme“ einen Schokoriegel aussuchen. Es zeigte sich, dass nicht nur von den Einstellungen, sondern zum Beispiel auch von
ein enger Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten subjektiven Verhaltensnormen abhängt.
nur bei hoher Verfügbarkeit zu erwarten war. Waren die Ein- Was dies bedeutet, konnte man eindrucksvoll im März 2011
16 stellungen dagegen weniger verfügbar, hing die Wahl mehr von an der deutschen Politik beobachten: Ein Erdbeben im japani-
unwesentlichen Merkmalen des Objekts ab, zum Beispiel davon, schen Fukushima zerstörte auch das dortige Atomkraftwerk in ei-
17 wo es stand. nem solchen Ausmaß, dass es zu Kernschmelze und radioaktiver
Der Effekt der Verfügbarkeit galt unabhängig von der Tat- Verseuchung der Umgebung kam. Bereits wenige Tage nach dem
sache, dass hoch verfügbare Einstellungen auch meistens eher Erdbeben revidierte die deutsche Bundesregierung ihre bis dahin
18 extreme Einstellungen sind. Dies führt nämlich zu dem trivialen geltende Energiepolitik radikal und verkündete den Ausstieg aus
Befund, dass das Verhalten besonders dann von der Einstellung der Atomenergie. Verantwortlich war hierfür offenbar mindes-
19 abhängt, wenn die Einstellung sehr positiv oder sehr negativ ist, tens zum Teil die Wahrnehmung, dass die Fortführung der bishe-
während „lauwarme“ Einstellungen mit dem Verhalten weniger rigen Atompolitik keine Zustimmung in der Bevölkerung finden
20 zu tun haben – daher ist es wichtig, diese Alternativerklärung würde und hiervon keine positiven Folgen zu erwarten seien.
ausgeschlossen zu haben. Absichten hängen zudem von der Erwartung ab, die Absicht
Ein anderer Befund aus dieser Studie sei am Rande berich- auch umsetzen zu können, also von der Verhaltenskontrolle. Der
21 tet: Objekte, gegenüber denen die Person eine Einstellung hatte, Umsetzung freilich können unterschiedlich gravierende Gründe
wurden immer bevorzugt wahrgenommen, auch wenn die Ein- entgegenstehen. So könnte ein Mobilfunkkunde zwar seinen
22 stellung eigentlich negativ war. aktuellen Vertrag für schlecht halten (Einstellung), er könnte
Für Werbung und Marketing folgt hieraus, dass man zu- der Meinung sein, selbst von einem Wechsel des Anbieters zu
nächst einmal sicherstellen muss, dass überhaupt eine Einstel- profitieren und auch die Anerkennung seiner Freunde dafür zu
23 lung besteht. Ist das nicht der Fall, sollte man darauf achten, dass erhalten (subjektive Norm). Gleichwohl erwartet er, dass er sei-
Randbedingungen der Wahl optimal realisiert sind (wie Positi- nen aktuellen Vertrag nicht kündigen kann oder der Aufwand
onierung des Produkts). Besteht eine positive Einstellung, sollte sehr groß sein würde, sodass er dazu nicht die Zeit finden wird.
13.3  •  Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen
259 13

In diesem Fall wird der Konsument die Verhaltensabsicht nicht


ausbilden und das Verhalten nicht zeigen. Dabei ist unerheblich,
ob er zu Recht glaubt, keine Verhaltenskontrolle zu haben.
Hier zeigen sich Ansatzpunkte für die Werbung: Kommuni-
ziert werden muss also nicht allein die Wertigkeit des Produkts.
Es lohnt sich auch, die Erwartung aufzubauen, dass der Gebrauch
sinnvoll ist, positive Folgen hat und sozial gebilligt ist. Und es
lohnt sich zu zeigen, dass erwartete Hindernisse nicht bestehen,
bzw. diese Hindernisse auszuräumen. Dies tun Mobilfunkan-
bieter, indem sie dem Kunden den Aufwand beim Wechsel des
Anbieters abnehmen.
Die Differenzierung von Einstellung, subjektiver Norm und
wahrgenommener Verhaltenskontrolle verbessert die Verhaltens-
vorhersage erheblich: Metaanalysen belegen eine multiple Korre-
lation aller drei Komponenten mit der Ausbildung einer Inten-
tion von R = .63. Außerdem korrelieren die Intentionen zwischen
r = .45 bis r = .53 mit dem späteren Verhalten (zusammenfassend
vgl. Fennis und Stroebe 2010, S. 202).
Nun sind Intentionen noch keine konkreten Pläne, und die negativ positiv
Absicht allein führt bekanntlich noch nicht zum Erfolg. Dies ist Marke No-Name
wohl der Grund, warum nach den oben genannten Daten mehr
als ein Drittel der Verhaltensvarianz unaufgeklärt bleibt, obwohl .. Abb. 13.1  Ein kombinierter Durchgang in einem IAT zu Marken- und
No-Name-Produkten. Die Probanden sollen die Stimuli danach kategori-
man die Verhaltensabsicht kennt und berücksichtigt. Eine Lösung sieren, ob sie positive oder negative Bedeutung haben oder ob es sich um
für dieses Problem bietet das Konzept der implementation inten- Marken- oder No-Name-Produkte handelt. Unter der Voraussetzung, dass
tions, man könnte sagen der „Umsetzungsabsicht“, das bereits in Markenprodukte positiver bewertet werden als No-Name-Produkte, gehört
▶ Abschn. 5.5 ausführlich diskutiert wurde (z. B. Gollwitzer und die oben abgebildete Aufgabe zum sogenannten „inkompatiblen“ Block
Sheeran 2006): Die Absicht muss als konkrete Handlungsanwei- eines IAT, in dem sich die Reaktionszeiten insgesamt eher verlangsamen.

sung formuliert werden, bei der vor allem Umweltbedingungen


festgelegt werden, die die Ausführung sozusagen auslösen (mehr man sie misst. Dies ergibt sich im Grunde schon daraus, wie man
hierzu in ▶ Kap. 5). diese Art von Einstellungen definiert bzw. was man sich – in der
Forschung – darunter vorstellt. Daher müssen wir uns zunächst
einmal damit beschäftigen, was implizite Einstellungen eigentlich
13.3 Automatische Einstellungen sind.
und implizite Assoziationen

Die vorangegangene Diskussion betraf meistens Einstellungen, die 13.3.1 Was bedeutet „implizit“?
auf Nachfragen auch mitgeteilt werden können. Dass aber Einstel-
lungen in dieser Weise bewusst sind, ist keineswegs sicher. Schon In der Überschrift habe ich sowohl den Begriff „automatisch“
zu Beginn des Kapitels habe ich betont, dass die einer Einstellung als auch „implizit“ verwendet und Begriffe wie „bewusst“ oder
zugrunde liegende Bewertung oft derart automatisiert ist, dass von gar „unbewusst“ absichtlich ausgespart. Meine Zurückhaltung
Bewusstheit eigentlich keine Rede sein kann (Bargh 2002). geht darauf zurück, dass die Begriffe „unbewusst“ und vor al-
Die Idee, dass Einstellungen und Werturteile auch auf auto- lem „unterbewusst“ allzu stark durch die Tiefenpsychologie und
matischer und unbewusster Ebene wirken, ist natürlich sehr alt. Psychoanalyse beansprucht wurden, was dazu geführt hat, dass
Die Psychoanalyse wäre eine naheliegende frühe Quelle, aber die diesen Begriffen Bedeutungen „aufgeladen“ wurden, die man sich
Grundidee reicht bis zu den antiken Philosophen (Payne und nicht bei jeder Betrachtung von unbewussten Prozessen gleich
Gawronski 2010). Gleichwohl hat sich das Interesse an nicht be- mit einhandeln möchte.
wussten Einstellungen in den letzten Jahren noch einmal ver- Nicht zuletzt deswegen segelt die Forschung zu unbewuss-
stärkt. Dies geht sicher unter anderem darauf zurück, dass sich ten mentalen Prozessen unter unterschiedlichen Flaggen: Ein
die methodischen Zugänge zu den nicht bewussten Einstellungen erstes Zwischenfazit zu unbewussten Prozessen erschien unter
in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt haben. Einen dem Titel Unintended Thought (Uleman und Bargh 1989). Noch
wichtigen Marker setzt hierbei der Implizite Assoziationstest gebräuchlicher wurde der Begriff des Automatismus und in der
(IAT), der 1998 von Greenwald, McGhee und Schwartz vorge- Folge die Dichotomie „automatisch versus kontrolliert“ wichti-
stellt wurde (Greenwald et al. 1998). ▶ Exkurs 13.3 stellt einen ger als die hergebrachte Gegenüberstellung von „affektiv versus
typischen IAT vor. Dieses und andere Verfahren werden im Fol- kognitiv“ (Felser 1997). Bei weitem am meisten strapaziert ist
genden im Zentrum der Betrachtung stehen. allerdings der Begriff „implizit“, der gegenwärtig beinahe als Sy-
Es ist kein Zufall, dass die Betrachtung nicht bewusster Ein- nonym für automatische, unbewusste, nicht beabsichtigte oder
stellung immer wieder auf die Methoden rekurriert, mit denen kontrollierte mentale Prozesse verwendet wird.
260 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

Exkurs 13.4  Was ist ein projektives Verfahren?  |       | 


1
Die Grundidee eines projektiven Verfahrens ist vor und nach der abgebildeten Situation sowie In der Marktforschung steht – im Unterschied

2 stets, dass Probanden die Aufgabe erhalten,


zu einer vieldeutigen Reizvorlage eigene Ge-
auf die Gefühle der handelnden Personen
eingehen sollen.
zur Diagnostik – nicht die Persönlichkeit der
Probanden im Vordergrund, sondern die Ei-
danken und Urteile zu produzieren, wobei die Der Picture Frustration Test hat seinen Namen genschaften des Produkts. Dem entsprechend
3 Aufgabe der Probanden nichts mit der eigent-
lichen Fragestellung zu tun hat. Die Markt- und
daher, dass die Probanden stets eine Szene be-
trachten, die ein Frustrations- und Konfliktpo-
ist das Stimulusmaterial in projektiven Markt-
forschungsstudien nicht normiert, sondern
Konsumforschung übernimmt diesen Grund- tenzial birgt. Eine der abgebildeten Personen wird je nach Fragestellung neu erstellt.
4 gedanken aus der Persönlichkeitsdiagnostik,
in der Verfahren wie etwa der Thematische
äußert sich zu der Situation; Aufgabe des
Probanden ist anzugeben, was eine bestimmte
Projektive Verfahren sind seit vielen Jahrzehn-
ten schon Teil der Marktforschung und haben
Apperzeptionstest (TAT; Murray 1971), der andere Person antwortet. sich zum Beispiel darin bewährt, unbewusste
5 Rorschach-Tintenkleckstest (z. B. Klopfer und Beide genannten Verfahren werden so auch in bzw. nur schwer artikulierbare Vorbehalte
Davidson 1974) oder der Picture Frustration der Marktforschung angewendet. Beim Picture gegen bestimmte Produkte zu ermitteln
Test (Rosenzweig 1950) gebräuchlich sind. Frustration Test etwa könnten zwei Produkt- (z. B. Haire 1950; Salcher 1995; siehe auch
6 Beim TAT etwa sind die Probanden aufge- verwender gezeigt werden, von denen einer ▶  Abschn. 21.3.5).
fordert, zu einem Bild eine Geschichte zu über ein Erlebnis mit dem Produkt berichtet,
erfinden, wobei sie ausdrücklich auf Szenen das der andere dann kommentiert.
7
Klar ist aber auch, dass die beiden Begriffe „automatisch“ und oder Assoziationen gefragt wird. Diese Definition lehnt sich an
8 „implizit“ nicht das Gleiche aussagen: Mit „automatisch“ wird Roediger und McDermott (1993, S. 69) an, die für die Messung
vor allem einmal die Unausweichlichkeit eines Prozesses betont, von implizitem Erinnern erklären:
9 zum Beispiel die Zwangsläufigkeit, mit der eine Einstellung ak-
tiviert wird (z. B. Devine 1989). Über Bewusstheit ist in dieser » Every sort of judgement or test that is
10 Konzeption noch nichts gesagt. Allenfalls läuft der Begriff „au- (a) affected by past experience, and
tomatisch“ darauf hinaus, dass der entsprechende Prozess nicht (b) given under conditions in which subjects are not explicitly
überwacht werden muss und damit auf bewusste Steuerung nicht instructed to remember earlier events, would qualify.
11 angewiesen ist (Bargh 1996).
Es ist aber, wie gesagt, der Begriff „implizit“, der die For- In ▶ Exkurs 13.3 habe ich einen IAT vorgestellt, der implizite Ein-
12 schung zu nicht bewusster Informationsverarbeitung dominiert. stellungen gegenüber Marken- und No-Name-Produkten messen
Ich habe ihn bereits ausgiebig bei der Diskussion des impliziten soll. Implizit sind die gemessenen Einstellungen deshalb, weil
Erinnerns genutzt (▶ Abschn. 4.7). Dort äußerte sich das „Impli- sie lediglich aus indirekten Hinweisen in einem Verhalten er-
13 zite“ darin, dass sich die frühere Reizbegegnung nur im Verhalten schlossen werden, nämlich aus den Veränderungen in den Re-
zeigt (z. B. im Effekt der bloßen Darbietung) und dass die betrof- aktionszeiten vom kompatiblen zum inkompatiblen Block. Bei
14 fenen Personen weder versuchen, sich zu erinnern, noch auch dem Verhalten, das zu diesen Reaktionszeiten führt, folgen die
nur das Gefühl haben, auf eine Erinnerung zurückzugreifen. Probanden weder der Instruktion, eine Einstellung mitzuteilen,
15 Im Falle der Einstellungen bedeutet der Begriff etwas sehr noch führen sie es mit dem Bewusstsein aus, dass sie durch ihre
Ähnliches: Eine implizite Einstellung zeigt sich nur im Verhal- Reaktionen eine Einstellung preisgeben.
ten, sie wird aber auf Nachfragen nicht genannt und muss der Maße für implizite Einstellungen, die die Kriterien (a) und
16 handelnden Person auch nicht bewusst sein. Die Tatsache, dass (b) erfüllen, kennt und nutzt die Psychologie schon seit vielen
sich implizite Einstellungen nur im Verhalten zeigen, ist auch Jahrzehnten – auch ohne anspruchsvolle Technik. Hier einige
17
18
der Grund, warum sie sehr häufig gemeinsam mit der Methode
diskutiert werden, mit der man sie misst. Dies tut ja auch das
vorliegende Kapitel.
Unschärfen bei der Verwendung des Begriffs „implizit“ be-
-
Beispiele:
Einstellungen zeigen sich schon in physischen Spuren in
der Umwelt. So könnte man den Moosbewuchs auf den
Stufen zum Kirchenportal als Maß für die Häufigkeit des
ginnen schon damit, dass einer verbreiteten Praxis zufolge nicht Kirchgangs und damit für die Religiosität in einer bestimm-
19 nur die gemessenen Konstrukte, sondern auch die Messmetho- ten Umgebung nutzen. Cameron et al. (2012, S. 330) sehen
den selbst als „implizit“ bezeichnet werden (z. B. Wittenbrink die abgegriffenen Seiten von Zeitschriften als Maß für die
20 und Schwarz 2007). Dies ist eigentlich misslich, denn eine Me- Wirksamkeit von Werbeanzeigen und Graffiti auf öffentli-
thode, die nichts anderes ist als eine Sammlung von Anwen- chen Toiletten als Maß für die gedankliche Beschäftigung

21
22
dungsregeln, kann eigentlich nicht implizit sein. Der Begriff ist
streng genommen auf die Methode gar nicht anwendbar (De
Houwer und Moors 2007).
Implizit, also erschlossen, ist nur das Konstrukt, das gemes-
- mit sexuellen Inhalten bei Männern und Frauen.
Bei der „Technik der verlorenen Briefe“ (lost-letter-technique;
Milgram et al. 1965) finden die meist unfreiwilligen Proban-
den adressierte und frankierte Briefe an einstellungssensible
sen wird. Für die Methode ist ein anderes Merkmal entscheidend, Adressaten wie z. B. „DIE LINKE“ oder „die Ortsgruppe der
nämlich der indirekte Zugang zu dem interessierenden Konst- NPD“. Betrachtet wird die Wahrscheinlichkeit, mit der die
23 rukt: Bei impliziten Einstellungsmessungen geht es darum, dass Probanden dafür sorgen, dass der Brief seinen Empfänger
das Maß (a) eine Möglichkeit bildet, dass sich die Einstellung erreicht. Für das Internetzeitalter schlagen Stern und Faber
darin niederschlägt, und (b) nicht explizit nach Einstellungen (1997) eine E-Mail-Version dieser Technik vor.
13.3  •  Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen
261 13

- Bei projektiven Verfahren (▶ Exkurs 13.4) produzieren


Probanden zu einem vieldeutigen Material eigene Gedan-
ken und Assoziationen. In der Marktforschung etwa könnte
.. Tab. 13.2  Unterscheidung unterschiedlicher Verfahren zur Mes-
sung von Einstellungen.

eine Instruktion lauten: „Stellen Sie sich vor, VW wäre kein indirekt direkt
Autohersteller, sondern ein Restaurant. Was würde auf der

-
deliberativ z. B. projektive Verfahren z. B. direkte Frage nach
Speisekarte stehen? Welche Gäste würden dort essen?“ der Einstellung
Die Error-Choice-Methode (Hammond 1948) konfron- spontan z. B. IAT z. B. Frage nach der Ein-
tiert die Befragten mit zwei Aussagen, aus denen sie eine stellung unter Zeitdruck
auswählen sollen, zum Beispiel: „Zwischen 1980 und 1995
ist der Verbrauch an Elektrizität in der EU (a) um 25 % eine graduelle. Ein klassisches projektives Verfahren im Sinne
gestiegen, (b) um 75 % gestiegen.“ Beide Zahlen sind falsch von ▶ Exkurs 13.4 zum Beispiel hat einen relativ hohen Grad.
(korrekt sind 50 %; Beispiel nach Bohner und Wänke 2002, Es gibt aber auch Verfahren, die ebenfalls auf einem projektiven
S. 34). Je nach Einstellung neigen die Probanden eher zu Mechanismus beruhen (siehe Affect Misattribution Procedure

- einer Unter- bzw. Überschätzung des Energieverbrauchs.


In einer Variante zur Error-Choice-Methode werden
die Probanden mit einem logischen Irrtum konfrontiert
(Thistlethwaite 1950). Es werden Prämissen vorgestellt, aus
in ▶ Abschn. 13.3.4; Payne et al. 2005), die aber den Probanden
wenig Zeit für ihre Reaktion geben und daher wenig deliberativ
sind.
Offensichtlich ist die Unterscheidung nach „spontan“ und
denen dann ein einstellungssensibler Satz gefolgert wird, „deliberativ“ unabhängig von der Dichotomie „direkt versus in-
zum Beispiel: „Aus A und B folgt, dass die Bundesregierung direkt“. Implizite Einstellungen freilich kann man nur aus den Er-
ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen durchsetzen gebnissen indirekter Maße erschließen – ein direktes Verfahren
muss.“ Der Schluss selbst ist formal falsch; dies erkennen zielt ja schon definitionsgemäß auf die explizite Einstellung. Aus
aber Menschen, die der Folgerung zustimmen, wesentlich der Kombination dieser Merkmale ergeben sich unterschiedliche
schlechter und geben dann irrtümlich an, dass ihre favori- Methoden (. Tab. 13.2).

- sierte Position in der Tat aus den Prämissen folgt.


Ein etwas jüngeres Beispiel für ein indirektes Papier-
und-Bleistift-Maß für Einstellung ist die Breadth-based
Adjective Rating Task (BART; Karpinski et al. 2007). Die
Die Kombination von deliberativer und direkter Methodik
ist verhältnismäßig einfach. Jede direkte Frage ohne besondere
Einschränkung wäre ein Beispiel, so etwa die berühmte „Sonn-
tagsfrage“, also die Frage, was wir wählen würden, wenn nächsten
BART beruht auf der Erkenntnis, dass Menschen erwar- Sonntag Wahl wäre. Fragen dieser Art führen zu expliziten Ein-
tungskonforme Informationen eher abstrakt und generisch stellungen wie etwa in dem Satz: „Otto – find ich gut.“
ausdrücken und erwartungsdiskrepante eher konkret und Interessant und weniger einfach sind die spontanen, aber
spezifisch. Dies nutzt das Verfahren, indem Probanden gleichwohl direkten Verfahren. Verbreitet ist die Praxis, Personen
zur Beschreibung eines Einstellungsobjekts Adjektive von unter Zeitdruck nach ihren Einstellungen zu fragen. So könnte
unterschiedlicher Breite und Valenz nutzen sollen. Wenn man Probanden bitten, Begriffe mit unterschiedlichen Bedeu-
dann beispielsweise für die positiven Eigenschaften eher tungen einer Marke zuzuordnen, etwa das Wort „zuverlässig“
konkrete Merkmale verwendet werden, bedeutet dies, dass oder „sexy“ so schnell wie möglich entweder der Marke X oder
diese Eigenschaften eher nicht erwartet werden. Steinman der Marke Y zuzuweisen. Auch hier wird die Einstellung über
und Karpinski (2009) zeigen, dass die BART Konsumver- eine Kategorisierungsaufgabe gemessen, ähnlich wie bei einem
halten vorhersagen kann und dass sie die Vorhersage durch IAT. Es besteht aber ein wesentlicher Unterschied: In einem in-
ein direktes Maß signifikant verbessert. direkten Verfahren ist die Kategorisierungsaufgabe sozusagen
das Vehikel, mit dessen Hilfe man zu der impliziten Einstellung
Weitere Beispiele finden sich bei Vargas et al. (2007) sowie bei kommt. Die Kategorisierung selbst interessiert überhaupt nicht –
Bohner und Wänke (2002, S. 34 ff.). im Gegenteil: Sie sollte von jedermann gleich ausgeführt werden,
Allen hier genannten Verfahren sind die Merkmale ge- und zu diesem Zweck werden hierfür normierte Stimuli einge-
meinsam, die Maße für implizite Einstellungen definieren: Es setzt. Die Einstellung wird dann über Reaktionszeiten oder auch
wird nicht nach einer Einstellung gefragt, aber das geforderte über die Menge an Falschklassifikationen (z. B. Nosek und Banaji
Verhalten kann durch die Einstellung beeinflusst werden. So 2001) erschlossen.
kann sich in der erfundenen Speisekarte für das VW-Restaurant Dagegen liegt in der oben beschriebenen Aufgabe der Hin-
niederschlagen, welches Image VW bei dem Befragten hat. Der weis auf die Einstellung bereits in der Klassifizierung selbst. Den
Befragte folgt dabei aber nicht der Instruktion, das Image von Untersucher interessiert ja durchaus die Frage, ob das Attribut
VW darzulegen, sondern der Instruktion, eine Speisekarte zu- „sexy“ eher VW oder eher BMW zugewiesen wird.
sammenzustellen. Direkte, aber spontane Verfahren sind für die Verhaltensvor-
Ein solches Verfahren hat gegenüber den Reaktionszeit- hersage durchaus nützlich. Fazio et al. (1989) können zum Bei-
maßen die Besonderheit, dass die Probanden eine relativ hohe spiel zeigen, dass explizite Einstellungen zu einem Schokoriegel
Kontrolle über ihre Antwort haben. Insofern zählen projektive umso prädiktiver für den späteren Konsum waren, je schneller
Verfahren zu den eher „deliberativen“ Maßen für implizite Ein- sie geäußert wurden (▶ Abschn. 13.2.3). Sehr spontane Aussagen
stellungen (Vargas et al. 2007). Die Unterscheidung nach „spon- zu einem Gegenstand enthalten allem Anschein durchaus wich-
tan“ und „deliberativ“ ist sicherlich keine dichotome, sondern tige Informationen, die in einem reflektierten Urteil später nicht
262 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

mehr enthalten sind. Dies zeigen auch Ranganath et al. (2008) in Die Attributkategorien sind im Prinzip je nach Fragestellung
1 einer Reihe von Studien zu Einstellungsgegenständen, bei denen frei wählbar; wichtig ist allenfalls, dass die Kategorisierung der
Vorurteile und demzufolge eine Tendenz zur Beschönigung der zugehörigen Stimuli sehr einfach ist und kein Nachdenken er-
2 Antwort vermutet werden kann. Probanden mussten ihre Ein- fordert. Verbreitet ist neben der Positiv-Negativ-Kategorisierung
stellungen zu Homosexuellen oder zu Jazz-Musik angeben. Paral- zum Beispiel der „Selbst-Andere-IAT“. Hierbei werden bei den
lel dazu wurden in indirekten Verfahren die jeweiligen impliziten Attributkategorien Stimuli vorgegeben, die entweder eindeutig
3 Einstellungen gemessen. Wenn die Probanden auf die direkte auf die eigene Person (ich, mein, wir) oder auf andere (ihr, sie,
Frage sehr schnell auf der Basis eines „Bauchgefühls“ (Ranga- er) bezogen sind.
4 nath et al. 2008, sprechen von „gut reactions“) antworten, sind Beide Varianten haben sich im Konsumbereich bewährt
die Einstellungen weniger positiv, als wenn die Probanden für (für den Positiv-Negativ-IAT vgl. Maison et al. 2004; für den
5 die Antwort Zeit hatten. Gleichzeitig korrelieren die expliziten Selbst-Andere-IAT vgl. Brunel et al. 2004). Scarabis et al. (2006)
Einstellungen umso enger mit Maßen für implizite Einstellun- verwenden beide IAT-Maße und stellen fest, dass der Selbst-An-
gen, je schneller die Antwort gegeben wird (dies zeigt auch die dere-IAT die tatsächliche Produktwahl – in ihrem Fall die Wahl
6 Metaanalyse von Hofmann et al. 2005). Trotzdem bleibt stets ein zwischen Apfel und Schokolade – am besten vorhersagen kann.
beträchtlicher eigener Varianzanteil, der für spontane Antworten Ein möglicher Grund für diese unterschiedliche Wirksamkeit
7 auf eine direkte Frage spezifisch zu sein scheint. könnte sein, dass der Positiv-Negativ-IAT zu einem großen
Möglicherweise deutet sich in diesen Befunden ein generelles Teil auch external erworbene Bewertungen misst, etwa „Scho-
Problem mit spontanen, aber direkten Verfahren an, nämlich, kolade ist zwar lecker, aber auch schlecht für die Zähne“. Der
8 dass sie vieldeutige Ergebnisse erzeugen. Vermutlich mischen Selbst-Andere-IAT soll die Assoziation mit der eigenen Person
sich in den Antworten der Probanden implizite und explizite erfassen. Der Vorteil dieses Vorgehens beruht auf folgender
9 Einstellungen, und die hinter der Antwort stehenden mentalen Überlegung: Dinge, die ich mit der eigenen Person assoziiere,
Prozesse dürften ebenfalls von Proband zu Proband unterschied- bewerte ich automatisch positiver als Dinge, die ich nicht auf
10 lich sein. Dies ist bei indirekten Verfahren zumindest insofern meine Person beziehe (siehe hierzu auch ▶ Abschn. 10.1.1). Inso-
anders, als hier nicht eingewendet werden kann, bei der Antwort fern mißt auch der Selbst-Andere-IAT eine implizite Bewertung.
werde willentlich auf die zu messende Einstellungen zurückge- Allerdings fließen in die Zuordnung „Ich-Andere“ keine äußeren
11 griffen. Bewertungskriterien mit ein. Ob „Ich“ eher mit „Apfel“ oder mit
„Schokoriegel“ assoziiert ist, hängt nicht davon ab, wie man Äpfel
12 und Schokoriegel allgemein bewertet. Für die Assoziation von
13.3.2 Stärken und Schwächen des IAT „positiv“ mit „Apfel“ bzw. mit „Schokoriegel“ gilt diese Unabhän-
gigkeit von allgemeinen Bewertungsmaßstäben nicht.
13 Kommen wir nun zurück zu dem oben bereits vorgestellten Der IAT ist willentlich kaum verfälschbar. Seine Datenbasis
IAT (▶ Exkurs 13.3). In dem Beispiel bestehen die sogenannten ist ein sehr schnelles, automatisches Verhalten; unrealistische
14 Attributkategorien aus den Oberbegriffen „positiv“ und „nega- Reaktionszeiten werden sofort erkannt und können aussortiert
tiv“. Der IAT würde also feststellen, wie positiv Marken- relativ werden. Untersuchungen, in denen Probanden einer Instruktion
15 zu No-Name-Produkten wahrgenommen werden. Stattdessen folgen, das IAT-Muster zu verfälschen, zeigen, dass der IAT zwar
könnten aber auch andere Attribute mit den Produktstimuli nicht völlig immun gegen Verfälschung, aber weniger anfällig ist
verknüpft werden. So könnte einen Autohersteller interessieren, als andere Verfahren (z. B. Asendorpf et al. 2002; Gawronski und
16 ob seine Produkte bei den Konsumenten wirklich das sportliche Payne 2010; Steffens 2004).
Image haben, das er ihnen zu geben versucht. Um einen solchen Zu den Stärken des IAT zählt weiterhin, dass er tatsächlich in
17 Image-IAT nachzubauen, haben wir in einer eigenen Studie1 der Lage ist, Verhalten vorherzusagen (für einen Überblick vgl.
beispielsweise die Autos der Marken Ferrari und Rolls-Royce z. B. Gawronski und Conrey 2004; Dimofte 2010). Dies gilt ins-
als Produkte und Begriffe aus den Kategorien „sportlich“ und besondere für automatisches Verhalten. Asendorpf et al. (2002)
18 „elegant“ als Attribute kategorisieren lassen. Ein kombinierter zeigen, dass ein Selbstkonzept-IAT zur Schüchternheit schwer
Durchgang, in dem die Begriffe Ferrari und „sportlich“ bzw. kontrollierbare Schüchternheitsreaktionen vorhersagen kann
19 Rolls-Royce und „elegant“ auf jeweils derselben Taste quittiert (z. B. Gesichtsadaptoren). Leichter zu kontrollierende schüch-
werden sollen, gilt als kompatibler Durchgang, denn hier befin- terne Verhaltensmuster (z. B. Sprechdauer) hingen dagegen enger
20 den sich die Reaktionstendenzen für Produkt und Attribut im mit einem expliziten Maß für Schüchternheit zusammen.
Einklang (vorausgesetzt, man assoziiert Ferrari mit „sportlich“). Für den Konsumbereich zeigen Maison et al. (2001; vgl. auch
Die durchschnittliche Reaktionszeit im kompatiblen Durchgang Scarabis und Florack 2003), dass das Reaktionszeitmuster im IAT
21 betrug 765 Millisekunden, im inkompatiblen Durchgang (Fer- selbstberichtetes Ernährungsverhalten vorhersagt (Saft versus
rari und „elegant“ auf derselben Taste) liegt die durchschnittliche Limonade; kalorienreiche versus Diätlebensmittel). Der IAT-Ef-
22 Reaktionszeit bei 910 Millisekunden. Die Reaktionszeitdifferenz fekt korrelierte mit der angegebenen Verwendungshäufigkeit, der
von 144 Millisekunden ist bereits bei einer geringen Zahl von Verhaltensabsicht („versuche ich zu Hause zu haben“), der Prä-
Probanden statistisch signifikant (t(19) = 2.22, p < .05). ferenz sowie mit subjektiven Überzeugungen (z. B. „schmeckt“,
23 „löscht gut den Durst“).
1 Unveröffentlichte Daten aus einer Seminarübung im SS 2002 an der Hoch- Nun wäre ein Verfahren wie der IAT konsumentenpsycholo-
schule Harz, Wernigerode. gisch weitgehend uninteressant, wenn man damit nur das erfährt,
13.3  •  Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen
263 13

was man auch mit einer direkten Frage erfahren hätte. Der Idee kein Erfolg. Im IAT zeigte sich daraufhin, dass im Vergleich zu
nach ist ein Verfahren wie der IAT in der Lage, die Einstellungen einer Kampagne mit den Worten „Redefining the Best“ das
zu jenen Produkten oder Konsumhandlungen zu ermitteln, die Unternehmen stärker mit Begriffen aus der Kategorie „teuer“
noch ambivalent sind oder bei denen explizite und implizite As- assoziiert wurde. Auch ein Werbespruch wie „Going down fast
soziationen auseinanderklaffen. Wo dies nicht der Fall ist, sollte in Aspen“ wird in der direkten Befragung nur mit den Vorzügen
der IAT zu ähnlichen Ergebnissen führen wie direkte Verfahren. dieses Ski-Gebiets in Verbindung gebracht. Die ebenfalls mög-
Brunel et al. (2004) zeigen, dass der IAT bei der Bewertung lichen negativen Deutungen dieser Formulierung (eben daß es
von Macintosh versus PC zu den gleichen Ergebnissen führt, wie mit dem Besucher in Aspen bergab geht) offenbaren sich aber
wenn man Personen direkt fragen würde. Dies entspricht den Er- im IAT (Dimofte 2010, S. 928 f.). Hier wird Aspen eben auch mit
wartungen: Die Vorliebe für eine der beiden Computervarianten anderen, weniger sportlichen und amüsanten Formen des Ab-
ist eine ziemlich stabile Einstellung, zu der sich die jeweiligen stiegs assoziiert. Konsumenten gehen also mit ihrem Verständ-
Nutzer auch offen bekennen. Dies sieht anders aus bei Einstel- nis der Werbebotschaft über das hinaus, was gemeint ist, und
lungen gegenüber Rassen. Brunel et al. (2004) ließen farbige und allem Anschein nach ist der IAT in der Lage, diese Deutungen
weiße Sprecher in der Werbung von Probanden bewerten. Wie- aufzudecken.
der wurden sowohl eine explizite Bewertung als auch die Reak- Die größten Schwachstellen des IAT liegen wohl bei der inter-
tionen im IAT erhoben. Hier zeigten sich deutliche Unterschiede nen und der Konstruktvalidität (Gawronski und Conrey 2004):
in den Maßen: Weiße Probanden behaupteten explizit, dass ih- Welche mentalen Prozesse die IAT-Effekte herbeiführen, ist eine
nen die ethnische Zugehörigkeit eines Werbe-Testimonials egal offene Frage (z. B. Plessner und Banse 2001), und ebenso offen
sei, im IAT zeigten sie aber eine Bevorzugung für Sprecher mit ist daher auch, ob hinter den IAT-Effekten wirklich Einstellungen
der eigenen Hautfarbe. stehen. Die Autoren des IAT waren vorsichtig, indem sie nicht
Explizite und implizite Einstellungen können auch dann aus- von impliziten Einstellungen, sondern von impliziten Assoziati-
einanderklaffen, wenn eine einstellungsrelevante Information als onen sprachen (vgl. auch Banaji 2001). Aber selbst die Annahme,
irrelevant erkannt wird. Forehand und Perkins (2005) präsen- dass sich im IAT Assoziationsmuster zeigen, wird in Frage ge-
tierten Werbespots, die von Prominenten gesprochen wurden. stellt. Eine besonders profunde Kritik hierzu stammt von Rother-
Die bekannten Stimmen verbesserten die explizite Bewertung mund und Wentura (2004), die behaupten, dass zumindest eine
der Spots – aber nur für solche Konsumenten, die die Stimmen beträchtliche Teilmenge der IAT-Effekte nicht auf Assoziationen,
nicht bewusst erkannten. Dies lässt sich damit erklären, dass die sondern auf unterschiedliche Salienz der jeweiligen Stimuluska-
Werbebotschaft ja nicht dadurch glaubwürdiger wird, dass sie tegorien zurückgeht. Als Basis des Effekts sehen Rothermund
von einem Prominenten gesprochen wird. Daher korrigierten und Wentura (2004) die Tatsache, dass Stimuli stets im Sinne
jene Probanden, die die Stimmen erkannten, ihr Urteil und ver- der Gestaltpsychologie in hervorstechende Reize auf der einen
suchten, die irrelevante Information aus dem Urteil herauszu- Seite und weniger beachtete auf der anderen Seite gegliedert wer-
halten. Diese Korrektur zeigte sich aber nur auf expliziter Ebene den. Erstere bilden die „Figur“, letztere den „Grund“ (im Sinne
– implizit bevorzugten alle Probanden weiterhin die Spots mit der Gestaltpsychologie, siehe ▶ Abschn. 2.2.2). So ist es seit lan-
den prominenten Stimmen. gem bekannt, dass etwa negative Stimuli mehr Aufmerksamkeit
Vermutlich in den meisten Fällen hängen die Ergebnisse ei- erhalten und aus einer Menge von Reizen eher hervorstechen
nes IAT und eines expliziten Maßes allerdings eng zusammen. als neutrale oder positive (Pratto und John 1991). Andere ge-
Wänke et al. (2002) ließen ihre Probanden Kaffeemarken und po- läufige Salienzasymmetrien zeigen sich etwa in der bevorzugten
sitive bzw. negative Wörter kategorisieren. Das hierbei erzeugte Verarbeitung von neuen oder unvertrauten Stimuli gegenüber
IAT-Muster korrelierte mit der expliziten Einstellung gegenüber vertrauten.
den Marken zu r = .44 (p < .01). Wenn nun beide Maße im Rah- Rothermund und Wentura (2004) zeigen nun in einer Serie
men einer multiplen Vorhersage unabhängig voneinander die
spätere Markenwahl vorhersagen sollen, finden sich für beide
Maße eigenständige Vorhersagebeiträge. Die Befunde von Wänke -
von Experimenten:
IAT-Effekte können auch mit Stimuli erzeugt werden, zu
denen die Probanden keine Assoziationen haben, die aber
et al. (2002) belegen zwar nicht, dass der IAT einer direkten Be-
fragung überlegen wäre, sie zeigen aber, dass sich die Vorhersage
der Produktwahl verbessert, wenn man neben expliziten Maßen - unterschiedlich salient sind.
IAT-Effekte kehren sich um, wenn die Salienz der Stimuli
verändert wird, auch wenn die Stimuli selbst dieselben
auch die implizite Assoziation berücksichtigt.
Eine interessante Anwendungsmöglichkeit des IAT kehrt
Dimofte (2010) hervor: Werbung arbeitet oft – absichtlich wie
unabsichtlich – mit Mehrdeutigkeiten. Meist ist die eigentliche
- bleiben.
Es hat keinen Einfluss auf den IAT-Effekt, wenn sich die
Bewertung der Zielkategorien umkehrt, solange sich nicht
gleichzeitig die Salienzunterschiede in den Kategorien
Botschaft nicht schwer zu entschlüsseln, und explizite Maße zei- ändern.
gen dann womöglich auch, dass die Konsumenten verstehen,
was gemeint ist. Dies war der Fall bei der Werbung eines Mobil- Nach dieser Kritik sind die beobachteten IAT-Effekte nur so lange
funkanbieters, der mit dem Slogan „Raising the Bar“ andeuten mit der Erklärung über Assioziationen verträglich, solange die
wollte, dass er beim Service das Niveau anheben und der Netz­ Salienzunterschiede der Ziel- und der Attributkategorien zuein-
empfang gegenüber der Konkurrenz ein paar Balken mehr im ander passen. Wenn sowohl negative Stimuli gegenüber positiven
Display des Telefons aufweisen werde. Trotzdem war der Slogan als auch No-Name-Produkte im Vergleich zu Markenprodukten
264 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

jeweils salient sind, erhält man einen plausiblen IAT-Effekt: Mar- Das Ergebnis des IAT (die Reaktionszeitdifferenz) ist daher davon
1 kenprodukte sind tendenziell positiver als No-Name-Produkte abhängig, welche Kontrastkategorie verwendet wird. Man kann
(z. B. Plessner et al. 2000). Tatsächlich verdankt sich dieser Effekt auch im IAT keine einzelnen Stimuli betrachten (z. B. ein Logo),
2 nicht den Assoziationen von „Marke“ mit „positiv“, sondern eben sondern nur Kategorien von Stimuli (z. B. eine Firma). Außerdem
der Tatsache, dass beide Kategorien weniger salient sind als ihr ist der IAT anfällig gegenüber Reihenfolgeeffekten: Der erste kom-
Gegenstück in dem konkreten Versuchsaufbau. binierte Block ist eine Übung für den zweiten, die Reaktionszeiten
3 Bei Reaktionszeitexperimenten muss man immer damit rech- werden allein deshalb im fünften Durchgang schneller.
nen, dass sich die Probanden die Aufgabe erleichtern, wenn dies Viele kleinere Schwachstellen werden durch nachfolgende
4 möglich ist. Solche Vereinfachungen sind auch dann zu erwarten, Varianten und Weiterführungen der Methode aufgefangen
wenn die Aufgabe zu einer bewussten Ausbildung einer Strategie (z. B. De Houwer 2003; Eichstädt 2005; Nosek und Banaji 2001;
5 gar keine Gelegenheit bietet. Eine Regel zur Vereinfachung wird Rothermund et al. 2006). Das Problem, dass man im IAT im-
auch implizit, unbewusst gelernt. mer eine Kontrastkategorie braucht, lösen Varianten, die nur
Eine solche Erleichterung kann wie gezeigt darin bestehen, eine Zielkategorie präsentieren. Im sogenannten Single-Target
6 dass man die Aufgabe, Stimuli in die Kategorien A und B ein- IAT (ST-IAT; Wigboldus et al. 2004, zit. n. Blümke und Friese
zuordnen, so umcodiert, dass man nur noch A versus Nicht-A 2008) wird jeweils nur eine Zielkategorie ohne Kontrast bewer-
7 beachtet. In diesem Fall kann man bei der Interpretation nicht tet. Blümke und Friese (2008) erfassten die Bewertung für alle
mehr davon ausgehen, dass beide Kategorien semantisch verar- großen politischen Parteien. In einem der kombinierten Blö-
beitet wurden. Ein IAT, der die Assoziationen zu Jever und Beck’s cke muss für Stimuli, die zur CDU gehören, die rechte Taste
8 messen soll, kann dann bestenfalls als Maß für die Assoziation zu gedrückt werden, die gleichzeitig für positive Reize zuständig ist.
einer dieser beiden Marken interpretiert werden. Die linke Taste wird nur für negative Stimuli gedrückt. Diesem
9 Der IAT lädt häufig auch zu anderen Vereinfachungen ein: Block korrespondiert ein zweiter, in dem die CDU-Stimuli mit
So ist es zum Beispiel nicht schwierig, eine implizite Valenz im der linken Taste bestätigt werden müssen.
10 IAT zu Marken- und No-Name-Produkten zu erraten. Wer nun Dieses Vorgehen ist sogar verhältnismäßig effizient, jeden-
Markenprodukte positiv findet, wird sich die IAT-Aufgabe er- falls konnten Blümke und Friese (2008) alle vier großen Parteien
leichtern können, indem er im Durchgang „Marke + positiv“ in einer einzigen Sitzung präsentieren – jede Partei mit jeweils
11 einfach alle positiven Stimuli mit derselben Hand bestätigt. In zwei Blöcken, die dann ohne weiteren Übungsblock durch einen
Fällen, in denen diese Vereinfachung möglich ist, hat der IAT anderen abgelöst wurden. Hierbei zeigte sich eine relativ hohe
12 aufgehört, ein implizites Verfahren zu sein. Aus den genann- Robustheit des Verfahrens, bei dem zum Beispiel auch die Po-
ten Gründen muss man resümieren, dass der IAT, eigentlich ein sition der jeweiligen Partei in der Serie von Blöcken die Ergeb-
Kronzeuge für implizite Maße, oft selbst nur ein „halbimplizites“ nisse nicht beeinflusste. Blümke und Friese (2008) nutzen übri-
13 Maß ist. gens die als Single-Category IAT (SC-IAT) bezeichnete Variante
Zu den eher gewichtigen Schwächen des IAT zählt wohl (Karpinski und Steinman 2006; Steinman und Karpinski 2008):
14 auch, dass seine Ergebnisse nicht unabhängig vom verwendeten Hierbei wird den Probanden zum Reagieren ein Antwortfenster
Stimulusmaterial sind. So macht es beispielsweise einen Unter- von 1500 bis 2000 Millisekunden vorgegeben. Dies erhöht den
15 schied, ob man in einem Blumen-Insekten-IAT als Stimulus für Druck, schnellstmöglich zu antworten, ohne dass dabei die Da-
Blumen Tulpe oder Brennessel verwendet. Dies spricht gegen die tenqualität leidet.
Annahme, dass im IAT nur die Einstellungen gegenüber den Oben habe ich betont, dass Probanden sich in Reaktionszeit­
16 übergeordneten Kategorien gemessen werden (zusammenfas- experimenten die Kategorisierungsaufgabe durch Umstrukturie-
send vgl. Gawronski und Conrey 2004). rung erleichtern. Man muss sogar davon ausgehen, dass solche
17 Auch können Ähnlichkeiten zwischen Stimuli genutzt werden, Vereinfachungsstrategien die Regel sind (z. B. Proctor und Cho
die gar nicht mit der zu untersuchenden Assoziation zusammen- 2006). Damit reagiert der IAT gegebenenfalls nur auf die jewei-
hängen. Wenn „Flüsse“ und „Schlangen“ auf einer Taste liegen und lige Eigenschaft, die zur Vereinfachung der Aufgabe eingesetzt
18 „Münzen“ und „Pizzen“ auf einer anderen, reagieren Probanden wird. Interindividuelle Unterschiede in IAT-Mustern gehen auf
schneller als umgekehrt (De Houwer, Geldof & De Bruycker 2005). unterschiedliche Fähigkeiten zurück, erleichternde Strategien zu
19 Die Wahrnehmung der Stimuli, zwei runde Objekte und zwei sich entwickeln. Die Blockstruktur lädt regelrecht dazu ein, Stimulus-
windende Objekte, schafft die Basis der Ähnlichkeit, die die Pro- merkmale zu identifizieren, die die Aufgabe erleichtern. Daher
20 banden dann zur Erfüllung der Aufgabe nutzen. löst der Recoding-Free IAT (IAT-RF; Rothermund et al. 2009)
Schließlich muss man bezweifeln, dass mit dem IAT wirk- die Blockstruktur auf, das heißt, kompatible und inkompatible
lich – wie erhofft – stabile Assoziationen oder gar Einstellungen Kombinationen werden nicht mehr blockweise, sondern in ran-
21 gemessen werden können. Dem widersprechen Befunde, nach domisiertem Wechsel präsentiert.
denen die Reaktionszeitmuster des IAT gelernt werden kön- Der IAT-RF besteht nicht mehr aus fünf, sondern nur noch
22 nen (Karpinski und Hilton 2001). Auch durch Werbung sind aus drei Blöcken. Im ersten Block wird wie im normalen IAT
IAT-Muster beeinflussbar (Wänke et al. 2002). IAT-Effekte ent- die Tastenzuordnung der Attributkategorie (z. B. positiv/negativ)
halten also mindestens zum Teil auch situational beeinflussbare erlernt. Im zweiten Block wird die Kategorisierung der Zielkate-
23 Unterschiede in Assoziationen. gorie geübt (z. B. Marken-/No-Name-Produkt). Dabei wechselt
Im IAT kann man zudem nicht die Bewertung einer einzel- jedoch die Tastenzuordnung zufällig innerhalb des Blocks. Der
nen Kategorie testen. Man braucht immer eine Kontrastkategorie. dritte Block kombiniert dann wieder den ersten und den zweiten.
13.3  •  Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen
265 13

Der ständige Wechsel der Tastenzuordnung verlangt zwar eine berichtetem Verhalten enger zusammenhängt als die EAST. Zu-
relativ hohe Konzentration von den Probanden, er verhindert dem erweist sich der IAT im Vergleich zur EAST insgesamt als
aber die Ausbildung von Strategien. reliabler.
Schließlich wurde von Gattol et al. (2011) eine Variante des
IAT vorgestellt, bei der mehrere Attribute innerhalb einer Sitzung Evaluative Movement Assessment
getestet werden können. Streng genommen besteht der multidi- Die Evaluative Movement Assessment (EMA; Brendl et al. 2005)
mensionale IAT (md-IAT) in den kombinierten Durchgängen untersucht nicht nur die Bewertung nach „positiv“ und „negativ“,
aus mehreren hintereinandergeschalteten Kombinationen. Gattol sondern auch die damit korrespondierenden Annäherungs- und
et al. (2011) präsentierten ihren Probanden in den kombinierten Vermeidungsreaktionen. Die Probanden sehen ihren Vornamen
Blöcken nacheinander sechs unterschiedliche Attributkategorien, in der Mitte des Bildschirms. Die eine von zwei Aufgaben besteht
die dann jeweils mit der Aufgabe kombiniert wurden, Reize zu darin, Wörter mit einer positiven Bedeutung auf ihren Namen
unterschiedlichen Automarken zuzuordnen. So kategorisierten zu und Wörter mit einer negativen Bedeutung von ihrem Namen
die Probanden Audi- und BMW-Stimuli zunächst parallel zur weg zu bewegen. In der Parallelaufgabe sollen sie Einstellungs-
Einordnung von Wörtern in die Kategorien „sicher“ und „unsi- objekte (z. B. Markenlogos) bewegen. Hier gibt es je nach Durch-
cher“. Nach einigen Durchgängen wechselte dann die Attributka- gang immer die gleiche Instruktion: Wenn ein solches Objekt
tegorie zu „aggressiv“ und „friedlich“ und so weiter. Gattol et al. kommt, muss es beispielsweise nach links oder, in einem anderen
(2011) zeigen, dass dieses Vorgehen zu den gleichen Ergebnissen Durchgang, nach rechts bewegt werden. Auch hier werden Reak-
führt wie mehrere einzelne IATs, so dass mit dem md-IAT eine tionszeiten betrachtet. Einstellungsrelevant ist dabei die Stelle auf
ökonomische Möglichkeit zur Ermittlung von Markenprofilen dem Bildschirm, auf der das Einstellungsobjekt erscheint: Daraus
vorliegt. ergibt sich nämlich, ob die Bewegung nach links zum Namen hin
oder von ihm weg führt, was je nach Einstellung die Reaktion
verlangsamt oder beschleunigt.
13.3.3 Weitere Maße für implizite Einstellungen Die EMA zielt auf ein Problem vieler indirekter Verfahren,
auf Basis von Parallelaufgaben die suggerieren, dass sie einen neutralen Punkt der Bewertung
haben (z. B. eine Nulldifferenz der Reaktionszeiten in kompatib-
Das Feld zur Messung impliziter Einstellungen hat sich in den lem und inkompatiblem Durchgang des IAT). Diese Annahme ist
letzten Jahren enorm erweitert. Im Folgenden werfe ich einige jedoch äußerst fragwürdig: Wenn ich Jever lieber mag als Beck’s,
Schlaglichter auf weitere Alternativen zum IAT, die meist nicht ergibt sich daraus noch keine negative Bewertung für Beck’s. Na-
mehr als Variationen des klassischen IAT gelten können (wie der türlich bilden die beiden Stimuli (Jever versus Beck’s) die Referenz
SC-IAT oder der IAT-RF). füreinander. Diese Bezugspunkte sind aber wesentlich verschie-
Eine Grundidee des IAT liegt etlichen anderen Verfahren den von einer neutralen Referenz.
allerdings ebenfalls zu Grunde, nämlich die Forderung, dass die Was ist das Besondere an einer neutralen Referenz?
Probanden zwei parallele Aufgaben ausführen sollen, die je nach 1. Wird ein wirklich neutraler Referenzpunkt überschritten,
unterstellter Assoziation bzw. Einstellung einander behindern ändert sich die Verhaltenstendenz (z. B. von Annäherung zu
oder erleichtern. Vermeidung). Wird dagegen der Referenzwert überschritten,
der durch Beck’s relativ zu Jever markiert wird, kann durchaus
Extrinsic Affective Simon Task weiterhin eine Annäherungstendenz bestehen. So könnte es
Bei der Extrinsic Affective Simon Task (EAST; De Houwer 2003) sein, dass ich Bitburger weniger mag als Beck’s und Beck’s wie-
sehen die Probanden weiße Begriffe auf schwarzem Bildschirm. derum weniger als Jever. Das bedeutet aber noch lange nicht,
Diese Begriffe sollen sie nach ihrer Valenz beurteilen. Parallel dass ich Bitburger verschmähen würde, wenn man es mir
dazu sehen sie farbige Wörter, die sie entsprechend der Farbe anbietet. Die relative Abwertung gegenüber Beck’s impliziert
einteilen sollen. Wieder werden hierfür die Tasten doppelt belegt: also keineswegs eine generelle Vermeidungstendenz.
Die A-Taste gilt sowohl für negative weiße Wörter sowie für blaue 2. Viele Stimuli können je nach Kontext entweder Annäherung
Wörter, die L-Taste für positive weiße und rote Wörter. Wenn oder Vermeidung hervorrufen. Wenn Jever den Kontext bil-
nun der Name Hasseröder in roter Farbe präsentiert wird, muss det (ebenfalls zur Wahl steht), meide ich Beck’s. Wenn da-
der Proband hierfür mit der Taste (bzw. der Hand) reagieren, die gegen Bitburger den Kontext bildet, nähere ich mich Beck’s.
eine „extrinsisch positive“ Bedeutung hat. Die Reaktionszeiten Viele Stimuli können aber nie über den neutralen Referenz-
für Freunde von Hasseröder sind gegenüber den Durchgängen, punkt hinaus bewegt werden. Es gibt beispielsweise keinen
bei denen Hasseröder in Blau geschrieben wird, beschleunigt. Kontext, in dem es erfreulich wäre, sich morgens beim Ra-
Im Rahmen eines EAST können gleich mehrere Einstellungs- sieren zu schneiden (Brendl et al. 2005).
objekte gleichzeitig untersucht werden – zum Beispiel könnte ne-
ben Hasseröder noch eine völlig andere Marke, z. B. Milka, prä- Wenn ich also im Rahmen einer EMA die Stimuli Jever, Beck’s
sentiert werden. Außerdem eignet sich die EAST auch für die und Bitburger von meinem Namen weg bewegen soll, verlangsa-
Untersuchung einzelner Stimuli. Im IAT bezogen sich die Ergeb- men sich meine Reaktionszeiten in jedem der drei Fälle (wenn
nisse nur auf die Oberkategorien, nicht auf die einzelnen Stimuli. auch möglichweise in unterschiedlichem Grade), denn alle drei
Allerdings zeigen De Houwer und De Bruycker (2007), dass lösen bei mir Annäherungstendenzen, die ich zur Erfüllung der
der IAT sowohl mit expliziten Einstellungen als auch mit selbst- Aufgabe überwinden muss.
266 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

13.3.4 Maße für implizite Einstellungen Affektives Priming


1 ohne Parallelaufgaben Dieses Grundprinzip nutzt das sicherlich älteste, beinahe schon
klassische Maß innerhalb meiner Aufzählung, das affektive
2 Recognition and Behavioral Approach Task oder evaluative Priming (Fazio et al. 1995). Auch hier sollen
Die Recognition and Behavioral Approach Task (RaBAT; Gen­ normierte Begriffe nach positiver und negativer Bedeutung klas-
schow et al. 2013) nutzt wie die EMA Annäherungs- und Vermei- sifiziert werden. Kurz vor diesen Klassifikationen sehen die Pro-
3 dungstendenzen, die durch Einstellungsobjekte hervorgerufen banden andere Stimuli. Frings und Wentura (2003) zeigten ihren
werden. Die Aufgabe der Probanden besteht darin, eine Taste zu Probanden vor der Klassifikationsaufgabe für 28 Millisekunden
4 drücken, sobald sie ein Objekt, das auf dem Bildschirm erscheint, das Big-Brother-Logo. Danach hatten die Probanden 400 Milli-
erkannt haben. Zunächst halten die Probanden die Leertaste mit sekunden Zeit, positive und negative Wörter nach ihrer Valenz
5 dem Zeigefinger der dominanten Hand. Der Zeitpunkt, an dem einzuordnen. Für die Freunde von Big Brother aktivierte das
auf dem Bildschirm ein Objekt gezeigt wird, variiert zufällig zwi- Logo eine positive Valenz, was die Reaktionszeiten für positive
schen 500 und 2000 Millisekunden. Die Probanden können also Begriffe beschleunigte. Für die Gegner von Big Brother war dies
6 nicht berechnen, wann sie reagieren sollen. Wenn allerdings ein umgekehrt. Der Effekt bei der Reaktionserleichterung war ein
Stimulus erscheint, sollen sie so schnell wie möglich die Leertaste guter Prädiktor dafür, ob die Probanden tatsächlich Big Brother
7 loslassen und die Z-Taste drücken. Dieses Verfahren ermöglicht sahen oder nicht.
es, die Rekognitionsleistung von der Annäherungsreaktion zu
unterscheiden: Der Zeitpunkt, bis zu dem die Leertaste losgelas- Affect Misattribution Procedure
8 sen wird, gilt als Maß für die Rekognitionsleistung. Da daraufhin Auch die Affect Misattribution Procedure (AMP; Payne et al.
die Z-Taste gedrückt werden soll, bewegt sich der Proband sub- 2005) basiert auf dem Grundgedanken des Primings. Hier wird
9 jektiv auf den Bildschirm und damit auf das erkannte Objekt zu. aber im Unterschied zu den anderen Verfahren keine automa-
Daher gilt die Schnelligkeit, mit der die Z-Taste gedrückt wird, tische, sondern eine reflektierte Reaktion gefordert. Allerdings
10 als Maß für die Annäherungstendenz und damit die Bewertung sollen die Probanden natürlich nicht das Einstellungsobjekt,
selbst. sondern neutrale Objekte bewerten. So sollen sie zu chinesi-
Diese Entflechtung der Reaktionen löst ein Problem, das schen Schriftzeichen angeben, ob sie sie mögen bzw. ob sie ihrer
11 viele indirekte Verfahren haben, nämlich die Konfundierung Meinung nach im Chinesischen eine positive oder negative Be-
von Identifikation und verhaltensrelevanter Bewertung: Gene- deutung haben. Zuvor werden jedoch Bilder der Einstellungs-
12 rell werden positive Objekte schneller identifiziert als negative objekte gezeigt. Payne et al. (2005) zeigten ihren Probanden im
(Bargh et al. 1992). Schnelle Reaktionen in einem Reaktionsex- amerikanischen Wahljahr 2004 für 75 Millisekunden Bilder der
periment sind also nicht nur ein Ausdruck davon, dass man das Kandidaten Kerry oder Bush. Danach sahen die Probanden für
13 Objekt positiv bewertet, sondern auch davon, dass man es über- 100 Millisekunden das Bild eines chinesischen Schriftzeichens,
haupt erkannt hat. Dieses Problem löst die RaBAT, indem sie die von dem sie entscheiden sollten, wie positiv sie es finden. Wie
14 motorischen Reaktionen aufteilt in die Zeit, die zur Initiierung zu erwarten war, hing diese Bewertung extrem davon ab, ob zu-
gebraucht wird, und die Zeit bis zur Ausführung. vor der favorisierte Kandidat präsentiert wurde. Dieser Effekt ist
15 Genschow et al. (2013) zeigen in ihren Experimenten, dass außerordentlich resistent gegen Verfälschung, er lässt sich auch
in der Tat beide Reaktionskomponenten schneller sind, wenn durch starke Gegeninstruktionen nicht abstellen.
positive Stimuli präsentiert werden, dass aber verhaltensrelevante Allen genannten Maßen ist gemeinsam, dass das interes-
16 Variablen wie die Produktwahl besser durch die Annäherungs- sierende Einstellungsobjekt nicht direkt bewertet wird. Dies ist
leistung und nicht so sehr durch die Schnelligkeit der Identifika- wichtig, denn genau das macht sie zu Maßen für implizite Ein-
17 tion vorhergesagt werden. stellungen. Bewertungen werden stets nur für normierte Begriffe
In der RaBAT drückt sich die implizite Einstellung also eben- verlangt. Die Verknüpfung zum Einstellungsobjekt geschieht in-
falls in der Schnelligkeit einer Reaktion aus, die allerdings nicht direkt durch die Parallelaufgaben oder durch Priming.
18 durch eine Parallelaufgabe erleichtert oder erschwert wird. Die Man erkennt zudem, dass die genannten Verfahren auf
Aufgabe ist vielmehr besonders einfach und für alle Stimuli die hochgradig automatischen Prozessen beruhen. In den beiden
19 gleiche. Der entscheidende Mechanismus ist die Bedeutung der Priming-Experimenten wurden gar die Prime-Stimuli unter-
motorischen Reaktion als „Annäherung“ an den Stimulus. Dass schwellig präsentiert, und das Zeitfenster für die Reaktion hatte
20 tatsächlich eine solche Bedeutung unterstellt werden kann, wis- im Experiment von Frings und Wentura (2003) nicht einmal
sen wir aus einer Reihe von Forschungen (z. B. Eder und Rother- die Dauer einer halben Sekunde. Tatsächlich ist dies aber kein
mund 2008; Seibt et al. 2008) – nicht zuletzt aus den Erkenntnis- wesentliches Merkmal impliziter Maße, genauso wenig wie die
21 sen zum Embodiment (▶ Abschn. 6.2.2). Verwendung von Reaktionszeiten. Sicherlich sind gerade im
Die folgenden Verfahren kommen ebenfalls ohne Parallel­ Reaktionszeit-Paradigma in den letzten Jahren besondere Fort-
22 aufgabe aus, fordern allerdings wieder eine Kategorisierungsauf- schritte erzielt worden, aber implizite Konstrukte kann man
gabe. Zu einem Maß für implizite Einstellungen werden diese auch ohne Reaktionszeiten oder Computer messen (siehe oben
23 Verfahren allerdings dadurch, dass nicht die Einstellungsobjekte, ▶ Abschn. 13.3.2).
sondern andere Stimuli kategorisiert werden sollen, und diese
Aufgabe durch assoziative Bahnung erleichtert oder eben er-
schwert wird.
13.3  •  Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen
267 13

Exkurs 13.5  Moderatoren für den Zusammenhang zwischen indirekten Einstellungsmaßen und Selbstauskünften  |       | 
Der Zusammenhang ist in folgenden Fällen
- bei hoher subjektiver Diskrepanz zwi-
- bei hoher Spontaneität des expliziten

-
enger:
bei geringer Motivation, Vorurteile zu kon-

-
schen der eigenen Einstellung und der
anderer Leute,
- Maßes,
bei eher affektiven expliziten Maßen (im

- trollieren,
bei geringer Motivation zur positiven
bei Bipolarität der Einstellung (positive
Einstellung zur einen Kategorie impliziert
- Unterscheid zu kognitiven),
wenn die Attributkategorie nicht aus

- Selbstpräsentation,
bei hoher Stärke der betrachteten Einstel-
lung, - negative Einstellung zur anderen),
bei geringem Fehlervarianzanteil (= hoher
Reliabilität) bei IAT und direktem Maß,
Pronomen (ich, mein, mir …) besteht.
(Cameron et al. 2012; Gawronski und Conrey
2004; Hofmann et al. 2005 )

13.3.5 Die Validität indirekter Verfahren siblen Themen. Klare Fälle für einen indirekten Zugang sind
und das Verhältnis von impliziten natürlich intime und tabuisierte Produkte (z. B. Hygieneartikel,
zu expliziten Einstellungen Mittel bei Inkontinenz, Pornographie). Ein indirekter Zugang
kann aber auch einen Mehrwert abwerfen, wenn es sich um
„Manchmal korrelieren die Ergebnisse eines IAT hoch mit selbst- Themen handelt, bei denen eine „politisch korrekte“ Meinung
berichteten Einstellungen. Dies belegt die Güte, genauer gesagt: vorherrscht (z. B. gesundes Essen ist genauso lecker wie fettes
die konvergente Validität des IAT, denn er kann offenbar das und süßes; Sex macht mit Kondom genauso viel Spaß wie ohne;
Gleiche, was andere (etablierte) Maße auch können. Korrelieren umweltschonende Reinigungsmittel sind genauso effektiv wie
die Ergebnisse gering, deutet das darauf, dass beide Maße ver- umweltschädliche). Themen wie diese jedenfalls fügen sich ein in
schiedene Dinge messen. Dies belegt erst recht die Güte des IAT, die Liste der Bedingungen, unter denen implizite Einstellungen
denn offenbar erfasst er Variablen, die durch explizite Maße nicht tendenziell eher von den expliziten abweichen (▶ Exkurs 13.5).
zu erfassen sind (was für seine diskriminante Validität spricht).“ Wie ich bereits betont habe, ist eine der Stärken des IAT seine
Diese Argumentation ist natürlich unsinnig – ein Taschen- prädiktive Validität. Dies bestätigt sich auch in den zitierten Me-
spielertrick. Man muss vielmehr zeigen, unter welchen Bedingun- taanalysen: Die Korrelation mit Verhaltensmaßen liegt für den
gen (Moderatoren) indirekte Maße mit direkten und expliziten IAT bei r = .27 (Greenwald et al. 2009). In derselben Größenord-
Maßen hoch korreliert und unter welchen nicht. Die durch- nung bewegen sich Priming-Maße mit r = .28 (Cameron et al.
schnittliche Korrelation des IAT mit selbstberichteten Einstel- 2012). Damit korrelieren implizite Einstellungsmaße stärker mit
lungen liegt für den IAT zwischen r = .21 (Greenwald et al. 2009) dem tatsächlichen Verhalten als mit expliziten, selbstberichteten
und r = .24 (Hofmann et al. 2005) und für Einstellungsmaße auf Einstellungen.
der Grundlage des Primings bei r = .20 (Cameron et al. 2012). Welche Verhaltensanteile sind es denn genau, die durch den
Die Werte für die Korrelationen zwischen impliziten und IAT besser vorhergesagt werden als durch explizite Maße? Zum
expliziten Maßen variieren noch immer beträchtlich (von −25 einen sind dies vermutlich die besonders automatischen, wenig
bis .60 in der Metaanalyse von Hofmann et al. 2005). Hofmann reflektierten Verhaltensweisen, die unter beschränkten Verar-
et al. (2005) berichten eine Reihe von Faktoren, die für diese Va- beitungsressourcen gezeigt werden (vgl. auch oben Asendorpf
riation verantwortlich sind, zum Beispiel Merkmale der Stimuli et al. 2002). Dies belegt ein Experiment von Friese et al. (2006),
oder des genauen Versuchsablaufs. Engere Zusammenhänge die ihre Probanden Marken- und No-Name-Artikel im IAT und
finden sich auch für Themen, die eher alltäglich sind und den explizit bewerten ließen. Anhand dieser Bewertungen wurden
Selbstwert nicht bedrohen. Den Spitzenplatz nimmt hier die zwei Gruppen gebildet: zum einen Probanden, deren IAT-Muster
Konsumentenforschung ein: Implizite und explizite Einstellun- mit dem expliziten Maß übereinstimmten (ca. 58 % der Stich-
gen zu Marken, Werbung oder Produkten korrelieren im Mittel probe), und zum anderen Probanden, die implizit das eine, ex-
zu r = .34. (Dies ist gleichzeitig die höchste Implizit-explizit-Kor- plizit jedoch das andere bevorzugten. Die Probanden sahen nun
relation, die in der Untersuchung von Hofmann et al. (2005) paarweise Produkte auf dem Bildschirm (immer No-Name- und
überhaupt gefunden wurde.) Gering sind die Korrelationen da- Markenprodukte gleichzeitig). Hieraus durften sie Produkte für
gegen bei „heikleren“ Themen wie etwa Selbstwert (r = .13). sich selbst wählen. Bei dieser Wahl wurde ein Teil der Probanden
Offenbar operieren wir mit dem Konsumthema nicht im unter Zeitdruck gesetzt. Sie mussten sich innerhalb von fünf Se-
sensibelsten Bereich der Assoziationen und Einstellungen. Mar- kunden entscheiden. Ein anderer Teil konnte sich nach Belieben
keneinstellungen sind vielleicht selbstbildrelevant (z. B. Lisjak Zeit zum Wählen nehmen.
et al. 2012), aber doch meist auch nicht besonders intim oder Die Ergebnisse für die Produktwahl zeigt . Abb. 13.2. Wenn
bedrohlich. Man muss sich daher bei impliziten Konsumeinstel- kein Zeitdruck besteht, wählen die Probanden mehrheitlich das
lungen mehr als in anderen Bereichen der impliziten Kogniti- Produkt, das sie explizit bevorzugen. Dies gilt auch dann, wenn
onen fragen, wo der Mehrwert eines indirekten Zugangs liegt. sie laut IAT eigentlich das andere Produkt bevorzugen sollten.
Dieser Mehrwert ist ohne jede Frage möglich: Immerhin haben Kommt Zeitdruck hinzu, wird aber der Unterschied zwischen
implizite und explizite Maße bei einer Korrelation von r = .34 explizitem und implizitem Maß bedeutsam: Jene Probanden, de-
noch immer über 88 % eigenständige Varianz. Andererseits ist ren IAT-Muster eine andere Präferenz implizieren als ihre offen
aber auch klar, wo die Stärken des indirekten Zugangs liegen, geäußerten Einstellungen, wählen nun eher in Übereinstimmung
nämlich bei eher weniger alltäglichen und möglicherweise sen- mit dem IAT.
268 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

keiten. Als Maß für die implizite Einstellung galt das IAT-Muster
Wahl des explizit bevorzugten Produkts (%)

1 90
80 bei der Bewertung von m&m’s: Je kürzer hier die Reaktionszeiten
bei der Kombination von m&m’s mit der positiven Kategorie sind,
70
2 60
desto positiver ist auch implizite Einstellung zu m&m’s.
Unter normalen Umständen probieren Probanden umso we-
50
niger von den Süßigkeiten, je wichtiger ihnen ihre Diät ist. Ihre
3 40 implizite Einstellung gegenüber Süßigkeiten spielt bei der Menge
30 kaum eine Rolle. Das ändert sich aber, wenn Menschen erschöpft
4 20 sind, wenn ihre Ressourcen zur Selbstkontrolle bereits stark
10 kein Zeitdruck angegriffen sind. Um dies zu erreichen, ließen Hofmann et al.
5 0
konvergent divergent
Zeitdruck (2007) die Probanden einen emotionalen Film anschauen mit der
Instruktion, die Emotionen beim Anschauen zu unterdrücken.
IAT und explizites Maß
Dies beansprucht nachgewiesenermaßen die Selbstkontrollres-
6 .. Abb. 13.2  Wahl des explizit bevorzugten Produkts unter Zeitdruck oder sourcen von Personen so stark, dass nachfolgende Handlungen
bei vollen Verarbeitungsressourcen. Wenn kein Zeitdruck besteht, spielt es deutlich weniger kontrolliert werden können (Gross und Leven-
7 keine Rolle, ob Probanden im IAT ein anderes Produkt bevorzugen als explizit
(divergente Gruppe), sie wählen mehrheitlich das explizit bevorzugte Pro-
son 1997). Unter dieser Bedingung war daher auch nicht mehr
die explizite, sondern die implizite Einstellung entscheidend für
dukt. Unter Zeitdruck jedoch wird das Produkt gewählt, das im IAT bevorzugt
die Frage, wie viele m&m’s die Probanden essen: Personen mit
8 wurde (Daten aus Friese et al. 2006).
einer positiven impliziten Einstellungen aßen deutlich mehr als
Die Ergebnisse von Friese et  al. (2006) zeigen, dass der Personen mit einer negativen impliziten Einstellung.
9 IAT vor allem die wenig reflektierten Verhaltensanteile bei Implizite Assoziationen erlauben also bessere Vorhersagen,
der Produktwahl vorhersagt. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich wenn Menschen sich wenig kontrollieren (z. B. weil sie bereits
10 für evaluativ konditionierte Einstellungen zu Pepsi und Coca- erschöpft sind), wenn sie stark affektiv eingestimmt sind oder
Cola in den Experimenten von Gibson (2008; siehe auch ▶ Ab- wenn sie unter großem Zeitdruck entscheiden.
schn. 3.2.3). Auch hier sagte die im IAT bevorzugte Marke vor Die berichteten Befunde stehen im Einklang mit einer Reihe
11 allem die Produktwahl unter Zeitdruck vorher. Doch das ist von Zwei-Prozess-Modellen, wie ich sie in ▶ Abschn. 1.3.3 an-
nicht die einzige Verhaltenskomponente, die eher von den auto- satzweise diskutiert habe. In den meisten dieser Modelle unter-
12 matischen Reaktionen im IAT vorhergesagt wird: Scarabis et al. scheidet man zwischen eher automatischen Verhaltensweisen
(2006) zeigen, dass der IAT die tatsächliche Produktwahl dann auf der einen und reflektierten auf der anderen Seite. In dem
substantiell vorhersagt, wenn sich Personen bei der Wahl auf die vorliegenden Kapitel werden ergänzend dazu implizite von ex-
13 affektive Seite der Wahl konzentrieren. Wenn sie dagegen auf pliziten Einstellungen unterschieden – und nun liegt die Vermu-
eine rationale Begründung für die Wahl fokussieren, war der tung nahe, dass die automatischen Verhaltensweisen auch eher
14 beste Prädiktor für die Wahl die selbstberichteten Gefühle dem von den impliziten Einstellungen abhängen und das reflektierte
Produkt gegenüber. Dieser Effekt zeigt nicht nur, unter welchem Verhalten eher von expliziten Einstellungen gesteuert wird. Diese
15 Fokus der IAT bessere Vorhersagen erlaubt, er deutet auch auf die Überlegung wurde von Perugini (2005) als Doppeldissoziations-
Besonderheiten von selbstberichteten Affekten Produkten gegen- modell bezeichnet. Die Befunde von oben passen recht gut zu
über; diese Selbstberichte scheinen zu einem starken Grade von diesem Modell, gleichwohl ist dieses Befundmuster nur eines
16 rationalen Überlegungen mitgeprägt zu sein. unter mehreren.
Den gleichen Effekt finden auch Genschow et al. (2013) für Die Metaanalyse von Cameron et al., (2012, S. 343) zeigt, dass
17 die RaBAT. Ein Teil ihrer Probanden wurde instruiert, sich auf Priming nicht nur spontanes, verhältnismäßig unkontrolliertes
die affektive Seite ihrer Wahl zu konzentrieren. Für diese Pro- Verhalten vorhersagt, sondern in vielen Studien auch kontrollier-
banden sagte die Annäherungsreaktion in der RaBAT die Pro- tes. Dies verträgt sich nicht so gut mit dem Doppeldissoziations-
18 duktwahl besser vorher als selbstberichtete Einstellungen. Das modell, aber das ist ohnehin nur eines unter mehreren Modellen,
Verhältnis kehrte sich um, wenn die Probanden auf rationale die durch die Daten gestützt werden. Grob kann man folgende
19 Argumente bei ihrer Wahl fokussierten. drei Modelle oder Muster unterscheiden, nach denen implizite
Hofmann et al. (2007) zeigen, dass auch ein und dasselbe und explizite Maße Verhalten vorhersagen (für feinere Untertei-
20 Verhalten unter gewissen Bedingungen von impliziten und unter lungen vgl. Perugini et al. 2010):
anderem von expliziten Einstellungen abhängt. Ihre Probanden 1. Das Doppeldissoziationsmodell: Implizite Einstellungen sind
hatten Gelegenheit, für eine Produktbewertung Süßigkeiten, ge- für das spontane und explizite Einstellungen für das kontrol-
21 nauer m&m’s, zu probieren. Wie viele m&m’s Probanden in einer lierte Verhalten zuständig.
solchen Situation probieren, hängt unter anderem davon ab, wie 2. Das additive Modell: Implizite Einstellungen verbessern die
22 sie implizit oder explizit gegenüber dem Verzehr von Süßigkeiten Vorhersage von Verhalten auf Grundlage der expliziten Ein-
allgemein eingestellt sind. stellungen.
Als explizite Einstellung verwendeten Hofmann et al. (2007) 3. Das interaktive Modell: Die Kombination von impliziten und
23 die Diätneigung in einem Fragebogen: Wer von sich behauptet, expliziten Einstellungen leistet einen eigenständigen Vorher-
sie oder er kontrolliere seine Ernährung aus Diätgründen, hat also sagebeitrag über die Prädiktion der einzelnen Einstellungs-
eine explizit eher distanzierte Einstellung zum Essen von Süßig- komponenten hinaus.
13.3  •  Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen
269 13

Die Metaanalyse von Cameron et al. (2012) liefert wie gesagt allerdings behaupten wollte, 90 % unseres Konsumverhaltens sei
nicht nur Evidenz für eine Doppeldissoziation, sondern eben unbewusst gesteuert und damit nicht die Steuerung unserer Mo-
auch für ein additives Modell, in dem einfach die Hinzunahme torik beim Betreten des Ladens meint, dann sollten wir ein wenig
eines indirekten Maßes die Vorhersage durch ein direktes Ein- genauer hinschauen und die Argumentation methodenkritisch
stellungsmaß nennenswert verbessert – ganz gleich um welche beleuchten.2
Art von Verhalten es geht. Für ein interaktives Modell sprechen So ist zunächst zu bedenken, was man von Validitätskoeffizi-
Befunde, in denen zum Beispiel die eine Einstellungskomponente enten sinnvollerweise erwarten kann, die auf indirekten Maßen
unterschiedliche Vorhersagebeiträge zum Verhalten leistet, je beruhen. Das charakteristische Merkmal eines solchen Messver-
nachdem, ob sie mit der anderen übereinstimmt oder davon ab- fahrens ist, dass es das interessierende Konstrukt auf einem Um-
weicht (für einen Überblick vgl. Perugini et al. 2010). weg ansteuert. Und auf diesem Umweg misst jedes dieser Ver-
Gleichwohl sind Befunde, die ein Modell der Doppeldissozi- fahren natürlich auch unfreiwillig eine Menge Aspekte, die mit
ation stützen, besonders hervorzuheben, denn sie sind praktisch dem interessierenden Konstrukt nichts zu tun haben. Um beim
kaum außerhalb eines Zwei-Prozess-Denkens zu erklären – und IAT zu bleiben: Die Probanden werden eben nicht gefragt, wie
stützen infolgedessen diese Modellvorstellung besonders nach- sie über die übergeordneten Kategorien denken – sie sollen nur
drücklich. Die meisten anderen Vorhersagemuster sind sowohl einzelne Stimuli in diese Kategorien einordnen. Darin und in der
unter der Annahme nur eines Einstellungssystems als auch unter Kombination zweier solcher Aufgaben besteht der Umweg. Aber
der Zwei-Prozess-Annahme erklärbar (Perugini et al. 2010). auf diesem Umweg tun sich weitere Varianzquellen auf: Unter-
schiede in der Bewertung der Stimuli (z. B. Felser 2010, S. 86 f.),
unterschiedliche Fähigkeiten, die Ähnlichkeit von aufeinander-
13.3.6 Bewertung indirekter Verfahren folgenden Aufgaben für eine schnelle Bearbeitung auszunutzen
(z. B. Mierke und Klauer 2003), Unterschiede in der Fähigkeit
Ich möchte mit der vorausgegangenen Darstellung keinen Zwei- (und der Eignung der Stimuli), die Kategorisierungsaufgabe um-
fel daran lassen, dass implizite Einstellungen eines der wichtigs- zudeuten und damit zu erleichtern (Wentura und Rothermund
ten Konzepte für die Konsumentenpsychologie sind und dass 2007), die ihrerseits zusammenhängen mit Unterschieden in der
indirekte Verfahren der Einstellungsmessung damit auch zu den Intelligenz (von Stülpnagel und Steffens 2012).
wertvollsten Werkzeugen der Konsumentenforschung gehören. Diese und noch weitere Einflüsse auf das Ergebnis beein-
Die Fortschritte auf dem Gebiet der unbewussten Informations- trächtigen nicht nur – wie oben schon dargelegt – die interne
verarbeitung und automatischen Verhaltenssteuerung gehören zu und Konstruktvalidität des Verfahrens. Eine indirekte Messung
den interessantesten und anregendsten Beiträgen der Psychologie ist wegen solcher Einflüsse in erster Linie einmal weniger reliabel
aus den letzten Jahren, und es werden sicher noch weitere Fort- als eine direkte – sie enthält ja beinahe schon notwendig mehr
schritte in diese Richtung folgen. Fehlervarianz. Dies zeigt sich natürlich auch für die berichte-
Aber Einblicke in unbewusste Prozesse der Konsumenten ten Verfahren. So wurde die Metaanalyse von Hofmann et al.
laden natürlich auch zu plakativen Darstellungen und Interpre- (2004) ausschließlich mit Daten des IAT durchgeführt – eben
tationen ein, bei denen die wissenschaftliche und methodische wegen der geringen Reliabilität anderer indirekter Verfahren. Die
Distanz fehlt. Dies geschieht in großem Umfang mit vielen Bei- relativ hohe Reliabilität des IAT gilt aber nur für seine interne
spielen der automatischen Verhaltenssteuerung aus dem Pri- Konsistenz (für den IAT und die AMP wurden jeweils interne
ming-Paradigma, wie ich sie in ▶ Kap. 6 vorgestellt habe, und Konsistenzen von bis zu .80 berichtet; Gawronski 2009). Die Test-
das ist selbstverständlich auch mit den Befunden zur Verhaltens- wiederholungsreliabilität ist beim IAT keineswegs überragend
steuerung durch implizite Einstellungen geschehen. (berichtet werden Koeffizienten zwischen rtt = .50 und rtt = .70;
Ein Beispiel für eine solche Überinterpretation besteht etwa Gawronski und Conrey 2004).
in dem folgenden Argument: „Wenn Metaanalysen zeigen, dass Die geringe Reliabilität indirekter Verfahren sollte man im
die Korrelation zwischen impliziten und expliziten Einstellungen Hinterkopf haben, wenn man das Ausmaß unbewusster Ein-
im Mittel nur bei r = .24 liegt, dann bedeutet das im Umkehr- flüsse auf unser Verhalten aus der Korrelation zwischen impli-
schluss, dass der weitaus größte Teil des Verhaltens durch un- ziten und expliziten Einstellungen herleitet. Es stimmt zwar,
bewusste Einstellungen gesteuert wird.“ Dieser Argumentation dass die weitaus meiste Varianz in IAT-Ergebnissen (und allen
ist zunächst insofern zuzustimmen, als natürlich der größte Teil möglichen anderen indirekten Verfahren, einschließlich neu-
des Verhaltens unbewusst gesteuert wird (vor allem wenn man rologischer Daten) nicht durch selbstberichtete Einstellungen
vegetatives Verhalten, routinierte Motorik, Reflexe und Ähnli- vorhergesagt werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass diese
ches einbezieht). Dies liegt freilich nicht ausgerechnet daran, nicht vorhergesagte Restvarianz ein sinnvolles Maß für unbe-
dass der Zusammenhang zwischen expliziten und impliziten wusste Einstellungen oder nicht bewusste Verhaltenssteuerung
Einstellungen nicht größer ist, als er nun mal ist. Aber anderer- darstellt – immerhin enthält sie nach wie vor 100 % der nicht
seits kann man die niedrige Korrelation zwischen beiden Kon-
zepten immerhin als ein stützendes Argument für die Annahme 2 Ich verzichte hier darauf, konkrete Quellen für diese Argumentation zu
benennen, und möchte es nur bei der Behauptung belassen, dass mir diese
ansehen, dass in der Tat der größte Teil unseres Verhaltens durch
Argumentationsstruktur bereits mehr als einmal begegnet ist. Tatsächlich
unbewusste Prozesse gesteuert wird. soll es hier aber nur darum gehen, das Argument selbst zu kritisieren, und
Nun ist aber wohl das triviale Verständnis von unbewusster das kann ich auch, wenn ich es hier nur als möglich und naheliegend prä-
Verhaltenssteuerung auch gleichzeitig uninteressant. Wenn man sentiere.
270 Kapitel 13  •  Explizite und implizite Einstellungen und ihre Beziehung zum Verhalten

eben geringen Fehlervarianz, die nun einmal mit indirekten wahre Einstellungen (und mehr noch: das „wahre“ oder „eigent-
1 Verfahren einhergehen. liche Selbst“) sein sollen? Immerhin läuft ein wesentlicher Teil
Die Moral an dieser Stelle: Prüfen Sie Schätzungen über den unserer Selbstkontrolle (im Sinne etwa von ▶ Abschn. 5.4) darauf
2 Anteil unbewusster Einflüsse auf unser Konsumverhalten darauf, hinaus, dass wir uns damit selbst verwirklichen. Die Maslow’sche
wie sie begründet werden. Der Einfluss ist sicher nicht gering – Motivationstheorie ist nicht zuletzt deshalb (trotz nur geringer
aber eine Festlegung auf Zahlen wie 70, 80 oder 90 % sollte Sie empirischer Stützung) so populär, weil das Ziel der Selbstaktua-
3 stutzig machen. liserung so einleuchtend ist. Dieser Begriff freilich läuft offenbar
Auch andere Einschränkungen sind zu beachten, wenn man darauf hinaus, dass der Mensch sein Selbst gestaltet und entfaltet
4 Daten aus indirekten Verfahren interpretiert (für einen Über- und damit erst „aktualisiert“, also „verwirklicht“. Nach diesem
blick vgl. Gawronski 2009): So sollte man bedenken, dass die Verständnis ist nicht das auf automatische und unkontrollierte
5 reaktionszeitbasierten indirekten Maße nicht in erster Linie das Reaktionen reduzierte Selbst das „eigentliche“, sondern eben das
Unbewusste, sondern vor allem einmal das Automatische an gestaltete und entfaltete.
der Reaktion betonen. Das alleine schon sollte die Erwartung Von diesen einschränkenden Überlegungen unbeschadet
6 dämpfen, dass man mit Hilfe reaktionszeitbasierter Verfahren gilt aber: Indirekte Verfahren und vor allem die hier disku-
einen „Schlüssel zum Unbewussten“ hätte. Zum anderen inter- tierten reaktionszeitbasierten Maße sind der zurzeit beste und
7 korrelieren unterschiedliche indirekte Maße nicht unbedingt überzeugendste Zugang zu den nicht bewussten Prozessen der
besonders hoch miteinander (z. B. Fazio und Olson 2003), was Informationsverarbeitung, über die wir verfügen. Insbesondere
– neben dem schon bereits diskutierten Reliabilitätsproblem – ist hervorzuheben, dass man mit ihrer Hilfe Aspekte des Kon-
8 darauf hindeutet, dass sie unterschiedliche Aspekte impliziter sumverhaltens vorhersagen kann, die man mit der bisherigen
Einstellungen betonen. Zum Beispiel hängt die AMP enger als Methodik der Marktforschung nicht vorhersagen konnte.
9 andere Verfahren mit selbstberichteten Einstellungen (r = .30) Für ein abschließendes Argument möchte ich einen kurzen
und Verhaltensmaßen zusammen (r = .35), was vermutlich daran Blick auf reaktionszeitbasierte Verfahren im Vergleich zu neuro-
10 liegt, dass die Reaktion, die in der AMP verlangt wird, tatsächlich logischen Maßen werfen. Daten über Hirntätigkeiten enthalten
eine evaluative ist (wenn auch nicht auf das Einstellungsobjekt) selbstverständlich auch indirekte Hinweise auf mentale Prozesse.
und daher der Automatismus, den die AMP misst, dem eigent- Allerdings haben die Daten der Neuroforschung gegenüber den
11 lich interessierenden Konstrukt mehr entspricht, als das in ande- oben vorgestellten Maßen einen entscheidenden Nachteil: Zum
ren Verfahren der Fall ist (Cameron et al. 2012). einen besteht hier ja noch das Problem, dass neurologische Pro-
12 Indirekte Maße sind zwar besonders sensibel gegenüber be- zesse etwas anderes sind als mentale und dass das eine erst noch
sonders früh erworbenen und tief verwurzelten Einstellungen in das andere übersetzt werden muss (▶ Abschn. 1.8.2). Aber
(z. B. Rudman et al. 2007), allerdings haben sich auch durchaus selbst wenn man es für unproblematisch halten würde, aus Ge-
13 schon Effekte nachweisen lassen, wenn Einstellungen nur kurz- hirnaktivitäten direkt auf Prozesse der Informationsverarbeitung
fristig manipuliert wurden (Gawronski 2009). Insofern garantiert zu schließen, braucht man doch immer noch ein Außenkriterium
14 der indirekte Zugang über automatische Reaktion nicht, dass auf dafür, dass der Proband auf diesen und nicht jenen Stimulus re-
diesem Weg besonders tiefgehende oder gar stabile Einstellungen agiert und dass er dieser und nicht jener Instruktion gefolgt ist.
15 gemessen werden. Die Hirndaten selbst können solche Fragen nicht entscheiden,
Indirekte Maße sind – wie bereits erwähnt – auch nicht im- ihnen sieht man die Inhalte der Informationsverarbeitung nicht
mun gegen absichtliche Verfälschung bzw. gegen die Tendenz, an. Die zitierten Außenkriterien für die eigentlich interessieren-
16 sozial erwünscht zu antworten. Allenfalls kann man zeigen, den mentalen Prozesse können durchaus aus dem Reaktions-
dass indirekte Verfahren deutlich weniger von diesen Einflüs- zeitparadigma kommen – oder aber aus anderen Maßen, denen
17 sen betroffen sind (Gawronski 2009). Allein schon aus diesen eine psychologische Modellvorstellung über die untersuchten
Gründen darf man sie nicht als „Lügendetektoren“ ansehen. mentalen Prozesse zu Grunde liegt. Nur über solche Modelle –
Dem widerspricht auch noch ein anderes Argument: Indirekte und die entsprechenden Außenkriterien – ist es zum Beispiel
18 Reaktionszeitmaße sind zwar in der Tat in der Lage, zwischen möglich, bestimmte Hirnstrukturen als „Belohnungs-“ oder
Personen zu differenzieren, die dazu neigen, Kinder sexuell zu andere als „Schmerzzentrum“ zu bezeichnen. Die Qualität der
19 missbrauchen, und Personen, die das nicht tun. Die Basis der neurologischen Daten steht und fällt dann mit der Qualität dieser
Differenzierung kann hierbei die Assoziation zwischen „Kind“ psychologischen Modelle.
20 und „Sex“ sein. Diese Assoziation ergibt sich aber – tragischer- Zugegeben: Bei den reaktionszeitbasierten Verfahren
weise – auch bei den Opfern dieser Art von Kindesmisshandlung, herrscht noch Uneinigkeit, über welche Prozesse ihre Ergeb-
so dass der Effekt auch auf den – ebenfalls tragischen – Umstand nisse zustande kommen (▶ Abschn. 13.3.3). Aber die Tatsache
21 zurückgehen könnte, dass manche Täter früher selbst Opfer wa- dass man sich über diese Fragen überhaupt unterhalten kann, ist
ren (zusammenfassend vgl. Gawronski 2009). Anders gesagt: Die ja gerade ein besonderer Vorzug der diskutierten Reaktionszeit-
22 Assoziation selbst sagt noch nichts darüber aus, wie sie zustande verfahren gegenüber Neurodaten: Man kann sich quasi innerhalb
gekommen ist. desselben Idioms, das schon zur Entwicklung der Messmethode
Schließlich wird man nicht wirklich folgern können, dass geführt hat, darüber unterhalten, was bei der Anwendung die-
23 die impliziten Einstellungen die „wahren“ sind. Dem widerspre- ser Methode vor sich geht. Bei der Interpretation neurologischer
chen nicht nur die bereits genannten Argumente (mindestens Daten muss man hierzu die Beschreibungsebene – in gewissem
zum Teil). Darüber hinaus ist natürlich zu fragen, was eigentlich Sinne also die Sprache – wechseln.
13.3  •  Automatische Einstellungen und implizite Assoziationen
271 13

Die Bedeutung reaktionszeitbasierter Verfahren mag man


auch daran ablesen, dass reaktionszeitbasierte Verfahren wie
beispielsweise der IAT immer wieder unter neurologische Ver-
fahren bzw. besonders unter die Methoden des Neuromarketings
subsumiert werden (z. B. Egner und Netz 2011, S. 551). Das sollte
für uns freilich nur als Kuriosum gelten, denn ganz offensichtlich
nutzt der IAT weder neurologische Daten, noch beziehen sich die
Modelle über sein Funktionieren auf Hirnprozesse (z. B. Witten-
brink und Schwarz 2007; siehe auch ▶ Abschn. 1.8.2).
273 14

Einstellungsänderung
Georg Felser

14.1 Einstellungsänderung durch Kommunikation:


Zwei Wege zur Beeinflussung  –  274
14.1.1 Das Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit  –  274
14.1.2 Heuristische und systematische Informationsverarbeitung  –  277
14.1.3 Zwei-Prozess-Modelle: Wie wird das Publikum verarbeiten?  –  278
14.1.4 Die Rolle von Argumenten in der beeinflussenden Kommunikation  –  278

14.2 Strategien der Einstellungsänderung  –  279


14.2.1 Glaubwürdigkeit – 280
14.2.2 Zweiseitigkeit der Information  –  281
14.2.3 Immunisierung einer Einstellung gegen Beeinflussung  –  284
14.2.4 Explizite Schlussfolgerungen – 285
14.2.5 Selbstüberredung – 285

14.3 Das Wissen um die Beeinflussungsabsicht  –  286


14.3.1 Widerstand gegen Beeinflussung  –  286
14.3.2 Das Persuasion Knowledge Model  –  287

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
274 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

Zusammenfassung: ist, dessen Meinung zählt mehr als die einer unsympathischen
1 1. Die Empfänger einer beeinflussenden Kommunikation können Person“ oder „Wenn es ein Experte sagt, muss es wahr sein“.
die darin präsentierten Argumente tief oder oberflächlich ver-
2 arbeiten. Eine Einstellungsänderung nach tiefer Verarbeitung
folgt der „zentralen Route der Überredung“, eine Einstellungs- 14.1.1 Das Modell
änderung nach oberflächlicher Verarbeitung dagegen der „pe- der Elaborationswahrscheinlichkeit
3 ripheren Route“.
2. Auf der zentralen Route zählt für die Einstellungsänderung vor Der erstgenannte Weg, zu einer Einstellungsänderung zu ge-
4 allem die Qualität der Argumente. Auf der peripheren Route langen, wird von Petty und Cacioppo (1986) als der „zentrale
spielen zusätzlich andere Gesichtspunkte eine Rolle, zum Bei- Weg der Überredung“ beschrieben. Der zweite Weg würde die
5 spiel die Attraktivität des Kommunikators, sein Auftreten oder „periphere Route der Überredung“ genannt werden, weil hier
sein Ruf sowie die Menge der Argumente unabhängig von der eine Reihe von Gesichtspunkten eine Rolle spielen, die mit den
Qualität. eigentlichen Argumenten nicht viel zu tun haben.
6 3. Ob der zentrale oder periphere Weg der Überredung eingeschla- Eine der wichtigsten Fragen an eine beeinflussende Kommu-
gen wird, hängt vor allem ab von der Fähigkeit und Gelegenheit nikation ist nun: Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Person über
7 der Person zu einer tieferen kognitiven Verarbeitung sowie von die Kommunikation nachdenkt, dass sie Argumente verarbeitet
ihrer Motivation bzw. Involvement. bzw. elaboriert? Die Frage nach der Wahrscheinlichkeit dieses
Nachdenkens ist für Petty und Cacioppo (1986) so zentral, dass
8 4. Beeinflussende Kommunikation ist unter folgenden Bedingun-
gen besonders erfolgversprechend: sie ihren Ansatz danach benennen: Elaboration Likelihood Mo-
– wenn keine oder nur eine geringe Beeinflussungsabsicht del (ELM; Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit).
9 unterstellt wird; Wenn die Person viel nachdenkt, nimmt die Überredung die
– wenn bei dem Beeinflussungsversuch nicht nur die Vorteile zentrale Route; denkt sie wenig, schlägt die Überredung den peri-
10 der angepriesenen Position genannt werden, sondern auch pheren Weg ein. Auf dem zentralen Weg der Überredung zählen
deren Nachteile; vor allem Argumente. Eine Position kann mit starken und mit
– wenn das Publikum auf Gegenargumente vorbereitet, schwachen Argumenten verfochten werden. Wenn man starke
11 gleichsam dagegen „geimpft“ wird; Argumente vorzuweisen hat, profitiert man unbedingt davon,
– wenn das Publikum die entscheidenden Schlussfolgerungen dass das Publikum diese Argumente zur Kenntnis nimmt und
12 nicht selbst ziehen muss; verarbeitet. Sind die Argumente schwach, sollte man sich nach
– wenn das Publikum in die Beeinflussung einbezogen wird. stützenden Randbedingungen umsehen.
Was sind schwache, was sind starke Argumente? Petty und
13 5. Konsumenten sind sich durchaus bewusst, dass Marketinginfor-
mationen mit einer Beeinflussungsabsicht gegeben werden. Aus Cacioppo (1986, S. 32 ff.) lassen Versuchspersonen in Normie-
diesem Bewusstsein kann sich eine generelle Abwehrhaltung rungsstudien darüber entscheiden, welche Argumente sie für
14 gegenüber beeinflussenden Inhalten ergeben. Allerdings dul- stark und welche sie für schwach halten. Die Ergebnisse solcher
den und akzeptieren Konsumenten ein gewisses Maß an beein- Normierungen sind meist leicht nachvollziehbar. Ein Beispiel für
15 flussenden Strategien von Seiten der Werbung. In der direkten unterschiedlich starke Argumente aus einer Studie von Huddles-
Interaktion nutzen Konsumenten die Beeinflussungssituation ton (1985; zit. n. Petty und Cacioppo 1986, S. 54 ff.): „Der Füll-
auch für ihre eigenen Zwecke. federhalter OMEGA III. Dieses Schreibgerät von erlesenem Lu-
16 xus enthält eine spezielle Tinte, die absolut schmierfest ist und
Das vorangegangene Kapitel hat sich mit der Struktur von Ein- die man ohne Mühe mit einem normalen Radiergummi wieder
17 stellungen – und vor allem mit dem Unterschied von expliziten ausradieren kann. Zudem sei erwähnt, dass auch der Präsident
und impliziten Einstellungen – beschäftigt. Im Folgenden soll es einen OMEGA III benutzt, wenn er Abkommen unterzeichnet.
nun um ein Thema gehen, das einer Werbepsychologie besonders Und der OMEGA III schwimmt, wenn man ihn ins Wasser fallen
18 naheliegt: der Beeinflussung von Einstellungen. lässt.“ Welches sind nun die starken und welches die schwachen
Argumente?
19 Schwache Argumente profitieren von Ablenkung. Zur Ab-
14.1 Einstellungsänderung lenkung von Konsumenten werden beispielsweise in Werbespots
20 durch Kommunikation: Zwei Wege verschiedene Mittel eingesetzt, etwa Musik, verfremdete Bilder,
zur Beeinflussung ungewöhnliche Kameraperspektiven, schnelle Schnitte und über-
haupt ein hohes Darbietungstempo. Diese Maßnahmen senken
21 Stellen wir uns vor, wir verfolgen eine Fernsehansprache. Wir nachweislich das Involvement der Betrachter (Yoon et al. 1999;
können uns die Mühe machen, das, was der Redner im Fernsehen siehe auch ▶ Exkurs 14.1). Einen Vorteil verspricht das aber nur
22 behauptet hat, zu überprüfen und über seine Argumente nachzu- bei schwachen Argumenten. Wer starke Argumente hat, muss
denken. Aber sind wir ehrlich – tun wir das bei allem, wozu wir schon ziemlich dämlich sein, wenn er sein Publikum durch Ab-
uns eine Meinung bilden? Was wir am Ende von einer beeinflus- lenkung davon abhalten will, diese Argumente zu prüfen. So er-
23 senden Kommunikation übernehmen, hängt sehr oft von ganz klärt sich der Widerspruch, dass manche Werbepraktiker (z. B.
einfachen Gedankengängen ab, gedanklichen Abkürzungen, Heu- Ogilvy 1984) keine guten Erfahrungen mit ablenkenden Elemen-
ristiken. Solche Heuristiken wären etwa: „Wer mir sympathisch ten in ihrer Werbung gemacht haben (Festinger und Maccoby
14.1  •  Einstellungsänderung durch Kommunikation: Zwei Wege zur Beeinflussung
275 14

Exkurs 14.1  Das Tempo der Darbietung  |       | 


Spätestens seit den Experimenten von LaBar- Effektivität beruht wohl eher auf der Tatsache, noch schneller zu sprechen, als sie es ohnehin
bera und MacLachlan (z. B. 1979) wird die Dar- dass ein kürzerer Spot grundsätzlich weniger schon tut. Eine künstliche Temposteigerung
bietungsgeschwindigkeit von Werbespots als Zeit zur Verarbeitung lässt. Das kann unter von 15 % wird in der Regel überhaupt nicht
ein wichtiger Faktor diskutiert, mit dem sich Umständen bedeuten, dass der Spot geringere als unnatürlich empfunden. Die Methode der
die Effektivität der Werbung erhöhen lässt. In Gedächtnisspuren hinterlässt. Wichtiger ist Wahl besteht ohnehin nicht im schnelleren
den frühen Experimenten wurden Versuchs- aber, dass auch andere kognitiven Reaktionen Abspielen, sondern im gezielten Löschen auch
personen verkürzte Werbespots dargeboten. schwächer ausfallen. Während der Zuschauer der geringsten Sprech- und Atempausen, wie
Sie wurden in vollem Umfang gezeigt, jedoch bei normalem Tempo Gegenargumente zu der eine Meldung im Nachrichtenmagazin Focus
waren Sprech- und Bildgeschwindigkeit Werbeinformation generiert hätte, bietet sich (6/2000, S. 240) unter dem Titel „Schneller
jeweils höher. Es zeigte sich, dass die Erinne- ihm dazu in der Kurzversion kaum Gelegenheit reden, mehr Werbung“ zeigt: „Im Dienste des
rungsleistung an die verkürzten Spots etwas (Moore et al. 1986). Profits sollen amerikanische Radiosprecher
höher lag als an die Spots in normaler Länge Zudem vermittelt schnelles Sprechen den künftig schneller reden: Eine neue Computer-
(um 36 % für freies Erinnern und um 40 % beim Eindruck von Kompetenz, Überzeugung, Ent- technik kann Sprechpausen und bestimmte
unterstützten Erinnern). Spätere Untersu- husiasmus und Energie (vgl. auch Clark 1989, Wörter digital so komprimieren, dass mehr
chungen zu Fernsehen und Radio erbrachten S. 132). Vor allem wird einer schnell sprechen- Zeit für Werbepausen bleibt. Bis zu vier Minu-
allerdings keine einheitlichen Belege für einen den Person eher abgenommen, dass sie weiß, ten extra liefert das Softwareprogramm Cash
besonderen Gedächtniseffekt (Mayer 1993, wovon sie redet. Die technische Unterstüt- pro Stunde. Bereits 50 US-Radiostationen
S. 152 ff.). Vermutlich hat man mit dem Ge- zung ist hierbei sehr nützlich. Es ist einfacher, setzen den profitablen Helfer ein – zum Teil
dächtnismaß nicht die entscheidende Wirkdi- ein Band mit gesprochener Sprache schneller ohne Wissen ihrer Moderatoren.“
mension beschleunigter Spots betrachtet. Die laufen zu lassen, als eine Person zu bitten,

1964; Osterhouse und Brock 1970; Petty et al. 1976; Pratkanis schiedliches Involvement bestimmt ganz wesentlich das Ausmaß,
und Aronson 1992, S. 139 ff.; Frey und Eagly 1993). in dem wir uns mit Argumenten zu einer Sache beschäftigen. Stel-
Auf dem peripheren Weg beeinflussen immer mehr äußere len Sie sich vor, Sie hätten gestern beschlossen, eine Spülmaschine
Reize, die nichts mit den Inhalten der Kommunikation zu tun zu kaufen. Seit diesem Augenblick gehen Sie mit Informationen
haben, die Verarbeitung. Diese Äußerlichkeiten regen die oben zu Spülmaschinen anders um. Einerseits sind Sie eher bereit, sich
angesprochenen automatischen Denkprozesse, die Anwendung überhaupt eine Meinung zu Spülmaschinen zu bilden. Anderer-
einfacher Heuristiken an. Daher nennt man sie auch „Hinweis- seits nutzen Sie zu dieser Meinungsbildung auch andere Informa-
reize“. Ein solcher Hinweisreiz ist zum Beispiel die Beliebtheit tionen als zuvor. Viele eher nebensächliche Dinge, die sonst einen
eines Kommunikators. Wenn eine beliebte Person eine Einstel- Einfluss auf Ihr Urteil gehabt hätten, treten zurück. Petty und
lung vertritt, dann hat ihre Beliebtheit nichts mit dem Inhalt der Cacioppo (1986, S. 142 ff.; vgl. auch Petty et al. 1983) nennen ein
Einstellung zu tun. Trotzdem wird die Beliebtheit einen Einfluss ganze Reihe von äußeren Merkmalen, von Hinweisreizen, die an
darauf haben, wie das Publikum die Informationen verarbeitet.
Der Grad der kognitiven Verarbeitung entscheidet also dar-
über, welchen Stellenwert in einer beeinflussenden Kommunika-
tion die Argumente und welchen die Hinweisreize bekommen.
-
Wirkung einbüßen, sobald die Zielpersonen hoch involviert sind:
Expertenstatus des Kommunikators: Bei hohem Invol-
vement werden auch diejenigen Argumente noch geprüft,
die von einem Experten stammen und die bei geringem
Stellen wir uns also noch einmal die Frage: Woran liegt es, wenn Involvement weitgehend ungeprüft ihre Wirkung entfaltet
eine beeinflussende Kommunikation tief verarbeitet wird? Die
wichtigsten Determinanten der Weiterverarbeitung sind Fähig-
keit und Motivation der Zielpersonen. Zunächst einmal muss eine
Person in der Lage sein, die Information weiterzuverarbeiten. Die
- hätten.
Beliebtheit und Attraktivität des Kommunikators: Tritt eine
beliebte Person in der Werbung auf und verbreitet schlechte
Argumente, kann die Beliebtheit normalerweise diesen
Information darf nicht so kompliziert sein, dass sie schon ganz zu schwächenden Effekt von schlechten Argumenten ein
Anfang die Waffen streckt – ein Phänomen, das bei komplizier- wenig abfangen. Aus dem Munde einer beliebten Person
ten Produkten wie etwa einer Lebensversicherung häufig der Fall klingen eben auch schlechte Argumente noch überzeugend.
ist, so dass oft ausgerechnet bei diesen eigentlich sehr wichtigen Dieser Effekt ist nicht mehr zu erwarten, wenn die Zielper-
Kaufentscheidungen paradoxerweise periphere Merkmale der
Kommunikation den Ausschlag geben (Rossiter und Percy 1987).
Außerdem darf die Person weder ein störendes Geräusch noch
ihre eigene intellektuelle Minderbegabung daran hindern, der
- sonen hoch involviert sind.
Nonverbales Verhalten des Kommunikators: Grundsätzlich
werden alle Merkmale einer freien ungehemmten Rede von
den Rezipienten als Hinweise auf Glaubwürdigkeit wahr-
Kommunikation zu folgen (Stroebe und Jonas 1990, S. 181 f.). Und genommen. Im Umkehrschluss heißt das: Ein Kommuni-
was soll sie dazu motivieren? Warum sollte sie ein Interesse daran kator, der den Blickkontakt meidet, nicht in die Kamera
haben, sich mit einer Information auseinanderzusetzen? Offenbar schaut oder langsam und gehemmt spricht, ist wenig glaub-
muss es in irgendeiner Weise für die Person wichtig sein, dass sie würdig. Auch Merkmale der Körperhaltung und Mimik, die
sich eine Meinung über ein Thema bildet. Das ist zum Beispiel Unsicherheit ausdrücken, werden als Zeichen für geringe
der Fall, wenn das Thema einen Einfluss auf ihr Leben hat, wenn Glaubwürdigkeit gewertet. Im selben Sinne wird die Frage
sie also in das Thema involviert ist (Petty und Cacioppo 1986; gewertet, ob man sehen kann, dass er ein Manuskript be-
Kroeber-Riel 1992; Zuwerink und Devine 1996). Unser unter- nutzt oder nicht. Wird durch eine geringe Änderung einer
276 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

1 beeinflussende
Kommunikation
- Serielle Position der Argumente: Hovland (1957) zufolge
sind analog zum Primacy-Recency-Effekt (▶ Abschn. 4.6.1)
die erst- und letztgenannten Informationen einer Reihe
2 überzeugender als die in der Mitte. Dieser Effekt gelte aber

3 Motivation
oberflächliche
- nur bei geringem Involvement.
Angenehme Musik: In Entscheidungs- und Bewertungssitu-
ationen wirkt angenehme Musik als Hintergrundkontext.
Die Bewertung eines Produkts ist aber eher bei geringem
4 gering
hoch Verarbeitung Involvement durch Musik zu beeinflussen.
der Argumente

5 Kompetenz Der Grundgedanke des ELM wird in . Abb. 14.1 zusammen-


gefasst (vgl. auch Petty und Cacioppo 1986, S. 4). Die entschei-
hoch denden Weichen werden gestellt, wenn über die Motivation und
6 periphere über die Kompetenz zur elaborierten Verarbeitung entschieden
Elaboration der Merkmale der ist. Wichtig ist außerdem, dass keiner der beiden Wege a priori
7 Argumente Kommunikation,
z. B. Anzahl der
mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einer Einstellungsänderung
führt. Nur der Grund für die Einstellungsänderung ist auf der
Argumente,
peripheren Route ein anderer als auf der zentralen.
8 Darbietungs-
Auf dem zentralen Weg zählen die Argumente. Das heißt
Qualität der tempo...
auch, dass für eine Verarbeitung auf dem zentralen Weg Gedan-
9 Argumente
ken über das Produkt angeregt werden müssen. Andrews und
hoch hoch Shimp (1990) testeten diese Überlegung, indem sie ihren Pro-
10 banden eine fingierte Anzeige zu einem alkoholreduzierten Bier
präsentierten. Die Hälfte der Probanden erwartete, später eine
Einstellungsänderung größere Produktprobe von diesem Bier zu erhalten, die andere
11 Hälfte nicht. Damit war die eine Gruppe stärker involviert als
die andere. Die Attraktivität der Modelle auf der Anzeige wurde
12 manipuliert; ein Teil der Probanden sah unattraktive Modelle,
gering

gering

keine Einstellungsänderung während der andere Teil dieselben Modelle in attraktiver Aufma-
chung sah. Auch die Stärke der Argumente variierte: Als starkes
13 Argument galt: „Break ist eine gute Wahl, wenn du entspannen
.. Abb. 14.1  Prozessmodell der Elaborationswahrscheinlichkeit (eigene willst, ohne gleich einen schweren Kopf zu kriegen.“ Das schwa-
14 Darstellung nach Petty und Cacioppo 1986). Das Modell geht davon aus, che Argument dagegen: „Break wurde für Biertrinker gemacht“
dass Einstellungen auf zwei unterschiedlichen Wegen verändert werden
können. Allerdings sind Einstellungen, die auf peripherem Weg entstehen,
(Andrews und Shimp 1990; Übers. GF).
15 schwächer als zentral gebildete. In der Tat zeigte sich, dass hoch involvierte Personen mehr
über den Inhalt der Anzeige nachdachten als wenig involvierte
Kameraperspektive plötzlich ein Redemanuskript sichtbar, Personen. Von den Gedanken hing dann die Einstellungsände-
16 sinkt die Glaubwürdigkeit des Sprechers (Kroeber-Riel und rung ab; erwartungsgemäß waren die Kognitionen bei dem star-
Meyer-Hentschel 1982, S. 28; Smith und Shaffer 1991). Sind ken Argument positiver als beim schwachen. Wenig involvierte
17 die Zielpersonen jedoch hoch involviert, fällt das Verhalten Probanden generierten immerhin noch einige Gedanken über
des Kommunikators nicht mehr so stark ins Gewicht, denn die Quelle der Nachricht, etwa über die dargestellten Modelle.
18
19
- nun ist die Qualität seiner Argumente wichtiger.
Glaubwürdigkeit der Informationsquelle: Wenn eine Quelle
im Ruf steht, unrichtige oder verzerrte Informationen zu
verbreiten, wird ihr misstraut. Bei geringem Involvement
Erwartungsgemäß wurden sie eher von den attraktiven als den
unattraktiven Modellen überzeugt.
Das Modell in . Abb. 14.1 enthält eine Vereinfachung, die
zu einem Missverständnis führen kann: Ist die Beeinflussung er-
würde bereits der schlechte Ruf der Quelle genügen, damit folgreich, landet der Rezipient in . Abb. 14.1 auf dem peripheren
20 das Zielpublikum die Information abwertet. Eine solche wie auf dem zentralen Weg im selben Kasten mit der Aufschrift
quasi automatische Abwertung tritt bei hohem Involvement „Einstellungsänderung“. Tatsächlich sind aber Einstellungen, die

21
22
- nicht ein.
Anzahl der Argumente: Die Grundregel „Je mehr Argu-
mente, desto besser“ gilt nur für geringes Involvement. Bei
hohem Involvement kommt es auf die Qualität der Argu-
auf dem zentralen Weg der Überredung entstanden sind, den
peripher entstandenen in allen drei Kriterien der Einstellungs-
stärke überlegen: Sie sind beständiger über die Zeit, resistenter
gegen Beeinflussung und prädiktiver für Verhalten (Petty und
mente an. Ein Zuwachs an schwachen Argumenten schadet Cacioppo 1986).
der Kommunikation sogar. Ein positiver Effekt, der durch Für die Frage, ob man sich beeinflussen lässt oder nicht, ist
23 starke Argumente erzielt wurde, kann geschwächt werden, das Involvement wichtiger als die Kenntnis der psychologischen
wenn man schwache Argumente hinzunimmt (vgl. auch Mechanismen, die zur Beeinflussung beitragen. Anders ausge-
Petty und Cacioppo 1984). drückt: Es nützt uns nicht viel, wenn wir bestimmte Überzeu-
14.1  •  Einstellungsänderung durch Kommunikation: Zwei Wege zur Beeinflussung
277 14

gungsstrategien durchschaut haben. In einer konkreten Situa- Außer dem Involvement des Konsumenten bestimmen auch
tion, der wir nur mit geringem Involvement begegnen, sind diese Merkmale des Spots die Wahrscheinlichkeit, mit der es zu einer
Strategien des peripheren Wegs bei uns genauso wirksam wie bei tieferen Verarbeitung der beeinflussenden Informationen einer
psychologischen Laien. Nun lässt sich leicht der Fall denken, dass Werbung kommt. Beispielsweise regen Spots, die eine Handlung
das Involvement die meiste Zeit niedrig ist und dann punktuell haben, eine weniger rationale Informationsverarbeitung an als
ansteigt. Die Spülmaschine ist ein gutes Beispiel. Man kauft nur Spots ohne Handlung (Deighton et al. 1989). Ebenso stimulieren
selten eine. Daher ist auch das Involvement gegenüber Spülma- rhetorische Fragen, die der Produktinformation folgen, eine tie-
schinen zumeist niedrig. Wenn wir glauben, eine Sache betrifft fere Verarbeitung der Informationen (Howard 1990).
uns nicht, dann erreichen uns die Überzeugungsversuche auf pe-
ripherem Weg. Auch wenn wir wissen, dass wir beeinflusst wer-
den sollen, ist die Wirkung der beeinflussenden Kommunikation 14.1.2 Heuristische und systematische
nicht verringert, solange wir die Inhalte nicht auf uns selbst an- Informationsverarbeitung
wenden (Petty und Cacioppo 1979). Praktisch heißt das, gerade
in Bezug auf Spülmaschinen sind wir in der meisten Zeit unseres Das ELM geht davon aus, dass zwei verschiedene Wege zur Be-
Konsumentenlebens leicht beeinflussbar. Und die Überzeugungs- einflussung führen können. Eine konkurrierende theoretische
arbeit, die zu Zeiten geringen Involvements geleistet wurde, wirkt Idee, die ebenfalls von zwei unterschiedlichen Beeinflussungs-
auch noch, wenn das Involvement bei gegebenem Anlass steigt. prozessen ausgeht, stammt von Chaiken (1987). Sie unterscheidet
Stimmungen spielen im ELM sowohl auf dem zentralen eine heuristische und eine systematische Art der Informations-
als auch auf dem peripheren Weg eine Rolle (Petty et al. 1988). verarbeitung – und meint damit etwas sehr Ähnliches wie Petty
Die Stimmung der Rezipienten von Werbung ist eine wichtige und Cacioppo (1986) mit der peripheren und zentralen Route
Größe, die in verschiedenen Werbesituationen systematisch va- der Verarbeitung.
riiert. Man denke nur daran, dass Werbung häufig in Kontexte Die Unterschiede zwischen den beiden Modellen sind nicht
gestellt wird, in der die Stimmung der Rezipienten stark beein- sehr groß. Für unsere Zwecke soll daher nur ein Punkt hervorge-
flusst wurde, zum Beispiel wenn die Werbung einen Spielfilm un- hoben werden, der allerdings einiges Interesse verdient: Während
terbricht. Die Unterbrechung selbst kann ihrerseits wieder eine für Petty und Cacioppo (1986) immer nur einer der beiden Pro-
Stimmung erzeugen. In anderen Situationen wie etwa im Kino zesse in Frage kommt, geht Chaiken (1987) von der Möglichkeit
wird die Werbung an Rezipienten weitergegeben, die ebenfalls in aus, dass sich die Effekte der beiden Verarbeitungsmodi mischen
einer charakteristischen Weise eingestimmt sind. können. Es geht also mit anderen Worten um die Frage: Wirken
Die Forschungsbefunde deuten dahin, dass traurige, depres- periphere Reize wie zum Beispiel ein attraktiver, selbstsicherer
sive oder missgestimmte Personen zu einer tieferen kognitiven und glaubwürdiger Kommunikator auch auf jene Personen, die
Verarbeitung neigen als Personen in Hochstimmung (Bless et al. die Argumente konzentriert und kompetent prüfen? Und: Wir-
1990). Das kann dazu führen, dass depressiv gestimmte Personen ken starke Argumente auch auf abgelenkte Personen?
weniger durch unwesentliche Hinweisreize zu beeinflussen sind Die letztere Frage lässt sich mit den oben berichteten Befun-
als hochgestimmte Personen. Es finden sich aber auch Hinweise den von Andrews und Shimp (1990, S. 195) positiv beantworten.
darauf, dass depressiv gestimmte Personen grundsätzlich mehr Aus ihren Ergebnissen zu Anzeigen für ein alkoholreduziertes
Informationen nutzen als hochgestimmte (Bohner et al. 1994). Bier resümieren die Autoren: „Central route attitude change was
Nach diesem Befund unterliegen schlecht gestimmte Personen influenced by message cognitions, while peripheral route atti-
durchaus auch dem Einfluss nebensächlicher Informationen. tude change was determined by both message cognitions and
Schließlich sprechen einige Befunde dafür, dass hochgestimmte simple perceptions of the source.“ Die heuristisch bzw. peripher
Personen unter gewissen Bedingungen doch zu einer gründli- verarbeitenden Personen waren also gegenüber der Qualität der
chen Informationsverarbeitung bereit sind, zum Beispiel wenn Argumente keineswegs blind.
sich aus der Information selbst wieder angenehme, stimmungs- Aber auch Konsumenten, die über die in der Werbung ge-
steigernde Konsequenzen ergeben (Wegener et al. 1995). Der nannten Argumente nachdenken, sind nicht gegen den Einfluss
Verarbeitungsunterschied zwischen den verschiedenen Stim- peripherer Merkmale immun. In einer Untersuchung von Heath
mungslagen ist also nicht gleichzusetzen mit einer geringeren et al. (1994) sollten die Probanden zwei konkurrierende Produkte
Beeinflussbarkeit depressiv gestimmter Menschen oder gar einer miteinander vergleichen. Wenn der Vergleich dazu führte, dass
grundsätzlich höheren Bereitschaft, den zentralen Weg der Be- die Probanden die Produkte für gleichwertig hielten, gab die Be-
einflussung einzuschlagen. rühmtheit des Kommunikators den Ausschlag für die Produkt-
Bless und Schwarz (1999) gehen davon aus, dass bei positiver bewertung.
Stimmung die Neigung zu einer heuristischen Informationsver- Periphere Merkmale werden also auch beachtet, wenn die
arbeitung (also einer Verarbeitung auf peripherem Weg) wahr- Informationen eigentlich systematisch und nicht heuristisch
scheinlich ist. Den Grund hierfür sehen sie darin, dass wir uns verarbeitet werden. Dies spielt eine große Rolle in einer Konsu-
in unbedrohlichen Situationen auf unsere normalen Wissens- mumgebung, bei der die konkurrierenden Produkte einander
strukturen verlassen und erwarten, mit bewährten Faustregeln zunehmend ähneln und die Konsumenten keine wesentlichen
auszukommen. Diese Erklärung schließt nicht aus, dass wir bei Unterschiede in der Qualität mehr erwarten. Dann nämlich
Bedarf bzw. nach Aufforderung auch andere Verarbeitungswege kommt den peripheren Merkmalen gleichsam die Rolle des
einschlagen (weitere Argumente hierzu in ▶ Abschn. 5.2.2). „Züngleins an der Waage“ zu – und es wird eben doch zuguns-
278 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

ten der Produkte entschieden, die mit dem netteren Beiwerk eher auf die zentralen bzw. systematischen Verarbeitungsprozesse
1 daherkommen. zu bauen (Gawronski und Erb 2001).
Die Frage, welches Modell eher gültig ist, lässt sich mit den
2 angeführten Beispielen nicht endgültig klären. Keller et al. (2000)
legen korrelative Daten vor, die eher mit dem ELM verträglich 14.1.4 Die Rolle von Argumenten in der
sind. Sie erfassten bei ihren Probanden die Neigung zu einem beeinflussenden Kommunikation
3 aufwendigen, zentralen Verarbeitungsmodus (need for cognition;
▶ Abschn. 16.3.1), die Neigung zu einer intuitiven Informations- Petty und Cacioppo (1986) weisen der Qualität von Argumenten,
4 verarbeitung und die Bereitschaft, bestimmte Heuristiken für also bestimmten bewertbaren Wissensinhalten, in der beeinflus-
Entscheidungen zu nutzen. Wenn Heuristiknutzung gleichzei- senden Kommunikation eine wichtige Rolle zu. Die Psychologie
5 tig mit der zentralen Verarbeitung einhergehen kann, dürften hat unter der Überschrift „motivierte Informationsverarbeitung“
die beiden Verarbeitungsstile nicht korreliert sein. Tatsächlich (motivated reasoning; Kunda 1990) eine Vielzahl von Belegen
korrelierte aber die Zustimmung zu bestimmten heuristischen zusammengetragen, dass Menschen eher dazu neigen, das zu
6 Entscheidungsstilen und die need for cognition-Skala signifikant glauben, was ihnen auch in den Kram passt. Damit scheint das
negativ zwischen r = −22 und r = −34 (p < .01). Wer also Informa- Akzeptieren und Zurückweisen von Argumenten ein willkürli-
7 tionen eher aufwendig und elaboriert verarbeitete, war gleich- ches Element zu erhalten.
zeitig auch weniger bereit, grobe Faustregeln zu benutzen. Die Andererseits ist aber auch nicht in das Belieben des Einzel-
beiden Verarbeitungsstile schlossen sich also tendenziell gegen- nen gestellt, was er glaubt und für wahr hält. Das Einsehen und
8 seitig aus. Akzeptieren von Argumenten ist ein Widerfahrnis, das heißt, es
beruht auf unwillkürlichen Prozessen, die zwar motiviert sind,
9 die aber keineswegs auf Entscheidungen beruhen. Dies zeigt sich
14.1.3 Zwei-Prozess-Modelle: Wie wird das besonders eindrucksvoll bei Argumenten, gegen die man sich
Publikum verarbeiten?
10 nicht mehr wehren kann, sobald man sie verstanden hat. Dazu
zählen beispielsweise Beweise. Die Einsicht in einen Beweis und
Wie muss Werbung nun gestaltet sein, wenn man die Rezepti- die darauf beruhende Überzeugung sind einfach das Ergebnis
11 onshaltung korrekt einplanen will? Vermutlich ist die Frage nicht dessen, dass man den Beweis verstanden hat. In diesen Fällen
so schwer, wie sie sich zunächst anhört. Selbst wenn Petty und kann es nicht vorkommen, dass man das Argument versteht und
12 Cacioppo (1986) recht haben und in der Tat bei der Verarbei- sich trotzdem eine andere Meinung bildet. Beispiele hierzu sind
tung immer nur einer von zwei Wegen beschritten werden kann, mathematische und logische Sätze. Wer nicht glaubt, dass die
heißt das für die Kommunikationsstrategie nicht, dass man auch Winkelsumme im Dreieck 180° beträgt, hat eben das Argument
13 hier die eine Strategie immer auf Kosten der anderen verwenden noch nicht verstanden. Wer dagegen nicht glaubt, dass es Atlantis
sollte – im Gegenteil. Wer mit Argumenten wirbt, kann gleichzei- gegeben hat, kann alle Argumente verstanden haben, die dafür
14 tig attraktiv, selbstsicher und prominent sein. Es können durch- sprechen, und trotzdem dazu eine andere Meinung vertreten.
aus beide Wege gleichzeitig vorbereitet werden, periphere und Manche Formen der Evidenz oder der unmittelbaren Anschau-
15 zentrale bzw. heuristische und systematische. Die Konsumenten ung können einen ähnlichen Rang haben wie Beweise.
können dann im Prinzip auf beiden erfolgreich überzeugt wer- Subjektiv werden überzeugende Argumente ohnehin so er-
den. Ausnahmen hierzu gibt es vermutlich wenige, gleichwohl lebt, als seien sie zwingend. Die Tatsache, dass die Folgerung aus
16 möchte ich an dieser Stelle wenigstens zwei ansprechen: Zum dem Argument zu unseren Bedürfnissen passt, macht das Ar-
Beispiel kann eine hohe Anzahl der Argumente bei heuristischer gument subjektiv nicht überzeugender. Objektiv allerdings zeigt
17 Verarbeitung als ein großer Vorteil gewertet werden. Wenn aller- sich: „People are more likely to arrive at those conclusions that
dings darunter auch schwache Argumente vertreten sind, können they want to arrive at“ (Kunda 1990, S. 495). Diese Feststellung
diese den starken bei einer systematischen Verarbeitung schaden scheint auf den ersten Blick mit den vorangegangenen Ausfüh-
18 (siehe oben; Petty und Cacioppo 1984). rungen nicht verträglich zu sein. Einerseits heißt es, Evidenz
Zudem können periphere Mittel der Beeinflussung auch als kann mich zu bestimmten Ansichten zwingen, andererseits aber
19 unpassend erlebt werden und Reaktanz auslösen (▶ Abschn. 11.5). kann man beobachten, wie Menschen immer wieder so mit den
Ein gewisses Ausmaß an Stimmigkeit ist daher unverzichtbar, zur Verfügung stehenden Argumenten umgehen, wie es ihnen
20 wenn man auch hoch involvierte Personen erreichen will. am besten in den Kram passt. In der Tat muss man beide Aspekte
Kennt man die Rezeptionshaltung des Publikums, ist es frei- berücksichtigen: Die Evidenz, die Argumente und nicht zuletzt
lich trotzdem ratsam, die Kommunikation schwerpunktmäßig die Gewissheit bereits existierender Überzeugungen kanalisie-
21 daran auszurichten. Man kann davon ausgehen, dass für Mei- ren die Informationsverarbeitung. Aber schon die Frage, was für
nungsführer (▶ Abschn. 16.2.3) bzw. Produktexperten die meis- mich als Evidenz in Frage kommt, hängt auch davon ab, was für
22 ten Bedingungen für eine zentrale Verarbeitung erfüllt sind: mich eine angenehme, schmeichelhafte oder wenigstens unbe-
Meinungsführer nehmen Informationen aus dem Bereich ihrer drohliche Evidenz wäre. Zum Beispiel steigt die Bereitschaft, an
Kompetenz aufmerksamer und differenzierter wahr; als Experten bestimmten Argumenten zu zweifeln, wenn die Folgerung, auf
23 für eine Produktkategorie sind sie eher kompetent und eher mo- die sie hinauslaufen, unangenehm ist (Ditto und Lopez 1992).
tiviert, sich mit der Information auseinanderzusetzen. Wendet Petty und Cacioppo (1986, z. B. S. 36) streichen heraus, dass
man sich also beispielsweise an Meinungsführer, liegt es nahe, unser Nachdenken über bestimmte Dinge häufig „Schlagseite“
14.2  •  Strategien der Einstellungsänderung
279 14

in eine bestimmte Richtung hat. Gerade wenn es um persönlich Die meisten Menschen werden es zum Beispiel für wahrschein-
relevante Dinge geht, gibt es oft Ergebnisse, die uns eher gelegen licher halten, dass Heilmittel gegen Krebs und AIDS gefunden
kommen als andere. Und das sieht man auch an unserer Art zu werden, als dass die Suche zur Ergebnislosigkeit verdammt ist.
denken. Es gibt zahlreiche Prozesse, die dafür sorgen, dass Perso- Wenn eine Werbekommunikation impliziert, man könne ju-
nen eher das glauben, was sie glauben möchten. Ein alltägliches gendliches Aussehen konservieren oder ganz bequem 25 Pfund
Beispiel für dieses Phänomen ist, dass wir uns in den meisten in zwei Wochen abnehmen (O’Shaughnessy 1987, S. 20), dann
Fällen eher an Angenehmes als an Unangenehmes erinnern und ist das zu schön, um wahr zu sein. Wir haben allen Grund, die
dass wir folglich in den meisten alltäglichen Situationen über die Argumente hierfür mit zurückhaltender Sorgfalt zu prüfen. Und
Vergangenheit eher positive als negative Urteile abgeben. Aber, trotzdem: Die kognitiven Prozesse, die darauf folgen, werden im-
und jetzt kommt der unwillkürliche Anteil an diesem Phänomen: mer wieder in die Frage verfallen: „Was spricht dafür, dass diese
Die Erinnerungen haben wir uns nicht ausgesucht. Sie kommen Aussage wahr ist?“
ganz automatisch. Ebenso automatisch kommt auch das Urteil.
Man könnte nun einwenden: Wenn die Informationsverar-
beitung von dem abhängt, was die Rezipienten wünschen und 14.2 Strategien der Einstellungsänderung
was ihnen gelegen kommt, dann liegt das nur daran, dass sie
nicht mit genügender Aufmerksamkeit verarbeiten. Dieser Ge- Die Hauptquelle unserer Meinungen über eine Sache sind die
danke mag richtig sein. In der Tat werden bestimmte motivierte Erfahrungen, die wir mit dieser Sache gemacht haben. Ein wich-
Fehler der Informationsverarbeitung ausbleiben, wenn die Re- tiger Spezialfall sind die Erfahrungen anderer, von denen wir
zipienten die Information nur tief genug verarbeiten (Petty und nur durch Beobachtung oder vom Hörensagen wissen. Diese
Cacioppo 1986). Aber auch das Vermeiden von Fehlern in der Erfahrungen sind aber, wie wir bei der Diskussion des Modell-
Informationsverarbeitung scheint seinerseits wiederum moti- lernens (▶ Abschn. 10.1.5) festgestellt haben, sehr wichtig. Die
viert zu sein. So begehen Versuchspersonen in Experimenten Kommunikation solcher Erfahrungen unterliegt allerdings einer
immer wieder typische Urteilsfehler, indem sie etwa wichtige charakteristischen Asymmetrie: „… enttäuschte Kunden [geben]
statistische Informationen nicht nutzen, um eine Frage zu beant- ihre negativen Erfahrungen an elf Bekannte weiter, während zu-
worten (Kahneman und Tversky 1973). Wenn aber das Ergebnis friedene Kunden nur drei Bekannten von ihren positiven Erfah-
der Überlegung für die Versuchspersonen dadurch angenehmer rungen berichten“ (Kotler und Bliemel 1995, S. 25).
wird, dass sie die statistischen Information nutzen, begehen sie Gegenüber diesen Faktoren nimmt sich die Kommunikation
den Fehler nicht mehr (für einen Überblick vgl. Kunda 1990, von Argumenten, also Überzeugungs- und Überredungsversu-
S. 488 f.). Es war also nicht allein die geringe Tiefe der Informati- che, eher unbedeutend aus. Konkrete Erfahrungen spielten in
onsverarbeitung, die zu dem Fehler geführt hat. Schon die Varia- der Ausbildung einer Einstellung eine Rolle, die sogar gute Ar-
tion der Annehmlichkeit einer Schlussfolgerung führt dazu, dass gumente dominiert. Stellen sie sich vor, Sie erfahren über den
der Fehler beim Schlussfolgern ausbleibt (ein anderes Beispiel für neuen japanischen Wagen Sayonara 2030, dass er in einem um-
eine fehlerhafte Informationsverarbeitung bei hoher Elaboration fangreichen Test mit 1.000 Exemplaren stets haltbarer und si-
stelle ich in ▶ Exkurs 20.5 vor). cherer war als seine Konkurrenz, und Sie wissen außerdem von
Man kann somit nicht sagen, dass unangenehme (disso- einem Bekannten, dass dieser soeben seinen Sayonara 2030 zum
nante) Kognitionen einfach aus der Aufmerksamkeit ausgeblen- dritten Mal in zwei Wochen in die Werkstatt geschoben hat. Ra-
det werden. Es finden offenbar automatische Prozesse statt, die tional wäre nun, diese eine konkrete Erfahrung in die andere ab-
gewisse Inhalte zuvor semantisch analysieren, in diesem Sinne strakte Erfahrung aufzunehmen. Sie hätten demnach Daten von
also sehr wohl zur Kenntnis nehmen, bevor im Rahmen dieser 1.001 Sayonaras. Dieser eine, der hinzukommt, würde natürlich
Automatismen „entschieden“ wird, wie sie weiter verarbeitet an dem Fazit nichts ändern. Tatsache ist aber, dass Sie das eigent-
werden sollen. lich starke statistische Argument zu Gunsten der einen konkreten
Stellen wir uns vor, jemand versucht mich davon zu über- Erfahrung zurückstellen. Wir haben eine ähnliche Tendenz bei
zeugen, dass Krebs bis in alle Ewigkeit unheilbar ist. Wie würde der Diskussion der Repräsentativitätsheuristik kennengelernt
ich wohl mit dieser Kommunikation umgehen? Ich würde mich (▶ Abschn. 9.1.3). Dabei ging es darum, dass ein Beispiel, das
kaum fragen: „Ist Krebs wirklich unheilbar?“ Mein Umgang mit als repräsentativ für eine bestimmte Kategorie gelten kann, sich
den Argumenten würde eher der Frage folgen: „Was spricht dafür, gegen statistische Informationen durchsetzt. Ganz ähnlich auch
dass Krebs doch heilbar ist?“ Die zweite Variante ist, obwohl sie hier: Das konkrete Beispiel sticht jede noch so zuverlässige In-
die wahrscheinlichere ist, weniger objektiv. Sie geht bereits von formation über den Regelfall aus. Nicht nur die Repräsentativi-
der Folgerung aus und sucht nach Argumenten dafür. Die erste tät, sondern auch die Konkretheit ist also wichtig. Hansen und
Variante dagegen stellt einen Denkmodus dar, der nur von ak- Wänke (2010) zeigen, dass bereits minimale Variationen in der
kurater Beantwortung der Frage motiviert zu sein scheint. Somit Formulierung – etwa das Umformulieren vom passiven in den
kann man einen konklusionsgetriebenen von einem eher akku- aktiven Modus – die subjektive Konkretheit einer Aussage und
ratheitsmotivierten Denkmodus unterscheiden (Kunda 1990). damit auch ihre Plausibilität erhöht. Stalin hatte die Bedeutung
Auf viele Werbebotschaften reagieren Konsumenten eher mit der Konkretheit für eine effektive Propaganda offenbar erkannt:
dem konklusionsgetriebenen Denkmodus. Werbung zeichnet oft „Der Tod eines russischen Soldaten ist eine Tragödie. Eine Mil-
Zustände, die hoch erwünscht sind. Und solche Zustände werden lion Tote sind eine Statistik“ (zit. n. Pratkanis und Aronson 1992,
in der Regel für wahrscheinlicher gehalten (Kunda 1990, S. 488). S. 133; Beispiel nach Nisbett und Ross 1980).
280 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

Exkurs 14.2  Eigenschaften erfolgreicher Testimonials  |       | 


1
Drei Personen wurden als Nutzer von Melitta Testimonial ins Gerede (z. B. ein Sportler, der Verwendet man dagegen Laien-Testimonials,

2 Auslese ausgegeben (Valuecom 2005): Ulrich


Wickert, Günter Jauch und Michael Arnold. Die
des Dopings verdächtigt wird), stellt das alle
übrigen Einflussgrößen in den Schatten. Bei
also zum Beispiel typische Produktnutzer, spie-
len vor allem Attraktivität und die Möglichkeit
unbekannte Person Michael Arnold wird dabei der Auswahl von Testimonials spielt offenbar zur Identifikation entscheidende Rollen. Beide
3 entweder als Nobelpreisträger oder als Ange-
stellter vorgestellt. Alle Testimonials wurden auf
sein „Skandalpotential“ eine sehr wichtige
Rolle. Dies gilt nicht nur für Sportler im Do-
Komponenten hängen freilich miteinander
zusammen: Man identifiziert sich gern mit
den Variablen „Sympathie“, „Vertrauen“ und „Ein- pingverdacht, sondern auch für Prominente, attraktiven Menschen, entweder weil man
4 zigartigkeit“ bewertet. Der Angestellte Michael
Arnold war auf allen drei Dimensionen den
die sich in der Vergangenheit als (psychisch)
labil gezeigt haben (z. B. „Supermodel“ Naomi
sich selbst für attraktiv hält oder es gerne sein
möchte. Agthe et al. (2011) lösen die Konfun-
Prominenten Wickert und Jauch unterlegen. Als Campbell) oder die kontroverse Ansichten dierung von Identifikation und Attraktivität
5 Nobelpreisträger allerdings unterschieden sich vertreten (z. B. die Scientology-Anhänger John in einem Experiment zur Wahrnehmung von
seine Bewertungen nicht mehr von denen der Travolta oder Tom Cruise; Fanderl et al. 2006). Anzeigen auf und zeigen in einer multiplen
Prominenten. Offenbar braucht ein Testimonial Als zweitwichtigster Prädiktor für die Wirkung Vorhersage, dass die zentralen kaufrelevanten
6 nicht besonders bekannt zu sein, damit es des Testimonials erwies sich in der Metaanalyse Einstellungskomponenten (z. B. die Bewertung
wirkt. Der Anschein von Kompetenz genügt. von Amos et al. (2008) nicht wie erwartet die der Produktqualität) letztlich nur von der Mög-
Fehlen solche Kompetenzsignale jedoch, wir- Kompetenz, sondern die Vertrauenswürdigkeit lichkeit zur Identifikation abhängen. Es kommt
7 ken unbekannte Testimonials erheblich schwä- (repräsentiert durch die Begriffe „vertrauens- also vor allem darauf an, ein Laien-Testimonial
cher bzw. nur über bestimmte Signale (siehe würdig“, „verlässlich“, „ehrlich“, „aufrichtig“, „inte- anzubieten, mit dem sich die Betrachter iden-
unten). Dann kommt es auf die Prominenz an. ger“). Auch die Anzahl der Marken, für die ein tifizieren können. Da dies für extrem attraktive
8 Amos et al. (2008) untersuchten in einer Prominenter wirbt, bestimmt die Wirksamkeit Modelle in der Werbung eher nicht gilt (z. B.
Metaanalyse die Wirksamkeit prominenter des Testimonials. Mit zunehmender Anzahl ▶
Petersen 2005; siehe auch  Abschn. 10.2.4),

9 Testimonials in der Werbung. Darin zeigte


sich als wichtigster Faktor „negative Informa-
sinken Sympathie und Vertrauenswürdigkeit,
und die Einstellung zur Werbung verschlech-
sind vermutlich Laien-Testimonials effektiver,
wenn sie nicht zu attraktiv sind.
tionen zum Testimonial“. Das heißt: Gerät ein tert sich (Fanderl 2005, S. 134).

10
14.2.1 Glaubwürdigkeit Kahle 1990). Dies zeigt sich auch in einer Studie von Valuecom
11 (2005) zur Wirkung unterschiedlicher Testimonials (▶ Ex-
Eine Frau ist mit einem Mann verabredet, der sie bei der Verab- kurs 14.2).
12 redung versetzt. Für sein Nichterscheinen gibt der Mann eine Be- Um glaubwürdig zu sein, sollte der Kommunikator gar
gründung. Über eine Freundin erfährt sie, dass der Mann schon nicht erst den Anschein erwecken, sein Publikum beeinflussen
bei anderen Gelegenheiten geschwindelt hat. Diese Szene prä- zu wollen. Die Reaktanztheorie sagt voraus, dass eine deutlich
13 sentierten Reinhard und Sporer (2005) ihren Probandinnen, mit wahrnehmbare Beeinflussungsabsicht der Einstellungsänderung
der Bitte um eine Einschätzung, wie glaubhaft die Begründung hinderlich ist. Daher ist es günstig, wenn der Empfänger keine
14 des Mannes ist. Den Probandinnen erschien die Begründung in oder nur eine geringe Beeinflussungsabsicht wahrnimmt. Hierzu
keinem Fall glaubhaft. Allerdings hing der Grund für ihr Urteil kann man drei Empfehlungen aussprechen:
15 von unterschiedlichen Faktoren ab: Probandinnen mit gerin- Erstens: „Overhearing“: Eine Beeinflussungsabsicht wird
gem Involvement begründeten ihr Urteil eher damit, dass der kaum empfunden, wenn die Empfänger sich selbst gar nicht zu
Mann ja ohnehin häufiger schon gelogen hat. Probandinnen mit dem ursprünglichen Adressatenkreis zählen (Walster und Fes-
16 hohem Involvement zogen ihre Folgerungen dagegen eher aus tinger 1962). Stellen wir uns vor, wir „belauschen“ zufällig das
Merkmalen der Begründung. Dieses Ergebnis wird so vom ELM Gespräch zweier Bankangestellten über eine vielversprechende
17 vorhergesagt: Die Glaubwürdigkeit einer Quelle ist ein periphe- Geldanlage. Wir wären weit eher bereit, der Ansicht der beiden
res Merkmal der Überredung und wird vor allem dann genutzt, zuzustimmen, als wenn sie sich direkt an uns gewandt hätten, um
wenn man sich mit dem Inhalt der Nachricht weniger beschäf- uns diese Anlage zu empfehlen. Ein Verkäufer könnte sich wäh-
18 tigt. Dieser Inhalt spielt erst bei hohem Involvement eine Rolle. rend des Verkaufsgesprächs durch den Anruf eines Kollegen un-
Wenn wir andere argumentativ überzeugen wollen, sollten terbrechen lassen und in diesem Telefongespräch, das der Kunde
19 wir glaubwürdig1 sein. Ein Mangel an Glaubwürdigkeit wirkt – unweigerlich mithört, strategisch alle Informationen einflechten,
vor allem für wenig involvierte Empfänger – wie ein Abwertungs- die den Kunden weniger überzeugen würden, wenn er sie als
20 hinweis, der signalisiert: „Was immer jetzt kommt, du kannst Beeinflussungsversuch an seine eigene Adresse erleben würde.
dich nicht drauf verlassen.“ Diese Technik wird auch als Overhearing bezeichnet. Sie
Streng genommen sollte man zwei Faktoren der Glaubwür- wirkt über mindestens zwei Mechanismen: Zum einen geht der
21 digkeit unterscheiden: Kompetenz bzw. Expertise und Vertrau- Empfänger davon aus, dass die Information nicht strategisch ein-
enswürdigkeit (Hovland et al. 1953). Traditionell galt Expertise gesetzt worden ist, um ihn zu beeinflussen, denn sie ist ja nicht
22 als die wichtigere Dimension bei der Beeinflussung (Homer und direkt an ihn gerichtet (Aronson 1994). „Zufällige“ Empfänger ei-
ner beeinflussenden Botschaft sind daher weniger wachsam und
kritisch gegenüber der beeinflussenden Information und neigen
23 1 Ich verwende hier den Begriff „Glaubwürdigkeit“ als eine Eigenschaft der daher weniger dazu, gegen die Beeinflussung zu argumentieren
Quelle. Nach diesem Wortgebrauch sind also Quellen mehr oder weniger
glaubwürdig und die Botschaften dieser Quellen sind mehr oder weniger
(Walster und Festinger 1962). Zum anderen fungiert die beein-
glaubhaft. flusste Person gewissermaßen als Modell bzw. gibt die Konsen-
14.2  •  Strategien der Einstellungsänderung
281 14

Exkurs 14.3  Der Schläfereffekt  |       | 


„Bei der Variation von der Glaubwürdigkeit Information, wer die Quelle ist. Die Botschaft Information, sondern erst etwas später
von Informationsquellen fanden Hovland selbst dagegen findet sich im semantischen gegeben wird. Im optimalen Fall wird der
und Weiss (1951) zunächst erwartungsgemäß Gedächtnis. Möglicherweise tragen die Un- Abwertungshinweis in einem anderen
geringe Einstellungsänderungen bei geringer terschiedlichkeit der Gedächtnissysteme dazu Zusammenhang gegeben. Wenn die
Glaubwürdigkeit des Senders und auf der bei, dass die Assoziation von Nachricht und Quelle nicht gleichzeitig mit der Nachricht
anderen Seite ausgeprägtere Änderungen der Quelle schwach ist. Für die Dissoziationsinter- präsentiert wird, besteht die Möglichkeit,
Einstellungen bei hoher Glaubwürdigkeit. Bei pretation spricht auch, dass der Schläfereffekt dass sich ihre Gedächtniswirkung langsa-
wiederholter Messung zeigte sich aber nach
vier Wochen ein überraschendes Ergebnis: Die
Einstellungsänderungen, verursacht durch die
hoch glaubwürdige Informationsquelle, hatten
ausbleibt, wenn man die Versuchspersonen
daran erinnert, woher sie die Information
hatten (Kelman und Hovland 1953).
Man könnte jetzt den Schluss ziehen, dass es
- mer abbaut als die der Nachricht.
Die Nachricht selbst sollte einen starken
Effekt haben. Pratkanis et al. (1988)
erzeugten diesen Effekt, indem sie ihre
sich verringert, während sich die der weniger demnach nicht so sehr darauf ankommt, eine Versuchspersonen baten, das stärkste
glaubwürdigen Quelle vergrößert hatte“
(Mayer et al. 1982, S. 89).
Diesen Effekt, bei dem also eine unglaubwür-
dige Information quasi über Nacht doch noch
glaubwürdige Quelle, also in unserem Fall
einen glaubwürdigen Werbeträger zu wählen,
denn wenn die Information im Gedächtnis sich
selbst überlassen wird, löst sie sich sozusa-
- Argument aus der Nachricht zu benennen.
Der Abwertungshinweis sollte ebenfalls
einen starken Effekt haben. Dies ist der
Fall, wenn die Glaubwürdigkeit der Quelle
geglaubt (und eine glaubwürdige Information gen im Schlaf von ihrer Assoziation mit der ausdrücklich festgestellt wird und man
bezweifelt) wird, nennt man Schläfereffekt. Die womöglich unglaubwürdigen Quelle – nach zum Beispiel die Versuchspersonen fragt:
ursprüngliche Erklärung hierfür sahen Hov- dem Motto: „at home disbelief – in the store „Hältst du diese Quelle für glaubwürdig?“
land und Weiss (1951) darin, dass mit der Zeit belief“ (Maloney 1963, S. 5). Allerdings hat Pratkanis et al. (1988) machen noch auf zwei
im Gedächtnis die Information über Nachricht sich der Schläfereffekt in der Folge nur selten weitere Punkte aufmerksam: Obwohl in der
und Quelle entflochten wird. Man erinnert sich replizieren lassen. Er ist offenbar eher subtil Forschung der Schläfereffekt meistens mit der
dann zwar noch, was gesagt wurde, bringt und hängt von einer Reihe von Bedingungen Aufwertung einer eigentlich unglaubwürdigen
das aber nicht mehr damit in Verbindung, wer
es gesagt hat. Diese theoretische Dissoziati-
onsinterpretation steht im Einklang mit der -
ab (Appel 2007, S. 67; Pratkanis et al. 1988):
Die persuasive Botschaft sollte über die
Zeit hinweg und bei eventuellen Wieder-
Nachricht in Verbindung gebracht wird, gibt es
auch den umgekehrten Fall: Auch Nachrichten
aus glaubwürdiger Quelle werden mit der Zeit
Unterscheidung verschiedener Gedächtnis-
systeme: Im episodischen Gedächtnis wird die
eigentliche Konfrontation mit der Botschaft
abgespeichert; hier findet sich auch die
- holungen nicht variieren.
Der Schläfereffekt ist stärker, wenn die
Information über die Glaubwürdigkeit
der Quelle nicht gleichzeitig mit der
weniger glaubwürdig. Außerdem ist der Schlä-
fereffekt sehr schwach und störungsanfällig. Er
ist nur zu erwarten, wenn die oben genannten
Bedingungen erfüllt sind.

sinformation (▶ Abschn. 10.1.4): Indem sie sich überzeugen lässt, Der Schläfereffekt (siehe ▶ Exkurs 14.3) relativiert oder verrin-
zeigt sie, dass zumindest sie die Argumente überzeugend findet. gert in gewisser Hinsicht die Rolle der Glaubwürdigkeit wieder:
Die Werbung nutzt Overhearing zum Beispiel in Spots, in Offenbar wirkt eine glaubwürdige Quelle über die Zeit immer
denen ein Protagonist einen anderen überzeugt. Zwei Frauen schwächer auf die Glaubhaftigkeit der Botschaft. Wenn aber wie

--
unterhalten sich in einem Spot über Activia:
„Und? Was hast du schönes in der Weihnachtszeit vor?“
„Nikolausfeier im Verein, zwei Tage später Adventstreffen
beim Schläfereffekt die Erinnerung an die Quelle verblasst, ist
auch die umgekehrte Wirkrichtung beobachtbar: Die Quelle wird
dann im Rückblick so rekonstruiert, dass sie zur Glaubhaftigkeit

-- und dann Weihnachtsessen mit den Nachbarn.“


„Puh! Das ist ja auch ganz schön viel für …“
„Ach, Verdauungsprobleme! Dagegen hab ich mich gewapp-
net. Ich esse regelmäßig Activia, probier doch auch mal!“
der Nachricht passt. Wer ein bestimmtes Argument akzeptiert,
glaubt auch, es aus einer glaubwürdigen Quelle zu haben. Um dies
zu demonstrieren, präsentierten Fragale und Heath (2004) ihren
Versuchspersonen fingierte Produktinformationen (z. B. „The wax
used to line Cup-o-Noodles cups has been shown to cause cancer in
Zweitens: Spontane und unkontrollierte Kommunikation: Eine rats“). Diese Informationen sahen die Probanden entweder zwei-
Beeinflussungsabsicht wird in beiläufigen und spontanen Äuße- oder fünfmal. Entsprechend dem Truth-Effekt (▶ Abschn. 15.2.2)
rungen sehr viel seltener vermutet als in bewussten und gezielten glaubten die Probanden die häufiger präsentierten Informationen
Mitteilungen. Diese Tatsache macht sich die Slice-of-Life- oder eher als die seltener präsentierten. Zudem sollten die Probanden
die Testimonial-Werbung zu Nutze, wenn in ihr Personen aus angeben, woher die Information vermutlich stammte: aus dem Na-
dem Alltag „ganz spontan“ zu Wort kommen. tional Enquirer (wenig glaubwürdige Quelle) oder aus Consumer
Drittens: Zweiseitige Argumentation: Kaum etwas steigert die Reports (hoch glaubwürdige Quelle). Die Probanden schrieben die
Authentizität einer Botschaft so sehr wie das Verbreiten der Bot- häufiger präsentierten Informationen signifikant eher der glaub-
schaft gegen die eigenen Interessen. „Communicators can make würdigen Quelle zu als die seltener präsentierten.
themselves seem trustworthy by apparently acting against their
own self interest“ (Pratkanis und Aronson 1992, S. 94). Würde
es uns überzeugen, wenn der deutsche Bundestrainer die eigene 14.2.2 Zweiseitigkeit der Information
Mannschaft lobt? Welches Gewicht hätte seine Meinung gegen
die Meinung des italienischen oder englischen Trainers, der Der britische Polarforscher Ernest Shackelton warb in einer Lon-
ebenfalls die deutsche Mannschaft lobt? Mehr zur zweiseitigen doner Zeitung mit folgendem Wortlaut um Teilnehmer an einer
Information erfahren Sie in ▶ Abschn. 14.2.2. seiner Expeditionen in die Antarktis: Men wanted for hazardous
282 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

journey. Small wages, bitter cold, long months of complete dar- ist und je nach Saison schwankt. In der anderen Bedingung be-
1 kness, constant danger, safe return doubtful. Honor and recogni- stand der Nachteil darin, dass das Restaurant nur wenige Park-
tion in case of success. (▶ http://www.antarctic-circle.org/advert. plätze zur Verfügung stellen kann. In der ersten Bedingung be-
2 htm; Abruf 1.10.2014). Auch wenn Shackelton von seinen vier stand ein sinnvoller Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil,
Expeditionen stets gesund zurückkehrte, war die Beschreibung denn je abwechslungsreicher man den Speiseplan gestaltet, desto
der Risiken keineswegs übertrieben. Gleichwohl hatte er mit der mehr Zutaten muss man bereithalten, und dies ist natürlich sehr
3 Anzeige durchschlagenden Erfolg (Mullen und Johnson 1990). schwierig, wenn diese Zutaten immer frisch sein sollen oder nur
Im Sinne einer effektiven Überzeugung war Shackeltons Stra- in einer bestimmten Jahreszeit frisch verfügbar sind. Es war also
4 tegie vielleicht weniger gewagt als sie auf den ersten Blick scheint: nachvollziehbar, dass der Speiseplan genau wegen des Vorteils
Wer sich über einen Gegenstand noch keine Meinung gebildet besonders frischer Zutaten beschränkt bleiben musste.
5 hat, wird eher von einer Position überzeugt, wenn sie positive wie Die Menge der Parkplätze hatte demgegenüber nur wenig
negative Argumente erhält, wenn die Argumentationsstruktur mit der Frische der Speisen zu tun. Daher war auch die Überzeu-
also zweiseitig ist (z. B. Eisend 2006, 2007; Stroebe 1980; Kro- gungswirkung in der ersten Bedingung größer als in der zweiten.
6 eber-Riel und Meyer-Hentschel 1982; Kamins et al. 1989). In ei- Allerdings blieb auch hier gegenüber einer Kontrollbedingung
ner Metaanalyse von insgesamt 118 Studien zur Werbewirkung ein Vorteil der zweiseitigen gegenüber der einseitigen Argumen-
7 aus den Jahren 1980 bis 1996 untersuchte Mäßen (1998) eine tation erhalten. Die zweiseitige Information erhöhte die Glaub-
Reihe von Gestaltungselementen (z. B. Humor, Musik, Bilder, würdigkeit, und dieser Effekt verbesserte die Überzeugungskraft
Erotik): Allein die zweiseitige Argumentation wirkte sich positiv auch ohne eine Beziehung zwischen Vor- und Nachteilen.
8 auf die Kaufabsicht aus. Demnach ist also die logische Beziehung zwischen Vor- und
Dieser Effekt geht auf eine ganze Reihe von unterschiedlichen Nachteil zwar ein wichtiger, aber keineswegs der einzige Grund,
9 Gründen zurück. Oben habe ich erwähnt, dass ein Kommunika- der für eine zweiseitige Information spricht. Zudem zeigen Boh-
tor glaubwürdiger wird, wenn er in seiner Argumentation auch ner et al. (2003), dass der logische Bezug nur über Schlussfolge-
10 Nachteile der bevorzugten Position darlegt. Der dahinterste- rungsprozesse, nicht aber über die Erhöhung der Glaubwürdig-
hende Mechanismus könnte attributionstheoretisch zu verste- keit die Überzeugungswirkung steigert.
hen sein: Der Rezipient stellt sich gleichsam die Frage: „Warum Wenn die Contra-Argumente nicht über logische Zusam-
11 erzählt der mir das?“ – und veranschlagt bei der Antwort kaum menhänge auf die Pro-Argumente verweisen, können sie aber im
eine Beeinflussungsabsicht. In der Tat sind attributionstheore- Rahmen der zweiseitigen Argumentation immer noch entkräftet
12 tische Erklärungen für die Effekte zweiseitiger Argumentation werden. Wenn der Kommunikator eine regelrechte Widerlegung
wohl die ergiebigsten (Eisend 2007). vorexerziert, bietet er soziale Bestätigung oder Konsensinforma-
Gleichwohl gibt es noch weitere Gründe, warum zweiseitige tion (▶ Abschn. 10.1.4). Man sieht: So muss man sich gegenüber
13 Argumentation wirkt. Crowley und Hoyer (1994) empfehlen, den Einwänden verhalten. Außerdem ist die Folgerung aus zwei-
dass nicht mehr als zwei Fünftel der Argumente negativ sein seitiger Argumentation auch deshalb besonders überzeugend,
14 sollten. Auch die Reihenfolge der Argumente scheint wichtig zu weil man sie als das Ergebnis einer mühevollen Abwägung –
sein: In einer Metaanalyse von Eisend (2006) zeigten sich stär- eventuell gar gegen inneren Widerstand – ausgeben kann: Wer
15 kere Effekte der Zweiseitigkeit auf die Glaubwürdigkeit, wenn die angesichts dieses Für und Wider das Ergebnis empfehlen kann,
Contra-Argumente nicht zuerst präsentiert wurden. Andererseits der folgt nicht einfach einer vordergründigen Begeisterung. Ka-
reagieren Empfänger aber auch positiv, wenn erwünschte Infor- mins et al. (1989) zeigten, dass besonders in der Werbung mit
16 mationen relativ früh präsentiert werden (Mullen und Johnson Prominenten eine zweiseitige Information die Glaubwürdigkeit
1990). Zudem sind die ersten und letzten Positionen in einer erhöht.
17 Abfolge von Argumenten besonders exponiert – sie profitieren Ein Kommunikator muss oft davon ausgehen, dass die Emp-
jeweils von einem Primacy- bzw. Recency-Effekt (z. B. Unnava fänger die Gegenargumente entweder schon kennen oder we-
et al. 1994). Daher laufen die Empfehlungen tendenziell darauf nigstens früher oder später darauf stoßen werden (Stroebe 1980).
18 hinaus, die entscheidenden, im Sinne des Kommunikators also In diesem Fall spricht alles dafür, auf diese Punkte einzugehen.
die „Pro-Argumente“, an exponierter Stelle zu präsentieren, z. B. Wenn die Gegenargumente später bei anderer Gelegenheit ge-
19 am Anfang und am Schluss. liefert werden, hat ein einseitiger Beeinflussungsversuch keine
Allerdings kann man diese Empfehlung auch wieder näher Chance. Die letztgenannten Argumente werden sich durchset-
20 qualifizieren, wenn man den Inhalt der Argumente mit in Be- zen. Wer die Gegenargumente dagegen schon vorher gehört hat,
tracht zieht: Zweiseitige Information ist besonders erfolgreich, ist quasi bereits „geimpft“ (McGuire 1961, 1964; McGuire und
wenn der eingeräumte Nachteil (z. B. hoher Preis) einen Vorteil Papageorgis 1961; siehe auch ▶ Abschn. 14.2.3), und die wieder-
21 (z. B. hohe Qualität) erwarten lässt (z. B. Pechmann 1992). Ei- holt vorgetragenen Gegenargumente wirken weniger (Lumsdaine
nen Beleg für diese These liefern die Befunde von Bohner et al. und Janis 1953).
22 (2003). Sie untersuchten eine zweiseitige Information zu einem Angesichts eines schwindenden Raucheranteils und wachsen-
neuen Restaurant. Das besondere Verkaufsargument dieses Res- den Drucks von Seiten der nichtrauchenden Bevölkerung setzte
taurants bestand darin, dass dort nur die besten und frischesten die Reynolds Tobacco Company eine Anzeige in die Zeitung,
23 Zutaten verwendet werden. Die Nachteile variierten in unter- die für Toleranz zwischen Rauchern und Nichtrauchern werben
schiedlichen Bedingungen: In einer Bedingung war der Nachteil, sollte. Die eine Seite der Anzeige enthielt unter der Überschrift
dass die Auswahl an Speisen auf einige wenige Gerichte begrenzt „For those who don’t“ Argumente dafür, dass Rauchen an öffent-
14.2  •  Strategien der Einstellungsänderung
283 14

Exkurs 14.4  Kühne Geständnisse  |       |  ders Eat Virgin Flesh liegt in seinem gut durchdachten Drehbuch
und dessen solider Umsetzung. Ein Nachteil dieses Films ist, dass
Der Zigarettenhersteller Bennett LeBow, Chef des verhältnismä- er schon nach 85 Minuten zu Ende ist.“ Obwohl die Anzeige
ßig kleinen amerikanischen Tabakunternehmens Liggett mit den
nicht behauptet, dass dies der einzige Nachteil ist, glaubt wohl
Produkten Chesterfied, L&M oder Eve, erklärte 1997 öffentlich, dass
Rauchen ein gesundheitsschädliches Verhalten mit Suchtcharakter jeder, es sei der wichtigste. Und wenn das der wichtigste Nachteil
ist. Im Einzelnen bekannte sich LeBow zu den Annahmen: „[…] that ist, dann muss der Film wirklich gut sein.
cigarette smoking causes lung cancer, heart disease and emphy- Dieses Beispiel deutet auf einen weiteren wichtigen Faktor
sema. In another affirmation of the obvious, Liggett acknowledged für die Funktionsweise zweiseitiger Argumentation: Der Nach-
that nicotine is an addictive substance. That refuted the sworn de-
teil muss freiwillig eingestanden werden (z. B. Eisend 2006). Ein
nials that seven industry leaders, including a Liggett representative,
made before Congress in 1994“ (Greenwald 1997, S. 38). Schema, das den Kommunikator zwingt, neben den positiven
Diese Annahmen werden zwar außerhalb der Zigarettenindustrie auch negative Argumente zu nennen, zerstört – über die oben
längst wie unzweifelhafte Fakten gehandelt. Von den Herstellern zitierten attributiven Prozesse – den positiven Effekt der Zweisei-
selbst werden aber entsprechende Behauptungen gern als unbe- tigkeit. Aus einem ähnlichen Grund empfiehlt Pechmann (1992),
wiesene Vermutungen hingestellt. Das kühnste Geständnis aus dem
Nachteile einzugestehen, die nicht sofort offensichtlich sind. Wer
Hause Liggett wurde von vielen Adressaten doch noch mit einiger
Verwunderung zur Kenntnis genommen: „Liggett confessed that dagegen an seinem Produkt einen Nachteil offenbart, der sich für
cigarette companies like itself have long aimed their pitches directly den Konsumenten erst später zeigen würde, betont damit seine
at teenagers – something the rest of the industry denies“ (S. 38). Freiwilligkeit.
Übrigens stört eine vorgefertigte und erzwungene Zweisei-
tigkeit auch die Wirkung von neutralen Kommunikatoren, die
lichen Orten erlaubt sein sollte. Die andere Seite legte unter der ein Produkt nicht aus eigenem Interesse loben. Schlosser (2011)
Überschrift „For those who do“ die Position der Nichtraucher dar. untersuchte Kundenbewertungen in Internetshops und zeigt,
In dieser vermittelnden Form ließ sich die Anzeige tatsächlich wie dass Zweiseitigkeit die Überzeugungswirkung der Bewertun-
ein Appell an die Toleranz lesen. Aber sie war noch mehr: Sie war gen nicht fördert – eher im Gegenteil: Zum einen unterstellt der
gleichzeitig ein Impfstoff für die Raucher gegen die Argumente Leser solcher Bewertungen den Rezensenten ja meist ohnehin
der Nichtraucher. Sie zeigte, welche Argumente von Nichtrau- keine eigennützige Beeinflussungsabicht, daher ist der Effekt auf
cherseite gegen das Rauchen an öffentlichen Orten vorgebracht die Glaubwürdigkeit des Kommunikators zu vernachlässigen.
werden und wie man diesen Argumenten begegnen kann (Pratka- Zum anderen aber stört vor allem ein erzwungenes Pro-Con-
nis und Aronson 1992, S. 213 f; siehe auch ▶ Exkurs 14.4). tra-Schema, wie es Schlosser (2011) auf einigen Internetseiten
Ein anderes praktisches Beispiel: Eine Autofirma beginnt vorfindet, eine mögliche positive Wirkung der Kundenrezension:
ihre Anzeigen mit dem Hinweis, dass „nur Schlangenmenschen Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die summarische Bewer-
die Fensterkurbel an der Fahrerseite bedienen könnten“ (Stro- tung einen extremen Wert hat: Wer für das Produkt ein Höch-
ebe 1980, S. 309). Hierauf berichtet die Anzeige freilich in erster strating vergibt, wirkt wenig überzeugend, wenn er im selben
Linie von Vorzügen des Fahrzeugs, so dass dieser erste Hinweis Atemzug Kritik äußert. Zweiseitige Kundenbewertungen sind
gemeinsam mit anderen Nachteilen durch Vorteile ergänzt und nur hilfreich und überzeugend, wenn die Gesamtbewertung
aufgewogen wird. Nach Stroebe (1980) hatte diese Anzeige, ein moderat ist (und dadurch plausibel wird, dass sich beim Pro-
tatsächliches Beispiel, großen Erfolg. dukt Vor- und Nachteile mischen und gegenseitig aufwiegen).
Ich möchte an diesem Beispiel die sprachpragmatische Seite Unproblematisch – weil in sich stimmig – sind dagegen Ext-
der zweiseitigen Argumentation diskutieren. Indem die Anzeige rembewertungen ohne weitere Differenzierung. Wenn also ein
Nachteile des Produkts explizit enthält, stellt sie sich gleichsam Anbieter möchte, dass der Jubel der besonders begeisterten Pro-
selbst in einen anderen Kommunikationszusammenhang. Sie be- duktverwender auch in voller Stärke bei den potentiellen Kunden
wirbt das Produkt nicht mehr, sie informiert darüber. Dadurch ankommt, darf er seine Kundenrezensenten nicht auffordern,
folgt der Werbetext nun allgemeinen Kommunikationsregeln, sowohl Vor- als auch Nachteile zu nennen.
wie sie etwa von Grice (1975) formuliert wurden. Aus diesen Die Befunde von Schlosser (2011) zeigen noch einen weite-
Regeln ergibt sich zum Beispiel, dass ich, sofern ich überhaupt ren interessanten Aspekt der sozialen Beeinflussung: Menschen
über Nachteile berichte, relevante Nachteile anführe und nicht sind zwar in ihren Einstellungen nicht unbedingt konsistent,
etwa unwichtige erwähne und gravierende verschweige. Wenn und ihre Einstellungen enthalten durchaus widersprüchliche
nur über die Kurbel und andere Kleinigkeiten berichtet wird, Elemente (z. B. Bohner und Wänke 2002). Aber allem Anschein
kann man davon ausgehen, dass keine anderen gravierenden nach dulden sie diese Differenziertheit nicht bei den Menschen,
Mängel bekannt sind. Die Auflistung besagt nicht nur: „Das sind von denen sie sich beeinflussen lassen; die größte Beeinflussungs-
die Mängel“, sondern auch: „Das sind die einzigen oder wenigs- wirkung geht vielmehr von solchen Menschen aus, die in ihren
tens die wichtigsten Mängel“. Einstellungen völlig konsistent erscheinen.
Zudem können später erwähnte Vorteile durch das Zuge- In Bezug auf Werbung sind die Befunde zur zweiseitigen Ar-
stehen des Nachteils womöglich durch Kontrast sogar verstärkt gumentation nicht immer eindeutig. Zunächst einmal zeigt sich
werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Nachteil als ein Vorteil für zweiseitige Information nur, wenn die in Frage
einen verkappten Vorteil erscheinen zu lassen. Stellen Sie sich stehende Produktentscheidung mit einem Mindestmaß von In-
einen Filmkritiker vor, der für jeden Film einen Vorteil und einen volvement getroffen wird. Zweiseitigkeit bringt nichts, wenn es
Nachteil nennt wie etwa: „Der wichtigste Vorzug von Space Inva- nur um Zahncreme geht (Belch 1981; Percy und Rossiter 1991).
284 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

Dann muss man weiterhin bedenken, dass zweiseitige Wer- Teilnehmern an dem nötigen Rüstzeug, nämlich den Argumen-
1 bung die Aufmerksamkeit auf etwas richtet, das eigentlich eher ten und der Übung im Argumentieren, fehlte. Daher bot er ei-
im Hintergrund bleiben sollte, nämlich die Nachteile des Pro- nigen Experimentalgruppen Argumente an, mit denen sich die
2 dukts. Uneindeutige bzw. schwache Effekte zweiseitiger Werbung Einwände gegen diese Binsenweisheit widerlegen ließen. Außer-
könnten daher darauf zurückgehen, dass die positiven Seiten der dem ließ er seine Versuchspersonen das Widerlegen von Einwän-
Zweiseitigkeit durch die negativen der eingestandenen Nachteile den durch Schreiben eines Aufsatzes üben. Nach einem solchen
3 aufgewogen werden. Einen Beleg in diese Richtung liefern die Vorgehen waren die Versuchspersonen wesentlich weniger dazu
Experimente von Florack et al. (2009): Sie gingen davon aus, dass bereit, eine Information zu akzeptieren, die der Binsenweisheit
4 der Gedanke, sich mit dem Produkt auch Nachteile einzuhan- widersprach. Diesen Effekt der Beschäftigung mit Gegenargu-
deln, für Konsumenten mit einem Vermeidungsfokus besonders menten nennt McGuire Inokulations- bzw. Impfeffekt. Wie bei
5 aversiv ist. Vermeidungsfokussierte Entscheider sind bekanntlich einer physischen Impfung wird auch hier der Organismus gegen
vor allem dadurch motiviert, dass sie einen unangenehmen Zu- Angriffe resistent, wenn er sich zuvor schon mit einer bestimm-
stand vermeiden wollen – im Gegensatz dazu betonen annähe- ten Dosis des „Erregers“ auseinandergesetzt hat.
6 rungsfokussierte Entscheider vor allem den positiven Zustand, Dabei scheint der Impfeffekt nicht auf eine spezifische Wir-
den die Entscheidung herbeiführt (▶ Abschn. 5.3.1). Zweiseitige kung beschränkt zu sein: Der Widerstand gegen die Beeinflus-
7 Argumentation führt in der Werbung – entgegen einer norma- sung war auch dann noch wirksam, wenn die Versuchspersonen
tiven Erwartung – einen unangenehmen Aspekt der Wahl vor sich im Vorfeld mit anderen Argumenten beschäftigt hatten, als
Augen, und dieser Punkt sollte vermeidungsfokussierte Konsu- sie nachher zu Widerlegung brauchten. Mit anderen Worten:
8 menten eher abschrecken. Florack et al. (2009) zeigen in mehre- Nicht nur die Verfügbarkeit von ganz spezifischen Gegenargu-
ren Studien, dass in der Tat zweiseitige Argumentation weniger menten verbessert die Widerstandsfähigkeit gegen Beeinflus-
9 erfolgreich ist, wenn die Rezipienten entweder chronisch ver- sung, sondern die Fähigkeit zum Argumentieren überhaupt hat
meidungsfokussiert sind oder wenn bei ihnen kurzfristig ein eine positive Wirkung. Der Immunisierungseffekt hat auch in der
10 Vermeidungsfokus induziert wurde. Werbung Effekte. Denken wir nur an die Kampagne der Reynolds
Auch diese Befunde zeigen wieder, dass bei zweiseitiger Ar- Tobacco Company (▶ Abschn. 14.2.2).
gumentation die Nachteile möglichst entkräftet werden oder we- Die von McGuire (1964) beschriebene Impfung beruht aber
11 nigstens auf Vorteile verweisen sollten. Was ist zu aber tun, wenn noch auf weiteren Wirkmechanismen. Im Falle der Binsenweis-
man die eingeräumten Gegenargumente eigentlich gar nicht ent- heit war zum Beispiel die bloße Erkenntnis, dass die Einstellung
12 kräften kann? Sollte man sie dann unter den Tisch fallen lassen? auch angegriffen werden könnte, heilsam, indem sie nämlich Per-
Nicht unbedingt. Erinnern Sie sich an das Experiment von Lan- sonen dazu anhielt, über Gegenargumente nachzudenken. Der
ger et al. (1978) in ▶ Exkurs 8.2. Dieses Experiment sollte nach- Angriff stieß so gesehen eine Metakognition an, etwa in der der
13 weisen, dass viele Kommunikationsinhalte auch dann akzeptiert Art: „Hoppla, so sicher ist das gar nicht, was ich bisher geglaubt
werden, wenn sie nur eine passende Form haben, inhaltlich aber habe.“ Tormala und Petty (2002) zeigen nun, dass Metakogniti-
14 gar nichts oder ganz etwas anderes bedeuten. Ein gutes Beispiel onen in einer noch allgemeineren Weise und nicht nur bei Bin-
hierfür ist das Antwortverhalten von Politikern in Interviews. senweisheiten für die Widerständigkeit gegenüber Beeinflussung
15 Wir können also festhalten: Wenn Gegenargumente erwähnt verantwortlich sind. Für die Verteidigung von Einstellungen gilt
werden, dann sollten sie sehr klein und mickerig aussehen oder nämlich das Motto: „Was mich nicht umbringt, macht mich stär-
im selben Atemzug entkräftet werden. Besonders effektiv ist die ker.“ Demnach stärkt jeder erfolgreich abgewehrte Angriff auf
16 Erwähnung von Nachteilen, die auf andere Vorteile schließen eine Einstellung die subjektive Sicherheit, mit der man dieser
lassen. Wenn man die Gegenargumente nicht entkräften kann, Einstellung zustimmt. Tormala und Petty (2002) zeigen diese Ef-
17 dann lohnt es sich doch immerhin, die Argumentation so ausse- fekte experimentell, indem sie ihren Probanden die – tatsächlich
hen zu lassen, als sei sie eine Entkräftung. immer gleichen – angreifenden Argumente entweder als stark
oder schwach darstellen: Am stärksten immunisiert bei dieser
18 Manipulation die erfolgreiche Zurückweisung starker Argumente.
14.2.3 Immunisierung einer Einstellung gegen Außerdem wächst die Widerstandsfähigkeit vor allem dann, wenn
19 Beeinflussung man glaubt, bei der Verteidigung der eigenen Position erfolgreich
gewesen zu sein. Hierbei ist es unerheblich, ob man die eigene
20 Gegen eine Beeinflussung können Sie sich wesentlich besser zur Einstellung tatsächlich nicht verändert hat – für die Stärkung der
Wehr setzen, wenn Sie Gegenargumente kennen. Je mehr Ar- subjektiven Gewissheit ist entscheidend, dass man glaubt, man
gumente Sie kennen, und je besser Sie im Argumentieren geübt habe seine Einstellung behauptet (Tormala und Petty 2002).
21 sind, desto leichter können Sie sich Beeinflussungsversuchen Ein erfolgloser Beeinflussungsversuch ist also für den Kom-
widersetzen. Interessanterweise sind es oft gerade die Binsen- munikator nicht einfach nur „verlorene Liebesmüh“. Der Ver-
22 weisheiten unseres alltäglichen Lebens, zu denen uns Argumente such, einen anderen von seiner Meinung abzubringen, kann zwar
nicht so leicht einfallen und zu deren Verteidigung wir im selte- gelingen. Gelingt er aber nicht, stärkt das die ursprüngliche Mei-
nen Fall eines Angriffs nahezu nichts entgegenzustellen haben. nung beim Adressaten der Beeinflussung, und künftige Beein-
23 So konnte McGuire (1964) seinen Versuchspersonen die triviale flussungsversuche werden es umso schwerer haben.
Überzeugung ausreden, dass man sich täglich die Zähne putzen Häufig merken wir nicht, ob wir unsere Einstellung ändern
sollte. Warum war dies möglich? McGuire glaubte, dass es den oder nicht, so dass hier auch leicht falsche Metakognitionen ent-
14.2  •  Strategien der Einstellungsänderung
285 14

stehen können. Für ihr Experiment haben Tormala und Petty bei einer Gelegenheit überzeugende Argumente für ein Tempo-
(2002) den Probanden nach einem Zufallsprinzip rückgemeldet, limit auf deutschen Autobahnen gehört haben, dann ist es wahr-
dass sie nach der beeinflussenden Kommunikation ihre Einstel- scheinlicher, dass Sie sechs Wochen später sagen können, „Ich
lung entweder geändert haben oder nicht. So konnten sie nach- habe überzeugende Argumente dafür gehört“, als dass Sie die
weisen, dass ein entscheidender Faktor der Immunisierung darin Argumente selbst noch kennen. Daher ist es wichtig sicherzu-
besteht, dass die Personen glauben, sie hätten bereits anderen stellen, dass das Publikum die Kommunikationsabsicht richtig
Beeinflussungsversuchen erfolgreich widerstanden. Aus diesem verstanden hat. Das ist es nämlich, woran es sich später erinnern
Befund lässt sich aber auch ableiten, wie man die Immunisierung wird, und das sollte man tatsächlich nicht dem Zufall überlassen.
untergraben kann: Man muss zu diesem Zweck die Adressaten In der direkten Kommunikation ist ein Ansatz möglich, der alle
dazu bringen zu glauben, sie hätten ihre Meinung früher schon oben genannten Argumente gleichzeitig berücksichtigt: Wenn
einmal geändert. die Person, die überzeugt werden soll, die Schlüsse, die sie zieht,
auch selbst laut ausspricht, hat der Kommunikator einerseits die
Kontrolle darüber, was die Person jetzt genau gerade gefolgert
14.2.4 Explizite Schlussfolgerungen hat, hat aber andererseits alle Vorteile einer nur impliziten Kom-
munikation – ganz zu schweigen davon, dass die Methode des
Soll der Kommunikator eigentlich ausdrücklich sagen, worauf es lauten Aussprechens eine der bestgeeigneten Methoden ist, die
ihm ankommt? Soll er die Meinung, von der er sein Publikum Bindung einer Person im Sinne der Konsistenztheorien (▶ Ab-
überzeugen will, deutlich aussprechen und auf dem Silbertablett schn. 11.3.5) zu erhöhen.
servieren? Man könnte vielleicht einwenden, was eigentlich da-
gegen spricht, das Ziel der Kommunikation explizit auszuspre-
chen. Es gibt aber Argumente, nach denen es womöglich Erfolg 14.2.5 Selbstüberredung
verspricht, die entscheidenden Schlüsse aus dem Gesagten nicht
selbst zu ziehen, sondern dem Publikum zu überlassen. Denken Sie einmal für eine Minute über folgende Frage nach:
Wenn ich Ihnen Argumente vortrage, aus denen sich zwin- „Was finden Leute eigentlich gut an einem BMW?“ Oder überle-
gend ergibt, dass man bei der nächsten Bundestagswahl konser- gen Sie: „Welche Vorteile hätte ich, wenn ich mir Kabelfernsehen
vativ wählen sollte, ich aber in meinem ganzen Vortrag niemals in die Wohnung holte?“ Oder widmen Sie nur einige kurze Ge-
deutlich sage: „Man sollte konservativ wählen“, dann habe ich danken folgender Frage: „Womit könnte man andere Leute da-
den Vorteil, dass man mir keinen Beeinflussungsversuch vor- von überzeugen, weniger Fett zu essen?“ Würden Sie tatsächlich
werfen kann (Stroebe 1980). Außerdem lege ich den entschei- diese Fragen erwägen, wären Sie bereits auf halbem Weg, BMW,
denden Schluss nur nahe, ziehen müssen Sie ihn selbst. Und ich Kabelfernsehen oder eine fettarme Ernährung für sich selbst auf-
kann hoffen, dass Sie sich einem Schluss, zu dem Sie selbst etwas zuwerten. Eine der zuverlässigsten Quellen für eine beeinflus-
beigetragen haben, stärker verbunden fühlen. Zudem hat die nur sende Kommunikation ist nämlich die eigene Person. Wenn Sie
implizite Schlussfolgerung einen gewissen Aufforderungs- oder jemanden überzeugen wollen, ist eine der besten Empfehlungen:
Anregungscharakter. Eine Kommunikation, die etwas von Ihnen Lassen Sie die andere Person die Argumente selbst entwickeln,
verlangt, zu der sie selbst etwas beitragen müssen, genießt bei von denen sie überzeugt werden soll.
Ihnen auch höhere Aufmerksamkeit (denken wir hier auch an Schon bloße Vorstellungen, sich zum Beispiel auszumalen,
den Aufmerksamkeitseffekt von Werbespots, die zum Rätseln wie das wäre, wenn ich dieses oder jenes Produkt hätte, kann zu
anregen; ▶ Abschn. 2.7.4; Witt und Witt 1990). Schließlich hin- einer Einstellungsänderung führen (Gregory et al. 1982). Beson-
terlassen Informationen, die kognitiv tiefer verarbeitet werden, ders erfolgversprechend ist es aber, wenn man die Zielpersonen
auch tiefere Gedächtnisspuren. Vor allem hätte man bei dieser dazu bringen kann, offen die Position zu vertreten, von der sie
Strategie den Generierungseffekt (▶ Abschn. 4.2.3) auf seiner erst überzeugt werden sollen. Dies kann man zum Beispiel im
Seite, nach dem alle Informationen, die man selbst „erfunden“ Rahmen von Rollenspielen tun. Einer Person wird zugemutet,
hat, leichter zu merken sind als Informationen aus anderen Quel- dass sie in einer inszenierten Diskussion bestimmte Argumente
len. Schließlich sind selbstgefundene Argumente auch überzeu- verteidigt. Es gibt eine Reihe von Argumenten, warum eine sol-
gender als von außen präsentierte (▶ Abschn. 14.2.5). che Strategie funktionieren könnte, das heißt, dass die Person
Sawyer und Howard (1991; vgl. auch Kardes 1988; Stayman sich der Position nähert, die sie vertreten hat, selbst wenn sie
und Kardes 1992) konnten daher auch zeigen, dass solche Werbe- anfangs gar nicht davon überzeugt war (Lewin 1947; Janis 1968;
spots, in denen die entscheidende Schlussfolgerung ausgelassen Stroebe 1980, S. 357; Boninger et al. 1990; vgl. auch Pratkanis
wurde, eine größere Überzeugungskraft besaßen. Allerdings galt
ihr Ergebnis nur bei hohem Involvement. Ist das Involvement ge-
ring, wie man in sehr vielen Fällen erwarten muss, dann spricht
nicht mehr viel dafür, dem Publikum die Schlussfolgerungen
-
und Aronson 1992, S. 123 ff; Greenwald und Banaji 1995, S. 11):
Als Rollenspieler erfährt die Person Anerkennung von
ihrem „Publikum“. Ihr Verhalten, die Argumentation, wird
im Sinne der Lerntheorie verstärkt. Vielleicht findet sie
selbst zu überlassen (Hovland und Mandell 1952; Percy und gar Gefallen an ihrer eigenen Leistung im Rollenspiel und
Rossiter 1991).
Für eine explizite Darlegung der Schlussfolgerungen spricht,
dass das Publikum eher eine Schlussfolgerung im Gedächtnis
behält als die Argumente, die dazu geführt haben. Wenn Sie also
- belohnt ihr Verhalten dadurch quasi selbst.
Sie wendet sich mit größerer Aufmerksamkeit den Ar-
gumenten zu. Das Rollenspiel sorgt dabei für eine tiefere
Verarbeitung der Argumente. Dies spricht für sich genom-
286 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

men bereits dafür, dass sie die Argumente besser behält. 14.3.1 Widerstand gegen Beeinflussung
1 Wenn sie nun aber auch noch einige der Argumente selbst
(er-)findet, dürfte der Erinnerungsvorteil noch größer sein, Generell reagieren Menschen keineswegs positiv auf Versuche,
2 denn selbst produziertes Material wird grundsätzlich besser ihre Meinung zu beeinflussen. Dies zeigt sich zum Beispiel in
erinnert als fremdes (z. B. Wippich 1989, S. 238 f; siehe auch einem Experiment von Chen et al. (1992). Probanden werden
3
- ▶ Abschn. 4.2.3).
Durch die tiefere Verarbeitung behält die Person die Argu-
-
vorgewarnt, dass
die folgende Präsentation einstellungskonträre Informatio-

4
5
mente nicht nur besser, sie schlägt damit auch gezwunge-
nermaßen die zentrale Route der Beeinflussung ein (Petty
und Cacioppo 1986). Ihre Einstellung wird auf diesem
Wege stabiler und eher zu Verhalten führen, als wenn die
- nen enthält,
die folgende Präsentation eine persuasive Absicht hat.

Beide Warnungen werden unabhängig voneinander variiert.

6 - Einstellung auf dem peripheren Weg entstehen würde.


Als Rollenspieler muss sich die Person um eine verständli-
che Darstellung bemühen. Dies verbessert die Qualität der
Argumente. Denken Sie daran, welch großen Lerneffekt es
Wenn eine einstellungskonträre Information erwartet wird, ak-
tivieren die Rezipienten die Argumente, die sie von ihrer bishe-
rigen Position überzeugt haben. Das tun sie allerdings nur, wenn
der Gegenstand persönlich relevant ist. Außerdem brauchen sie
7 hat, wenn man einen schwierigen mathematischen Beweis, zum Gegenrüsten Zeit. Damit hängt der Widerstand gegen ein-
den man selbst kaum verstanden hat, jemandem zu erklä- stellungskonträre Botschaften (unabhängig von einer persuasiven
8
- ren versucht.
Während der Rollenspieler improvisiert, kann er sich nicht
Absicht) davon ab, wie relevant der Gegenstand ist und wie viel
Zeit zum Gegensteuern gegeben wird.

9
10
- auf Gegenargumente konzentrieren.
Im Rollenspiel findet eine Identifikation mit der Person
statt, die man spielt. Man macht sich diese Person vertraut,
auch wenn diese Person nur in der Phantasie existiert.
Wenn dagegen ein Beeinflussungsversuch erwartet wird,
sorgt diese Erwartung allein unabhängig vom Inhalt schon für
einen wirksamen Widerstand. Der Effekt der Warnung wird also
nicht durch das Gegenargumentieren vermittelt und ist daher
Diese Identifikation kann über die Spielsituation hinaus auch nicht von persönlicher Relevanz oder Zeit abhängig. Er-
wirken. Das Rollenspiel bringt die Zielpersonen nicht nur klärt werden kann das mit einer generellen Reaktanz gegenüber
11 auf intellektuell-argumentativem, sondern auch auf emo- Beeinflussungsversuchen (▶ Abschn. 11.5). Die Reaktanz äußert
tionalem Weg der bisher abgelehnten Position näher. Das sich voraussichtlich nicht in einer anspruchsvollen Gegenargu-
12 Rollenspiel kann spürbar und nachvollziehbar machen, wie mentation, sondern eher in einer verzerrten Informationsver-
sich eine bestimmte Sache ausnimmt, wenn man sie von arbeitung, die die persuasive Botschaft grundsätzlich abwertet,
13
14
- einer anderen Seite betrachtet.
Der Mechanismus der kognitiven Dissonanz geht davon
aus, dass die Zielperson die Tatsache, dass sie bestimmte
Argumente vertreten hat, ihre bisherige Meinung als
anzweifelt oder ignoriert.
Allerdings gibt es auch Situationen, in denen die Vorwar-
nung nicht etwa Widerstand, sondern sogar eine „vorauseilende
Zustimmung“ erzeugt. Wood und Quinn (2003) zeigen dies
unstimmig und aversiv erlebt. Sie darf nur nicht das Gefühl für Themen von geringer persönlicher Relevanz: Hier stimmen
15 haben, gezwungen worden zu sein. Es wäre demnach eine Probanden einer beeinflussenden Kommunikation oft schon zu,
spätere Anpassung der Einstellung an das zuvor gezeigte nachdem sie die Vorwarnung erhalten haben, ohne die eigentliche
Verhalten zu erwarten (▶ Kap. 11). Botschaft abzuwarten. Die Autoren erklären diesen Effekt damit,
16 dass die Rezipienten erwarten, der Information nichts entgegen-
Ich möchte noch einmal betonen: Es geht nicht so sehr um das halten zu können (was wohl mit der geringen Relevanz des The-
17 Rollenspielen, sondern darum, dass man selbst die Argumente mas zusammenhängt). Die vorauseilende Zustimmung stellt nun
für eine Sache generiert. Das kann auch in der bloßen Vorstellung subjektiv sicher, dass sich die Rezipienten nicht für beeinflussbar
ohne ein Publikum bereits effektiv sein. Vielleicht fallen Ihnen halten müssen – immerhin waren sie ja immer schon und un-
18 selbst ja noch einige Gründe dafür ein, warum selbstgenerierte abhängig von der persuasiven Botschaft selbst dieser Ansicht …
Argumente die besten sind. Werbung steht ja nun generell in dem Ansehen, dass sie be-
19 einflussen soll, insofern sollte sie auch dauerhaft von der gene-
rellen Abwehrhaltung betroffen sein. Befunde wie diese dämp-
14.3 Das Wissen um die Beeinflussungsabsicht
20 fen demnach die Erwartung, dass Einstellungen durch Werbung
gründlich verändert werden könnten.
Viele der vorangegangenen Überlegungen beruhen bereits auf Welche Argumente könnten trotzdem dafür sprechen, dass
21 dem Gedanken, dass sich die Empfänger einer Marketinginfor- Werbung wirkt? Hierzu ist zu fragen, wie Werbung den Wider-
mation nicht nur mit der Information auseinandersetzen, son- stand der Rezipienten gegen eine Beeinflussung durchbricht. Auf
22 dern auch mit der Tatsache, dass sie dadurch beeinflusst werden unbewusster Ebene könnte dies durch Priming (z. B. ▶ Kap. 6)
sollen. Wer mit Werbung oder dem Verhalten eines Verkäufers und evaluatives Konditionieren geschehen (▶ Abschn. 3.2). Eine
konfrontiert ist, weiß ja normalerweise, was mit dieser Art der wirksame Strategie, die eine bewusste Rezeption der Werbung
23 Kommunikation erreicht werden soll. Seine kognitive Reaktion voraussetzt, wäre etwa das Storytelling (▶ Kap. 15).
beruht auf der Erwartung, dass hier ein Beeinflussungsversuch Andere Strategien bestehen entweder darin, Vertrauen in
vorliegt. die Kommunikation aufzubauen, so etwa durch zweiseitiges
14.3  •  Das Wissen um die Beeinflussungsabsicht
287 14

Argumentieren (▶ Abschn. 14.2), oder den Anschein der Wer- Empfänger


bung gleich ganz zu vermeiden. Dies soll zum Beispiel durch Wissen über
Wissen über den Wissen über den
Product Placement erreicht werden, bei dem das Produkt in Beeinflussungs-
Gegenstand Sender
eine Filmhandlung eingebunden wird. Dass diese Technik strategien

wirkt, ist etwa für das implizite Erinnern und die Produktwahl
nachgewiesen (Yang und Roskos-Ewoldsen 2007; siehe auch
▶ Abschn. 4.7.3). Allerdings hängt die Wirkung des platzier- Umgang mit dem
Beeinflussungsversuch
ten Produkts auch davon ab, ob es von einer Person benutzt
wird, die der Zuschauer mag. Unsympathische Charaktere Beeinflussungssituation
verschlechtern das Image des Produkts. Außerdem kommt ein
allzu offensichtliches Product Placement nicht gut an, vermut- Beeinflussungsversuch
lich weil durch die Offensichtlichkeit das Ziel verfehlt wird, die
Beeinflussungsabsicht zu verschleiern. In einem Experiment Sender
von Cowley und Barron (2008) hat ein offensichtliches Pla-
cement besonders Personen gestört, die Fans des jeweiligen Wissen über den
Wissen über
Wissen über den
Beeinflussungs-
Programms waren (für einen Überblick vgl. Fennis und Stroebe Gegenstand
strategien
Empfänger
2010, S. 188 ff.).
Sponsoring kann als eine weitere Strategie gelten, Widerstand
.. Abb. 14.2  Das Persuasion Knowledge Model. (Eigene Darstellung nach
gegen Werbung zu umgehen. Allerdings merken sich Konsumen-
Kirmani und Campbell 2009, S. 299)
ten sehr schlecht, wer ein bestimmtes Ereignis gesponsert hat.
Meist verwenden sie zwei Heuristiken, die beide von der korrek-

-
ten Antwort ablenken können:
Kongruenz- oder Passungsheuristik: Das Unternehmen, das
hier gesponsert hat, hat etwas mit dem Produkt zu tun. Ein
Sportereignis beispielsweise wird eher von einem Hersteller
zu bemerken, oder nur um eine zahlenmäßige Überlegenheit ge-
genüber dem Verkäufer zu erreichen oder eine Form von Öffent-
lichkeit herzustellen, die den Verkäufer von unerlaubten Taktiken
abhält. Kurz gesagt, Konsumenten wenden aktiv eine ganze Reihe

- für Sportartikel gesponsert als von einer Brauerei.


Marktpräsenzheuristik: Das Unternehmen ist auf dem
Markt besonders sichtbar. Ein Sportevent beispielsweise
wird eher von Adidas oder Nike gesponsert als von einer
von Verhaltensweisen an, die ihrerseits als Beeinflussung gelten
können (Kirmani und Campbell 2004).
Diese Wechselseitigkeit des Verhaltens wird, wie erwähnt,
im PKM beschrieben. . Abbildung 14.2 illustriert die zentralen
weniger bekannten Firma (zusammenfassend vgl. Fennis Punkte dieses Modells.
und Stroebe 2010, S. 190 ff.). Die beschriebenen Methoden, dem Beeinflussungsversuch
zu entgehen oder ihn für die eigenen Ziele zu nutzen, finden
sich als Umgang mit dem Beeinflussungsversuch (persuasion co-
14.3.2 Das Persuasion Knowledge Model ping behaviors). Eine zentrale Rolle nehmen im Modell die un-
terschiedlichen Annahmen und Wissensbestände der beteiligten
Das Persuasion Knowledge Model (PKM) von Friestad und Personen ein:
Wright (1994; vgl. auch Kirmani und Campbell 2009) bleibt Ein Rezipient wird sich nicht gegen eine Strategie wappnen,
nicht bei der Annahme stehen, dass sich die Rezipienten einer von der er nichts weiß. Praktiker der Werbung wie auch Konsu-
persuasiven Botschaft gegen eine Beeinflussung zur Wehr set- menten wissen meist erstaunlich wenig darüber, welche Beein-
zen. Das Modell nimmt vielmehr an, dass Empfänger wie die flussungsstrategien wie wirksam sind. Strategien wie etwa das un-
Sender eines Beeinflussungsversuchs innerhalb der Interaktion terschwellige Priming werden in ihrer Wirksamkeit in aller Regel
Ziele verfolgen. Diese Ziele erschöpfen sich keineswegs darin, überschätzt (▶ Kap. 6), unterschätzt wird dagegen die Bedeutung
sich vor Beeinflussung zu schützen. Konsumenten setzen sich von Konditionierungsprozessen (Nickel 1997) oder generell die
durchaus aktiv der Werbung oder dem Verkäuferverhalten aus, Vielfalt an Wirkungswegen, über die Werbung und Marketing
haben dabei aber auch ihre eigenen Ziele. Um die zu erreichen, das Verhalten beeinflussen (Friestad und Wright 1995).
streben sie nach einem Kompromiss zwischen der Beeinflusser-
und der Helferrolle der „Persuasionsagenten“. Sie prüfen durch Wissen über die Beeinflussung und ihre
ihre Fragen die Expertise und die Glaubwürdigkeit eines Ver- Strategien
käufers, stellen sicher, dass ihr Anliegen verstanden wurde, ver- Welche Beeinflussungsstrategien gibt es, und wie wirken sie?
suchen durch Smalltalk eine Beziehung herzustellen, dirigieren Wie sich die Beteiligten solche Fragen beantworten, bestimmt
Verkäufer, etwa indem sie deren Suchraum aktiv einschränken, ihr Verhalten in der Beeinflussungssituation.
verstärken bestimmte Verhaltensweisen und bestrafen andere. Generell halten Menschen aber andere für beeinflussbarer
Konsumenten gestalten die Situation auch, indem sie Dritte mit als sich selbst (z. B. Moser und Hertel 1998), so dass die bloße
einbeziehen und mit „Verbündeten“ in eine Verkaufssituation ge- Tatsache, etwas von Beeinflussungsstrategien zu wissen, oft kei-
hen, etwa weil sie die anderen für bessere Verhandler halten, weil nen ausreichenden Schutz vor Beeinflussung bietet. Eigentlich
diese von dem Produkt mehr verstehen, die nötige kognitive Ka- trifft häufig sogar eher das Gegenteil zu: Je mehr Personen glau-
pazität mitbringen, um eine unerwünschte Beeinflussung schnell ben, die Mechanismen der Beeinflussung durchschaut zu haben,
288 Kapitel 14 • Einstellungsänderung

Exkurs 14.5  Erhöhung der Glaubwürdigkeit im Internet  |       | 


1
Die Erwartung beeinflusst zu werden, sinkt tatsächlich hinter jedem Button im Grunde die und zwar dann, wenn Konsumenten dahinter

2 auch, wenn Rezipienten das Gefühl haben, sie


können sich die Information selbst aussu-
gleiche Information zu finden war (Schlos-
ser und Shavitt 2009). Der entscheidende
eine Strategie sehen. Dies kann zum Beispiel
induziert werden, wenn auf der Webseite
chen. Dies ist in Internetshops besonders Faktor in diesem Effekt ist die Bewertung des allzu aufdringlich kommuniziert wird: „Wir
3 gut möglich: Hier können unterschiedliche
Schaltflächen unterschiedliche Informationen
Absenders: Zum einen stieg die Kaufabsicht in
den Experimenten von Schlosser und Shavitt
legen nicht fest, was Sie lesen – das machen
Sie. Sie haben die freie Wahl. Klicken Sie auf
repräsentieren, die der Kunde dann aktiv (2009) nur dann, wenn die Konsumenten im die Schaltfläche, für die Sie sich entschieden
4 auswählt. Das Gefühl, die beeinflussende
Information selbst gewählt zu haben, verbes-
selben Zusammenhang das Unternehmen
bewerteten. Der Absender der frei wählbaren
haben“ (vgl. hierzu Schlosser und Shavitt 2009,
Experiment 3).
sert in der Folge die Bewertung des Absen- Informationen sollte also bekannt und salient Es bleibt also dabei: Ob eine beeinflussende
5 ders und steigert die Bereitschaft, bei dem sein. Zum anderen aber kann die freie Wahl Kommunikation wirkt, hängt von der vermute-
Unternehmen zu kaufen – selbst dann, wenn der Informationen auch negativ ausschlagen – ten Beeinflussungsabsicht ab.

6
desto beeinflussbarer sind sie – einfach weil sie glauben, durch Annahmen über den Sender bzw. Empfänger:
7 die Kenntnis bereits „immun“ zu sein (Sagarin et al. 2002). Was Konsumenten über den Sender einer persuasiven Bot-
Für den Empfänger ergibt sich an dieser Stelle noch eine schaft denken, bewegt sich zwischen allgemeinen ungeprüften
andere, vorgelagerte Frage, nämlich die, ob überhaupt ein Be- Annahmen (z. B. Stereotype: „Vertreter sind aufdringlich“) und
8 einflussungsversuch vorliegt. Die folgenden Signale im Verkäu- persönlicher Erfahrung (z. B. „Meine Freundin weiß viel über
ferverhalten werden häufig als Zeichen für eine Beeinflussung gutes Essen, sie wird mir einen guten Rat geben“). Diese Annah-
9 gedeutet und lösen entsprechendes Abwehrverhalten aus (Kir- men regeln die Bereitschaft, sich beeinflussen zu lassen. Diese

10 --
mani und Campbell 2009, S. 301; Main et al. 2007):
Parteilichkeit des Senders,
Bereitschaft ist umso höher, je geringer die Beeinflussungsabsicht
ist, die der Empfänger beim Sender unterstellt (▶ Abschn. 14.2.1;

- rhetorische Fragen,
Vergleiche, bei denen ein anderes Produkt schlecht ab-
siehe auch ▶ Exkurs 14.5).

-
11 schneidet, Beeinflussungssituation
unpassende Erwähnung von Produkten (z. B. beim Product Die Beeinflussungssituation selbst ist ebenfalls ein wichtiger
12
-- Placement),
Schmeichelei,
Gegenstand der Wahrnehmung: Die werbepsychologische
Forschung unterscheidet zwischen der Einstellung gegenüber
13
- teure Einstiegsangebote,
unvollständige Vergleiche, in die nur manche Optionen
oder Merkmale einbezogen und andere weggelassen wer-
dem Produkt oder der Marke und der Einstellung gegenüber
der Werbung. Dies gründet auf der Erkenntnis, dass die Beein-
flussungssituation selbst, also die Werbung, unabhängig von der
14
- den,
Verknüpfung des Produkts mit einem Gegenstand, der dem
Botschaft bewertet wird. Beide Bewertungen beeinflussen sich
gegenseitig, sind aber nicht identisch. Dieser Einfluss kann sehr
15
16
- Rezipienten wichtig ist (z. B. Kinder, Gesundheit),
Hinweis auf „gute Zwecke“, die mit einem Kauf gefördert
werden.
oberflächlich sein, indem zum Beispiel das Produkt gemocht
wird, wenn der Rezipient die Werbung mag. Nachgewiesen sind
aber auch differenziertere Bewertungen der Beeinflussungssitu-
ation, etwa bei der Wahrnehmung des Aufwands: Grundsätzlich
Annahmen über den Gegenstand finden es Rezipienten akzeptabel, dass ein Werber besondere
17 „Dieser Kameratyp ist veraltet“, „Diese Marke ist für ihre Halt- Anstrengungen unternehmen muss, damit sein Appell wahrge-
barkeit bekannt“ – Beispiele für unterschiedliche Annahmen nommen wird. Allerdings findet sich ein kurvilinearer Zusam-
zum Gegenstand der Beeinflussung, zum Produkt. Diese An- menhang zwischen dem wahrgenommenen Aufwand und der
18 nahmen sind unterschiedlich valide, und der Grad, in dem die Bereitschaft, sich beeinflussen zu lassen (Kirmani und Campbell
eigenen Annahmen zum Gegenstand zutreffen, kann für eine 2009, S. 303 f.): Wenn ein gewisser Mindestaufwand unterstellt
19 Beeinflussungssituation entscheidend sein. Ein Extrembeispiel, wird, geht das mit der Annahme der Rezipienten einher, dass
bei dem das Wissen über den Gegenstand den entscheidenden der Anbieter ein gutes Produkt hat, für das zu werben sich auch
20 Ausschlag gibt, wird in Verhandlungssituationen als „Winner’s lohnt. Dieser Gedanke kann allerdings nicht fortgeführt werden:
Curse“ beschrieben (z. B. Bazerman und Neale 1992). Diese Si- Wenn der unterstellte Aufwand wiederum zu groß wird, sinkt
tuation entsteht, wenn ein Verkäufer nur solche Angebote des die Erwartung wieder, dass das Produkt bzw. die Botschaft etwas
21 Käufers annimmt, bei dem dieser ein schlechtes Geschäft macht, taugt.
und die Verhandlung lieber scheitern lässt, als ein Ergebnis zu
22 akzeptieren, bei dem er selbst weniger gut abschneidet. Diese
Situation kommt nur dann zustande, wenn einer der Beteiligten
über den Gegenstand der Verhandlung mehr weiß als der andere.
23 Um sich gegen solche Beeinflussungsstrategien zu schützen, be-
ziehen Verhandlungspartner oft Dritte in die Verhandlung mit
ein bzw. stellen für die Beeinflussungssituation Öffentlichkeit her.
289 15

Geschichten als Mittel


der Beeinflussung
Georg Felser

15.1 Was sind Geschichten und was tun sie in der Werbung?  –  290
15.1.1 Kohärenz, Chronologie und Kausalität  –  290
15.1.2 Zielerreichung mit Hindernissen  –  291
15.1.3 Bedeutsamkeit – 292
15.1.4 Fiktionale und nicht fiktionale Geschichten  –  293
15.1.5 Wirkung von Geschichten in Werbespots und Medien  –  293

15.2 Über welche Prozesse wirken Geschichten?  –  295


15.2.1 Korrespondenz zur Arbeitsweise des Gedächtnisses  –  295
15.2.2 Erhöhte Verarbeitungsflüssigkeit – 297
15.2.3 Effekte des bloßen Erwägens  –  299
15.2.4 Mimikry, Embodiment und implementation intentions  –  301
15.2.5 Unterbinden von Gegenargumenten: Erzähltypische Merkmale  –  302
15.2.6 Identifikation und motivationale Prozesse  –  302
15.2.7 Verblassen des Quellengedächtnisses  –  304

15.3 Geschichten und Überredung: Ein Resümee  –  304

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
290 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

Zusammenfassung 15.1 Was sind Geschichten und was tun


1 1. Menschen werden leichter von einer Sache überzeugt, wenn sie in der Werbung?
man sie in Geschichtenform präsentiert. Geschichten wirken vor
2 allem, wenn sich Rezipienten auf sie einlassen und in die Welt Bei der Fahrt durch einen winterlichen Wald bemerkt der Merce-
der Geschichte der Geschichte „eintauchen“. Dieser Vorgang des-Fahrer plötzlich neben sich den Sensenmann. Dieser schaut
wird auch als Transportation bezeichnet. den verblüfften Fahrer an und sagt lakonisch: „Sorry.“ Einen
3 2. Geschichten unterstützen die Entstehung von Vorstellungsbil- Augenblick später nur zeigt sich, wo die Fahrt vermutlich enden
dern unabhängig davon, ob diese Vorstellungen den Tatsachen wird, nämlich in einem Haufen von Fahrzeugen und Maschinen,
4 entsprechen oder nicht. In der Folge können solche durch Ge- die bei Waldarbeiten die Straße blockieren. Ein Baumstamm wird
schichten erzeugten Vorstellungen – ebenfalls unabhängig von eben von einem Kran gehoben – der Mercedes fährt direkt darauf
5 ihrem Wahrheitsgehalt – Verhalten beeinflussen. zu, keine Chance auszuweichen, der abgesägte Stamm wird mit
3. Die Geschichtenstruktur kommt der Arbeitsweise unseres Ge- Wucht die Windschutzscheiben zertrümmern, Totalschaden für
dächtnisses sehr entgegen. Erinnerungen werden üblicherweise Auto und Fahrer sind unausweichlich. Ein beherzter Tritt auf
6 konstruiert, und dieser Konstruktionsprozess folgt ähnlichen Re- die Bremse jedoch wendet die Gefahr ab, nach einem minimalen
geln wie auch die Erzählung von Geschichten. Bremsweg bleibt der Mercedes souverän und unversehrt stehen,
7 4. Geschichten fördern die Verarbeitungsflüssigkeit der präsen- der Fahrer wendet sich an seinen ungebetenen Beifahrer und
tierten Inhalte. Sie ermöglichen die Identifikation mit den Pro- raunt ihm zu: „Sorry“ (▶ https://www.youtube.com/watch?v=-
joG8s_BAisA, Abruf 17.5.2015; siehe auch ▶ http://www.merce-
8 tagonisten und können auf diese Weise auch ins episodische
bzw. autobiographische Gedächtnis gelangen. Geschichten des-benz.tv).
lassen Verhaltensweisen plastisch vor das Auge treten und Der beschriebene Spot ist ein Beispiel für Storytelling in der
9 erleichtern auf diese Weise die Umsetzung von Absichten in Werbung. Die Botschaft ist klar: Mit Hilfe einer Geschichte soll
Verhalten. hier die unschlagbare Bremswirkung der neuen E-Klasse vorge-
10 5. Geschichten verlangen vom Rezipienten mindestens vorläufig, führt werden. Welche Wirkung hat eine solche Geschichte auf
dass er die präsentierten Inhalte akzeptiert. Sie verhindern über das Gedächtnis, auf die Einstellung gegenüber Mercedes und die
verschiedene Mechanismen ein Gegenargumentieren gegen Überzeugung, dass die Bremsen der E-Klasse in der Tat einzig-
11 persuasive Inhalte. artig sind?
6. Geschichten können auch über eine „stellvertretende Wunsch­ Bevor wir diese Frage beantworten, sollten wir uns fragen,
12 erfüllung“ wirken, indem sie dem Rezipienten angenehme Zu- was das Besondere an einer Geschichte ist. Die Frage nach der
stände vor Augen führen, an denen er über sein Eintauchen in Wirksamkeit ist ja immer die Frage danach, wie wirksam eine
Kommunikationsform im Vergleich zu einer anderen ist.
13 die Geschichte partizipiert.

Was soll man unternehmen, um den Missbrauch von Sozial-


14 leistungen in den Griff zu bekommen? Und woran liegt es, dass 15.1.1 Kohärenz, Chronologie und Kausalität
manche Jugendliche ihre Ausbildung nicht abschließen? Die Ant-
15 worten, die Menschen auf solche Fragen geben, hängt zu einem Geschichten besitzen immer ein gewisses Mindestmaß an
nicht geringen Teil davon ab, welche konkreten Beispiele ihnen Kohärenz, an innerer Stimmigkeit und Zusammenhalt. Die lose
einfallen. Interessanterweise spielt dabei aber nur eine unterge- Abfolge von Informationen macht noch keine Geschichte aus.
16 ordnete Rolle, ob diese Beispiele repräsentativ sind oder nicht, Was die Informationen zusammenhält und zu einer Geschichte
ja nicht einmal, ob sie real sind oder fiktiv: Die bloße Erzählung macht, kann offenbar variieren: In Frage kommen etwa Gescheh-
17 eines konkreten Beispiels beeinflusst unsere Vorstellung davon, nisse und deren Folgen, die handelnden Personen, die Ziele von
wie dringend ein soziales Problem ist, wodurch es verursacht Handlungen, Zeit oder Ort des Geschehens – vielleicht noch
wird und was man dagegen tun sollte (Strange und Leung 1999). mehr. In einer Geschichte „geschieht“ immer etwas, Geschichten
18 Offenbar spielen bei unserer Meinungsbildung die Konkretheit sind nicht statisch, und die bloße Beschreibung eines Zustands
der Information und die Einbettung in eine Geschichte die ent- ist keine Geschichte.
19 scheidende Rolle, nicht jedoch die Übereinstimmung der Ge- In der Werbung macht das Geschehen an sich aber noch
schichte mit den Tatsachen. keine Geschichte aus. Wenn zwei Sorten Windeln mit Wasser
20 Werbung und Marketing machen sich die Überlegenheit von begossen und danach auf ihre Saugfähigkeit geprüft werden,
Geschichten gegenüber anderen Formen der Information schon geschieht auch etwas, aber diese Form würde man als „Pro-
seit Jahren zu Nutze (z. B. Fuchs 2009; Herbst 2011). Im Folgen- duktdemonstration“ bezeichnen, nicht als Geschichte (Beispiel
21 den beschäftigen wir uns mit den theoretischen und empirischen nach Deighton et al. 1989). Um zu einer Geschichte zu werden,
Argumenten für ein Marketing in Form von Geschichten – oder, müsste der Spot handelnde Personen auftreten lassen. Die hier
22 wie es im Marketing-Jargon oft heißt: Storytelling. zitierte Systematik von Deighton et al. (1989) ist insofern inte-
ressant, als sie noch ein weiteres Kriterium einführt, das ent-
scheidet, ob man eine Geschichte oder ein Drama vor sich hat:
23 die „Narration“. Eine Geschichte wird nach dieser Idee immer
erzählt, ein Drama dagegen ereignet sich vor unseren Augen.
Die Unterscheidung deutet auf einen Punkt, der möglicherweise
15.1  •  Was sind Geschichten und was tun sie in der Werbung?
291 15

psychologisch interessant ist, auch wenn er in der Analyse wohl meist geordnet dar – und ein häufiger Aspekt dieser Ordnung
eher selten zu eindeutigen Zuordnungen führt: Geschichten sind ist Gerechtigkeit. Die meisten Geschichten gehen „gut“ aus:
in unterschiedlichem Grade vermittelt, und diese Vermittlung ist Die Guten werden belohnt, die Bösen bestraft (vgl. auch Appel
in unterschiedlichem Grade offensichtlich. In manchen Fällen 2008). Allerdings machen gute Ausgänge eine Geschichte nicht
tritt ein sichtbarer Erzähler auf, in anderen Fällen soll die Illu- zur Geschichte– sie sind allenfalls typisch, nicht aber definito-
sion gegeben werden, dass der Rezipient unmittelbarer Zeuge risch.
des Geschehens ist. Deighton et al. (1989) spekulieren, dass die
persuasive Wirkung eines Dramas noch höher liegt als für eine
Geschichte. In ihrer Auswertung existierender Werbespots un- 15.1.2 Zielerreichung mit Hindernissen
terscheiden sie allerdings nur zwischen Spots, die „Drama“ ein-
setzen, und solchen, die sie als „Argument“ klassifizieren – sie Üblicherweise haben die handelnden Personen im Laufe der Ge-
können aber für diese Differenzierung in der Tat eine höhere schichte ein Ziel, und das Erreichen des Ziels ist der Aufhänger
persuasive Wirkung der „Dramenform“ nachweisen. für die Geschichte. Wie steht es nun mit folgendem Geschehen?
Eine scharfe Differenzierung zwischen Drama und Ge- „Ich stehe vor der Tür und wollte ins Haus. Ich greife in die Ta-
schichte ist auch dann schon schwierig, wenn man sich nicht sche, hole den Schlüssel hervor, schließe auf und gehe hinein.“
auf Werbespots beschränkt. Die meisten Geschichten enthalten Diese beiden Sätze erfüllen zwar alle genannten Kriterien,
ohnehin immer Elemente, die man im Sinne einer unvermittelten erscheinen aber nicht erzählenswert, das heißt, einfache Fälle ei-
Darbietung des Geschehens „dramatisch“ nennen dürfte. Inso- ner Zielerreichung sind offenbar noch keine Geschichte. Es fehlt
fern kann man für unsere Analyse resümieren, dass der Grad ein Hindernis, ein Problem, etwa folgendermaßen: „Ich greife in
der Unmittelbarkeit bzw. der narrativen Vermittlung wohl eher meine Tasche … vom Schlüssel keine Spur. Auch im Rucksack
zwischen unterschiedlichen Arten von Geschichten differenziert, nicht und auch nicht unter der Fußmatte …“ Das könnte interes-
aber nicht die Geschichte zur Geschichte macht. sant werden, auf jeden Fall hat es das Zeug zu einer Geschichte.
Einige Autoren (z. B. Escalas et al. 2004) betonen, die zentra- Nach dieser Vorstellung ähnelt eine Geschichte häufig einer
len Eigenschaften einer Geschichte seien Chronologie und Kau- Problemlösung (Knoblich 2002). Allerdings wäre die Geschichte
salität. Dies mag zutreffen, insofern Chronologie und Kausalität auch dann eine Geschichte, wenn die Problemlösung scheitert.
die notwendigen Formen sind, in denen sich ein Geschehen Der Erfolg der Problemlösung ist also sicherlich kein definieren-
überhaupt vollziehen kann. Menschen verändern Gedächtnisin- des Element der Geschichte.
halte im Zweifelsfall sogar so, dass sie chronologisch und kausal Viele Erfolgsgeschichten von Marken beginnen klein, in Ga-
sinnvoll erscheinen – auch wenn dies letztlich die Erinnerung ragen etwa, nur mit einer Idee oder einem Traum und einem
verfälscht. Berühmt ist etwa das Beispiel von Bartlett (1932), in Loch in der Hosentasche. Google, HP oder Apple haben so an-
dem Probanden eine nach den üblichen Erzählkonventionen arg gefangen. Jeder Präsidentschaftskandidat, der das irgendwie für
konfuse Sage, The War of the Ghosts, detailgetreu wiedergeben sich beanspruchen konnte, hat hervorgehoben, aus welch be-
mussten, die Geschichte aber bei dieser Aufgabe stets über Ge- scheidenen Verhältnissen er stammt – und wie unwahrscheinlich
bühr glätteten und passend machten. sein Lebensweg aus der damaligen Perspektive war (für einen
Allerdings trifft es nicht zu, dass Geschichten definitionsge- Überblick vgl. Paharia et al. 2011). Unwahrscheinlich war auch,
mäß chronologisch und in kausaler Ordnung präsentiert werden. dass eine arbeitslose, praktisch bankrotte alleinerziehende Mut-
Eine der ältesten Geschichten des Abendlandes etwa, die Odyssee ter innerhalb von wenigen Jahren eine der reichsten Frauen der
des Homer, wird bekanntlich gleich mehrfach unchronologisch Welt werden würde, und trotzdem ist diese Geschichte Realität.
erzählt – und auch die Kausalität ist schon in diesem frühen Bei- Reich wurde diese Mutter ihrerseits durch das Erzählen einer
spiel eher eine offene Frage, handeln hier doch auf unterschiedli- Geschichte – von einem unscheinbaren, ungeliebten, von Onkel,
chen Ebenen des Geschehens sowohl Menschen als auch Götter. Tante und Cousin schikanierten Jungen, der aber Zauberkräfte
Diese Beobachtung zeigt, dass die Geschichte von der Art, besitzt und dazu auserwählt war, die Menschheit zu retten – die
wie sie präsentiert wird, unterschieden werden muss. Wenn wir Zauberer und die Muggel gleich mit.
die Präsentationsform als „Erzählung“ bezeichnen, könnte man Viele Geschichten handeln von Personen oder Charakteren,
folgern: Die Erzählung kann unchronologisch sein und die kau- die eigentlich keine herausragenden Eigenschaften, vor allem
salen Verhältnisse in der Schwebe halten. Wenn der Rezipient aber keine blendenden Startbedingungen haben, die es dann aber
Chronologie und Kausalität aktiv hinzukonstruiert, wird aus dem trotzdem irgendwie „schaffen“. Geschichten von strahlenden Hel-
Erzählten eine Geschichte (wobei natürlich eine Erzählung meh- den, die so gut wie nie Probleme haben und deren Fuß an keinen
rere Geschichten enthalten kann). Stein stößt, mag es geben, aber die interessanteren Geschichten
Das geforderte Mindestmaß an Kohärenz wird nicht nur handeln von den „Underdogs“, den Antihelden, den normalen
durch Geschehen, Chronologie und Kausalität gewährleistet. Menschen, denen ihre Erfolge nicht schon an der Wiege gesun-
Einheit schaffen auch die handelnden Personen, Zeit, Ort oder gen wurden.
Art der Ereignisse, die über die Geschichte hinweg meist weit- Paharia et al. (2011) zeigen, dass viele Marken aus diesem
gehend dieselben bleiben. Die innere Stimmigkeit wird zudem Grund sehr gerne ihre Entstehungsgeschichte als Underdog-Bio-
wesentlich mitbestimmt durch das Ende einer Geschichte, bei graphie erzählen und dass dies auch in der Tat von Erfolg gekrönt
der normalerweise die Erzählstränge zu Ende, häufig sogar zu- ist. Wenn die Marke in der Werbung als Underdog präsentiert
sammengeführt werden. Insofern stellen Geschichten die Welt wird, der sich durch Leidenschaft und Hartnäckigkeit zu seinem
292 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

tatsächlichen Erfolg hocharbeitet, dann hat dies positive Aus- sie wahr oder erfunden sind. Geschichten können, müssen aber
1 wirkungen auf die Kaufabsicht wie auch auf die Produktwahl. keine pure Fiktion sein.
Interessanterweise haben Leidenschaft und Hartnäckigkeit
2 für sich genommen noch keinen Effekt auf die Bewertung der
Marke: Ein privilegierter „Top Dog“ wird durch seine Leiden- 15.1.3 Bedeutsamkeit
schaft nicht sympathischer. Offenbar bedient nur ein eigentlich
3 unterprivilegierter Protagonist, der aber an seinen Zielen und Eine andere Unterscheidungsdimension scheint dagegen weniger
Träumen leidenschaftlich und zielstrebig festhält, ein passendes unwichtig zu sein: Vermutlich gibt es Faktoren, die aus einer Ge-
4 Schemabild und liefert so den Stoff für eine Geschichte. schichte eine „gute“ Geschichte machen. Diese Merkmale sind auf
Geschichten über Underdogs sind in manchen Kulturen po- den ersten Blick eher etwas für Literatur- und Filmkritiker, aller-
5 pulärer als in anderen. Der „American Dream“ ist ein besonders dings wird man sich auch aus psychologischer Sicht einer solchen
prägnantes Schema einer solchen Geschichte – dem entspre- Frage auf Dauer nicht verschließen können: Wenn etwa bestimmte
chend können Paharia et al. (2011) auch zeigen, dass der Under- Geschichten den Leser oder Zuschauer mehr anregen und stärker
6 dog-Effekt in einer Stichprobe aus Singapur schwächer ausfällt berühren als andere, dann könnten die Faktoren, die dazu führen,
als mit amerikanischen Probanden. genau solche sein, die nach gängiger Meinung gute Geschichten
7 In den Befunden von Paharia et al. (2011) bestehen die er- ausmachen und gleichzeitig dürften sie auch psychologisch andere
folgreichen Werbegeschichten aus einer „Zielerreichung mit Wirkungen haben als weniger anregende Geschichten.
Hindernissen“. Betrachten wir ein Beispiel aus einem Experi- Ein denkbarer Faktor, der eine gute Geschichte charakteri-
8 ment von Escalas (2004a): Sie präsentierte ihren Probanden un- siert, wäre etwa die Bedeutsamkeit. Gute Geschichten erzählen
terschiedliche Versionen eines Werbespots. In beiden Varianten nichts Triviales, sondern Bedeutsames. Sie beschäftigen sich etwa
9 hieß es am Ende: „Kodak-Film: For the times of your life.“ In mit großen Problemen oder auch kleinen Sorgen, die aber viele
beiden Varianten wurden auch in der Tat Menschen in unter- Menschen betreffen. Sie berichten Ereignisse, die über sich selbst,
10 schiedlichen Abschnitten ihres Lebens gezeigt – Hochzeit, Ge- über den Einzelfall hinausweisen. Sie zeigen Szenen, kleine wie
burt, Tanzschule, Halloween, Weihnachten und so weiter. In der große, die jeder kennt, die im Leben vieler Menschen vorkom-
Geschichtenversion allerdings waren die Bilder so angeordnet, men. Auf diese Weise lassen sie uns nicht kalt, sondern berühren
11 dass der Vater der Braut am Tag der Hochzeit das bisherige Le- uns und erzeugen Emotionen.
ben seiner Tochter Revue passieren lässt, um dann am Ende den Andererseits ist die Bedeutsamkeit für sich keineswegs hin-
12 traditionellen Tanz mit ihr zu tanzen. In der Kontrollversion er- reichend für eine Geschichte, denn Bedeutendes findet sich auch
schienen dieselben Bilder als zusammenhanglose Zusammenstel- in philosophischen Abhandlungen, Reportagen, wissenschaftli-
lung schöner Aufnahmen – wobei die Identität der abgebildeten chen Arbeiten und vielleicht sogar in den Reden von Politikern.
13 Person durch leichte Retuschierung zusätzlich verwischt wurde. Eine Geschichte allerdings enthält bedeutende und über den
Die Darstellung als Geschichte war die überlegene Version: Einzelfall hinausweisende Inhalte in einer konkreten und nicht
14 Probanden in dieser Bedingung fühlten sich der Marke stärker einer abstrakten Form.
verbunden und hatten – vermittelt über das Gefühl der Verbun- Manchmal ist die Bedeutsamkeit des Themas eigentlich
15 denheit – eine positivere Einstellung zur Marke sowie eine stär- nebensächlich, aber trotzdem nicht entbehrlich. Zum Beispiel
kere Absicht, die Marke auch zu verwenden. erzählt der Roman Der Kurier des Zaren von Jules Verne vor
Die Untersuchung von Escalas (2004a) zeigt somit zum einen allem die Geschichte des Kurierdienstes selbst. Diesem Boten-
16 die Bedeutung von Geschichten sowie der subjektiven Verbun- gang bleiben selbstverständlich die Hindernisse nicht erspart,
denheit mit der Marke. Sie zeigt zum Zweiten methodisch, wie die für eine gute Geschichte nötig sind. Tatsächlich beanspru-
17 man diese Bedeutung nachweisen kann, nämlich indem man die chen die Abenteuer auf der Reise den wesentlichen Teil der Er-
inhaltliche Verbundenheit der Informationen manipuliert, ohne zählung. So entsteht zunächst der Eindruck, die Nachricht, die
dabei die Informationen selbst zu verändern. Zum Dritten aber der Kurier überbringt, sei eigentlich nebensächlich, wie das, was
18 zeigt sie einen Punkt auf, der in unsere Überlegungen von oben Alfred Hitchcock für die Handlung in einem Thriller einen Mac-
gehört: Eine Biographie lässt sich zwar relativ problemlos als eine Guffin nannte: „A MacGuffin is the the thing that the spys are
19 Art von Zielerreichung darstellen – insbesondere, wenn dieses after and the audience don’t care“ (▶ http://en.wikipedia.org/wiki/
Ziel eine Heirat ist. Allerdings ist im Beispiel diese Zielerreichung MacGuffin, Abruf 17.10.2011). In Thrillern sind die MacGuffins
20 nicht durch ein Hindernis beeinträchtigt. zum Beispiel Geheimformeln, Mikrofilme, kompromittierende
Allem Anschein nach ist ein mögliches Hindernis bei der Informationen, die eine ganze Regierung stürzen könnten, ein
Zielerreichung ein zwar typisches, aber keinesfalls notwendiges Koffer voller Geld oder Diamanten, Baupläne für Raketen oder
21 Merkmal einer Geschichte. Hier verhält es sich ähnlich wie etwa ähnlich wichtige Dinge – die aber eigentlich nur die Handlung
bei der inhaltlichen Verbundenheit über die handelnden Perso- vorantreiben und im Prinzip austauschbar sind. Das gilt auch für
22 nen: In den meisten Geschichten bleiben die zentralen Perso- den Brief des Kuriers. Trotzdem ist er nicht gar so beliebig, wie es
nen über die Geschichte hinweg dieselben, aber es gibt natürlich scheint, denn was der Bote überbringt, muss bedeutsam sein. Er
zahlreiche Ausnahmen, in denen die Personen wechseln und der darf nicht sein Leben riskieren, um ein Rezept für Erdbeermar-
23 innere Zusammenhang durch andere Merkmale gewährleistet melade zu übergeben. Tatsächlich übergibt er ja die Warnung vor
wird (z. B. durch den Ort oder die Art der Ereignisse). Auch an- einem Aufstand und einem Attentat auf den Bruder des Zaren
dere Dinge sind für Geschichten nicht wesentlich, so etwa, ob – einen würdigen MacGuffin also.
15.1  •  Was sind Geschichten und was tun sie in der Werbung?
293 15

Die Bedeutsamkeit des Themas ist wohl auch einer der wich- 15.1.5 Wirkung von Geschichten in Werbespots
tigsten Gründe dafür, dass die Geschichte in der Lage ist, Emo- und Medien
tionen zu wecken – und Emotionalität wiederum ist einer der
unterstellten Mechanismen, über die Geschichten eine persuasive In der Untersuchung von Deighton et al. (1989) wurde die Wir-
Wirkung entfalten (z. B. Green und Brock 2000). Tatsächlich ist kung von „dramatischen“ im Unterschied zu argumentierenden
persönliche Relevanz, Wichtigkeit oder Bedeutsamkeit ein mindes- Werbespots verglichen. Hierbei zeigte sich, dass Spots, die ein
tens ebenso konstitutives Merkmal von Emotionen wie die kogni- Geschehen mit handelnden Personen enthielten, eher eine Ein-
tiven Voraussetzungen: Um mich zum Beispiel darüber zu ärgern, stellungsänderung zu Gunsten der Werbebotschaft nach sich
dass mir die Vorfahrt genommen wurde, genügt es nicht, dass ich zogen. Sie erzeugten zudem stärkere Affekte, regten weniger
die Verkehrsregeln kenne, die der andere verletzt hat – der Vorfall Gegenargumente an und wurden als plausibler erlebt.
muss mir auch irgendwie wichtig und bedeutend sein. Insofern ist Escalas et al. (2004) untersuchten unterschiedliche Werbe-
wohl erwarten, dass Geschichten, die nichts Bedeutendes erzählen anzeigen daraufhin, ob sie eine Geschichte enthielten. Hierzu
bzw. an Bedeutendes anknüpfen, für die Persuasion durch Story- normierten ihre Probanden zunächst unterschiedliche Spots an-
telling ungeeignet sind. Vermutlich sind sie sowieso langweilig. hand einer Kriterienliste für narrative Struktur. Diese Liste ging
Was aber macht eine Geschichte in diesem Sinne „bedeu- auf folgende Punkte ein
tend“? Die Faktoren, die dazu führen, sind sehr vielfältig und
mögliche Listen sind offen. Sicherlich lohnt es sich, Themen und » To what extent does this ad …
Stoffe in der Literatur aufzusuchen, die es zu einer tiefen Ver- 1. … consist of actors enganged in actions to achieve goals?
ankerung in unserer Erzählkultur geschafft haben (z. B. Frenzel 2. … let you know what the actors are thinking?
1980, 1983). Einen guten Überblick über geeignete Themen auch 3. … provide you with an insight about the personal evolu-
für das Marketing gibt Fuchs (2009, z. B. S. 264 ff.). tion or change in the life of a character?
4. … explain why things happen, that is, what causes things
to happen?
15.1.4 Fiktionale und nicht fiktionale 5. … have a well delineated beginning (initial event), middle
Geschichten (crisis or turning point), and ending (conclusion)?
6. … focus on specific, particular events rather than on
Eine Geschichte kann erfunden sein, muss sie aber nicht. Auch generalizations or abstractions?
wahre Geschichten sind immer noch Geschichten. Damit die (Escalas et al. 2004, S. 110)
Frage, ob fiktional oder nicht, für unsere Begriffsbestimmung
bereits irrelevant. Sie ist auch für die Effekte von Geschichten in Es zeigt sich, dass eine narrative Struktur warme, positive Emo-
den meisten Fällen irrelevant, allerdings ist das bemerkenswert: tionen verstärkt und Interesse erhöht. Außerdem verringert sie
Immerhin werden etliche Geschichten, etwa die meisten Romane skeptische und kritische Gedanken.
und Filme, von vornherein in dem Bewusstsein so rezipiert, dass Einer der wichtigsten Aspekte bei der Wirkung von Ge-
sie im logischen Sinne falsche Informationen enthalten können. schichten ist der Grad, bis zu dem der Rezipient in die Geschichte
Im Folgenden betrachten wir Effekte von Geschichten darauf, „eintaucht“. Gerrig (1993) hat hierzu den Begriff der Transporta-
was Menschen für wahr halten, was ihnen gefällt, was sie erwar- tion geprägt, der von Green und Brock (2000) aufgegriffen und
ten und tun werden und wie sie Dinge bewerten. Für Effekte zum Transportation-Imagery Model ausgearbeitet wurde. Die
dieser Art sollte es – so scheint es jedenfalls – eine große Rolle Grundidee dieses Modells besteht darin, dass Rezipienten in
spielen, ob sie die Folge von Tatsachen oder Fiktionen sind. unterschiedlichem Maße von einer Geschichte gefesselt werden,
Hierauf kann man auf zwei Weisen antworten: Zum einen dass sie aber im Falle einer erfolgreichen psychologischen Trans-
beziehen sich die Effekte von Geschichten oft nicht auf die Ge- portation die Welt der Geschichte zumindest vorübergehend ge-
schichte als Ganzes, sondern auf einzelne Teile daraus. So liest gen die Realität eintauschen. Eine erfolgreiche Transportation
man den Roman Der Name der Rose von Umberto Eco sicherlich verschafft also ein emotional hoch involviertes Rezeptionserle-
nicht in dem Bewusstsein, ein tatsächliches Geschehen aus einem ben. Ob es dazu kommt, hängt von Merkmalen des Rezipienten,
mittelalterlichen Kloster zu erfahren. Gleichwohl erwartet der der Geschichte und des Kontexts ab.
Leser aber, auch Schilderungen zum typischen Klosterleben oder Appel und Richter (2010) zeigen, dass Personen umso mehr
zu den Gedankengängen der Scholastik anzutreffen, aus denen geneigt sind, Falschinformationen aus einer fiktionalen Ge-
er sein Mittelalterbild formen kann. Die Geschichte als Ganzes schichte zu übernehmen, je stärker sie sich auf die Geschichte
hält man also für erfunden, einzelne Schilderungen kann man einlassen bzw. je tiefer sie „eintauchen“. Dass das Eintauchen in
gleichwohl für zutreffend halten. eine andere Realität konsumrelevante Folgen hat, zeigt Escalas
Dieses Argument allein schon verringert die Bedeutung des (2004b): Sie stimulierte bei ihren Probanden konkrete Vorstel-
Unterschieds zwischen fiktionalen und nicht fiktionalen Geschich- lungsbilder, etwa darüber, wie sie das Produkt gebrauchen. Diese
ten. Allerdings – und das ist die zweite Antwort – werden die fol- Manipulation allein verbesserte bereits die Bewertung von Wer-
genden Ausführungen zeigen, dass sowohl für die Geschichte als bung und Produkt.
Ganzes wie auch für Einzelaussagen das Bewusstsein, dass es sich Lebhafte Vorstellungsbilder erhöhen auch die subjektive
um erfundene und falsche Aussagen handelt, nur selten und nur Wahrscheinlichkeit von Ereignissen. Zum Beispiel führen leb-
unter besonderen Umständen überhaupt eine Rolle spielt. hafte und drastische Darstellungen von Verbrechen – im Ver-
294 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

gleich etwa zu Statistiken oder milden Darstellungen – dazu, dass Priming-Prozedur den Verzerrungseffekt fast zum Verschwinden
1 Zuschauer es für wahrscheinlicher halten, dass sie auch betroffen bringt, spricht eher dafür, dass Vielseher die Realität verzerren,
werden (Gibson und Zillmann 1994). gerade weil sie viel fernsehen.
2 Ähnliche Effekte finden sich für bloße Vorstellungen. In ei- Auch für die Effekte von hohem Medienkonsum spielen er-
nem Experiment von Gregory et al. (1982) wurden Hausbesitzer zähltypische Merkmale eine Rolle. Da Geschichten üblicherweise
aufgefordert, sich vorzustellen, sie würden einen Dienst für Ka- eine geordnete Realität darstellen, in der es gerecht zugeht, stüt-
3 belfernsehen in Anspruch nehmen. Dies hatte zur Folge, dass sie zen narrative Inhalte im Fernsehen eher Überzeugungen, dass
es für wahrscheinlicher hielten, dies in der Zukunft tatsächlich zu die Welt im Großen und Ganzen gerecht ist. Dies zeigt Appel
4 tun. Die bloße mentale Simulation erhöhte zudem signifikant die (2008) in zwei unterschiedlichen Studien: Menschen, deren Fern-
objektive Wahrscheinlichkeit, einige Wochen später tatsächlich sehkonsum vor allem aus erzählenden Beiträgen besteht (z. B.
5 einen Kabeldienst zu beauftragen. Spielfilmen, Krimis, Serien), glauben eher an eine gerechte Welt
Ebenso fördert die Identifikation mit einem Protagonisten als Menschen, die andere Programme bevorzugen. Ein hoher
in einer Geschichte die Wahrscheinlichkeit späterer Handlun- Konsum von Boulevardmagazinen und „Infotainment“ hängt
6 gen: Dal Cin et al. (2007) präsentierten ihren Probanden Film- dagegen eher mit der Erwartung zusammen, dass die Welt ins-
sequenzen, in denen ein Protagonist entweder rauchte oder nicht gesamt ungerecht und böse ist und dass man anderen Menschen
7
-
rauchte. Probanden, die einen rauchenden „Helden“ sahen,
zeigten in einem IAT (▶ Abschn. 13.3) engere Assoziationen
ihrer eigenen Personen mit Begriffen, die mit Rauchen zu
misstrauen sollte.
Medieninformationen primen offenbar Einstellungen und
Verhaltensweisen und machen dadurch entsprechende Bewer-

--
8 tun hatten, tungen und Verhaltensweisen wahrscheinlicher. Wie aber mehr-
zeigten positivere explizite Einstellungen zum Rauchen und fach betont: Das Einlassen auf die Geschichte und die Identifika-
9 hatten eine stärkere Absicht, in der nächsten Zukunft zu tion mit den Akteuren sind hierbei die entscheidenden Faktoren.
rauchen. So verringert die Geschichte über einen dummen Menschen (ei-
10 nen Fußball-Hooligan) die Leistung der Rezipienten in einem
Die Effekte waren umso stärker, je stärker sich die Zuschauer nachfolgenden Test (Appel 2011). Ähnliche Ergebnisse haben
mit dem Protagonisten identifizierten. Dagegen hingen weder beispielsweise Dijksterhuis und van Knippenberg (1998; siehe
11 explizite noch implizite Einstellungen davon ab, ob die Zuschauer auch ▶ Abschn. 6.2.1) mit anderen Priming-Prozeduren erzielt.
Raucher oder Nichtraucher waren. Dies geschieht aber nur, wenn die Probanden eine normale Re-
12 Wenn die Identifikation mit einem Protagonisten die Ein- zeptionshaltung haben und sich mit dem Protagonisten iden-
stellung zum Rauchen verändern kann, dann haben Geschich- tifizieren. Werden sie dagegen instruiert, auf die Unterschiede
ten anscheinend einen nennenswerten Effekt auf die Weltsicht zwischen sich selbst und der Person in der Geschichte zu achten,
13 von Personen. Diese Erwartung liegt Gesundheitsprogrammen geschieht das Gegenteil: Je dümmer sich die Person in der Ge-
zu Grunde, die ihre erzieherischen Botschaften in Filme und schichte verhält, desto besser werden die Ergebnisse der Rezi-
14 Fernsehserien integrieren. Dies scheint sich auch zu bewähren: pienten im Leistungstest (Appel 2011). Dies unterstreicht zum
Filmische Botschaften verändern offenbar nicht nur Ansichten einen die Bedeutung der Identifikationsprozesse für den Effekt
15 über das Rauchen (Dal Cin et al. 2007) sondern auch über Part- von Geschichten (die allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit
nerschaft, Sexualität und Familienplanung (z. B. Vaughan et al. einsetzen). Zum anderen aber zeigt es, dass beim Ausbleiben der
2000). Identifikation die Geschichte nicht etwa wirkungslos ist. Viel-
16 Die medienvermittelten Weltbilder stehen aber nicht im- mehr wird sie als Vergleichsstandard verwendet, gegen den der
mer im Dienste der Gesundheit. Personen, die viel fernsehen, Rezipient sich kontrastierend abhebt (▶ Abschn. 7.3).
17 entwickeln vielmehr häufig eine verzerrte Weltsicht. Vielseher Marsh et al. (2003) untersuchten die Effekte einer medien-
überschätzen beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, in ein Ver- vermittelten Falschinformation: Probanden lasen Geschichten,
brechen verwickelt zu werden, oder die Häufigkeit, mit der Leute die unter anderem wahre oder falsche Aussagen über die Wirk-
18 Arzt, Rechtsanwalt oder Sportheld werden. Insbesondere aber lichkeit enthielten. Ein Protagonist erklärte beispielsweise: „This
unterschätzen Vielseher die Häufigkeit prosozialer Verhaltens- here, this is a sextant [a compass] and it’s the main tool used at sea
19 weisen (z. B. Gerbner et al. 1986; Iyengar und Kinder 1987; vgl. to navigate via the stars.“ In einem späteren Wissenstest nutzten
auch Shanahan und Morgan 1999; zit. n. Appel 2007). Shrum die Probanden die Informationen aus den Geschichten – und
20 et al. (1998) zeigen, dass die genannten Wahrnehmungsverzer- zwar unabhängig davon, ob diese Informationen korrekt waren
rungen erheblich abnehmen, wenn man den Probanden ihre oder nicht. Der Effekt verstärkte sich, wenn die Probanden die
Fernsehgewohnheiten vor Augen führt. Dieser Befund stützt die Geschichten wiederholt lasen oder wenn die Inhalte wiederholt
21 Annahme, dass der Fernsehkonsum die Wahrnehmungsverzer- abgefragt wurden. Interessanterweise konnten sich die Proban-
rungen regelrecht verursacht. Vielfach wird angenommen, dass den beim Wissenstest oft noch daran erinnern, dass die Informa-
22 die kausalen Verhältnisse vielleicht in anderer Richtung gelten, tion Teil der Geschichte war. Gleichzeitig behaupteten sie aber,
dass zum Beispiel Menschen, die zur Realitätsverzerrung neigen, die Inhalte auch unabhängig von der Geschichte anderswo er-
auch lieber fernsehen. Unter dieser Annahme sollte es allerdings fahren zu haben, was insbesondere für die Falschinformationen
23 keinen Effekt haben, wenn man das Fernsehen als unzuverlässige extrem unwahrscheinlich war.
Informationsquelle salient macht, bevor man nach der Häufig- Appel und Richter (2007, 2010) zeigen, dass Falschinforma-
keit von Verbrechen oder bestimmten Berufen fragt. Dass diese tionen in Geschichten die subjektive Sicherheit untergraben, mit
15.2  •  Über welche Prozesse wirken Geschichten?
295 15

der man bisheriges Wissen für wahr gehalten hat. Die Autoren racters may encounter and then resolve a crisis“. Auch hinsicht-
präsentierten ihren Probanden Geschichten, die unter anderem lich der Emotionalität lassen Green und Brock (2000) nichts zu
falsche Aussagen enthielten (z. B. Sonneinstrahlung ist gut für die wünschen übrig. In den Geschichten aus ihren Studien geht es
Haut; die meisten psychischen Erkrankungen sind ansteckend). wirklich um Leben und Tod, Mord und Totschlag, Rettungen in
Unmittelbar nach der Rezeption war die subjektive Sicherheit, allerletzter Sekunde und andere menschliche Extremsituationen,
mit der die Rezipienten die Plausibilität wahrer wie falscher Aus- die sich in den Augen eines treuen Hundes spiegeln. Green und
sagen einschätzten, gegenüber einer Kontrollbedingung herabge- Brock (2000) sind der Meinung, dass diese Bedingung im Rah-
setzt. Sie normalisierte sich aber wieder nach etwa zwei Wochen. men von Werbespots oder gar -anzeigen nicht realisiert werden
Allerdings hatte diese Normalisierung eine fatale Begleiterschei- könnten.
nung: Die Probanden stimmten nun auch falschen Behauptungen Nun mag es vielleicht tatsächlich sein, dass Geschichten im
zu, die sie vor der Geschichte nicht geglaubt hatten. Die Autoren Sinne von Green und Brock (2000) besonders gut wirken. Die
sehen in diesem Befund einen Beleg dafür, dass Rezipienten von folgenden Ausführungen gehen aber nicht davon aus, dass Ge-
Geschichten über die Zeit wahre wie falsche Inhalte in ihr Welt- schichten nur so wirken, wie von Green und Brock (2000) be-
bild integrieren und nicht mehr weiter hinterfragen. schrieben und dass folglich nur besondere Arten von Geschich-
ten eine beeinflussende Wirkung haben.
Der Rest des Kapitels soll vielmehr zeigen, dass die persuasive
15.2 Über welche Prozesse wirken Wirkung von Geschichten auf unterschiedlichen Mechanismen
Geschichten? beruht, die stellenweise vielleicht nur auf einzelne Elemente der
Geschichtenform angewiesen sind, die sie manchmal mit an-
Dass Geschichten vielen anderen Präsentationsformen für per- deren Kommunikationsformen gemeinsam haben, sich in den
suasive Botschaften überlegen sind, kann als erwiesen gelten. meisten Fällen nicht gegenseitig ausschließen und durchaus auch
Im Folgenden soll es um die Frage gehen, über welche Prozesse additiv wirken können.
Geschichten wirken. Häufig beeinflussen Geschichten mit Inhal-
ten, von denen die Rezipienten eigentlich wissen könnten, dass
sie um der Geschichte willen erfunden und sachlich eigentlich 15.2.1 Korrespondenz zur Arbeitsweise
falsch sind. Daher liegt es nahe, die Beeinflussungswirkung einer des Gedächtnisses
allzu oberflächlichen Verarbeitung zuzuschreiben. Aus diesem
Blickwinkel heraus wären Geschichten also gerade deshalb ein- In ▶ Kap. 4 habe ich ein konstruktives Modell des Gedächtnisses
flussreich, weil sie eine periphere Verarbeitung im Sinne des Mo- vorgestellt, in dem das Gedächtnis nicht wie ein Speicher funkti-
dells der Elaborationswahrscheinlichkeit (Petty und Cacioppo oniert und mehr oder weniger präzise Abbilder von Fakten und
1986; siehe auch ▶ Abschn. 14.1.1) begünstigen. Die Befunde zur Ereignissen enthält. Das Gedächtnis funktioniert zum größten
Transportation zeigen jedoch, dass dies nicht zutrifft. Gerade die Teil konstruktiv und stellt beim Abruf die Informationen selbst
besonders wirksamen Geschichten werden sehr wohl elaboriert, erst nach bestimmten Regeln her. Diese Regeln aber entspre-
ihre Wirksamkeit dürfte wohl kaum auf peripherer oder heuris- chen häufig denen, die Geschichten charakterisieren: Stimmig-
tischer Verarbeitung beruhen. Andererseits ist die Elaboration keit, Einheit von Zeit, Ort und handelnden Personen, Kausalität,
durch Geschichten zwar stark im Sinne der Gedächtniswirkung Zielbestimmtheit, Intentionen der handelnden Personen und so
(z. B. Craik und Lockhart 1972), sie besteht aber nicht im sorg- weiter sind allesamt nicht nur wichtige Bausteine von Geschich-
fältigen Analysieren von Argumenten (im Sinne von Petty und ten, sondern auch Faktoren, die die rekonstruktive Leistung des
Cacioppo 1986) – eher im Gegenteil: Menschen scheinen das Gedächtnisses fördern. Ein erster Grund also, warum Geschich-
kritische Prüfen von Inhalten für eine Geschichte zeitweilig zu ten auf uns wirken, mag darin liegen, dass sie der Arbeitsweise
suspendieren (Dal Cin et al. 2004). Offenbar reichen traditionelle unseres Gedächtnisses in hohem Grade entgegenkommen (Bart-
Zwei-Prozess-Ideen aus der Persuasionsforschung nicht aus, um lett 1932; Schank und Berman 2002).
die Wirksamkeit von Geschichten zu verstehen (vgl. auch Appel Tatsächlich kann man zeigen, dass Informationen deutlich
und Richter 2010, S. 115 ff.). besser erinnert werden, wenn sie Teil einer Geschichte sind. Al-
Green und Brock (2000) sehen daher die für Geschichten lerdings wächst durch die Geschichtenform nicht nur die Menge
typische Rezeption als einen dritten Weg der Beeinflussung, an erinnerten Informationen, sondern auch die Menge der bloß
neben dem zentralen und peripheren. Zentrale Faktoren darin erschlossenen Inhalte (Owens et al. 1979; zit. n. Anderson 2001,
sind eben die „Transportation“, das Hineingezogenwerden in die S. 219 f.). Geschichten stimulieren das Gedächtnis offenbar dazu,
Geschichte einerseits und „Pathos“, so etwas wie Leidenschaft über die gegebenen Fakten hinaus weitere Inhalte zu generieren,
und Emotionalität, andererseits. Auch wenn die Arbeiten von die nicht Teil der Geschichte waren, aber plausibel sind. Dieser
Green und Brock (2000) für die Forschung zum Storytelling rich- Prozess des Schlussfolgerns und kreativen Rekonstruierens ist
tungweisend waren, schränken sie ihren Begriff von geeigneten völlig alltäglich und charakterisiert unsere Erinnerungen an alle
Geschichten doch stärker ein, als das nachfolgende Forschungen möglichen Fakten und Ereignisse – nicht nur an Geschichten
tun (vgl. auch Phillips und McQuarrie 2010, S. 369). Für eine op- (▶ Exkurs 15.1).
timale persuasive Wirkung braucht man nach Green und Brock Es besteht nur in sehr wenigen Situationen die Notwendig-
(2000, S. 701): „a story that raises unanswered questions, presents keit, zwischen einer bloßen Rekonstruktion und einer echten
unresolved conflicts, or depicts not yet completed activity; cha- Gedächtnisspur zu differenzieren – eine solche Ausnahme wäre
296 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

Exkurs 15.1 „Wie hat es dir gefallen?“ – Die Erinnerung an Einstellungen und Affekte  |       | 
1
Auch unsere Erinnerung an Einstellungen Solche Verzerrungen können auch durch in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die

2 und Affekte ist eher eine Rekonstruktion –


und zwar wird hier so rekonstruiert, dass das
Werbung herbeigeführt werden: Wenn in der
Werbung Affekte erzeugt werden, die mit
Probanden erhalten danach erneut die Fragen
zur ihrer Einstellung, allerdings nicht mit
Ergebnis möglichst „glatt“ und plausibel ist. So den früheren Gefühlen beim Konsum nicht der Instruktion, ihre aktuelle Einstellung zu
3 wichtig Gefühle für die Produktwahl auch sein
mögen: Die Erinnerung an frühere Gefühle
übereinstimmt, verzerrt sich die Erinnerung in
Richtung der Affekte beim Betrachten der Wer-
berichten, sondern diejenige möglichst genau
zu erinnern, die sie in der ersten Befragung an-
folgt eher einem kognitiven Erfordernis, bung (Cowley 2007). Tatsächlich ist die Erin- gegeben haben. In diesem Bericht nähern die
4 nämlich dem Prinzip, dass diese Erinnerung
möglichst gut zu der aktuellen Situation
nerung an frühere Gefühle sehr ungenau und
ist so gesehen ohnehin ein sehr wirksamer
Probanden die erinnerte Einstellung tendenzi-
ell immer dem Inhalt der jeweiligen Werbung
passt. Wenn also zum Beispiel Konsumenten Ansatzpunkt für die Manipulation von Einstel- an, und zwar umso stärker, je weiter die erste
5 erinnern sollen, wie gut ihnen ein früherer lungen. Diese besteht nämlich zu einem nicht Befragung zurückliegt. Die Untersuchung be-
Konsum gefallen hat, und sie konsumieren das unwesentlichen Anteil darin, Erinnerungen zu legt die enge Verknüpfung von Einstellungen
Produkt aktuell wieder, dann verzerren sich die manipulieren (z. B. Rajagopal und Montgo- und Gedächtnis: Einstellungen zu verändern,
6 erinnerten Gefühle in positive Richtung. Die ▶
mery 2011; siehe auch  Abschn. 13.1) heißt in gewissem Sinne auch, Erinnerungen
Verzerrung folgt der Logik, dass ein Produkt, In einer Untersuchung von Braun-Latour zu verändern.
das sie aktuell konsumieren, ihnen auch früher und Zaltman (2006) werden die Probanden
7 gefallen haben sollte – sonst würden sie es nach einer Einstellung gefragt. Darauf folgt
jetzt ja nicht wieder konsumieren. Werbung, die geeignet ist, die Einstellung

8
etwa der Zeugenstand vor Gericht. Normalerweise aber werden Und die dann schon sehr viel enger und sehr viel spezifischer mit
9 plausible Rekonstruktionen genau so wahr erlebt wie echte Er- den konkreten Inhalten zusammenhängen, die in der Geschichte
innerungen – und tatsächlich gibt es auch ohne Zuhilfenahme weitergegeben werden.
10 von Außenkriterien keine Möglichkeit, eine echte Erinnerung Und welche Inhalte könnten das sein, in die Sie eintauchen?
von einer Rekonstruktion zu unterscheiden. Die American Psy- Möglicherweise sind dies sogar stark einstellungskonträre In-
chological Association vermerkt hierzu: „At this point it is im- halte, die allerdings dann nicht zuletzt über Gedächtnisprozesse
11 possible without further corroborative evidence to distinguish zu einer Einstellungsänderung führen. Einen entsprechenden
a true memory from a false one.“ (▶ http://www.apa.org/topics/ Mechanismus weisen McIntyre et al. (2003) nach. Sie erhoben
12 trauma/memories.aspx#, Abruf 21.11.2011; vgl. auch Plassmann von ihren Probanden Einstellungen gegenüber homosexuellen
et al., 2012, S. 28 f.). Männern. Außerdem sollten sie zu einer Reihe von konkreten
Das Hineintauchen in eine Geschichte, die Transportation, Verhaltensweisen angeben, welche sie jemals gegenüber einem
13 stützt möglicherweise noch weitere wichtige Gedächtnisprozesse: Homosexuellen gezeigt haben und welche nicht. Später sollten
Ein hoher Grad an Transportation geht einher mit einer starken die Probanden im Rahmen eines anderen Experiments fiktive
14 Identifikation mit den Protagonisten der Geschichte (Green und Szenen schreiben, in denen sie als handelnde Personen auftra-
Brock 2000). In diesem Fall wird die Geschichte also in Ansätzen ten und dabei unter anderem drei von jenen Verhaltensweisen
15 miterlebt. Wenn man diesen Gedanken auf die Unterscheidung zeigten, die sie laut der vorherigen Befragung noch nie gegenüber
von semantischem und episodischem Gedächtnis anwendet, einem Homosexuellen gezeigt hatten.
kann man erwarten, dass die Inhalte der Geschichte ähnlich wie Eine Woche nach dem Verfassen der Szenen wurde die erste
16 ein eigenes Erlebnis im episodischen Gedächtnis gespeichert Befragung wiederholt. In dieser Befragung „erinnerten“ die Pro-
werden. Dies wäre ein wesentlicher Unterschied zu Sachinfor- banden plötzlich einige der Verhaltensweisen, die sie eigentlich
17 mationen ohne Geschichtenform. Menschen haben zwar auch zu nur beim Verfassen der Szenen imaginiert, nach ihren vorheri-
solchen Sachinformationen (ohne Geschichtenform) episodische gen Angaben aber tatsächlich nie gezeigt hatten. Je häufiger diese
Gedächtnisinhalte. Üblicherweise betreffen diese vor allem die Gedächtnistäuschung vorkam, desto stärker änderten die Pro-
18 Situation, in der sie die Information encodiert haben. Sie ken- banden auch ihre Einstellung in Richtung der Verhaltensweisen.
nen vielleicht das Phänomen, dass Sie sich zwar erinnern, wo Die bloße Vorstellung darüber, etwas getan zu haben, führte
19 etwas in einem Buch gestanden hat, allerdings nicht mehr, was. also zu der Täuschung, dass man es tatsächlich getan hat – und
Das wäre eine nicht unrealistische Situation, in der Sie episo- in der Folge zu einer Einstellungsänderung in Richtung des ge-
20 dische Gedächtnishinhalte (Merkmale der Encodierungssitua- zeigten Verhaltens. Dieser Effekt galt allerdings nur für Proban-
tion) besser rekonstruieren können als semantische. Wenn Ihnen den, die in den imaginierten Szenen sich selbst und nicht jemand
diese episodische Erinnerung für das Erinnern der Inhalte nicht anders als handelnde Person vorgestellt hatten (McIntyre et al.
21 weiterhilft, dann liegt das vermutlich daran, dass die Encodie- 2003). Dies unterstreicht erneut den wichtigen vermittelnden
rungsepisode kein hinreichend spezifischer Abrufschlüssel für Effekt der Transportation.
22 die encodierten Inhalte ist. Und auch das ist ja plausibel: Was Spätere Untersuchungen zeigten zudem, dass offenbar eher
hat schon die Seite im Buch mit dem zu tun, was darin steht? Bei das getäuschte Gedächtnis die Einstellung beeinflusst und nicht
einer Geschichte, in die Sie „eintauchen“, könnte das ganz anders umgekehrt: Frye et al. (2012) nutzten andere Methoden der Ein-
23 sein: Da bestehen Ihre episodischen Gedächtnisinhalte nicht so stellungsänderung und überprüften daraufhin die Erinnerung
sehr in der Situation, in der Sie selbst die Geschichte lesen, son- der Probanden an einstellungskonträres Verhalten. In der Tat
dern eher in den Situationen, die sich aus der Handlung ergeben zeigten Probanden, deren Einstellung durch eine persuasive
15.2  •  Über welche Prozesse wirken Geschichten?
297 15

Botschaft geändert wurde, ebenfalls eine Verzerrung ihrer Er- das glauben und akzeptieren, wovor doch gerade gewarnt und
innerung: Auch sie „erinnerten“ tendenziell mehr einstellungs- was dementiert wurde.
konträre Verhaltensweisen als vor der persuasiven Manipulation. Erklärt wird dieser Effekt damit, dass jede Wiederholung –
Jedoch war der Zusammenhang zwischen Erinnerungsfehlern und sei es auch im Rahmen eines Dementis – die Verarbeitungs-
und dem Ausmaß der Einstellungsänderung höher, wenn die flüssigkeit erhöht und flüssig verarbeitete Inhalte subjektiv eher
Einstellung durch Imagination früherer Handlungen und nicht für wahr gehalten werden (Schwarz 2004). So wird eine falsche
durch eine persuasive Botschaft geändert wurde. Aussage für wahr gehalten, nicht obwohl, sondern gerade weil sie
Die Korrespondenz einer Geschichtenstruktur mit der Ar- dementiert wurde.
beitsweise des Gedächtnisses nützt einer Beeinflussung durch Wie es scheint, ist alles, was die Verarbeitungsflüssigkeit ei-
Storytelling auf mehrere Weisen: Die Geschichtenform erhöht ner Information erhöht, geeignet, eine falsche Gedächtnisspur
die Gedächtnisleistung, regt die Rekonstruktion von plausiblen, zu erzeugen. Bittet man Personen, sich etwas lebhaft vorzustel-
aber eigentlich falschen, jedenfalls so nicht mitgeteilten Inhalten len, steigert das die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Vorgestellte
an und sorgt – vermittelt über die Transportation – dafür, dass für wahr halten. Fatalerweise setzen Psychiater zur Entdeckung
dieser Rekonstruktionsprozess auf Emotionen und Bewertungen verlorener Gedächtnisinhalte (etwa ein sexueller Missbrauch in
ausgedehnt wird. früher Kindheit) die Imagination sozusagen als ein Werkzeug
In vielen Fällen fördern Geschichten also die Illusion einer zur Wahrheitsfindung ein. Die Patienten werden gebeten, „ihrer
Erinnerung, sei es die Erinnerung an eine frühere Emotion, eine Phantasie freien Lauf “ zu lassen oder „sich ganz der Imagination
frühere Einstellung oder an eine frühere Begegnung mit einem hinzugeben“ (Loftus 1997). Auf diese Weise lassen sich leicht fal-
Produkt. Die in ▶ Abschn. 15.1.5 zitierten Befunde von Marsh sche Gedächtnisinhalte erzeugen, die aber von dem Gefühl der
et al. (2003) zeigen, dass Geschichten auch dazu führen, dass wir Erinnerung (▶ Exkurs 4.1) begleitet werden.
unser „Metawissen“ falsch rekonstruieren: Die Rezipienten inte-
grierten sachlich falsche Informationen (z. B. man nutzt einen Truth-Effekt
Kompass, um anhand der Sterne zu navigieren) in ihr Weltbild. Die bloße Wiederholung von Werbeaussagen – ob wahr oder
In der Folge aber verzerrte sich auch die Erinnerung daran, wo- falsch – erhöht in der Tat ihre subjektive Plausibilität. Dies zeigen
her die Probanden dieses (falsche) Wissen hatten: Sie wussten Hawkins und Hoch (1992) mit dem Truth-Effekt. Dieser Effekt
zwar, dass die Aussage in der Geschichte vorkam, meinten aber, besteht darin, dass Aussagen, die zuvor schon einmal präsentiert
diesen Inhalten bereits früher schon einmal begegnet zu sein. wurden, eher für wahr gehalten werden – unabhängig davon, ob
Dieser Effekt geht vermutlich auf eine erhöhte Verarbeitungs- sie es tatsächlich sind. Hawkins und Hoch (1992) demonstrierten
flüssigkeit für die eigentlich falschen Inhalte zurück, die durch den Truth-Effekt in mehreren Experimenten für eine vielfältige
Geschichten besonders effektiv herbeigeführt werden kann und Reihe von Werbe- und Produktaussagen. Nach ihren Befunden
die uns deshalb im Folgenden besonders beschäftigen soll. war der Effekt am stärksten, wenn die Probanden die Aussagen
mit besonders geringem Involvement rezipierten.
Der Truth-Effekt beruht ganz offensichtlich auf Gedächt-
15.2.2 Erhöhte Verarbeitungsflüssigkeit nisprozessen; allerdings ist noch nicht ganz klar, auf welchem
Mechanismus genau er beruht. Nach Hawkins und Hoch (1992)
Stellen wir uns vor, in der Presse wird verbreitet: „Angebliche geht der Truth-Effekt auf ein Gefühl der Vertrautheit, also auch
Verwicklung der Bundesregierung in Geschäfte der Mafia sind ein Gefühl der Erinnerung, zurück. Er ist umso stärker, je eher
bloße Gerüchte.“ Obwohl die Aussage, dass die Bundesregierung die Probanden glauben, der Aussage früher schon einmal be-
in Mafiageschäfte verwickelt ist, bestritten wird, kann man damit gegnet zu sein (vgl. auch Bacon 1979; Arkes et al. 1991). Unter-
rechnen, dass nach Verbreiten dieser Nachricht eine Menge Men- suchungen von Law et al. (1998) zeigen, dass ältere Probanden,
schen, besonders diejenigen, die von dem Gerücht zuvor nichts die objektiv schwächere Erinnerungsleistungen aufweisen, zu
wussten, eine solche Verwicklung für möglich halten (Wegner stärkeren Truth-Effekten neigen. Demnach ist der Truth-Effekt
et al. 1981). Für einen solchen Effekt gibt es eine Reihe von Grün- keineswegs tatsächlich an ein gutes Gedächtnis für die Werbung
den, die nicht nur in diesem, sondern auch in den folgenden geknüpft – eher im Gegenteil: Der Truth-Effekt ist stärker, wenn
Absätzen diskutiert werden. die Informationsquelle nicht wirklich erinnert wird (Law und
In ▶ Abschn. 7.1.3 habe ich die Untersuchungen von Skurnik Hawkins 1997). Allenfalls das Gefühl, sich zu erinnern, scheint
et al. (2005) vorgestellt, die zeigen konnten, dass falsche Behaup- den Effekt zu stützen.
tungen über Produkte umso eher geglaubt wurden, je häufiger Für den Truth-Effekt ist irrelevant, ob die Rezipienten glau-
sie dementiert wurden. Dieser paradoxe Effekt galt übrigens nur ben, die Nachricht komme aus verschiedenen Quellen. Zwar ist
für ältere Probanden (im Alter zwischen 71 und 86 Jahren), bei eine Behauptung, die übereinstimmend von mehreren Quel-
einer jüngeren Teilstichprobe (zwischen 18 und 25 Jahre) blieb len vertreten wird, glaubhafter als eine Information, die nur
er aus. Dies erklären die Autoren mit der im Alter nachlassenden aus einer einzigen Quelle stammt. Für den Truth-Effekt sind
Fähigkeit, zusätzlich zu der Information auch den Kontext zu aber einzig die Menge der Wiederholungen und die dadurch
speichern, in dem man der Information begegnet ist. Die Be- erzeugte Vertrautheit entscheidend. Der Truth-Effekt stellt sich
funde von Skurnik et al. (2005) zeigen, dass Warnhinweise und auch ein, wenn die Personen glauben, sie hätten die Nachricht
Dementis fatale Nebenfolgen haben können: Je häufiger sie wie- wiederholt aus immer derselben Quelle gehört (Roggeveen und
derholt werden, desto größer ist das Risiko, dass Personen genau Johar 2002).
298 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

Exkurs 15.2 „Ich hab’s schon immer gewusst“ und der Rückschaufehler  |       | 
1
Eine der ganz großen Szenen der abendlän- hätte wissen können. Wer sich zum Beispiel für blick unsere subjektiv erlebte Wahrschein-

2 dischen Literatur: Soeben ist dem jungen


Dänenprinzen Hamlet der Geist seines Vaters
einen guten Wahlanalysten hält, meint daher
vielleicht auch, dass ihm die Vorhersage von
lichkeit, dass es eintreten würde.
b) Wir unterschätzen den verzerrenden Ein-
erschienen und hat ihm hinterbracht, dass Wahlausgängen gut gelingen müsste, und fluss, den diese Information auf uns hat.
3 er deshalb spuken müsse, weil er, ohne noch
beichten zu können, „in seiner Sünden Blüte“
begeht daher den Fehler in einem größerem
Ausmaß.
Über die theoretischen Gründe für den
Rückschaufehler gehen die Meinungen unter
von seinem eigenen Bruder, Hamlets Onkel, er- Eng verwandt mit dem knew-it-all-along den Wissenschaftlern noch auseinander.
4 mordet wurde. Bei dieser unerhörten Nachricht
entfährt es dem Sohn: „Oh mein prophetisches
effect ist der „Rückschaufehler“ (hindsight bias;
Fischhoff 1977). Der wichtigste Unterschied
Vermutlich beruht er aber nicht auf einem

Ankereffekt (  Abschn. 9.2.3), wie sich in fol-
Gemüt!“ („O my prophethic soul“; Shakespe- zwischen beiden Effekten besteht darin, gendem Befundmuster zeigt: Wenn ich Ihnen
5 are, The Tragedy of Hamlet Prince of Denmark, dass der Rückschaufehler auf einer echten eine beliebige Sitzverteilung als Wahlausgang
Act I, Sc. 5, ln. 40). Hamlet hat es also die ganze Erinnerungsverzerrung beruht, während sich präsentiere und Ihnen gleichzeitig sage, dass
Zeit schon gewusst. Doch halt! Seien wir auf der knew-it-all-along effect eigentlich nur diese Verteilung nicht der Wahrheit entspricht,
6 der Hut, die wir uns ja jetzt mit Gedächtnisver- auf eine hypothetische Antwort bezieht, die wird sich Ihre Erinnerung gleichwohl dieser
zerrungen und -irrtümern auskennen. Erinnert man in Wirklichkeit nie gegeben hat. Um den Verteilung annähern – das ist der Ankereffekt.
sich Hamlet da richtig? Wusste er es wirklich Rückschaufehler nachzuweisen, bitten wir Wenn Sie aber davon ausgehen, dass Ihnen die
7 schon immer? Versuchspersonen im Vorhinein tatsächlich um richtige Verteilung vorliegt, dann verzerrt sich
Stellen wir uns vor, wir fragen Versuchs- eine Einschätzung, wie die nächste Wahl aus- Ihre Erinnerung zu Gunsten dieser Information
personen, nachdem sie den Ausgang einer gehen wird. Dann warten wir den Wahltermin noch stärker – das ist der Rückschaufehler
8 Wahl erfahren haben, welches Ergebnis sie ab und das amtliche Ergebnis amtlich ab und (Hertwig 1993, S. 48).
wohl vorhergesagt hätten. Wenn sie diese fragen nun unsere Versuchspersonen erneut. Der Rückschaufehler wird unter anderem

9 Vorhersage hypothetisch konstruieren, liegen


die Personen in der Regel näher an dem
Diesmal sollen sie erinnern, welchen Wahlaus-
gang sie bei der ersten Frage erwartet hatten
durch starke Erwartungen moderiert. Hölzl
und Kirchler (2005) zeigen, dass Euro-Be-
tatsächlichen Ergebnis als Probanden einer (Beispiel nach Hertwig 1993, S. 40). Diese fürworter drei Jahre nach Einführung des

10 Kontrollgruppe, die sagen sollen, was sie ge-


tippt hätten, ohne den tatsächlichen Ausgang
Erinnerungen werden in der Regel deutlich
verzerrt sein, nämlich immer in Richtung der
Euro einem stärkeren Rückschaufehler bei
den positiven Entwicklungen der Wirtschaft
zu kennen. Dieser Effekt wird auch als knew- nun bereits bekannten Information. Auch hier unterliegen, während Euro-Skeptiker den
11 it-all-along effect bezeichnet (z. B. Werth und
Strack 2003): Offenbar haben wir häufig, wenn
gilt: Im Rückblick haben wir tendenziell stets
das Gefühl, das, was wir heute wissen, bereits
stärkeren Rückschaufehler bei den negativen
Entwicklungen zeigen. Offenbar bekräftigt der
wir eine Information erhalten, das Gefühl, dies früher gewusst zu haben. Der Rückschaufehler Rückschaufehler in diesen Fällen Vorurteile
12 die ganze Zeit schon gewusst zu haben. Werth
und Strack (2003) zeigen, dass das Ausmaß
besteht genauer gesagt aus zwei Effekten
(Fischhoff 1977, S. 349):
und subjektive ökonomische Theorien: Man
überschätzt seine Treffsicherheit im Urteil vor
des Fehlers von der Zuversicht abhängt, mit a) Die Information, dass ein bestimmtes allem bei den Ereignissen, die zur eigenen
13 der man glaubt, dass man die richtige Antwort Ereignis eingetreten ist, steigert im Rück- Theorie passen.

14 Entscheidend ist beim Truth-Effekt allerdings die Metakogni- sibilität des jeweiligen Produktmerkmals steigern, nicht jedoch
tion, dass eine erhöhte Verarbeitungsflüssigkeit auch mit erhöh- die Plausibilität anderer verwandter Produktmerkmale. Hawkins
15 ter Plausibilität einhergeht. Unkelbach (2007) induzierte bei sei- et al. (2001) fanden keinerlei Effekte der Wiederholung auf die
nen Probanden eine genau umgekehrte Metakognition (erhöhte Einschätzung von Merkmalen, die mit dem präsentierten Merk-
Verarbeitungsflüssigkeit ist ein Zeichen für geringe Plausibilität) mal inhaltlich zusammenhingen, aber nicht identisch waren.
16 und konnte erwartungsgemäß den Truth-Effekt umkehren. Insofern scheint auf den ersten Blick nur die wörtliche Wieder-
Dass letztlich das Erlebnis erhöhter Verarbeitungsflüssig für holung einer Werbeaussage einen Truth-Effekt zu haben.
17 den Effekt entscheidend ist, wird noch durch einen anderen Be- Auf den zweiten Blick allerdings zeigt sich, dass die Präsen-
fund gestützt: Truth-Effekte zeigen sich auf zwei unterschiedliche tation verschiedener, aber verwandter Aussagen die Plausibilität
Weisen: Zum einen werden bekannte Aussagen im Vergleich zu eines übergeordneten Produktmerkmals steigern kann. So steigt
18 unbekannten für plausibler gehalten, zum anderen wird dieselbe die Plausibilität des übergeordneten Merkmals „sicher“ (für ein
Aussage nach einer wiederholten Darbietung eher für wahr ge- Türschloss), wenn die Aussagen „kann man nicht aufbohren“,
19 halten als nach der ersten. Üblicherweise sind Truth-Effekte „professionelle Installation“, „Schlüssel aus spezieller Herstel-
stärker, wenn sie mit der ersten Methode nachgewiesen werden lung“ und andere in variierender Folge präsentiert werden (Ha-
20 (Dechêne et al. 2010). Unterstellt man nun, dass die Quelle des wkins et al. 2001). Insofern scheint ein geringes Maß an schluss-
Effekts die metakognitive Erfahrung einer erhöhten Verarbei- folgerndem Denken an der Werberezeption beteiligt zu sein. Aus
tungsflüssigkeit ist, dann ist dieser Unterschied auch zu erwarten: diesen Effekten lässt sich die Empfehlung an Werbepraktiker ab-
21 Hohe Verarbeitungsflüssigkeit wird subjektiv viel stärker erlebt, leiten, Werbeaussagen mit ähnlichem Inhalt zu variieren.
wenn sie gleichzeitig gegen eine niedrige Verarbeitungsflüssigkeit Offenbar besteht zwischen dem Mere-Exposure-Effekt
22 kontrastiert wird. Dechêne et al. (2010) gehen sogar davon aus, (▶ Abschn. 4.7.2) und dem Truth-Effekt eine enge Verbindung.
dass bei der gleichzeitigen Präsentation neuer und alter Aussagen In beiden Fällen profitiert ein Stimulus davon, dass er wiederholt
die neuen eine Art „negativen Truth-Effekt“ erleiden, indem sie dargeboten wird. Vier Unterschiede sind allerdings zu beachten:
23 wegen der wenig flüssigen Verarbeitung abgewertet werden. 1. Der Truth-Effekt kann sich nur bei Stimuli zeigen, die wahr
In werbepsychologischen Anwendungen des Truth-Effekts oder falsch sein können, also bei Aussagen und Urteilen,
lässt sich mit Hilfe der Wiederholungen nur die subjektive Plau- während sich der Mere-Exposure-Effekt auch auf sinnfreies
15.2  •  Über welche Prozesse wirken Geschichten?
299 15

Material, Logos, Gerüche, einzelne Wörter und so weiter er- und Greenwald 1999). Dies wird mit der Leichtigkeit erklärt, mit
streckt. Demnach ist der Geltungsbereich für den Mere-Ex- dem man sich das Verhalten vorstellen kann. Das Verhalten wird
posure-Effekt deutlich größer. für einen kurzen Moment mental simuliert, dadurch erscheint es
2. Es besteht natürlich auch ein Unterschied zwischen der Zu- subjektiv wahrscheinlicher, und dies wiederum erhöht auch die
schreibung eines Wahrheitswertes und der Zuschreibung objektive Wahrscheinlichkeit. Diese Befunde habe ich bereits in
einer Valenz. Etwas für positiv zu halten, bedeutet keines- ▶ Abschn. 7.1.3 diskutiert.
wegs, es auch für wahr zu halten – und allem Anschein nach
fördert auch die verbesserte Bewertung (dank dem Effekt
der bloßen Darbietung) nicht den Truth-Effekt: Wenn man 15.2.3 Effekte des bloßen Erwägens
Effekte der Valenz und der Verarbeitungsflüssigkeit vonei-
nander trennt, werden Truth-Effekte nur von der letzteren Werden Inhalte im Rahmen von Geschichten präsentiert, lösen
vorhergesagt (Unkelbach et al. 2009; zit. n. Dechêne et al. sie weniger kritische Gedanken aus (Dal Cin et al. 2004; Deighton
2010, S. 254). et al. 1989). Dies kann eine Reihe von Gründen haben. Zunächst
3. Die Zuschreibung von Wahrheit ist aufgrund erhöhter einmal ist Skepsis keine angemessene Rezeptionshaltung für eine
Verarbeitungsflüssigkeit wohl erlernt und folgt einer meta- Geschichte. Man mag zwar bezweifeln, dass man Menschen von
kognitiven Laientheorie (▶ Abschn. 7.1.2). Dies jedenfalls einem Raumschiff auf einen Planeten beamen kann, aber wenn
wird durch den Befund nahegelegt, dass man Truth-Effekte man sich die Episoden von Star Trek anschaut, nimmt man dies
umkehren kann, wenn man Probanden erklärt, hohe Verar- für die Dauer der Erzählung vernünftigerweise hin. Wer hier
beitungsflüssigkeit sei kein Zeichen für die Wahrheit eines allzu sehr auf der physikalischen Machbarkeit beharrt, hat ver-
Sachverhalts (siehe oben; Unkelbach 2007). mutlich wesentliche Elemente der Erzählkultur nicht verstanden
4. Der Truth-Effekt geht zurück auf ein Gefühl der Vertrautheit, – zumindest aber lässt er sich nicht auf die Geschichte ein.
also auch ein Gefühl der Erinnerung, zurück. Er ist umso stär- Geschichten verlangen also von uns eine mindestens vor-
ker, je eher die Probanden glauben, der Aussage früher schon läufige Akzeptanz ihrer Voraussetzungen. Kritisch hinterfragen
einmal begegnet zu sein (Hawkins und Hoch 1992). Dies ist kann man sie allenfalls nach der Rezeption. Dies schafft aller-
bekanntlich beim Mere-Exposure-Effekt gerade nicht der Fall. dings über unterschiedliche Mechanismen Raum dafür, dass man
Inhalte einer Geschichte fälschlicherweise für wahr hält.
Eine Quelle für den Truth-Effekt war der Effekt der referentiellen Das bloße und mitunter nur sehr kurzfristige Erwägen ei-
Validität (referential-validity effect, auch Frequency-Validity-Ef- nes Sachverhalts lässt diesen später wahrscheinlicher erscheinen
fekt), der von Hasher et al. (1977) beschrieben wurde: Die wie- (Fiedler 2000, siehe hierzu auch ▶ Abschn. 4.3.1). Wenn man Per-
derholte Darbietung einer Aussage erhöht die Wahrscheinlich- sonen bittet, die bloße Möglichkeit eines Sachverhaltes zu un-
keit, dass diese Aussage auch später als wahr anerkannt wird. tersuchen, kann man relativ sicher sein, dass die Personen eher
Allerdings tritt dieser Effekt vor allem dann auf, wenn bei den nach Evidenzen für als gegen diesen Sachverhalt suchen werden
ersten Konfrontationen keine klare Entscheidung über Wahrheit (für einen Überblick vgl. Gilbert et al. 1990, S. 611). Offenbar
oder Falschheit getroffen werden konnte (Gilbert et al. 1990). unterstützt bereits das bloße Erwägen einer Sache eine Tendenz,
diese Sache eher für wahr zu halten als ihr Gegenteil – ein Effekt,
Hypothetische Nachfragen der am besten zu umgehen ist, indem man genau dieses Gegenteil
Geschichten erhöhen die Verarbeitungsflüssigkeit nicht nur ebenfalls hypothetisch durchspielt (Lord et al. 1984).
durch Wiederholung, sondern auch durch ihre Anschaulichkeit
und durch die Motivation, sich mit ihnen zu beschäftigen. Eine Der Bibliothekar beim Encodieren: Leibniz
zentrale Form der Beschäftigung besteht in der Identifikation gegen Spinoza
mit den handelnden Charakteren. Die Identifikation geht mit Stellen Sie sich das Gedächtnis wie eine Bibliothek vor, die zwei
einer erhöhten Bereitschaft zur Nachahmung einher: Dal Cin Kategorien von Büchern enthält: Romane und Sachbücher (Bei-
et al. (2007) zeigten dies für die subjektive Wahrscheinlichkeit, spiel nach Gilbert et al. 1990). Sachbücher enthalten nur Aussa-
selbst zu rauchen, die offenbar davon abhing, bis zu welchem gen über Dinge, die tatsächlich der Fall sind, Romane dagegen
Grade sich Zuschauer mit dem rauchenden Protagonisten einer enthalten fiktive Ereignisse, die im logischen Sinne falsch sind.
Geschichte identifizierten. Das Eintauchen in eine Geschichte Wie verwaltet nun der Bibliothekar diese beiden Kategorien?
ist aber vermutlich nur eine von mehreren Möglichkeiten, Ver- Er könnte den Romanen eine grüne und den Sachbüchern eine
haltensweisen wahrscheinlicher zu machen, indem man sie sich blaue Markierung verpassen. Letztere ist aber eigentlich redun-
möglichst konkret vor das (geistige) Auge stellt. Ähnliche Effekte dant, denn wenn alle Romane eine grüne Markierung haben,
kann man durch hypothetische Nachfragen generieren: Wenn kann man die Bücher auch so eindeutig zuordnen: Alle Bücher
man zum Beispiel Personen fragt, ob sie sich an der nächsten ohne Markierung sind dann Sachbücher.
Wahl beteiligen (Greenwald et al. 1987), ob sie in der nächsten Dieses ökonomischere Verfahren hat nur einen Nachteil: Bü-
Woche Zahnseide benutzen, sich gesund ernähren oder mal wie- cher, die nicht eingeordnet sind, sind nicht mehr eigens kennt-
der ein gutes Buch lesen wollen (Levav und Fitzsimons 2006), lich. Ein vorläufiger oder unbestimmter Status ist in dem System
dann steigert die Nachfrage erheblich die Wahrscheinlichkeit, gar nicht vorgesehen. Daher könnte der Bibliothekar ein neu ein-
dass Personen das Verhalten später auch zeigen (Greenwald et al. getroffenes Buch, das noch keine Markierung hat, versehentlich
1987; Levav und Fitzsimons 2006; Sherman 1980; Spangenberg für ein Sachbuch halten.
300 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

Diesen verschiedenen Verfahrensweisen entsprechen unter- schnell und nahezu automatisch erkannt und verarbeitet werden,
1 schiedliche Ansichten darüber, wie wir im Gedächtnis mit den dass diese Verarbeitung aber durch Parallelaufgaben, also durch
Kategorien „wahr“ und „falsch“ umgehen. Gilbert et al. (1990) eine Belastung des mentalen Arbeitsspeichers, verhindert wird.
2 ordnen diese Ansichten den Philosophen Descartes und Spinoza Daher bezeichnen sie die Verarbeitung von Negationen als einen
zu. Descartes sei der Meinung gewesen, wir könnten eine In- „halb-automatischen Prozess“ (S. 445).
formation noch eine Weile gleichsam „in der Schwebe“ belas- Die Überlegungen von Gilbert et  al. (1990) erklären eine
3 sen, bevor wir uns endgültig festlegen, ob wir sie für wahr oder Reihe von Gedächtnistäuschungen, vor allem jene, bei denen die
falsch halten. Spinoza dagegen habe einen solchen Schwebezu- Wahrheit einer Aussage nicht oder wenigstens nur mit reduzier-
4 stand nicht für möglich gehalten. Seiner Meinung nach werde ten Ressourcen geprüft wird.
eine Information immer zunächst einmal akzeptiert, so, als ob sie
Für wahr halten, wovon man eigentlich schon
5 wahr wäre, um nach einer Prüfung eventuell als falsch markiert
weiß, dass es falsch ist
zu werden.
Aus der Spinoza-Interpretation ergibt sich zum Beispiel, dass Allerdings werden auch Informationen, von denen man eigent-
6 ohne Prüfung die Information immer tendenziell eher für wahr lich schon einmal verstanden hatte, dass sie falsch sind, unter
gehalten wird. Wenn man nun zusätzlich annimmt, dass die Prü- Umständen für wahr gehalten. Dies zeigt sich zum Beispiel im
7 fung kognitive Ressourcen bindet, dann müssten Menschen, die sogenannten Perseveranz-Paradigma: Nachdem Sie einen Test
diese Ressourcen nicht haben, falsche Informationen eher für absolviert haben, erhalten Sie die Rückmeldung, dass Sie eine
wahr halten, als Menschen, die genug Gelegenheit zur Prüfung bestimmte Begabung haben. Später erfahren Sie, dass diese Rück-
8 haben. Wahre Informationen versehentlich für falsch zu halten, meldung falsch war. Trotzdem neigen Sie in der Folge dazu, sich
sollte deutlich seltener vorkommen. Wenn ein Wahrheitswert diese Begabung weiterhin zuzuschreiben (Ross et al. 1975).
9 falsch zugeordnet wird, dann immer in die eine Richtung. Fiedler (2000) betont, dass existierende Wissensstrukturen
Diese Erwartung haben Gilbert et  al. (1990) auf folgende und Schemabilder solche Irrtümer fördern: Je besser ein fiktiver
10 Weise geprüft. Die Versuchspersonen sollen Wörter aus der bzw. unwahrer Inhalt in ein existierendes Schemabild passt, desto
Sprache der Hopi-Indianer lernen. Am Computer werden sie geringer fällt bei seinem Verständnis ins Gewicht, ob es sich um
mit Aussagen konfrontiert wie „Ein cirell ist ein Baum“ oder einen wahren oder falschen Sachverhalt handelt.
11 „Ein nasli ist eine Schlange“. In Wirklichkeit waren die Begriffe Nach Fiedler et al. (1996) werden bei einem Erinnerungs-
Unsinnswörter, die konstruiert wurden, damit das Ergebnis des vorgang prinzipiell zwei Quellen von Informationen aktiviert:
12 Experiments nicht durch das Vorwissen der Probanden verzerrt Wissensstrukturen (epistemic knowledge) auf der einen Seite und
wird. Nach der Präsentation zeigte der Bildschirm an, ob die Aus- Evidenzen (empirical evidence) auf der anderen. Je weniger aktu-
sage wahr oder falsch sei. Einige der Sätze wurden also im Nach- elle Belege für eine Information vorliegen, desto stärker greifen
13 hinein als falsch klassifiziert. An ausgewählten Stellen wurden die die Wissensstrukturen in den Konstruktionsvorgang ein, der
Probanden bei der Information über den Wahrheitswert zusätz- dann das Erinnerungsbild ausmacht. Sie fahren fort: „Die bloße
14 lich durch eine Ablenkungsaufgabe unterbrochen – sie mussten Frage, ob ein bestimmter Politiker korrupt sei, hat auch ohne jede
auf einen Signalton hin einen Knopf drücken. In einem zweiten Evidenz bereits einen abwertenden Effekt. [...] Es gibt immer eine
15 Durchgang wurden dieselben Aussagen als Fragen präsentiert zweite Quelle zusätzlich zur empirischen Evidenz, nämlich die
(„Ist ein cirell ein Baum?“), und die Probanden sollten mit „ja“ Schlussfolgerungen, die man auf der Basis älteren Wissens zieht.
oder „nein“ antworten. Interessant waren nun die Antworten auf Eine Aussage zu bestreiten, bedeutet nur, dass es keine Evidenz
16 die Aussagen, bei denen die Probanden unterbrochen wurden. für diese Aussage gibt. Aber dieser Mangel an Evidenz verhindert
Hier waren der Theorie zufolge die geistigen Ressourcen nicht eben solche Schlussfolgerungen auf der Basis älteren Wissens
17 ausreichend, um die Information wirklich zuverlässig als wahr nicht. Das bloße Erwägen der Aussage kann solche Folgerun-
oder falsch zu klassifizieren. Folgerichtig ergaben sich dort auch gen aktivieren [...] und dieser Aktivierungsprozess hängt nicht
die meisten Fehler im Fragedurchgang. von Belegen dafür ab, dass die Aussage wahr ist. Der Aktivie-
18 Welche Fehler aber waren die häufigeren: eine wahre Aussage rungseffekt ist vielmehr eine Funktion der Anwendbarkeit oder
als falsch zu betrachten oder umgekehrt? Wenn Descartes recht semantischen Passung zwischen der Aussage und der aktivierten
19 hat, dann sind beide Fehler gleich wahrscheinlich. Hat jedoch Wissensstruktur“ (Fiedler et al. 1996, S. 870; Übers. GF).
Spinoza recht, dann wird eine nicht klassifizierte Information Die Überlegung von Fiedler et al. (1996) geht somit davon
20 tendenziell eher für wahr gehalten. Daher sollte bei den unter- aus, dass Negationen vor allem unter zwei Bedingungen ignoriert
brochenen Aussagen vor allem der Fehler auftreten, dass eine fal- werden: Erstens wenn keine klaren Belege für die Negation vor-
sche Information für wahr gehalten wird, nicht aber umgekehrt. liegen, wenn also – um im Beispiel zu bleiben – die Ehrlichkeit
21 In der Tat war dieser Fehler beinahe doppelt so wahrscheinlich des Politikers nur unterstellt, aber nicht durch eine Vielzahl von
wie der entsprechende andere. Beweisen gestützt wird. Und zweitens: Wenn die negierte Aus-
22 Mit anderen Worten: Die Unterbrechung untergräbt in erster sage – trotz der Negation – gut zu anderen Wissensstrukturen
Linie das korrekte Erkennen von Falschheit. Wir schreiben eher (hierunter fallen eben auch Stereotype und Vorurteile) passt.
zu Unrecht Wahrheit zu, wenn uns die geistigen Ressourcen zu Die vorangegangenen Überlegungen zeigen für Werbung
23 einer näheren Prüfung fehlen. Es ist vor allem die Ablenkung, die und Konsumentenverhalten vor allem eines: Die bloße Präsen-
Belastung des Arbeitsspeichers, die dazu führt, dass die Nega- tation eines nicht zutreffenden Sachverhalts erhöht die Wahr-
tion ignoriert wird: Deutsch et al. (2009) zeigen, dass Negationen scheinlichkeit, dass der Sachverhalt akzeptiert wird – auch dann,
15.2  •  Über welche Prozesse wirken Geschichten?
301 15

wenn dabei der Sachverhalt als unzutreffend klassifiziert wird. schen Behauptungen enthielten. Die vorherige Warnung, dass die
Insbesondere unter Ablenkungsbedingungen ist die Wahrschein- Geschichten sachliche Fehler enthalten, verringerte den Effekt
lichkeit nicht besonders hoch, dass diese Klassifikation wirklich dieser Falschinformationen nicht: Stets wurden die Rezipienten
nachvollzogen wird. Insofern lohnt sich die Präsentation von durch die Geschichte beeinflusst, etwas Falsches für wahr zu hal-
Produktvorteilen also auf jeden Fall, selbst wenn sie sich später ten (Marsh und Fazio 2006).
als falsch erweisen. In einer experimentellen Bedingung (Fazio und Marsh
Umgekehrt ist dagegen zu fragen, ob in der Werbung po- 2008) verringerten die Autoren das Darbietungstempo. Diese
tentielle Nachteile des Produkts verneint werden sollten (z. B. Manipulation führt üblicherweise dazu, dass sich Probanden
„nicht schwierig im Gebrauch“ – „not difficult to use“). Grant weniger von falschen Inhalten beeinflussen lassen – vermutlich
et al. (2004) zeigen, dass solche Verneinungen nur bei solchen weil sie die gewonnene Zeit nun in eine kritischere Prüfung der
Konsumenten zu einer Aufwertung des Produkts führen, die die Inhalte investieren. Werden die falschen Inhalte jedoch in eine
Werbung aufmerksam, mit vollen kognitiven Ressourcen sehen. Geschichte eingebettet, übernehmen die Rezipienten nicht etwa
Die Autoren sehen ihre Befunde als eine Bestätigung der An- weniger, sondern mehr falsche Inhalte aus der Geschichte. Dies
nahme, dass Aussagen zunächst als Affirmation verstanden und lässt sich damit erklären, dass Geschichten – wenn man sie als
erst in einem späteren Schritt negiert werden (siehe oben). Unter Geschichten rezipiert – keine Skepsis auslösen. Ohne kritische
dieser Betrachtung scheint es möglich, dass auch andere For- Haltung aber verbessert die Verlangsamung die Bedingungen für
men näher qualifizierter Aussagen tendenziell in Richtung des das Encodieren falscher Informationen. Erst wenn Probanden
einfachen Vorstellungsbildes verzerrt werden: Ein „Ex-Mann“ gebeten wurden, von den Inhalten Satz für Satz zu entscheiden,
erscheint demnach immer noch als (Ehe-)Mann und „pseudo-in- ob sie korrekt oder falsch sind, verringerte sich die Beeinfluss-
tellektuell“ ist demnach immer noch in einer gewissen Weise barkeit. Offenbar sorgen Geschichten per se zunächst für eine
intellektuell. Grant et  al. (2004) spekulieren daher, dass auch passive Suggestibilität. Um diesem Einfluss zu entgehen, müsste
Aussagen wie „fettarm“ (low-fat) immer noch Schemabilder von der Rezipient permanent daran erinnert werden, dass er die In-
fetten Speisen aktivieren. halte prüfen sollte, bevor er sie übernimmt (Fazio und Marsh
Von manchen Experten des Konsumentenverhaltens hört 2008).
man die These, dass Verneinungen keine Vorstellungsbilder aus-
lösten und dass man sie deshalb nicht in der Werbung einsetzen
sollte (Kroeber-Riel 1993, S. 70). Die vorangegangenen Befunde 15.2.4 Mimikry, Embodiment
zeigen aber, dass dies nicht so ist. Verneinte Aussagen können und implementation intentions
durchaus mentale Bilder erzeugen, die durch erhöhte Verfüg-
barkeit spätere Urteile und Entscheidungen beeinflussen. Das „Jede Repräsentation einer Bewegung erweckt bis zu einem ge-
Problem ist vielmehr, dass die Verneinung dabei meist nicht mit wissen Grade die tatsächliche Bewegung.“ Diese Annahme von
übersetzt wird. James (1890, S. 1134; zit. n. Genschow et al. 2013a, S. 764) hat
sich in der Forschung zu Effekten der Mimikry und des Embo-
Die Besonderheit von Geschichten diment beeindruckend bestätigt (▶ Kap. 6). Geschichten liefern
Geschichten profitieren von diesen Phänomenen ganz offensicht- hierzu viele Angriffspunkte. Sie können lebhafte Repräsentati-
lich. Zwar weiß der Rezipient von vielen Geschichten bereits im onen von Absichten wie Handlungen hervorrufen und damit
Vorhinein, dass sie eigentlich fiktiv und damit nicht „wahr“ sind. – wie wir oben bereits gesehen haben – passendes Verhalten
Diese Abwertung dämpft den „gefühlten“ Wahrheitsgehalt aber wahrscheinlicher machen.
umso weniger, je enger die Geschichten mit anderen Wissens- Über ähnliche Mechanismen können Geschichten aber auch
strukturen, vor allem mit Skripten und Schemabildern, verknüpft dazu beitragen, dass Ziele und Absichten, die über die Werbung
werden können. induziert werden, auch in konkretes Verhalten münden, indem
Außerdem ist, wie bereits betont, die korrekte Rezeptionshal- sie nämlich implementation intentions (▶ Abschn. 5.5.1) erzeu-
tung für eine Geschichte eben nicht Skepsis, sondern mindestens gen. Fennis et  al. (2011) präsentierten ihren Probanden eine
vorläufige Akzeptanz. Anders als in den Experimenten von Fied- Webseite mit Informationen zu Fair-Trade-Produkten und nach-
ler (2000; vgl. auch Fiedler et al. 1996) hat der Hinweis auf den haltigem Konsum. Die Probanden konnten eine Referenzliste, ei-
fiktiven und unwahren Charakter der Geschichte nur außerhalb nen pocket guide, mit fairen und nachhaltigen Produkten nutzen.
der Rezeption seinen Platz. Die Skepsis wird gleichsam für die Damit dies wirklich zu einem nachhaltigen Konsum führt, sollte
Dauer der Rezeption suspendiert und kann erst später wieder die Liste natürlich vor allem in drei Situationen genutzt werden:
auf die Inhalte angewendet werden. Die Effekte des bloßen Er- 1) beim Erstellen der Einkaufsliste, 2) in dem Moment, in dem
wägens, in denen sich falsche – ja sogar ausdrücklich als falsch die Produkte in den Einkaufskorb wandern, und 3) während
erkannte – Sachverhalte in aktuelle Urteile drängen, wurden da- des Wartens an der Kasse. Diese Situationen bezeichnen somit
gegen meistens mit Inhalten gewonnen, die praktisch permanent die Auslösebedingungen für das Verhalten und bilden den Kern
mit Skepsis rezipiert werden konnten. einer implementation intention (mehr dazu in ▶ Abschn. 5.5.1).
Die Sonderrolle von Geschichten beim Entstehen illusionärer Allerdings brachte es der Webseite wenig, wenn dort ein-
Wahrheiten unterstreichen auch die Experimente von Fazio und fach nur gebeten wurde: „Check the Fairfood pocket guide in
Marsh (2008; Marsh und Fazio 2006). Sie präsentierten ihren the following situations …“ Einen Effekt – auf Absichten wie auf
Probanden fiktionale Texte, die eine Reihe von offensichtlich fal- tatsächliches Verhalten – hatte dagegen ein Erlebnisbericht einer
302 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

Studentin, die ihren Umgang mit dem pocket guide beschrieb und falls sind Identifikationsprozesse der Transportation im Sinne
1 darin auch auf die drei Auslösesituationen einging. von Green und Brock (2000) förderlich. Weiterhin zeigt sich,
Die Erzählform hat damit ein typisches Defizit ausgeglichen, dass die Wirkung von Geschichten stärker wird, wenn sich Pro-
2 das Werbung normalerweise hat, wenn es darum geht, konkrete banden mit den Protagonisten identifizieren können (z. B. Dal
Absichten in Verhalten umzusetzen. Direkte Aufforderungen Cin et al. 2007). Der Underdog-Effekt etwa war in den Experi-
werden üblicherweise nicht in implementation intentions umge- menten von Paharia et al. (2011) besonders stark, wenn sich die
3 setzt und bleiben daher weitgehend wirkungslos (Fennis et al. Betrachter selbst als Underdog, von Hindernissen und Nach-
2011). Geschichten dagegen lassen die Handlungen und Absich- teilen umgeben sahen. Dieser letztere Befund allerdings deutet
4 ten der Protagonisten – vermutlich vermittelt über Mechanismen noch einen weiteren Mechanismus an, über den Geschichten
der Mimikry und des Embodiment – mindestens zum Teil wie wirken, nämlich als symbolische bzw. stellvertretende Wun-
5 eigene erscheinen, und das schlägt sich eben unter anderem auch scherfüllung. Zumindest für einige Geschichten, wie etwa die
in implementation intentions nieder. Underdog-Biographien, mag gelten, dass das Eintauchen in die
Geschichte motivational befriedigend erlebt wird, möglicher-
6 weise sogar den Selbstwert hebt.
15.2.5 Unterbinden von Gegenargumenten: Aus dieser Erklärung würde sich dann ebenfalls die Erwar-
7 Erzähltypische Merkmale tung ableiten lassen, dass Geschichten weniger Skepsis und we-
niger kritische Gedanken auslösen als derselbe Inhalt, wenn er
Es ist nicht nur die Transportation, das Einlassen auf die Ge- nicht in Geschichtenform präsentiert wird (Dal Cin et al. 2004):
8 schichte, die dazu führt, dass der Rezipient einer Geschichte Erwünschte Ausgänge bezweifelt man deutlich seltener als uner-
nicht zum Gegenargumentieren neigt. Ein weiterer Faktor ist der, wünschte (Ditto und Lopez 1992).
9 dass in sehr vielen Fällen der Rezipient gar keinen Anlass sieht, Es ist plausibel, dass die Identifikation auch motivationale
sich gegen einen Beeinflussungsversuch zu wappnen. So könnte Aspekte hat: Wenn man sich mit dem „Helden“ einer Geschichte
10 ein Protagonist in der Geschichte eine umstrittene Position zum identifiziert, dann nicht zuletzt deshalb, weil dieser erwünschte
Thema „künstliche Befruchtung“ vertreten. Dies könnte aber Eigenschaften hat.
ganz nebenbei in die Geschichte eingeflochten werden, so dass Aber auch die oben genannten Effekte der Verarbeitungs-
11 zunächst keine Abwehrhaltung beim Rezipienten besteht. Die flüssigkeit könnten mindestens zum Teil durch motivationale
persuasive Botschaft käme unverhofft und träfe daher auch auf Prozesse gefördert werden: Zum Beispiel führen Werbeaussagen,
12 einen unvorbereiteten Rezipienten. Anders läge der Fall allen- die später dementiert werden, häufig Zustände vor Augen, die
falls, wenn die Geschichte von vornherein einen Titel hätte wie hoch erwünscht sind (z. B. „Das Produkt kann mich von meinen
etwa Die Leihmutter oder Das Retortenbaby oder wenn andere Schuppen oder Pickeln befreien“, „Das Produkt verhindert, dass
13 Quellen die umstrittenen Positionen nahelegen würden. mein Kind krank wird“; Harris 1977). Erwünschte Zustände stellt
Aber auch in diesem Fall hat eine Geschichte gegenüber einer man sich vermutlich deutlich häufiger vor als neutrale – und die
14 Sachinformation typische Vorteile, erzählen Geschichten doch Werbung fördert diese Imagination durch die Andeutung, dass
vornehmlich Geschehnisse und Erfahrungen einzelner Men- dieser Zustand Wirklichkeit werden könnte. Daher mag nicht
15 schen. Man kann einem Argument widersprechen, nicht aber nur die Wiederholung durch ein Dementi (Skurnik et al. 2005),
einer Erfahrung. Hinzu kommt, dass die geschilderten Erfahrun- sondern möglicherweise auch der hohe Grad der Erwünschtheit
gen, seien sie nun real oder erfunden, einfach dadurch, dass sie dafür verantwortlich sein, dass dementierte Werbeaussagen trotz
16 erzählt werden können, auch eine gewisse Mindestplausibilität Dementi noch immer als plausibel empfunden werden.
besitzen: Sie könnten immerhin wahr sein, denn sonst könnte Hinzu kommt, dass das Dementi nur den Wahrheitswert von
17 man sie ja nicht erzählen (Dal Cin et al. 2004, S. 178). Aussagen in Frage stellen kann. Geschichten sowie motivatio-
Die Erzählstruktur erlaubt es auch, die persuasiven Bot- nal bedeutende Inhalte enthalten aber auch Elemente, die nicht
schaften unterschiedlichen Charakteren in den Mund zu legen. verneint werden können, etwa subjektive Erfahrungen und Be-
18 Dies hat den Vorteil, dass eine eventuell einstellungskonträre wertungen der handelnden Personen. Auch die Frage, ob etwas
Botschaft nicht vom Erzähler der Geschichte stammt und daher positiv oder negativ, angenehm oder unangenehm ist, ist keine
19 nicht unbedingt als ein Beeinflussungsversuch erlebt wird. Aus Frage der Wahrheit.
der Persuasionsforschung kennt man den Effekt des Overhearing.
Affektive Perseveranz
20 Danach sind Menschen eher bereit, einer Beeinflussung zu fol-
gen, wenn sie sich selbst nicht zum Adressatenkreis zählen (▶ Ab- Sherman und Kim (2002) ließen ihre Probanden die Bedeutung
schn. 14.2.1). Geschichten bieten also offenbar eine gute Plattform chinesischer Schriftzeichen erlernen. Alle Zeichen hatten eine
21 zur Ausnutzung auch dieser persuasiven Mechanismen. affektiv eindeutige Bedeutung (z. B. „Krankheit“ oder „Frieden“).
In einem nächsten Schritt wurden die Probanden informiert, dass
22 die bisher erlernte Bedeutung falsch war. Sie lernten daraufhin
15.2.6 Identifikation und motivationale die „richtige“ Bedeutung, die allerdings affektiv neutral war (z. B.
Prozesse „Kalender“ oder „lang“). In einem Gedächtnistest wurde sicher-
23 gestellt, dass die Probanden die alte Bedeutung korrekt durch die
Fällt die Identifikation mit dem Protagonisten besonders leicht, neue ersetzt haben. Trotzdem bevorzugten Probanden weiterhin
ist vermutlich auch die Verarbeitungsflüssigkeit erhöht. Jeden- die vormals positiven Zeichen gegenüber den neutralen vormals
15.2  •  Über welche Prozesse wirken Geschichten?
303 15
.. Abb. 15.1 Der Axe-Effekt:
Der Duft von Axe wirkt magisch
anziehend auf Frauen. Auch wenn
vermutlich niemand diesen Effekt
rein sachlich für wahr hält, reagiert
man affektiv doch positiv, wenn
er behauptet wird. Diese positive
Reaktion ist von der kognitiven
Haltung weitgehend losgelöst und
sehr beständig über die Zeit. (Mit
freundlicher Genehmigung von
Unilever Deutschland GmbH 2007)

negativen. Die affektiv-emotionale Reaktion bleibt also erhalten, er mit dem Skandal verbunden ist, würde die affektive Reaktion
selbst wenn ihr die kognitive Basis entzogen worden ist. der Wähler erhalten bleiben. Der Politiker müsste versuchen, ein
Dieses Befundmuster wird plausibel, wenn man für affek- gegenteiliges Bild von sich zu zeichnen. Er darf also nicht einfach
tive und kognitive Gedächtnisinhalte unterschiedliche Systeme nur als „nicht korrupt“ gelten, er muss sozusagen als ein „Heili-
unterstellt (z. B. Zajonc 1980). Rein sachlich leuchtet diese Un- ger“ und besonderer „Wohltäter“ erscheinen.
terscheidung schon deshalb ein, weil die Bewertungskriterien Offen ist nach Stand der Forschung noch, welche Rolle hier-
für affektive und kognitive Inhalte offensichtlich unterschiedlich bei die Schemakongruenz spielt: Politische Skandale sind ja
sind: Kognitive Inhalte können wahr oder falsch sein, affektive auch deshalb so haltbar, weil das Bild des korrupten Politikers
Inhalte sind dagegen positiv oder negativ. Einer Unterscheidung gut in ein bereits vorgeprägtes kognitives Schema passt. Wenn
in unterschiedliche Systeme entsprechen auch hirnphysiologi- das affektive Gegenstück nun aber seinerseits keinem Schema
sche Befunde: So gehen Aktivitäten im Mandelkern (Amygdala) entspricht, erschwert dies womöglich die Umkehrung der vor-
eher mit affektiven Reaktionen einher, während kognitive Pro- geprägten Bewertung in ihr Gegenteil.
zesse eher von Aktivität im Hippocampus begleitet werden (Be- Wichtig für die Untersuchung von Sherman und Kim (2002)
funde zit. n. Sherman und Kim 2002). ist, dass die affektive Seite der Information keine zufällige Beglei-
Nach dieser Unterscheidung hängen affektive Reaktionen, terscheinung der kognitiven ist. Dies wäre etwa der Fall, wenn
wenn sie einmal ausgebildet sind, nicht mehr vom Wahrheits- eine Information in einem angenehmen Kontext erlernt wird,
wert der mit ihnen verbundenen Kognitionen ab, denn „wahr“ wenn sie zum Beispiel – wie in der Werbung – mit affektiv ange-
und „falsch“ sind im affektiven System keine gültigen Katego- nehmen Bildern oder Musik unterlegt ist. Natürlich ist in solchen
rien. Fällen erst recht zu erwarten, dass die affektive Reaktion erhalten
Diese theoretische Idee zeigt auch, unter welchen Bedingun- bleibt, auch wenn die Information sich als sachlich falsch heraus-
gen die affektive Perseveranz unterwandert werden kann. Dies stellt. Sherman und Kim (2002) zeigen aber, dass die Affekte auch
könnte gelingen, wenn nicht nur die kognitive Bewertung, son- dann erhalten bleiben, wenn genau die Kognition zerstört wird,
dern auch die affektive umgekehrt wird. In der Tat zeigten Sher- auf der sie überhaupt erst beruhen und mit der sie eigentlich
man und Kim (2002), dass der Perseveranzeffekt ausbleibt, wenn stehen und fallen sollten.
die ursprüngliche Valenz der Wörter nicht durch eine neutrale, Die Befunde zeigen, dass der Aufbau klarer affektiver Reak-
sondern durch die gegenteilige Valenz ersetzt wird. tionen in der Werbung unter allen Umständen günstig ist, selbst
Will beispielsweise ein Politiker die Assoziation mit einem dann, wenn die kognitive Basis dieser Affekte eher fragwürdig
politischen Skandal neutralisieren, dann genügt es nicht, die ist (. Abb. 15.1) und unter Umständen sogar wieder zurückge-
Verbindung zu leugnen: Auch wenn niemand mehr glaubt, dass nommen werden muss.
304 Kapitel 15  •  Geschichten als Mittel der Beeinflussung

Bewertende Urteile bleiben also in vielen Situationen deut- noch stärker – sofern sie so erzählt werden, dass Rezipienten sie
1 lich länger stabil, als es die Tatsachen rechtfertigen würden. Auch flüssig verarbeiten.
dies ist für die Persuasion durch Storytelling günstig, denn Ge-
2 schichten erzeugen ja typischerweise Emotionen, und zwar umso
stärker, je mehr sich der Rezipient auf sie einlässt. Diese Emoti- 15.3 Geschichten und Überredung:
onen bestehen mindestens teilweise unabhängig davon, ob man Ein Resümee
3 die dargestellten Inhalte glaubt.
Storytelling ist sehr wirkungsvoll, aber auch nicht unbedingt ein
4 „Geheimtipp“ für das Marketing – zumindest nicht hinsichtlich
15.2.7 Verblassen des Quellengedächtnisses der Mechanismen, über die Storytelling wirkt. Viele davon wer-
5 den durch Geschichten zwar besonders gut ausgelöst, sie sind
Aus der Persuasionsforschung weiß man, dass Informationen aus aber nicht auf die Geschichtenform angewiesen. Und überhaupt
unglaubwürdigen Quellen mit der Zeit subjektiv plausibler werden zeigt die vorausgegangene Diskussion, dass Storytelling über Pro-
6 (Hovland und Weiss 1951). Dieses Phänomen ist als Schläfereffekt zesse wirkt, die an unterschiedliche Bedingungen geknüpft sind.
bekannt (▶ Exkurs 14.3). Der dominierenden Erklärung zufolge Eine der wichtigsten Bedingungen für die Wirkung von
7 werden in der Erinnerung die Information und die Quelle über Geschichten ist der Grad, in dem man sich auf die Geschichte
die Zeit dissoziiert – vermutlich weil sie in unterschiedlichen Ge- einlässt, sie sozusagen „als Geschichte“ rezipiert. Gut erzählte
dächtnissystemen repräsentiert sind: Die Rezeptionssituation, zu Geschichten haben zwar nicht unbedingt ein Problem damit, ihr
8 der die Quelleninformation gehören dürfte, ist ein typischer Inhalt Publikum in Bann zu ziehen – sie wirken aber nur in dem Grade
für das episodische Gedächtnis, während der persuasive Inhalt persuasiv, in dem ihnen das gelingt.
9 selbst zum semantischen Gedächtnis gehört. Es liegt nahe, auch Die Beeinflussungswirkung von Geschichten ist für unser
den Schläfereffekt als Erklärung für die persuasive Wirkung von Thema gleichwohl besonders interessant, und das mindestens
10 Geschichten anzuführen (vgl. auch Appel 2007): Eine Geschichte aus zwei Gründen:
mag eine weniger glaubwürdige Quelle sein als beispielsweise ein 1. Sie lässt sich sehr gut mit einer ganzen Reihe von Phäno-
Forschungsbericht, gleichwohl wird der Inhalt über die Zeit hin- menen verbinden, die in der Psychologie aus anderen Kon-
11 weg immer weniger eng mit dieser Quelle verbunden und gewinnt texten bekannt sind – allen voran natürlich Phänomenen
damit an Plausibilität. Dies steht im Einklang mit der Beobach- der Gedächtnistäuschung. Diesen Punkt habe ich bereits in
12 tung, dass Falschinformationen aus fiktiven Geschichten mit der ▶ Abschn. 4.3.2 angesprochen, aber viele Beispiele eigens dem
Zeit plausibler werden und mit größerer subjektiven Gewißheit für vorliegenden Kapitel zugeordnet, weil sie hervorragend zei-
wahr gehalten werden (Appel und Richter 2007, 2010). gen, wie kognitionspsychologisches Basiswissen helfen kann,
13 Allerdings sprechen bei näherer Betrachtung nur wenige Ar- die Persuasionswirkung von Geschichten zu verstehen.
gumente dafür, dass der Schläfereffekt bei der Wirkung von Ge- 2. Man kann sie eigentlich nur verstehen, wenn man das übli-
14 schichten eine bedeutende Rolle spielt: So ist eine Geschichte ei- che Zwei-Prozess-Denken aufgibt (z. B. ▶ Abschn. 1.3.3). Ge-
gentlich nur dann eine unglaubwürdige Quelle, wenn sie erfunden schichten wirken eben nicht in erster Linie über unbewusste
15 ist (und genau genommen können ja auch erfundene Geschichten Prozesse oder auf der peripheren Route der Persuasion. Damit
noch eine große Menge an wahren Aussagen enthalten). Die Ge- sie wirken, muss sich der Rezipient auf sie einlassen, er muss
schichtenform per se wertet ihre Glaubwürdigkeit noch nicht ab. ihre Inhalte elaborieren, was für sich genommen sicherlich
16 Zudem ist der Schläfereffekt bekanntermaßen eher subtil und keine Leistung des „Autopiloten“ oder des „impliziten Sys-
nur wenig robust (z. B. Pratkanis et al. 1988). Er schafft die Vo- tems“ ist. Andererseits aber können sich Rezipienten einer gut
17 raussetzung, dass zum einen die persuasive Botschaft über die erzählten Geschichte oft nicht entziehen – und dies ist wiede-
Zeit und bei eventuellen Wiederholungen nicht variiert und dass rum ein unwillkürliches und automatisches (allerdings des-
zum anderen die Erinnerung an die Quelle schneller verblasst halb nicht unbedingt unbewusstes) Element ihrer Wirkung.
18 als die Erinnerung an den Inhalt (für einen Überblick vgl. z. B. Und interessanterweise sind Rezipienten einer Geschichte
Appel 2007, S. 67). ihrer persuasiven Wirkung umso „hilfloser“ ausgesetzt, je
19 Die Ergebnisse von Marsh et al. (2003) zeigen dagegen, dass aufmerksamer sie sie rezipieren (z. B. Fazio und Marsh 2008).
Probanden die falsche Information auch dann für plausibel hiel-
20 ten, wenn sie sich korrekt daran erinnerten, dass die Information Die Wirkung von Geschichten besteht also sozusagen in einer
Teil einer (erfundenen) Geschichte war. Die subjektive Plausibili- Mischung aus willkürlichen und automatischen Prozessen. Sol-
tät ging in diesem Fall offenbar nicht darauf zurück, dass die fikti- che „Mischungen“ sind uns aus anderen Kontexten natürlich ver-
21 onale Quelle nicht korrekt erinnert wurde. Vielmehr glaubten die traut: Sich ins Bett zu legen, ist normalerweise ein intentionaler
Probanden – offensichtlich fälschlicherweise – der Information Akt, das Einschlafen dagegen kann man nicht kontrollieren, das
22 auch früher schon, unabhängig von der Geschichte begegnet zu ist ein Widerfahrnis, dem wir uns Abend für Abend aussetzen.
sein. Dieses Muster ähnelt sehr viel mehr dem knew-it-all-along Insofern ist die Zwei-Prozess-Dichotomie auf die Wirkung von
effect (▶ Exkurs 15.2): Wenn Aussagen leicht zu verarbeiten sind Geschichten nicht anwendbar – jedenfalls nicht in der gewohn-
23 (z. B. durch bessere Lesbarkeit), glauben Personen noch eher, ten Weise. Genau deshalb sehen Green und Brock (2000) im Sto-
dass sie die entsprechenden Inhalte bereits früher gewusst ha- rytelling einen dritten Weg der Beeinflussung neben zentraler
ben. Dies erhöht freilich die suggestive Wirkung von Geschichten und peripherer Route.
305 16

Differentielle
Konsumentenpsychologie
Georg Felser

16.1 Probleme einer differentiellen Konsumentenpsychologie  –  306


16.2 Dimensionen der Konsumentenbeschreibung  –  308
16.2.1 Einstellungen als Persönlichkeitsmerkmale  –  308
16.2.2 Kaufmotive und die Big Five  –  309
16.2.3 Meinungsführer, Trendsetter, Innovatoren – 310

16.3 Differentialpsychologische Moderatoren im


Konsumentenverhalten – 313
16.3.1 Need for cognition  –  313
16.3.2 Das Konsistenzmotiv – 313
16.3.3 Präferenz für bestimmte Heuristiken  –  314
16.3.4 Präferenz für bestimmte Argumente  –  315
16.3.5 Bedürfnis nach Einzigartigkeit  –  316
16.3.6 Bedürfnis nach Berührung  –  316

16.4 Altersunterschiede – 317
16.4.1 Kindheit und Werbung – 318
16.4.2 Über 50-Jährige als Zielgruppe für Marketing und Werbung  –  323

16.5 Marken und Persönlichkeit  –  327

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
306 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

Zusammenfassung 16.1 Probleme einer differentiellen


1 1. Menschen reagieren unterschiedlich auf Werbe- und Konsuman- Konsumentenpsychologie
gebote. Anbieter und Werbungtreibende haben daher das Ziel,
2 möglichst viel über die Unterschiede zwischen Individuen und Es ist eine banale Alltagserfahrung: Menschen sind verschieden.
damit auch über ihre spezifische Zielgruppe zu erfahren. Zwei Es gibt Frauen und Männer, Alte und Junge, Dumme und Ge-
wesentliche Probleme ergeben sich hierbei: scheite, Introvertierte und Extravertierte, Nette und Fiese und so
3 – Manche Dimensionen der Charakterisierung gelten nur für weiter. Diese unterschiedlichen Menschen verhalten sich doch
eingeschränkte Situationen oder eine bestimmte historische sicher auch unterschiedlich – oder etwa nicht?
4 Zeit. Eine entscheidende Annahme hinter jeder Art von Differen-
– Es ist selten praktikabel, relevante Unterschiede zwischen tieller Psychologie ist der, dass die Unterschiede zwischen Perso-
5 einzelnen Konsumenten zu erheben und zu berücksichti- nen über verschiedene Situationen hinweg auch konsistent sind.
gen. Oft behilft man sich damit, weniger relevante Merkmale Das ist nicht selbstverständlich (Mischel 1984; Schmitt 1990).
als Indikatoren für die eigentlich bedeutsamen Merkmale Beispiel: Wenn ich heute beim Zahnarzt mutiger war als mein
6 heranzuziehen. Bruder, heißt das, dass ich auch morgen meinem Chef gegenüber
2. Wichtige Unterscheidungsdimensionen für die Konsumenten- mutiger sein werde als er? Wenn ich meinen Kollegen gegenüber
7 psychologie sind neben den klassischen differentialpsycholo- launisch war, werde ich dann meiner Frau gegenüber auch lau-
gischen Konstrukten (z. B. Big Five, Intelligenz, Kreativität) auch nisch sein? Sprich: Werde ich mich über verschiedene Situatio-
nen hinweg immer gleich verhalten?
8 Einstellungen und Motive der Konsumenten oder ihre Rolle in
der sozialen Gruppe. Wenn ich davon spreche, dass eine Person bestimmte Eigen-
3. Eine herausragende Rolle im Einfluss sozialer Gruppen spielen schaften hat, dann setze ich genau das voraus, nämlich dass ihre
9 „Meinungsführer“. Die Beeinflussung einer ganzen Gruppe kann Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen viele Gemein-
bereits dadurch wirksam sein, dass man sich an diese besonde- samkeiten haben und sie sich immer konsistent in ähnlicher
10 ren Personen wendet. Weise verhält. Der Eigenschaftsbegriff ist auf Konsistenz ange-
4. Bekannte Effekte der Konsumentenpsychologie gelten für un- wiesen. (Sie bemerken, dass hier ein anderer Konsistenzbegriff
terschiedliche Persongruppen in unterschiedlichem Ausmaß. So benutzt wird als bei den Konsistenztheorien in ▶ Kap. 11.)
11 sind manche Menschen für bestimmte Beeinflussungsstrategien Für eine Reihe von klassischen persönlichkeitsbeschreiben-
(z. B. Fuß-in-der-Tür-Technik, Appell an die Reaktanz) anfälliger den Merkmalen mag diese Konsistenzforderung ja auch noch
12 als andere. gelten (▶ Exkurs  16.1). Wie sieht es aber mit den Merkmalen
5. Kinder werden von der heutigen Werbewirtschaft als Konsumen- aus, die für unser Konsumverhalten besonders relevant zu sein
scheinen?
13 ten ernst genommen und stellenweise ähnlich behandelt wie
Erwachsene. Begründet wird dies mit einer hohen „Medien-“ und In den 1990er Jahren wurden Studien zu Konsumstilen in
„Konsumkompetenz“ heutiger Kinder. den neuen Bundesländern durchgeführt (Stern Bibliothek 1993).
14 6. Senioren werden trotz hoher Kaufkraft und leichter Ansprech- Hier wurden die Bürger der ehemaligen DDR in unterschiedliche
barkeit durch die Medien in der Werbung noch immer vernach- Gruppen unterteilt: Bossis, Wossis, Ankläger, Mundtote, Hilfesu-
15 lässigt. cher, Dulder, Eremiten, Allwissende und Idealisten. Jedem Typ
7. Marken und Produkte werden von Konsumenten oft mit Eigen- wurde ein bestimmtes Verhalten auf dem Markt zugesprochen:
schaften ausgestattet und „vermenschlicht“. Unter bestimmten Die Ankläger etwa fühlen sich durch die Wiedervereinigung
16 Bedingungen streben Verwender einer Marke danach, die posi- über den Tisch gezogen und kaufen nur im Einzelfall, stellen
tiven Eigenschaften der Marke zu übernehmen. ausgedehnte Vergleiche an und kennen die Urteile der Stiftung
17 Warentest. Die Wossis dagegen versuchen, besonders westlich zu
Alle bisherigen Kapitel beschäftigten sich so mit der Psycholo- sein und zu wirken, kaufen viel, beinahe rauschartig, und inte-
gie, wie sie für uns alle gilt. Entscheidungsanomalien, Wahr- ressieren sich für alles, was das Kaufen und Konsumieren noch
18 nehmungs-, Lern- oder Gedächtnismechanismen, Reaktanz leichter macht.
und kognitive Dissonanz sind alles Phänomene, die im Prinzip Eine solche Typologie setzt zunächst einmal voraus, dass man
19 bei allen Menschen zu beobachten sind. Auf die Unterschiede für jeden Typ genügend Prototypen antreffen kann und dass die
zwischen Menschen, das Thema der Differentiellen Psychologie, Mischtypen nicht allzu häufig sind. Bereits dies ist sicher häufig
20 bin ich bislang kaum eingegangen. Zentrale Bemühungen der eine problematische Annahme, aber davon wollen wir an die-
Konsumentenforschung zielen aber darauf ab, Zielgruppen zu ser Stelle absehen. Eine andere Frage ist: Wie stabil sind denn
identifizieren, also Personen mit einem bestimmten Merkmal- solche Merkmale über die Zeit? Würde man heute noch immer
21 sprofil herauszugreifen, weil man erwartet, dass diese Gruppe neun Konsumtypen in den neuen Bundesländern unterscheiden
gezielt angesprochen werden sollte und eine andere Ansprache können?
22 braucht als andere. Damit sich die Mühsal einer genauen Zielgruppenbeschrei-
bung überhaupt lohnt, muss eine gewisse Konsistenz von Ver-
haltensunterschieden über verschiedene Situationen hinweg vo-
23 rausgesetzt werden dürfen. Dies wäre nicht gegeben, wenn zum
Beispiel in der einen Situation Person A markenbewußt ist und
Person B nicht, und in einer vergleichbaren anderen Situation
16.1  •  Probleme einer differentiellen Konsumentenpsychologie
307 16

Exkurs 16.1  Die wichtigsten Dimensionen der Differentiellen Psychologie  |       | 


Die Differentielle Psychologie beschäftigt sich der Forschungsliteratur als Big Five bekannt Wenn man den Anhängern der Big Five
mit den Unterschieden zwischen Individuen. sind (Costa und McCrae 1992). Diese Dimen- glaubt, dann kann man einen Großteil der
Solche Unterschiede bestehen zum Beispiel sionen sind (mit Beispielitems aus dem Frage- Unterschiede zwischen Personen allein
im Bereich der Begabung, vor allem der Intelli-
genz. Wenngleich es eine Reihe von unter-
-
bogen von Borkenau und Ostendorf 1993):
Neurotizismus, emotionale Reizbarkeit („Ich
anhand dieser fünf Merkmalsdimensionen
umschreiben. Eine Anwendung der Big Five
schiedlichen Intelligenztests gibt, so stimmen
doch die Ergebnisse dieser Tests relativ gut
- fühle mich oft angespannt und nervös“),
Extraversion („Ich habe gerne viele Leute
auf das Konsumentenverhalten diskutiere ich

in  Abschn. 16.2.2.
miteinander überein und stehen zudem in
einigermaßen engem Zusammenhang mit an-
deren Begabungsmerkmalen, etwa dem Erfolg - um mich herum“),
Offenheit für Erfahrungen (mit negativer
Polung: „Ich finde philosophische Diskussi-
Übrigens: Der Gegenpol zu Introversion heißt
Extraversion. Gelegentlich trifft man auch auf
den Begriff „Extroversion“ oder „extrovertiert“.
in Schule und Beruf (Rost 2009).
Ein weiteres großes Feld der Differentiellen
Psychologie ist die Forschung zu Persönlich- - onen langweilig“),
Verträglichkeit (mit negativer Polung:
„Manche Leute halten mich für kalt und
Dies ist aber nicht etwa die Mitte zwischen den
Polen Extra- und Introversion, sondern einfach
nur Unsinn.
keitsmerkmalen. Wenn man unsere alltägliche
Redeweise zu Personmerkmalen zugrunde
legt, dann lassen sich fünf Dimensionen
der Persönlichkeit unterscheiden, die in
- berechnend“),
Gewissenhaftigkeit („Ich bin eine tüchtige
Person, die ihre Arbeit immer erledigt“).

genau der umgekehrte Unterschied gilt: Plötzlich bevorzugt B vial, werbetechnisch und psychologisch aber nicht uninteressant.
die Marken und A greift zu sparsamen No-Name-Produkten. So lohnt es sich beispielsweise für Online-Werbevermarkter, die
Unter solchen Bedingungen fehlt die Basis für eine einfache und Webseiten, auf denen ihre Vertragspartner Werbebanner plat-
eindeutige Kundenbeschreibung. ziert haben, mit kleinen Dateien, sogenannten „Cookies“, aus-
Personunterschiede haben für das Marketing mindestens zustatten, die sich auf der Festplatte der Besucher dieser Seiten
zwei wesentliche Probleme: Zum einen kann man sie nur einfach einnisten und ein späteres Wiedererkennen der Internetnutzer
hinnehmen, man hat sie nicht unter Kontrolle (so wie man etwa ermöglicht. Bannereinblendungen können auf diesem Weg in-
die Frage, welche Werbestrategie man wählt, unter Kontrolle dividualisiert werden.
hat). Zum anderen sind den Menschen die meisten Eigenschaften Die Selbstselektion erlaubt natürlich auch Rückschlüsse auf
nicht ins Gesicht geschrieben. Viele Personmerkmale erschließen weniger triviale Merkmale, etwa Einstellungen, Interessen oder
sich nicht auf den ersten Blick. Man müsste eine Person näher demographische Merkmale, ja sogar Persönlichkeitseigenschaf-
kennen oder psychologisch testen, um über ihre Merkmale in- ten und andere psychologische Differenzierungsdimensionen. So
formiert zu werden, was natürlich für eine breit angelegte Mar- gesehen offenbaren sich natürlich im Konsumverhalten bzw. in
ketingstrategie völlig indiskutabel ist. der positiven Reaktion auf bestimmte Beeinflussungsstrategien
Aber selbst wenn ich die Persönlichkeitsprofile, Einstel- auch gleichzeitig Temperaments- und Persönlichkeitsmerkmale
lungen oder Lebensstile meiner potentiellen Kunden wirklich und in der Folge vielleicht auch Reaktionsbereitschaften und
kennen würde, ist nicht gesagt, dass ich diese auch gezielt an- gegebenenfalls sogar charakteristische Schwachpunkte der Kon-
sprechen kann. Es ist ja nicht gesagt, dass alle Menschen mit sumenten. Dies kann das Marketing natürlich auch ausnutzen.
dem interessierenden Merkmal im selben Stadtteil wohnen, um Zwei Beispiele hierzu:
mit geringen Streuverlusten genau diese Gruppe ansprechen zu Menschen unterscheiden sich darin, wie leicht sie durch
können. emotionale Stimuli ansprechbar sind. Menschen mit einem sehr
Den gut etablierten differentialpsychologischen Konstruk- hohen Reaktionspotential lassen sich grundsätzlich leichter von
ten wie etwa Intelligenz, Extraversion oder Offenheit für Erfah- Spots beeindrucken, die entweder stark positiv oder stark negativ
rungen (▶ Exkurs 16.1) kann sich das Marketing nur sehr grob emotional argumentieren (z. B. Geuens und De Pelsmacker 1999;
annähern. Zum Beispiel liegt es nahe, dass die Besucher einer Moore und Harris 1996). Dieses unterschiedliche Reaktions-
bestimmten Veranstaltung eher extravertiert sind, und wenn ich potential hängt auch mit Unterschieden in der Spotbewertung
mit meinem Produkt Extravertierte besonders ansprechen will, zusammen. Gleichzeitig ist bekannt, dass Personen mit hohem
dann lohnt es sich, auf dieser Veranstaltung zu werben. Aber Reaktionspotential emotionale Programminhalte wie etwa Ko-
der Besuch einer Veranstaltung ersetzt keine Persönlichkeitstests. mödien, Liebesgeschichten, Action oder Musik besonders be-
Zur Feststellung der Personmerkmale sind solche Verhaltensda- vorzugen. „Dies bedeutet: Werden Werbespots mit positivem
ten eben allenfalls Faustregeln. emotionalem Appell in solchen Programmkontexten plaziert, so
Die Werbewirkungsforschung untersucht nicht zuletzt, wie steigt […] die Wahrscheinlichkeit, daß man damit gerade dieje-
ergiebig die Anwendung dieser Faustregeln sein kann: Indem nigen Rezipienten erreicht, die stärker (positiv) darauf reagieren“
Personen ein bestimmtes Programm betrachten, eine Zeitschrift (Gleich 1997, S. 403).
abonnieren oder anderes Konsumverhalten an den Tag legen, Die folgenden Strategien zielen direkt darauf ab, charakte-
ordnen sie sich gleichsam ganz von selbst in bestimmte Grup- ristische Schwächen auszunutzen: Die narzisstische Persönlich-
pen. In einem sehr grundlegenden Verständnis ordnet sich die keit ist durch „narzisstisches Anspruchsdenken“ gekennzeichnet
Person zunächst einmal der Gruppe derer zu, die ein bestimmtes (z. B. Asendorpf 2007, S. 271). Menschen, die zu diesem Den-
Produkt oder eine Information bereits haben. Dies ist zwar tri- ken neigen, verspüren bei inneren Begierden weniger Konflikt
308 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

1 .. Tab. 16.1  Mögliche Kriterien für eine Konsumententypologie; offene Liste nach Meyer-Hentschel (1996, S. 26)

Soziodemographische Merkmale Angebotsbezogene Merkmale Diffusions- und Informationsmerkmale Persönlichkeitsmerkmale


2 – Geschlecht – Produktkenntnis (Experten, – Innovatoren – Beeinflussbarkeit (hoch –
– Alter Laien) – Nachzügler niedrig)

3 – Bildung
– Beruf
– Kundenstatus (eigene Kunden,
Wechselkunden, Kunden der
– Gegner
– Informationsbedürfnis (hoch – niedrig)
– Entscheidungsstil (schnell –
langsam, emotional – rational)
– Einkommen Konkurrenz) – Einstellung zur Werbung (positiv – – Risikoverhalten (misserfolg-
4 – soziale Schicht
– Familienstand
– Produktverwendung (mäßig,
normal, intensiv)
negativ) vermeidend, erfolgsuchend)
– ...
– Haushalts- oder Betriebsgröße – Kaufstil (impulsiv, gewohn-
5 – Wohn- oder Betriebsstandort heitsmäßig)
– Zufriedenheit (zufriedene – un-
zufriedene Produktverwender)
6
und geben sich weniger Mühe, ihren Impulsen zu widerstehen und Temperamentsmerkmale mit ein. Die Basis für solche Un-
7 (Hofmann et al. 2012). Werbeappelle wie „Weil Sie es sich wert
sind“ (L’Oréal) können direkt als Appelle an diese narzisstische
--
terscheidungen ist die Zustimmung zu Aussagen wie:
Die Kirche passt nicht in unsere Zeit.
8
9
Persönlichkeit verstanden werden – er bestätigt die hohe Mei-
nung, die narzisstische Menschen üblicherweise von sich haben.
Er könnte freilich auch verstanden werden als die Ankündigung
einer Selbstaufwertung durch das Produkt, was für Personen
- Gutes Aussehen ist sehr wichtig im Leben.
Mich interessieren besondere Gerichte der ausländischen
Küche.

mit geringem Selbstwert einen Anreiz bieten würde. Insofern Auf diesem Wege hofft man, charakteristische Interessens- und
10 sind die entsprechenden Werbeappelle besonders attraktiv für Persönlichkeitsprofile zu finden, die häufig gemeinsam auftreten.
Menschen mit geringem Selbstwertwert oder für narzisstische Ein Zusammenschluss europäischer Marktforschungsinstitute
Persönlichkeiten. fand mit einer solchen Methode  16 unterscheidbare Lebens­
11 Andere Appelle, die eher in die Richtung gehen, lieber jetzt stilgruppen.
als später zu genießen, nutzen Eigenschaften aus wie geringe Unterscheidungen zwischen Personen lassen sich auch um-
12 Fähigkeit zum Belohnungsaufschub, möglicherweise habituell gekehrt von Seiten der Nutzer bestimmter Produkte treffen. Es
geringe Selbstkontrolle oder Impulsivität. Die spanische Mode- wurde beispielsweise untersucht, wie sich die Leser von Playboy
hauskette Zara verzichtet zum Beispiel komplett auf Werbung, und Reader’s Digest in ihren Einstellungen unterscheiden. We-
13 bietet aber alle zwei bis drei Wochen neue Kollektionen an. Der sentlich mehr Playboy-Leser stimmten der Aussage zu, dass ihre
Kunde weiß also im Voraus, dass er sich am Point of Sale (POS) größten Erfolge noch vor ihnen liegen (50 % versus 26 %). Da-
14 entscheiden muss. Insofern ist diese Geschäftspolitik direkt auf gegen gehen nur 18 % der Playboy-Leser regelmäßig zur Kirche
den Impulskauf ausgerichtet (Junkert 2013). – verglichen mit immerhin 40 % der Reader’s Digest-Leser (Kotler
15 und Bliemel 1995, S. 290 ff.; Tigert 1974; vgl. auch Celuch und
Slama 1995).
16.2 Dimensionen Nicht nur die Einstellungen zu Leben und Werten insgesamt,
16 der Konsumentenbeschreibung sondern insbesondere die zu Konsum und Werbung sind als un-
terscheidende Merkmale von Interesse. Wolfradt und Petersen
17 Man kann Menschen anhand verschiedener Merkmale charak- (1997) ermittelten fünf unterschiedliche Dimensionen der Ein-
terisieren. Für Marketingzwecke kommen in erster Linie solche stellung gegenüber Fernsehwerbung:
Merkmalsdimensionen infrage, die man relativ leicht identifizie- 1. positive Bewertung der inhaltlichen Aspekte von Fernseh-
18 ren kann. Meyer-Hentschel (1996, S. 26) schlägt in einer offenen werbung (insbesondere ihr Unterhaltungspotential),
Liste eine Reihe von möglichen Dimensionen vor, anhand derer 2. Funktion der Fernsehwerbung für das eigene Leben (unter
19 man „die Fingerabdrücke einzelner Zielpersonen“ bestimmen anderem Anregung für das tägliche Leben),
kann (. Tab. 16.1). 3. negative Auswirkungen von Fernsehwerbung (insbesondere
20 ihr Unterhaltungspotential),
4. Störungen durch Fernsehwerbung beim Fernsehkonsum,
16.2.1 Einstellungen 5. manipulativer Charakter der Fernsehwerbung.
21 als Persönlichkeitsmerkmale
Hinsichtlich dieser Einstellungsdimensionen fanden Wolfradt
22 Einstellungen lassen sich auch als einigermaßen überdauernde und Petersen (1997) unterschiedliche Muster für unterschiedli-
Merkmale einer Persönlichkeit verstehen. Die Marketingfor- che Personen: Frauen bewerteten die inhaltlichen Aspekte posi-
schung versucht beispielsweise häufig, Konsumenten anhand von tiver als Männer (Kategorie 1), betonten dabei aber gleichzeitig
23 überdauernden Einstellungen, etwa Lebensstilen, zu unterschei- die möglichen negativen Auswirkungen stärker (Kategorie 3).
den. In die Beschreibung der Lebensstile fließen die Aktivitäten Der manipulative Charakter der Werbung (Kategorie 5) wurde
und Interessen der Personen, ihre charakteristische Motivation dagegen von den Männern stärker betont.
16.2  •  Dimensionen der Konsumentenbeschreibung
309 16

Ein enger Zusammenhang fand sich überdies zwischen ei-


.. Tab. 16.2 Einkaufsmotive und Beispielitems (aus Mooradian und
nem hohen Fernsehkonsum sowie einer Präferenz für private Olver 1996, S. 584, Tab. 1; Übers. GF).
Programme und einer Betonung der Nützlichkeit von Werbung
(Kategorie 2). Wer dagegen öffentlich rechtliche Programme be- Einkaufsmotive Beispielitems
vorzugte, sah in der Werbung weniger Nützliches für das eigene Zerstreuung Einkaufen ist eine gute Gelegenheit,
Leben (z. B. bei Items wie „Ich möchte so sein wie die Menschen einmal aus dem Haus zu kommen.
in Fernsehwerbespots“). Ein weiterer Unterschied zwischen den
sensorische Stimulation Ich schaue mir gerne Schaufenster an.
Nutzern privater und öffentlich-rechtlicher Programme bestand
in der Erwartung negativer Folgen: Die Nutzer privater Pro- Selbstbelohnung Ich kaufe öfter mal Sachen, die ich
nicht brauche, um mich aufzuheitern.
gramme sahen diese negativen Seiten weniger dramatisch (vgl.
auch Gleich 1998). etwas über neue Trends Was es Neues gibt, erfahre ich beim
lernen Einkaufen.

physische Aktivität Manchmal gehe ich ins Einkaufszen-


16.2.2 Kaufmotive und die Big Five trum, nur um mich ein bisschen zu
bewegen.

Dass sich Menschen in ihren Bedürfnissen unterscheiden, wird soziale Aktivität Manchmal gehe ich ins Einkaufszent-
niemanden überraschen. Insofern sind natürlich Bedürfnisse rum, nur um unter Leute zu kommen.
und Motive eine weitere wichtige Unterscheidungsdimension. Kommunikation mit Ich unterhalte mich gerne mit den
Konsumenten befriedigen ihre Bedürfnisse aber nicht nur durch Personen, die die gleichen Verkäufern oder anderen Kunden.
das, was sie kaufen, auch die Kaufhandlung selbst kann – unab- Interessen haben
hängig vom Produkt – Bedürfnisse befriedigen. Tauber (1972) Kontakt zu Freunden Ich gehe gerne mit meinen Freunden
schlägt insgesamt elf verschiedene Bedürfnisse vor, die mit ei- einkaufen.
ner Kaufhandlung bzw. durch einen Einkaufsbummel befriedigt Status und Autorität Ich genieße die Aufmerksamkeit, die
werden können. mir in besseren Geschäften zuteilwird.
Diese Motive sind bei unterschiedlichen Personen auch un-
Vergnügen am Handeln Wenn ich denke, dass ich handeln
terschiedlich stark ausgeprägt. So genießen etwa manche Men- kann, biete ich einen niedrigeren Preis.
schen die Atmosphäre von Kaufhäusern und Einkaufszentren,
Vergnügen an günstigem Ich bin immer auf der Suche nach
andere fliehen regelrecht davor. Einige Menschen neigen dazu, Einkauf Sonderangeboten.
sich durch eine Kaufhandlung zu belohnen, andere sehen es gar
als eine lohnende Tätigkeit, sich beim Einkauf über neue Trends
zu informieren. besitzen, müssten daher eher zu den stimmungsregulierenden
Mooradian und Olver (1996) konnten zeigen, dass zwi- Aspekten der Kaufmotivation neigen. Zum Beispiel müssten neu-
schen diesen Kaufmotiven und den klassischen Persönlich- rotische eher als emotional stabile Personen Dinge kaufen, um
keitsdimensionen, den Big Five (▶ Exkurs 16.1), eine theore- sich in bessere Stimmung zu bringen.
tisch plausible Beziehung besteht. Hierzu entwickelten sie aus Extraversion zeigt sich besonders in der sozialen Interaktion.
den Beschreibungen von Tauber (1972) einen Fragebogen, der Extravertierte Menschen sind gerne mit anderen zusammen und
die verschiedenen Einkaufsmotive (shopping motives) erfassen legen Wert auf Kommunikation. Daher sollten Extravertierte die
soll. . Tabelle 16.2 stellt diesen Fragebogen mit Beispielformu- sozialen und kommunikativen Facetten des Konsumverhaltens
lierungen vor. höher bewerten als Introvertierte.
Mooradian und Olver (1996) erweiterten die Liste von Tau- Offenheit für Erfahrungen ist durch eine besondere Neugier
ber (1972) in einem Punkt: Die ursprüngliche Form bezeichnete und Bereitschaft zur intellektuellen Stimulation gekennzeichnet.
noch bargaining („Handeln“) als ein einzelnes Motiv. Die Liste Offene Personen sollten besonders empfänglich für die senso-
aus . Tab. 16.2 unterscheidet jedoch zwischen dem Prozess des rische Seite des Kaufens sein, und sie sollten den „Lerneffekt“
bargaining und dem Ergebnis, dem bargain. Dementsprechend beim Kaufen (z. B. etwas über neue Trends zu erfahren) beson-
werden zwei Motive beschrieben: einerseits das pleasure in bar- ders schätzen.
gaining, also das Vergnügen daran, einen günstigen Kauf herbei- Eine verträgliche Person ist besonders auf andere ausgerich-
zuführen. Damit ist in der Regel das Vergnügen am Verhandeln tet, hilfsbereit, konfliktvermeidend, einfühlsam und freundlich.
gemeint. Andererseits gibt es das pleasure in bargains, also das Daher sollte Verträglichkeit auch mit sozialen Motiven des Kau-
Vergnügen an einem günstigen Kauf, der wie auch immer her- fens zusammenhängen. Da verträgliche Personen nicht sehr
beigeführt sein mag. Wir werden unten sehen, dass diese Unter- konfliktfreudig sind, sollte man nicht erwarten, dass sie gerne
scheidung sehr sinnvoll ist. Preise verhandeln.
Diese verschiedenen Motive wurden in einer Befragung zu Gewissenhaftigkeit schließlich äußert sich in planendem, ziel-
den Big Five in Beziehung gesetzt. Die Autoren hatten hierzu gerichtetem, absichtsvollem, zuverlässigem und wenig impul-
differenzierte theoretische Vorstellungen: Neurotizismus oder sivem Verhalten. Ein Kauf, der bloß der Stimmungsregulation
„emotionale Labilität“ ist zum Beispiel definiert als eine allge- dient, ist sicher untypisch für das Merkmal Gewissenhaftigkeit,
meine Tendenz, negative Gefühlszustände wie etwa Angst oder das Ziel, durch einen Einkaufsbummel Informationen zu gewin-
Niedergeschlagenheit zu erleben. Personen, die dieses Merkmal nen, dagegen schon eher.
310 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

1 .. Tab. 16.3  Korrelationen der Einkaufsmotive mit den Big Five (nach Mooradian und Olver 1996, S. 588, Tab. 3)

Motiv Neurotizismus Extraversion Offenheit Verträglichkeit Gewissenhaftigkeit


2 Zerstreuung .18 .20

Selbstbelohnung .32 .22 −.17


3 physisch .21

4 sensorisch .17 .22 .21

Lernen .24 .19 .17

5 sozial .28 .20

Kommunikation .24

6 Freunde .23

Status .18
7 Handeln −.27 −.26

Schnäppchen .26 .29


8 Anmerkung: N = 211. Alle p < .01.

9
. Tabelle 16.3 zeigt Ergebnisse einer ersten Überprüfung Der Wert solcher Untersuchungen besteht darin, die diffe-
10 dieser Zusammenhänge mit Fragebögen, die einer Stichprobe rentielle Konsumentenpsychologie auf den Boden einer weithin
von 211 Studierenden vorgelegt wurden (Mooradian und Olver akzeptierten und theoretisch eingebundenen Persönlichkeitsbe-
1996). Die Tabelle zeigt die Produkt-Moment-Korrelationen der schreibung gestellt zu haben. Dies ist angesichts der Unbändig-
11 Big Five mit den erhobenen Einkaufsmotiven (siehe . Tab. 16.2). keit, mit der immer neue und immer kurzlebigere Typologien
Zur besseren Übersicht werden nur solche Korrelationen gezeigt, entwickelt werden, besonders verdienstvoll. Die Überlegungen
12 die statistisch bedeutsam sind (p < .01) von Mooradian und Olver (1996) oder Guido (2006) ermögli-
Die Daten entsprechen den theoretischen Erwartungen. Emo- chen es uns, in der Beschreibung von Konsumententypen eine
tional labile (neurotische) Personen neigen zu einer Reihe von einheitliche, weit verbreitete Sprache zu sprechen. Sie ermögli-
13 stimmungsregulierenden Strategien beim Einkauf, insbesondere chen uns freilich weiterhin nicht, Konsumententypen ohne grö-
dazu, sich durch einen Kauf selbst zu belohnen. Zudem lehnen ßeren Erhebungsaufwand zu erkennen. Auch die Big Five werden
14 sie das Verhandeln von Preisen eher ab. Extraversion geht erwar- typischerweise mit Fragebögen oder Fremdbeschreibungen, auf
tungsgemäß mit Motiven einher, die sich auf die zwischenmensch- jeden Fall aber mit verhältnismäßig aufwendigen Methoden er-
15 liche Interaktion beziehen. Offenheit für Erfahrung korreliert mit hoben.
verschiedenen erfahrungsbezogenen Motiven, so etwa dem, durch Allerdings weiß man über die Big Five in der Regel deutlich
den Einkaufsbummel etwas über neue Trends zu lernen, aber auch mehr als über andere Persönlichkeitsdimensionen – und das
16 mit solchen Motiven, die die sensorische, soziale oder unterhal- kann in der Praxis denn doch von Vorteil sein. So weiß man
tende Facette des Einkaufs betonen. Erwartungsgemäß neigen zum Beispiel, dass ältere Menschen in der Regel emotional stabi-
17 hoch verträgliche Personen nicht dazu, Preise zu verhandeln, sie ler sind als jüngere bzw. dass Männer weniger zu Neurotizismus
genießen es aber gleichzeitig durchaus, wenn sie eine Sache zu neigen als Frauen. Zudem ist bekannt, dass Neurotizismus mit
einem günstigen Preis gekauft haben. Spätestens hier zeigt sich, einer erhöhten Sensibilität für negative Stimuli der Außenwelt
18 dass die Motive, einen günstigen Kauf aktiv herbeizuführen und einhergeht (Roberts und DelVecchio 2000; Mooradian und Ol-
etwas günstig zu kaufen, sehr verschieden, unter Umständen sogar ver 1996). Solche Erkenntnisse lassen sich gemeinsam mit dem
19 gegenläufig sind. Das letztere Motiv, das ja darin besteht, Sonder- Wissen über Kaufmotive durchaus praktisch nutzen, wenn es
angebote zu beachten und Preise zu vergleichen, korreliert erwar- um die Umsetzung einer Verkaufsstrategie für eine bestimmte
20 tungsgemäß besonders mit Gewissenhaftigkeit. Zielgruppe geht.
Guido (2006) greift die Arbeit von Mooradian und Olver
(1996) auf und bildet aus den Big Five und den Einkaufsmotiven
21 Faktoren zweiter Ordnung: Offenheit für Erfahrung, Verträglich- 16.2.3 Meinungsführer, Trendsetter,
keit und Extraversion sind danach eher mit Kaufmotiven asso- Innovatoren
22 ziiert, nach denen der Kauf Vergnügen macht und es dabei um
„hedonische Güter“ geht (die man also nicht unbedingt braucht, Besondere Qualitäten als Modelle oder als Lieferanten der sozia-
die aber Genuss oder Luxus bedeuten). Gewissenhaftigkeit und len Bewährtheit (▶ Abschn. 10.1.2) haben sogenannte Meinungs-
23 Neurotizismus bilden dagegen eher eine Eigenschaftsgruppe, die führer (opinion leader). Damit sind solche Personen gemeint, die
mit dem Kauf von Gebrauchsgütern verbunden ist. mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit eine Kommunikation
16.2  •  Dimensionen der Konsumentenbeschreibung
311 16

aufnehmen und sie weitergeben. Sie treten gerade in Wahl- und hat die bloße Tatsache, dass ein Freund einen Film bereits gese-
Entscheidungssituationen zwischen die Kommunikatoren und hen hat, einen großen Einfluss auf die eigene Bereitschaft, für
die Rezipienten und vermitteln auf diese Weise die Botschaften. diesen Film ins Kino zu gehen.
Diese Vermittlung geschieht in persönlicher Kommunikation, Es sind aber nicht alle Personen gleich gut geeignet, die Kon-
und genau darin liegt auch der besondere Vorteil der Meinungs- sumhandlung bei anderen anzuregen: Es waren vor allem Mei-
führer. Persönliche Kommunikation ist nämlich bei der Beein- nungsführer und Filmkenner, die andere zu einem Kinobesuch
flussung wesentlich bedeutsamer als Massenkommunikation. anregen konnten. Auch das „Mitmach-Marketing“ von ▶ trnd.
Die Strategie, Meinungsführer bei der Beeinflussung verstärkt de spricht vor allem Personen an, die sich einerseits für neue
anzusprechen, wird zum Beispiel verfolgt, wenn Pharmaherstel- Produkte interessieren und die andererseits auch hinreichend
ler ihre Produkte in kostenlosen Proben an Ärzte weitergeben. vernetzt sind, um ihre Erfahrungen mit anderen auszutauschen.
Von neuen Computerprogrammen wie Betriebssystemen Produktexpertise, Interesse an Neuem und Meinungsführer-
werden Beta-Versionen an Hunderttausende Computernut- schaft prägen also als differentielle Merkmale bestimmter zen-
zer ausgegeben. Diese Strategie führt zum einen dazu, dass traler Personen, die ihrerseits die Konsumgewohnheiten vieler
Mängel im System frühzeitig entdeckt und beseitigt werden. anderen beeinflussen. Insofern ist es eine besondere Aufgabe der
Noch wichtiger ist aber der kommunikative Effekt dieser Maß- Kommunikationspolitik, speziell solche Multiplikatoren anzu-
nahme. So war nach dem Start des Verkaufs am 24. August 1995 sprechen.
Windows 95 mit einer Million verkaufter Exemplare innerhalb Offenbar spielen Personmerkmale bei der Beeinflussung, ins-
von vier Tagen die am schnellsten verkaufte Software seiner Zeit besondere bei der Verbreitung von neuen Produkten, eine wich-
(Marsden 2004). tige Rolle. Personen, die die hierzu nötigen Eigenschaften haben,
Über die Webseite ▶ www.trnd.com können sich Konsu- werden je nach Akzentsetzung als Meinungsführer, Innovatoren
menten und Unternehmen anmelden und die Möglichkeiten oder Trendsetter bezeichnet (z. B. Batinic et al. 2006).
des Word-of-Mouth-Marketing nutzen. Konsumenten können Unter den Bezeichnungen tipping point research, viral culture,
hier an unterschiedlichen Projekten teilnehmen, bei denen sie memetics oder buzz marketing sind Modelle populär geworden,
Produkte testen. Auf der Webseite heißt es für „Mitglieder“, das die sich mit der Verbreitung von Modeepidemien bzw. von an-
heißt angemeldete Konsumenten: steckenden Ideen (infectious ideas) beschäftigen. Marsden (2004;
vgl. auch Gladwell 2000) führt die Verbreitung von Ideen und
» Als trnd-Mitglied wirst Du ein absoluter Insider. Du bist der Verhaltensweisen neben anderen Faktoren auf die Merkmale
Erste, der von neuen Produkten und coolen Trends erfährt. Du zentraler Multiplikatoren zurück. Die Kommunikation des Mar-
kannst die Produkte der Zukunft mitgestalten und Deine Mei- ketings sollte sich an Personen richten, die das sogenannte AC-
nung an die Firmen und Produktentwickler weitergeben. Du TIVE-Profil besitzen. Dabei steht ACTIVE als Akronym für die
englischsprachige Bezeichnung der folgenden Merkmale. Wer

-
hast die Chance, neue Produkte auszuprobieren – manchmal
sogar bevor diese auf den Markt kommen. Du kannst Deinen das ACTIVE-Profil besitzt, …
gehört zu den ersten, die eine Innovation übernehmen

--
Freunden von coolen Trends erzählen und dafür sorgen, dass
sich Deine Lieblingsprodukte schnell rumsprechen. (ahead in adoption),
ist sozial und elektronisch vernetzt (connected),
Die Vorteile für die beteiligten Unternehmen werden wie folgt
geschildert:
-- reist gern (travellers),
ist wissbegierig (information hungry),

» Unternehmen können auf nervige Werbung verzichten und


ihr Geld lieber in die Entwicklung cooler Produkte stecken.
Mit trnd erreichen die Unternehmen genau die Leute, die
- redet gern (vocal),
rezipiert die Medien (exposed to media).

Diese Beschreibung deckt sich zu großen Teilen mit dem, was


sich für ihre Produkte interessieren, und bekommen direktes man sich unter Meinungsführern vorstellt (vgl. auch Kotler und
Feedback, was gut ist und was sie noch verbessern sollten Bliemel 1995, S. 285; Myers und Robertson 1972). Meinungsfüh-
(▶ http://www.trnd.com/infos/infos01.trnd, Abruf 5.8.2013). rer können ganz durchschnittliche Menschen sein. In der Regel

Batinic und Appel (2007) zeigten die Bedeutung der persönli-


chen Kommunikation für eine Konsumhandlung experimentell: -
zeichnet diese Menschen nur aus, dass sie …
normalerweise gut informiert sind (also Experten im wei-
testen Sinne, aber auch „Freaks“, wie z. B. ein Mensch, der
Sie präsentierten einer Experimentalgruppe einen neuen, den
Probanden nicht bekannten Film, der wenig später offiziell in die
- jede Neuerscheinung auf dem Hi-Fi-Markt beobachtet),
gesellig sind (Personen, die in Clubs und Vereinen verkeh-
Kinos kommen sollte (Terminator 3). Aus einer Voruntersuchung
waren Namen und Adressen von Personen aus dem Freundes-
- ren),
ein hohes Selbstbewusstsein besitzen, wenn es darum geht,
kreis der Experimental- und einer Kontrollgruppe bekannt.
Diese Freunde wurden in der Folge befragt. Für die Experimen-
talgruppe zeigte sich, dass 36 % der Freunde nach zwei Wochen
den Film gesehen hatten. Im Freundeskreis der Kontrollgruppe,
-- sich eine Meinung zu bilden,
viele Ratschläge geben, aber auch viele Ratschläge erhalten,
durch ihre sozialen Rollen (z. B. einen großen Haushalt
versorgen zu müssen) als kompetent gelten,
der kein Film gezeigt wurde, waren es nur rund 24 %. Offenbar
312 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

Konsumveranstaltungen wie etwa einer „Tupper-Party“ (▶ Ex-


1 kurs 13.2) beobachten.
Meinungsführer geben sich dem Anbieter oft aktiv zu erken-
2 nen, zum Beispiel indem sie Informationen zu einem Produkt
anfordern. Daher werden die Adressen derjenigen Personen, die
auf beigefügten Coupons oder mit Hilfe einer eingeblendeten Te-
3 lefonnummer Zusatzinformationen erfragt haben, gut verwahrt.
Außerdem offenbaren sich auch die Abonnenten von Special-In-
4 terest-Zeitschriften (z. B. Fachblätter für Hi-Fi, Motorräder, Mu-
sikinstrumente) als besonders interessierte potentielle Kunden.
5 Manchmal ist der Bereich, in dem eine Person als Meinungs-

-
.. Abb. 16.1  Phantasiebeispiel für ein Soziogramm
führer gilt, sehr eng umgrenzt, und jeder Bereich scheint seine
sich aus den richtigen Quellen mit Informationen versor- eigenen Meinungsführer zu haben. Denken Sie zum Beispiel

-
6 gen (Fachzeitschriften anstelle von Werbung), an den Hi-Fi-Freak, den Sie vielleicht fragen würden, wenn Sie
sich für die aktuellen gesellschaftlichen Strömungen sich einen CD-Spieler kaufen wollen, der aber sicher nicht Ihr
7 interessieren (also sich in der Mode und in Stilfragen auf erster Kontakt wäre, wenn es Ihnen um den Kauf eines Autos
dem laufenden halten und über Preisentwicklungen und ginge. Durch diese Spezifizierung kommt es, dass sich eigentlich
8
9
- Angebote Bescheid wissen),
das in Frage stehende Produkt erst kürzlich gekauft haben
(Lachmann 1993, S. 852, spricht von „rezenten Käufern“)
und deshalb bevorzugt von anderen angesprochen wer-
die meisten Menschen (in einer Umfrage etwa 69 %; King und
Summers 1970) in irgendeinem Bereich als Meinungsführer be-
zeichnen.
Meinungsführer kann es nur in relativ kleinen Gruppen ge-
den. ben, in denen häufiger persönlicher Kontakt stattfindet. Daher
10 ist die Zahl der Meinungsführer sehr hoch. Sie wird pro Einstel-
Wie identifiziert man nun Meinungsführer? Da bietet sich zu- lungsgegenstand auf 20–25 % der Adressaten geschätzt.
nächst das Soziogramm an (Moreno 1974; vgl. auch Rogers und Aus diesen Punkten ergibt sich, dass Meinungsführerschaft
11 Cartano 1962): Wenn man die Mitglieder einer Gruppe auf ei- weniger eine Eigenschaft bestimmter Personen, sondern eine
ner „sozialen Landkarte“ verzeichnet und nach den Angaben Kommunikationsform innerhalb einer Gruppe ist. Ob eine Per-
12 der Mitglieder Pfeile zu jedem zieht, zu dem das entsprechende son Meinungsführer ist, hängt nur mittelbar von ihren Merk-
Gruppenmitglied einen häufigen Kontakt hat, dann erhält man malen ab. Vermittelt wird ihre Meinungsführerschaft durch die
ein Muster von Pfeilen unterschiedlicher Dichte. Normalerweise Rolle, die sie in der Gruppe einnimmt. In einer Gruppe inter-
13 werden leicht spezielle Knotenpunkte sichtbar, an denen man essierter Personen wechseln die Individuen zwischen der Rolle
Personen erkennen kann, die zu vielen anderen Kontakt haben. derjenigen, die eine Meinung erfragen, und derjenigen, die sie
14 Diese Personen sind besonders vielversprechende Kandidaten weitergeben. Eine dritte Gruppe von Uninteressierten und Inak-
für die Rolle des Meinungsführers. tiven dagegen beteiligt sich nicht an diesem Informationsfluss.
15 . Abbildung 16.1  enthält ein erfundenes Beispiel für ein sol- Sie gibt also weder Informationen, noch erfragt sie welche. Da-
ches Muster. Die Personen A bis L wurden aufgefordert, diejeni- her wird diese Gruppe auch durch die Kommunikation nicht er-
gen anderen zu benennen, zu denen sie häufig und gern Kontakt reicht, denn die Meinungsführer halten sich nur an die Aktiven
16 haben. Jede Nennung ergab einen Pfeil. Die Pfeile zeigen auch und Interessierten. Die Gruppe der Uninteressierten wird nach
an, ob eine Nennung beidseitig erfolgte. Wie deutlich wird, ist einer Studie von Troldahl und Van Dam (1965/1966) auf 63 %
17 G offenbar besonders beliebt, während E von niemandem aktiv geschätzt.
aufgesucht wird. Für die untersuchte Gruppe wäre es somit viel- Neben dem Versuch, Meinungsführer zu finden und gezielt
versprechend, G für eine Sache zu gewinnen, da er vermutlich anzusprechen, besteht die Möglichkeit, fiktive, virtuelle oder
18 viele andere Leute mitreißen dürfte. symbolische Meinungsführer zu schaffen. Ein Hersteller kann
Zur Bestimmung eines Meinungsführers ist das Soziogramm bestimmte Personen zu Meinungsführern erklären, indem er sie
19 zu aufwendig. Man kann Personen auch nach ihrer Rolle in einer mit dem Produkt selbst und mit wichtigen Informationen zu dem
Gruppe befragen, indem man eine Person beispielsweise fragt, Produkt versorgt. Allerdings fehlen noch die garantierte Glaub-
20 ob sie mit ihren Freunden über dies oder jenes spricht, ob sie würdigkeit und Kompetenz der Personen, die bei einem richtigen
viele oder wenige Informationen zu einem bestimmten Thema Meinungsführer gegeben sind. Daher werden über die Werbung
hat, wie oft sie in der letzten Zeit über dieses Thema mit anderen häufig symbolische Meinungsführer geschaffen. Denken wir
21 gesprochen hat oder ob und wann sie zu dem Thema um Rat nur an die „Zahnarztfrau“, die uns eine Zahncreme empfiehlt.
gebeten wurde (Childers 1986; Flynn et al. 1994; King und Sum- Symbolische Meinungsführer treten meist bei der Slice-of-Li-
22 mers 1970). Um zu erfahren, ob eine entsprechende Person von fe-Technik der Werbung auf (▶ Abschn. 1.4.4). Die sogenannten
anderen für einen Meinungsführer gehalten wird, ist es sinnvoll, virtuellen oder fiktiven Meinungsführer gehen dagegen mit der
auch die Rezipienten zu fragen, wen sie als Meinungsführer in Testimonialtechnik einher. Die Hoffnung ist, durch selbstge-
23 einem bestimmten Bereich ansehen (Rogers und Cartano 1962). schaffene Meinungsführer die passiven und kontaktarmen Re-
Man kann Meinungsführer auch auf dem Weg der Beobachtung zipienten zu erreichen, deren soziales Leben ganz entscheidend
ermitteln. Zum Beispiel lassen sich Kommunikationsmuster auf darin besteht, dass sie das Medienangebot konsumieren.
16.3  •  Differentialpsychologische Moderatoren im Konsumentenverhalten
313 16

Wie die meisten werbetechnischen Maßnahmen sind auch tise: Experten reagieren auf Produktinformationen anders als
Meinungsführer nur unter bestimmten Involvement-Bedin- Laien. Und Expertise ist – im Unterschied zum Involvement –
gungen wirksam. Meinungsführerschaft als solche ist nur ein bereits einigermaßen stabil und kann als erste Illustration für
peripheres Merkmal (im Sinne des ELM; ▶ Abschn. 14.1) einer einen wirksamen Moderator im Konsumverhalten dienen. Die
Kommunikation. Gawronski und Erb (2001) beschreiben eine folgenden Merkmale sind ebenfalls einigermaßen zeitstabil – und
Reihe von Einschränkungen für die Wirksamkeit von Meinungs- sie sorgen ebenfalls dafür, dass das Konsumverhalten je nachdem,
führern. Eine davon besteht in der unterschiedlichen Bereitschaft wie sie ausgeprägt sind, anders ausfällt.
von Personen, Heuristiken zu nutzen. Nicht nur die Entschei-
dung, überhaupt nach einer Faustregel zu verfahren, sondern
auch die Frage, welche Faustregel genutzt werden soll, hängt 16.3.1 Need for cognition
von der einzelnen Person ab (vgl. auch Keller et al. 2000; siehe
▶ Abschn. 16.3.3). Manche Personen tendieren eher dazu, einer Personen unterscheiden sich in der Bereitwilligkeit, mit der sie
sympathischen Person zu glauben, andere richten sich vor allem sich auf Tätigkeiten einlassen, die intensives Nachdenken von ih-
nach der Mehrheitsmeinung. Die Orientierung an einem Mei- nen fordern. Cacioppo und Petty (1982) nennen dies den need for
nungsführer stellt eben nur ein Beispiel für heuristische Infor- cognition. Sie entwickelten eine Skala, mit der man dieses Merk-
mationsverarbeitung dar. Ein Kommunikator sollte daher seine mal messen kann (ins Deutsche übersetzt von Bless et al. 1994).
Präsentation daraufhin untersuchen, welche Heuristiken darauf In der Tat ist der need for cognition (NFC) eine vergleichsweise
angewendet werden können – diese sind nämlich potentielle gut etablierte und geläufige Moderatorvariable in der Persuasi-
Konkurrenten für den Meinungsführer. onsforschung. Konsumenten mit einem hohen NFC sind zum
Meinungsführer sind nach Gawronski und Erb (2001) eini- Beispiel weniger empfänglich gegenüber emotionalen Appellen
germaßen überflüssig, wenn die Argumente ohnehin sehr stark in der Werbung (Venkatraman et al. 1990). Sie beschreiten auch
und verständlich sind und das Publikum ein entsprechendes In- mit höherer Wahrscheinlichkeit den zentralen Weg der Überre-
volvement mitbringt. In diesen Fällen hat ein Meinungsführer dung, das heißt, sie beachten die Argumente stärker. So zeigt sich,
keinen größeren Erfolg bei der Kommunikation als andere auch. dass Personen mit einem hohen NFC stärker beeinflusst werden,
Die eigentliche Indikation für den Einsatz von Meinungsfüh- wenn sich die Qualität der Argumente verbessert, als Personen
rern ist in Fällen gegeben, in denen Informationen unvollständig mit einem niedrigen NFC (Cacioppo et al. 1983).
oder mehrdeutig sind. In beiden Fällen haben selbst motivierte Personen mit einem niedrigen NFC reagieren nicht nur
Konsumenten keine Möglichkeit der aufwendigen Prüfung. weniger stark auf die Qualität der Argumente, sie bevorzugen
Sie müssen auf Faustregeln ausweichen. Auf die unvollständige auch eine heuristische Verarbeitung bzw. werden von einem pe-
Information wirkt der Meinungsführer gleichsam additiv (Ga- ripheren Argument stärker beeinflusst. Evidenz hierfür berichtet
wronski und Erb 2001); sein Gewicht kann unter Umständen Chaiken (1987, S. 17): Sie konfrontierte ihre studentischen Ver-
den Ausschlag geben. Bei mehrdeutiger Informationslage kann suchspersonen mit einer Reihe von Argumenten für eine Ände-
der Effekt des Meinungsführers gleichsam mit der Information rung der Prüfungsmodalitäten. Die Argumente waren in jeder
interagieren: „Dadurch, dass es der Meinungsführer sagt, be- experimentellen Bedingung dieselben. In der einen Bedingung
deutet es etwas anderes.“ Gerade pseudopräzise und halbwis- jedoch kündigte der Redner an, er werde zwei Argumente für
senschaftliche Aussagen in der Werbung sind von diesem Effekt eine Änderung vortragen, in der anderen erklärte er, es würden
betroffen. Aus dem Munde eines Experten hören sich Begriffe zehn Argumente folgen. Hierdurch wurde also nur die unter-
wie „LC-1-Kulturen“ und „mehrfach ungesättigte Fettsäuren“ stellte Menge der Argumente verändert, ihre tatsächliche Menge
eben anders an, als wenn Sie oder ich das sagen (Beispiel nach und Qualität blieben jedoch in beiden Bedingungen gleich.
Gawronski und Erb 2001). Durch den Hinweis auf die Menge der Argumente wird die Heu-
ristik angestoßen, dass viele Argumente für eine starke Position
sprechen (length implies strength). Diese Heuristik nutzten aber
16.3 Differentialpsychologische Moderatoren offenbar nur Personen mit einem niedrigen NFC, denn nur in
im Konsumentenverhalten dieser Teilstichprobe war die experimentelle Variation wirksam.
Nach diesen Ergebnissen zeigt der NFC also gleich zweierlei an:
Viele von den Effekten, die ich in den vorangehenden Kapiteln die Ansprechbarkeit durch Argumente und die Ansprechbarkeit
diskutiert habe, gelten nicht für alle Menschen im gleichen Aus- durch periphere Hinweise.
maß. Für manche Effekte ist vielleicht diese Person anfälliger als
jene. Diejenigen Merkmale, die darüber entscheiden, wie stark
ein bestimmter Effekt ausfällt, nennen wir „Moderatoren“ oder 16.3.2 Das Konsistenzmotiv
„Moderatorvariablen“. Einer der bedeutendsten Moderatoren
im Konsumentenverhalten ist – wie Sie an den vorangegange- In einer Tageszeitung (Trierischer Volksfreund, 14./15.1.1995,
nen Kapiteln zur Genüge erkennen können – das Involvement Nr. 12, S. 11) war unter der Überschrift „Per Mitleids-Masche
(z. B. ▶ Abschn. 5.6). Nun ist aber Involvement verglichen mit zur Unterschrift“ von einem Verkaufstrick die Rede: Zwei junge
der Persönlichkeit keine sehr stabile Variable, man kann es in Leute klingeln an der Tür und fragen, ob man bereit sei, an ei-
gewissen Grenzen sogar manipulieren. Eine ebenfalls wichtige ner Umfrage teilzunehmen, und zwar, ob man Vorurteile gegen
Moderatorvariable im Konsumverhalten ist die Produktexper- ehemals Drogenabhängige habe und ob man selbst befürworten
314 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

75 Entlohnung im Forced-Compliance-Paradigma) waren sie relativ


1 70 unempfänglich für die Situationseinflüsse, kauften also weniger
als niedrig Konsistente oder stimmten einer einstellungskonträ-
65
Verkaufserfolg (%)

2 60
ren Position weniger zu.
Die Präferenz für konsistentes Verhalten beeinflusst die Er-
gebnisse unterschiedlicher Beeinflussungstechniken und kann
3 55
auch das gelegentliche Scheitern dieser Methoden erklären (z. B.
50
Guadagno und Cialdini 2011). Die Fuß-in-der-Tür-Technik
4 45 Fuß-in-der-Tür-Technik
mit funktioniert beispielsweise nicht immer gut, wenn die Bitten in
40 ohne sehr kurzer Folge gestellt werden (Burger 1999). Guadagno et al.
niedrig hoch
5 Konsistenzmotiv
(2001) konnten allerdings den Effekt der Technik steigern, wenn
sie ihre Probanden kurz vor der zweiten Bitte fragten, ob sie ge-
.. Abb. 16.2  Verkaufserfolg (in Prozent) in Abhängigkeit vom Einsatz der nerell hilfsbereit seien bzw. häufig unbekannten Menschen einen
6 Fuß-in-der-Tür-Technik moderiert durch die Stärke des Konsistenzmotivs.
Gefallen tun. Diese Manipulation führte vergangenes Verhalten
(Cialdini et al. 1995, S. 323, Tab. 3)
vor Augen und erhöhte dadurch den Druck, sich konsistent dazu
7 zu verhalten. Dadurch stieg auch in der Tat die Zustimmung der
würde, dass man diesen Leuten auf dem Weg der Resozialisie- Probanden zur zweiten Bitte noch einmal an, allerdings nur,
rung helfen sollte. Nachdem diese Fragen beantwortet wurden, wenn diese auch eine hohe Präferenz für konsistentes Verhalten
8 erklären die beiden, sie seien selbst ehemalige Drogenkonsumen- zeigten. Personen mit niedriger Präferenz dagegen waren unter
ten und sie sammelten Geld für ein therapeutisches Wohnheim. dieser Bedingung sogar besonders wenig hilfsbereit. Um es über-
9 Es würde aber gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen, wenn spitzt auszudrücken: Die Erinnerung an frühere Hilfsbereitschaft
sie Spenden nähmen. Stattdessen könnten sie Abonnements für machte noch einmal deutlich, dass diese Personen im vorliegen-
10 verschiedene Zeitschriften anbieten. den Fall gerade nicht hilfsbereit sein sollten, um auch wirklich
Dieses Szenario ist Ihnen aus ▶ Kap. 11 wohlbekannt; die jun- inkonsistent zu sein.
gen Zeitungsdrücker nutzen natürlich keine „Mitleidsmasche“,
11 sondern die Fuß-in-der-Tür-Technik (▶ Abschn. 11.4.2). Aber
auch das universale Fuß-in-der-Tür-Phänomen muss differenti- 16.3.3 Präferenz für bestimmte Heuristiken
12 alpsychologisch spezifiziert werden. Offenbar gibt es Personen,
die für die Fuß-in-der-Tür-Technik anfälliger sind als andere. Zwei-Prozess-Modelle wie das Modell der Elaborationswahr-
Cialdini et al. (1995) untersuchten einen Motivzustand, den sie scheinlichkeit von Petty und Cacioppo (1986; siehe ▶ Ab-
13 das „Konsistenzmotiv“ nennen. Damit meinen sie ein besonders schn. 14.1.1) oder das Modell der systematischen oder heuristi-
ausgeprägtes Bedürfnis, im Einklang mit den inneren Überzeu- schen Verarbeitung von Chaiken (1987; siehe 14.1.2) gehen nur
14 gungen zu handeln, auf andere stimmig zu wirken und sich mög- davon aus, dass Informationen entweder mit hohem kognitiven
lichst wenig von Äußerlichkeiten beeinflussen zu lassen. Wenn Aufwand oder auf der Basis von Faustregeln verarbeitet werden.
15 nun das Gegenüber diese Bedürfnisse nicht hat, dann braucht Diese Vorstellung ist aus mehreren Gründen zu einfach. Der erste
der Zeitschriftendrücker die Fuß-in-der-Tür-Technik eigentlich dieser Gründe ist folgender: Wenn wir Informationen nicht auf-
gar nicht so dringend. Wer nicht besonders konsistent ist, kauft wendig, sondern allenfalls oberflächlich und heuristisch verarbei-
16 das Abonnement auch so. ten, dann ist damit über die Art der Verarbeitung noch nicht viel
Die Wirkung der Technik zeigt sich vor allem bei hoch kon- gesagt. Es gibt eine große Menge von möglichen Faustregeln. Die
17 sistenten Personen, denn die würden ohne den Druck ihrer ei- Tatsache, dass man überhaupt Heuristiken anwendet, erlaubt noch
genen Ja-Antworten deutlich weniger kaufen. . Abbildung 16.2 keinen Rückschluss darauf, welche denn zur Anwendung kommt.
illustriert diesen Zusammenhang anhand der Daten von Cialdini Bearden et al. (1989) zeigten mit einem eigenen Erhebungs-
18 et al. (1995, S. 323, Tab. 3): Rechts steht der Effekt für die hoch instrument, dass Personen unterschiedlich stark geneigt sind,
konsistenten Personen, links der für die niedrig konsistenten. einer Mehrheitsmeinung oder einem Meinungsführer zu folgen.
19 Für die letzteren scheint es kaum eine Rolle zu spielen, ob sie In ähnlicher Weise untersuchten Keller et al. 2000) die unter-
mit der Fuß-in-der-Tür-Technik auf die Ja-Sage-Schiene gesetzt schiedliche Neigung von Personen, bestimmte Heuristiken an-
20 werden. Sie brauchen nur einen leichten Anstoß, dann nehmen zuwenden. Sie entwickelten ein Fragebogeninstrument, in dem
sie das Abonnement mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit. die Probanden bestimmten Faustregeln zustimmen sollen. Da-
Der Effekt der Fuß-in-der-Tür-Technik ist dagegen sehr groß bei mit soll die Neigung zu drei exemplarischen Heuristiken erfasst
21 den Konsistenten. werden, nämlich der Konsensheuristik (▶ Abschn. 10.1.4; Bei-
Ähnliche Effekte erzeugten Cialdini et  al. (1995) im spiel: „Ich vertraue Mehrheiten mehr als Minderheiten“), der
22 Forced-Compliance-Paradigma (▶ Abschn. 11.2) und im anti- Expertenheuristik (Beispiel: „Ich finde, dass Experten eher recht
cipated interaction paradigm (▶ Abschn. 10.2.3). Personen mit haben als Nichtexperten“) und der Sympathieheuristik (▶ Ab-
einer hohen Präferenz für Konsistenz waren in ihrem Verhalten schn. 10.2.3; Beispiel: „Ich stimme sympathischen Menschen eher
23 grundsätzlich stärker davon abhängig, dass sie in der Situation zu als unsympathischen“).
auch eine Bindung eingegangen waren. Ohne diese Bindung (z. B. Hiermit wird zwar nur erfasst, inwieweit eine Person von sich
das Ja-Sagen bei der Fuß-in-der-Tür-Technik oder die geringe behauptet, sie nutze eine bestimmte Faustregel, der tatsächliche
16.3  •  Differentialpsychologische Moderatoren im Konsumentenverhalten
315 16

Gebrauch könnte davon auch abweichen. Allerdings ist auch unterschiedlich stark ansprechen. Dies liegt nicht allein daran,
bei dieser Methode bemerkenswert, dass diese drei Tendenzen, dass nicht alle Menschen ein gutes Argument erkennen, wenn
die jede mit vier Aussagen erfragt werden, eine klare faktorielle sie es sehen. Gerade im Bereich der Produkte spielen sehr per-
Struktur ergeben und nur verhältnismäßig schwach interkorre- sönliche Wertvorstellungen eine wichtige Rolle, und so kann es
lieren. Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass eine Person die durchaus vorkommen, dass ein Produkt für die eine Person ihre
eine Strategie nutzt, erlaubt kaum einen Rückschluss darauf, ob Wertvorstellungen ausdrückt (zum Beispiel teuer, aber umwelt-
sie auch die andere nutzen würde. Es ist also sehr plausibel, dass freundlich), während es für die andere gar keinen Bezug zu ihren
Personen unterschiedlich stark geneigt sind, einem sympathi- Werten hat.
schen Kommunikator, der Mehrheitsmeinung oder einem Exper- Eine Persönlichkeitsdimension, die in diesem Zusammen-
ten zu folgen. Der Einsatz der dazugehörigen Strategien macht hang einschlägig ist, bezieht sich auf die Bereitschaft, das eigene
demnach nur insoweit Sinn, als das Publikum eine Präferenz für Verhalten zu überwachen und an die Erfordernisse der Umwelt
die entsprechende Heuristik hat. anzupassen (Snyder 1974). Personen mit einer hohen Tendenz
In den Daten von Keller et al. (2000) zeigte sich auch, dass die zur Selbstüberwachung, sogenannte high self-monitorers, sind
unterschiedlichen Heuristiken unterschiedliches soziales Anse- zum Beispiel eher durch eine Soft-Selling-Strategie anzuspre-
hen genießen: Die Experten- und Konsensheuristik unterliegen chen, die auf das Image des Produkts und damit auf seine so-
einer höheren sozialen Billigung als die Sympathieheuristik (Kel- ziale Anpassungsfunktion abzielt (Snyder und DeBono 1985).
ler et al. 2000, S. 98), denn nur die Zustimmung zu der letzte- Personen mit einer geringen Tendenz zur Selbstüberwachung
ren Faustregel korrelierte signifikant mit einer Tendenz, sich im neigen demgegenüber eher dazu, in ihrem Verhalten ohne weite-
Sinne der sozialen Billigung zu verhalten. ren Anpassungsdruck sich selbst und ihre eigenen Werte auszu-
Ich habe oben behauptet, Zwei-Prozess-Modelle seien aus drücken. Diese Personen waren in der genannten Untersuchung
mehreren Gründen zu einfach; einen zweiten, der sich ebenfalls eher durch eine Hard-Selling-Strategie anzusprechen, bei der vor
aus der Arbeit von Keller et al. (2000) ergibt, möchte ich hier allem die Qualität des Produkts, das heißt sein objektiver Wert,
kurz ansprechen: Eine weitere geläufige Unterscheidung von In- betont wurde.
formationsverarbeitungsstilen ist die von intuitiv-gefühlsmäßiger Diehl et al. (1998) untersuchten die Präferenz für bestimmte
und analytisch-rationaler Verarbeitung (z. B. Betsch 2004; Pacini Argumente auf der Basis einer laienpsychologischen Konsumen-
und Epstein 1999). Oft wird zu Unrecht unterstellt, der intuitive tentypologie (Levinson et al. 1993), der zufolge die Persönlichkeit
Verarbeitungsstil sei etwa mit einem heuristischen, peripheren des Konsumenten als eine Mischung aus drei Typen dargestellt
oder einem anderen weniger aufwendigen kognitiven Prozess werden kann:
identisch. 1. der ichbezogene narzisstische Typ,
Keller et al. (2000) zeigen demgegenüber, dass die Bereit- 2. der freundlich zugewandte Typ,
schaft, bestimmte Heuristiken zu nutzen, nicht grundsätzlich 3. der sachlich autoritäre Typ.
mit einem intuitiven Verarbeitungsstil korreliert. Dies galt nur
in einem Fall: Personen, die die Sympathieheuristik anwendeten, Diese Typologie unterzogen Diehl et al. (1998) einer empirischen
folgten auch in ihrem grundsätzlichen Verarbeitungsstil gerne Prüfung. Hierzu entwickelten sie aus der Charakterisierung in
dem Gefühl. Die Anwendung der Experten- und der Konsens- Levinson et al. (1993) ein Erhebungsinstrument in Fragebogen-
heuristik hing dagegen nicht mit einem intuitiven Verarbeitungs- format. Die Probanden sollten angeben, inwieweit sie folgenden
stil zusammen. Aussagen zustimmen (Beispielitems aus Diehl et al. 1998, S. 146):

--
Grundsätzlich wird man also sagen müssen: Eine Entschei- 1. Zum ichbezogenen narzisstischen Typ
dung, die man eher gefühlsbestimmt und „aus dem Bauch“ trifft, Sie sind ehrgeizig.

-
ist nicht unbedingt eine heuristische, und die Anwendung einer Sie nehmen ungern Ratschläge von außen an.
Heuristik hat zunächst noch nichts mit einer Entscheidung „aus Sie orientieren sich oft an anderen Leuten. Status und
dem Bauch“ zu tun. Prestige sind Ihnen dabei wichtig.

-
Ein weiterer Punkt zu dem Konstrukt rationaler und intui- 2. Zum freundlich zugewandten Typ
tiver Verarbeitungsstile: In empirischen Untersuchungen (z. B. Sie suchen Anerkennung bei anderen. Sie möchten

-
Betsch 2004; Pacini und Epstein 1999) erweisen sich diese Stile akzeptiert werden.
als unabhängige Dimensionen. Eine Person, die einen intuiti- Sie sind manchmal unsicher und lassen sich daher auch

-
ven Verarbeitungsstil einsetzt, kann also gleichzeitig in der Lage mal ausnutzen.
sein, rationale Stile zu verwenden. Die beiden Verarbeitungsarten Alleinsein ist Ihnen unangenehm.

-
schließen einander nicht aus. 3. Zum sachlich autoritären Typ
Ihnen ist zu große Intimität zuwider. Man sollte immer

--
eine gewisse Distanz wahren.
16.3.4 Präferenz für bestimmte Argumente Sie lieben Ordnung und Genauigkeit.
Prestige und Status haben keine Bedeutung für Sie.
Im Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit wird davon aus-
gegangen, dass Argumente entweder gut oder schlecht sind, Bei dieser Erhebungsmethode ordnen sich zwar gut die Hälfte
und es wird wenig danach gefragt, für wen ein Argument gut der Probanden dem freundlich zugewandten Typ zu, jedoch ist
ist. Personen lassen sich aber durch unterschiedliche Argumente von den anderen beiden Typen keiner so deutlich unterrepräsen-
316 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

wird (Hornsey und Jetten 2004; siehe ▶ Abschn. 10.1.3). Konsum


1 ist hierfür in vielerlei Hinsicht geeignet, denn Besitz und Kon-
sumverhalten können als eine Erweiterung der eigenen Identität
2 verstanden werden (z. B. Tian et al. 2001).
Das Bedürfnis nach Einzigartigkeit wird durch eine Skala
erfasst, die Lynn und Harris (1997a) vorstellen (für neuere Ver-
3 sionen der Skala vgl. Tian et al. 2001; Ruvio et al. 2008). In
einer ersten Erprobung differenzierte die Skala erfolgreich zwi-
4 schen Kinobetreibern, die seltene Filme spielen, und solchen,
die Filme anboten, die anderswo schon gelaufen waren. Auch
5 die Nachfrage nach seltenen Produkten lässt sich durch den so
erfassten need for uniqueness (NFU), das Bedürfnis nach Ein-
zigartigkeit, vorhersagen (Lynn und Harris 1997b; siehe auch
6 . Abb. 16.3). Personen, die ein selbst zusammengestelltes Auto
.. Abb. 16.3  Werbung und Produkte werden oft so gestaltet, dass sie das besitzen, Besitzer eines Tattoo-Studios, Liebhaber mittelalterli-
7 Bedürfnis der Konsumenten nach Individualität befriedigen. Menschen mit
einem starken Bedürfnis nach Einzigartigkeit werden von Werbung dieser Art
cher Kostüme und Bräuche oder Besucher eines Malkurses ha-
ben im Vergleich zu Kontrollgruppen jeweils höhere Werte auf
besonders angesprochen. (© Daimler AG, mit freundlicher Genehmigung)
der NFU-Skala von Tian et al. (2001). Die Personen mit hohem
8 Bedürfnis nach Einzigartigkeit bevorzugen eher individuelle
tiert, dass er unbeachtet bleiben könnte. Werden die Probanden Läden, keine Großeinkaufsstätten. Sie sind zudem eher bereit,
9 danach gefragt, zu welchen Anteilen sie die jeweiligen Typen in neue Produkte auszuprobieren, also in diesem Sinne Meinungs-
sich ausgeprägt sehen, zeigt sich eine eindeutige Dominanz des führer zu werden.
10 jeweils gewählten Typs. Man kann erwarten, dass das Bedürfnis nach Einzigartigkeit
In der eigentlichen experimentellen Prüfung wurden drei auch mit der Bereitschaft zusammenhängt, Reaktanz zu empfin-
Versionen eines Werbevideos vorgeführt, in dem jeweils unter- den: Zumindest der Reaktanzeffekt für seltene Güter ist stärker
11 schiedliche Argumentationsstile verwendet wurden. Diese Stile für Personen mit einem hohen Bedürfnis nach Einzigartigkeit
waren eigens auf die drei Typen hin formuliert und in einer Vor- (Lynn 1991).
12 untersuchung normiert worden. Ein Argument für den ichbezo- Tian et al. (2001) konzipieren den NFU als dreidimensiona-
genen narzisstischen Typ wäre etwa: „Ihre Bekannten würden Sie les Konstrukt: Zum einen beruht er auf einer Neigung, in den
um dieses Produkt beneiden.“ eigenen Entscheidungen kreativ zu sein, etwa um einen eigenen
13 Die Probanden ordneten sich in einer unabhängigen Befra- Stil zu entwickeln (creative choice counterconformity). Eine zweite
gung einem der drei Typen zu und sahen dann eines der drei Dimension betont die Bereitschaft, unpopuläre Entscheidungen
14 Videos. Später hatten sie Gelegenheit, das Produkt zu kaufen. Es zu fällen, dabei auch Normen zu verletzen und soziale Missbil-
zeigte sich, dass in der Tat jene Probanden das Produkt häufiger ligung zu riskieren (unpopular choice counterconformity). Auch
15 kauften, auf deren Typ hin die Präsentation zugeschnitten war. dieses Verhalten kann letztlich verstanden werden als die Ent-
Die Ergebnisse belegen auf der Verhaltensebene die Wirk- wicklung eines eigenen Stils. Das normverletzende Verhalten
samkeit der typpassenden Kommunikation. Auf der Einstel- wird von den Entscheidern selbst als Ausdruck von „Charakter“
16 lungsebene zeigte sich diese Wirkung allerdings nicht immer in gedeutet und kann natürlich von der Hoffnung begleitet sein,
der erwarteten Richtung. Zum Beispiel bewertete der ichbezo- dass es sich durchsetzen wird und der Entscheider letztlich als
17 gene narzisstische Typ die Argumente, mit denen er überzeugt innovativ gilt. Die dritte Dimension betont die Vermeidung von
werden sollte, eher negativ. Dies ist insofern nicht erstaunlich, Gleichheit (avoidance of similarity). Hier spielt nicht zuletzt die
als ja vermutlich tatsächlich keiner gern von sich behauptet, er Beobachtung dessen, was andere tun, eine große Rolle, denn nur
18 habe es auf den Neid der anderen abgesehen. Gleichzeitig konn- mit dieser Kenntnis können Konsumenten erfolgreich von dem
ten Diehl et al. (1998) allerdings zeigen, dass alle Typen, auch Verhalten der anderen abweichen. Wer in diesem Sinne einen
19 der ichbezogen narzisstische, immer am ehesten dann zum Kauf hohen NFU aufweist, verliert sehr schnell das Interesse an einer
angeregt werden konnten, wenn sie zu ihrem Typ passende Ar- Sache, wenn andere sie aufgreifen und auch tun.
20 gumente hörten.

16.3.6 Bedürfnis nach Berührung


21 16.3.5 Bedürfnis nach Einzigartigkeit
Konsumenten berühren Produkte häufig, auch wenn die takti-
22 Ein Großteil der Werbung ist darauf ausgerichtet, die Einzigar- len Eigenschaften für das Produkt (scheinbar) irrelevant sind,
tigkeit des Produkts oder des Besitzers zu behaupten. Nach einer etwa bei einem Buch (▶ Abschn. 2.5). Das Bedürfnis hierzu hat
Analyse von Lynn und Harris (1997b) ist dies in 10 % der Spots zwei Aspekte: Zum einen berühren wir Produkte, um bestimmte
23 ein zentrales und in 23 % ein mindestens teilweises Ziel. (auch nicht taktile) Informationen über das Produkt zu erhal-
Menschen suchen Einzigartigkeit in dem Rahmen, der durch ten, zum anderen berühren wir Produkte aber auch „nur zum
ihr gegenläufiges Bedürfnis nach sozialer Integration gesteckt Vergnügen“ (Peck 2010, S. 20). Die eine Kategorie kann man als
16.4 • Altersunterschiede
317 16

instrumentell bezeichnen, die andere als autotelisch, in der also ten diese Art von Produktinformation schnell und hoch effizient.
die Berührung Selbstzweck ist. Dies wiederum hat zur Folge, dass sie bei der Produktbewertung
Das Bedürfnis nach beiden Arten der Berührung ist unter- anderen Produktdimensionen mehr Aufmerksamkeit schenken
schiedlich stark ausgeprägt. Nuszbaum et al. (2010) legen zur können als Personen mit niedrigem NFT. Dies ist eine Erklärung
Messung dieser Personunterschiede eine deutsche Version der dafür, dass sich Personen mit hohem Bedürfnis nach Berührung
need-for-touch-Skala von Peck und Childers (2003) vor. Ein ho- weniger durch irrelevante taktile Produkteigenschaften beeinflus-
hes autotelisches Bedürfnis nach Berührung zeigt sich in der sen lassen als Personen mit einem niedrigen Bedürfnis. Krishna
Zustimmung zu Aussagen wie „Es macht Spaß, alle möglichen und Morrin (2008) zeigen das für die Bewertung eines Kaffees,
Artikel anzufassen“. Das instrumentelle Bedürfnis äußert sich der entweder in einer hochwertigen Tasse oder in einem billi-
in Sätzen wie „Beim Kauf eines Artikels fühle ich mich wohler, gen und unangenehm anzufassenden Pappbecher ausgeschenkt
wenn ich diesen vorher durch Anfassen eingehend geprüft habe“ wurde. Streng genommen ist die Beschaffenheit des Gefäßes für
(Nuszbaum et al. 2010, S. 266). den Inhalt unerheblich, trotzdem lassen sich Konsumenten in
Ein unterschiedlich starkes Bedürfnis nach Berührung hat ihrer Produktbewertung davon beeinflussen. Dies ist aber nur für
auch unterschiedliche Effekte auf das Konsumentenverhalten solche Konsumenten der Fall, die ein niedriges Bedürfnis nach
(Nuszbaum et al. 2010). So sind Konsumenten mit einem hohen Berührung haben – eben weil für sie die haptische Erfahrung
solchen Bedürfnis frustriert, wenn sie ein Produkt nicht berüh- nicht effizient, sondern eher aufwendig verarbeitet wird und da-
ren und nur über den bloßen Augenschein bewerten können. mit den Bewertungsprozess dominiert.
Bei diesen Probanden steigt die Zuversicht, mit der sie Produkt- Ähnliche Effekte erzielen Krishna und Morrin (2008) mit Mi-
bewertungen abgeben, deutlich an, wenn sie das Produkt auch neralwasser, das in unterschiedlich hochwertigen Flaschen bzw.
anfassen können. Personen mit einem geringen Bedürfnis kom- Bechern angeboten wird. Interessanterweise ist der Effekt nicht
men dagegen auch ohne die Berührung zu einer Bewertung, der darauf angewiesen, dass Personen die Verpackungen wirklich in
sie vertrauen. der Hand halten – schon die verbale Beschreibung genügt, um
Außerdem gründen Konsumenten mit einem hohen Bedürf- Personen mit einer geringen Tastsensitivität dazu zu bewegen,
nis nach Berührung ihre Entscheidungen mindestens zum Teil Dinge, die sich „billig anfühlen“, auch billig zu bewerten. Perso-
auf die Annehmlichkeit einer taktilen Erfahrung. In einem Ex- nen mit ausgeprägtem Tastgefühl sind von dieser Information
periment von Nuszbaum et al. (2010) konnten die Probanden weniger zu beeinflussen.
zwischen zwei äquivalenten Glücksspielen wählen. Die Lose zu
diesen Spielen befanden sich jeweils in einem Baumwollbeutel.
Die Probanden sollten die Lose herausnehmen und prüfen, ob 16.4 Altersunterschiede
sie das jeweilige Spiel spielen wollen. In den interessierenden
Durchgängen waren die Spiele auf zwei Beutel verteilt, von de- Die Frage nach Altersunterschieden stellt sich typischerweise
nen der eine angenehm und der andere unangenehm anzufassen nicht die Differentielle, sondern eher die Entwicklungspsycholo-
war. Die unangenehme Berührung wurde dadurch erzeugt, dass gie. Abgesehen von der traditionellen Zuordnung allerdings liegt
der Beutel mit Wachs verunreinigt war. In diesen Durchgängen die differentielle Dimension auf der Hand: In unterschiedlichen
wurde die Wahl durch das autotelische Bedürfnis nach Berüh- Phasen unseres Lebens haben wir unterschiedliche Aufgaben zu
rung vorhergesagt: Je höher das Merkmal bei den Probanden bewältigen, daher auch unterschiedliche Bedürfnisse, und folg-
ausgeprägt war, desto eher wählten sie – unabhängig von den lich sind für uns unterschiedliche Produkte interessant.
konkreten Merkmalen des Spiels – das Los, das im „angeneh- Die Unterschiede in den Lebensaltern kommen prinzipiell
men“ Beutel war. immer aus zwei Quellen: Zum einen sind dies entwicklungsspezi-
Es liegt nahe zu vermuten, dass für Personen mit einem ho- fische Einflüsse. Kindheit, Jugendalter, erste Liebe, Heirat, Eltern-
hen Bedürfnis nach Berührung auch besonders wichtig ist, wie schaft oder Ruhestand sind Teile eines normalen Lebenslaufs, und
sich ein Produkt anfühlt. Dies gilt allerdings nur bedingt – in zwar weitgehend unabhängig von der Zeit, in der jemand lebt.
einem gewissen Sinne ist sogar das Gegenteil der Fall. Richtig ist, Zum anderen unterliegt aber jeder Mensch auch bestimmten
dass zum Beispiel Internetkäufe für Personen mit hohem need historischen Einflüssen. So ist für unsere Eltern- und Großel-
for touch (NFT) insofern frustrierend sind, als hier die Produkte terngeneration das Erlebnis des Kriegs und der Nachkriegszeit
nicht berührt werden können (Peck und Childers 2006; siehe besonders prägend. Es ist nicht ohne Weiteres auszumachen, ob
▶ Abschn. 2.5). Daher ist es wichtig, das Erlebnis der Berührung die heutigen 80-Jährigen ihre gemeinsamen Einstellungen und
zu ersetzen, zu simulieren bzw. zu „approximieren“. Dies kann Temperamentsmerkmale wegen ihres Alters haben oder wegen
gelingen, indem man in der Produktpräsentation Vorstellungs- ihrer Zugehörigkeit zu dieser speziellen Generation.
bilder davon erzeugt, dass die Betrachter das Produkt berühren. Für einen gegebenen Augenblick ist der Unterschied zwischen
Dies erzeugt nicht zuletzt Vorstellungen von vorweggenomme- Alters- und Kohorteneffekten zumindest für Praktiker aus Wer-
nem Besitz und vermittelt über diese Vorstellung eine Aufwer- bung und Marketing relativ gleichgültig. Es ist in jedem Fall ein
tung des Produkts (im Sinne des Endowment-Effekts; siehe ▶ Ab- Fortschritt, wenn man zutreffende Aussagen über Unterschiede
schn. 9.3.2). Je konkreter und lebhafter diese Vorstellungsbilder zwischen verschieden alten Konsumentengruppen treffen kann.
sind, desto stärker fällt auch die Aufwertung aus (Peck et al. 2013). Selbst wenn die gefundenen Unterschiede im Wesentlichen auf
Andererseits sind aber Personen mit hohem NFT gleichsam den Geburtsjahrgang und nicht so sehr auf echte Alterseffekte
geübt darin, taktile Informationen zu verarbeiten, und verarbei- zurückgehen, kann man den damit getroffenen Aussagen noch
318 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

immer mindestens die gleiche Halbwertszeit unterstellen wie den 2. Fernsehen und Fernsehwerbung sind „im Alltag der Kinder
1 sonst üblichen Konsumententypologien, die ich zum Beispiel in zwischen drei und 13 Jahren [...] nur eine Randerscheinung“
▶ Abschn. 16.1 zitiert habe. Gleichwohl ist zu bedenken: Ein Ko- (S. 129). Nickel schätzt den täglichen Konsum an Fernseh-
2 horteneffekt lässt sich nicht verallgemeinern. Altersunterschiede, werbung für ein einzelnes Kind auf neun Minuten.
die auf Kohorteneffekte zurückgehen, werden nachrückende Ge- 3. Kinder sind zwar ein Marktfaktor, ihr Konsumspielraum ist
nerationen in der Regel nicht wieder zeigen. aber nicht hoch. Das meiste Geld, das sie haben, sparen sie
3 und zeigen damit eine ausgeprägte Konsumkompetenz.
4. „Der Einfluss der Kinder auf die Konsumentscheidungen
4 16.4.1 Kindheit und Werbung der Erwachsenen wird deutlich überschätzt“ (S. 130). Kinder
dürfen zwar mehrheitlich beim Kauf ihrer eigenen Sachen
5 Die Kindheit ist der entwicklungspsychologisch am besten un- (Bekleidung, Limonade, Schokoriegel, Cornflakes etc.) mit-
tersuchte Lebensabschnitt, und so verwundert es nicht, dass die bestimmen, bei gewichtigeren Entscheidungen für die Fami-
Bedeutung der Werbung in der Kindheit verhältnismäßig oft lie, etwa bei teuren Elektrogeräten, sinkt ihr Einfluss bereits
6 untersucht wurde (z. B. Baacke 1999; Baacke et al. 1993; Meister erheblich. Zudem kaufen Kinder nur in seltenen Fällen ihre
und Sander 1997a; Singer und Singer 2001; Unnikrishnan und Sachen alleine ein. Beim Kauf teurer Produkte (mehr als
7 Bajpai 1996). 50 Euro) sind in 85 % der Fälle die Eltern dabei.
Das Thema „Kinder und Werbung“ wird in aller Regel unter 5. Die meisten Kinder (ca. 62 %) können bereits ab dem Vor-
einem halb moralischen Gesichtspunkt untersucht. Analysen zu schulalter (vier bis sechs Jahre) Werbung und Programm im
8 diesem Thema kommen oft entweder zu dem Schluss, dass es Fernsehen unterscheiden. Die Fähigkeit hierzu steigt mit zu-
sich nicht gehört, Werbung mit oder vor Kindern zu machen, nehmendem Alter weiter an. Die meisten Kinder behaupten
9 oder aber dass alles nur halb so wild sei und man sehr wohl, auch von sich, sie glaubten der Werbung gar nicht oder nur
ohne Gewissensnöte zu befürchten, Kinder als Konsumenten manchmal. Zudem ist bei der Sozialisation als Konsumenten
10 ernst nehmen dürfe. die Werbung nur eine Informationsquelle unter vielen.
Befürworter einer Werbung vor Kindern äußern sich bei- 6. „Kinder entwickeln früh und [...] mit rasch anwachsender
spielsweise wie folgt: „Die Welt der Kinder heute ist nicht mehr Tendenz eine kritische Distanz zur Werbung“ (S. 132).
11 die Kinderwelt der heutigen Erwachsenen“ (Nickel 1997, S. 125) 7. Es ist bislang noch kein Nachweis geführt worden, dass Fern-
oder „Die heutigen Erwachsenen sollten nicht mehr ihre eigene sehwerbung einen Einfluss auf Fehlverhalten und Auffällig-
12 Kindheit als Maßstab für Kinder- und Jugendpolitik anlegen, keiten von Kindern ausübt.
sondern die Veränderungen wahrnehmen“ (S. 128). 8. Zukünftig werden Kinder vor allem über Bildschirmmedien
Kinder seien verantwortungsvoller, selbständiger und im mit Informationen versorgt. Der Umgang mit diesen Medien
13 Umgang mit Medien kompetenter, als ihnen von vielen Erziehern sollte genauso erlernt werden wie das Lesen und Schreiben.
und Wissenschaftlern zugestanden werde. Dies liege unter an- Kinderschutz in diesen Medien sollte global und weltweit
14 derem an einer „Verkürzung des Spielalters von Kindern heute“. geregelt werden.
Daraus folge eine „rasche Zunahme autonomer Entscheidun- 9. Das Niveau, auf dem Kinder in ihrem Umgang mit Medien
15 gen bei Jugendlichen. [...] Auch wenn sich Kinder in stärkeren geschützt werden sollen, muss nicht mehr extrem hoch sein.
Entwicklungsphasen befinden als die Erwachsenen, so gilt auch Dafür sind Kinder zu kompetent im Umgang mit diesen
für sie: Menschen sind keine Pawlowschen Hunde; sie reagieren Medien. Gleichwohl bleibt die Kindheit eine schützens-
16 anders beim Ertönen eines Glöckchens“ (Nickel 1997, S. 128). werte Entwicklungsphase. Kinder benötigen also trotz aller
Kinder als Zielgruppe ernst zu nehmen, bedeute nicht zu- Kompetenz nach wie vor der schützenden Aufmerksamkeit.
17 letzt, ihnen eine spezifische Lebensgeschichte und einen eigenen Hierzu gibt es allerdings bereits eine Reihe von Institutionen,

--
Lebensstil zuzugestehen. Nickel (1997, S. 126) schreibt: „Kindern etwa …
werden von den Medien und von der Wissenschaft [...] eigene die Bestimmungen der EU-Fernsehrichtlinie,
18
-
Biographien und eigene Lebensstile zugestanden. Es ist noch den deutschen Rundfunkstaatsvertrag,
nicht allzulange her, da leugnete man beides.“ die Werberichtlinien der öffentlichen Rundfunkveran-
19
-
Mit zehn Thesen versucht Nickel (1997), Mitglied der Ge- stalter oder
schäftsführung im Zentralverband der deutschen Werbewirt- die Verhaltensregeln des Deutschen Werberats über
20 schaft, zu begründen, dass „die Angst vor der Werbung und die Werbung mit und vor Kindern in Werbefunk und
selbst das Unbehagen an ihr in dieser Ausprägung extrem über- Werbefernsehen (S. 133).
höht ist“ (S. 128 ff.): 10. Firmen dürfen auf die redaktionellen Teile eines Programms
21 1. „Kinder haben Medienkompetenz.“ Sie sehen weniger fern keinen Einfluss nehmen. Werbung muss losgelöst vom Pro-
als andere Altersgruppen. Bei ständig steigendem Angebot gramm bleiben. „Eine Firma bricht demnach immer dann
22 an Sendungen stagniert ihr Fernsehkonsum. Eltern schätzen Recht, wenn sie ihre Etatvergabe bewußt und erklärtermaßen
den Fernsehkonsum ihrer Kinder höher ein, als er tatsäch- mit der Absicht der Verhaltenssteuerung von Redaktionen
lich ist. Zudem gehen Kinder im Alter zwischen sechs und vornimmt“ (S. 134).
23 13 Jahren in der Regel nicht davon aus, dass das Fernsehen
für sie nützliche Problemlösungen bereitstellt oder dass es die Werden Kinder und Jugendliche durch die Werbung manipuliert?
Realität abbildet. Die Thesen von Nickel (1997), die zum Teil durch Forschungs-
16.4 • Altersunterschiede
319 16

ergebnisse belegt sind, sprechen eher dagegen. Ebenfalls dagegen Medienkompetenz


spricht die Tatsache, dass etwa Jugendtrends von Firmen in der Die Medienkompetenz der Kinder wird relativ häufig ins Feld
Regel nicht initiiert, sondern allenfalls reflektiert werden können geführt, um Werbung vor Kindern zu rechtfertigen. In den Be-
(Meister und Sander 1997b; eine Ausnahme hierzu bildet das griff „Medienkompetenz“ fließen dabei viele Facetten ein, so etwa
Eventmarketing, zum Beispiel Streetball von Adidas, Camel Air- – wie bei Nickel (1997) – die Menge des kindlichen Medienkon-
rave von Reynolds; vgl. Vollbrecht 1997). Diese Reflexion freilich sums. Diese Menge ist freilich insgesamt durchaus beachtlich:
kann durchaus beachtliche Ausmaße annehmen. Schmidt (1995, „Im Jahr 2007 verbrachten die ganz Kleinen, also im Alter von
S. 37) spricht daher von den modernen Werbesystemen als „vo- drei bis fünf Jahren, durchschnittlich 73  Minuten täglich am
luminöse Resonanzkörper, die jeden Anstoß der Gesellschaft Fernsehgerät. Die 10- bis 13-jährigen schon 101 Minuten und
merklich hörbar machen“ (zit. n. Meister und Sander 1997, S. 47). die Erwachsenen 220 Minuten“ (Feierabend und Klingler 2008;
Im Folgenden sollen die Thesen von Nickel (1997) näher zit. n. Bak 2010, S. 246). Dies bestätigt – trotz der absolut sicher
betrachtet und hinterfragt werden. Dabei wird – wo nicht an- hohen Zahl – die These von Nickel (1997), dass Kinder weniger
ders angegeben – von der Altersspanne zwischen sechs und etwa fernsehen als die anderen Altersgruppen. Zudem zeigen auch ak-
13 Jahren ausgegangen, wenn von „Kindern“ gesprochen wird. tuellere Studien, dass die Menge an Fernsehminuten bei Kindern
stagniert oder sogar rückläufig ist und nur bei Erwachsenen in
Kinder als Wirtschaftsfaktor den letzten Jahren ansteigt (Feierabend und Klingler 2008; zit.
School kids with income and purchase power („Schüler mit Ein- n. Bak 2010, S. 246).
kommen und Kaufkraft“), sogenannte Skippies, gelten in Wer- Eine weitere Facette der Medienkompetenz ist die Unter-
bekreisen als interessante Zielgruppe. Ihr verfügbares Geld liegt scheidung zwischen Werbung und Programm. Auch diese Un-
zwar unter dem anderer Altersgruppen, der Betrag steigt aller- terscheidung machen Kinder bereits relativ früh. Bijmolt et al.
dings. So ermittelte das Münchner Institut für Jugendforschung, (1998) präsentierten Kindern im Alter von fünf bis acht Jahren
dass Kinder zwischen sechs und 14 Jahren im Jahr 2000 etwa ein normales von Werbepausen unterbrochenes Programm. Die
5,2 Milliarden DM zur Verfügung hatten, die sie in Süßwaren Kinder hatten die Aufgabe, immer dann, wenn das Programm
(35 %), Zeitschriften (28 %) und Tonträger (22 %) investierten. durch Werbung unterbrochen wurde, die Hände vom Schoß
Zehn Jahre später zeigt sich in der KidsVerbraucherAnalyse zu nehmen und auf ein rotes Quadrat zu legen, das auf einer
(KidsVA) des Egmont Ehapa Verlags, Berlin, eine Kaufkraft von Karte abgebildet war und vor ihnen lag. Diese Aufgabe wurde
insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Dieser Betrag beruht auf Geldge- von den Kindern als „Spiel“ erlebt, und 89 % der Kinder er-
schenken, Sparguthaben und Taschengeld. Die Verbraucherana- kannten mindestens einen der Übergänge zwischen Programm
lyse weist für 2013 einen durchschnittlichen Taschengeldbetrag und Werbung richtig. Nur 4,6 % erkannten keinen Übergang
von 27 Euro aus. (Im Jahr 2000 betrug das durchschnittliche Ta- korrekt. Kinder merken also in der Tat einen Unterschied zwi-
schengeld 35 DM; W&V, 27/2000, S. 31.) Bereits im Vorschulalter schen Werbung und Programm. Wenn sie allerdings befragt
bekommt jedes zweite Kind Taschengeld – hier liegt der Durch- werden, worin dieser Unterschied denn besteht, nennen nur
schnitt bei immerhin 10 Euro.1 20 % der Kinder korrekte und relevante Kriterien. Immerhin
Insgesamt wächst demnach die Kaufkraft der Kinder. Zudem noch 32 % nennen korrekte, aber wenig relevante Merkmale
steigt die Zahl der Kinder, die bestimmte Basisausstattungen wie (z. B. „Die Werbung ist kürzer als das Programm“). Der Rest der
Mobiltelefon, Computer, CD-Player und Videogeräte haben, die Kinder nennt entweder falsche Kriterien (10 %) oder kann gar
also auf Dauer an Zubehör für diese Produkte interessiert sein keine nennen (38 %). Die Medienkompetenz der ganz jungen
dürften. Fernsehzuschauer geht also so weit, dass sie merken, wann das
Deutlich gestiegen ist nach der KidsVA die Menge an Kauf- Programm aufhört, aber nicht so weit, dass sie den Unterschied
entscheidungen, die Kinder autonom fällen können. 2010 hatten zwischen Werbung und Programm an den richtigen Kriterien
die Eltern noch bei so gut wie allen echten Kaufentscheidungen festmachen.
einen maßgeblichen Einfluss. 2013 werden bereits sehr viel häu- Allerdings lassen sich in solche Bestimmungen nur klassi-
figer Situationen benannt, in denen Kinder selbständig entschei- sche Werbeformen aufnehmen. Kinderprogramme verquicken
den können. Zeitschriften und Lebensmittel können mindestens Werbung und Programm oft dergestalt, dass es dem Betrachter
zwei Drittel der Kinder selbst auswählen (Auskunft der Eltern), wenig hilft, wenn er die klassische Werbung erkennt (Meister
bei Kleidung wird immerhin den Zehn- bis 13-Jährigen von 47 % und Sander 1997b, S. 52). Zudem gibt es neben der klassischen
der Eltern ein Mitspracherecht eingeräumt. Werbung andere Mittel der Verkaufsförderung (z. B. Merchandi-
Der Einfluss von Kindern auf die Kaufentscheidungen der sing, Eventmarketing, Product Placement; vgl. auch Baacke et al.
Familie ist komplex und hängt von der Produktkategorie ab 1993; Meister und Sander 1997), die sich auch an Kinder richten
(▶ Abschn. 10.1.2). Unterschätzt wird er immerhin von den El- und die ebenfalls nicht mit der viel beschworenen „Medienkom-
tern (Flurry und Burns 2005), ob er – wie von Nickel (1997) petenz“ der Kinder gemeint sind.
behauptet – insgesamt überschätzt wird, hängt wohl auch von Zudem assoziieren Kinder – zumal kleine Kinder (um sechs
den Kriterien ab, was als Einfluss gelten soll. Jahre) – mit Werbung fast nur das Fernsehen. Dass ihnen auch
in anderen Medien (z. B. Radio, Zeitschriften, Internet, Kino)
1 ▶ http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kids-verbraucheranaly- Werbung begegnet, realisieren sie kaum, obwohl sie diese Me-
se-2013-die-kinder-entscheiden-selbst-was-sie-wollen-12399556.html, dien zum Teil sehr ausgiebig nutzen (Böhm-Kasper und Kom-
Abruf 27.8.2013. mer 1997; Henke 1999). Diese Befunde lassen Zweifel an der
320 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

Erwartung aufkommen, Kinder könnten wirklich durchgängig für das Produkt. Erst Jugendliche trennen hier schärfer, prüfen
1 Werbung vom eigentlichen Programm unterscheiden. die Werbung gleichsam auf ihre Einzelteile und finden Teile da-
Die nächste Facette der Medienkompetenz besteht in einer von gut, ohne dabei die anderen Teile auch zu meinen.
2 „kritischen Distanz zur Werbung“ (Nickel 1997, S. 132), oder Wie also ist dieser Aspekt der Medienkompetenz, die kriti-
besser allgemein: einer kritischen Distanz zu Medieninhal- sche Distanz zu den Inhalten, zu beurteilen? Es gibt bereits bei
ten insgesamt. Die Glaubwürdigkeit der Werbung stufen Kin- Erwachsenen den Befund, dass hohe Mediennutzung mit spezi-
3 der schon früh als gering ein. Schon ab dem Grundschulalter fischen Urteilsverzerrungen einhergeht: Personen, die sehr viel
zweifelt etwa ein Drittel der Kinder an der Glaubwürdigkeit der fernsehen, über- und unterschätzen Wahrscheinlichkeiten (z. B.
4 Werbung. Diese Haltung spiegelt meist die der Eltern wider. Sie die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Verbrechens zu werden oder
ist allerdings kein Kriterium für Gefallen. Auch unglaubwür- in einer Notsituation Hilfe zu erhalten) in einer Weise, die eher
5 dige Werbung gefällt, solange sie gut (z. B. witzig) gemacht ist die Fernsehrealität widerspiegelt (Gerbner et al. 1986). Dass dies
(Böhm-Kasper und Kommer 1997, S. 176). nicht etwa daran liegt, dass Personen, die ohnehin zu verzerrten
Ein psychologischer Blickwinkel zwingt auch in diesem Urteilen neigen, auch mehr fernsehen, zeigen experimentelle Be-
6 Punkt zu Differenzierungen. Zunächst einmal ist zu unterschei- funde von Iyengar und Kinder (1987) oder Shrum et al. (1998;
den zwischen der geäußerten kritischen Distanz und den tatsäch- siehe auch ▶ Abschn. 15.1.5).
7 lichen Wirkungen. Dass Kinder genauso wie Erwachsene sagen,
sie ließen sich von der Werbung nicht beeinflussen, kann nicht (Schädliche) Werbewirkung
weiter überraschen. Wir kennen dieses Phänomen beispielsweise Der vorangegangene Absatz stellt nicht nur die behauptete Medi-
8 als den Dritte-Person-Effekt (▶ Abschn. 10.2.2). Zudem wissen enkompetenz in Frage, sondern bietet auch ein erstes Beispiel für
wir, dass wir sehr häufig die tatsächlichen Einflüsse auf unser eine schädliche Wirkung des Medienkonsums. Diese Wirkungen
9 Verhalten nicht erkennen und sie sogar dann nicht anerkennen, sind zunächst nicht für Werbung spezifisch, sondern betreffen
wenn man sie uns nachweist (Nisbett und Wilson 1977). Ins- die Medienrezeption insgesamt. Hierunter fällt auch die Beein-
10 besondere ist es sehr unwahrscheinlich, dass Personen wirklich flussungswirkung durch Storytelling. Wie ▶ Kap. 15 ausführlich
glaubwürdig über eine eigene Einstellungsänderung berichten gezeigt hat, hilft es dem Rezipienten wenig, wenn er die Quelle
können (z. B. ▶ Abschn. 15.2.1 und 11.2). Insgesamt entspricht der Information korrekt als unglaubwürdig und die Information
11 also nicht einmal bei Erwachsenen die Selbstzuschreibung einer selbst als fiktiv erkennt. Was er von dieser Information über-
kritischen Distanz einer tatsächlichen Distanz. Warum dies bei nimmt und ob sie ihn beeinflusst, hängt von anderen Faktoren
12 Kindern anders sein soll, muss noch gezeigt werden. ab. Dies gilt nicht nur für Kinder.
Was verstehen Kinder überhaupt von der Werbung? Sie ge- Befunde zum Modelllernen zeigen zudem, dass die im Fern-
ben zwar an, dass sie die Beeinflussungsabsicht durchschaut ha- sehen beobachteten Verhaltensweisen von Kindern sehr wohl in
13 ben, aber bei detaillierterem Nachfragen zeigt sich, dass dieses das Verhaltensrepertoire aufgenommen werden. Ob das Verhal-
Verständnis noch auf sehr unsicheren Füßen steht. So wird von ten offen gezeigt wird, hängt davon ab, ob sich die Person davon
14 gut der Hälfte der befragten Kinder zwischen sechs und zwölf einen Vorteil verspricht (▶ Abschn. 10.1.5).
Jahren unabhängig vom Alter der Unterbrecherwerbung die Auch in einem gedächtnispsychologischen Sinne kann keine
15 Absicht unterstellt: „Damit man auch mal etwas anderes ma- Rede davon sein, dass Kinder Werbung und Marketinginforma-
chen kann.“ Auch andere nebensächliche Effekte der Werbung tion mit kritischer Distanz rezipieren. Nachweisen lässt sich eher
(z. B. „Damit Kinder etwas zu lachen haben“) werden von einer das Gegenteil: Das Alter, in dem eine Information gelernt wurde,
16 nicht unbeträchtlichen Zahl der angeblich aufgeklärten Kinder ist ein wichtiger Faktor bei der Erinnerungsleistung. Das gilt of-
(je nach Alter zwischen 21 und 53 %) als wesentliche Ziele der fenbar auch für Marken: Markennamen, die bereits in jungen
17 Werbung angesehen (Böhm-Kasper und Kommer 1997, S. 178, Jahren erlernt wurden, werden von Erwachsenen schneller und
Tab. 8). In der Untersuchung von Bijmolt et al. (1998) waren es zutreffender wiedererkannt als neuere Markennamen – unab-
immerhin rund 47 % der Kinder (zwischen fünf und acht Jah- hängig davon, wie häufig diese Namen im Alltag vorkommen
18 ren), die die Beeinflussungsabsicht korrekt erkannt haben. Die (Ellis et al. 2010).
anderen nannten entweder wenig relevante (13 %), völlig falsche Als Gründe für den Gedächtnisvorteil früh gelernter Infor-
19 (17 %) oder gar keine (23 %) Absichten, die sie dem Absender der mationen kommen unterschiedliche Erklärungen in Frage. Eine
Werbung unterstellten. besonders naheliegende Erklärung ist natürlich die Annahme,
20 Vollbrecht (1997, S. 70 f.) zitiert Befunde, nach denen Kinder dass uns Dinge, die wir früh im Leben lernen, im Laufe des Le-
nicht – wie Erwachsene – zwischen der Sympathie für einen Wer- bens auch häufiger wieder begegnen. Dadurch erhöht sich die
bespot und für das beworbene Produkt trennen. Für Erwachsene Anzahl der Reizbegegnungen, und das wiederum verbessert
21 ist es kein Problem, eine Werbung gut zu finden, ohne damit die Gedächtnisleistung. Wie Ellis et al. (2010) allerdings zeigen,
auch gleich das Beworbene zu meinen. So war zum Beispiel An- bleibt der Effekt auch für Marken erhalten, die es längst nicht
22 fang der 1990er Jahre die Kampagne von Camel mit niedlichen mehr gibt. Es sind also offenbar noch andere Gründe als nur die
Stoffdromedaren außerordentlich beliebt; sie war aber für den kumulierten Reizbegegnungen für den Gedächtnisvorteil früh
Konzern keineswegs erfolgreich und wurde bald wieder einge- gelernter Informationen verantwortlich.
23 stellt. Jüngere Kinder nehmen solche Trennungen noch nicht vor. Anders ausgedrückt: Kinder sind gegenüber Marketingin-
Wenn man sie fragt, warum sie eine bestimmte Werbung mögen, formationen besonders empfänglich, man könnte auch sagen
verbinden sie ihre Vorliebe für eine Werbung mit einer Vorliebe „vulnerabel“. Sie haben dieser Information nicht nur deshalb
16.4 • Altersunterschiede
321 16

nichts entgegenzusetzen, weil sie sie nicht angemessen bewerten bessere Angebot zu sein. Interessanterweise blieben die Kinder
können, sondern auch weil sie diese Informationen besonders allerdings auch dann bei ihrer Wahl, wenn die Versuchsleiter ih-
gut encodieren. nen den Preis ausrechneten und die Kinder relativ leicht feststel-
Freilich sind die Vorstellungen, die Kinder von Marken ent- len konnten, dass sie mit 60 % Nachlass mehr Geld übrig behalten
wickeln, noch sehr konkret und hängen eher an Merkmalen wie würden. Auf diesen Effekt hatte das Alter keinen Einfluss: Auch
Farbe oder Form eines Produkts. Abstraktere Markenkonzepte, ältere Kinder bevorzugten „zwei zum Preis von einem“, wenn
bei denen zum Beispiel auch die Imagewirkung der Marke auf ihnen der prozentuale Rabatt vorgerechnet wurde. Die Kinder
den Benutzer berücksichtigt wird, entwickeln sich tendenziell wendeten also keine der ihnen eigentlich bekannten Rechenre-
erst im Jugendalter (ab etwa 14 Jahren; Achenreiner und Roed- geln an – bis auf die einfache Einsicht, dass sie in einem Fall „zwei
der-John 2003). zum Preis von einem“ bekommen …
Dass sich kindliches Denken erst allmählich und über ver- Die bisher diskutierten Wirkungen von Werbung und Mar-
schiedene Entwicklungsstufen vom Konkreten zum Abstrakten keting muss man nicht unbedingt alle als „schädlich“ bezeich-
und Formalen entwickelt, ist eine grundsätzliche, fast schon nen. Das folgende Beispiel belegt dagegen einen unzweifelhaf-
triviale Erkenntnis der Entwicklungspsychologie (z. B. Mon- ten Schaden: Werbung ist mit Sicherheit daran beteiligt, wenn
tada 2002). Dies bedeutet nicht nur, dass Markenidentitäten für Kinder (die Werbung rezipieren) sich ungesund ernähren. Dies
Kinder noch weitgehend an Merkmalen festgemacht werden, die zeigen Harris et al. (2009) mit einer Priming-Prozedur: Sie prä-
unmittelbar wahrnehmbar sind. Kinder haben zudem Schwierig- sentierten Kindern im Alter von durchschnittlich neun Jahren
keiten, Kenntnisse und Fertigkeiten, die sie in einem bestimmten einen Trickfilm, in den entweder Werbung für Snacks oder
Kontext erlernt haben, auf einen anderen zu übertragen. Dies für andere Nahrungsmittel montiert war. Die Präsentation der
macht sie besonders anfällig für eine Reihe von Marketing­ Snackwerbung erhöhte den nachfolgenden Konsum kalorien-
strategien, zum Beispiel Preisreduktionen und Sonderangebote. intensiver Cracker um durchschnittlich 45 %. In einer Variante
Generell achten Kinder zwar wenig auf Preise. Wenn aber nied- des Experiments mit erwachsenen Probanden wurde durch den
rige Preise und Sonderangebote besonders hervorgehoben wer- Werbe-Prime gegenüber einer Kontrollbedingung ebenfalls ein
den, registrieren dies bereits Sechs- bis Siebenjährige als einen erhöhter Konsum erzeugt. Die bloße Präsentation von Essen in
positiven Aspekt und sind eher bereit, dieses Produkt zu kaufen der Werbung löst also – in anderen Kontexten – einen erhöhten
(Boland et al. 2012). Allerdings reagieren Kinder dabei in der Tat Nahrungsmittelkonsum aus. Dieser Effekt war unabhängig da-
nur auf die Tatsache des Sonderangebots bzw. auf die Hervorhe- von, ob die Werbung bewusst erinnert wurde oder wie hungrig
bung durch die Werbung, nicht aber auf den tatsächlichen Preis. die Probanden waren.
Kinder berücksichtigen keineswegs, wie viel ein Produkt wirklich Der Zusammenhang zwischen Fehlernährung und Medi-
kostet, wenn es „20 % reduziert“ ist. Sie registrieren eben nur, enkonsum ist ohnehin gut gesichert (für einen Überblick vgl.
dass es reduziert bzw. in der Werbung hervorgehoben ist. Dies z. B. Bak 2010). Die Experimente von Harris et al. (2009) belegen
gilt auch für ältere Kinder (zwischen elf und 13 Jahren), die in der allerdings, dass die Werbung kausal an diesem Zusammenhang
Schule bereits die nötigen mathematischen Prozeduren erlernt beteiligt ist. Übrigens sind auch andere negative Effekte des Me-
haben. Der Grund hierfür liegt darin, dass Kinder Fähigkeiten in dienkonsums auf Kinder gut belegt, so etwa zwischen Aggres-
dem einen Bereich nicht ohne Weiteres auf einen anderen über- sivität und Mediengewalt sowie zwischen Fernsehkonsum und
tragen. Wer in der Schule für seine Prozentrechnung gute Noten der Höhe des Bildungsabschlusses (Bak 2010). Je mehr Kinder
erhält, berechnet deshalb nicht unbedingt Preise korrekt. Diese und Jugendliche fernsehen, desto geringer sind ihre Chancen
Beobachtung gilt auch umgekehrt: In unterschiedlichen Untersu- auf einen Hochschulabschluss, und desto höher ist ihr Risiko,
chungen zeigte sich, dass Kinder zwischen neun und 15 Jahren, die Schule noch vor einem Abschluss zu verlassen (Hancox et al.
die ihr Geld als Straßenverkäufer verdienten, verhältnismäßig 2005). Dieser Zusammenhang lässt sich natürlich nur deskrip-
komplizierte mathematische Operationen ausführen konnten, tiv zeigen, er ist also möglicherweise nicht kausal. Sehr nahelie-
wenn es dabei um einen Verkauf ihrer Ware ging, nicht aber in gende Konfundierungen kann man allerdings ausschließen. Es
abstrakter Form oder in einem anderen Kontext (für einen Über- ist zwar korrekt, dass weniger intelligente und sozial auffällige
blick vgl. Boland et al. 2012, S. 274). Kinder sowie Kinder aus Familien mit geringerem sozioökono-
Boland et al. (2012) gaben Kindern zwischen sechs und elf mischem Status tendenziell auch mehr fernsehen. Allerdings ist
Jahren in ihren Experimenten 50 Cent, die sie entweder behalten der Zusammenhang zwischen niedrigem Bildungsabschluss und
oder für kleine Güter (z. B. Schlüsselanhänger oder Stifte) ausge- Fernsehkonsum nicht auf diese Faktoren reduzierbar: Auch wenn
ben durften. Wenn diese Güter zu einem Sonderpreis angeboten man Schicht- und Intelligenzunterschiede herausrechnet, sinken
wurden, kauften die Kinder häufiger. Dies spricht bereits dafür, immer noch die Chancen auf eine hohe Ausbildung mit jeder
dass sie Sonderangebote beachten und als Verkaufsargument Stunde Fernsehen (Hancox et al. 2005).
heranziehen. Allerdings war die Form des Angebots bedeutsam: Nickels Hinweis, Menschen seien keine Pawlow’schen Hunde,
Besonders beliebt war das Angebot „zwei zum Preis von einem“, muss wohl ebenfalls relativiert werden (Nickel 1997). In ▶ Kap. 3
das auch dann bevorzugt wurde, wenn den Kinder stattdessen wurden Belege dafür angeführt, dass etliche Mechanismen, die
eine Reduktion von 60 % angeboten wurde. sich auf die Pawlow’sche Versuchsanordnung beziehen, auch
Es ist einfacher, sich zwei Produkte zum Preis von einem beim Menschen gelten. Signallernen, evaluatives oder operantes
vorzustellen, als 60 % vom Kaufpreis abzuziehen, und so hat die Konditionieren sind elementare Bestandteile unseres Verhaltens,
einfachere mathematische Operation den Anschein erweckt, das ihre Wirksamkeit kann kaum bestritten werden. Dass sie die ein-
322 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

zigen Bestandteile des Verhaltens seien, hat niemand behauptet, (JMStV) vor, der seit dem 1. April 2003 in Deutschland in Kraft
1 weder vom Menschen noch vom Hund! Dies ist allerdings kein ist. Eine Novellierung dieses Vertrags ist 2010 an Uneinigkeit
Anlass, das Glöckchen für unwirksam zu erklären – weder beim über die Kennzeichnung von Internetinhalten gescheitert. In
2 Menschen noch beim Hund (vgl. auch Felser 2007). diesem Staatsvertrag ist unter anderem vorgesehen, dass Wer-
Wie gesagt: Die genannten Befunde beziehen sich nur zum bung für Kinder keine direkten Kaufappelle enthalten darf (z. B.
Teil spezifisch auf Werbung. Viele gelten für den Medienkonsum „Holt euch den XY“). Auch darf die Werbung nicht dazu auf-
3 ganz allgemein. Allerdings wird man angesichts dieser Befund- fordern, sich etwas zu wünschen, oder den Eindruck erwecken,
lage sicher nicht behaupten können, dass negative Effekte von das Produkt sei geeignet, die eigene Attraktivität und Beliebtheit
4 Konsumwerbung auf Kinder nicht nachweisbar seien. zu steigern. Schließlich dürfen Kinder in Medien und Werbung
nicht ohne berechtigten Grund in gefährlichen Situationen ge-
Konsumkompetenz
5 zeigt werden (Ukrow 2004).
„Kinder sind unberechenbar. Aber sie wissen, was sie wollen.“ Auch die Selbstregulierung der Unternehmen ist ein wich-
Mit dieser Aussage wirbt der Bastei-Verlag als Werbeträger um tiger Faktor bei der Wirkung von Werbung auf Kinder – oder
6 Werbekunden, die an der Zielgruppe „Kinder“ interessiert sind auch bei deren Ausbleiben: So reagierte zum Beispiel 2007 Mas-
(zit. in Felser 1994). Der Gedanke hinter einer solchen Behaup- terfoods, Hersteller von Mars oder Snickers, auf Befunde zu zu-
7 tung ist natürlich, Kinder als Zielgruppe der Werbung aufzuwer- nehmendem Übergewicht und Fehlernährung bei Kindern und
ten, sie in gewissem Sinne „reifer“ darzustellen, als sie scheinen. stellte seine Werbung für Kinder generell ein (Pressemitteilung
Es ist vielleicht nicht exakt das, was Nickel (1997) oben in seiner vom 5.2.2007; ▶ http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unterneh-
8 dritten These mit Konsumkompetenz meint – er folgert diese men/521183.html, Abruf 25.3.2007; siehe auch Foodwatch 2013).
Kompetenz aus der Bereitschaft der Kinder, Geld zu sparen. In Solche selbstdisziplinierenden Maßnahmen sollen gesetzlichen
9 der Tat ist die Fähigkeit, sich unmittelbare Gratifikationen zu ver- Regelungen zuvorkommen und damit natürlich auch zeigen, dass
sagen und aufzuschieben, sehr wichtig. Sie bewahrt nicht nur vor eine Regulierung durch den Gesetzgeber nicht erforderlich ist.
10 unerfreulichen Nebeneffekten eines unkontrollierten Konsums, Gegen diese optimistische Annahme sprechen allerdings Beob-
sondern scheint auch sonst mit dem Erfolg im Leben zusam- achtungen von foodwatch, die 2013 den „Goldenen Windbeutel“
menzuhängen (z. B. Shoda et al. 1990; siehe auch ▶ Abschn. 5.4). für die dreisteste Werbemasche gegenüber Kindern ausschrieb.
11 Insofern ist Nickel (1997) zuzustimmen, dass Sparen in der Tat Nominiert waren hierfür unter anderem Capri Sonne (von Wild/
ein Beleg für Konsumkompetenz ist. Sisi-Werke), Paula (Dr. Oetkers) oder Monsterbacke Knister
12 Ich möchte hier noch ein anderes Verständnis für Konsum- (Ehrmann). „Gewonnen“ hat mit großem Abstand Capri Sonne
kompetenz ergänzen: Wenn es heißt, Kinder wüssten, was sie für ein besonders aggressives Marketing direkt gegenüber Kin-
wollen, wird ja auch damit eine gewisse „Reife“ unterstellt, die dern: Nicht nur mit klassischer Fernsehwerbung, „im Internet,
13 man hinterfragen kann. Wissen Kinder wirklich, was sie wollen? Fernsehen, in der Schule, bei Sportveranstaltungen und sogar als
Kinder „wollen“ bei ihren Produktwünschen oft nur be- Kinderbetreuer in Ferienanlagen.“ (▶ http://www.foodwatch.org/
14 stimmte Aspekte des Gutes und blenden – mehr als Erwachsene de/informieren/kinderernaehrung/aktuelle-nachrichten/capri-son-
– andere Aspekte aus, zum Beispiel den Preis (McNeal 1992; ne-erhaelt-goldenen-windbeutel-2013/, Abruf 6.12.2014).
15 Ward et al. 1977; beide zit. n. Boland et al. 2012, S. 274). Es ent- Insgesamt ist aus einem psychologischen Blickwinkel offen-
spricht der kindlichen Wahrnehmung, dass nur in Auszügen bar nur einem Teil der zehn Thesen von Nickel zuzustimmen.
erfasst wird, was für ein Gut eigentlich begehrt wird. Dies ist Medienkompetenz und kritische Distanz zu Medieninhalten
16 freilich nicht unbedingt ein Argument dafür, dass Kinder „wis- sind bereits für Erwachsene hoch problematische Argumente,
sen, was sie wollen“. um damit die „Unbedenklichkeit“ der Werbung zu belegen. Wel-
17 Eines der wichtigsten Kriterien dafür, dass ein Mensch weiß, che Schlüsse hieraus zu ziehen sind, hängt zum Teil davon ab,
was er will, ist seine Zufriedenheit, wenn er es hat. Wenn wir inwieweit man Nickel darin folgt, dass Kinder in der heutigen
jemandem bescheinigen: „Du weißt nicht, was du willst“, dann Zeit sehr viel früher wie Erwachsene behandelt werden sollen, als
18 geschieht das oft in der Situation, in der die Person mit dem zu- das zur Zeit unserer eigenen Kindheit der Fall war. Diesen Punkt
vor so sehr begehrten Zustand letztlich doch nicht zufrieden ist. möchte ich hier bewusst offenlassen und nur in ▶ Exkurs 16.2
19 Es ist ein alltägliches Phänomen, dass Menschen sich darüber kurz ansprechen.
irren, was sie letztlich zufriedenstellt. Ich habe dieses Phänomen Sicher ist aber auch, dass etliche Einwände gegen Nickels
20 ausführlich in ▶ Abschn. 12.2 diskutiert. Übrigens korrespon- Thesen im Grunde nicht für Kinder spezifisch sind. Die Wirkung
dieren mit dieser Differenzierung auch unterschiedliche Hirn­ von Storytelling oder Priming ist bei Erwachsenen sehr ähnlich,
strukturen, die einerseits für wanting und andererseits für liking und in den ▶ Kap. 20 und 21 stelle ich Befunde vor, denen zufolge
21 zuständig sind (z. B. Berridge 2009; Winkielman und Berridge auch Erwachsene bei der Bewertung von Preisen eklatante Fehler
2003). Die Forschung zu dieser Frage zeigt eindrucksvoll, dass begehen, etwa indem sie einfache Prozentrechnung nicht richtig
22 häufig nicht einmal Erwachsene wissen, was sie wollen. Dass das anwenden (z. B. Kruger und Vargas 2008).
für Kinder wesentlich anders ist, muss erst noch gezeigt werden. Die Folgerungen hieraus sind daher nicht in erster Linie, dass
Mathematikkenntnisse besser geschult werden sollten: Es ist zwar
23 Gesetzliche und selbstdisziplinäre Regulierung richtig, dass mangelhafte „Transferleistungen“ typisch kindlich
Eine gesetzliche Norm für den Umgang mit Kindern in der sind, aber letztlich bleibt die Neigung zu einigen zentralen Fehl-
Werbung liegt in Form des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages leistungen bis ins Erwachsenenalter erhalten. Insofern scheint
16.4 • Altersunterschiede
323 16

Exkurs 16.2  Philosophische Argumentation  |       | 


Die Debatte um Kindheit und Werbung bezieht der Erzieher, Wünsche und Emotionen der wenn nun Werbung eine materialistische
häufig eine Diskussion um Werte und Moral Zöglinge zu bilden. Werthaltung weder verursacht noch auch nur
mit ein und wird in diesem Sinne also philo- Mit dieser Position gehen in der Regel eine stützt (zumindest Letzteres ist als Vorausset-
sophisch. Eine Tatsache danach zu bewerten, Reihe weiterer Annahmen einher. Die ein- zung schon ziemlich unplausibel; vgl. auch
ob sie gut oder schlecht sei, ist ein Merkmal fachste davon ist, dass Kinder, und seien es Shrum et al. 2005), könnte man sie trotzdem
philosophischer Diskussionen. Ein anderes auch die „Kids von heute“, keineswegs wissen, verurteilen als ein Statement zu Gunsten einer
besteht darin, den prinzipiellen und von Fakten was sie wollen, und dass gerade das Wollen dysfunktionalen Werthaltung.
unabhängigen Status mancher Argumente ein Gegenstand der Bildung ist. Eine andere, Ein weiterer kritischer Punkt bei der Wer-
deutlich zu machen. Für beides ein Beispiel: weniger einfache ist die, dass es Kriterien bung vor Kindern besteht in der Haltung der
Manche Kritiker der Werbung vor Kindern für das gute und richtige Wollen gibt und es Werbungtreibenden (vgl. Felser 1994): Diese
könnten vielleicht akzeptieren, dass heutige somit keineswegs in das Belieben der Erzieher werben ja gezielt um die Kinder und mischen
Kinder „erwachsener“ sind, als sie selbst im gestellt ist, zu welchen Präferenzen ein Kind sich so in die Erziehung ein. Das Wohl des
gleichen Alter waren, dies aber bedauerlich, erzogen werden soll. Nach dieser Idee kann Zöglings – die entscheidende Legitimation
schlecht und änderungsbedürftig finden. In man ein Kind durchaus falsch erziehen, indem erzieherischen Handelns – strebt die Werbung
der Tat ergibt sich ja aus der Tatsache, dass man bei ihm die falschen Wünsche fördert und allenfalls akzidentell an, das wesentliche Ziel
eine Sache so ist, nicht, dass sie so sein soll. die richtigen unterdrückt. ihres Handelns ist ein anderes. Werbung vor
Andere Kritiker könnten vielleicht dazu nei- Nickel (1997; siehe oben Punkt 7) betont, dass Kindern ist auch nicht gleichzusetzen mit den
gen, bei Kindern grundsätzlich mehr auf die bislang noch nicht nachgewiesen wurde, dass meisten Medienangeboten, an denen Kinder
Beeinflussbarkeit Rücksicht zu nehmen als bei Werbung Kindern schade. Problematisch ist an ihre Medienkompetenz üben können. Letztere
Erwachsenen, obwohl die letzteren durchaus dieser Position nicht nur, dass sich sehr wohl sind dem zuzuordnen, was Pädagogen zur
auch kindliche Eigenschaften haben könnten. ein Schaden nachweisen lässt (siehe oben) Unterscheidung von der intentionalen eine
Auch wenn es Erwachsene geben mag, die oder dass ungeklärt ist, wann man genau funktionale Erziehung nennen. Damit sind
beeinflussbarer sind als Kinder, seien nach von einem „Schaden“ sprechen sollte. Man all jene Umwelteinflüsse gemeint, die einen
dieser Position die Kinder mehr zu schützen. kann auch fragen, ob ein Verhalten, das einen erzieherischen Einfluss ausüben, ohne mit der
Begründen lässt sich diese Haltung damit, dass Schaden zwar nicht instrumentell herbeiführt, Absicht der Erziehung eingesetzt worden zu
die Beeinflussbarkeit von Kindern im Unter- expressiv aber sozusagen diesen Schaden als sein – wie zum Beispiel der Mann, der ohne
schied zu Erwachsenen kein bloßer Zufall ist. Ziel vorstellt, nicht ebenfalls fragwürdig und erzieherische Absicht bei Rot über die Ampel
Die Tatsache, dass die Kinder „erwachsene“ schädlich ist. geht und dadurch für das beobachtende Kind
Merkmale besitzen, berührt in diesem Sinne Erhöhter kindlicher Werbekonsum hängt zum funktionalen Erzieher wird. Werbung, die
ihre größere Schutzwürdigkeit kaum. nachweislich zusammen mit einer erhöhten sich nicht explizit an Kinder richtet, ist ähnlich
Auch andere Argumente und Werte werden Bereitschaft, materialistischen Werten zuzu- zu beurteilen wie andere funktionale Erzieher
typischerweise eher in einer philosophischen stimmen (Goldberg et al. 2003). Materialis- auch. Werbung im Kinderprogramm mischt
Diskussion aktiviert, so etwa die Frage, wie mit mus als Wertvorstellung seinerseits hängt sich dagegen beim besten Willen nicht mehr
kindlichen Präferenzen umgegangen werden mit geringerem allgemeinen Wohlbefinden beiläufig und unbeabsichtigt in die Erziehung
soll oder, allgemeiner, was gute Erziehung auch noch im Erwachsenenalter zusammen ein. Sie muss strenger beurteilt werden als
ist. Eine Position, die bereits auf die Antike (Bak 2011; Burroughs und Rindfleisch 2002; funktionale Erzieher, hat aber gleichzeitig nicht
zurückgeht, besagt, es sei gerade die Aufgabe Kasser 2002; Richins und Dawson 1992). Auch die Legitimation echter intentionaler Erzieher.

es sinnvoller zu sein, Kenntnisse über diese Fehlleistungen und ausgeben als jüngere, allein schon weil viele Kostenfaktoren (z. B.
über die Mechanismen von Entscheidungen und deren Beein- Hauskredit, Ausbildung der Kinder) im höheren Alter wegfal-
flussung zu vermitteln – im Grunde natürlich an Kinder wie an len. Trotzdem steigen die Konsumausgaben nicht im erwartbaren
Erwachsene. Eine Sonderrolle bekommen Kinder dabei natürlich Ausmaß mit dem Lebensalter an (Hurd und Rohwedder 2010).
schon (▶ Exkurs 16.2). Menschen geben also im höheren Lebensalter nicht durchweg
mehr Geld aus – und wofür sie es ausgeben, ändert sich eben-
falls. Nicht alle diese Veränderungen sind überraschend: Offen-
16.4.2 Über 50-Jährige als Zielgruppe bar nehmen die Ausgaben für Essen mit dem Alter ab, die für
für Marketing und Werbung Gesundheit dagegen zu. Interessant erscheint die Beobachtung,
dass Ausgaben für Reisen und Urlaub ebenfalls mit höherem
Das Lamento, dass ältere Konsumenten in der Werbung zu wenig Alter geringer werden. Allem Anschein nach bilden reiselustige
angesprochen würden, ist genauso verbreitet wie die nachdrück- Senioren immer noch eher eine Ausnahme (zumindest gilt dies
liche Erinnerung, dass diese Altersgruppe eine besonders loh- für Studien aus den USA; Hurd und Rohwedder 2010).
nende Zielgruppe ist. Die Kaufkraft älterer Menschen liegt nach Eine zunehmende Bedeutung erhält mit dem Alter auch das
Angaben des statistischen Bundesamtes deutlich über dem der Thema „Schenken“ und – mit weiterer Perspektive – „Vererben“
Durchschnittsbevölkerung (zit. n. Gleich 1999b, S. 301). Zudem Menschen wollen durch das, was sie hinterlassen, Bedeutung,
haben ältere Menschen in der Regel positive Einstellungen zum Sinn oder Emotionen weitergeben (Curasi et al. 2010). Hierin
Konsum und entwickeln ein zunehmendes Marken- und Qua- zeigen sich zwei wichtige Aspekte des höheren Lebensalters: Zum
litätsbewusstsein (laut einer Umfrage der Werbeagentur Grey, einen wächst mit dem Alter die Bedeutung sozialer Beziehun-
Düsseldorf; zit. n. Gleich 1999b, S. 303). gen, insbesondere unter einem emotionalen Aspekt (Drolet et al.
Ältere Konsumenten können relativ zu ihrem Einkommen 2010). Diese Beziehungen über Geschenke zu pflegen, befriedigt
meist sehr viel mehr Vermögen für den persönlichen Konsum daher sicher ein Bedürfnis, das im Alter zunimmt. Außerdem
324 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

ist die Weitergabe persönlich bedeutsamer Gegenstände, die ja dominiert hierbei und erfüllt wichtige Informations- und sozi-
1 oft schon zu Lebzeiten beginnt, auch eine Form der Generativi- ale Funktionen. Senioren präferieren zwar die öffentlich-recht-
tät, vielleicht auch eine Methode, der Endlichkeit der eigenen lichen gegenüber den privaten Sendern, sie sind aber insgesamt
2 Existenz zu begegnen – indem nämlich Menschen, die einem der Werbung aufgeschlossener als jüngere Personen (laut einer
wichtig sind, Gegenstände von persönlicher Bedeutung besitzen Umfrage der Gong-Gruppe; zit. n. Gleich 1999b, S. 305).
und werthalten. Trotz der hohen Kaufkraft und der positiven Haltung gegen-
3 Dank ihrer ausgiebigen Mediennutzung (durchschnittlich se- über Werbung und Konsum wird nach einer verbreiteten Ein-
hen über 50-Jährige täglich mehr als vier Stunden fern) sind ältere schätzung die ältere Zielgruppe von der Werbewirtschaft noch
4 Konsumenten verhältnismäßig gut zu erreichen. Sie sind allerdings immer vernachlässigt (z. B. Drolet et al. 2010; Jaeckel 1998; zit. n.
als Zielgruppe vergleichsweise inhomogen. Dies ergibt sich schon Gleich 1999b, S. 305). Es fragt sich, welche inhaltlich-psychologi-
5 aus der einfachen Überlegung, dass Persönlichkeitsunterschiede schen Gründe hierfür verantwortlich sind. Gleich (1999b, S. 306)
spätestens nach dem dritten Lebensjahrzehnt relativ stabil sind, je-
denfalls im Alter nicht geringer werden (Roberts und DelVecchio
-
nennt die folgenden:
Furcht um die Akzeptanz von Marken durch die jüngeren

-
6 2000), und alle Personunterschiede, die auf Lebenserfahrung, also Zielgruppen,
auf Umwelteinflüsse zurückgehen, über die Zeit anwachsen. Inso- Erwartung, dass ältere Menschen in ihren Markenpräferen-
7 fern dürfte es problematischer sein, Senioren „über einen Kamm zen ohnehin schon zu festgelegt und durch Werbung nicht

8
zu scheren“ als zum Beispiel Kinder oder Jugendliche.
Wie also lassen sich ältere Personen kategorisieren bzw. seg-
mentieren? Eines der nächstliegenden Merkmale ist das Alter - anzusprechen seien,
mangelndes Einfühlungsvermögen der Produktmanager
und Werbemacher in ältere Menschen bzw. zu starke Ori-

9
10
selbst, etwa 50-, 60-, 70-Jährige und so fort. Diese Einteilung lässt
allerdings unberücksichtigt, dass sich gerade ältere Menschen
in der Regel subjektiv nicht dem Alter zurechnen, das sie laut
Geburtsdatum haben. Die meisten älteren Personen fühlen sich
- entierung an der eigenen, meist jungen Kohorte,
insgesamt ein negatives Altersstereotyp.

Dieses negative Bild des alten Menschen wird freilich von der
jünger, als sie sind. Dies hat starke Konsequenzen für die Frage, Werbung selbst ausgiebig gepflegt. Nur selten treten in Anzeigen
mit wem sich Senioren vergleichen, wer für sie als relevante Be- und Spots ältere Personen als Identifikationsfiguren auf. In einer
11 zugsgruppe und somit auch als Modell in der Werbung in Frage Analyse von 1998 (zit. n. Gleich 1999b, S. 306) haben ältere Men-
kommt (Schmitz 1998). schen in der Werbung mehrheitlich die Rolle von Witzfiguren
12 Andere mögliche Segmentierungskriterien basieren auf den oder Großeltern. Eine Expertenfunktion wurde ihnen nur sehr
Phasen im Lebenszyklus (z. B. Kinder aus dem Haus, Ruhestand, selten zugeschrieben. Häufig thematisiert würden dabei Defi-
Verwitwung) oder Einstellungen und Werthaltungen (Arbeitse- zite des Alters und Hilfsbedürftigkeit. Ein anderes Thema, der
13 thos, Freizeit- und Genussmentalität, Risikobereitschaft; Gleich „Generationenvertrag“ bzw. die Verantwortung der jüngeren für
1999b, S. 302). In der Alternsforschung hat sich die socioemo- die ältere Generation, ist ebenfalls nicht immer dazu angetan,
14 tional selectivity theory bewährt (Carstensen und Mikels 2005; positive Assoziationen zum Alter zu verstärken. Es kann daher
Drolet et al. 2010), die davon ausgeht, dass persönliche Ziele vom nicht verwundern, dass die Mehrzahl der älteren Zuschauer
15 subjektiven Zeithorizont abhängen, so dass über den Lebenszyk- meint, Werbung richte sich nicht an Menschen ihres Alters (zit.
lus hinweg unterschiedliche Ziele bedeutsam werden. Ich werde n. Gleich 1999b, S. 307).
weiter unten wichtige Folgerungen aus dieser Theorie aufgreifen. Die tatsächlichen Senioren fühlen sich dem negativen Al-
16 Wichtig ist hier, dass die Vorhersagen dieser Theorie nur mittel- tersbild durchaus nicht ähnlich. Wie oben schon angedeutet,
bar das Lebensalter betreffen: Entscheidend ist vielmehr – wie fühlen sich ältere Menschen in der Regel deutlich jünger, als ihr
17 gesagt – die subjektive Zeitperspektive, das heißt die subjektive chronologisches Alter nahelegt. Begriffe, die Altsein implizieren,
Restlebenszeit, die natürlich auch unabhängig vom Alter variiert. wenden Senioren nur sehr selektiv auf sich selbst an (z. B. Thimm
In der Zielgruppe der älteren Konsumenten konkurrieren 1998). Trotzdem erfüllt das negative Stereotyp auch für die Seni-
18 unterschiedliche Typologien, die mit attraktiven Schlagworten oren eine wichtige Funktion, nämlich als eine Art Negativfolie,
die modernen Senioren beschreiben, dabei aber nicht selten den von der sich die eigene Person entschieden abhebt. „Alt“ sind
19 Eindruck erwecken, ältere Konsumenten stürzten sich sämtlich für viele Senioren vor allem andere, und dass man selbst jung
voller Schwung und mit locker sitzendem Geldbeutel in die geblieben ist, zeigt sich eben im Vergleich mit diesen stereoty-
20 Freuden des modernen Konsums. Es bleibt aber zu betonen: Die pen Alten (vgl. auch Schmitz 1998). Auch diese Kontrastfunktion
Segmentierung wird letztlich darauf hinauslaufen, dass nur ein mag somit ein negatives Altersbild zementieren.
Teil der älteren Konsumenten als Zielgruppe attraktiv ist. Etli- Die objektiven Gegebenheiten des Alters würden dagegen
21 che Lebensstile älterer Menschen sind von „Zurückgezogenheit, eine durchaus positivere Sicht erlauben. Zwar sind mit dem Alter
Inaktivität, Konservatismus, Resignation etc.“ (Gleich 1999b, nachlassende körperliche Fähigkeiten nicht zu leugnen. Im kog-
22 S. 303) geprägt. Außerdem stimmt das Selbstbild der Älteren, nitiven Bereich jedoch lassen die Fähigkeiten älterer Menschen
das vielfach Aufgeschlossenheit und Konsumfreude signalisiert, oft kaum bzw. erst sehr spät nach. Intelligenzleistungen, die auf
nicht immer mit dem alltäglichen Verhalten überein, das noch angesammeltem Wissen beruhen, bleiben mit dem Alter stabil,
23 immer sehr von Routinen bestimmt wird. ebenso wie bestimmte Gedächtnisleistungen (z. B. das gestützte,
Zum Alltagsverhalten der Senioren zählt allerdings, wie oben nicht aber das freie Erinnern; Sorce 1995; zit. n. Gleich 1999b,
gesagt, eine besonders intensive Mediennutzung. Das Fernsehen S. 308 f.). Neuere Forschungen zum Bewältigungsverhalten be-
16.4 • Altersunterschiede
325 16

legen, dass ältere Menschen im Umgang mit Problemen zuneh- tezehrende Arm- und Beinmanschetten nachlassende Kraft und
mend flexibler werden. So zeigen ältere Personen eine stärkere eingeschränkte Beweglichkeit sowie durch Schallschützer am Kopf
Bereitschaft als jüngere, sich an unangenehme Lebensumstände nachlassendes Hörvermögen zu simulieren“ (Gleich 1999b, S. 309).
anzupassen und sich angesichts nicht lösbarer Probleme neu zu Die oben zitierten Befragungen lassen deutlich erkennen,
orientieren (Brandtstädter und Renner 1990). Solche nachge- dass Senioren vor allem die Informationsfunktion der Werbung
wiesenen Merkmale des höheren Lebensalters sind im Prinzip bevorzugen. Hierauf sollte in der Gestaltung ein deutlicher Ak-
durchaus geeignet, ein negatives Altersstereotyp zu untergraben. zent gesetzt werden. Eine tendenziell eher sachliche Gestaltung
Die höhere Anpassungsbereitschaft älterer Menschen hat empfiehlt sich auch aus anderen Gründen: Mit dem Alter lässt bei
auch konsumentenpsychologische Implikationen. So hält sich den kognitiven Aufmerksamkeitsfunktionen vor allem die Hem-
zwar hartnäckig das Gerücht, ältere Konsumenten würden starr mung irrelevanter Information nach (Hasher und Zacks 1988;
an ihren Einkaufsgewohnheiten festhalten (vgl. auch Kölzer 1995). vgl. auch Bieri et al. 2006; sie auch ▶ Abschn. 5.3.1). Dies hat eine
Dem widersprechen allerdings Befunde, nach denen ältere Konsu- höhere Ablenkbarkeit zur Folge; die Informationsverarbeitung
menten durchaus bereit sind, Marken zu wechseln, und jedenfalls älterer Menschen wird also durch ablenkende Elemente stärker
nicht wesentlich geringere Variabilität in ihrer Produktwahl haben beeinträchtigt als bei jüngeren.
als jüngere (Uncles und Ehrenberg 1990). Möglicherweise lassen Auch der Aufbau von Assoziationen ist im Alter einge-
sich vermeintliche Widersprüche in den Befunden zur Marken- schränkt (für einen Überblick vgl. Bieri et al. 2006). So sind zum
treue dadurch auflösen, dass man die altersspezifische Flexibilität Beispiel ältere Probanden schlechter konditionierbar als jüngere
stärker berücksichtigt. Wenn behauptet wird, ältere Menschen (LaBar et al. 2004). Allerdings bestehen die Unterschiede vor
seien flexibel, dann ist damit nicht gemeint, dass sie impulsiv allem in den bewusst ablaufenden Teilen der Lernprozesse: La-
auf Außenreize reagieren und sprunghaft handeln. Flexibilität ist Bar et al. (2004) zeigen, dass die alterskorrelierten Effekte beim
hier vielmehr als Anpassungsbereitschaft zu verstehen, die vor al- klassischen Konditionieren vor allem auf Einbußen im dekla-
lem dann gefragt ist, wenn Hindernisse vor Zielen auftreten und rativen, dem bewussten Teil des Gedächtnisses zurückgehen.
Handlungspläne zu scheitern drohen (Brandtstädter und Renner Wie es scheint, sind aber implizite und unbewusst ablaufende
1990). Nach dieser Idee ist die Bereitschaft zum Markenwechsel Assoziationsprozesse weniger durch Alterung beeinträchtigt (vgl.
bei älteren Konsumenten besonders dann hoch, wenn das Ge- auch Bieri et al. 2006). Ähnliche Befunde legen Ramponi et al.
wohnte nicht zu haben ist. Ältere Konsumenten laufen eben nicht (2004) vor. Sie zeigen, dass ältere Probanden keine schwäche-
mehr meilenweit für ihre Marke (vgl. auch Felser 2006). ren Gedächtnisleistungen zeigen, wenn das Material nicht unter
Wie also sollte mit älteren Menschen in Werbung und Mar- einer Gedächtnisinstruktion encodiert wurde, sondern mit der
keting umgegangen werden? Zunächst ist sicher nicht zu fordern, Aufforderung, die Silbenzahl zu beurteilen. Nach einer solchen
anstelle jugendlicher Modelle nun Greise einzusetzen. Wenn- Encodierungsepisode waren die Erinnerungsleistungen älterer
gleich das Durchschnittsalter der dargestellten Person durchaus Probanden in einem Priming-Experiment nicht schlechter als
steigen darf, ist doch nicht zu erwarten, dass Senioren, die sich die von jüngeren (solange zwischen Prime und dem abgefragten
im Schnitt 14 Jahre jünger fühlen, als ihr chronologisches Alter Begriff auch eine enge semantische Beziehung bestand).
ausweist, Wert auf Identifikationsfiguren in ihrem tatsächlichen Die Gedächtniseinbußen im Alter sind bei freiem Erinnern
Alter legen. Noch weniger wünschen sich ältere Personen „Ghet- deutlich größer als bei gestützter Erinnerung. Man darf erwarten,
toprodukte“ nur für Senioren (Gleich 1999b, S. 309). dass bei hinreichender Ausstattung mit Hinweisreizen (z. B. Dis-
Moody und Sood (2010) beschreiben unterschiedliche Ver- playmaterial am Point of Sale) die Unterschiede zwischen älte-
marktungsstrategien, die je nach Kontext, beispielsweise nach ren und jüngeren Konsumenten weitgehend neutralisiert werden
Produktkategorie, erfolgreich sind. Insbesondere vier Strategien können (vgl. auch Roedder John und Cole 1986).
scheinen sich zu bewähren: Werbung für Ältere sollte expliziter sein als für jüngere: Ta-
1. Age-denial: Die Marke wird mit jungen Themen assoziiert, connat und Isingrini (2004) zeigen, dass der Erinnerungsvorteil
der ältere Konsument hat dadurch keinen Grund, sich alt zu für selbstgenerierte Informationen (Generierungseffekt; ▶ Ab-
fühlen. schn. 4.2.3) für ältere Personen schwächer ist. Daher empfiehlt
2. Age-adaptive: Die Markenkommunikation legt ihren Fokus es sich, in der Werbung weniger Andeutungen zu machen und
auf Lösungen altersspezifischer Probleme durch das Produkt. auch die Vorteile der Produktverwendung deutlich anzusprechen
3. Age-irrelevant: Im Markenimage spielt Alter überhaupt keine (Bieri et al. 2006).
Rolle. Im Alter lässt auch die Fähigkeit nach, zusätzlich zu den
4. Age-affirmative: Die Vorteile des Alters werden betont, das Informationen die Kontexte zu speichern, in denen man der
Alter wird offensiv thematisiert und dabei regelrecht gefeiert. Information begegnet ist. Daher dürften ältere Menschen zum
Beispiel anfälliger für den Schläfereffekt (▶ Exkurs 14.3) sein. In
Für Werbungtreibende ist stärkeres Einfühlungsvermögen in die ▶ Abschn. 7.1.3 und 15.2.2 habe ich Befunde von Skurnik et al.
ältere Zielgruppe gefragt. Hierzu hat die Meyer-Hentschel Ma- (2005) zitiert, denen zufolge Konsumenten eine dementierte In-
nagement Consulting einen sogenannten „Age-Simulator“ ent- formation umso eher glauben, je häufiger sie dementiert wird.
wickelt. „Er besteht aus einem Anzug mit Helm, in dem unter Von dieser Tendenz sind in erster Linie ältere Konsumenten be-
anderem mit Hilfe eines Spezialvisiers das veränderte Farbsehen troffen, was gut mit den zitierten Einbußen im Alter erklärt wer-
sowie die altersbedingte Veränderung der Sehschärfe simuliert den kann. Das Dementi wäre demnach die Kontextinformation,
werden können. Ebenfalls ist es möglich, durch bleigefüllte, kräf- und der dementierte Inhalt wäre die Information selbst.
326 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

Einbußen und Besonderheiten älterer Konsumenten sind haben bessere Fähigkeiten, ihre eigenen Emotionen zu verstehen
1 also offenbar sehr spezifisch: Sie gelten weder für alle Gleichalt- und zu kontrollieren. Sie erleben dadurch soziale Situationen we-
rigen gleichermaßen, noch betreffen sie bestimmte Lebens- und niger stresshaft. Zudem neigen sie eher zu passiven Emotionen
2 Funktionsbereiche generell und ohne weitere Differenzierung. wie Trauer – im Gegensatz zu aktiven wie Ärger.
Insofern ist sehr beklagenswert und entspricht nicht dem Stand Diese Veränderung wird als Positivitätseffekt bezeichnet und
der Forschung, wenn zur Beschreibung älterer Konsumenten vor hat auch Konsequenzen für die soziale Interaktion. Ältere Men-
3 allem ein „Defizitmodell“ des höheren Lebensalters gezeichnet schen sind beispielsweise eher als jüngere geneigt, ein Fehlverhal-
wird. Dies geschieht nicht nur in der populär- oder wirtschafts- ten zu entschuldigen (Ng und Feldman 2009, S. 1061).
4 wissenschaftlichen Darstellung, sondern häufig genug auch in Die Theorie behauptet, dass mit dem Alter Ziele immer
psychologischen Texten (z. B. Bieri et al. 2006; Drolet et al. 2010). wichtiger werden, die auch emotional bedeutsam sind. Hieraus
5 Die Alternsforschung zeigt dagegen, dass ältere Menschen lassen sich konkrete Werbeempfehlungen ableiten. In einem Ex-
zunehmend Strategien entwickeln, die alternsbedingte Einbu- periment von Fung und Carstensen (2003) wurden Probanden
ßen kompensieren und eine hohe Lebensqualität bis ins höhere unterschiedlichen Alters mit Werbeanzeigen konfrontiert. Diese
6 Lebensalter sichern (z. B. Baltes und Baltes 1990). Dies zeigt sich Anzeigen betonten in ihren Slogans eher kognitive oder eher
auch in konsumpsychologischen Zusammenhängen. So verrin- emotionale Inhalte. So wurde für eine Kamera mit den Worten
7 gern sich mit den kognitiven Ressourcen im Alter zwar Mög- „Capture those special moments“ (emotional) oder „Capture the
lichkeiten zur absichtsvollen und bewussten Verarbeitung von unexplored world“ (kognitiv) geworben. Eine Anzeige für eine
entscheidungsrelevanten Informationen. Dies muss allerdings Uhr warb entweder mit „Take time for the ones you love“ (emoti-
8 nicht zu schlechteren Entscheidungen führen. Kompensatorische onal) oder „Success is within reach“ (kognitiv-leistungsbezogen).
Strategien wie etwa eine selektivere Zuweisung der Ressourcen Die emotionalen Inhalte wurden von älteren Probanden
9 und vor allem das höhere Gewicht von Emotionen bei der Infor- stets positiver bewertet als die nicht emotionalen – bei jüngeren
mationsverarbeitung bieten zumindest in bestimmten Situatio- Probanden war das umgekehrt. In einem Rekognitionstest erin-
10 nen die Möglichkeit zu Verbesserung der Entscheidungsergeb- nerten sich jüngere Probanden besser an die nichtemotionalen
nisse im höheren Alter (Peters 2010). Slogans, ältere dagegen besser an die emotionalen.
Es gibt also durchaus Bereiche, in denen sich relevante Grö- Auch hier war allerdings nicht so sehr das Alter der Proban-
11 ßen, etwa die Qualität von Entscheidungen, mit dem Alter ver- den der entscheidende Faktor, sondern vor allem die subjektive
bessern können. Zwei davon möchte ich im Folgenden vertiefen. Restlebenszeit. Daher verschwand der Unterschied zwischen äl-
12 Oben habe ich bereits die socioemotional selectivity theory teren und jüngeren Konsumenten auch wieder, wenn die Grup-
angesprochen, die Annahmen darüber macht, wie sich die Ver- pen vor ihren Urteilen folgende Instruktion erzielten: „Stellen
änderung von Zielen über die Lebensspanne auswirkt. Wenn Sie sich vor, Ihr Arzt hätte sie über neue Fortschritte in der Me-
13 der subjektive Zeithorizont noch weit erscheint, ist persönliches dizin informiert, die Ihnen nahezu garantieren können, dass Sie
Wachstum, Ansammlung von Gütern, Fähigkeiten und Wissen so- 20 Jahre länger leben werden, als Sie bisher dachten.“ Unter die-
14 wie Ausweitung des persönlichen Wirkungsraums charakteristisch ser hypothetischen Annahme erweitert sich der subjektive Zeit-
für die eigenen Ziele. Bei geringer werdenden zeitlichen Reserven horizont für alle Teilnehmer, und damit rücken auch für Ältere
15 gewinnen Ziele an Gewicht, die eher emotionale Bedeutung haben: wieder Ziele des persönlichen Wachstums in den Vordergrund.
der Wunsch nach einem sinn- und bedeutungsvollen Leben, enger Die Befunde zum Positivitätseffekt passen sicherlich nicht
Kontakt zu wichtigen und geliebten Personen, soziale Einbindung. zu den gängigen Altersstereotypen, ebenso wenig sind sie mit
16 Diese Veränderung hängt zwar natürlicherweise mit dem Lebens- dem Defizitmodell des Alterns verträglich. Sie unterstreichen
alter zusammen – tatsächlich aber stellt sie sich immer ein, wenn auch den engen Zusammenhang zwischen kognitiven und emo-
17 der subjektive Zeithorizont sich verengt, auch in jüngeren Jahren. tionalen Anteilen der Informationsverarbeitung. Unter diesem
Die Veränderung der Ziele hat starke Auswirkungen auf Blickwinkel erscheinen auch bekannte und selbstverständlich
Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung. Zum einen erscheinende Altersunterschiede in Gedächtnisleistungen in ei-
18 beachten ältere Menschen emotionale Informationen eher als nem anderen Licht. Zum Beispiel können sich ältere Menschen
jüngere, auch in der Werbung. Zudem steigt mit dem Alter die normalerweise an die Quelle von Informationen schlechter er-
19 Wahrscheinlichkeit, positive Informationen zu suchen, zu ver- innern als jüngere. Dieser Unterschied verschwindet aber, wenn
arbeiten und zu erinnern. Negative Informationen werden mit die Abrufschlüssel aus emotional relevanten Informationen der
20 zunehmendem Alter immer oberflächlicher wahrgenommen Situation bestehen (zit. n. Carstensen und Mikels 2005, S. 118).
(Carstensen et al. 2006, S. 347 ff.). Zum Beispiel fixieren ältere In dem Experiment von Fung und Carstensen (2003) übertrafen
Menschen Gesichter mit positiven Emotionen länger als Gesich- die älteren Probanden sogar die jüngeren in ihrer Erinnerungs-
21 ter mit negativen – diese Bevorzugung findet sich bei jüngeren leistung, wenn es um die emotional relevanten Anzeigen ging.
Menschen nicht (Isaacowitz et al. 2006). Auch die neurologi- Auch eine andere alternsbedingte Veränderung passt eigent-
22 sche Aktivität in der Amygdala ist bei älteren Probanden stärker, lich nicht zum gängigen Altenstereotyp, nämlich die oben bereits
wenn sie positive im Vergleich zu negativen Stimuli verarbeiten; erwähnte Bereitschaft zur flexiblen Anpassung (vgl. auch Brandt-
bei jüngeren Probanden findet sich dieser Unterschied nicht (zit. städter 2011). Es ist nicht unbedingt überraschend, dass Men-
23 n. Carstensen und Mikels 2005, S. 119). schen mit dem Alter immer häufiger Dinge hinnehmen müssen,
Auch der Umgang mit Emotionen ist bei älteren Menschen die sie nicht mehr ändern können. Dass sich diese Entwicklung
zu Gunsten positiver Emotionen verschoben: Ältere Menschen so wenig in der Befindlichkeit niederschlägt, so dass man schon
16.5  •  Marken und Persönlichkeit
327 16

von einem Zufriedenheitsparadox spricht (z. B. Hofstätter 1986), fen keine Persönlichkeitseigenschaft einer Marke, sondern eine
liegt eben an dieser mit dem Alter wachsenden Flexibilität. Zielerreichung.“
Hier noch ein weiteres Beispiel: Zur Flexibilität gehört auch, Ein wichtiger Anstoß beim Versuch, Marken wie Persön-
weniger starr an bestimmten Definitionen für Merkmale festzu- lichkeiten zu beschreiben, geht von Aaker (1997, 2001) aus, die
halten, die relevant für das Selbstkonzept sind. Dieses Verhalten ähnliche Ansätze nutzte wie schon zur Gewinnung der Big Five
gewinnt im höheren Lebensalter an Gewicht (Brandtstädter und (▶ Exkurs 16.1) und damit fünf Dimensionen der Markenpersön-
Greve 1992). Wenn mir zum Beispiel Treppensteigen schwerer
fällt und gleichzeitig mein Selbstbild das Merkmal „sportlich“
enthält, dann ändere ich meine Definition von „sportlich“ so, --
lichkeit (im Folgenden mit wichtigen Markieritems) ermittelte:
Aufrichtigkeit (bodenständig, ehrlich, gesund, heiter),
Erregung/Spannung (gewagt, temperamentvoll, phantasie-
dass Treppensteigen darin ein geringes Gewicht bekommt.
Werbung betont oft die Selbstbildrelevanz bestimmter Kon-
-- voll, modern),
Kompetenz (zuverlässig, intelligent, erfolgreich),
sumhandlungen: „Um cool (z. B. sportlich, eine gute Hausfrau)
zu sein, musst du …“ Dabei sollte die Werbung aber wissen,
dass ältere Konsumenten möglicherweise flexiblere Vorstellun-
gen davon haben, wie cool, sportlich oder eine gute Hausfrau
- Kultiviertheit (vornehm, charmant),
Robustheit (naturverbunden, zäh).

In Ausschnitten decken sich die Markendimensionen mit den


definiert sind (nämlich so, dass sie selbst noch darunterfallen – Big Five der menschlichen Persönlichkeit. Dies gilt zumindest für
was immer das dann bedeutet). Damit sind ältere Konsumenten die drei erstgenannten Faktoren: Die Markendimension „Auf-
womöglich weniger bereit, Selbstdefinitionen aus der Werbung richtigkeit“ überlappt sich mit „Verträglichkeit“ in den Merk-
zu akzeptieren. malen Wärme und Akzeptanz. „Extraversion“ zeigt sich bei der
Markenpersönlichkeit in der Dimension „Erregung/Spannung“,
zumindest in den Unterfacetten Geselligkeit, Energie und Akti-
16.5 Marken und Persönlichkeit vität. Die „Gewissenhaftigkeit“ der menschlichen Persönlichkeit
ist vergleichbar mit der „Kompetenz“ der Markenpersönlichkeit,
Menschen haben eine Tendenz auch unbelebten Objekten da beide die Facetten Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässig-
menschliche Eigenschaften zuzuschreiben. Das machen nicht keit und Sicherheit umfassen. „Kultiviertheit“ und „Robustheit“
nur Kinder. Wir tun das als Erwachsene sehr oft. Besonders au- finden keine Entsprechungen zur menschlichen Persönlichkeit.
genfällige Beispiele sind etwa unser Auto oder Computer, die hin Im Unterschied zu den Big Five decken sich die Dimensionen
und wieder „streiken“ oder „einen Befehl erwarten“. Ein anderes der Markenpersönlichkeit auch nur teilweise über unterschiedliche
Beispiel ist die sicherlich etwas unglückliche Tendenz einer ober- Kulturen hinweg. Die Dimension „Robustheit“ etwa scheint typisch
flächlich verstandenen Neuroforschung, unser Gehirn quasi als amerikanische Ideale widerzuspiegeln – sie lässt sich im interkul-
zusätzlichen oder eigentlichen Agenten hinter unserem Verhal- turellen Vergleich am schlechtesten replizieren. In spanischen und
ten zu beschreiben, der „steuert“, „interpretiert“, „entscheidet“ deutschen Stichproben findet sich stattdessen eine Dimension, die
und überhaupt alle möglichen Dinge macht, die man eigentlich man mit „Leidenschaft“ umschreiben kann. In japanischen und
nur Menschen zuschreibt (▶ Abschn. 1.8.2). spanischen Studien fand sich zudem die Dimension „Friedlichkeit“
Produkte und Marken jedenfalls werden ebenfalls „ver- (Aaker et al. 2001; für einen Überblick vgl. Kilian 2011).
menschlicht“ wahrgenommen (z. B. Kervyn et al. 2012), wenn- Die Annahme, Marken hätten eine Persönlichkeit wie Men-
gleich diese Beobachtung sofort wieder relativiert werden muss: schen, lässt sich demnach nur teilweise bestätigen. Neben den
Hirnphysiologische Studien legen nahe, dass Marken eher wie hirnphysiologischen Befunden von Yoon et al. (2006) sprechen
Objekte und nicht wie Menschen repräsentiert sind. Yoon et al. auch die mittelmäßig robusten und eher kulturspezifischen Be-
(2006; vgl. auch Scheier et al. 2010 S. 113 f.) präsentierten ih- funde zu den Dimensionen der Markenpersönlichkeit im Sinne
ren Probanden Marken und Personen gemeinsam mit person- von Aaker (1997) eher dagegen, dass Marken ähnlich stabile
beschreibenden Adjektiven wie „heiter“, „zuverlässig“, „ehrlich“ Merkmale tragen wie Menschen. Dies ändert freilich nichts da-
oder „sympathisch“. Die Aufgabe war, per Tastendruck zu ent- ran, dass wir von Marken wie von Menschen reden – nur ist die
scheiden, ob das Merkmal auf die präsentierte Marke oder Per- Art, wie wir reden, noch stark von unserer Kultur (und sicherlich
son zutrifft. Hierbei wurden Hirnaktivitäten gemessen. Wenn auch von unserer Persönlichkeit) geprägt. Insofern sagen die Di-
die Probanden Menschen beurteilten, wurde der mediale Teil mensionen der Markenpersönlichkeit mindestens so viel über die
des vorderen Stirnhirns aktiv. Diese Hirnaktivität geht normaler- Konsumenten aus wie über die Marken – und das kann natürlich
weise mit der Beurteilung von Menschen einher. Bei der Bewer- auch einen nennenswerten Erkenntnisfortschritt bedeuten.
tung von Marken dagegen zeigten sich andere Hirnaktivitäten, Auch kann man mit Hilfe der Persönlichkeitsdimensionen von
die eher mit der Wahrnehmung von Objekten korrespondieren. Aaker (2001) die Passung zwischen eines Testimonials zu einer
Man sollte also vorsichtig sein mit der Annahme, Marken Marke bestimmen. Spörrle et al. (2010) verglichen Marken und
würden wie Menschen gesehen, auch wenn die folgenden Aus- Testimonials anhand der drei interkulturell stabilen Merkmals-
führungen bis zu einem gewissen Grade davon ausgehen. Scheier dimensionen „Aufrichtigkeit“, „Spannung“ und „Kultiviertheit“
et al. (2010, S. 114) warnen jedenfalls: „Marken wie Menschen zu (Aaker et al. 2001). Je ähnlicher Marken und Testimonials auf
beschreiben, ist sicherlich hilfreich, um die weniger anfassbare, diesen Dimensionen eingeschätzt wurden, desto eher wurden sie
implizitere Ebene von Marken zu fassen. Wir müssen uns dabei auch als passend empfunden. Die Passung wiederum erhöhte auch
aber bewusst sein, was Menschen wirklich kaufen. Kunden kau- die Kaufwahrscheinlichkeit. Die Untersuchung von Spörrle et al.
328 Kapitel 16 • Differentielle Konsumentenpsychologie

(2010) bestätigt demnach die Match-up-Hypothese, der zufolge Park und Roedder-John (2010) prüften diese Vermutung in einer
1 Testimonials erfolgreicher sind, wenn sie zu Marke oder Produkt Reihe von Experimenten. Als attraktive Markenpersönlichkeiten
passen (Till und Busler 2000). Diese plausible These ist bislang wurden Victoria’s-Secret-Einkaufstaschen und Füller des MIT ge-
2 vor allem in Bezug auf die Attraktivität, in gewissem Sinne also wählt. Beide Marken sind mit positiv besetzten Personmerkma-
nur auf die Passung in der Valenz, geprüft worden. Insofern ist es len assoziiert, im Fall von Victoria’s Secret waren dies laut einem
durchaus interessant zu zeigen, dass auch die Passung auf weniger Vortest „glamourös“, „gut aussehend“ und „feminin“, im Fall des
3 wertenden Dimensionen relevant ist. Zudem ist Passung keines- Massachusetts Institute of Technology, also des MIT, „intelligent“,
wegs notwendig eine Folge der Ähnlichkeit. In vielen anderen, vor „führend“ und „fleißig“. In den Experimenten sollten die Pro-
4 allem interpersonellen Zusammenhängen geht Passung eher aus banden (im Fall von Victoria’s Secret natürlich nur Frauen) die
der Unähnlichkeit zweier Subjekte hervor (z. B. Berscheid 1985). Produkte für eine bestimmte Zeitdauer nutzen. Nach dieser Zeit
5 Wie steht es nun aber mit einer anderen Fragestellung zum wurde – neben anderen Maßen – auch die Selbstbeschreibung
Verhältnis von Marke und Persönlichkeit, nämlich der Wirkung der Teilnehmerinnen und Teilenehmer erhoben. In der Tat führe
der Marke auf die Persönlichkeit der Benutzer? Scheier et al. die Benutzung der attraktiven Produkte dazu, dass sich die Pro-
6 (2010) betonen: „Kunden kaufen keine Persönlichkeitseigen- bandinnen und Probanden die positiven Merkmale in höherem
schaft einer Marke.“ Ist das wirklich so? Tatsächlich wissen wir Ausmaß zuschrieben – dies galt allerdings nur für Personen, die
7 ja, dass markenaffine Konsumenten auf Bedrohungen ihrer be- ihre Persönlichkeitseigenschaften für unveränderlich hielten.
vorzugten Marke ganz ähnlich reagieren wie auf Bedrohungen Die entscheidende Rolle der impliziten Persönlichkeitstheorie
ihrer eigenen Person (Lisjak et al. 2012; siehe ▶ Abschn. 10.1.1). belegen die Ergebnisse einer Studie, in der die entsprechende Per-
8 Allerdings gilt dieser Befund nicht generell, sondern nur für Mar- sönlichkeitstheorie experimentell induziert wurde: Die Probanden
kenfans mit niedrigem Selbstwert. wurden jeweils mit fingierten Forschungsergebnissen konfron-
9 Eine andere Differenzierung scheint in dieser Frage eben- tiert, die entweder belegten, dass die Persönlichkeit des Menschen
falls wichtig zu sein: Menschen unterscheiden sich darin, ob unveränderlich oder eben flexibel und durch eigene Anstrengung
10 sie Persönlichkeitseigenschaften für formbar oder für unverän- formbar sei. Auch in dieser Versuchsanordnung zeigte sich, dass
derlich halten. Tatsächlich darf man eine gewisse Formbarkeit Probandinnen, die man von der Unveränderlichkeit ihrer Merk-
der Persönlichkeit bis ins hohe Alter unterstellen (Roberts und male überzeugt hatte, sich positiver beschrieben, nachdem sie
11 DelVecchio 2000). Die Stabilität auf den Big-Five-Dimensionen eine Victoria’s-Secret-Einkaufstasche genutzt hatten. Außerdem
ist in jungen Jahren noch geringer; sie steigt im Laufe der Zeit stimmten diese Probandinnen eher Aussagen zu wie „Ich benutze
12 und erreicht um das 30.  Lebensjahr ein Plateau (Terracciano Victoria’s Secret, um auszudrücken, wer ich bin, … um anderen
et al. 2006). Unbeschadet von solchen Fakten haben Menschen zu zeigen, wer ich bin, … um mich besser zu fühlen“ und „… um
über diese Frage unterschiedliche eigene Theorien. Dweck (z. B. einen besseren Eindruck auf andere Menschen zu machen“.
13 Dweck et al. 1995) unterscheidet zwischen einer Entitäts- und Tatsächlich ist der Bedürfnis nach Selbstaufwertung eine
einer inkrementellen Theorie, die Laien in Bezug auf ihre Per- wichtige Voraussetzung für die Nutzung von Marken. Dies
14 sonmerkmale haben. Entitätstheoretiker neigen zu der Ansicht, zeigt sich in einer Version der Experimente von Park und Roed-
dass die Eigenschaften von Personen feststehen und sich nicht der-John (2010), in der die Probanden eine fingierte Rückmel-
15 ändern werden. Anhänger der inkrementellen Theorie gehen dung erhielten, der zufolge sie in einem wichtigen Test für akade-
dagegen davon aus, dass Menschen sich ändern können, dass sie mische Fähigkeiten nur zwei von sieben Aufgaben gelöst hätten.
durch eigene Bemühungen wie Lernen oder anspruchsvolle und Diese Rückmeldung führte erwartungsgemäß zu einer Einbuße
16 fordernde Aufgaben ihr Selbst quasi steigern können. Die beiden im Selbstwert. Wenn man nun aber den Probanden Gelegenheit
Grundpositionen könnte man auch als statische oder dynamische gab, für eine gewisse Zeit den MIT-Füller zu verwenden, stieg die
17 Sicht auf die Persönlichkeit bezeichnen. Selbstbeschreibung in den relevanten Merkmalen (z. B. „intelli-
Wenn man nun voraussetzt, dass Menschen generell danach gent“, „fleißig“; siehe oben) wieder an – fast bis auf das Niveau
streben, sich selbst aufzuwerten und sich in einem positiven Licht einer Kontrollgruppe. Wieder allerdings galt dieser Befund nur
18 zu sehen, dann hat die implizite Persönlichkeitstheorie einen ent- für Probanden, die an die Unveränderlichkeit ihrer Merkmale
scheidenden Einfluss auf die Strategien, die hierzu eingesetzt wer- glaubten. Probanden, die an eine inkrementelle Persönlichkeits-
19 den. Menschen die an die Formbarkeit ihrer Merkmale glauben, theorie glaubten, wurden bereits von der Rückmeldung über
nehmen zum Beispiel gerne Herausforderungen an, nehmen auch ihre Testergebnisse kaum in ihrem Selbstwert beeinträchtigt. Die
20 eher das Risiko des Scheiterns in Kauf, weil sie sich von diesem Markenbenutzung hatte bei ihnen keinen aufwertenden Effekt.
Verhalten eine Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit verspre- Die Ergebnisse von Park und Roedder-John (2010) relativie-
chen. Wer nicht glaubt, durch eigene Anstrengung seine positiven ren die Folgerung von Scheier et al. (2010; siehe oben): In einem
21 Merkmale noch weiter verbessern zu können, nutzt eher andere gewissen Sinne kaufen manche Kunden sehr wohl Persönlich-
Strategien der Selbstaufwertung. So kann eine Person, die ihre keitseigenschaften, und in diesem Sinne ist es dann auch sehr
22 Merkmale als unveränderlich erlebt, ihre positiven Eigenschaften wichtig, welche Merkmale mit einer Marke verbunden sind. Aber
besonders hervorkehren und sichtbar machen. Die Selbstaufwer- wie immer bei einer wissenschaftlichen Betrachtung muss man
tung besteht dann darin, dass sich die Person ihrer positiven Ei- auch hier sagen: Diese Folgerungen gelten nur unter bestimmten
23 genschaften vergewissert und sie nach außen signalisiert. Bedingungen.
Aus dieser Überlegung heraus sind es also eher die Entitäts-
theoretiker, die sich mit der Hilfe von Marken selbst aufwerten.
329 17

Gestaltung der Werbung


Georg Felser

17.1 Die Umgebung der Werbung  –  330


17.1.1 Reichweite des Werbeträgers – 330
17.1.2 Die Zielgruppe – 330
17.1.3 Das Programmumfeld bei Fernsehwerbung  –  331
17.1.4 Kontexteffekte bei Zeitschriftenanzeigen  –  333
17.1.5 Werbung im Internet  –  333

17.2 Häufigkeit der Darbietung, Kontinuität und Konsistenz  –  335


17.3 Makrotypische Gestaltungsmerkmale einer Anzeige  –  337
17.3.1 Die Überschrift – 337
17.3.2 Größe und Platzierung einer Anzeige  –  337

17.4 Farbgestaltung – 339
17.4.1 Helligkeit und Sättigung  –  339
17.4.2 Farbton – 341
17.4.3 Effekte der Farbe Rot  –  341
17.4.4 Farben in Werbe- und Produktgestaltung  –  343

17.5 Schriftgestaltung – 344
17.6 Bilder in der Werbung  –  345
17.6.1 Das Bild und seine Aussage  –  345
17.6.2 Wie sollen Werbebilder gestaltet sein?  –  347

17.7 Akustische Bilder und Musik im Marketing  –  349


17.8 Sprache – 350
17.8.1 Der Name des Produkts  –  351
17.8.2 Werbetexte – 353

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
330 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

Zusammenfassung den das am Beispiel der psychologischen Wirkung von Farben


1 1. Werbeträger werden danach ausgesucht, dass man mit ihnen (▶ Abschn. 17.4) feststellen. Entsprechend vorsichtig müssen da-
so viele Empfänger wie möglich, dabei aber auch die richtigen her auch Empfehlungen ausfallen.
2 Empfänger erreichen kann. Der Werbeträger ist gleichzeitig Kon-
text der Werbung.
2. Generell kann man nicht folgern, dass ein interessanter und ak- 17.1 Die Umgebung der Werbung
3 tivierender Werbekontext die Werbewirkung positiv beeinflusst.
Die Befunde hierzu sind widersprüchlich und werden erst ver- 17.1.1 Reichweite des Werbeträgers
4 ständlich, wenn man berücksichtigt, wie Menschen normaler-
weise die jeweiligen Medien rezipieren. Dies gilt insbesondere Eine effektive Werbung setzt voraus, dass sie möglichst viele, und
5 für Werbung im Internet. zwar die richtigen Adressaten erreicht. Der einfachste Weg, um
3. Eine häufige Wiederholung dient der Werbung eher, als dass sie dieses Ziel zu erreichen, wäre, überall zu werben. Dagegen spre-
schadet. Überdrussreaktionen auf Seiten der Empfänger lassen chen die Kosten. Die einzelnen Werbeträger sind unterschiedlich
6 sich meist schon durch geringe Variationen der Werbegestal- teuer, abhängig davon, wie groß das damit erreichte Publikum
tung unterbinden. ist. In der Regel werden die absoluten Kosten einer Anzeige oder
7 4. Überschriften von Werbeanzeigen sollten ihren Inhalt auf mög- eines Spots an der Anzahl der Personen relativiert, die man mit
lichst engem Raum enthalten. Der Sinn der Anzeige und ein der Werbemaßnahme erreicht.
Eines der Hauptargumente, mit dem ein Werbeträger Werbe-
8 Nutzen für den Betrachter sollten bereits aus der Überschrift
hervorgehen. Anzeigen sollten so groß wie möglich sein. Die kunden überzeugen kann, ist die Reichweite (siehe . Abb. 1.3).
Blickbewegungen der Betrachter folgen weitgehend der Lese- Die entscheidende Einheit bildet hier der sogenannte Tau-
9 richtung, beginnen dabei aber – falls vorhanden – beim Bild. send-Kontakt-Preis (TKP; Moser 1990, S. 38 f.; Feldmeier 1995):
5. Farben können die Aufmerksamkeit von Konsumenten steuern Der Preis einer Anzeige wird durch die Anzahl der Leser geteilt
10 und Produkte bzw. Marken kennzeichnen. Ihre psychologische und mit 1000 multipliziert. Mit diesem Preis erfährt man, wie
Wirkung (z. B. auf Stimmung oder Erregung) ist stark kontextab- viel man bezahlt, um 1000 Personen zu erreichen. Damit sind
hängig und eher kulturell als biologisch geprägt. aber nur die Chancen auf einen Kontakt gemeint, nicht die tat-
11 6. Bilder sind das zentrale Medium der Werbegestaltung. Sie er- sächlichen Kontakte!
leichtern die Informationsaufnahme und -speicherung. Sie sind Kombiniert man verschiedene Medien, kann man deren
12 in der Lage, den Betrachter zu aktivieren und seine Einstellun- Reichweiten nicht einfach addieren. Wenn ich mit einer Zeit-
gen zu beeinflussen. Der Bildkommunikation steht eine große schrift 10 % der Bevölkerung erreiche, verdoppelt sich die Reich-
weite nicht automatisch, indem eine andere Zeitschrift mit der-
13 Menge von Techniken zur Verfügung, um Aussagen in Bilder
umzusetzen. Die effektivsten Werbebilder sind solche, die sich selben Reichweite hinzugenommen wird. Zumindest einige Leser
über eine lange Zeit nicht ändern. werden sowohl die eine als auch die andere Zeitschrift lesen. Man
14 7. Musik wirkt über die Beeinflussung von Affekten, allerdings ver- spricht hier von externer Überlappung (Stewart und Ward 1994).
mutlich mehr noch über kulturelle oder persönlich bedeutsame Dasselbe Problem ergibt sich, wenn man in mehreren aufeinan-
15 Assoziationen. Musik ist ein hervorragender Abrufschlüssel für derfolgenden Ausgaben derselben Zeitschrift inseriert, was ein
sprachliche Gedächtnisinhalte oder persönliche Erlebnisse. Fall von interner Überlappung wäre. Die besten Aussichten auf
8. Die Werbesprache nutzt traditionelle rhetorische Mittel, um eine breite Streuung ergeben sich, wenn man verschiedene Me-
16 einprägsame Aussagen zu machen. Grundsätzlich soll Werbe- dien mit möglichst geringer Überschneidung einsetzt.
sprache einfach sein. Allerdings kommen Verfremdungen der Die Tausend-Kontakt-Preise im Fernsehen variieren nicht
17 Sprachregeln bis zur Unsinnigkeit vor. Für die Namen von Pro- nur zwischen verschiedenen Fernsehsendern, sondern vor allem
dukten sind auch ungebräuchliche und exotische Wörter üblich. zwischen verschiedenen Sendezeiten. Die wichtigste und damit
auch teuerste Zeit, die Prime Time, ist die Zeit zwischen 20 und

--
18 Wie sollen Werbung und Marketing gestaltet sein, damit sie ei- 23 Uhr. Diese Zeit ist aus drei Gründen wichtig:
nen möglichst guten Effekt bringen? Dieser Frage widmen sich Zu dieser Zeit sehen besonders viele Leute fern.
19 sowohl das vorliegende als auch das folgende Kapitel. Hierzu „[…] in der Zeit nach 20 Uhr [wird] intensiver ferngese-
gehören nicht allein das Aussehen einer Anzeige oder der In- hen. Die Zuschauer beschäftigen sich weniger nebenher
20 halt eines Werbespots bzw. einer Broschüre. Das Design und die und schalten weniger um als etwa am Vorabend“ (Feld-

21
Verpackung eines Produkts, das Einrichten von Zweigstellen
eines Unternehmens, die Wahl von Verkaufsstellen, das Wa-
rensortiment, der Kundendienst oder die Innenarchitektur der
Verkaufsstelle sind ebenfalls wichtige Gestaltungsfragen des Mar-
- meier 1995, S. 91).
Nach 20 Uhr erreicht man einige der interessantesten
Zielgruppen, die zu anderen Zeiten nicht fernsehen, zum
Beispiel berufstätige Konsumenten, vor allem Männer.
22 ketings, die auf die Werbung zurückwirken (Felser 2007; Stewart
und Ward 1994; Kirchler 1995, S. 150 f.). Im Folgenden werde ich
besonders auf solche Punkte eingehen, zu denen die Forschung 17.1.2 Die Zielgruppe
23 einigermaßen belastbare Befunde vorgelegt hat. Das ist nicht in
allen Bereichen der Fall, bei denen man das vielleicht erwarten Die Werbung muss sich an Zielgruppen orientieren. Nun hat je-
würde. Manche Inhalte sind erstaunlich wenig erforscht; Sie wer- der Werbeträger seine eigene Kundschaft, und es ist eine offene
17.1  •  Die Umgebung der Werbung
331 17

Frage, ob die Zielgruppe dabei ist. Die Empfehlung von oben richtet werden. Die Broschüren tragen Titel wie „Konsumstile
muss nach diesem Gedankengang relativiert werden: Wichtiger, in den neuen Bundesländern“, „Soll und Haben. Einstellungen
als möglichst viele Personen zu erreichen, ist, die richtigen zu er- zum Geld, Bankverbindungen, Kredite …“, „Made in … what
reichen, damit keine Streuverluste entstehen (Kroeber-Riel 1992, Germans think about foreign products“. Mit solchen Informa-
S. 642). Werbeträger wie zum Beispiel Zeitschriften können der tionen können Werbungtreibende präzisere Gestaltungspläne
Industrie gegenüber damit werben, wie hoch in ihrer Leserschaft entwickeln. Die Werbeträger ihrerseits machen durch diese Ser-
der Anteil an Männern, an Akademikern oder an Angehörigen viceangebote nützlich Eigenwerbung.
eines Haushalts mit einem bestimmten Monatseinkommen ist.
Dies sind zunächst noch rein demographische Daten über
die ansprechbaren Zielgruppen. Über die psychologischen Ei- 17.1.3 Das Programmumfeld
genschaften der Leser kann man anhand solcher Daten nur Ver- bei Fernsehwerbung
mutungen anstellen (▶ Abschn. 16.1). Häufig sind aber die Merk-
male der Leser bestimmter Zeitschriften noch wesentlich besser Der einfache Hintergedanke bei Unterbrecherwerbung ist, dass
bekannt. Mit Hilfe von umfassenden Medienanalysen lassen sich die Zuschauer das laufende Programm mit Interesse verfolgen
die Gewohnheiten einzelner Zielgruppen beschreiben. Nehmen und deshalb die Werbung betrachten, um das eigentliche Pro-
wir zum Beispiel die wichtige Zielgruppe der Frauen, die unge- gramm nicht zu versäumen. Diese Erwartung trifft auch ein,
süßten Naturjoghurt ohne Fruchtzusatz bevorzugen (Kotler und wenn man die Zahlen zum Zapping (▶ Exkurs 1.1) betrachtet.
Bliemel 1995, S. 983 f.) – eine Zielgruppe, die für die verschie- Nur zwischen 22 und 38 % der Zuschauer meiden einen Werbeb-
densten Werbebemühungen immer wieder isoliert und gesondert lock gezielt durch Umschalten (Barcley et al. 1965; Ottler 1998;
betrachtet werden sollte. Eine Medienanalyse von 1993 belehrt Rossmann 2000; Yorke und Kittchen 1985; Brockhoff und Dob-
uns, dass diese Gruppe in Deutschland aus 4,67 Millionen Frauen berstein 1989; Danaher 1995; van Meurs 1998; vgl. aber Thorson
besteht. Das sind 7,2 % der damaligen Gesamtbevölkerung. Von und Zhao 1997, mit widersprechenden Ergebnissen).
dieser Zielgruppe wusste die Medienanalyse zu berichten, in Zapping muss nicht unbedingt die Werbewirkung beein-
welchem Umfang sie beispielsweise die Bunte, die Neue Revue trächtigen: Anscheinend erhält ein Spot im Augenblick des Um-
oder den Stern liest oder wie viele von diesen Frauen RTL, ARD schaltens eine besonders hohe Aufmerksamkeit, so dass er am
oder ProSieben schauen. Diese Nutzungsgewohnheiten machen Ende besser erinnert wird, als wenn er unbeachtet im Hinter-
die Information erst richtig interessant. Jeder Werbeträger kann grund gelaufen wäre (Zufryden et al. 1993). Zumindest die Spots,
nämlich jetzt daran gemessen werden, ob bei ihm besonders viele die kurz vor dem Zapping gelaufen sind, haben also durch das
oder besonders wenige Frauen aus der Zielgruppe angesprochen Umschalten sogar einen Vorteil.
werden. Zum Beispiel bestand damals die Leserschaft der Neuen Eine weitere Erwartung besagt, dass sich die Aufmerksam-
Revue zu 5 % aus Frauen, die ungesüßten Naturjoghurt ohne keit, die die Zuschauer auf das Programm verwendet haben, auf
Fruchtzusatz bevorzugen. Das war ein geringerer Anteil als in der die Werbung überträgt. Die Folge sollten verbesserte Gedächt-
Gesamtbevölkerung. Die Fernsehwoche hatte dagegen mit 7,6 % nisleistungen sein. Sollte diese Erwartung zutreffen, müsste die
Leserinnen aus der Zielgruppe ungefähr den gleichen Anteil wie Unterbrechung eines interessanten Programms besonders effek-
die Gesamtbevölkerung. Einen ganzen Club von Frauen, die tiv sein. Hierzu gibt es widersprüchliche Befunde. Soldow und
ungesüßten Naturjoghurt ohne Fruchtzusatz bevorzugen, findet Principe (1981) konnten zeigen, dass „die Marken-Erinnerung,
man aber unter den Leserinnen von Brigitte (13,7 %), Freundin die Erinnerung an die Verkaufsargumente, die Einstellung gegen-
(12,7 %), Für Sie (12,3 %) und Burda Moden (12,3 %). Bei diesen über dem Spot sowie die Ausprägung der Kaufabsicht“ (Mayer
Blättern war um 1995 die Zielgruppengenauigkeit für Hersteller, et al. 1982, S. 127) beeinträchtigt ist, wenn die Werbung ein span-
die gerne ungesüßten Naturjoghurt ohne Fruchtzusatz an Frauen nendes Programm statt eines langweiligen unterbricht (vgl. auch
verkaufen würden, am größten. Bryant und Comisky 1978; Lord und Burnkrant 1988). In einer
Die Zielgruppengenauigkeit kann man auf den Punkt brin- Untersuchung von Norris und Colman (1993) litt vor allem die
gen, indem man den Anteil der Zielgruppe bei einem bestimm- Erinnerung an die Spots, wenn die Zuschauer das eigentliche
ten Werbeträger am Anteil der Zielgruppe in der Gesamtbevöl- Programm mit Interesse verfolgten und durch die Unterbrechung
kerung relativiert. Dies ergibt einen sogenannten Affinitätsindex, also gestört wurden. Diese Ergebnisse sind vor allem vor dem
eine Zahl, die an der Basis 100 normiert ist. Ein Wert unter 100 Hintergrund der Reaktanztheorie plausibel, denn das Eindringen
bedeutet, dass der Anteil der Zielgruppe in dem Werbeträger in besonders aufmerksame Prozesse der Informationsverarbei-
kleiner ist als in der Gesamtbevölkerung. Zum Beispiel hat die tung kann als plumper und drastischer Beeinflussungsversuch
Neue Revue bezogen auf Frauen, die ungesüßten Naturjoghurt erlebt werden. Entsprechend stark kann der Bumerangeffekt
ohne Fruchtzusatz bevorzugen, einen Affinitätsindex von 69. Die ausfallen.
genannten Frauenzeitschriften haben dagegen Affinitätsindices Krugman (1983) hält dagegen, dass der Langzeiteffekt von
zwischen 171 und 190. Werbeunterbrechungen dann am größten sei, wenn sie eine tat-
Große Verlage wie etwa Burda, Gruner  +  Jahr oder der sächliche Unterbrechung darstellen und sich nicht am Ablauf des
SPIEGEL-Verlag versorgen ihre Werbekunden mit speziellen In- Programms orientieren. Nach seinen Erfahrungen überträgt sich
formationsangeboten. Jeder dieser Verlage hat eine ganze Reihe die erhöhte Aufmerksamkeit bei einem interessanten Programm
von Servicebroschüren herausgebracht, in denen zum Beispiel durchaus auf die Verarbeitung der Werbung. So meinten bei-
Daten über die Leserschaft der hauseigenen Publikationen be- spielsweise Mattes und Cantor (1982; vgl. auch Jenzowsky 1999)
332 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

einen Übertragungseffekt festgestellt zu haben, nach dem sich wenn sowohl die Werbung als auch das Programm mit geringem
1 die Stimmung eines anregenden Programms spätestens nach Involvement betrachtet werden. Ist das Involvement auch nur
zweieinhalb Minuten auch auf die unterbrechende Werbung aus- bei einem der beiden Elemente hoch, binden zusätzliche Stimuli
2 dehnte. Die zeitliche Verzögerung wird damit erklärt, dass die zur Aufmerksamkeitssteigerung die ohnehin schon knappen
Aktivation bei den ersten Spots vom Betrachter noch dem voran- Ressourcen. Entsprechend diesen Überlegungen konnten Lord
gegangenen Programm zugeschrieben wird, so dass die Werbung und Burnkrant (1993) zeigen, dass sich die Gedanken ihrer
3 davon nicht profitieren kann. Nach zweieinhalb Minuten werde Probanden über die Werbung (ad-relevant thoughts) von einem
aber eine „Fehlzuschreibung“ dieser Erregung auf das Konto der aufmerksamkeitsfördernden Stimulus zu Beginn der Werbung
4 Werbung wahrscheinlich. Dies ist die logische Fortführung des je nach Involvement entweder verstärken oder hemmen lassen.
Gedankens, der sich aus dem Schachter-Singer-Paradigma ergibt In der Untersuchung von Norris und Colman (1993) wurde
5 (▶ Abschn. 5.2.5). Die Ergebnisse von Mattes und Cantor (1982) zwar die Erinnerung an die Spots beeinträchtigt, wenn das Pro-
konnten aber in dem Replikationsversuch von Mundorf et al. gramm, das unterbrochen wurde, interessant war. Die Kaufab-
(1991) nicht bestätigt werden. Jenzowsky (1999) fand eine posi- sicht und andere Bewertungen der beworbenen Produkte waren
6 tive Wirkung späterer Spots, also eine Erregungsübertragung im aber überraschenderweise erhöht. Eine Einstellungsverbesserung
Sinne von Schachter und Singer nur für Spots in der Scharnier-, scheint nach diesen Befunden also nicht ausgeschlossen, wenn
7 nicht jedoch für Unterbrecherwerbung. ein interessantes Programm unterbrochen wird. Allerdings spre-
Sehr hohe Erregung durch das laufende Programm, sei es chen die Befunde nicht für Krugmans These, dass die Aufmerk-
nun durch sexuell stimulierendes oder besonders sensations- samkeit der Zuschauer der entscheidende Wirkfaktor bei der
8 trächtiges Programm, scheint den folgenden Werbespots wenig Einstellungsverbesserung sei (Krugman 1983). Nun ist die Auf-
zu nützen (vgl. auch Bello et al. 1983). Erst ab einem mittleren merksamkeit auch keineswegs eine notwendige Bedingung für
9 Erregungsniveau ergeben sich positive Wirkungen der allgemei- eine effektive Werbewirkung (z. B. ▶ Abschn. 4.7 oder ▶ Kap. 6).
nen Erregung auf die Werbewirkung (Park und McClung 1986). Zudem konnten Brown und Rothschild (1993) zeigen, dass eine
10 Mattenklott et al. (1997) fanden die beste Erinnerungsleistung besonders hohe Menge von Werbespots innerhalb einer Unter-
für Spots, die ein neutrales Programm (einen Landschaftsfilm) brechung keinen negativen Einfluss auf die Erinnerungsleistung
unterbrachen. Gleichzeitig konnten sie Erinnerungsnachteile an die Spots hat. Nach diesen Argumenten müsste man eigentlich
11 für solche Werbung feststellen, die ein interessantes Programm folgern, dass Werbeunterbrechungen, so unangenehm sie sein
unterbrachen; ein positiver Effekt im Sinne einer Erregungsüber- mögen, doch eine Wirkung haben.
12 tragung war hier nicht nachzuweisen. Bisher haben wir nur von allgemeiner Aktivation, Erregung
Auch in den Befunden von Broach et al. (1997) sowie von oder Aufmerksamkeit durch das Programm gesprochen. Nun
Gunter et al. (1997) zeigte sich eher ein Nachteil für solche Spots, werden wir durch ein Programm nicht etwa nur global stimuliert,
13 die eine anregendes Programm anstelle eines uninteressanten sondern auch in spezifische Stimmungen versetzt. Wird dieses
unterbrachen, was klar im Widerspruch zu der These des Er- Programm durch Werbung unterbrochen, die ihrerseits wieder
14 regungstransfers steht. Der Effekt des Programmkontextes war Stimmungen erzeugen kann, welche Stimmungen sind dann für
aber – zumindest in den Daten von Broach et al. (1997) – auf die Werbewirkung die besten? Kirchler und Hermann (1986;
15 die ersten drei Spots beschränkt, und er zeigte sich zudem nicht vgl. auch Clark 1989, S. 137 ff.; Kamins et al. 1991; Mathur und
bei emotional positiv gestalteten Spots. Nach diesen Befunden Chattopadhyay 1991) konnten für solche Werbespots, die den
scheint es immerhin günstig zu sein, Werbespots mit positiver Stimmungen des umgebenden Programms entsprachen, bessere
16 emotionaler Ausstrahlung zu präsentieren, weil deren Bewertung Erinnerungsleistungen nachweisen als für stimmungsinkongru-
weitgehend unabhängig vom Programmkontext ist (vgl. auch ente Spots. Eine Erklärung für solche Effekte mag darin liegen,
17 Gleich 1999a, S. 313). dass „physiologische Erregung, die von einem Programm erzeugt
Die Ergebnisse von Mattenklott (1998) setzen einen vor- wird, auf direkt nachfolgende Programme übertragen wird, da
läufigen Schlusspunkt unter die Debatte um einen möglichen sich physiologische Erregung verhältnismäßig langsam abbaut“
18 Erregungstransfer von Programm auf die Werbung: In seiner (Groebel und Gleich 1988, S. 251) – auch dies eine Erklärung,
Metaanlayse wirkte sich ein aktivierendes Programm in acht von die vom Schachter-Singer-Effekt inspiriert ist (▶ Abschn. 5.2.5).
19 neun Studien negativ auf die Erinnerung der Spots aus. Auch Bei Printwerbung ist die Befundlage allerdings weniger ein-
die Bewertung der Spots verbesserte sich durch ein aktivieren- deutig. Hier erhalten gerade stimmungsinkongruente Werbebot-
20 des Programmumfeld nicht. Derzeit spricht also mehr für die schaften bessere Erinnerungswerte (Kirchler und Kapfer 1987).
Erwartung, dass eine programminduzierte Erregung kognitive Das mag daran liegen, dass Printmedien insgesamt mit geringerer
Ressourcen bindet, die dann der Werbung nicht mehr zur Ver- Aktivation aufgenommen werden. Die Betrachter müssten dem-
21 fügung stehen (Gleich 1999a, S. 131). Hohe Aufmerksamkeit auf nach durch eine auffallende Werbebotschaft erst noch aktiviert
das Programm dämpft die Gedächtniseffekte für die Werbung, werden, damit sie überhaupt ein Mindestmaß von Aufmerksam-
22 und auch die Bewertung der Spots profitiert nicht von dieser keit investieren. Darüber hinaus besteht bei Printwerbung eine
Aufmerksamkeit. wesentlich bessere Möglichkeit, sich der Werbebotschaft ganz zu
Lord und Burnkrant (1993) unterscheiden zwischen der entziehen. Hier könnte eine gesteigerte Eindringlichkeit durch
23 Aufmerksamkeit, die das Programm erhält, und der, auf die die Stimmungsinkongruenz positiv wirken.
Werbung rechnen kann. Aufmerksamkeitsfördernde Stimuli In Video- bzw. Festplattenaufnahmen werden die Werbeun-
zu Beginn der Werbung sind nach ihrer Idee nur dann günstig, terbrechungen entweder schon während der Aufnahme her-
17.1  •  Die Umgebung der Werbung
333 17

ausgeschnitten oder später beim Abspielen im Schnellvorlauf eher zu erwarten, dass diese Informationen auch den Hauptanteil
übergangen. Stout und Burda (1989) konnten zeigen, dass auch der Aufmerksamkeit erhalten. Dementsprechend zeigte sich in
mit diesem Schnellvorlaufverfahren die Werbung erinnert wird. einer Untersuchung von Norris und Colman (1992), dass solche
12 % der Zuschauer konnten den Markennamen frei erinnern, Anzeigen, die von interessanten und fesselnden Berichten umge-
45 % erinnerten die Produktkategorie, und 65 % erkannten ben waren, besonders schlecht erinnert wurden. Am besten war
das Produkt wieder. Diese Zahlen liegen zwar unter den Er- die Erinnerungsleistung an Anzeigen, die auf Seiten mit Koch-
gebnissen, die bei normaler Betrachtung zu erwarten wären, rezepten standen.
sie zeigen aber doch, dass Werbung im Schnelldurchlauf nicht Wo soll die Anzeige innerhalb der Zeitschrift platziert wer-
unwirksam ist. Zudem ist zu betonen, dass die beiden Forsche- den? Wir haben bereits gesehen, dass in einer Reihe von Rei-
rinnen in ihrer Untersuchung erfundene Marken verwendeten. zen, zum Beispiel Werbespots im Fernsehen, die ersten und die
Bei tatsächlich existierendem Material dürfte schon wegen der letzten die größten Chancen haben, später wieder erinnert zu
Wiedererkennung ein stärkerer Effekt und damit eine geringere werden. Diesen Effekt haben wir in ▶ Abschn. 4.6.1 unter der
Einbuße durch Zipping zu erwarten sein. Tatsächlich profitie- Bezeichnung Primacy-Recency-Effekt diskutiert. Für aufeinan-
ren anscheinend sogar manche Spots von der Darbietung im derfolgende Werbespots kann man demnach auch einen Erin-
Schnellvorlauf – insbesondere solche, die bereits vorher bekannt nerungsvorteil für die ersten und die letzten Spots einer Reihe
waren oder die auch statische Bilder enthalten (z. B. Gilmore nachweisen (z. B. Zhao 1997; siehe auch . Abb. 4.2). Zeitschrif-
und Secunda 1993). In der Regel erwarten die Zuschauer beim ten dagegen werden nicht durchgängig vom Anfang bis zum
Schnellvorlauf die Fortsetzung des eigentlichen Programms und Ende durchgeblättert, man legt sie zwischendurch aus der Hand,
sind daher aufmerksam genug, um auch die Werbeinhalte zu man beachtet bestimmte Teile besonders stark, andere weniger.
verarbeiten. Daher gibt es schon theoretisch wenige Argumente für eine be-
Werbespots sind sowohl von einem bestimmten Programm stimmte serielle Platzierung innerhalb einer Zeitschrift. Ledig-
als auch von anderer Werbung umgeben. Die Darbietungsform lich für die Rückseite einer Zeitschrift lassen sich klare Vorteile
der Blockwerbung bringt es mit sich, dass die hintereinander nachweisen (Frankel und Solov 1962; Diamond 1968; Engel et al.
geschalteten Spots mindestens so starke Kontextwirkungen er- 1986).
zielen können wie das Programm, das sie unterbrechen. Dies Wenn die Menge der Anzeigen zunimmt, ist das für die später
gilt beispielsweise für die Stimmungswirkung. Brosius und Fahr gezeigten Anzeigen nachteilig. Die Aufmerksamkeit lässt nach.
(1996, vgl. auch Spanier 1993) fanden, dass emotionalisierende Diesen Effekt kann man abschwächen, indem man für möglichst
Spots nicht nur ihrerseits besser erinnert wurden, sondern darü- verschiedene Produkte wirbt. Beim Betrachten von Werbevor-
ber hinaus auch die vorangehenden und vor allem die folgenden lagen ermüdet man schneller, wenn die Anzeigen sich stets auf
Spots einen Erinnerungsvorteil davontrugen. Der Erinnerungs- ähnliche Produktarten beziehen (Mayer et al. 1982, S. 124). Vor
vorteil war besonders ausgeprägt für Personen, die sich selbst allem aber werden hier Interferenzeffekte (▶ Abschn. 4.2.5) wahr-
als emotional ansprechbar beschrieben. Dieses Ergebnis spricht scheinlicher: Die Anzeigen werden schlechter erinnert.
wieder für die These, dass ein stimulierender Kontext auf dem
Wege der allgemeinen Aktivierung auch die Verarbeitung der
Zielinformation fördert. Allerdings fand sich nur bei der Erin- 17.1.5 Werbung im Internet
nerung ein Vorteil für die umgebenden Spots, nicht aber für die
Akzeptanz. Die emotionalen Zielspots wurden zwar positiver Das Internet bietet durch seine spezielle Nutzungsform die Basis
bewertet, gleichzeitig sank aber die Bewertung für die folgenden für Neuerungen der Werbegestaltung. Im Internet ist prinzipi-
Spots. ell eine wesentlich pointierte Ansprache der Zielgruppe mög-
In einem weiteren Experiment zeigten Brosius und Fahr lich. Gleichzeitig kann man diese Zielgruppe verhältnismäßig
(1996, S. 88 ff.), dass bei der Betrachtung von Werbespots auch genau kennenlernen, indem prinzipiell das Surfverhalten einer
Interferenzeffekte (▶ Abschn. 4.2.5) auftreten können. Wenn einzelnen Person zurückverfolgt werden kann. Beide Praktiken
innerhalb desselben Werbeblocks verschiedene Anbieter für werden freilich durch die Notwendigkeit des Datenschutzes ein-
ähnliche Produkte werben, dann behindern sich diese Darbie- geschränkt.
tungen gegenseitig. Die Marken wurden zwar noch korrekt frei Gleich (2000a) fasst die Werbeformen im Internet zusam-
erinnert, aber bei der unterstützten und der Detailerinnerung men: „Neben direkter Werbung, die dem Direktmarketing über
ergaben sich Nachteile für eine Werbegestaltung, in der mehrere Individualmedien entspricht (z. B. E-Mail-Werbebriefe), gibt es
ähnliche Spots in einem Block vertreten waren. indirekte Werbung, bei der vor allem die Bannerwerbung (neben
Unterbrecherwerbung – sogenannte Interstitials –, Microsites
und Sponsoring) eine zentrale Rolle spielt, sowie Werbung im
17.1.4 Kontexteffekte redaktionellen Umfeld (zum Beispiel Einträge in Suchmaschinen
bei Zeitschriftenanzeigen und Adressbüchern, Placements in Datenbanken). [...] Schließ-
lich können auch sämtliche Internetauftritte von Unternehmen
Da Anzeigen sich in keinen zeitlichen Ablauf einklinken, können und Organisationen (Websites, Homepages) als werbliche Kom-
sie schon theoretisch weniger von der Interessantheit des Kon- munikation betrachtet werden.“
texts, also der Berichte und Reportagen, profitieren. Wenn eine Neben der Nutzung der sozialen Netzwerke sind aus psy-
Anzeige von interessanteren Informationen umgeben ist, dann ist chologischer Sicht vermutlich die Techniken des Targeting und
334 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

des Retargeting am bedeutendsten. Beim Targeting wird Wer- an das Banner. Dies zeigen Moore et al. (2005) auch für Gestal-
1 bung zielgruppenorientiert auf Webseiten eingeblendet und beim tungsmerkmale der Banner wie etwa Farbe. Wenn bereits ein
Retargeting werden Besucher einer Webseite markiert und auf Grundinteresse an dem Inhalt der Werbung besteht, werden da-
2 anderen Seiten mit passender Werbung wieder angesprochen gegen mittlere Grade der Passung bevorzugt – vermutlich weil
(Scharrer 2013). Von Targeting wird zwar bereits dann gespro- sie kognitiv anregender sind als hohe Grade.
chen, wenn auf einer Seite mit Informationen zum Thema „Auto“ Viele Seiten enthalten einen call to action, beispielsweise eine
3 Werbung unterschiedlicher Autohersteller geschaltet wird. Aller- Aufforderungen zum Klicken (etwa „Hier klicken“). In einigen
dings beziehen die Fortführungen dieser Techniken auch Infor- Studien erhöhten solche Maßnahmen die Klickrate um 48 %.
4 mationen der Nutzer mit ein (IP-Adressen, installierte Plugins), Wichtig ist allerdings, dass der call to action überhaupt wahr-
womit versucht wird, Rückschlüsse auf das Verhalten zu ziehen. genommen wird. Dies kann durch zusätzliche Animation wahr-
5 Als Marktforschung ist dieses Vorgehen natürlich hochgradig scheinlicher werden (Jarchow 1999; Schweiger und Reisbeck
ungenau. Hier steht aber im Fokus, Streuverluste und Kosten bei 1999; Sundar und Kalyanaraman 2004; vgl. auch Gleich 2000a,
der Werbung gering zu halten. S. 137 f.). Wenn die Werbebanner animiert sind, verbessert sich
6 Werbepsychologische Untersuchungen wurden zur Nutzung auch die Erinnerung an sie und verkürzt sich die Zeit, bis sie
von Werbebannern durchgeführt, also zu kleinen Werbebildern, angeklickt werden. Der Vorteil der Zeitverkürzung gilt auch für
7 Logos oder anderen Grafiken, die in der Regel Verbindungen zu größere Banner (Li und Bucovac 1999). Sundar und Kim (2005)
den werbenden Firmen herstellen und die in der Regel am Bild- verglichen unterschiedliche Grade der Animation. Hier finden
schirmrand platziert sind. Als Erfolg eines Werbebanners wird in sie nur positive Effekte für die Einstellung gegenüber der Wer-
8 der Regel die Rate angesehen, mit der das Banner angeklickt und bung, nicht jedoch für die gegenüber dem Produkt oder für das
die Webseite der Firma betrachtet wird. Freilich ist die Klickrate Wissen über das Produkt. Die Autoren schließen daraus, dass
9 nur ein grobes Maß für den Erfolg von Werbebannern. Maße für die Animation vermutlich zu stark von der eigentlichen Werbe-
implizite Effekte werden allerdings in der Tat eher vernachlässigt botschaft ablenkt.
10 (dies wird z. B. von Dreze und Husherr 2003, kritisiert), obwohl Das Durchklicken bis zur Homepage einer Firma ist aber
Internetwerbung nachweislich auch über implizite Prozesse wirkt nicht das einzige oder wichtigste Kriterium für den Erfolg ei-
(z. B. Plassmann et al. 2012, S. 21; Shapiro et al. 1997; Yoo 2008; ner Werbepräsentation im Internet. Die Banner sind offenbar
11 siehe auch ▶ Abschn. 4.7.3). mehr als nur das „Eingangstor zu den Werbeseiten der Anbieter“
Einige Studien empfehlen, dass Werbebanner möglichst (Gleich 1998b). Briggs und Hollins (1997) konnten zeigen, dass
12 nahe am „Scrollbar“ (Bildlaufleiste) der Webseite angebracht Internetbenutzer, denen ein Banner präsentiert wurde, unab-
sein sollten, um eine hohe Klickrate zu erreichen. Diese Banner hängig von ihrem weiteren „Klickverhalten“ bereits eine um 9 %
würden erheblich häufiger angeklickt als Banner, die etwa am verbesserte Produkterinnerung vorwiesen. Zudem wurden die
13 oberen Ende des Bildschirms angebracht sind (Doyle et al. 1997). Produkte in der Experimentalgruppe mit Bannerpräsentation
Die einfache Regel hierfür besagt, dass die Benutzer offenbar die besser beurteilt.
14 Maus nur ungern sehr weit bewegen und solche Informationen Wenn nun aber doch die Firmenseite aufgesucht wird, was
häufiger abrufen, die ohnehin bereits in ihrer Nähe angeboten bestimmt dann über ihren Erfolg? In einer Untersuchung von
15 werden. Ghose und Dou (1998) zeigte sich, dass die meistbesuchten In-
Andere Studien betonen dagegen, dass der Fokus der Auf- ternetauftritte von Firmen auch gleichzeitig die umfangreicheren
merksamkeit stets in der Mitte einer Szene, also auch des Com- Interaktionsmöglichkeiten (z. B. Möglichkeiten zum Download,
16 puterbildschirms liegt (z. B. Tatler 2007; zit. n. Plassmann et al. interne Suchmaschinen, interaktive Produktpräsentationen,
2012, S. 21). Reutskaja et al. (2011) haben nachgewiesen, dass Händlerverzeichnisse, Preisausschreiben, Spiele) anboten. Un-
17 eine mittig platzierte Information – im Vergleich zu einer am klar ist bei einem solchen Befund freilich, ob die Seiten deshalb
Rand platzierten – mit einer um 60 % höheren Wahrschein- zu den meistbesuchten gehörten, weil sie diese Interaktionsmög-
lichkeit zu einer Entscheidung genutzt wird. Broschart (2010, lichkeiten anboten (Gleich 2000a). Genauso gut könnte es sein,
18 S. 370) kritisiert ebenfalls die Position am Rand in der Nähe des dass besonders attraktive Firmen auch die finanzstärkeren sind
Scrollbar als wenig effektiv. Er empfiehlt, Werbebanner in die und daher mehr personelle und finanzielle Mittel in ihre Inter-
19 Content-Bereiche einzubinden und deren Position gegebenen- netauftritte investieren können.
falls sogar zu variieren, um damit erhöhte Aufmerksamkeit zu Gleichwohl scheinen Interaktionsmöglichkeiten insgesamt
20 generieren. Selbstverständlich besteht bei der Einbindung von eher positiv mit dem Werbeerfolg zusammenzuhängen. Sundar
Bannern in den eigentlichen Inhalt der Webseite die Gefahr der und Kim (2005) verglichen Werbung, bei der die Probanden ein-
Reaktanz (▶ Abschn. 11.2) und in der Folge der aktiven Wer- zelne Informationselemente interaktiv anwählen konnten, mit
21 bevermeidung. Edwards et al. (2002) zeigen, dass diese Risiken vergleichbaren, aber nicht interaktiven Versionen. Die Persuasi-
umso größer sind, je intensiver die Nutzer beim Betrachten der onswirkung stieg mit dem Grad an Interaktivität. Der entschei-
22 Webseite kognitiv gebunden sind und je weniger sie inhaltlich dende Mechanismus ist aber vermutlich nicht die Vielfalt der
zum Gesamtkontext passt. Unterhaltsame und informative Ban- Möglichkeiten – sie könnte möglicherweise eher abschrecken.
ner sind etwas weniger von den negativen Reaktionen betroffen. Die Überzeugungswirkung der Interaktivität geht wohl eher auf
23 Hohe Kongruenz der Banner zu ihrem Kontext, also zur Variablen zurück wie etwa das Gefühl, eine Information selbst
restlichen Seite, ist tendenziell günstiger für die Bewertung von gewählt zu haben (Schlosser und Shavitt 2009; siehe auch ▶ Ex-
Anzeige und Webseite, allerdings weniger für die Erinnerung kurs 14.5).
17.2  •  Häufigkeit der Darbietung, Kontinuität und Konsistenz
335 17

Wovon hängt es ab, wie eine Webseite ankommt? Chen und Zahlen wird aber gern übersehen, dass der Like, wenn er denn
Wells (1999) analysierten Urteile über Webseiten und ermittelten tatsächlich so wertvoll ist, eher das Ergebnis einer Kundenbe-

-
daraus drei Dimensionen der Bewertung:
Unterhaltung: Bestimmt durch Bezeichnungen wie Spaß,
ziehung ist und nicht deren Ursache. Anders gesagt: Vielleicht
kann man wirklich die treuen und loyalen Kunden anhand von

- cool, aufregend, unterhaltend, einfallsreich, auffallend.


Informationsgehalt: Bestimmt durch Bezeichnungen wie
informativ, intelligent, aufschlussreich, fundiert, nützlich,
Likes bei Facebook identifizieren. Man gewinnt aber nicht noch
mehr solcher Kunden, wenn man noch mehr Nutzer animiert,
den Like-Button zu drücken.

- zweckdienlich.
Organisation: Bestimmt durch Bezeichnungen wie nicht
unordentlich, nicht schwerfällig und mühsam, nicht kon-
fus, nicht irritierend.
Scharrer (2013) betont zwei Dinge, die von Bedeutung sind,
wenn man die Zukunft der Internetwerbung beurteilen möchte:
Zum einen bleibe die Wirksamkeit einer Werbung davon abhän-
gig, wie sie gemacht ist und in welchem Kontext sie steht. Dieser
einfache Gedanke werde bei der Mediaplanung vernachlässigt
Wenn aus diesen Kriterien das Gesamturteil über eine Webseite – eben zu Gunsten von leicht messbaren, aber wenig aussage-
(über eine multiple Regression) vorhergesagt wird, dann erhält kräftigen Zahlen wie den günstigen Preisen für die einzelnen
der Informationsgehalt das größte Gewicht (bei Chen und Wells Werbekontakte.
1999, Regressionskoeffizient beta = .57). Weniger wichtig sind Zum anderen müsse man die Besonderheiten der Werbeum-
demgegenüber Unterhaltungswert (.35) und Organisiertheit gebung berücksichtigen: Das Internet ist ein Medium, in dem die
(.23). Zudem interagieren diese Faktoren miteinander: Informa- Nutzer die Inhalte selbst suchen (lean forward) und nicht – im
tionsgehalt und Organisiertheit sind offenbar die wichtigeren. Zurücklehnen – nehmen, was ihnen angeboten wird (lean back).
„Sind diese beiden Aspekte wenig ausgeprägt, so kann auch ein Letzteres gilt für die klassischen Medien, Fernsehen oder Print.
hoher Unterhaltungswert die Site nicht mehr ,retten‘“ (Gleich Die Unterschiede zwischen diesen Medien gehen auch mit Un-
2000a, S. 140). terschieden in der Werberezeption einher. Scharrer (2013) nennt
Internetwerbung wird zunehmend populär. Die meisten Me- zwei solcher Unterschiede, die für die eigentlich im Rückzug be-
diaplaner der Werbung erwarten, dass Printwerbung zurückge- findlichen Printmedien sprechen: Bei einem Lean-back-Medium
hen und Internetwerbung expandieren wird (Scharrer 2013). geht der Rezipient nicht davon aus, dass er die Informationen
Gleichzeitig sind die Vorstellungen von der Wirkungsweise der kontrolliert – und ist aus dieser Rezeptionshaltung heraus gegen-
Internetwerbung noch immer außerordentlich krude. Dies zeigt über unerwünschten Inhalten wesentlich duldsamer. Außerdem
sich etwa darin, wie der „Werbeerfolg“ festgestellt wird, zum werden die klassischen Printmedien üblicherweise mit höherer
Beispiel als Klickraten auf Banner oder Likes in sozialen Netz- Aufmerksamkeit rezipiert als Texte im Internet.
werken. Solche Größen sind psychologisch nur bedingt aussa- Entscheidend sind die Unterschiede der Medien und die da-
gekräftig (z. B. Dreze und Husherr 2003) und wohl eher deshalb mit einhergehenden Rezeptionshaltungen. So sind sicher auch
populär, weil sie so leicht quantifizierbar sind. Scharrer (2013) die sozialen Medien für das Marketing wichtig, aber ob sie ein
kritisiert zudem extrem naive Vorstellungen von der Wirkung geeigneter Werbekanal sind, ist eher fraglich. Scharrer (2013)
digitaler Techniken: „Richtig absurd wird es, wenn Vermarkter zitiert hierzu Moritz Roth, Marketingmanager bei Microsoft
von Plakatwerbung über QR-Codes als Einstiegsportal in die di- Deutschland, mit den Worten:
gitale Welt schwadronieren. Dabei ist die Vorstellung, die Men-
schen würden in Zukunft massenhaft mit ihren Smartphones » Worum es bei sozialen Netzwerken geht, ist eine Konversa-
QR-Codes von Plakaten abfotografieren, um auf irgendwelche tion zwischen Menschen. Und da gelten die gleichen Regeln
Websites zu gelangen, reichlich grotesk.“ wie im normalen Leben: Wenn man sich unterhält, mag man
Wie fragwürdig die im Internetmarketing so beliebten Likes nicht, dass jemand dazwischengeht und einem sagt, was
sind, zeigt eine Studie des Marktforschungsinstituts Lab24 (z. B. man kaufen soll. Klassische Werbung funktioniert in sozialen
▶ http://blog.lab42.com/like-us, Abruf 25.10.2013). Danach gehen Netzwerken nicht, davon bin ich überzeugt.
die Likes in Facebook nur in einem Viertel der Fälle auf echte
Loyalität oder Vertrauen gegenüber der Marke zurück. Mehr als
die Hälfte der Befragten geben für ihre Sympathiebekundung 17.2 Häufigkeit der Darbietung, Kontinuität
externe Gründe an (z. B. Rabatte, Werbeaktionen, Dreingaben, und Konsistenz
die Tatsache, dass ein Freund ebenfalls „Like“ geklickt hat). Die
Produktkategorie ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Frage, Wie oft sollen wir eine Werbung darbieten, damit sie effektiv
ob jemand ein „Like“ vergibt. Firmen und Produkte aus den wird? Bei der Frage der Reichweite haben wir vorausgesetzt, dass
Bereichen Erotik, Diät oder Fitness haben Kunden eher ungern wir möglichst viele Personen unserer Zielgruppe mindestens ein-
unter ihren Likes, weil sie das peinlich finden. mal erreichen wollen. Aber ist einmal denn genug? Die meisten
Was die Angabe „Gefällt mir“ wirklich bedeutet, ist also eher Werbungtreibenden legen es darauf an, ihre Zielgruppe mehr als
unklar. Trotzdem wird gelegentlich der ökonomische Wert eines einmal zu erreichen. Hinter dieser Absicht steht eine bestimmte
Like berechnet. Zum Beispiel beziffert eine Analyse der Berater- Vorstellung von der Art, wie Werbung wirkt, nämlich anfangs
firma Syncapse den Wert eines Facebook-Fans auf rund 175 Dol- noch sehr schwach, dann immer mehr. Hier müssen wir aber
lar (▶ http://www.syncapse.com/value-of-a-facebook-fan-2013/#. bereits einhaken. Wir haben nämlich nicht gesagt, worauf genau
UmqUlBDAl-U, Abruf 25.10.2013). Bei der Interpretation solcher denn die Werbung wirken soll. Geht es um Markenerinnerung,
336 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

Kaufabsicht oder Wissen über das Produkt? In einer vielzitier- Eine andere Art von Wiederholung praktiziert die Technik
1 ten Untersuchung von Ray und Sawyer (1971) wirkte die Wie- der Reminder- oder Tandemwerbung, bei der innerhalb dessel-
derholung in erster Linie auf die Erinnerungsleistung – und das ben Blocks der gleiche Spot in verkürzter Form wiederholt wird.
2 war es dann auch. Weder die Einstellung zum Produkt noch die Dabei zeigten sich Erinnerungsvorteile für die Tandemversio-
geäußerte Kaufabsicht noch die Menge der eingelösten Coupons nen der untersuchten Spots, ohne dass gleichzeitig die Akzep-
waren durch die Wiederholung zu beeinflussen. tanz der Werbebotschaft unter der Wiederholung gelitten hätte
3 Zudem wird angenommen, dass nach sehr häufiger Darbie- (Brosius 1995; Fahr 1995; Mattenklott et al. 1995; Brosius und
tung jede weitere Darbietung kaum noch Effekte nach sich zieht, ja Fahr 1996). Allerdings fanden Dumbs et al. (1999) nur Vorteile
4 dass bei exzessiv häufiger Darbietung sogar Überdruss und Lange- für die freie Erinnerung, nicht jedoch für das Wiedererkennen.
weile, also eher schlechtere Effekte, erzielt werden (vgl. auch Mayer Auch der persuasive Effekt der Werbung ist durch Wiederho-
5 1993, 1994; Greenberg und Suttoni 1973). Diese Ansicht ist um- lung nicht zu steigern – vermutlich weil die kognitiven Prozesse,
stritten. So betont beispielsweise Kroeber-Riel (1993a, S. 281 f.): die für die Überzeugung nötig sind, nicht durch Wiederholung
„Werbung für wenig involvierte Empfänger (das ist fast die ganze angesprochen werden (Malaviya et al. 1999). Demnach nützen
6 Werbung) [nutzt sich] kaum ab. Im Übrigen genügen fast immer Tandemspots allenfalls dann, wenn man ein Produkt bekannt
leichte Eingriffe – Variationen der Botschaft und der Gestaltung machen will, zu einer besseren Produktbeurteilung tragen sie
7 –, um Abnutzungsgefahren vorzubeugen.“ Und: „Starke Werbe- aber nicht bei (vgl. auch Gleich 2000b).
botschaften nutzen sich auch durch Wiederholung kaum ab. Der In ▶ Abschn. 14.1. haben wir Zwei-Prozess-Modelle der Wer-
sogenannte Abnutzungseffekt der Werbung, an den heute noch bewirkung diskutiert. Diese Modelle sagen vorher, dass Werbe-
8 viele Werbeleute glauben, ist weder theoretisch noch empirisch argumente durch häufige Wiederholung eine größere Chance
abgesichert“ (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982, S. 53). Ge- erhalten, mental verarbeitet zu werden. Daher steigt auch die
9 sichert ist hingegen, dass sich Werbung bei leichter Variation nur Überzeugungswirkung starker Argumente im Bereich weniger
wenig abnutzt (Schumann et al. 1990). Für die Wirksamkeit eines Wiederholungen weiter an. Cacioppo und Petty (1989) berichten
10 Abnutzungseffekts argumentieren Greenberg und Suttoni (1973). aber, dass die Wirkung bei mehr als drei Wiederholungen wie-
Dieser Effekt setze nach etwa 15 Darbietungen ein. Sie sprechen der abnimmt. Spricht dies also doch für einen Abnutzungseffekt?
allerdings bereits von einer Abnutzung, wenn die Betrachter die Nicht unbedingt – hierzu muss man wieder die Aussagen des
11 Werbung nicht mehr mögen. Ein geringer Unterhaltungswert ist ELM betrachten: Die fortgesetzte Präsentation erleichtert nicht
aber keineswegs ein Argument für die Wirkungslosigkeit der Wer- nur die Elaboration der Argumente, sondern auch das Gegenar-
12 bung. Greenberg und Suttoni (1973) betonen zudem, dass bereits gumentieren, das nach einer gewissen Sättigung durch die Ori-
kleinere Variationen in der Gestaltung die Überdrusseffekte auf- ginalbotschaft einsetzt.
fangen können. Eine Überdrussreaktion sei vor allem bei witziger Wann genau sich die Wirkung umkehrt, hängt wieder von
13 Werbung zu erwarten, die auf eine bestimmte Pointe hinauslaufe. Kapazität und Motivation der Rezipienten ab; sie setzt bei peri-
Die Werbung für Produkte, die sehr häufig gekauft werden, sei pherer Verarbeitung früher ein als bei zentraler. Zudem lässt sich
14 ebenfalls stärker von Überdrussreaktionen bedroht. der Abnutzungseffekt durch Variation der Botschaft hinauszö-
Nach einer Analyse von Hughes (1992) seien Abnutzungsef- gern. Schumann et al. (1990) untersuchten hierzu unterschied-
15 fekte nur dann zu befürchten, wenn die Werbung mit negativen liche Grade der Variation. Eine nur kosmetische Veränderung
Affekten einhergeht oder wenn der Zuschauer keine zuvor gebil- der Werbung (z. B. durch Änderung von Farben oder Layout)
deten positiven Assoziationen zu der Werbung hat. Überhaupt konnte den Abnutzungseffekt nur für gering involvierte Emp-
16 wirke sich eine häufige Wiederholung auf unterschiedliche Be- fänger hinauszögern, der in dieser Gruppe erst bei mehr als vier
wertungsdimensionen unterschiedlich aus. Kognitive Reaktionen Präsentationen einsetzte. Eine substantielle Variation, bei der
17 und Kaufabsicht leiden nach Hughes’ Argumentation weniger als auch die Argumente selbst variiert wurden, zögerte den Abnut-
die affektiven Bewertungen (Hughes 1992). Calder und Stern­ zungseffekt für alle Empfänger hinaus, teilweise sogar über acht
thal (1980) berichten von einem Abnutzungseffekt nur für sol- Wiederholungen.
18 che Werbung, in der es um unbekannte oder nicht verwendete Man kann aus den Befunden also nicht unbedingt folgern,
Produkte ging. Wenn die Werbung sich dagegen mit bevorzugten dass sich Werbebotschaften durch häufige Wiederholung ab-
19 Marken beschäftigte, hatte eine wiederholte Darbietung auch ein nutzen – zumindest nicht generell. Mehre Argumente sprechen

20
größeres Gefallen zur Folge.
Lachmann (2003) betont die Notwendigkeit der Konsis-
-
jedenfalls gegen einen Abnutzungseffekt:
Zunächst steigt die Werbewirkung mit Anzahl der Wieder-

21
tenz. Außer bei besonderen Anlässen, zum Beispiel wenn das
eigene Unternehmen mit einem anderen fusioniert hat, gebe es
praktisch kaum einen Vorteil, wenn man eine laufende Werbe-
strategie wechselt. Er zitiert hierzu die Beurteilung eines über
- holungen an.
Die beobachteten Abnutzungseffekte lassen sich durch
Variation der Werbebotschaft auf einen Punkt der Kontakt-
häufigkeit hinauszögern (mehr als acht Begegnungen bei
22 mehrere Jahre identischen Werbespots für Jever, bei dem sich Schumann et al. 1990; mehr als zehn bei Nordhielm 2002),
ein junger Mann im Trenchcoat in die Dünen der Nordsee wirft der in der Realität von vielen Werberezipienten gar nicht
23 (z. B. ▶ http://www.youtube.com/watch?v=A3p0-Uf2WXU, Ab-
ruf 21.10.2013). Dieser Spot hat über die Jahre nicht nur nicht
verloren, sondern sogar an Sympathie und Aufmerksamkeit ge-
wonnen (Lachmann 2003).
- erreicht wird.
Die variierte Wiederholung der Werbebotschaft erhöht
zudem die Resistenz der Einstellung gegenüber Angriffen
durch Gegenargumente (Haugtvedt et al. 1994).
17.3  •  Makrotypische Gestaltungsmerkmale einer Anzeige
337 17

- Die beobachteten Abnutzungseffekte stellen sich nur für


Werbebotschaften ein, die auch rezipiert werden. Für
Anzeigen, deren Inhalt gar nicht gelesen wird, weist Nord-
„blind“. Damit meint er solche Überschriften, die für den
Betrachter keinen Sinn ergeben, ohne dass er den restlichen
Anzeigentext liest. Das ist für wenig involvierte Leser eine
hielm (2002) Verbesserungen in der Bewertung bis über Zumutung. Betrachten wir folgendes Beispiel: „Wie viele
25 Präsentationen nach. Vermutlich wirkt bei einer derart Ihrer Mitarbeiter sprechen eigentlich Chinesisch?“ Man
oberflächlichen Rezeption der Effekt der bloßen Darbie- erahnt eine Anzeige für einen Sprachkurs. Weit gefehlt. Es
tung (▶ Abschn. 4.7.2): Dieser Effekt steigt ebenfalls mit geht um eine Fachzeitschrift, die damit wirbt, dass sie nicht
der Häufigkeit der Reizbegegnungen an und erreicht mit das übliche Fachchinesisch enthält (nach Meyer-Hentschel
zunehmenden Wiederholungen der Darbietung allenfalls 1993, S. 150 ff.; vgl. auch Kroeber-Riel 1992, S. 227 f.). Die
ein stabiles Niveau, schlägt aber erfahrungsgemäß nicht ins Überschrift ist offenbar stockblind, denn auch nach dem

- Gegenteil um (Bornstein 1989).


Schließlich sieht die Theorie die Abnutzung nicht etwa als
Folge von Langeweile und Überdruss, sondern als Folge der
Auseinandersetzung mit den Argumenten, was für sich ge-
Lesen des Textes fragt sich der Betrachter, was denn eigent-
lich die Frage sollte. Nach Ogilvys Regel sind aber rhetori-
sche Fragen erlaubt, sie sind nicht einmal kurzsichtig. Zum
Beispiel macht es wenig Mühe, den Sinn dieser Überschrift
nommen für die Werbewirkung nicht nachteilig sein muss. zu ermitteln: „Haben Sie sich auch entschlossen, niemals
Sind die Werbeargumente stark, sollte die Auseinanderset-
zung eigentlich zu einer Verstärkung der Werbewirkung
führen. - dick zu werden?“
Sie sollte nicht passiv formuliert sein und keine Negationen
enthalten: Passivkonstruktionen erfordern eine längere
Verarbeitungszeit und werden häufiger missverstanden.
Betrachten wir als Beispiel die Überschrift von Biotherm:
17.3 Makrotypische Gestaltungsmerkmale „Sogar tiefe Falten werden reduziert“ anstatt „Reduziert so-
einer Anzeige gar tiefe Falten“. Einen ähnlich dämpfenden Effekt hat eine
Negation. Beispiele: „Unverkennbar besser“ statt „Deut-
Bisher haben wir über Phantasieanzeigen oder -spots gespro- lich besser“ oder „Überblick verlangt unkonventionelles
chen, die noch gar nicht gestaltet sind. Es wird also Zeit, etwas Denken“ statt „innovatives“, „kreatives“ oder „originelles
konkreter zu werden. Im Folgenden kommen wir zu der Gestal- Denken“ (Meyer-Hentschel 1993, S. 151 ff.; Motes et al.
tung einer Anzeige im Einzelnen. Wir beginnen mit den soge- 1995; zur mentalen Verarbeitung von Negationen siehe
nannten makrotypischen Gestaltungsmerkmalen, zum Beispiel
der Anordnung von Bild und Text in der Anzeige oder den Re-
geln für eine Überschrift. - auch ▶ Abschn. 15.2).
Sie sollte sich an den Adressaten richten: Dies wird erreicht,
indem sie beispielsweise einen Ratschlag erteilt. Der Satz
„Unser Produkt entfernt Flecken“ wird eindringlicher in der
Form „Wie Sie Flecken entfernen“. Andere Methoden, die
17.3.1 Die Überschrift Eindringlichkeit zu erhöhen, sind Anführungszeichen oder
lokale Bezüge in der Überschrift. Die Überschrift „Wie die
Die Überschrift oder „Headline“ ist das Erste, was in einer An- Bewohner der Schlossstraße 40 Prozent ihrer Heizkosten
zeige gelesen wird. Meistens ist es auch das Einzige, das über- einsparen können“ würde bei den Bewohnern der Schloss-
haupt gelesen wird – und auch das ist nicht sicher. Damit sie straße mehr Aufmerksamkeit erhalten als die gleiche
gelesen wird, muss die Überschrift groß, farbig, auffällig, präg- Anzeige unter der Überschrift „Heizkosten sparen bis zu
nant, klar und kontrastreich sein. „Zuerst wirkt die Form, dann 40 Prozent“.
der Inhalt“ (Meyer-Hentschel 1993, S. 69). Die Festlegung auf
eine bestimmte Form kann darüber hinaus auch den Inhalt be-
einflussen: Eine besonders große Überschrift muss meist schon 17.3.2 Größe und Platzierung einer Anzeige
zwangsläufig eine besonders kurze Überschrift sein. Praktiker
empfehlen folgende Regeln für die „ideale Headline“ (Ogilvy Dass größere Anzeigen die Aufmerksamkeit steigern können,

-
1984, S. 71 ff.; Schönert 1984, S. 222 ff.; Meyer-Hentschel 1993):
Sie sollte kurz sein: Fünf bis acht Wörter sind die optimale
wird kaum bezweifelt. Wir wissen aber, dass bei Steigerung der
Größe der Effekt nicht im gleichen Verhältnis wächst (▶ Ab-

- Länge.
Sie sollte möglichst viele Substantive enthalten: Voraus-
gesetzt, die Überschrift ist besonders kurz, dann ist die
Anzahl der Substantive ein anschauliches Maß dafür, ob in
schn. 2.7.4). Außerdem geht die Anzeigengröße mit anderen
aufmerksamkeitsfördernden Variablen einher. Eine größere
Anzeige kann eine größere Zahl von Schriftarten oder Wörtern
enthalten, die Buchstaben können größer sein, es können mehr

- der Überschrift überhaupt etwas gesagt wird.


Sie sollte nicht als Frage formuliert sein: Beispiele (aus
Meyer-Hentschel 1996, S. 75): „Haben sechs Millionen
Deutsche verschlafen?“ (Vaillant); „Was hat ein Zündholz
Produktvorteile genannt werden, und die Illustrationen haben
eine größere Fläche. Die vergrößerte Anzeige kann dabei ihren
Charakter derart verändern, dass die verschiedenen Gesamtein-
drücke nicht miteinander vergleichbar sind (Twedt 1952, S. 431;
mit Zantic zu tun?“ (Zantic); „Hat der Vorstand noch Meyer-Hentschel 1993, S. 44). Hadley (1950) konnte bestätigen,
genügend Profil?“ (Fulda-Reifen). Ogilvy (1991/1963, dass umso mehr Personen die Anzeige wahrnahmen, je größer
1984, S. 76) nennt eine als Frage formulierte Überschrift sie war. Es kamen gegenüber der kleineren Anzeige aber vor al-
338 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

lem solche Personen hinzu, die das beworbene Produkt nicht das Auge den „Rückwärtsgang“ einlegen muss. Das Bild wird
1 benutzten. Eine besonders große Anzeige scheint also nur dann zwangsläufig zuerst betrachtet. Wenn man dem Text überhaupt
angebracht, wenn es darum geht, möglichst viele neue Käufer eine Chance geben will, dann muss er ohne Mühe bei gewohnter
2 zu werben. Blickbewegung registriert werden können. „Der Betrachtungs-
Da große Anzeigen teuer sind, sollte man dann nicht statt pfad geht klar von oben nach unten [...] Headlines, die sich un-
einer großen Anzeige lieber zwei kleine in die Zeitung setzen? ter dem Bild befinden, werden von zehn Prozent mehr Lesern
3 Zwei kleine hätten möglicherweise zwei Vorteile: Erstens könnten betrachtet als Headlines über dem Bild. Ebenso werden Texte
durch mehrere Anzeigen mehr Personen angesprochen werden. und Headlines rechts neben einem Bild häufiger gelesen als links
4 Wenn aber nicht neue Personen die zweite Anzeige sehen, son- stehende“ (Meyer-Hentschel 1993, S. 124 f.; vgl. auch Gutman
dern dieselben, die schon die erste Anzeige bemerkt haben, dann 1972; Ogilvy 1984, S. 89; Jost 1995). Gegen diese Gestaltungsregel
5 lässt sich – zweitens – wenigstens noch ein Wiederholungseffekt wird verhältnismäßig oft verstoßen.
ausnutzen. Tatsächlich ist es so, dass sich Versuchspersonen nach Nicht nur, wofür geworben wird, soll erinnert werden, son-
wiederholter Darbietung derselben Anzeige besser an die Anzeige dern auch wer wirbt. Der Absender einer Anzeige ist daher
6 erinnern. Jedoch kann der Gewinn in der Erinnerungsleistung ebenso wichtig wie das Produkt. Der optimale Platz für den Ab-
durch die wiederholte Darbietung nicht den Nachteil aufwiegen, sender ist rechts unten auf der Anzeige (Meyer-Hentschel 1993).
7 dass kleinere Anzeigen schlechter bemerkt und schlechter erin- Leven (1991) kommt nach seinen Untersuchungen der Blick-
nert werden (Moser 1990, S. 156 ff.; Kroeber-Riel 1992, S. 72; Jost bewegung von Konsumenten zu folgenden Schlussfolgerungen
8 1995). Aus psychologischen Gründen spricht also weiterhin sehr
viel dafür, seine Anzeigen möglichst groß zu gestalten.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Platzierung einer An- -
zur Gestaltung von Anzeigen:
Die untere Hälfte einer Anzeige wird seltener und später fi-
xiert. Größere Beachtung finden Elemente, die in der Mitte
9
10
zeige über zwei Seiten unproblematisch ist. Bemühen wir noch
einmal die Gestaltgesetze (▶ Abschn. 2.2.2): Ein gute Gestalt ist
nicht zu erreichen, wenn das zentrale Bild oder die Überschrift - und oben angeordnet sind.
Bilder werden eher fixiert als Text, allerdings kann die Bil-
düberlegenheit durch die räumliche Anordnung kompen-

11
über die Falz gehen. Wenn aber beide Seiten durch die Falz ge-
trennt sind, müssen konkrete Gestaltungsmerkmale garantieren,
dass sie trotzdem als zusammengehörig wahrgenommen werden.
Die Empfehlung lautet daher, Produkt, Idee und vor allem den
- siert werden.
Die Größe der betrachteten Einheit spielt eine geringere
Rolle; große Einheiten werden früher und häufiger fixiert,
allerdings werden große Elemente oft weniger genau wahr-
12 Hinweis auf die Marke und den Absender der Werbebotschaft genommen.
auf beiden Seiten der Anzeige unterzubringen (Meyer-Hentschel
1993, S. 129). Bei der Betrachtung wird nur ein Teil der Informationen verar-
13 Kommen wir zu Fragen der Aufteilung und Platzierung. beitet: „Nach zwei Betrachtungssekunden sind ca. 31 Prozent,
Praktiker gehen hier von einem Betrachtungspfad aus, der ten- nach der relativ langen Betrachtungszeit von 8 Sekunden sind ca.
14 denziell der Leserichtung folgt. Informationen links oben und 56 Prozent der angebotenen Informationen mindestens einmal
mehr noch in der Mitte werden danach früher registriert als fixiert worden“ (Leven 1991, S. 218). Die nicht betrachteten Ein-
15 Informationen rechts unten. „Den ,Rückwärtsgang‘ nach links heiten seien allerdings nicht überflüssig, sie trügen vielmehr zum
und nach oben mag das Auge nicht“ (Meyer-Hentschel 1993, emotionalen Wahrnehmungsklima für die Anzeige bei.
S.  80). Diese Annahme lässt sich auch empirisch betätigen Eine etwas andere Empfehlung lässt sich aus der theoretischen
16 (Adams 1920; Leven 1991; Moser 1990, S. 162 f.; Kroeber-Riel Idee der Gehirnlateralisierung ableiten. Nach dieser Annahme
und Meyer-Hentschel 1982, S. 82). Wenn dieser Effekt von der bevorzugt die rechte Gehirnhälfte eher eine holistisch-bildhafte
17 Leserichtung geprägt sein sollte, dann muss er in Kulturen, wo und die linke eher eine analytisch-sprachliche Informationsver-
nicht von links oben nach rechts unten gelesen wird, auch an- arbeitung. Über die Nervenbahnen wird die rechte Hirnhälfte
ders ausfallen. In der Tat konnte Yamanake (1962) zeigen, dass zuerst aus dem linken Gesichtsfeld (nicht Auge!) und die linke
18 in Japan die rechte Seite eine größere Aufmerksamkeitswirkung aus dem rechten Gesichtsfeld versorgt. Ein Austausch der In-
erzielt – entsprechend der japanischen Leserichtung, die rechts formationen findet in einem zweiten Schritt über das Corpus
19 oben beginnt. In ▶ Abschn. 2.7.4 habe ich Befunde zitiert, die callosum statt, das die beiden Gehirnhälften verbindet. Trotzdem
auch für westliche Kulturen tendenziell eher dem rechten obe- neigen manche Forscher dazu, eine Informationsdarbietung zu
20 ren Feld des visuellen Felds größere Aufmerksamkeitswirkung empfehlen, bei der die Spezialisierung der Hirnhälfte berück-
zusprechen. Allem Anschein nach ist also die Orientierung nach sichtigt wird. Das bedeutet einfach gesagt: Bild links, Text rechts.
oben besser gesichert als die nach links. Diese Anordnung entspricht noch immer der Empfehlung, die
21 Damit ist nicht nur eine Empfehlung für die Platzierung einer sich aus der Leserichtung ebenfalls ableiten lässt, allerdings kann
Anzeige in einer Zeitschrift ausgesprochen. Auch die Frage, wo- man aus der Lateralisierungsidee nicht schließen, ob das Bild
22 hin der Text einer Anzeige im Verhältnis zur Illustration gesetzt über oder unter dem Text stehen sollte.
werden sollte, lässt sich mit diesen Argumenten beantworten. Janiszewski (1988) bot seinen Probanden in der rechten und
Unter der Illustration wird der Text länger fixiert und länger be- linken Gesichtsfeldhälfte je passende und unpassende Anzeigen.
23 halten als darüber. Ein entsprechender, aber etwas schwächerer Passend bedeutete, wie gesagt: Bild links, Text rechts. Beide Be-
Vorteil findet sich beim Links-rechts-Vergleich für die Platzie- dingungen unterschieden sich beim bewussten Wiedererkennen
rung rechts von der Illustration. Auch hier ist zu vermeiden, dass nicht, wohl aber zeigte sich bei einem indirekten Gedächtnistest
17.4 • Farbgestaltung
339 17

(▶ Abschn. 4.7) ein Unterschied in der Bewertung der Anzeigen: nen eigentlich die Universalität und Stabilität einer Farbbedeutung
„Passende“ Anzeigen wurden bevorzugt. Dieses Ergebnis stützt verbürgen, die eigentlich nötig wäre, um aus der Präferenz für eine
nicht nur die Lateralisierung als Gestaltungsempfehlung. Es be- Farbe schließen zu können, ob Herr Blömann seine Frau schlägt.
stätigt auch noch einmal die These, dass explizite und implizite Farbforscher wie Elliot und Kollegen (z. B. Elliot et al. 2007)
Maße zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und dass sich gehen freilich überhaupt nicht davon aus, dass Farben eine gene-
Präferenzen unbewusst bilden können. relle, gar biologisch verankerte Wirkung haben. Farben wirken
Es ist vielleicht nicht überflüssig, in diesem Zusammenhang vielmehr kontext- und kulturspezifisch sowie über unterschied-
an den Yarbus-Effekt zu erinnern (▶ Abschn. 2.7), dem zufolge in liche Arten der Repräsentation, die aus sehr unterschiedlichen
erster Linie die Absichten und Ziele der Betrachter bestimmen, Quellen kommen und unterschiedlichen Funktionen dienen.
was wann registriert wird (vgl. auch Pieters und Wedel 2007). Die Eine große Rolle spielt dabei das Lernen von Assoziation über
formale Gestaltung hat im Vergleich dazu einen verhältnismäßig Konditionierungsprozesse. Aus dem klassischen Konditionieren
geringen Einfluss. ist bekannt, dass diskriminative Hinweisreize assoziative Bedeu-
tungen von Reizen moderieren können (▶ Kap. 3). Die Forschun-
gen von Elliot und Kollegen zeigen dies anschaulich für die Farbe
17.4 Farbgestaltung 1 Rot: In Klassenarbeiten werden mit Rot die Fehler markiert, und
im Straßenverkehr zeigt Rot stets eher ein Verbot an, als dass
Man möchte meinen, Farben gehörten seit jeher zum Handwerks- es etwas erlaubt. In Leistungskontexten zeigt sich daher auch
zeug bei der Werbe- und Produktgestaltung. Keineswegs. Henry eine eher hemmende und leistungsmindernde Wirkung von Rot
Ford war beispielsweise noch der Ansicht, auf die Farbe seiner (Elliot et al. 2007). Im romantischen interpersonellen Kontakt
Produkte komme es überhaupt nicht an. Zu den Farbwünschen dagegen kann Rot für Liebe, Zuneigung und Erotik stehen. In
seiner Kunden erklärte er, „they could have any color provided it diesem Bereich kann Rot sogar durchaus attraktivitätssteigernd
was black“ (zit. n. O’Shaughnessy 1987, S. 139; Dass sich letztlich wirken (Elliot und Niesta 2008). Der Kontext bestimmt also – als
auch die Farbgestaltung seiner Produkte als wichtig erwies, konnte diskriminativer Hinweisreiz – in so hohem Ausmaß die Wirkung
Ford kaum verwinden. Er soll daraufhin erklärt haben: „We are no der Farbe, dass sich die Effekte gelegentlich regelrecht umkehren:
longer in the automobile but in the millinery business.“). von einer Vermeidungsreaktion in der einen zu einer Annähe-
Mindestens genauso überraschend wie die Haltung von rung in der anderen Situation.
Henry Ford ist vielleicht die vergleichsweise geringe Ausbeute Kontextabhängig sind Farbbedeutungen übrigens auch im
an wissenschaftlich belastbaren Aussagen zur psychologischen Tierreich. Rot zeigt etwa den Status von Artgenossen, deren
Wirkung von Farben – sei es nun in Werbung und Konsum oder Kampffähigkeit, Aggressivität oder Paarungsbereitschaft oder
in anderen Bereichen. In dem Spielfilm Ödipussi von Loriot (von die Reife von Früchten an. Dieselbe Farbe kann also innerhalb
Bülow 1988) ist die weibliche Hauptfigur eine Diplompsycholo- derselben Spezies sowohl Annäherung (im sexuellen Kontext)
gin, die unter anderem das Ehepaar Blömann bei Eheproblemen oder Vermeidung (im aggressiven Kontext) signalisieren.
berät. Hierzu fragt sie ihre Klienten nach ihrer Lieblingsfarbe. Neben der mangelnden Berücksichtigung der Kontexte wird
Der Ehemann will gerne „Grau“ als Lieblingsfarbe nennen: „[…] der traditionellen Farbforschung noch vorgeworfen, dass sie die
aber nicht so grau. Mehr Grüngrau. Ins Bräunliche. […] Es scha- Größe der farbigen Stimuli vernachlässigt habe. Meist seien zu
det auch nichts, wenn es ein bisschen in Bläuliche hinüberspielt große Flächen präsentiert worden. Die Farbrezeptoren auf der
[…]“ Später erklärt er seinen Farbenmix mit den Worten: „Sie Netzhaut adaptieren allerdings relativ schnell, so dass sich ein
schauen nachher in einer Tabelle nach, und da steht dann bei Farbeindruck über die Zeit schnell verändern kann. Die Adapta-
Grau: Herr Blömann schlägt seine Gattin.“ tion ist allerdings spezifisch für den entsprechenden Farbton,
Die hier karikierte Vorstellung von Farbpsychologie ist leider weshalb der Farbeindruck sich also umso gravierender verändert,
nicht allzu weit entfernt von manchen populären Darstellungen je größer die zu betrachtende Fläche ist.
von Farbwirkungen und -empfehlungen. In allgemeiner gehal- Zudem seien in Experimenten zur Farbwirkung die drei
tenen Arbeiten zur Farbwirkung (z. B. Heller 2004; Riedel 1983; Komponenten des Farbempfindens Farbton, Helligkeit und Sät-
Zentner 2001) finden sich etwa Befunde folgender Art: Blau ist tigung unkontrolliert variiert worden, so dass unklar geblieben
eine kühle, entspannende und besonders beliebte Farbe, steht aber war, worauf ein eventueller Befund zurückging (zu beiden Vor-
auch für Disziplin (z. B. das helle „Preußischblau“). Rot kann so- würfen siehe Elliot et al. 2007).
wohl für die Liebe als auch für Verbote, sowie für Aggression ste- Eine psychologische Farbwirkung versteht man wohl meist
hen. Grün zeigt Gesundheit, Hoffnung, aber auch Unreife an. Gelb als Effekt des Farbtons. Um einen solchen Effekt hinreichend
ist mit Neid assoziiert und so weiter. Diese Erkenntnisse beruhen eindeutig nachzuweisen, muss man in entsprechenden Experi-
zum Teil durchaus auf empirischen Daten (z. B. Heller 2004). Sie menten also Helligkeit und Sättigung konstant halten.
vermischen aber ganz unterschiedliche Quellen der Bedeutung:
Erfahrungen aus der Natur, die Symbolsprache in einer Kultur,
Redensarten und anderes mehr. Nur wenige dieser Quellen kön- 17.4.1 Helligkeit und Sättigung

1 Wesentliche Anregungen zu diesem Abschnitt verdanke ich der hervorra-


Tatsächlich allerdings haben auch Helligkeit und Sättigung starke
genden Aufarbeitung der experimentellen Farbforschung von Bernsmann psychologische Effekte. In Symbolsprache und Redensarten wer-
(2013). den Schwarz und Weiß häufig negative und positive Bedeutun-
340 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

Exkurs 17.1  Warum tragen die Bösen im Western immer schwarze Hüte?  |       | 
1
Im Western kann man die bad guys an ihren Teams, die die Farbe ihrer Trikots in Schwarz zufällig unterschiedliche Trikotfarben zu und

2 schwarzen Hüten erkennen. Wenn dies eine


bloße Erzählkonvention sein sollte, dann hat
ändern, werden in der Folgezeit mehr Fouls
zugesprochen (Frank und Gilovich 1988).
ließen die Teilnehmer in der Folge aus einer
Reihe unterschiedlich aggressiver Spieloptio-
sie sich mittlerweile schon extrem verselb- Dies liegt nicht (nur) daran, dass aggressive nen wählen. Versuchspersonen, die schwarze
3 ständigt. Zum Beispiel werden auch im Sport
die Mannschaften mit schwarzen Trikots
Mannschaften auch lieber schwarze Kleidung
tragen. Frank und Gilovich (1988) wiesen ihren
Kleidung trugen, wählten häufiger aggressi-
onsbetonte Spiele.
häufiger des Regelverstoßes bezichtigt. Jenen Probanden im Rahmen eines Experiments
4
5 gen zugewiesen, und diese Zuweisung hat auch Verhaltenskon- Kareklas et al. (2014) interpretieren ihr Ergebnis allerdings
sequenzen. So können zum Beispiel Meier et al. (2004) zeigen, eher inhaltlich und untermauern dies mit weiteren Befunden: In
dass Probanden Wörter korrekter und schneller in die Kategorien den Begriffen mischen sich natürlich die symbolische und kultu-
6 „positiv“ und „negativ“ einordnen können, wenn positive Wörter relle Bedeutung von „Schwarz“ und „Weiß“ mit der Bezeichnung
in Weiß und negative in Schwarz präsentiert werden. Im Im- für die Eigen- und Fremdgruppe. Wenn diese Mischung aufgelöst
7 pliziten Assoziationstest (IAT, ▶ Abschn. 13.3) tendieren Men- wird, zeigen auch Schwarze die übliche Bevorzugung der Eigen-
schen generell recht deutlich dazu, Weiß gegenüber Schwarz zu gruppe, die in der Sozialpsychologie ja generell nachgewiesen ist
bevorzugen; und das Ausmaß dieser Bevorzugung sagt auch die (z. B. Tajfel 1981). Wenn es aber (nur) um Farben geht, bevor-
8 Bevorzugung von weiß gegenüber schwarz gestalteten Produkten zugen auch Personen mit dunkler Hautfarbe auf automatischer
vorher (Kareklas et al. 2014). Es kommt auch vor, dass explizite Verhaltensebene Weiß gegenüber Schwarz.
9 und implizite Farb-Präferenzen divergieren, dass Menschen also Eine noch handgreiflichere Verhaltenskonsequenz dieser
auf Nachfragen eher Schwarz, automatisch aber Weiß bevorzu- Bevorzugung zeigen Frank und Gilovich (1988; siehe auch ▶ Ex-
10 gen. Ebenso kommt es vor, dass sich schwarze Produkt besser kurs 17.1; für weitere Beispiele siehe ▶ Abschn. 6.2.3).
verkaufen als weiße. Allerdings gilt auch in diesen Fällen, dass Scheier et al. (2010) betonen die Bedeutung von Farben als
die Produktwahl immer noch signifikant von der automatischen Codes. Für Schwarz und Weiß sehen sie vor allem die hohe Dis-
11 Farbpräferenz beeinflusst wird – und die favorisiert eben so gut tanz des einen zum anderen, womit sich besonders gut Hervor-
wie immer Weiß. Aus den Befunden von Kareklas et al. (2014) und Abgehobensein kommunizieren lasse. Dies erkläre, warum
12 sind für das Marketing zwei Punkte hervorzuheben: Erstens ha- Premiumprodukte häufig schwarz oder weiß dargestellt werden
ben Konsumenten gegenüber Farben auch automatischen Ein- (siehe auch ▶ Abschn. 6.2.3).
stellungen, die manchmal von den Vorlieben abweichen, die sie Gorn et al. (1997) untersuchten fiktive Werbeanzeigen und
13 auf Nachfragen nennen. Daher läßt sich die Produktwahl stets konnten zeigen, dass helle und gesättigte Farben die positivsten
am besten durch die Kombination von expliziten und implizi- Bewertungen erhalten. Die gleichen Ergebnisse erhielten Camgöz
14 ten Farbpräferenzen vorhersagen. Zweitens ist die automatische et al. (2002) in einer methodisch anders angelegten Versuchsan-
Vorliebe, soweit es um Schwarz und Weiß geht, so gut wie immer ordnung für die Auswahl von Farbquadraten. Bei beiden Studien
15 Weiß. ist bemerkenswert, dass sich keine Effekte für den Farbton fan-
Dieser letztere Befund gilt unabhängig davon, ob die Konsu- den. Demnach können Helligkeit und Sättigung unter bestimm-
menten ihrerseits eine dunkle Hautfarbe haben (allenfalls ist der ten Umständen wichtiger sein als der Farbton.
16 Effekt bei dunkelhäutigen Probanden etwas schwächer als bei Auf die Befindlichkeit wirken Helligkeit und Sättigung zu-
hellhäutigen, Kareklas et al. 2014, S. 90 f.). Dies mag irritieren, nächst unterschiedlich: Helligkeit wirkt entspannend, Sättigung
17 wenn man mit „Schwarz“ und „Weiß“ Bevölkerungsgruppen und wirkt erregend. Beide Wirkungen werden positiv bewertet. Dies
menschliche Rassen bezeichnet: Bei diesem Verständnis sollten erklären Gorn et al. (1997) mit einem zweidimensionalen Modell
Konsumenten Schwarz und Weiß entsprechend ihrer Hautfarbe der Erregung, das sie von Walters et al. (1982; zit. n. Gorn et al.
18 bevorzugen. 1997) übernehmen: Eine der beiden Dimension verläuft zwi-
Diesen Befund kann man unterschiedlich interpretieren: schen den Polen „anspannend“ und „entspannend“, die andere,
19 Zum einen drängt sich bei der Untersuchung von Kareklas et al. orthogonale, zwischen „langweilig“ und „stimulierend“. Eine
(2014) natürlich die Figur-Grund-Interpretation der IAT-Be- Pointe dieser Konzeption ist, dass positive und negative Aspekte
20 funde von Rothermund und Wentura (2004) auf, die ich in ▶ Ab- der Erregung gleichzeitig vorliegen und sich mischen können
schn. 13.3.2 dargestellt habe: Schwarz dürfte gegenüber Weiß eher (man kann also z. B. entspannt und gelangweilt gleichzeitig sein
die hervorstechende Farbe sein – wer lesen kann, sieht es tag- – vielleicht haben Sie ja auch schon einmal ein solches Wochen-
21 täglich und im wahrsten Sinne des Wortes „Schwarz auf Weiß“ ende erlebt …).
(siehe hierzu auch die Befunde zur schlechteren Lesbarkeit von Valdez und Mehrabian (1994) untersuchten die drei Farb-
22 Negativschrift, ▶ Abschn. 17.5). Wenn also Probanden mit dunk- dimensionen Helligkeit, Sättigung und Farbton mit Hilfe des
ler Hautfarbe im IAT schneller reagieren, wenn schwarze und semantischen Differentials (▶ Abschn. 21.3.5). Helligkeit und
negative Stimuli mit der selben Taste zu bestätigen sind, dann Sättigung zeigen signifikante Zusammenhänge zu allen drei
23 liegt das vielleicht nur daran, dass für sie wie für jeden anderen konnotativen Dimensionen. So ist die Bewertung einer Farbe
auch „Schwarz“ eher salient ist als „Weiß“ – ebenso wie „negativ“ umso positiver, je heller und je satter sie ist. Die Aktivität bzw.
eher hervorsticht als „positiv“. Erregung durch eine Farbe ist umso geringer je heller, und umso
17.4 • Farbgestaltung
341 17

höher, je satter sie ist. Das gleiche Muster gilt für die Dominanz schmeckende Schokolinsen (M&M’s) schokoladiger in der Scho-
bzw. Potenz der Farbe. koladenfarbe Braun (Shankar et al. 2009; weitere Befunde siehe
Die vorgestellten Befunde unterstreichen die Bedeutung der in ▶ Kap. 2, insbesondere ▶ Abschn. 2.6.2 und 2.6.3). Einen ähn-
Dimensionen Helligkeit und Sättigung bei der psychologischen lichen Effekt hat dabei sogar das Gefäß, in dem die Lebensmittel
Wirkung von Farben (auch wenn z. B. Deng et al. 2010, zeigen, serviert werden: Harrar und Piqueras-Fiszman (2011) zeigen dies
dass Konsumenten bei der Bewertung von Produktfarben von für den Geschmack von Popcorn, das in einer roten Schüssel
den drei Dimensionen die Helligkeit am geringsten gewichten süßer und in einer blauen salziger schmeckt.
und eher auf Farbton und Sättigung achten). Einen entscheidenden Einfluss auf diese Effekte haben kul-
turelle Vorerfahrungen. Ein braunes Getränk würde in Großbri-
tannien am ehesten die Erwartung von Cola wecken. In Taiwan
17.4.2 Farbton assoziiert man mit dieser Farbe den Geschmack von Traubensaft
(Shankar et al. 2010). Entsprechend unterschiedlich würden Ef-
Die meiste Forschung liegt zur Wirkung von Farbtönen vor. Ein fekte der Farbe auf das Geschmackserlebnis ausfallen.
dominantes Thema dieser Forschung sind Farbassoziationen, die
sich ja zum Teil recht deutlich im Verhalten niederschlagen. Es
hat den Anschein, dass mindestens einige Farbassoziationen eine 17.4.3 Effekte der Farbe Rot
genetische Wurzel haben – zumindest legen dies Befunde aus
dem Tierreich nahe. Experimente von Khan et al. (2011) oder Am intensivsten ist in der Farbforschung die Wirkung der Farbe
von Mastrota und Mench (1995) zeigen Vermeidungsreaktionen Rot untersucht worden. Dabei können die Arbeiten von Elliot
gegenüber roten Stimuli bei Rhesusaffen bzw. Wachteln, die nicht und Mitarbeitern (z. B. Elliot et al. 2007) vermutlich die hand-
durch vorherige Lernprozesse erklärbar sind. greiflichsten Ergebnisse vorweisen. Wie oben schon betont, geht
Im Humanbereich werden immerhin vegetative Reaktionen diese Forschung davon aus, dass Farbtöne nur in bestimmten kul-
auf Farben unterschiedlicher Wellenlänge berichtet (z. B. Wilson turellen Kontexten eine spezifische Wirkung entfalten – in einem
1966; Jacobs und Hustmyer 1974). Danach wirken lange Wellen- anderen Kontext kann die Wirkung derselben Farbe völlig anders
längen (z. B. Rot) aktivierender als kurze (z. B. Blau). Im Einklang sein. Für den Leistungskontext zeigen diese Forschungen eine
damit stehen Befunde, die Rot eine physisch wärmende Wirkung klare Assoziation von Rot mit Misserfolg und Vermeidungsver-
zuschreiben (Fanger et al. 1977; Kim und Hiromi 1998). halten. In einer Reaktionszeitaufgabe sollten Probanden erfolgs-
Elliot et al. (2007, S. 154 f.) dämpfen allerdings in ihrem Li- und misserfolgsthematische Begriffe in ihre jeweiligen Oberka-
teraturüberblick die Erwartungen an universelle, physiologisch tegorien einordnen. Diese Aufgabe gelang ihnen am schnellsten,
vermittelte Farbwirkungen. Zum einen sei bereits der behauptete wenn die erfolgs- und leistungsthematischen Begriffe in Grün
Zusammenhang zwischen Erregung und Wellenlänge empirisch oder Weiß präsentiert wurden und die Begriffe für die Kategorie
keineswegs gesichert. Vor allem aber sei zum anderen bislang „Misserfolg“ in Rot (Moller et al. 2009).
nicht nachgewiesen, dass farbinduzierte Körperzustände auf psy- Diese Assoziation hat Folgen für das Verhalten. In mehre-
chologische Variablen wie etwa Stimmung, Entscheidungen oder ren Experimenten zeigen Elliot et al. (2007), dass rote Farbpri-
Leistung wirken. mes (z. B. rote Probandennummer oder rotes Rechteck auf dem
Es steht freilich außer Zweifel, dass kulturinduzierte und er- Deckblatt eines Tests) schlechtere Leistungen in Denksport- und
lernte Farbassoziationen erheblich wirksamer sind als eventuelle Intelligenzaufgaben auslösen. Ebenso bevorzugten Probanden,
biologische und vererbte. Die „Statistik der Umwelt“ bietet eine bei denen Rot aktivierte wurde, leichtere Aufgaben – vermutlich
Vielzahl an Farbinformationen, die ihrerseits starke Wirkungen zur Vermeidung eines erwarteten Misserfolgs.
auf unser Verhalten und Erleben haben. Das beginnt bereits da- Elliot et al. (2007; Elliot et al. 2009) zeigen an unterschied-
mit, dass es uns anscheinend nicht möglich ist, die Erfahrung aus lichen Maßen, dass die Farbe Rot eine Vermeidungsmotivation
der Wahrnehmung von Objekten auszublenden. Hansen et al. aktiviert (im Sinne von ▶ Abschn. 5.3.1). Diese Motivation geht
(2006) instruierten ihre Probanden, am Computer aus unter- üblicherweise mit einer Verengung des Aufmerksamkeitsfokus
schiedlichen Objekten graduell so lange die Farbe zu entfernen, und einer weniger holistischen Informationsverarbeitung einher.
bis die Objekte nur noch in Grautönen dargestellt wurden. Dies Daher erwarten Mehta und Zhu (2009) nach der Aktivierung von
gelang bei Quadraten von unterschiedlicher Farbe auch unpro- Rot auch bessere Leistungen in Aufgaben, die von einer detail-
blematisch, nicht aber bei Gegenständen mit starker Vorerfah- genauen und verengten Aufmerksamkeit profitieren. In der Tat
rung. So veränderten Probanden die Farben einer Banane noch war die Leistung ihrer Probanden in Merkaufgaben oder beim
über das Grau hinaus, so dass im Ergebnis ein leichter Blauton Korrekturlesen besser, wenn die Aufgaben vor einem roten Hin-
herauskam. Hansen et al. (2006) erklären dies damit, dass eine tergrund präsentiert wurden. Dieselbe Farbe verschlechterte da-
tatsächlich völlig achromatische, also farblose Banane – da sie gegen die Leistung in kreativen Aufgaben (z. B. Fortführen von
immer noch als Banane erkannt wird –, als gelb erlebt wird. Um Wortassoziationsketten).
diese Illusion auch noch zu entfernen, veränderten die Proban- Die hohe Spezifität der Rotwirkungen zeigt sich in den Ef-
den den Farbton tendenziell bis in die Komplementärfarbe hi- fekten, die sich bei einer leichten Verschiebung des Blickwinkels
nein. von der Leistungs- hin zur Wettkampfsituation ergeben. Beide
Die Farbe von Nahrungsmitteln kann auch das Geschmack- Situationen haben zwar viel gemeinsam, legen aber trotzdem un-
serlebnis verändern. Zum Beispiel erscheinen objektiv gleich terschiedliche Schwerpunkte: Während es im Leistungskontext
342 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

um das Ausschöpfen der eigenen Potentiale geht (im Sinne des erklärt immerhin einen geschlechtsspezifischen Teilbefund: Für
1 Leistungsmotivs; ▶ Abschn. 5.3.3), betont der Wettbewerb das Frauen hängt die Attraktivität von Männern unter anderem von
Ziel, den anderen zu dominieren (im Sinne des Machtmotivs). deren Status ab (Elliot et al. 2010; vgl. auch Buss 1989).
2 Hier deutet die Farbe Rot auf Dominanz und fördert damit das Die attraktivitätssteigernde Wirkung von Rot hat natürlich
Erreichen dieses Ziels. Dies zeigt sich sowohl im eigenen Ver- auch konsumrelevante Folgen. Zum Beispiel geben männliche
halten und Erleben als auch in der Außenwahrnehmung: In Gäste einer Kellnerin mehr Trinkgeld, wenn sie ein rotes im
3 Kampfsportarten wie Boxen, Taekwondo oder Ringen gewinnen Unterschied zu einem schwarzen, weißen, blauen oder grünen
Athleten in roter Kleidung häufiger als beispielsweise in blauer T-Shirt trägt (Guéguen und Jacob 2014).
4 (Hill und Barton 2005). Dies könnte an der Tatsache liegen, dass Die Vermeidungsreaktion, die Rot in anderen Kontexten
sich Sportler selbst als dominanter erleben, wenn sie in roter hervorruft, hat dagegen Auswirkungen auf Risikoverhalten und
5 Kleidung antreten und den Gegner für dominanter halten, wenn Verlustaversion. Gerend und Sias (2009) untersuchten unter-
dieser rote Kleidung trägt (Feltman und Elliot 2011). schiedliche Appelle an die Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Die
Hagemann et al. (2008) zeigen allerdings, dass die Roteffekte Motivation hierzu sollte höher sein, wenn sich die Rezipienten
6 im Wettkampf mindestens zum Teil auch auf einen Wahrneh- vor allem mögliche Schäden und Verluste vor Augen führen, sie
mungsfehler der Schiedsrichter zurückgehen. Sie manipulierten sich also im Sinne der Prospect Theory im loss frame befinden
7 in Aufzeichnungen von Taekwondo-Wettkämpfen die Farbe des (▶ Abschn. 8.3.3) und demnach „vermeidungsfokussiert“ sind
Körperschutzes bei den jeweiligen Athleten. Dadurch erschien (▶ Abschn. 5.3.1). Einen signifikanten Effekt für diesen „Frame“
derselbe Kämpfer in derselben Sequenz entweder mit rotem oder bzw. „Fokus“ fanden die Autoren allerdings nur für Vermei-
8 mit blauem Körperschutz. Erfahrene Schiedsrichter, die diese dungsappelle, die mit einer roten Umrandung präsentiert wur-
Kämpfe sahen, gaben demselben Kämpfer in Rot durchschnitt- den. Dieses Ergebnis legt nahe, dass die Farbe Rot eine Vermei-
9 lich 13 % mehr Punkte als in Blau. Dieser Effekt war besonders dungsreaktion mindestens genauso verstärkt wie ein loss frame
dann ausgeprägt, wenn die Kämpfer ähnlich stark und daher also bzw. die Ausnutzung des Endowment-Effekts.
10 die Bewertungen besonders schwierig waren. Einen konsumrelevanten Effekt der Dominanzwirkung von
Nach diesen Befunden kommen für die Roteffekte in Macht- Rot zeigen Bagchi und Cheema (2013) für die Zahlungsbereit-
und Dominanzkontexten drei Wirkungswege in Frage: schaft bei Online-Geschäften. Die Autoren können zeigen, dass
11 Rot (z. B. im Logo oder Hintergrund einer Webseite) in On-
» Erstens nimmt sich der Rotträger selbst als dominanter wahr, line-Auktionen die Zahlungsbereitschaft erhöht, in Verhand-
12 was seine Leistung vermutlich steigert. Zweitens wird er lungssituationen mit einem Online-Verkäufer allerdings ver-
vom Gegner als bedrohlicher wahrgenommen, was dessen ringert. Diesen scheinbar widersprüchlichen Effekt kann man
damit erklären, dass beide Situationen als „Wettkämpfe“ gedeutet
13 Leistung vermutlich einschränkt. Drittens hält der Schieds-
richter rote Kämpfer für dominanter und bewertet sie besser, werden können, in denen der Käufer einen anderen „dominie-
wenn andere Bewertungskriterien wenig aussagekräftig sind ren“ kann: In der Auktion sind das die anderen Bieter, in der
14 (Bernsmann 2013, S. 22). Verhandlung der Verkäufer.
Wichtig sind für diesen Befund zwei Bedingungen: Zum
15 Wieder eine andere Wirkung entfaltet Rot im Bereich Romantik einen tritt er erst dann auf, wenn es bei der Webseite wirklich
und Attraktivität: Unterschiedliche Befunde deuten darauf hin, ans Bezahlen geht und damit der erforderliche Wettkampf- bzw.
dass rote Signale (z. B. Kleidung, aber auch die Rahmung eines Dominanzkontext überhaupt erst entsteht. Zwar ist auch für die
16 Fotos) sowohl die Attraktivität gegengeschlechtlicher Personen früheren Phasen des Interneteinkaufs Rot keine empfehlenswerte
steigert (z. B. Elliot und Niesta 2008; Elliot et al. 2010) als auch Farbe (z. B. Gorn et al. 2004), aber hier beziehen sich die nega-
17 – unbewusst – eine Aufsuchen-Motivation auslöst. So gehen tiven Effekte auf das Gefallen und nicht auf die Zahlungsbereit-
Probanden signifikant schneller zu einem Versuchsraum, um schaft. Zum anderen muss der Käufer seine Verhandlung mit
über „Dating-Verhalten“ zu sprechen, wenn sie zuvor ein Bild dem Verkäufer als eine Konkurrenzsituation deuten. Erfahrene
18 des Interviewers mit rotem T-Shirt (im Unterschied zu einem Verhandler tun das nicht (Bazerman und Neale 1992; Thompson
blauen) gesehen haben. Wenn sie statt dessen erwarten, über In- 2008). Allerdings sind die meisten Menschen eher unerfahrene
19 telligenztests zu sprechen, verlangsamt die rote Farbe dagegen und damit auch ungeschickte Verhandler (Thompson 2007).
das Gehtempo (Meier et al. 2012). Genschow et al. (2012) zeigen für den Nahrungsmittelkon-
20 Die Effekte roter Farbe auf die Attraktivitätswahrnehmung text, dass Rot auch als Stoppsignal wirken kann: Ihre Probanden
können auf eine ganze Reihe von Mechanismen zurückgeführt tranken – unabhängig vom Getränk – weniger aus einem roten
werden, von denen einige möglicherweise auch evolutionär im Vergleich zu einem blauen Pappbecher, und sie nahmen von
21 verankert sind. Dies trifft besonders auf die Tatsachen zu, dass einem beiläufig neben ihnen stehenden Teller weniger Brezeln,
im Tierreich rote Farbe Paarungsbereitschaft signalisiert (ins- wenn der Teller eine rote im Unterschied zu einer blauen oder
22 besondere natürlich wenn sie die Durchblutung der passenden weißen Farbe hatte. Die Untersuchung von Genschow et  al.
Körperregionen anzeigt; z. B. Deschner et  al. 2004) und dass (2012) ist eine von wenigen, die einen Farbeffekt auf den un-
Menschen bewusst und unbewusst rote Farbe verwenden, um mittelbaren Konsum untersuchen. Besonders hervorzuheben ist,
23 etwa in Gesichtern Gesundheit auszudrücken (Stephen et  al. dass es sich hierbei um Feldversuche handelt.
2009). Weiterhin geht Rot – wie oben schon dargelegt – mit der Die Befunde zur Farbe Rot zeigen eindrucksvoll, was die
Wahrnehmung von Dominanz und höherem Status einher. Dies behauptete Kulturspezifität und Kontextabhängigkeit von Farb-
17.4 • Farbgestaltung
343 17

wirkungen bedeuten. Rot kann sowohl Zuwendungs- als auch dürfte auch diese Assoziation mit Lila sehr kulturspezifisch sein.
Abwendungsverhalten, ein niedriges construal level oder auch Abgesehen von der naheliegenden Assoziation der Farbe mit der
Dominanz auslösen. Die tatsächliche Wirkung steht nicht von Marke Milka ergeben sich auch im Kulturvergleich erhebliche
vornherein fest, sondern wird durch den Kontext bestimmt. Auch Unterschiede: Jacobs et al. (1991) zeigen eine Assoziation von
wenn die Annahme eines gemeinsamen physiologischen Nenners Lila mit hohen Preisen für China und gleichzeitig mit billigen
hinter diesen Befunden eher zweifelhaft ist (z. B. Elliot et al. 2007, Preisen für die USA.
S. 154 f.), zeichnen sich doch Verbindungen zwischen Rot und Andere produktspezifische Befunde belegen etwa, dass Sport-
der Wahrnehmung von Aktivation ab. Walters et al. (1982) etwa schuhe am besten weiß sein sollten (Trinkaus 1991), für die Ver-
zeigen, dass Menschen Farben mit höheren Wellenlängen (z. B. packung von Schokoriegeln Grün und Rot angemessene Farben
Rot) in Situationen bevorzugen, wenn hohe Erregung angenehm sind (Walsh et al. 1990) und braune Möbel, blaue Kleidung und
ist, und umgekehrt eher niedrige Wellenlängen (z. B. Blau), wenn schwarze oder silberne Autos bevorzugt werden (Holmes und
hohe Erregung unangenehm ist. Die Tatsache, dass Erregung un- Buchanan 1984). Manav (2007) untersuchte die Präferenzen für
terschiedliche Valenz haben kann, passt zu dem Befund, dass Farben unterschiedlicher Wohnräume und stellte dabei fest, dass
Rot sowohl Zu- als auch Abwendungsverhalten auslösen kann. die Präferenz ganz davon abhing, welche Funktion der jeweilige
Allerdings würden die Farbpräferenzen, die Walters et al. (1982) Raum hat: Pink wurde im Schlafzimmer als angemessen erlebt,
nachweisen, auch dann auftreten, wenn Farben in Wirklichkeit Blau im Wohnzimmer und Gelb für den Essbereich.
gar keine physiologischen Wirkungen hätten und Menschen ihre Kauppinen-Räisänen und Luomala (2010) präsentierten
Umgebungsfarben nur aufgrund ihrer Laientheorien wählten. ihren Probanden Schmerzmittel in unterschiedlichem Verpa-
ckungsdesign und führten dazu Tiefeninterviews durch. Die
Farbe der Verpackung wurde dabei erwartungsgemäß immer
17.4.4 Farben in Werbe- und Produktgestaltung wieder angesprochen. Die unterschiedlichen Kommentare lie-
ßen sich in drei Funktionen zuordnen: Farben regulierten zum
Farbentscheidungen im Marketing beruhen meist eher auf ästheti- einen die Aufmerksamkeit, sie wurden zum anderen ästhetisch
schen Erwägungen und folgen den Intuitionen der Marketingver- bewertet, und ihnen wurde eine Information über das Produkt
antwortlichen, als dass hier fundierte Ergebnisse der psychologi- entnommen.
schen Farbforschung genutzt würden (z. B. Gorn et al. 1997). Das
ist in mehrfacher Hinsicht nachvollziehbar: Die Forschung zeigt Aufmerksamkeitswirkung von Farben
deutlich genug, dass es eindeutige und kontextunabhängige Farb- Zum einen fördern Farben die unwillkürliche Aufmerksamkeit.
wirkungen nicht gibt, und das Marketing selbst hat belegt, dass Besonders starke Beachtung erhalten Farben, wenn sie hell, warm
konsequent eingesetzte Farbzuordnungen starke kulturelle Erwar- und neuartig sind und wenn sie von der restlichen Umgebung
tungen prägen können. Das bereits zitierte Cola-Beispiel (Shankar abweichen. Diese Aufmerksamkeitsfunktion wird von den Kon-
et al. 2009) ist hierfür vermutlich nicht einmal das eindrucksvollste sumenten freilich nicht uneingeschränkt positiv bewertet. Eine
– die erfolgreiche Assoziation der Farbe Lila mit Schokolade zeigt, auffällige Farbgestaltung kann auch als manipulativ und aufdring-
dass eine nahezu beliebige, jedenfalls durch die „Natur“ nicht ge- lich erlebt werden. So bemerkte zum Beispiel ein Proband in der
rechtfertigte Farbzuweisung Assoziationen etablieren kann, die Untersuchung von Kauppinen-Räisänen und Luomala (2010,
mit den oft unterstellten biologischen jederzeit mithalten können. S. 296): „It seems that the marketing staff wants people to buy
Daher verwundert es auch nicht, dass die im Marketing the brand because it’s yellow, and therefore visible on the shelf.“
nachgewiesenen Farbassoziationen oft sehr produkt- und kul- Zum anderen hängen Farben auch mit der willkürlichen
turspezifisch wirken. Die Wirkung von Schwarz und Weiß bei Aufmerksamkeit zusammen. Bevorzugte Produkte und Marken
Premiumprodukten stellt hierzu möglicherweise eine Ausnahme werden oft anhand der Farbinformation gesucht. Marken ver-
dar – immerhin bieten Scheier et al. (2010) hierzu auch eine suchen natürlich auch, durch einen konsequenten Einsatz ihrer
theoretische Erklärung an, die einen größeren Geltungsbereich charakteristischen Farben eine solche Form der Aufmerksam-
beansprucht (Weiß und Schwarz können Distanz und mentale keitssteuerung zu unterstützen. Auch hier zeigt sich wieder, dass
Abgrenzung ausdrücken; siehe hierzu auch ▶ Abschn. 6.2.3). Eine die Interaktion von Produkt und Farbe für die Wirkung wesent-
andere denkbare Ausnahme könnte die Wirkung einer geringen lich ist: Eine Farbe wie etwa Gelb würde in der Produktkatego-
Farbsättigung betreffen, die sehr durchgängig für Lightprodukte rie „Kaffee“ für eine unwillkürliche Aufmerksamkeitssteuerung
verwendet wird. Bei Zigaretten, die nicht offiziell als „leicht“ sorgen. In einer anderen Produktkategorie dagegen würde sie
oder „mild“ bezeichnet werden dürfen, ist dies eine der letzten vielleicht als Suchhilfe bei der willkürlichen Aufmerksamkeits-
Rückzugsmöglichkeiten der visuellen Verharmlosung (Scheier steuerung dienen.
et al. 2010, S. 51 f.). Allerdings betreffen die genannten Beispiele
Helligkeit und Sättigung von Farben und nicht den Ton. Affektive und ästhetische Wirkung von Farben
Andere Befunde sind wie gesagt eher produktspezifisch zu se- Die ästhetische Wirkung von Produkten ist nachweislich ein
hen. Labrecque und Milne (2012) zum Beispiel zeigen, dass Kon- Entscheidungskriterium – Produkte werden nicht ausschließ-
dome in lilafarbiger Verpackung eher Konsumenten anspricht, lich aufgrund ihrer Qualitätsmerkmale und des Preises gekauft
die eine klassische, edle und attraktive Marke kaufen wollen, dass (allerdings unterscheiden sich Konsumenten darin, welches Ge-
aber Konsumenten, die eher eine haltbare und robuste Marke wicht sie der Ästhetik bei der Produktwahl geben; Bloch et al.
wollen, Kondome in rotbrauner Farbe bevorzugen. Allerdings 2003). Viele Studien zur Farbgestaltung beschäftigen sich mit
344 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

der Wirkung von Farben in einem wertenden, ästhetischen oder len. Interessanterweise beginnen Farben, wenn sie einmal stark
1 affektiven Sinn. Eine herausragende Position nimmt in diesem genug mit einer Marke assoziiert sind, ein Eigenleben zu führen.
Zusammenhang die Arbeit von Valdez und Mehrabian (1994) Der Konsument assoziiert die Farbe mit der Marke, auch wenn er
2 ein. Sie ließen Farben nach einem System bewerten, das dem weiß, dass das konkrete Produkt der Marke nur ähnlich ist („This
semantischen Differential entspricht (▶ Abschn. 21.3.5). Hellig- is like Strepsils with the yellow colour“; Kauppinen-Räisänen und
keit und Sättigung zeigen signifikante Zusammenhänge zu allen Luomala 2010, S. 296). In der Folge aber aktiviert die Farbe, auch
3 drei konnotativen Dimensionen: Bewertung, Potenz/Dominanz ohne die eigentliche Marke bereits Markeneigenschaften wie
und Aktivität. So ist die Bewertung einer Farbe umso positiver, etwa Vertrauenswürdigkeit (Kauppinen-Räisänen und Luomala
4 je heller und je satter sie ist. Die Aktivität bzw. Erregung durch 2010, S. 297).
eine Farbe ist umso geringer, je heller, und umso höher, je satter Oft sind es aber nicht Marken, sondern ganze Produktklas-
5 sie ist. Das gleiche Muster gilt für die Dominanz bzw. Potenz der sen, die tendenziell eher bestimmte Farben verwenden und die
Farbe. Der Farbton dagegen hängt nur mit der Valenz bzw. Be- anhand der Farben gesucht werden. So finden sich zum Beispiel
wertung zusammen: Blau, Grün und Violett fanden die positivste in einem Weinregal auch unabhängig von Marken und Erzeugern
6 und Gelb die am wenigsten positive Bewertung. verstärkt Farben wie Grün und Braun, was Konsumenten zur
Belizzi und Hite (1992) untersuchten Blau und Rot als Ein- Orientierung nutzen können.
7 richtungsfarben von Einkaufsmärkten. Es zeigten sich positivere Markenfarben prägen auch die Erwartung von einzelnen Ge-
Effekte, vor allem eine stärkere Kaufabsicht bei einer Einrichtung schmackszutaten. So war zum Beispiel ein Proband in der Unter-
in Blau. Entgegen den Erwartungen ging aber der entscheidende suchung von Kauppinen-Räisänen und Luomala (2010, S. 299)
8 Effekt hierbei nicht von der Aktivitäts- bzw. Erregungsdimension überzeugt: „Blue means menthol.“ Diese Erwartung dürfte mit
der Farbe (hier hat Blau niedrigere Werte als Rot) aus, sondern von dadurch geprägt sein, dass etwa Wrigley Mentholprodukte (z. B.
9 der Positivität der Bewertung (hier hat Blau höhere Werte als Rot). Wick-Bonbons) durch blaue Farbe kennzeichnet.

Kommunikative Wirkung von Farben


10 17.5 Schriftgestaltung
Farben kommunizieren uns etwas über die Umwelt. Aber diese
Informationsfunktion hat zwei unterschiedliche Grundlagen:
11 zum einen eine natürliche (z. B. rote Früchte sind eher reif als Wie soll die Schrift in einer Anzeige aussehen, damit sie mög-
grüne), zum anderen eine konventionelle (blaue Schilder erlau- lichst leicht gelesen werden kann? Teigeler (1982, S. 126) weist
12 ben etwas im Straßenverkehr, rote verbieten etwas). treffend auf die Lesegewohnheiten erwachsener Menschen in der
Die Wirkung natürlicher Farben wird besonders augenfällig Muttersprache hin: Wir lesen nicht wie Bücherwürmer, Buch-
im Bereich der Lebensmittel und der Ernährung. Hier wurden staben für Buchstaben, sondern wie Känguruhs. Unser Blick
13 Farbwirkungen besonders intensiv untersucht (Kauppinen-­ macht Sprünge über den Text und nimmt meist ganze Reihen
Räisänen und Luomala 2010). Wie ein Produkt schmecken wird, von Buchstaben auf einmal als eine geschlossene Gestalt wahr
14 schließen Konsumenten in erster Linie aus der Farbe (z. B. Hoegg (▶ Abschn. 2.2.2). Beim geübten Leser kommt es also auf die
und Alba 2007). Wie sehr diese Information auch das eigentliche Wortgebilde als Ganze an. Die Gestalt ganzer Wörter muss ein-
15 Konsumerlebnis prägt, habe ich bereits in ▶ Abschn. 2.6 und in deutig, die Wort-Silhouette muss prägnant sein. Einzelne Buch-
▶ Abschn. 17.4.2 diskutiert. staben sind dabei weniger wichtig.
Die Farbe suggeriert offenbar, dass eine Speise, ein Lebens- Sie können sich leicht selbst davon überzeugen, welches Ge-
16 mittel oder ein anderes Produkt bestimmte Merkmale hat, und wicht das Erkennen der Wörter als Ganzes gegenüber dem Ana-
dieser Effekt ist kaum zu umgehen. Dabei muss aber dieses lysieren hat, wenn Sie komplizierte zusammengesetzte Wörter
17 Merkmal keineswegs wirklich unterstellt werden. Auch eine bloß betrachten. Solche Wörter sollte man stets mit Bindestrich schrei-
symbolische Assoziation genügt oft schon. So lehnten etwa die ben. Auf diese Weise werden die einzelnen Wortelemente wieder
Probanden von Kauppinen-Räisänen und Luomala (2010, S. 299) sichtbar und als Ganzes erkennbar. So wird „Wortungetüm“ zu
18 die Farbe Rot für ein Schmerzmittel ab, weil Rot Assoziationen „Wort-Ungetüm“ oder „Industriefleischwarenvertretung“ zu „In-
mit Blut und Schmerzen hervorrief: „,If you have a headache dustrie-Fleischwaren-Vertretung“ (Teigeler 1982, S. 134). Durch
19 and want to have something that relieves the pain and cures it, die Zusammensetzung verlieren im Grunde einfache Wörter ihre
then you do not want to have something that reminds you of prägnante Gestalt. Dadurch werden wir in die uneigentliche Le-
20 blood‘ and ,If you have to put something in your throat, then red semethode des Bücherwurms zurückgedrängt. Der Bindestrich
is too burning. It does not feel good in your throat‘.“ In anderen gibt den Wörtern ihre Konturen zurück, und wir können wieder
Kontexten (z. B. zur Behandlung von Arthritis) werden allerdings springen.
21 rote Tabletten nicht mit mehr Schmerzen assoziiert. So fand Hus- Die gebräuchlichen Schriftarten unterscheiden sich in Bezug
kisson (1974) im Gegenteil stärkere Schmerzlinderung für rote auf die Lesbarkeit kaum. Allerdings sollte man Texte nicht in Groß-
22 im Unterschied zu blauen Placebos. buchstaben schreiben. Großbuchstaben haben eine sehr prägnante
Farben sind auch informativ, wenn sie beliebig zugewiesen Form und stören im Zusammenhang mit anderen Buchstaben das
wurden, etwa als Farben von Marken, Verpackungen, Hinweis- Gesamtbild. Die Formerkennung, Voraussetzung für das „Kängu-
23 schildern und so weiter. Wie schon gesagt, Konsumenten nutzen ruh-Lesen“, wird behindert. Die Prägnanz von Großbuchstaben
diese Informationsfunktion, wenn sie aus einer Menge von Pro- kann man aber nutzen, wenn der Leser beispielsweise aus größerer
dukten (z. B. im Regal) die bevorzugte Marke heraussuchen sol- Entfernung lesen muss oder wenn man nur Einzelbuchstaben für
17.6  •  Bilder in der Werbung
345 17

eine Aufzählung oder Gliederung verwendet. Von größtem Ge- Die Abbildtheorie
wicht bleibt aber nach wie vor das Argument der Formerkennung. Die traditionelle Auffassung sieht Bilder als Repräsentationen der
Texte, und seien es auch nur kurze Überschriften, sollte man im Wirklichkeit. Die Bildwirkung wird nach dieser Auffassung im
gewohnten orthographischen System von Groß- und Kleinschrei- Wesentlichen dadurch vermittelt, dass Bilder auf real existierende
bung gestalten. Auch schräg und vertikal gesetzte Schriften sind Objekte bezogen werden. Die Art der Informationsverarbeitung
schlecht zu lesen. Das Gleiche gilt für verzerrte Buchstaben: Ist ist bei Bildern gegenständlich. Das Verständnis von Bildern wird
beispielsweise ein Text in eine halbrunde Anordnung gebracht, kaum elaboriert. Bilder sind nach dieser Auffassung „Schnell-
büßt er mit Sicherheit an Lesbarkeit ein. Ebenso ist Negativschrift, schüsse ins Gehirn“ der Betrachter (Kroeber-Riel 1993a, S. 54).
also helle Buchstaben auf dunklem Grund, deutlich schlechter zu Sie werden sehr intuitiv mit geringer kognitiver und hoher affek-
lesen, als das gewohnte Schwarz auf Weiß. Wer nur auf die Lesbar- tiver Beteiligung aufgenommen.
keit bedacht ist, sollte also mit der Anordnung seiner Schrift keine Stützende Argumente für diese Position werden aus der Phy-
Experimente machen (Poffenberger 1932; Elbracht 1967; Tinker siologie entnommen. Frühere neurologische Ansätze betonten
1969; Teigeler 1982; Meyer-Hentschel 1993, S. 90 ff.). noch die Spezialisierung der beiden Hirnhälften, und in dieser
Forschung ging man davon aus, dass die kognitive Verarbeitung
von Bildern vorrangig von der rechten Gehirnhemisphäre geleis-
17.6 Bilder in der Werbung tet wird (z. B. Kroeber-Riel 1993a, S. 22 ff.). Dieser Teil des Ge-
hirns hat vor allem mit der Verarbeitung emotional getönter oder
Bilder sind das Medium der Werbekommunikation, denn „Bil- gar ästhetischer Inhalte zu tun. Von dieser Gehirnhälfte werden
der werden fast immer zuerst betrachtet, [sie] werden schnel- auch bevorzugt emotionale und affektive Inhalte verwaltet. Der
ler verarbeitet, [...] [sie] sind glaubwürdig [...] [und sie] werden theoretische Gedanke ist nun, dass diese räumliche Nähe der
schneller gelernt“ (Meyer-Hentschel 1993, S. 18). Bilder werden verschiedenen Gehirntätigkeiten beide Verarbeitungsprozesse
auch besser im Gedächtnis behalten als Worte. Angenehme auch in einen inhaltlichen Zusammenhang bringt. Bilder werden
Bilder fördern zudem eine positive Einstellung gegenüber der demnach affektiver und weniger rational verarbeitet als Sprache.
Anzeige. Bilder vermitteln mehr Information in kürzerer Zeit. Das bedeutet auch, dass Bilder auf Einstellungen nicht über be-
Das Verständnis eines Textes ist auf die sukzessive Abfolge der gründete Argumente, sondern über affektive Reaktionen wirken.
Inhalte angewiesen. Bei einem Bild werden viele Elemente des Was folgt aus dieser Position für die Werbegestaltung? Zum
Inhalts simultan erfasst (vgl. auch Kroeber-Riel 1992a, S. 16 f.; Beispiel sollte aufgrund der traditionellen Vorstellung die Bildaus-
Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982, S. 57 f.). sage einfach, real und affirmativ sein. Wenn Bilder die physikali-
Einschränkend ist allerdings zu bemerken, dass bei der asso- sche Realität repräsentieren, bestehen Bildaussagen allenfalls aus
ziativen Bahnung bzw. beim Priming (z. B. ▶ Abschn. 4.5) keine bejahten Behauptungen. Von dieser Ansicht ausgehend erklärt
grundsätzliche Überlegenheit der Bildinformation gegenüber beispielsweise Kroeber-Riel (1993a, S. 69 f.), dass man Verneinun-
Wörtern festzustellen ist. Bilder eignen sich nicht besser zum gen nicht bildlich darstellen kann, weshalb „konkrete Sätze, die
Priming als Begriffe. eine Verneinung enthalten, auch keine Imagerywirkung“ haben.
Bildkommunikation ist auf dem Vormarsch. Werbung ist Eine andere Konsequenz ist die Unterscheidung zwischen
immer weniger argumentationsbetont. Der Anteil von Anzei- Werbebildern, in denen relevante Produktinformationen gege-
genwerbung ohne Fließtext ist seit den 1960er Jahren kontinu- ben werden, und solchen, die keinerlei Produktinformationen
ierlich gestiegen. Ebenso ist der Flächenanteil von Bildern in An- enthalten (z. B. Miniard et al. 1991, S. 92). Die letztere Klasse
zeigen gewachsen. Die durchschnittliche Länge der Fließtexte hat kann in der Bildverarbeitung eigentlich nur der Erzeugung von
in demselben Zeitraum erheblich abgenommen (Kroeber-Riel Stimmungen bzw. einem Konditionierungseffekt dienen (Rossi-
1993a, S. 4 f.; zu den psychologischen Effekten des Fließtextes ter und Percy 1980). Abstrakte und verfremdete Bilder gehören
in Anzeigen siehe ▶ Exkurs 8.2). In einer Untersuchung von Jost dieser Kategorie schon per Voreinstellung an. Da solche Bilder
(1995) zeigte sich, dass die Beachtungschance einer Anzeige nichts aus der Wirklichkeit repräsentieren, sind sie nur wegen ih-
umso größer war, je weniger Text sie enthielt. rer affektiven Wirkung nützlich. Dies ist eine dritte Konsequenz
Bilder haben auch einen starken Effekt auf Einstellungen und der traditionellen Position.
Meinungen. Inhalte politischer Propaganda werden geschickter-
weise durch einprägsame Bilder vermittelt. Gute Beispiele hierfür Die Theorie der Bildrhetorik
sind die maßlos übertriebenen Diffamierungen der politischen Ein alternativer theoretischer Ansatz wird von Scott (1994) vorge-
Gegner in den Wahlkämpfen der Weimarer Republik, die Propa- stellt. Ihrer Ansicht nach unterliegt der Einsatz von Bildern einem
ganda während des Kalten Krieges oder die extrem zensierte Be- ganzen Bündel von kulturell geprägten Regeln. Bilder spiegeln
richterstattung aus den Golfkriegen (Kroeber-Riel 1993a, S. 82 f.). nicht notwendigerweise die Wirklichkeit. Sie tun viel mehr als das.
Vor allem aber erfüllen sie in verschiedenen Situationen sehr ver-
schiedene Funktionen. Bildliche Aussagen können daher sehr ver-
17.6.1 Das Bild und seine Aussage schieden ausfallen, je nachdem, ob in der Kultur ein bestimmter
Gebrauch vorgesehen ist. Ein Beispiel für einen sehr heterogenen
Im Folgenden möchte ich zwei theoretische Grundpositionen zur Einsatz von Bildinformationen sind Piktogramme (▶ Exkurs 17.2),
Bildwirkung unterscheiden: die Abbildtheorie und die Theorie deren Gebrauch allerdings nicht gewachsen ist, sondern künstlich
der Bildrhetorik. ins Leben gerufen wurde. Trotzdem kann man sich anhand dieses
346 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

Exkurs 17.2  Piktogramme  |       |  Eine klassische Untersuchung von Mitchell und Olson (1981) ist
1 über eine lange Zeit immer in diesem Sinne interpretiert worden:
Das Prinzip der Piktogramme ist erstmals bei den Olympischen Spie- Sie setzten drei Anzeigen für dasselbe Produkt ein, wovon zwei le-
2 len 1964 in Tokio umfassend eingesetzt und seitdem immer wieder
ausgebaut worden (Teigeler 1982). Mit diesen Bildzeichen sollen
diglich dem Image dienen sollten, die dritte aber eine tatsächliche
Personen ohne Worte auf wichtige Sachverhalte in ihrer Umwelt Produktinformation enthielt. Die Imagebilder waren ein Sonnen-
untergang und ein mutmaßlich neutrales abstraktes Gemälde. Die
3 hingewiesen werden. Die Herausforderung besteht darin, Sätze
wie „Hier ist ein Reisebüro“ oder „Hier können Sie Ihren Schlüssel Produktinformation „Sanftheit“ sollte durch das Bild eines flau-
abgeben“ in einem einzigen möglichst einfachen Bild darzustellen. schigen jungen Kätzchens vermittelt werden. Die Erwartung war,
4 Dabei können Piktogramme den Charakter von Aufforderungen,
Aussagen, Bitten, Verboten, Fragen, Empfehlungen, Mitteilungen,
dass die Reaktion auf das Kätzchen am positivsten ausfalle, da hier
Behauptungen oder anderen Sprachhandlungen haben. Diese Bild- ein emotionaler und ein inhaltlicher Aspekt gleichzeitig wirke.
5 sprache soll zwar international verständlich sein, sie setzt allerdings Beim Sonnenuntergang sollte die nächstbeste Reaktion erzielt wer-
auch offensichtlich voraus, dass sich Menschen unterschiedlicher den, denn hier wirke die affektive Komponente allein. Das abstrakte
Kulturen darüber einig sind, wie Bildinhalte zu verstehen sind. Eine Bild transportiere weder Produktinformationen noch Emotionen,
6 bloße Abbildtheorie der Bildkommunikation könnte jedenfalls nicht
also sollten hier überhaupt keine Reaktionen zu erwarten sein.
erklären, warum Piktogramme funktionieren.
Zwar wurde im Ergebnis tatsächlich das Kätzchen am liebsten
7 gemocht, aber es wurden aus allen drei Bildern Informationen
über das Produkt entnommen. So erwarteten die Versuchsperso-
Beispiels leicht eine Widerlegung der These vorstellen, man könne nen, die den Sonnenuntergang gesehen hatten, dass das Produkt
8 Verneinungen nicht bildlich darstellen. Gegenbeispiele sind bereits in attraktiven Farben zu haben sei. Eine ähnliche Erwartung hat-
die vielen interkulturell gültigen Verbotsschilder. ten auch die Betrachter des abstrakten Gemäldes, die aber über-
9 Unser alltäglicher Einsatz von Bildern folgt nach Scott (1994) dies glaubten, das Produkt sei nicht besonders teuer. Ohne die
einer bestimmten Rhetorik. Sofern sich ein bestimmter Gebrauch Abbildtheorie der Bildkommunikation aufzugeben, ließen die
10 etabliert hat, nach dem ein Bild so oder so gesehen wird, kann man Autoren diesen Befund als rätselhaft im Raum stehen und staun-
diesen Gebrauch genauso wie sprachliche Regeln zu Kommuni- ten darüber, dass die Versuchspersonen „Schlüsse über andere
kationszwecken rhetorisch nutzen. Für die Werbung bieten sich Merkmale der Produkte zogen, obwohl keine relevanten Informa-

-
11 folgende Nutzungsmöglichkeiten an (Kroeber-Riel 1993a, S. 126): tionen gegeben wurden“ (S. 329; Übers. GF). Vom Standpunkt der
Freie Bildassoziation: Man hat eine schier unbegrenzte Frei- Theorie der Bildrhetorik würde man antworten: Die Versuchsper-
12 heit, das Produkt mit allen möglichen Dingen in Zusam- sonen hatten relevante Informationen. Sie behandelten alle drei
menhang zu bringen: Philip Morris ließ seine Zigaretten Bildversionen wie Informationen. Alle drei Gestaltungsformen
wie Satelliten durch den Weltraum fliegen, Nordmende haben bestimmte kognitive Konzepte aktiviert, die bestimmte
13 stellte seine HiFi-Produkte neben eine elegante Frau vor Erwartungen an das Produkt wahrscheinlicher gemacht haben.
einen kargen himmelblauen Hintergrund. Eine Verbindung Die wahrnehmende Zielperson muss dabei nicht aktiv Ver-
14 mit diesen Kontexten gibt es eigentlich nicht. Die reine gleiche ziehen. Es genügt bereits, dass die semantische Umgebung

15 - räumliche Verbindung wirkt aber.


Bildanalogien: Das Produkt wird mit einem Vergleichs-
gegenstand in eine Beziehung gesetzt. Der Betrachter soll
das Produkt wahrnehmen, „als ob“ es die Eigenschaften
der Kontextreize aktiviert worden ist. Das elegante Pferd in der
Ford-Werbung aktiviert beispielsweise Begriffe wie „sportlich,
schnell, wendig und gutaussehend“ (Kroeber-Riel 1993a, S. 131).
Diese Begriffe sind auch in der Erinnerung an die Anzeige als As-
16 des Vergleichsgegenstands hätte. In der Autowerbung soziationen besonders verfügbar. Sie werden eher zur Beurteilung
wurde diese Technik angewandt, indem zum Beispiel dem herangezogen als andere. Dieser Effekt kann ganz unbewusst ab-
17 fahrenden Ford Orion sein Schatten in Form eines elegan- laufen. In einer entsprechenden Untersuchung der Gesellschaft
ten Rennpferdes nebenherlief (Kroeber-Riel 1993a, S. 132). für Konsumforschung konnten die Versuchspersonen dieser Wer-
Hier sollte das Auto nicht nur in Gesellschaft eines schnel- bevorlage keine klare Aussage entnehmen. Trotzdem wurden die
18 len Pferdes gesehen werden – es sollte so wahrgenommen oben genannten Begriffe auf die Werbung angewandt. Die Betrach-

19
20
- werden wie ein Pferd.
Bildmetaphern: Eine Metapher ist im Unterschied zur Ana-
logie kein Als-ob-Vergleich mehr. Bei einer Metapher wird
das Produkt mit dem Vergleichsgegenstand nicht mehr nur
ter fällten also Urteile in der erwünschten Richtung, sie führten
ihre Urteile aber nicht auf die Betrachtung der Werbung zurück.
Damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Punkt, in dem
Scotts Position von der traditionellen Auffassung abweicht: Das
verglichen, es wird ihm gleichgesetzt. Wenn beispielsweise Verständnis von Bildkommunikation kann ein kognitiv sehr
die Delikatess-Erbse von Hero appetitlich-glänzend in einer komplexer Vorgang sein. Die Idee, dass Bilder vor allem affektiv
21 offenen Muschel liegt, dann entnimmt man diesem Bild wirken, ist vor diesem Hintergrund fragwürdig. So ist zum Bei-
nicht, dass die Erbse einer Perle ähnlich ist. Auf diesem Bild spiel eine Anspielung auf allgemein geteilte Schemabilder (siehe
22 ist die Erbse eine Perle (Kroeber-Riel 1993a, S. 136). ▶ Exkurs 17.3) oder das Verständnis einer Bildmetapher ohne
abstraktes Denken nicht möglich.
Solche Nutzungsformen gibt die Abbildtheorie der Bildkommu- In ▶ Kap. 15 wurde die besondere Bedeutung der Geschich-
23 nikation nicht her. In dieser Theorie würden die Kontextinforma- tenform im Beeinflussungsprozess herausgestellt. Ein wichtiger
tionen „Rennpferd“ und ganz besonders „Weltraum“ nur als irre- Wirkmechanismus hierbei ist die starke mentale Vorstellung, die
levante, rein affektgeladene unkonditionierte Stimuli betrachtet. durch eine Geschichte erzeugt werden kann – und dies dürfte
17.6  •  Bilder in der Werbung
347 17

Exkurs 17.3  Skripten  |       | 


Schemata beziehen sich nicht nur auf statische eigentlich bei jedem Angehörigen unserer
- was sie wahrscheinlich erwarten, nämlich,
Konstellationen wie etwa Bilder, sondern auch
auf Ereignisse. Ein Ereignisschema wird auch
als Skript bezeichnet (z. B. Abelson 1980).
Damit ist ein Verhaltensablauf gemeint, der
Kultur gleich repräsentiert.
Eine originelle Nutzung von Skripten und
Schemata findet sich in einem Werbespot für
Henkel-Sekt aus dem Jahr 1995. Das erste Bild
- „das wird nie enden …“,
was sie im Unterschied zu dieser Erwar-
tung wünschen, nämlich „wenn er doch
nur schon fertig wäre …“
allgemein bekannt ist. Das Skript umfasst in diesem Spot dauert nur höchstens zwei Se- Auch in den folgenden Szenen lassen sich
eine Folge von Aktionen, die auf einen kunden – und trotzdem hat der Zuschauer mit Schemabilder nachweisen: Ein unerschro-
Hinweisreiz hin automatisch aktiviert sind diesem Bild bereits eine Situation in großer ckener Retter wird von einem besonders ge-
und gegebenenfalls auch autonom ablaufen Komplexität erfasst. Was ist zu sehen? Ein sehr langweilten weiblichen Luxusgeschöpf durch
können (Bargh 1996, S. 179). Ein alltägliches eleganter Vortragssaal, fein gekleidete Leute, Blicke aufgefordert, seine Loge zu verlassen,
und in so gut wie allen Kulturen verbreitetes auf der Bühne ein Herr, der ein Redemanu- um die auf Eis liegenden Sektflaschen noch
Skript betrifft Grußhandlungen. Die einfachen skript in der Hand hält, und der vernehmen während der Rede zu entkorken und damit
Regeln in diesem Skript besagen, dass man lässt: „Blabla, blabla …“ Mit dieser einen dem Spuk ein Ende zu bereiten. Der Retter
Leute grüßt, sobald man sie sieht, und nicht Einstellung weckt der Spot das Schemabild seinerseits, dargestellt von dem Schauspieler
etwa, nachdem man bereits eine Stunde mit der „langweiligen Rede“. Nach weniger als zwei Götz George, erweist sich als charmanter, aber
ihnen gesprochen hat. Das beliebteste Beispiel
für ein Skript betrifft den Restaurantbesuch
(Anderson 2001, S. 162 f.). Vom Betreten des -
Sekunden weiß der Betrachter bereits,
um welchen sozialen Kontext es sich han-
delt, nämlich einen Festakt, zu dem man
etwas ungeschickter Nonkonformist, indem er
seine Loge nicht durch die Tür, sondern vorn
herunterkletternd verlässt, was nicht ohne
Restaurants über das Lesen der Karte, das
Bestellen und das Essen bis zum Holen der
Mäntel ist der typische Restaurantbesuch - in Abendgarderobe erscheint,
wie sich die anderen Anwesenden im Saal
fühlen, nämlich gelangweilt,
Schwierigkeiten zu schaffen ist. Am Ende steht
er Sekt trinkend im Mittelpunkt.

eben auch ein zentraler Faktor bei der Wirkung von Bildern sein. S. 139). Ein solches Expertensystem ist das CAAS-Suchsystem,
Wir haben allerdings gesehen, dass sich diese Wirkung auch bei das unter Kroeber-Riel an der Universität des Saarlandes in Saar-
Verneinungen und Dementis entfalten kann, vor allem dann, brücken entwickelt wurde. CAAS steht dabei für Computer Ai-
wenn die verneinte Aussage in ein Schemabild passt. Auch dies ded Advertising System. Es stellt unter anderem Informationen
widerspricht der Annahme von Kroeber-Riel (1993a), dass ver- über die „psychologische Wirksamkeit von Erlebniskonzepten“
neinte Aussagen keine Imagery-Wirkung hätten. zur Verfügung und kann zur Anregung der Kreativität beim Su-
chen nach Gestaltungslösungen eingesetzt werden (Kroeber-Riel
1992, S. 39, S. 134; Esch 1994; Esch und Kroeber-Riel 1994). Zum
17.6.2 Wie sollen Werbebilder gestaltet sein? Beispiel kann man dem System entnehmen, dass Kleidung in ver-
schiedenster Weise zu sehr vielen für die Werbung bedeutsamen
Bilder können sehr viele Aufgaben bei der Unterstützung oder Bereichen assoziiert wird (Kroeber-Riel 1993a, S. 143 f.).
Gestaltung einer Aussage übernehmen, zum einen, indem sie die Scheier et al. (2010) gehen davon aus, dass Werbung und Pro-
Aussage visualisieren, zum anderen, indem sie aktivieren und dukte noch wesentlich weiter gehende Assoziationen aktivieren
die Gedächtniswirkung stützen. Zur Visualisierung werden von können, die sie „Codes“ nennen (siehe auch ▶ Abschn. 1.8.2). So
Grafikern konkrete Strategien entwickelt (z. B. Gaede 1992). Im kann ein Bild eine bestimme motorische Reaktion aktivieren:
Folgenden beschäftigen wir uns mit den eher psychologischen Der Verschluss eines Produkts, der offensichtlich mit der ganzen
Wirkungen auf Aktivierung und Erinnerung. Hand oder mit zwei Fingern zu öffnen ist, disponiert den Be-
trachter schon beim bloßen Hinschauen zu einem „Kraft-“ oder
Aktivierende Bilder einem „Feingriff “. Diese unterschiedliche Motorik hat ihrerseits
Was wird eigentlich bei den Betrachtern einer Werbevorlage ak- wieder unterschiedliche Bedeutung, zum Beispiel als „maskulin“
tiviert? Kroeber-Riel (1993a, S. 147) beschreibt zum Beispiel eine und „feminin“. Entscheidend ist hierbei, dass der Produktcode in
Anzeige für ein Spülmittel. Auf dem Anzeigenbild ist eine sau- diesem Beispiel über Mechanismen des Embodiment vermittelt
bere Tasse mit dampfendem frischem Kaffee zu sehen. Geradezu wird (z. B. ▶ Abschn. 6.2.2). In anderen Fällen können die Codes
unwillkürlich wird beim Betrachter die Assoziation „Kaffeetrin- auch anders repräsentiert sein. Worin sie jeweils liegen, ergibt
ken, Pause machen, Kuchen, Frühstück …“ geweckt. Was noch sich erst, wenn man die Symbolsprache einer Kultur, individuelle
schwerer wiegt: Der Betrachter denkt wahrscheinlich an ver- Deutungsgewohnheiten und psychologische Gesetze des Wahr-
gleichbare Anzeigen für bestimmte Kaffeesorten. Der Gedanke nehmens und Urteilens berücksichtigt.
an sauberes Geschirr ist nicht abwegig, wird aber durch all die Die Frage nach der Aktivierung kann man freilich auch jen-
anderen Assoziationen vermutlich überlagert. In diesem Beispiel seits von Codes und Semantik einfach im Sinne einer physischen
ist die kognitive Aktivierung verschiedener Konzepte offenbar Reaktion beantworten. Eine höhere Aktivierung in diesem Sinne
falsch eingeschätzt worden. Es ist daher für Praktiker von großer kann man von bestimmten bildlichen Inhalten mit hoher Zu-
Bedeutung, allgemein verbreitete Assoziationen zu kennen und verlässigkeit erwarten – dazu zählen Gesichter (vgl. auch Kro-
von sehr individuellen Verbindungen zu unterscheiden. eber-Riel 1993a, S. 10; Jarchow 1999), insbesondere die Augen,
„Kenntnisse über die Assoziationsvorgänge der Bevölkerung aber auch Erotik. Um Aktivierung zu erreichen, ist es zudem
(der Zielgruppen) kann man […] mit Hilfe von Computerpro- nützlich, etablierte schematisch vorgeformte Bilder aufzugreifen.
grammen (Expertensystemen) erhalten“ (Kroeber-Riel 1993a, Damit sind Bilder gemeint, die beim Betrachter nach sehr kurzem
348 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

Kontakt bereits eine große Menge von Assoziationen wachrufen kurs 17.2; unter dem Gesichtspunkt der Erinnerungsleistung
1 (zum Schemabegriff vgl. z. B. Anderson 2001, S. 156 ff.). Die As- ist ohnehin die Darstellung von Handlungen und Bewegun-
soziationen sind vor allem breit. Sie bestehen aus Wissensinhal- gen gegenüber statischen Bildern der Vorzug zu geben). Ein
2 ten und Affekten, wobei aber dasselbe Schemabild verschiedene Bild von einer Familie beim Frühstück hat mehr Bezüge zu
affektive Bedeutungen haben kann. Manche Schemata wirken dem, was wir bereits kennen, als ein Bild von einem Flugka-
schon aus biologischen Gründen. Die bekanntesten biologischen pitän im Cockpit.
3 Schemabilder kommen aus dem sexuellen Bereich. 2. Das Bild kann bereits vorhandene Bedürfnisse, Wünsche
Aktivation ist auch zu erwarten, wenn man Kinder zeigt. Mit oder Interessen aktivieren. Demnach sind Bilder im Vorteil,
4 dem sogenannten „Kindchenschema“, also der Darstellung einer die auf eigene Wünsche bezogen werden können. Den Bü-
Figur mit ausgesprochen großen Augen, zum Beispiel Bambi, kann chernarren aktiviert zum Beispiel bereits das bloße Bild einer
5 man eine relativ sichere positive Gefühlsassoziation ansprechen. schönen Bibliothek.
Diese positiven Gefühle scheinen angeboren zu sein. Manche
Schemata sind dagegen wahrscheinlich kulturell entstanden. Ei- Die Bilder sollen geeignet sein, etwas zu aktivieren, das schon
6 nige stammen aus Mythen und Märchen, etwa „der einsame Held“, vorhanden ist. Variation mit dem Vertrauten, Vorstellung von
„der Erlöser“, „die Fee“ oder „die schlafende Schöne“ etc. Andere Neuartigem und kreativer Umgang mit dem Material ist auch
7 Schemabilder sind relativ neu, etwa der abgerissene Detektiv im wichtig, kommt aber erst danach in Frage. Umgekehrt ausge-
Trenchcoat oder der mächtige Pate mit röchelnder Stimme. Mit drückt heißt das: Bilder, die weder auf Vorwissen noch auf In-
diesen Figuren werden sehr konkrete Vorstellungen verbunden, teressen und Wünsche beziehbar sind, können kaum aktivieren
8 die nach kurzer Darbietung bereits aktiviert sind. Werbung tut gut und prägen sich daher auch kaum ein.
daran, solche Schemabilder für sich zu nutzen, um die Assoziati- Um die Erinnerungsleistung zu steigern, ist es sinnvoll,
9 onen der Betrachter zu kontrollieren (siehe auch ▶ Exkurs 17.3). stets dieselben Bilder einzusetzen. Kroeber-Riel (1993a, S. 199,
S. 306) spricht von „Schlüsselbildern“, visuellen Grundmotiven
Einprägsame Bilder
10 gleichsam. Er fordert denn auch, die zentralen Schlüsselbilder
Denken wir auch hier wieder daran: Eine Anzeige wird im eines Unternehmens über alle Werbekanäle, als „Printmuster“,
Durchschnitt nur zwei Sekunden lang betrachtet. Daraus lässt als „szenische“ und als „akustische Muster“ konstant zu halten
11 sich schon die wichtigste Empfehlung zur Gestaltung ableiten: und zu verbreiten. Jedes Werbemittel sollte in der Folge – auch
keine ablenkenden Bildelemente! Alles, was zu der einen ange- bei Abwandlung von Details – immer das erkennbare Schlüssel-
12 strebten Werbeaussage hinzukommt, „bremst“ die Anzeige. Wir bild enthalten. In der Tat gibt es manche Marken, die sich über
können nur etwa sieben sinnvolle Einheiten gleichzeitig verar- ein einziges Bild erschließen (z. B. die lila Kuh für Milka oder
beiten (▶ Abschn. 4.4.2). Unter diesen sieben Einheiten sollte der der Marlboro-Cowboy). Vor dem Hintergrund dieses Ratschlags
13 Markenname möglichst enthalten sein. Die wenigsten Werbung- spricht nicht sehr viel dafür, die Werbestrategie immer wieder
treibenden riskieren es, ohne zusätzlichen Text auszukommen. zu verändern.
14 Damit sind bereits für Markenname und Text mindestens zwei Eine Markenidentität ist nur durch Kontinuität zu erreichen:
Speicherplätze belegt. „Wird bei freier Bildauswahl heute dieses, morgen jenes Bild-
15 Ein überladenes Bild kann wertvolle Kapazität unnötig an motiv geschaltet (weil das Bildmotiv interessant, aufmerksam-
sich binden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Hintergrund keitsstark oder gerade in Mode ist), so bestehen praktisch keine
zu einem Bild zu viele Informationen enthält. Ein Suchbild, das Chancen, dass sich klare Firmen- oder Markenbilder heraus-
16 sich erst bei längerer Betrachtung erschließt, ist ungeeignet. Bes- bilden“ (Kroeber-Riel 1993a, S. 276). Praktiker erwarten meist,
ser sind ein klarer Vordergrund und ein unauffälliger Hinter- dass Kontinuität durch immer gleiche Bilder beim Konsumen-
17 grund. Ein einziger Schwerpunkt – oder in den Begriffen der ten Überdrussreaktionen bewirkt, was zu übergroßer Vorsicht
Gestaltpsychologie: eine einzige Gestalt – genügt. Auf keinen Fall bei der Gestaltung führt. Zur Sicherheit wird lieber einmal zu
ist es ratsam, mehrere Bilder auf einmal zu zeigen. Die Nachteile häufig als zu selten variiert. Aber was dem Werbungtreibenden
18 beginnen hier bereits bei der geringen Größe (vgl. auch Kro- abgedroschen und überholt vorkommt, muss deshalb noch lange
eber-Riel 1993a, S. 206 f.). Ein optimales Werbebild ist schlicht nicht dem Kunden so erscheinen. Stattdessen kann man sicher
19 und einfach groß! sein, dass die Werbeideen sich niemals zu einer Markenidentität
Wenn man die Betrachtungsdauer eines Bildes steigern will, etablieren werden (▶ Exkurs 17.4; siehe auch ▶ Abschn. 17.2 zu
20 dann ist nichts so wirksam wie die Darstellung einer Person. der Frage, wie oft Werbeargumenten wiederholt werden dürfen).
Personendarstellungen, insbesondere die Darstellung von Ge- Das Problem der Eigenständigkeit von Anzeigen wurde
sichtern, sind die wirksamsten Variablen in der Gestaltung von schon im Zusammenhang mit der Reizdiskriminierung beim
21 Werbebildern (siehe oben; vgl. Kroeber-Riel 1993a, S. 106; Jar- klassischen Konditionieren angesprochen (▶ Abschn. 3.1.1). Um
chow 1999). festzustellen, wie austauschbar verschiedene Werbevorlagen sind,
22 Einprägsame Bilder knüpfen an etwas an, das der Betrachter kann man Versuchspersonen bitten, Teile von Anzeigen, aus de-
bereits mitbringt (Kroeber-Riel 1993a, S. 77). In der Regel gibt nen die Marke nicht hervorgeht, der richtigen Marke zuzuord-
es zwei verschiedene Anknüpfungspunkte: nen. Kroeber-Riel (1993a, S. 295) nennt für solche Versuche eine
23 1. Ein Bild kann Kenntnisse aktivieren, die die Person bereits durchschnittliche Trefferquote von 51 %. Es wurde also gut die
hat. Es stößt Wissensinhalte an. Das gilt auch für Hand- Hälfte aller Anzeigen der falschen Marke zugeordnet. Als beson-
lungsweisen, die uns mehr oder weniger vertraut sind (▶ Ex- ders austauschbar erweist sich immer wieder die Zigarettenwer-
17.7  •  Akustische Bilder und Musik im Marketing
349 17

Exkurs 17.4  Warum Werbebilder hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben  |       | 


Ruge und Andresen (1994) beklagen, dass Fehlen von Kontinuität liegt auch darin, e) Profilierungsdrang der Marketingmanager:
Werbebilder häufig zu einem Zeitpunkt bereits dass die Werbungtreibenden ihr eigenes Auch firmenintern verantwortliche Mitar-
gewechselt werden, zu dem sie noch gar keine Bild für bekannter halten, als es in Wirk- beiter sehen ein Problem darin, nur für die
Gelegenheit hatten, ihre Wirkung zu entfalten. lichkeit ist. Die Wahrscheinlichkeit für Beibehaltung und Pflege eines Schlüs-
Sie beschreiben „acht Barrieren für die strategi- einen zweiten Kontakt mit der Werbung selbilds verantwortlich zu sein. Damit
sche Bildkommunikation“, die einer effektiven ist bei dem normalen Betrachter bereits geht ihnen subjektiv eine entscheidende
Werbung entgegenstehen: nur noch halb so groß wie für den ersten. Möglichkeit zur Profilierung verloren,
a) Fehlende Konzentration auf relevante Pro- Nur ein Fünftel der Personen, die eine nämlich stets Neuerungen im Bereich der
duktvorteile: Wer mit einem Bild werben Werbung überhaupt gesehen haben, se- Werbung bereitzuhalten.
will, darf die Aussage nicht zu komplex hen dieselbe Werbung insgesamt viermal f ) Schwierigkeiten im Nachweis von Bildwir-
machen. Wirksam sind einzelne Schlüssel- und häufiger. Fast immer sehen nur die kungen: Bildwirkungen sind zu einem
bilder, nicht viele. Macher die Werbung bis zum Überdruss. großen Teil sprachlich nicht fassbar. Die
b) Fehlende Integration: Alle Kommunikations- Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel (1982, Messinstrumente zum Nachweis von
kanäle eines Unternehmens müssen das- S. 53) betonen gar mit allem Nachdruck, Bildwirkungen werden als unzureichend
selbe Schlüsselbild vermitteln. Das Schlüs- dass sich die Betrachter einer erfolgrei- erlebt.
selbild muss sowohl in der Printwerbung chen Werbung nie, gar nicht, wirklich zu g) Zu großer Aufwand bei der Entwicklung
als auch in Spots, in der Händlerwerbung, keinem Zeitpunkt und überhaupt nicht, eines Schlüsselbilds: Es stellt bereits eine zu
der Verkaufsförderung, der Verpackung, am auch nicht in ferner Zukunft, jemals an große Herausforderung an die Praktiker
Point of Sale, auf Briefbögen, Firmenfahr- dieser Werbung derart sattsehen, dass sie dar, die Idee der Mehrfachcodierung
zeugen, dem Koffer der Kundenbesucher gar keinen Erfolg mehr hätte. von Informationen im menschlichen
und so weiter darstellbar sein. Ein Bild, das d) Geringe Begeisterung bei den Werbeagen- Gedächtnis (z. B. Paivio 1971; siehe auch
nur im Film, nicht aber im Druck wirkt, ist turen: Häufig fühlen sich die kreativen ▶  Abschn. 4.2.2) angemessen zu be-
deshalb ungeeignet. Einzelne Teilgrup- Mitarbeiter in Werbeagenturen unterfor- rücksichtigen (Ruge und Andresen 1994,
pen des Unternehmens müssen sich der dert, wenn von ihnen verlangt wird, ein S. 152 f.).
Schlüsselbildidee unterordnen und ihre einziges Schlüsselbild für ein Unterneh- h) Unangemessene Entlohnungssysteme:
eigene Kreativität zurückhalten. men zu entwerfen. Besonders „groß“ ist Normalerweise werden die Leistungen
c) Fehlende Kontinuität: Erfolgreich sind die Begeisterung, wenn das Ziel deutlich einer Werbeagentur nicht pauschal,
nur die Schlüsselbilder, die jahre- und wird, in Zukunft bei dieser einen Lösung sondern einzeln entlohnt. Daher ist es für
jahrzehntelang immer gleich geblieben zu bleiben – so dass dies gleichzeitig der die Agenturen attraktiver, eine Vielfalt an
sind, wie der Bärenmarke-Bär oder der letzte kreative Auftrag an die Werbeagen- Einzelleistungen zu erbringen, als einen
Marlboro-Cowboy. Ein Grund für das tur ist. vereinheitlichenden Vorschlag zu machen.

bung, bei der nur die Marken Marlboro und Camel hinreichend sauberen Ton. Zuvor hat man am zugekalkten Stab ein häss-
eigenständige Bildmotive einsetzen. liches Kratzgeräusch gehört.
2. Selbständige akustische Bilder, eingängige Melodien, Schlager:
Sambarhythmen vermitteln zum Beispiel stets den Eindruck
17.7 Akustische Bilder und Musik von südamerikanischer Vitalität.
im Marketing 3. Akustische Bilder, die erst durch die Werbung mit einem vi-
suellen Bild verbunden werden: Dazu gehört beispielsweise
Akustische Eindrücke, Töne und Geräusche, zum Beispiel eine Musik, die extra für den Spot komponiert wurde.
zischende Wurst in der Bratpfanne oder das Geräusch des Filters
in einer Kaffeemaschine (Ogilvy 1984, S. 112), können dazu die- Die Rolle der Musik in der Werbung ist über lange Zeit als eine
nen, das Produkt und seine Eigenschaften zu veranschaulichen Art der klassischen Konditionierung gesehen worden. Beson-
(ausführlicher siehe hierzu ▶ Abschn. 5.3). Jingles und einpräg- ders häufig wird in diesem Zusammenhang eine Untersuchung
same Werbemelodien sind ebenfalls wirksame Mittel, akustisch von Gorn (1982) zitiert, der zeigen konnte, dass ein neutrales
an Kontur zu gewinnen (Yalch 1991). Konsumenten können sich Produkt, ein Kugelschreiber, von Probanden häufiger gewählt
oft an Werbemusik leichter erinnern als an wörtliche Zitate aus wurde, wenn er mit positiv bewerteter Motiv präsentiert wurde,
Werbespots. Andere akustische Werbebilder betreffen die Intona- und seltener, wenn er mit negativ bewerteter Musik einherging.
tion eines Slogans oder Produktnamens. Bekannt ist zum Beispiel Gorns Experimente werden zwar wegen methodischer Mängel
Ma-o-am. Ein Schlüsselbild der Werbung war auch der ange- kritisiert (Kellaris und Cox 1989), allerdings zeigen andere Expe-
bissene Apfel der Blend-a-med-Werbung. Das Geräusch, wie die rimente (z. B. Bierley et al. 1985), dass Musik sich grundsätzlich
Blend-a-med-Benutzer „kraftvoll zubeißen“, hatte seinen festen durchaus eignet, um über Konditionierungsprozesse neutrale
Platz in dem Spot – auch im Radio (Kroeber-Riel 1993a, S. 304; Objekte aufzuwerten.
Stewart et al. 1990). Kroeber-Riel (1993a, S. 322) teilt die ver- Gleichwohl scheint es aus heutiger Sicht angemessener, die
schiedenen Nutzungsmöglichkeiten von „akustischen Bildern“ Einflüsse der Musik auf Informationsverarbeitungsprozesse in
in der Werbung in drei Kategorien ein: den Mittelpunkt zu stellen (MacInnis und Park 1991). Scott
1. Audiovisuelle Bildeinheiten: Ein Beispiel hierfür ist die Wer- (1990) betont, dass die Wirksamkeit von Musik nicht so sehr
bung für Calgon. Der soeben wunderbar gereinigte Heizstab in einem reflexhaften Affekt beruht. Entscheidend ist aus ihrer
wird aufgeschlagen, und man hört einen klaren, gleichsam Sicht, dass Musik kulturell vorgeprägte Kognitionen aktiviert und
350 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

daher ähnlich wie Sprache und Bilder einer eigenen Rhetorik Die genauen Einflüsse von Musik im Konsumverhalten sind
1 unterliegt. noch immer schlecht untersucht. Dies liegt sicherlich auch an
Kulturell vorgeprägte Kognitionen dürften zum Beispiel dem prinzipiellen Problem, einzelne musikalische Einflussfakto-
2 dafür verantwortlich sein, dass deutsche Hintergrundmusik im ren zu isolieren und ihren eigenständigen Beitrag zu bestimmen.
Weingeschäft eher den Verkauf deutscher Weine und franzö- Im Grunde wird schon seit mehr als zwei Jahrtausenden unter-
sische Musik den Verkauf französischer Weine fördert (North stellt, dass bestimmte Intervalle bzw. Tonskalen oder Rhythmen
3 et  al. 1999; siehe auch ▶ Abschn. 6.2.1). Auch Befunde, nach psychologisch anders wirken als andere (dies führt z. B. Platon im
denen die Musik in Verkaufsräumen zu anderen Merkmalen 3. Buch seiner Politeia aus). Viele Komponisten sind der Ansicht,
4 der Umgebung passen sollte, beruhen wohl eher auf kognitiv dass bestimmte Tonarten auch bestimmte psychologische Wir-
vermittelten und nicht auf automatischen affektiven Reaktio- kungen haben. Belastbare Überprüfungen für Thesen dieser Art
5 nen. Zu Weihnachten etwa wirken weihnachtliche Musik und finden sich allerdings kaum. Befunde zur Werbemusik betreffen
entsprechende Gerüche gemeinsam positiver auf Konsumenten daher meist eher Wirkungsweisen einer konkreten Musik, und
als jede der beiden Komponenten einzeln und diese wiederum zwar als „Ganzes“ und nicht in ihren Einzelkomponenten.
6 besser als eine unpassende Kombination von Musik und Geruch
(Spangenberg et al. 2005). Im Blumengeschäft fördert roman-
7 tische Musik den Verkauf, Popmusik dagegen nicht (Guéguen 17.8 Sprache
und Jacob 2010).
Die Passung zwischen Musik und anderen Umgebungsmerk- Fast alle positiven Merkmale eines Produkts werden in Form
8 malen muss keine semantische sein. Mattila und Wirtz (2001) von Substantiven ausgedrückt. Dies hat verschiedene Gründe.
manipulierten das Aktivierungspotential von Musik und Gerü- Einer ist die Platzersparnis, die mit der Verwendung von Sub-
9 chen. Für die Bewertung der jeweiligen Umgebung war es vor stantiven einhergeht. Sätze, die viele Substative enthalten, sind
allem wichtig, dass Musik und Geruch in gleichem Ausmaß ak- kürzer als Sätze mit dem gleichen Inhalt, der aber nicht durch
10 tivierten; weniger wichtig war, ob es sich um eine übereinstim- Substantive ausgedrückt wird. Daher „[kann] durch inhaltsrei-
mend hohe oder niedrige Aktivierung handelte. che Substantive die Schnelligkeit der Informationsaufnahme
Auch eine andere kognitive Wirkung von Musik ist bemer- gesteigert werden“ (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982,
11 kenswert: Allem Anschein nach erleichtert Musik die Erinnerung S. 161). Ein zweiter Grund liegt im psychologischen Effekt der
an bedeutungsvolle Inhalte. Bartlett und Snelus (1980) zeigen, „Etikettierung“: Personen wie Gegenstände bekommen mit ho-
12 dass für die Erinnerung an die Texte von Popsongs die Melodie her Wahrscheinlichkeit die Merkmale zugeschrieben, die ihre
ein besserer Abrufschlüssel ist als der Titel. Hyman und Rubin Namen implizieren (z. B. Felser 2008; Wänke et al. 2006). Es ist
(1990) untersuchten die Erinnerung an die Texte von Beatles-Lie- also nur zweckmäßig, in den Produktnamen inhaltlich sinnvolle
13 dern. Sie konnten zeigen, dass Menschen, wenn sie die Texte er- Anspielungen auf Eigenschaften des Produkts einzuflechten (Ries
innern, relativ wenig Fehler machen und dass diese Fehler so und Trout 1981). Wenn ein Kaffee bereits Schonkaffee heißt, wird
14 gut wie immer in dem formalen Rahmen bleiben, der durch das ihm eher Magenfreundlichkeit zugeschrieben, als wenn er unter
Lied vorgegeben wird. So hat eine falsch erinnerte Zeile trotzdem einem anderen Namen nur mit den Worten „Der Kaffee für den
15 noch den Rhythmus des Liedes oder folgt dem vorgegebenen empfindlichen Magen“ beworben wird.
Reimwort. Textinhalte, die durch Lieder vermittelt werden, ver- Über die besondere Form der Werbesprache sollen Vorteile
fügen also über ein besonderes Erinnerungspotential: Mit der des Produkts so stark wie möglich gemacht werden. Zu diesem
16 Musik als Hinweisreiz werden sie nicht nur sinngemäß, sondern Zweck werden Begriffe erfunden, die es vorher gar nicht gab,
annähernd wortwörtlich erinnert. Auch für die Erinnerung an zum Beispiel „Geschmacks-Verfeinerung“ (Warsteiner Bier),
17 persönlich bedeutsame, emotionale Erlebnisse ist Musik ein gu- „Kurvenstabilität“ (Good-Year-Reifen) oder „Kenner-Sorte“
ter Hinweisreiz (Schulkind et al. 1999). (Lindt-Pralinen) (Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982,
Allerdings scheint aus Sicht der Forschung durchaus strittig, S. 161).
18 ob Musik nur durch die Assoziation mit außermusikalischen In- Adjektivverbindungen wie „der herzhafte Genuss“, „die
halten emotional wirkt oder ob sie auch per se und ganz autonom fruchtige Frische“ oder „der strahlende Glanz“ gelten unter Stil-
19 bereits Affekte und Emotionen auslösen kann (für einen Über- kundlern als starr, lähmend und einfallslos. Reiners (z. B. 1969)
blick vgl. z. B. Baumgartner 1992). Jedenfalls beeinflusst Musik spricht von „zusammengefrorenen Verbindungen“. Schönert
20 auch Stimmungen und hat dadurch einen Effekt auf das Konsum- (1984, S. 1995) bezeichnet sie in der Werbung als „Dutzendware“.
verhalten (Bruner 1990; Alpert und Alpert 1990). Außerdem bin- Einen anschaulicheren Stil erzeugt man, wenn man gezielt auf
det sie kognitive Verarbeitungskapazitäten. Dies beeinträchtigt Beiwörter verzichtet. Schönert (1984) illustriert dies mit der fol-
21 zwar die Markenerinnerung (Gorn et al. 1991), gleichzeitig un- genden Werbeaussage: „Hält jung und vital bis ins hohe Alter.“
terliegt aber eine mit Musik unterlegte Werbebotschaft eher den Diese Formulierung ist noch durch Adjektive geprägt. Würde
22 typischen Verarbeitungsprozessen, die bei geringer Aufmerk- sich der Texter die Regel auferlegen, ohne Adjektive zu schreiben,
samkeit zu erwarten sind (wie sie z. B. in den ▶ Abschn. 4.7 oder zwingt ihn das zur Kreativität. Dabei könnte dann z. B. heraus-
23 ▶ Abschn. 14.1 beschrieben wurden). Außerdem ist der Abnut- kommen: „Gestern Abend kam Oma wieder erst um elf Uhr nach
zungseffekt von Werbung mit Musik geringer als ohne (Anand Hause.“
und Sternthal 1990). Einen Überblick über Forschungsergebnisse Werbesprache enthält besonders häufig Wörter, die sowohl
zu Musik in Werbung und Marketing gibt Allen (2007, 2008). wertend als auch beschreibend gebraucht werden, etwa „groß“.
17.8 • Sprache
351 17

So hieß es zum Beispiel: „Dresdner Bank – die große Bank für um die Unsinnigkeit mancher Behauptungen zu erkennen. Ein
kleine Kredite.“ Ganz ähnlich funktioniert die Sprache, wenn weiterer Faktor ist die Bereitschaft, Werbung als eine normale
von einem Hersteller oder einem Produkt behauptet wird, es Kommunikation zu verstehen und zu unterstellen, dass Kommu-
handele sich um den „ersten“ oder das „erste“ (z. B. wirbt der nikationsnormen eingehalten werden wie „Teile Relevantes vor
Studiengang Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Harz Irrelevantem mit“ (vgl. auch Wänke und Reutner 2010; weitere
mit den Worten „In Wernigerode studieren Sie bei den Ersten“. Beispiele in ▶ Abschn. 1.4.1).
Objektiv bezieht sich die Behauptung auf die Tatsache, dass der
erste Wirtschaftspsychologie-Studiengang im deutschsprachi-
gen Raum 1998 an der Hochschule Harz aus der Taufe gehoben 17.8.1 Der Name des Produkts
wurde. Gleichzeitig kann man freilich mit dem Begriff nicht nur
eine Reihenfolge, sondern auch eine Position in der Wertung aus- Es ist sehr wirksam, wenn der Name eines Produkts sofort über
drücken; siehe auch Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982, bestimmte Heuristiken die Wahrnehmung prägt. Wenn die eine
S. 169). Margarine Becel und die andere Du darfst heißt, dann ist bereits
In der Werbung kommen Argumente und Begriffe vor, de- durch den Namen vorprogrammiert, welchem Produkt man we-
nen nichts in der Wirklichkeit entspricht, und die sogar zu Miss- niger Kalorien unterstellt (siehe oben; vgl. auch Pratkanis und
verständnissen führen müssen, wenn man sie wörtlich versteht. Aronson 1992, S. 122). In Deutschland darf der Produktname
Darunter zählen Begriffe wie „Hautatmung“ oder „Nährcreme“ keine direkte Beschreibung des Produkts enthalten, das heißt,
aus dem Bereich der Körperpflegeprodukte (Kroeber-Riel und man darf zwar von einem Produkt behaupten, es sei ein „Al-
Meyer-Hentschel 1982, S. 158 f.). Diese Begriffe suggerieren, über lesreiniger“ oder ein „Schonkaffee“, man darf das Produkt aber
die Haut finde ein Gasaustausch statt oder man könne der Haut nicht so nennen. Durch verschiedene rhetorische Mittel soll
von außen Nährstoffe zuführen – ein großer Unsinn.2 Manche trotzdem eine Bedeutung mit dem Produktnamen aktiviert wer-
Produktbeschreibungen, die im Grunde völlig selbstverständ- den. Ein solches Mittel ist die phonetische Assoziation. So hatte
lich sind, zum Beispiel „ohne Zusatz von Nitriden“ oder „ohne beispielsweise das Speiseöl Livio, eine Ölmischung mit einem
schädliche Hormone“, können einem Produkt Vorteile eintragen. 90%igen Anteil an Sonnenblumenöl, durch den Namen die Asso-
Vor allem solch unklaren Begriffe wie „leicht“, „natürlich“ oder ziation geweckt, es sei das höherwertige Olivenöl im Spiel. Einige
„organisch“ sind in Gefahr, zu trivialen, aber dennoch wirksamen Beispiele für weniger subtile phonetische Anspielungen: Nutella
Produktbeschreibungen missbraucht zu werden. Besonders die für eine Nussmasse, Nirosta für ein rostfreies Material, Vileda
Verwendung des Begriffs „organisch“ für Nahrungsmittel sollte für einen lederähnlichen Putzlappen oder Wuxal für ein Mittel,
einen aufmerksamen Konsumenten eigentlich stutzig machen. das den Pflanzenwuchs anregen soll. Weniger konkrete Assozia-
Organisch ist fast jede chemische Verbindung, die Kohlen- tionen verbinden sich mit Hochwert- und Prestigewörtern, etwa
stoffatome enthält. Somit ist natürlich so gut wie jede Nahrung Diplomat, Lord, Commodore, Capri oder Granada (Kroeber-Riel
organisch. Warum sollte man das hervorheben (Mullen und und Meyer-Hentschel 1982, S. 20; Lötscher 1989).
Johnson 1990)?3 Auch Lautverbindungen, die auf den ersten Blick völlig sinn-
Werbung profitiert an dieser Stelle von der Tendenz der Re- frei sind, wecken Assoziationen und lösen Erwartungen aus. Pe-
zipienten, mitgeteilte Informationen grundsätzlich für relevant terson und Ross (1972) erzeugten mit dem Computer sinnlose
zu halten – warum sonst sollte man sie mitteilen? Dies ist die Wörter und ließen sie von Probanden einschätzen. Es zeigte sich
Grundhaltung bei jeder Kommunikation und somit mindes- unter anderem, dass bestimmte Lautverbindungen mehr für die
tens so sehr ein linguistisches wie psychologisches Phänomen eine als die andere Produktkategorie als geeignet erlebt werden
(Grice 1975). Der manipulative Effekt der Werbung beruht da- (z. B. whumies für Frühstücksflocken, aber nicht für Waschmit-
her nicht nur darauf, dass die Rezipienten nicht genug wissen, tel). . Tabelle 17.1 gibt einen ausschnitthaften Überblick über
die linguistischen Mittel, mit denen man Produkt- und Marken-
2 Zum Gasaustausch: Grundsätzlich findet ein Gasaustausch über die Haut namen gestalten kann.
nur von innen nach außen statt. Möchte ich nun – zum Beispiel mit Hilfe Offensichtlich wird bereits der bloße Klang eines Namens
eines Vaporisators – ein Gasgemisch von außen in die Haut einführen,
gestalterisch genutzt. Und in der Tat lässt sich durch die Phone-
werde ich damit Schiffbruch erleiden. Ein solches Unterfangen würde
sehr spezifische Bedingungen voraussetzen, insbesondere einen sehr un-
tik auch Bedeutung suggerieren. Vokale beispielsweise gehen in
gewöhnlichen Außendruck. Zur Nährstoffaufnahme: Die Haut kann in ei- Markennamen mit Unterschieden in der Wahrnehmung einher.
nem bestimmten Milieu – etwa unter einem Pflaster – verschiedene Stoffe In einer Untersuchung von Klink (2003) waren Vorderzungenvo-
aufnehmen. Allerdings gehören ausgerechnet Proteine, die für das gute kale (im Deutschen zum Beispiel e, i und a) mit helleren Farben
Aussehen der Haut besonders wichtig sind, nicht zu diesen Stoffen. Ent-
assoziiert als Hinterzungenvokale (im Deutschen o und u). Vor-
scheidend ist hier die besondere Molekülgröße von Proteinen. Da sie aus
einer großen Kette von Polypeptiden bestehen, haben Proteine einen zu
derzungenvokale in Kombination mit Reibelauten waren assozi-
großen Durchmesser und können nur schwerlich über die Hautoberfläche iert mit kleineren, eher kantigen Figuren (z. B. in Logos). In einer
eingeschleust werden. Das ginge allenfalls über die Hautporen, die aller- weiteren Studie zeigte Klink (2003), dass ein Bier stärker, dunkler
dings nur 10 % der Hautoberfläche ausmachen. Man muss also folgern: und „schwerer“ erlebt wurde, wenn der Name einen Hinterzun-
Eine Hauternährung im kosmetischen Sinne ist nur unter sehr speziellen
genvokal hatte und das Logo runder, dunkler und größer war.
Bedingungen denkbar.
3 Wer’s ganz präzise haben will: Eigentlich kommt nur eine anorganische
Die beschriebenen Vokalunterschiede entscheiden daher
Substanz als Nahrungsmittel in Frage, nämlich Salz. Ob Sie jetzt Salz ein auch, ob eine Eiscreme eher Frish oder Frosh heißen sollte.
Nahrungsmittel nennen wollen, stelle ich Ihnen anheim. Yorkston und Menon (2004) stellten ihren Probanden unter
352 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

merkmale und dem Hotel Alpina mehr Aktivitäts- und Sport-


1 .. Tab. 17.1  Linguistische Komponenten von Unternehmens- und
Markennamen (Bergh et al. 1987; Lötscher 1989; Moser 1990, S. 11, merkmale zugeschrieben.
Tab. 6) Ein Name kann eigentlich nicht diagnostisch sein, wenn er
2 linguistische Mittel Beispiel
nicht der richtige Name ist. Daher konnten Yorkston und Me-
non (2004) den Effekt des Namens reduzieren, wenn sie den
Probanden erklärten, der Name im Test sei nicht der Name, mit
3 phonetisch
dem das Produkt auf den Markt ginge. Wänke et al. (2006) er-
Alliteration (Stabreim) Coca-Cola
klärten ihren Probanden, der Name des Hotels habe sich kürz-
4 Binnenreim Raum-Traum lich geändert bzw. er werde in Kürze geändert. Dies sollte noch
Assonanz (Vokalwiederholung) Hin und Mit einmal hervorheben, dass der Name des Produkts im Grunde
5 stumpfer, einsilbiger Reim Max Pax
beliebig sei und nicht wirklich etwas über das Hotel ausdrücke.
Interessanterweise hatte auch diese Instruktion einen Effekt des
unreine, schwache Reime Black und Decker Namens zur Folge: Dem Hotel wurden stets vorzugsweise jene
6 Onomatopoie (Lautmalerei) Cracker, Sanso Merkmale zugeschrieben, die der angeblich ursprüngliche Name
Wortverstümmelung Chevy (für Chevrolet) suggerierte. Wenn also zukünftig Edelweiß in Alpina umbenannt
7 Verschnitt (Morphemkombina- Duracell
werden sollte, erhielt das Hotel die Edelweiß-Merkmale, wenn
dagegen Edelweiß früher einmal Alpina hieß, wurden eher die
tion mit Auslassungen)
Alpina-Merkmale erwartet. Dieser Befund hat dramatische Kon-
8 Anfangsplosive Big Mac sequenzen für Relaunches und die Änderung von Produkt- und
orthographisch Markennamen: Offensichtlich sind die Assoziationen mit alten
9 ungewöhnliches oder falsches Kool-Aid, TOYS„R“US
Namen hoch stabil und bleiben über einen langen Zeitraum er-
Buchstabieren halten. Dies ist nicht allein ein Effekt der Gewöhnung, vielmehr
10 Abkürzungen 7-Up
hat die alte Bezeichnung auch dann einen Vorrang gegenüber der
neuen, wenn sie soeben erst gelernt wurde.
Akronyme Eduscho, Haribo, Adidas Wenn der Name das Einzige ist, in dem sich ansonsten weit-
11 Palindrome Omo, Maoam, Mum, Ata, Sugus gehend identische Produkte unterscheiden, dann darf man er-
morphologisch
warten, dass Konsumenten ihr Urteil insbesondere an dem Merk-
12 Affixationen (Hinzufügungen) Jell-O
mal ausrichten, das noch variiert. Konsumenten suchen nach
differenzierenden Informationen und nutzen diese, auch wenn
sie irrelevant sind (z. B. Carpenter et al. 1994). Bei Entscheidun-
13 Zusammenfügungen Daimler-Benz
gen kann man generell beobachten, dass Menschen sich auf jene
diesen Namen zwei fiktive Eismarken vor. Die Namen unter- Merkmale konzentrieren, die zwischen den Optionen stark vari-
14 schieden sich nur in dem Vokal. Da Hinterzungenvokale eher ieren, selbst wenn diese bekanntermaßen keinen Einfluss auf ihre
größer, schwerer, weicher und dunkler wahrgenommen werden, Zufriedenheit haben (siehe z. B. den Isolationseffekt; Kahneman
15 sollte das Eis unter dem Namen Frosh auch cremiger, weicher und Tversky 1979; 12.2). Wänke et al. (2006) variierten daher
und sahniger erlebt werden. Da dies bei Eiscreme auch wün- Merkmale und Namen der Hotels unabhängig voneinander, so
schenswerte Eigenschaften sind, sollte das Eis unter dem Namen dass sowohl kongruente als auch inkongruente Kombinatio-
16 Frosh positiver bewertet werden als unter Frish. Sowohl die sen- nen von Namen und Merkmalen entstanden. Obwohl sich die
sorische Wahrnehmung des Produkts als cremig oder sahnig als Produkte nun hinreichend unterschieden, um auf der Basis der
17 auch dessen Bewertung fielen den Hypothesen entsprechend zu Merkmale zu urteilen, blieb der Effekt des Namens erhalten. In
Gunsten von Frosh aus. Fällen, in denen Name und Merkmale inkongruent waren, setzte
Ein Alpenhotel erweckt unter dem Namen Edelweiß eher sich in der Bewertung der Probanden der Name durch.
18 die Erwartung von Gemütlichkeit und unter dem Namen Al- Die Befunde von Wänke et al. (2006) belegen nicht nur die
pina eher den Eindruck eines Sporthotels. Dieser Effekt ist nicht Stabilität des Namenseffekts besonders eindrucksvoll, sie zeigen
19 sehr überraschend, wenn die Konsumenten außer dem Namen zudem, dass der Produktname über andere Prozesse zu einer
nicht viel mehr von dem Hotel wissen und man voraussetzt, dass Bewertung führt als etwa die Zugehörigkeit zu einer sozialen
20 Produktnamen (im Unterschied zu Personennamen) zu einem Kategorie. In diesen Fällen der sozialen Urteilsbildung entfallen
Zeitpunkt vergeben werden, wenn die Merkmale des Namensträ- die Einflüsse der Kategorie, ja sie kehren sich gelegentlich sogar
gers bereits feststehen: Man hält dann Alpina für ein Sporthotel, in ihr Gegenteil um, wenn individuierende Informationen hinzu-
21 weil es ja sonst von seinen Betreibern anders genannt worden kommen oder die Irrelevanz des Einflusses salient gemacht wer-
wäre. Wänke et al. (2006) zeigen allerdings, dass der Effekt des den (siehe hierzu ▶ Abschn. 7.3.1 bzw. ▶ Exkurs 7.5). Ein wich-
22 Namens erhalten bleibt, wenn die Probanden individuierende tiger Grund für diese besondere Wirksamkeit liegt vermutlich
Informationen zu den Hotels erhalten, selbst wenn ihnen deut- darin, dass Marken- und Produktnamen eben nicht beliebig und
lich gemacht wird, dass sich die Hotels in ihren Merkmalen nicht irrelevant, sondern irgendwann einmal bewusst gesucht und an
23 unterscheiden. Diese Maßnahmen reduzieren den Unterschied das bereits vorhandene Merkmalsprofil von Produkt und Marke
zwischen Edelweiß und Alpina zwar, er verschwindet aber nicht. angepasst worden sind – das jedenfalls scheint der Konsument
Immer noch werden dem Hotel Edelweiß mehr Gemütlichkeits- zu erwarten.
17.8 • Sprache
353 17

Nicht nur auf die Zuschreibung von Merkmalen, sondern Produkt denkt. Zusätzlich lenkt die Bedeutung der chine-
auch auf die Erinnerung haben unterschiedliche Namen un- sischen Lautfolge die Phantasie jedoch in eine bestimmte
terschiedliche Effekte: Krishnan und Shapiro (1996) verglichen Richtung. Denn sie besagt wörtlich: „Es schmeckt gut, und
implizite und explizite Erinnerung an Produktnamen. Eine im- man trinkt es mit Behagen.“ Diese reizvolle Übersetzung kann
plizite Erinnerung war eher bei solchen Produktnamen zu er- sowohl unter marktpsychologischen wie kommerziellen
warten, die aus allgemein gebräuchlichen Wörtern bestanden. Gesichtspunkten als ein hervorragendes Beispiel für die Über-
Einzigartige Namen und Wortneuschöpfungen wurden dagegen nahme eines fremden Produktnamens angesehen werden
eher explizit erinnert. Gebräuchliche Wörter als Produktnamen (Jinlong 1994, S. 19).
wecken im Fall des impliziten Erinnerns ein Gefühl der Ver-
trautheit bei den Konsumenten, ohne dass diese die Quelle für Die Übernahme von Coca-Cola ist ein besonderer Glücksfall.
diese Vertrautheit nennen können (▶ Abschn. 4.7). Dieses Gefühl Nicht immer ist das, was in der einen Sprache einfach auszu-
beeinflusse die Kaufentscheidung eher in solchen Situationen, sprechen und geläufig ist, in der anderen Sprache ebenso nahe-
in denen impulsiv gekauft werde. Krishnan und Shapiro (1996, liegend. Ein Produktname, der in einer bestimmten Sprache wie
S. 159) empfehlen daher, Produkten aus der Impulskaufkategorie ein Zungenbrecher wirkt, dürfte seine Schwierigkeiten haben.
eher gebräuchliche Wörter als Namen zu geben. Einzigartige und Gleichwohl gilt natürlich für viele Produkte: Ein exotischer Klang
ungebräuchliche Namen sollten dagegen eher an Produkte verge- macht neugierig – auch in China. Wie wichtig der Klang des
ben werden, bei denen eine bewusste und explizite Erinnerung neuen Namens ist, demonstriert Jinlong (1994) an zwei ande-
dem Kauf vorangeht. ren Beispielen: Unglücklich sei die chinesische Bezeichnung Léi
Interessante Gesichtspunkte ergeben sich aus dem Problem, Silìng für „Riesling“. Auch wenn es klangliche Überlappungen
ein bekanntes Produkt in eine fremde Kultur einzuführen. Wie gibt, sei doch die Assoziation, die das chinesische Wort beim
soll man hier mit dem Namen des Produkts umgehen? In euro- Muttersprachler auslöst, sehr unpassend. „Léi Silìng“ sei nämlich
päischen Ländern ist man es gewohnt, dass bestimmte Produkte eine militärische Anrede, ungefähr zu übersetzen als „Komman-
ausländische Namen haben und ungewohnt ausgesprochen wer- deur Donner“.
den, wie etwa Lancia, Renault oder Toys„R“Us. Schwieriger wird
es zum Beispiel bei asiatischen Ländern. Hier muss der Name in » Anders das chinesische Wort Tàifei: „Es handelt sich um eine
eine neue Schrift übertragen werden, und es ist sehr fraglich, ob interpretierende lautangleichende Übernahme des engli-
ähnliche Laute in der anderen Schrift dargestellt werden können. schen toffee. Das chinesische Wort Tàifei ist in der Zeit der
Ein interessantes Beispiel für diese Probleme ist China. Jin- Qing-Dynastie eine Bezeichnung, mit der der regierende
long (1994) berichtet von verschiedenen Strategien, ein Produkt Kaiser die Konkubinen seines Großvaters und seines Vaters
in den chinesischen Markt zu übernehmen. Zum einen kann ehrte. Vor einer Tàifei hatten sogar regierende Kaiser Respekt.
man sich bemühen, einfach die Lautfolge des Originalnamens Sie war eine hochgeschätzte Begleiterin, der man Vereh-
zu behalten (z. B. fangtà für Fanta oder kédá für Kodak)4. Manch- rung entgegenbrachte und die dies mit Wonne dankte. Wie
mal versucht man dagegen, nur die Bedeutung eines Namens zu bei dem Cognac Napoleon oder dem Sekt Fürst Metternich
behalten, also ein möglichst treffendes chinesisches Äquivalent überträgt der Käufer nunmehr die historische Assoziation auf
zu finden (z. B. heutige Produkte. Bei dem Bonbon Tàifei hat das zur Folge,
für „Container“). daß man es als ein feines Konfekt ansieht, das heute ähnliche
Zwischen diesen Extrempunkten der Übernahme versucht Freuden verheißt wie eine historische Tàifei dem Kaiser. So
man aber auch manchmal, den Namen einerseits einen ähnli- darf sich jeder Käufer mit Fug und Recht als Kaiser fühlen.
chen Klang zu geben, andererseits aber gewisse Bedeutungs- Dank dieser Warenbezeichnung hat das Bonbon tatsächlich
komponenten hinzuzufügen. Dies tut man schon deswegen, einen großen Erfolg auf dem chinesischen Markt errungen“
weil ausländische Ware gelegentlich noch mit Skepsis betrachtet (Jinlong 1994, S. 20).
wird. „Unsinnswörter“ zur Bezeichnung dieser Waren dürften
diese Skepsis natürlich kaum lindern. So wird zum Beispiel der
Markenname Coca-Cola im Chinesischen so übersetzt, dass das
chinesische Wort zum einen etwas vom ursprünglichen Klang 17.8.2 Werbetexte
enthält, zusätzlich aber auch eine Bedeutung besitzt:
„Niemand liest den Text.“ Na ja, nicht eben niemand, aber doch
» Kekou kelè ist eine interpretierende lautangleichende nur sehr wenige. Ogilvy (1984, S. 80) schätzt die Leser des Wer-
Übernahme von Coca-Cola. Die Marke ist auch wegen ihrer betextes auf 5 % der Betrachter. Normalerweise wird der Text gar
Einfachheit und Klarheit, ihrer Lesbarkeit und Einprägsamkeit nicht gelesen, auch dann nicht, wenn er kurz ist. Sogar Konsu-
weltbekannt geworden. Die chinesische Übersetzung kennt menten mit hohem Interesse an dem Produkt lesen Werbetexte
in China jedermann. Sie klingt phonetisch ähnlich wie Coca- eher selten (Meyer-Hentschel 1993, S. 117; Kroeber-Riel 1993a,
Cola, so daß der Konsument sogleich an ein ausländisches S. 15 ff.). Werbetexte sind schon aus diesem Grund in der Regel
außerordentlich kurz. Der Text einer Anzeige wird grundsätzlich
4 In der Transkription der chinesischen Laute orientiere ich mich an Jinlong
erst nach dem Bild betrachtet. Auch wenn eine Anzeige länger
(1994), muss aber die Schreibweise bei dieser Übernahme bereits etwas als zwei Sekunden betrachtet wird, holt der Text relativ zum Bild
vereinfachen. nicht auf. Wenn eine Anzeigenwerbung gut wirkt, hat sie das
354 Kapitel 17 • Gestaltung der Werbung

1 .. Tab. 17.2  Indirekte und kreative Formulierung von Werbeaussagen


(Kotler und Bliemel 1995, S. 970; Schönert 1984, S. 194)
.. Tab. 17.3  Rhetorische Figuren der Werbesprache (nach Brenner
1994, S. 10)

2 Die Aussage … wird in der Werbung zu … linguistische Mittel Beispiel

Unser Auto ist vielseitig. Fiat Panda: Die tolle Kiste. Befehlsformen „Komm auch Du, greif zu.“
3 Mit unserer Finanzierung Wir machen den Weg frei. Präsens „Wir arbeiten dran.“
können Sie Ihre Pläne verwirk-
Alliteration „Gut ist uns nicht gut genug.“
lichen.
4 Hyperbel „Ausgewählte Zutaten machen unsere Suppe
Alkoholfreies Bier steht dem Alles, was ein Bier braucht.
so unverwechselbar.“
normalen Bier in nichts nach.
5 Unsere farbenfrohe Mode wird United Colors of Benetton.
Antithese „Einfach riesig, der Kleine.“
weltweit getragen. Anapher „So hoch das Land, so mild der Kaffee.“
6 Bestellen Sie nicht irgendein Bitte ein Bit. Klimax „Schmeckt so lang, länger, extra lang.“
Bier. Bestellen Sie Bitburger.
Metapher „Ein Meer an Cremigkeit.“
7 Pickel verschwinden im Nu. Tschüss, ihr dummen Pickel.
rhetorische Frage „Haben Sie schon einmal probiert, Tomaten
Mit diesem Duft werden Sie Want him to be more of a man? aufs Brot zu streichen?“
8 ihm gefallen. Try being more of a woman.
Paradoxie „Auch wenn sie nass sind, sind sie schön
Lesen Sie die neue Artikelserie If your son is old enough to shave, trocken.“

9
über die Syphilis-Gefahren. he’s old enough to get syphilis.
Doppeldeutigkeit „Aral. Alles Super.“
Jeder sollte Englisch sprechen „Do you speak English?“ – „Nö.“ „Sie fahren mit Abstand am besten.“
können.
10 Der Käfer hält unglaublich Er läuft und läuft und läuft … als „leicht verständlich“. „Verständlich“ seien noch immer Sätze
lange.
von 19 bis 25 Wörtern. Alles darüber werde „schwer verständ-
11 lich“. Für Werbezwecke sollte die leicht verständliche Version mit
kaum jemals ihrem Text zu verdanken. Vermutlich gilt Ähnli- 15 Wörtern pro Satz angestrebt werden.
12 ches auch für Werbung im Fernsehen. Schaden kann der Text Ein weiteres Kriterium ist die sogenannte Satztiefe. Damit
allerdings schon. Es lohnt sich also, nach den Merkmalen eines ist die Menge an Informationen gemeint, die man aufnehmen
möglichst effektiven Werbetextes zu fragen. muss, bis man den Inhalt eines Satzes verstanden hat. Die Satz-
13 tiefe ist nicht identisch mit der Menge an Informationen, die im
Inhaltliche Merkmale von Werbetexten Satz steckt. Es geht vielmehr darum, wie viel vom Satz gelesen
14 Der Kontakt mit dem Werbetext sollte keinen Anlass zur Irri- oder gehört sein muss, bis man endlich weiß, worum es geht.
tation geben. Die Überlegenheit des Bilds gegenüber dem Text Anders ausgedrückt: In besonders tiefen Sätzen wird erst ganz
15 haben wir auch an anderer Stelle schon erörtert (▶ Abschn. 4.2.2 am Schluss des Satzes klar, worum es die ganze Zeit geht (zum
und 17.6). Bei der Kombination von Bild und Text ist daher zu Konzept der Satztiefe vgl. Yngve 1960; Teigeler 1968). Die deut-
beachten, dass der Text das Bild niemals ergänzen oder gar kor- sche Sprache neigt ganz besonders zu tiefen Sätzen. Die Regeln
16 rigieren soll (Kroeber-Riel 1993a, S. 125). Der Text soll nicht der Grammatik verweisen in vielen Fällen das Prädikat an den
Informationen bereitstellen, die mit den Inhalten des Bilds un- Schluss des Satzes. Dies ist in verschiedenen Formen von Neben-
17 verträglich sind und sich nicht darauf beziehen lassen. sätzen, bei zusammengesetzten Zeiten und bei Funktionsverbge-
Die meisten Slogans sind so formuliert, dass sie einen Pro- fügen der Fall. Alle diese Fälle verkomplizieren eine Aussage und
duktvorteil oder Nutzen allenfalls implizieren. Die Slogans, die sollten in der Werbesprache vermieden werden.
18 bei diesem Verfahren herauskommen, sind von einem formalen Nun nimmt die Korrektheit der Sprache in der Werbung hin-
Standpunkt betrachtet reizvoller, prägnanter und kürzer. Viele ter Sparsamkeit einer Aussage erst den zweiten Rang ein. Die
19 kreative Werbegestalter sehen in der Prägnanz und Kürze eine Bereitschaft, auch völlig ungrammatische Aussagen zu akzeptie-
besondere Herausforderung und messen dem gelungenen Wer- ren, führt oft zu blankem grammatischen Unsinn, zum Beispiel
20 betext einen künstlerischen Wert bei (z. B. Schirner 1977; Sendl- „Deutschlands meiste Kreditkarte“. Besonders häufig sind aller-
meier 1996). Betrachten wir einige Beispiele (. Tab. 17.2; Kotler dings „Sätze“ ohne Prädikat, zum Beispiel „Traumhaft sahnig,
und Bliemel 1995, S. 970). traumhaft frisch“ oder „Davidoff – Cool water“.
21 Es sind aber nicht zuletzt solche stilistischen Besonderheiten
Formale Merkmale von Werbetexten (. Tab. 17.3; vgl. auch Harris et al. 1986; Stern 1988; McQuarrie
22 Die formale Gestalt von Werbetexten ist für die Erinnerung und Mick 1996), auf denen die beeindruckende Erinnerungs-
der Werbung wichtiger als die Laufzeit einer Werbung oder der wirkung bei Werbeslogans beruht. Gail und Eves (1999) analy-
Etat, mit dem geworben wird (Reece et al. 1994). Ein formales sierten die Ergebnisse der Gallup & Robinson-Umfragen und
23 Sprachmerkmal ist zum Beispiel die Länge von Sätzen. Je länger fanden Erinnerungsvorteile und höheres Kaufinteresse für Spots,
die Sätze sind, desto schwerer ist ein Text in der Regel zu ver- die zu ihren Slogans passende visuelle Metaphern anboten (vgl.
stehen. Reiners (1969) empfiehlt eine Satzlänge von 15 Wörtern Gleich 2000b, S. 267). Nelson und Hitchon (1999) untersuchten
17.8 • Sprache
355 17

metaphorische Figuren, die auf dem Phänomen der Synästhe-


sie beruhen, also der Bereitschaft, Sinnesempfindungen unter-
schiedlicher Modalitäten miteinander zu verbinden (z. B. loud
taste, colored fragrance, scented sounds; ▶ Abschn. 2.6.1). Ihre
Versuchspersonen bewerteten Werbepräsentationen, die mit
synästhetischen Metaphern gestaltet waren, deutlich positiver.
Allerdings kam es darauf an, dass diese Synästhesien nicht bereits
durch die Produkte nahegelegt wurden. Ein Parfum, das mit dem
Begriff „bunt“ warb, profitierte in der Bewertung mehr als ein
Fernsehsender, der ebenfalls den – hier deutlich näherliegenden
– Begriff „bunt“ beanspruchte.
Young und Robinson (1989) konnten eine positive Wirkung
für rhythmische Gestaltung von Werbespots nachweisen. Reece
et al. (1994) befragten telefonisch knapp 200 erwachsene Ameri-
kaner, ob sie bestimmte Werbeslogans erinnerten. Nur die lingu-
istische Gestaltung konnte die tatsächliche Erinnerungsleistung
vorhersagen. Es kam also vor allem darauf an, dass die Slogans
Reime, eine rhythmische Sprache, Wiederholungen oder aus-
drücklich den Produktnamen enthielten. Metaphern, Allitera-
tionen oder besonders aktuelle Begriffe wirkten sich ebenfalls
positiv aus. Direkte Befehlsformen werden eher selten eingesetzt,
meist bei der Werbung vor Kindern. In diesem Fall sind sie aller-
dings nach den Richtlinien des Zentralverbands der deutschen
Werbewirtschaft (ZAW) unzulässig (ZAW 1990; Felser 1994;
siehe auch ▶ Abschn. 1.6).
357 18

Inhalte der Werbe-


und Produktgestaltung
Georg Felser

18.1 Werben mit Angstappellen  –  358


18.2 Erotik in der Werbung  –  362
18.2.1 Erotische Werbung und Geschlecht   –  362
18.2.2 Aktivierung und Informationsverarbeitung  –  364
18.2.3 Moderierende Einflüsse: Einstellung und Passung   –  365
18.2.4 Wirkungswege erotischer Werbung – 367

18.3 Humor in der Werbung  –  367

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
358 Kapitel 18  •  Inhalte der Werbe- und Produktgestaltung

Zusammenfassung eines bestimmten Verhaltens hat. Auf diese Weise soll das Publi-
1 1. Werbung mit Furchtappellen ist nur dann effektiv, wenn der kum zu dem entsprechenden Verhalten motiviert werden, sei es
Betrachter das Gefühl hat, die dargestellte Bedrohung wirksam nun zum Gebrauch eines Produkts, zur Änderung der Lebensge-
2 abwenden zu können. wohnheiten oder zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung. Bis
2. Ein sehr intensiver Furchtappell kann bei Menschen, die sich heute reißt die Diskussion nicht ab, unter welchen Bedingungen
von der Bedrohung stark betroffen fühlen, Gedanken der Ver- solche Appelle wirksam sind.
3 harmlosung und Beschwichtigung verstärken. Dies kann zum Ein Markstein für die Zweifel an der Wirksamkeit von
Beispiel darin bestehen, dass Menschen eher schwache Mittel, Furchtappellen ist die Untersuchung von Janis und Feshbach
4 die Bedrohung abzuwenden, für wirksam halten. (1953). Sie erschreckten Schüler bei einem Vortrag über die Fol-
3. Manche Emotionen setzen voraus, dass sich das Subjekt für die gen schlechter Zahnpflege. Die Schüler in der furchterregenden
5 Ursache der Emotion verantwortlich fühlt, zum Beispiel Schuld, Versuchsbedingung sahen farbige Dias mit scheußlichen Krank-
Reue oder Herausforderung. Wenn diese Emotionen in der Wer- heiten des Mund- und Rachenraums. Die möglichen Folgen
bung erzeugt werden, hat dies stärkere Handlungsabsichten zur einer schlechten Zahnpflege wurden ihnen verbal und visuell
6 Folge als ein reiner Furchtappell, denn Furcht setzt keine Eigen- veranschaulicht. Die Botschaft dabei war immer wieder: „Das
verantwortlichkeit voraus. kann auch dir passieren!“ Andere Schülergruppen sahen weniger
7 4. Erotik hat einen besonders starken Effekt auf die Aufmerksam- entsetzliche Bilder, wieder andere sahen gar keine. Obwohl nun
keit des Betrachters. Die gesteigerte Aufmerksamkeit kann aber die erste Schülergruppe nach dem Vortrag durchaus die größte
Angst vor Mund- und Zahnerkrankungen hatte, wurden in ihr
8 häufig der erotischen Darstellung allein gelten, so dass gerade
die Erinnerung an Details der Werbebotschaft bei erotischer Ge- die geringsten Änderungen in Richtung auf eine verbesserte
staltung leidet. Mundhygiene erreicht. Man könnte meinen, die Schüler hätten
9 5. Generell wird erwartet, dass Erotik, die nicht zum Produkt passt, den schrecklichen Vortrag so schnell wie möglich vergessen.
eher abgelehnt wird und der Werbung eher schadet als nützt. Wie lässt sich diese Reaktion erklären? Beginnen wir mit
10 Diese Erwartung lässt sich für eine bewusste Aufnahme der einer Differenzierung. Stellen wir uns vor, Sie würden mit der
Werbung und mit expliziten Einstellungsmaßen belegen. Wenn Möglichkeit konfrontiert, dass Sie eine gefährliche Krankheit
die Konsumenten die Werbung nicht mit voller Aufmerksamkeit haben könnten. Sie haben zwei Probleme, mit denen Sie umge-
11 rezipieren, scheint aber auch unpassende Erotik positive Effekte hen müssen. Zum einen haben Sie die Furchtreaktion, der Sie
zu haben. mit der Frage begegnen: „Wie werde ich die Anspannung wieder
12 6. Werbung wird zwar sehr häufig humorvoll gestaltet, allerdings los, in die mich diese Information versetzt hat?“ Zum anderen
ist keineswegs sicher, dass Werbung mit Humor besser wirkt als beschäftigt Sie die Gefahr selbst, also grob gesagt die Frage: „Wie
ist die Gefahr abzuwenden?“ Sie müssen also nicht nur die Ge-
13 ohne. Humor, der mit Werbeaussage zusammenhängt, ist erwar-
tungsgemäß erfolgreicher als Humor, der nicht in den Kontext fahr, sondern auch ihre Emotion kontrollieren (Leventhal 1970).
der Aussage passt. Allerdings zeigt sich auch ein Vorteil von Hu- Damit kann der Furchtappell zwei Funktionen haben: Die Furcht
14 mor, wenn er nur den Kontext bildet, in dem eine Werbung steht. kann den Empfänger dazu motivieren, eine genaue Analyse der
Informationen vorzunehmen, oder sie kann eine defensive bzw.
15 Bisher haben wir uns mit den formalen Gestaltungsmerkmalen Vermeidungsmotivation erzeugen, die zu einer oberflächlichen
von Werbung und Produkt beschäftigt. Im Folgenden möchte ich bzw. verzerrten, konklusionsgetriebenen Informationsverar-
einige Gestaltungsoptionen diskutieren, die mehr mit den Inhal- beitung führt, wie ich sie in ▶ Abschn. 14.1.4 beschrieben habe
16 ten einer Werbung zu tun haben. Dabei werde ich exemplarisch (Ditto und Lopez 1992; McCaul et al. 1992; Liberman und Chai-
auf drei konkrete inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten eingehen, ken 1992).
17 nämlich auf Furchtappelle, Erotik und Humor in der Werbung. Die Forschung zur Wirkung von Furchtappellen konzen-
trierte sich lange Zeit auf die Wirksamkeit der Gefahrenkontrolle.
Schon in der Untersuchung von Janis und Feshbach (1953, S. 83)
18 18.1 Werben mit Angstappellen beklagte sich einer der Teilnehmer: „I don’t think you should
have shown so many gory pictures without showing more to pre-
19 Ein Werbespot für eine Gaspistole: Wir hören den Anruf einer vent it.“ Diese Information hätte in der Tat einen Unterschied
Frau bei der Polizei. Ein Fremder befindet sich in ihrer Wohnung. bedeutet. Zunächst einmal ist trivial, dass ein Furchtappell als
20 Die ersten Worte richten sich noch an die angerufenen Beamten. solcher nur auf den emotionalen Zustand und die Motivation
Die nächsten Worte gelten dem Eindringling, der sich offenbar wirken kann. Fehlen geeignete Instruktionen, wie die Gefahr
mittlerweile direkt vor ihr befindet. Entsetzte Fragen, was er von abzuwenden ist, dann muss der Furchtappell ins Leere gehen.
21 ihr wolle, verzweifelte Hilfeschreie … Das Eintreffen der Polizei Schon aus diesem Grund wirken Furchtappelle eigentlich nur ge-
kann die Vergewaltigung nicht mehr verhindern. meinsam mit konkreten Instruktionen (Leventhal 1970). Wichtig
22 Starker Tobak. Ein ähnlicher Spot wurde aber – zumindest im sind aber die Informationen über die Vermeidbarkeit auch aus
Rahmen eines Experiments – eingesetzt (LaTour et al. 1996), und anderen Gründen. Mit Hilfe der Kontrollierbarkeit kann man
zwar keineswegs mit dem Geschrei einer Schauspielerin, sondern sich selbst gegenüber begründen, dass man nicht in die unan-
23 mit einem authentischen Hilferuf. Ein Angst- oder Furchtappell genehme Situation kommen wird (▶ Exkurs 18.1). Die Kontrol-
besteht darin, dem Publikum meist auf drastische Weise darzu- lierbarkeit ist ein entscheidender Faktor bei der Frage, ob sich
stellen, welche unerwünschten Konsequenzen die Unterlassung das Publikum der angsteinflößenden Information zuwendet oder
18.1  •  Werben mit Angstappellen
359 18

nicht. Für diesen Gedanken gibt es eine Reihe von empirischen Exkurs 18.1  Blaming the victim  |       | 
Belegen (z. B. Chu 1966; Rogers 1983).
Rogers und Mewborn (1976) informierten ihre Probanden Wenn ein Geschworenengericht über einen Kriminalfall, zum Beispiel
eine Vergewaltigung, zu befinden hat, dann trifft man dabei immer
über Verkehrsunfälle in unterschiedlich angstinduzierender
wieder auf ein eigentlich überraschendes Phänomen. Manchmal
Weise. Die Unfälle wurden unterschiedlich grausam darge- sind es gerade die weiblichen Geschworenen, die bereit sind, dem
stellt und als unterschiedlich wahrscheinlich bezeichnet. Das Opfer der Vergewaltigung eine Teilschuld zuzuweisen. Was kann
Ziel der Information war, die Versuchspersonen vom Gebrauch diese Frauen dazu bewegen? Mit den Gedanken zum konklusi-
des Sicherheitsgurts zu überzeugen. Wenn der Sicherheitsgurt onsgetriebenen Denken und dem Umgang mit angsteinflößender
Information kann man darauf eine Antwort geben. Wer dem Opfer
als eine effektive Methode bezeichnet wurde, um Unfälle zu
eines Verbrechens in relevanter Hinsicht ähnlich ist, kann leicht vor
verhüten – es wurde gesagt, der Sicherheitsgurt rette in 90 % der Frage stehen: Bin ich eigentlich sicher davor, selbst einmal Opfer
der schweren Unfälle das Leben der Fahrer –, dann hatte eine eines Verbrechens zu werden? Eine Frau, die bei der Bewertung eines
stärker angstinduzierende Information auch einen stärkeren Vergewaltigungsfalls zu dem Schluss kommt, dass das Opfer ohne
Effekt auf die Bereitschaft, den Sicherheitsgurt zu verwenden. den geringsten eigenen Beitrag aus heiterem Himmel vergewaltigt
wurde, gesteht damit zu, dass solche Dinge jeder Frau zu jeder Zeit
Wenn dagegen gesagt wurde, der Sicherheitsgurt könne nur 10 %
passieren können. Die Bedrohung, selbst einmal Opfer einer Verge-
der Menschenleben in schweren Unfällen retten, dann hatte ein waltigung zu werden, erscheint damit unkontrollierbar. Wenn sie
stärkerer Angstappell keine Wirkung auf die Bereitschaft. Im dagegen Besonderheiten bei dem Fall wahrnimmt, bestimmte Merk-
Gegenteil, die Versuchspersonen wandten sich eher vom angs- male des Opfers, die sie selbst nicht besitzt, und ganz besonders ein
tinduzierenden Material ab und entzogen sich der Informierung. bestimmtes leichtsinniges Verhalten, das sie selbst nie zeigen würde,
dann wird die Gefahr der Vergewaltigung subjektiv kalkulierbar (zum
Der Angstappell ist also nur dann wirklich effektiv, wenn die
Phänomen des blaming the victim vgl. Ryan 1971).
Vermeidungsmöglichkeiten der angstbesetzten Situation klar
und sicher sind.
Hier bietet sich auch eine Erklärung an, warum manche Krankheit ist, die man normalerweise nicht einfach so bekommt,
Furchtappelle eine eher lähmende als motivierende Wirkung ha- schafft man günstige Voraussetzungen für die Bereitschaft, sich
ben. Manche Autoren glauben, dieses Phänomen gehe auf eine mit AIDS auseinanderzusetzen. Dies zeigt auch, wie groß die
allzu starke Aktivierung durch die angsteinflößenden Bedingun- psychologischen Unterschiede zwischen verschiedenen Übertra-
gen zurück (z. B. Henthorne et al. 1993). Neuere Forschungs- gungswegen der Krankheit sind. Beim Geschlechtsverkehr liegen
ergebnisse zeigen aber demgegenüber, dass auch sehr starke für die einzelne Person weit mehr Kontrollmöglichkeiten vor als
Furchtappelle den mittleren Niveaus durchaus überlegen sind bei einer Blutübertragung. Daher untergraben Verbrechen mit
(De Hoog et al. 2007; LaTour et al. 1996; vgl. auch Sutton 1982). verseuchten Blutkonserven nicht nur die Sicherheit in unserer
Somit scheint ein zu hohes Aktivationsniveau nicht der Grund medizinischen Versorgung, sondern auch die Wirksamkeit der
für die Wirkungslosigkeit mancher Furchtappelle zu sein. Keller psychologischen AIDS-Prävention. Wer nämlich die Bedrohung
und Block (1996) halten die kognitive Ausarbeitung der unange- durch AIDS nicht mehr als kontrollierbar erlebt, wird weniger
nehmen Konsequenzen für eine entscheidende Variable, auf der bereit sein, sich mit dem Thema zu beschäftigen (Alden und
der Unterschied zwischen effektiven und ineffektiven Furchtap- Crowley 1995; LaTour und Pitts 1989; Struckman-Johnson et al.
pellen beruhen soll. Sie argumentieren dafür, dass schwache 1990; ▶ Exkurs 18.2; . Abb. 18.1).
Furchtappelle dann ineffektiv sind, wenn die Personen sich die Bis hierhin haben wir Furchtappelle vor allem unter dem Ge-
unangenehmen Folgen gar nicht erst vorstellen, und dass starke sichtspunkt ihrer Stärke betrachtet – die mögliche Bedrohung
Furchtappelle dann ineffektiv sind, wenn sich die Personen die für die eigene Person hat sich ausschließlich aus dieser Stärke
Konsequenzen in allzu schillernden Farben ausmalen. ergeben. Diese Überlegung ist aber nicht ganz richtig. Tatsäch-
Aus unseren Überlegungen zur Kontrollierbarkeit der Ge- lich gibt es ja starke und beängstigende Bedrohungen, die aber
fahren lässt sich ein weiterer Gesichtspunkt ableiten. Wir könn- für mich nicht oder jedenfalls noch nicht gelten. Die Stärke der
ten nämlich sagen: Der lähmende Anteil der Furcht geht auf die Bedrohung und das subjektive Gefühl bedroht zu sein, die eigene
Erwartung zurück, mit der Bedrohung nicht umgehen zu kön- Vulnerabilität, sind eigentlich unabhängige Dimensionen. Diese
nen. Bush und Boller (1991, S. 35) schreiben hierzu: „Adverti- Unterscheidung ist ein wesentliches Element des Stufenmodells
sing campaigns can most effectively induce fear in an audience der angsterzeugenden Kommunikation von De Hoog et al. (2008;
by failing to provide information regarding the means to cope vgl. auch De Hoog et al. 2005). Das Modell nimmt – ähnlich wie
with the threat.“ Nach dieser Interpretation ist der Unterschied Leventhal (1970; s. o.) – an, dass die Reaktion auf eine bedrohli-
zwischen wirksamen und unwirksamen Furchtappellen nicht che Information zwei Funktionen hat: zum einen der Furcht, zum
der von geeigneten und ungeeigneten Reizstärken, sondern der anderen aber der Gefahr zu begegnen.
zwischen einer bedrohlichen, aber kontrollierbaren, und einer Die Motivation zu Ersterem ist vor allem eine Funktion der
unkontrollierbaren Situation. Intensität der Bedrohung und der eigenen Vulnerabilität dieser
Welche Rolle die prinzipielle Kontrollierbarkeit bei der Wer- Bedrohung gegenüber. Die Motivation zu Letzterem hängt da-
bung mit Furchtappellen spielt, zeigt sich schließlich auch an den gegen mehr von den Bewältigungsmöglichkeiten ab. Das Mo-
verschiedenen Kampagnen zur AIDS-Prophylaxe. Der Gedanke dell unterstellt weiterhin, dass die beiden Funktionen sequentiell
an eine Ansteckung mit AIDS ist zwar hochgradig mit Angst durchlaufen werden, dass sich die Sequenzen aber auch wieder-
besetzt, trotzdem kann man die Gefahr als kontrollierbar erleben. holen können, zum Beispiel indem es immer mal wieder zu Neu-
Wenn man betont, dass AIDS in erster Linie eine „erworbene“ einschätzungen der Bewältigungsmöglichkeiten kommen kann.
360 Kapitel 18  •  Inhalte der Werbe- und Produktgestaltung

Exkurs 18.2  Wir können auch anders  |       | 


1
Bei den Kampagnen zur AIDS-Prävention wur- offenbar versucht werden, eher durch positive, vor AIDS vereinbar ist (Waltje 1993; siehe

2 den unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.


So war zum Beispiel die amerikanische Kam-
lebensbejahende Botschaften als durch Erinne-
rung an die Gefährlichkeit von AIDS, an Krank-
auch . Abb. 18.1). So gab es beispielsweise
zwei sehr populäre Plakate, die jeweils einen
pagne des Jahres 1987 geprägt durch einen heit und Tod die nötige Verhaltensänderung zu nackten männlichen bzw. weiblichen Körper in
3 slice of death und a morbid sense of disaster
(Bush und Boller 1991, S. 32). In der Kampagne
erzielen. Man denke hier an Plakatsprüche wie
„Spaß am Sex – Mit Kondom“ oder „Lust ohne
sandigen Dünen liegend zeigen.
Es dominierten Positivbilder verantwortungs-
von 1988 wurden spezielle Risikogruppen Reue – Mit Kondom“. Andere Beispiele sind bewusster Partner. Diese Partner sind keine
4 direkt angesprochen. AIDS wurde nicht als
ein gesellschaftliches Problem, sondern eher
Plakate, auf denen schwule Männer abgebildet
sind, etwa einer, der als Rettungsschwimmer
Übermenschen. Sie haben ihre Schwierigkei-
ten mit der Treue, mit dem offenen Reden über
als die tödliche Konsequenz eines verantwor- den anderen aus dem Wasser fischt und auf Sex oder dem „peinlichen“ Kauf von Kondo-
5 tungslosen Verhaltens dargestellt (Bush und den Armen hält, oder einer, der seinen Partner men. Sie springen aber über ihren Schatten
Boller 1991, S. 33). Erst im Jahr 1989 gewannen intim berührt. Diese Bilder schrecken nicht ab, und geben ihre negativen Gewohnheiten
konkrete Vorschläge zum Umgang mit der sie appellieren an Verständnis für die Situation auf. Sogar Versuche einer eher humorvollen
6 Bedrohung an Bedeutung. und die Lebensweise schwuler Männer. Diese Bewältigung des Themas sind zu beobachten
Im Vergleich hierzu setzten die AIDS-Kampa-
gnen in Deutschland der 1990er Jahre eigene
Beispiele werden ergänzt durch den Versuch,
auch für die AIDS-Kranken um Verständnis und
-
(Beispiele aus Waltje 1993, S. 6):
„Kondome schützen – Oder fahren Sie

-
7 Akzente. Während englische und amerikani- Akzeptanz zu werben (Plakatspruch: „Kranke Auto ohne Bremsen?“,
sche Plakate Waffen, Knochen und Totenköpfe gehören dazu“). „Pariser schützen – Oder klettern Sie in

8
zeigen und deutlich machen („AIDS kills. Use
condoms“ oder „Gay sex aids AIDS“), betont die
Es gibt auch Beispiele für Plakate, in denen die
Spanne zwischen Erotik und dem Schutz vor
- den Bergen ohne Seil?“,
„Gummis schützen – Oder tanzen Sie auf

9
deutsche Kampagne gegen die Verbreitung
von AIDS die Kontrollierbarkeit des Phäno-
mens. Sie folgt dabei dem Motto: „Vorbeugen
durch Vielfalt“ (Waltje 1993). Im Kern soll
AIDS bewusst verkleinert wird, indem durch
erotische Aufmachung sexuelle Bedürfnisse
angesprochen werden. Damit wird suggeriert,
dass eine erfüllte Sexualität mit dem Schutz
- dem Seil ohne Netz?“,
„Präser schützen – Oder springen Sie ohne
Fallschirm aus dem Flugzeug?“.

10
Intensität der Bedrohung und die eigene Vulnerabilität kön- das empfohlene Verhalten effektiv ist, um die Gefahr abzuwen-
11 nen jeweils niedrig oder hoch sein. Aus der Kombination dieser den.
beiden ergibt sich, welcher Prozess der Persuasion eingeschlagen De Hoog et al. (2008) präsentierten ihren Probanden Infor-
12 wird: Wenn Bedrohung und Vulnerabilität niedrig sind, genügt mationen über Hypoglykämie (Unterzuckerung). Die Folgen
eine oberflächliche, heuristische bzw. periphere Informationsver- werden entweder als sehr oder als weniger gravierend geschil-
arbeitung (im Sinne des ELM; ▶ Abschn. 14.1.1). dert. Die Probanden machen einen Test, in dem festgestellt wird,
13 Wenn dagegen auch nur eine der beiden Komponenten stark ob sie selbst eine hohe oder geringe Wahrscheinlichkeit haben,
ausgeprägt ist, wird der zentrale Weg der Überredung eingeschla- Hypoglykämie zu entwickeln. Darüber wird die Vulnerabilität
14 gen. Nun kommt aber noch ein weiterer Gedanke hinzu: Das manipuliert.
Modell nimmt zusätzlich an, dass bei hoher Vulnerabilität und Bei dieser Manipulation waren besonders die Personen von
15 hoher Bedrohung zwar zentral verarbeitet wird, dass aber die Interesse, die einerseits sich selbst als sehr vulnerabel erlebten
Informationsverarbeitung konklusionsgetrieben verläuft. Mit und denen andererseits die Folgen der Hypoglykämie als sehr
anderen Worten: Menschen, die sich einer hohen Bedrohung gravierend geschildert wurden. Wie erwartet entwickelten diese
16 gegenüber sehr stark „verwundbar“ fühlen, verzerren ihre Ge- Personen die stärksten negativen Affekte, gleichzeitig aber auch
danken und Überlegungen systematisch, so dass die Bedrohung die stärksten beschwichtigenden und verharmlosenden Gedan-
17 möglichst geringer ausfällt. Dies mag vielleicht auf den ersten ken.
Blick ein Widerspruch zu den Zwei-Prozess-Theorien sein, denn In einem weiteren Experiment fügten De Hoog et al. (2008)
zunächst entsteht hier der Eindruck, dass auf dem zentralen Weg ihrem Furchtappell eine Handlungsempfehlung hinzu, die aber
18 der Überredung die Informationen rational und unverzerrt ver- mit unterschiedlich starken Argumenten vorgestellt wurde. Die
arbeitet werden. Tatsächlich schließt aber eine systematische Ver- Ergebnisse entsprechen den Vorhersagen des Modells: Die Stärke
19 arbeitung einen „Bias“ nicht aus, und sofern dieser besteht, kann der Argumente spielt für die Handlungsbereitschaft eine Rolle,
eine intensive Auseinandersetzung mit den Argumenten sogar zu wenn entweder die Bedrohung stark oder die Vulnerabilität hoch
20 einer noch stärkeren Verzerrung führen als eine oberflächliche ist. Unter beiden Bedingungen haben stärkere Argumente auch
(ein anderes Beispiel für eine stärkere Verzerrung bei zentraler eine stärkere Verhaltensabsicht zur Folge. Dieser Unterschied
Verarbeitung diskutiere ich in ▶ Abschn. 19.3 im Zusammenhang wird jedoch geringer, wenn beide Merkmale stark ausgeprägt
21 mit der Teuro-Illusion). sind. Dann sind die Leute im motivierten Denkmodus, und in
Eine Erscheinungsform für diesen konklusionsgetriebenen diesem folgen sie auch schwachen Argumenten.
22 Denkmodus (vgl. ▶ Abschn. 14.1.4) ist der motivierte Skeptizis- Die Folgerungen aus dem Modell sind also sehr differenziert:
mus: Rezipienten suchen in der Information kritische und un- Bei hoher Vulnerabilität und ernster Bedrohung ist die affektive
plausible Punkte, suchen also das „Haar in der Suppe“. Auch auf Reaktion auf den Furchtappell besonders negativ. Die Gedanken
23 der zweiten Stufe kann der Rezipient noch konklusionsgetrieben bezogen auf ein mögliches protektives Verhalten dagegen sind
denken, indem er nämlich Argumente sucht, die nahelegen, dass durchaus positiv – sie sind sogar in positive Richtung verzerrt
und verschaffen so dem Subjekt den Eindruck, dieses Verhalten
18.1  •  Werben mit Angstappellen
361 18
.. Abb. 18.1  Kampagnen zur
AIDS-Prophylaxe setzen in Deutsch-
land eher auf schwache Furchtap-
pelle und betonen stattdessen,
dass Safer Sex und Erotik sich nicht
ausschließen. (Motiv der „mach’s
mit“-Kampagne aus 2009. Abdruck
mit freundlicher Genehmigung und
Unterstützung der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung)

müsse auf jeden Fall effektiv sein. Die Verzerrung zeigt sich un- Versuch unternommen wird, und je weniger glaubwürdig die
ter anderem darin, dass sogar eher schwache Argumente für das Quelle der Nachricht ist, desto deutlicher ist die Beeinflussungs-
protektive Verhalten die Neigung verstärken, dieses Verhalten absicht. In extremen Fällen kann daher ein Appell an Emotionen
auch zu zeigen. Die Einstellung bzw. affektive Bewertung dieses sogar zur gegenteiligen Wirkung führen. Dieser Effekt gilt nicht
Verhaltens ist dagegen durchaus von der Qualität der Argumente nur für Angstappelle, sondern zum Beispiel auch für Werbung
abhängig. Anders ausgedrückt: Affektive Reaktionen und Einstel- mit Appellen an das Schuldbewusstsein (Coulter und Pinto 1995).
lungen sind vor allem von der Information abhängig, die beim Ein Problem der Forschung zu Furchtappellen war sicherlich,
Furchtappell gegeben werden. Die Verhaltensabsicht dagegen dass sie vor allem die negative Valenz der Emotion Furcht in den
hängt fast nur von der subjektiven Vulnerabilität ab. Mittelpunkt gestellt hat und weniger die Kognitionen, aus denen
Weitere Analysen von De Hoog et al. (2008) zeigen nun, dass diese Emotion besteht – bzw. auch nicht besteht: Zum Beispiel
ein hohes Ausmaß an minimierenden und bagatellisierenden Ge- setzt Furcht nicht voraus, dass sich der Mensch, der sich fürchtet,
danken keineswegs die Verhaltensabsichten abschwächt – eher für den Anlass der Furcht verantwortlich fühlt. Bei Emotionen
im Gegenteil. Wer viele Überlegungen anstellte, dass die Bedro- wie Reue oder Schuld ist das anders. Dies hat starke Konsequen-
hung doch nicht ganz so schlimm ist, war auch eher geneigt, pro- zen für die Handlungsbereitschaft: Wenn ich den Anlass einer
tektives Verhalten zu zeigen. Dies widerspricht der Erwartung, negativen Emotion weder herbeigeführt habe, noch ihn abwen-
dass der konklusionsgetriebene Denkmodus den Furchtappell ins den kann, bleibt eigentlich nur Flucht. Die meisten Furchtappelle
Leere laufen lässt. Wie aber können verharmlosende Gedanken wollen aber nicht zur Flucht motivieren, sondern zu konkreten
die Neigung zu protektivem Verhalten verstärken? Eine mögliche Handlungen und Vorbeugemaßnahmen. Diese allerdings machen
Erklärung hierzu ist, dass diese Gedanken negative Emotionen in für uns nur dort Sinn, wo wir uns verantwortlich fühlen. Die an-
Schach halten, die ansonsten möglicherweise die Problemlösung gestrebten Wirkungen eines Furchtappells müssen also durch
behindern könnten. Immerhin haben nicht alle Emotionen eine andere Emotionen erreicht werden als durch die Furcht selbst.
verhaltensaktivierende Wirkung – manche lähmen geradezu. Passyn und Sujan (2006) präsentierten ihren Probanden vier
Außerdem ist eines der Hauptmerkmale von Emotionen, dass Versionen einer furchterzeugenden Geschichte. Der Protagonist
sie sich in aktuelle Vorgänge drängen und Gedanken oder Ver- Andy war an einem bösartigen Hautkrebs erkrankt, und die Ge-
haltensweisen unterbrechen (etymologisch ist das ja der Kern schichte erzählte vom Fortgang dieser Erkrankung, was für sich
des Emotionsbegriffs; z. B. Sokolowski 2002). Problemfokussierte genommen schon furchterregend war. Hinzu kamen aber noch
Gedanken können also durch Emotionen unterbunden werden andere Emotionen, die durch weitere Aspekte der Erzählung in-
– dem würde durch einen eher verharmlosenden Denkmodus duziert wurden. In der Schuldversion konzentrieren sich Andys
entgegengewirkt. Gedanken auf seine Mutter und die Sorgen, die er ihr macht. In
Furchtappelle wenden sich auf emotionalem Wege an den Re- der Reuebedingung macht er sich wegen seines dummen Ver-
zipienten. Damit gehören sie zu jenen Beeinflussungsversuchen, haltens Vorwürfe. Positive Emotionen erzeugten die Herausfor-
die nicht auf Argumenten beruhen. In Fällen, in denen ein Beein- derungsversion, in der Andy seine Erkrankung akzeptiert und
flussungsversuch nicht auf Argumente, sondern auf Emotionen versucht, sich ihr zu stellen, und die Hoffnungsversion, in der er
setzt, ist Reaktanz eine wahrscheinliche Folge. Je plumper dieser einfach auf eine günstige Wendung hofft.
362 Kapitel 18  •  Inhalte der Werbe- und Produktgestaltung

Gemessen wurde unter anderem die Absicht, in Zukunft Son- genaue Erscheinungsform bzw. Ausgestaltung der Erotik beach-
1 nencreme zu nutzen, und der tatsächliche Gebrauch bis zu 18 Tage tet werden. Andererseits ist Erotik nicht zuletzt ein Thema der
nach der Darbietung der Geschichte. Schuld, Reue und das Ge- Kunst, und von daher ist die Art, wie sie uns in der Werbung be-
2 fühl der Herausforderung sind Emotionen, die auf einer interna- gegnet, sicherlich so vielfältig wie die künstlerischen Ausdrucks-
len Ursachenzuschreibung beruhen, Hoffnung oder Furcht nicht. formen (siehe hierzu ▶ Exkurs 18.3).
Demzufolge sollte auch die Verhaltenswirkung bei den ersteren Was genau mit „Erotik“ oder „Sex-Appeal“ gemeint ist, er-
3 Emotionen größer sein als bei Furcht oder Hoffnung. Die geringste weist sich schnell als strittiges Thema. Insbesondere Frauen ha-
Wirkung zeigte sich in der Tat in einer Kontrollbedingung, in der ben bei der Beurteilung männlicher Erotik oft stark voneinander
4 nur der Furchtappell selbst gegeben wurde. Dagegen änderten Pro- abweichende Meinungen (Moser 1997b, S. 38), so dass manche
banden, die Andys Reue erlebt hatten, am stärksten ihr Verhalten. Forscher für die Untersuchung erotischer Werbung die Konse-
5 Demnach sind Furchtappelle nur dann wirksam, wenn sie be- quenz gezogen haben, nur mit männlichen Beurteilern zu arbei-
gleitet werden von Emotionen, die auf Kognitionen der Verant- ten. Dies beengt natürlich den Kenntnisstand zur Wirkung von
wortlichkeit, der internalen Kontrolle, beruhen. Nach den Daten Erotik in der Werbung.
6 von Passyn und Sujan (2006) ist es ohnehin weniger die Valenz der Eine weitgehend übereinstimmende Assoziation zur Erotik,
Emotion, die ihre Verhaltenswirkung ausmacht, sondern ihre ko- zumal der Erotik in der Werbung, ist die Nacktheit. Erotische
7 gnitive Grundlage. Mit der Version, die das Gefühl der Herausfor- Assoziationen knüpfen sich in erster Linie an die Wahrnehmung
derung vermittelt, konnten Passyn und Sujan (2006) einen ähnlich nackter Haut. Weitere erotische Merkmale ergeben sich auch aus
starken Verhaltensimpuls geben wie mit einer Geschichte, die Reue dem „sexuellen Bedeutungsgehalt, der den beworbenen Produk-
8 erzeugt. Kaum einen Effekt hatte dagegen das Erzeugen von Hoff- ten innewohnt, der Suggestivität der verbalen und bildlichen
nung. Entscheidend war hier nicht, ob die Emotion positiv oder Aussage sowie dem in der Werbung zum Ausdruck kommenden
9 negativ war, sondern nur, ob sie eine internale Kontrolle impliziert. ,romantischen‘ Gehalt“ (Moser 1997b, S. 38, nach einer Analyse
Die Valenz von Emotionen ist allerdings vermutlich nicht ganz von Morrison und Sherman 1972).
10 gleichgültig: Aus der Motivationspsychologie wissen wir, dass ein
Vermeidungsfokus andere Verhaltenskonsequenzen hat als ein
Aufsuchenfokus – und Ersteres dürfte eher von negativen und 18.2.1 Erotische Werbung und Geschlecht
11 Letzteres eher von positiven Emotionen angestoßen werden. Eine
dieser Konsequenzen zeigt sich etwa in der unterschiedlichen Risi- Bis in die jüngere Vergangenheit wurden erotische Darstellungen
12 kobereitschaft von Personen, je nachdem ob sie sich – im Sinne der in der Werbung vor allem durch die Abbildung von Frauen be-
Prospect Theory etwa – im gain frame oder loss frame befinden. stritten. Dies mochte auch psychologische Gründe gehabt haben:
Lange Zeit galt als erwiesen, dass Frauen zwar die Abbildung von
13 anderen Frauen beachten, dass aber umgekehrt Männer auf die
18.2 Erotik in der Werbung Abbildung anderer Männer nicht mit erhöhter Aufmerksamkeit
14 reagieren (Rudolph 1947). Eine Umfrage des Sample-Instituts
Mehr als einmal schon sind Werbemacher auf die Idee gekom- von 1991 (zit. n. Moser 1997b, S. 106) kommt gar zu dem Er-
15 men, Konsumenten oder prominente Testimonials in der Wer- gebnis, Männer sähen durch die Darstellung des männlichen
bung von ihrem „ersten Mal“ berichten zu lassen (z. B. Reichert nackten Körpers ihre eigene Würde gefährdet, weil „männliche
2002; siehe auch ▶ Abschn. 2.7.4). Gemeint war dann natürlich Körper nicht so schön anzusehen“ seien.
16 immer die erste Begegnung mit dem Produkt – der Spaß besteht Gleichzeitig wird nicht weiter bezweifelt, dass erotische Sti-
aber offenbar darin, diese Enthüllung noch möglichst lange hi- muli bei Männern wie Frauen eine Aufmerksamkeitssteigerung
17 nauszuschieben und der Phantasie der Betrachter andere „erste bewirken. Generell ist zwar allem Vermuten nach der Sexualtrieb
Male“ nahezulegen. bei Männern im Durchschnitt stärker als bei Frauen. Zumindest
Brooke Shields warb 1980 für Calvin Klein mit den Worten: lässt sich belegen, dass Männer im Vergleich zu Frauen häufiger
18 „You want to know what comes between me and my Calvins? und spontaner an Sex denken, dass sie häufigeren Geschlechts-
Nothing.“ Gemeinsam mit einer parallelen Kamerafahrt, die sich verkehr und häufigere Variation der sexuellen Praktiken wün-
19 über 13 Sekunden die Beine hinauf und nur sehr allmählich auf schen, dass sie mehr masturbieren, häufiger sexuelle Aktivität
Brooke Shields’ Gesicht bewegte, war dies ein recht eindeutiger initiieren und seltener ablehnen als Frauen, dass sie auch bereit-
20 erotischer Appell (Reichert 2002). williger Opfer bringen, um Sex zu haben, und dass sie weniger
Die Beispiele zeigen eine Spielart, mit der Erotik in der Wer- bereitwillig auf Sex verzichten als Frauen (Baumeister et al. 2001).
bung auftritt. Tatsächlich scheint diese eher auf Anspielungen Diese Effekte sind nicht immer besonders stark, aber – auf
21 beruhende Variante vielen Betrachtern eher untypisch zu sein der Ebene von Durchschnittswerten – sehr konsistent. Dies be-
und wenig nahezuliegen, wenn sie an Erotik in der Werbung den- deutet nicht, dass Frauen durch erotische Stimuli nicht genauso
22 ken. Die Assoziationen mit diesem Thema sind sehr vielfältig und ansprechbar seien wie Männer (tatsächlich zeigt die Übersicht
schließen recht heterogene Formen mit ein – was dann leider von Baumeister et al. 2001, auch nur, dass es keine Befunde gibt,
dazu führt, dass sich Rezipienten sehr Unterschiedliches unter nach denen Frauen auf erotische Stimuli intensiver reagierten
23 Erotik in der Werbung vorstellen (Reichert 2002). als Männer). Zum Beispiel finden Schmidt et al. (1973), dass
Für die Forschung ist dies eher misslich. Zum Verständnis Männer und Frauen gleich hohe positiv gefärbte Erregung als
von Forschungsergebnissen in diesem Gebiet muss folglich die Reaktion auf erotische Geschichten zeigten. Die Geschlechts-
18.2  •  Erotik in der Werbung
363 18

unterschiede waren gering und deuten nicht auf eine geringere Sex-Appeal sowohl inhaltlich als auch in seiner Wertigkeit etwas
sexuelle Ansprechbarkeit bei Frauen. Zwar waren in der weib- anderes bedeutet als für Männer.
lichen Teilstichprobe die emotionalen Reaktionen ein wenig Am deutlichsten zeigen sich die Unterschiede in der Bewer-
schwächer und Vermeidungsreaktionen ein wenig stärker als in tung von sexuellen Inhalten, wenn es um unmotivierte Darstel-
der männlichen. Dafür steigerte der erotische Stimulus bei den lungen geht, wenn also zum Beispiel der erotische Inhalt nicht
Frauen eher als bei den Männern die Wahrscheinlichkeit, dass zum Produkt, zur Situation oder zur Beziehung der dargestellten
sie in den folgenden 24 Stunden sexuell aktiv werden. Linguisti- Personen passt. Die Bewertung fällt dagegen schon anders aus,
sche Studien zeigen, dass beide Geschlechter durch Begriffe, die wenn die sexuelle Darstellung in eine Beziehung eingebettet ist.
den Geschlechtsverkehr bezeichnen, erregt werden, dass dies Zum Beispiel variierten Dahl et al. (2009) die gleiche erotische
aber bei Männern ausgeprägter ist und dass diese Stimuli auch Anzeige für eine Swatch-Uhr. Die sexuelle Darstellung wurde
bei manchen Menschen Ärger und Widerwillen hervorrufen zwar nicht durch das Produkt nahegelegt und war in diesem
können (Rieber et al. 1979). Sinne unmotiviert. Allerdings wurde in einer Bedingung ein kla-
Belch et al. (1982) wiesen eine starke Aktivierung durch ero- res Zeichen für eine Beziehung, genauer gesagt für die emotionale
tische Werbevorlagen für beide Geschlechter nach, wobei die Er- Bindung des Mannes an die Frau, gesetzt: Die Uhr erhielt ein Ge-
gebnisse bei den Frauen allerdings widersprüchlich waren. Zwar schenkband, und es wurde der folgende Text ergänzt: „This watch
behaupteten die weiblichen Versuchsteilnehmer, sie würden is positioned as a gift from a man to the special woman in his life.“
durch männliche Modelle am stärksten angesprochen. Wurde die Diese Manipulation brachte den Geschlechtsunterschied in
Aktivation jedoch über die Änderung des Hautwiderstands ge- der Bewertung der Anzeige zum Verschwinden: Frauen bewerte-
messen, zeigte sich, dass Frauen stärker durch erotische Modelle ten die Anzeige mit sexuellem Inhalt ähnlich positiv wie Männer.
des eigenen Geschlechts aktiviert wurden. Allerdings sehen La- Dagegen war der Unterschied besonders ausgeprägt, wenn der
Tour et al. (1990) in ihren Ergebnissen einen qualitativen Unter- Mann in der Anzeige allem Anschein nach gerade eine Affäre mit
schied zwischen den Aktivierungsarten: Männer würden durch einer anderen Frau als seiner Partnerin auslebte. Entscheidend
weibliche Modelle eher angeregt, während Frauen auf weibliche war in den Experimenten von Dahl et al. (2009) allerdings stets
Erotik mit Anspannung reagierten. Dies lässt sich damit erklä- die Richtung der Beziehung. Die Konsumentinnen waren ge-
ren, dass erotische Modelle nicht zuletzt auch als Maßstab und genüber der erotischen Darstellung offen, wenn der Mann seine
Vorbild fungieren, und dies kann durchaus als stresshaft erlebt Verbundenheit gegenüber der Frau ausdrückte, nicht aber wenn
werden (siehe hierzu auch ▶ Abschn. 10.2.4 bzw. . Abb. 10.2). die Zeichen der Verbundenheit von der Frau ausgingen.
Das Gewicht dieser Modellfunktion erotischer Werbung zeigt Für Frauen ist Sex eine größere „Investition“ als für Männer.
sich auch in dem Befund, dass Anzeigen in Frauenzeitschriften Das geht zu einem nicht geringen Teil auf die Tatsache zurück, dass
relativ mehr erotische Darstellungen von Frauen und Männer- Schwangerschaft und Elternschaft von Frauen mehr verlangen als
zeitschriften (z. B. Playboy) mehr Darstellungen von Männern von Männern. Diese Tatsache sorgt gemeinsam mit dem ohnehin
enthalten (Moser 1997b, S. 49 ff.). Erotische Werbung kann dem- geringeren Begehren dafür, dass Frauen Sex eher als etwas Seltenes,
nach mindestens zwei Funktionen erfüllen: Zum einen kann sie Hochwertiges und Exklusives ansehen. Nach dieser Überlegung
mit dem Anblick schöner gegengeschlechtlicher Modelle stimu- wird Sex in der Werbung von Frauen besonders dann abgelehnt,
lieren. Zum anderen setzt sie dem Betrachter durch Modelle des wenn dadurch die Wertigkeit, Exklusivität und Seltenheit in Frage
eigenen Geschlechts auch ein Zeil vor Augen. gestellt wird, wenn also Sex als allgegenwärtig, gewöhnlich und
Geschlechtsunterschiede in der Wahrnehmung physischer billig erscheint. Um diese Ableitung zu prüfen, nutzten Vohs et al.
Attraktivität lassen sich aus der Forschung zur Partnerwahl ab- (2014) die oben bereits erwähnten Anzeigen für eine Damenuhr
leiten. Über verschiedene Kulturen hinweg zeigt sich, dass die (vgl. Dahl et al. 2009) und variierten den Preis der Uhr: In einer
Attraktivitätssignale für Männer andere sind als für Frauen: Die Version kostete die Uhr 1250 Dollar und in der anderen 10 Dol-
physische Erscheinung des potentiellen Partners bzw. der Partne- lar. Wieder gab es eine erotische und eine nichterotische Version
rin wird praktisch überall in der Welt von Männern als wichtiger der Anzeige. Auch hier zeigte sich der bekannte Unterschied: Eine
erlebt als von Frauen, während Frauen Statusmerkmale des Part- sexuelle Botschaft in der Werbung wurde von Frauen tendenziell
ners deutlich attraktiver erleben als Männer (Buss 1989). negativ bewertet – sowohl im Vergleich zu Männern als auch im
Männer schreiben physische Attraktivität auch mit größerer Vergleich zu einer nichterotischen Variante der Anzeige. Das galt
Einigkeit zu als Frauen. Die Urteile der Frauen hingegen variie- allerdings nur, wenn die Erotik verwendet wurde, um ein billiges
ren nicht nur stärker, so dass also von Frauen verhältnismäßig Produkt zu bewerben. Sobald die Uhr teuer war, unterschieden sich
unterschiedliche Modelle als attraktiv erlebt werden können. Bewertungen bei den Frauen nicht mehr von den Bewertungen der
Frauen sind in ihren Urteilen auch beeinflussbarer als Männer: nichterotischen Anzeige oder von den Bewertungen der Männer.
In einem Experiment von Graziano et al. (1993) orientierten sich Bei Männern spielte der Preis der Uhr keine Rolle; sie bewerteten
weibliche Probanden in ihrem Attraktivitätsurteil mehr an dem die erotische Werbung immer gleich positiv.
Urteil anderer Frauen, als dies die männlichen Probanden taten. Man könnte aus diesem Ergebnis eine eher zynische Folgerung
Männer vergaben in der Untersuchung ihre Urteile mit relativ ziehen: Frauen reagieren durchaus auch auf unmotivierten Sex –
großer subjektiver Sicherheit und weitgehend unbeeindruckt von es muss nur der Preis stimmen. Aber diese Botschaft würde die
manipulierten Werten vermeintlich anderer Urteiler; auf diese Pointe des Befunds verfehlen. Er beruht nicht auf einer berechnen-
Weise erzeugten sie gleichzeitig eine hohe Übereinstimmung den Überlegung, sondern auf einer spontanen Reaktion. Um dies
in den Urteilen. Diese Befunde sprechen dafür, dass für Frauen sicherzustellen, verwenden die Autoren das Zwei-Aufgaben-Para-
364 Kapitel 18  •  Inhalte der Werbe- und Produktgestaltung

Exkurs 18.3  Lippenstift und Tupper-Topf  |       | 


1
Die Verwendung Freud’scher Sexualsymbolik mittelnde Instanz zwischen Triebleben und wirkt doch ihre genitale Bedeutung auf uns,

2 in der Werbung wird verhältnismäßig selten


betrachtet (als Ausnahme etwa Ruth et al.
Moralität, gerade mal nicht aufpasst, etwa bei
Versprechern.
ob wir nun davon wissen oder nicht.
Diese Denkmuster werden heute sicher eher
1989). Dabei wurde diese Form des Ausdrucks Der Mensch findet also bereits eine ausge- belächelt als ernsthaft diskutiert, das bedeutet
3 in früheren Zeiten von manchen populär-
wissenschaftlichen Autoren (unter anderem
arbeitete Symbolsprache vor, in der er über
verschiedene Bewusstseinsetagen quasi mit
jedoch nicht, dass sich ein Mensch des
21. Jahrhunderts leisten könnte, die Freud’sche
Key 1980) für ein wesentliches Element der sich selbst kommuniziert und die auch Au- Traum- und Sexualsymbolik zu ignorieren.
4 unterschwelligen Beeinflussung durch die
Werbung ausgegeben (auch hier treffen wir
ßenstehende zur Kommunikation verwenden
können. Verhältnismäßig naheliegende Sym-
Allein als künstlerische Ausdrucksform ist sie
zum Verständnis unserer Kultur unverzichtbar.
wieder auf eine degenerierte Form des Begriffs bole sind etwa längliche Gegenstände oder Von Thomas Mann über Salvador Dali bis in die
5 ▶
„unterschwellig“;  Abschn. 6.3.1). Vorgänge des Ausdehnens für das Männliche Bildersprache des modernen Kinos finden wir
Die Grundidee hinter der Freud’schen Sym- und Gefäße aller Art bzw. Vorgänge des Auf- Freud’sche Symbolik, und selbstverständlich
bolsprache ist, dass sexuelle Inhalte, sofern sie nehmens und Eintretens für das Weibliche. sind auch Kunstwerke aus Zeiten lange vor
6 Tabus verletzen, angstbesetzt sind und daher Sexualsymbole dieser Art kann der Einge- Freud von Sexualsymbolen durchzogen. Ist
vom Individuum in eine symbolisch-meta- weihte durchschauen, der Uneingeweihte da- also auch dies ein Aspekt von Erotik in der Wer-
phorische Bildsprache übersetzt werden. In gegen ist der Macht dieser Symbole schutzlos bung? Nicht im Sinne der Manipulation durch
7 dieser Sprache erscheint uns das verdrängte ausgeliefert. Obwohl also der Lippenstift oder unterschwellige Ansprache des Unterbewuss-
Sexuelle in unseren Träumen und zu anderen das Tupper-Gefäß nicht im eigentlichen Sinn ten, vielleicht aber im Einzelfall als absichtsvoll
Gelegenheiten, bei denen das Ich, die ver- des Worts unterschwellig dargeboten werden, platziertes Zitat, für den, der es versteht.
8
9 digma (▶ Abschn. 2.7.2): Die Probanden mussten sich während der Severn et  al. (1990) zeigten in ihrer Untersuchung, dass
Präsentation eine zehnstellige Zahl merken, die auch später wieder eine explizite sexuelle Darstellung in einer Werbeanzeige die
10 abgefragt wurde. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse von Vohs et al. Aufmerksamkeit der Betrachter auf die Anzeige selbst, auf ihre
(2014) also wohl eher eine sehr automatisierte Assoziation zwi- Machart und Gestaltung lenkt. In ihrem Experiment waren ein
schen Sex und Hochwertigkeit, die für Frauen spezifisch ist. Mann und eine Frau dargestellt, die nur die Schuhe trugen, um
11 die es in der Werbung gehen sollte, und die offensichtlich soeben
im Begriff waren, das Fehlen der restlichen Kleidung gemeinsam
12 18.2.2 Aktivierung auf angenehme Weise zu nutzen. Die Betrachter dachten mehr
und Informationsverarbeitung über die Anzeige selbst als über die Werbebotschaft nach. Dies
hatte aber nicht nur negative Effekte. So wurde die im Experi-
13 Können wir von einer erotischen Gestaltung nun mehr als die ment eingesetzte sexuell explizite Anzeige von der studentischen
ziemlich sichere Aufmerksamkeitssteigerung erwarten? Kritiker Stichprobe als attraktiver eingeschätzt als eine unerotische Kont-
14 befürchten, dass ein zu starkes Interesse am erotischen Kontext, rollversion derselben Anzeige. Ist diese Werbung also wirksam?
in den das Produkt gestellt wird, das Interesse vom Produkt ins- Dazu müsste man wohl sagen: Ja, insofern eine Werbung wirk-
15 gesamt abzieht – der sogenannte Vampireffekt (vgl. Lutz von sam ist, bei der nur die Machart, nicht aber die Botschaft regist-
Rosenstiel in einem Interview mit w&v, 45/99, S. 108) –, so dass riert und positiv bewertet wurde.
die Werbebotschaft umso schlechter erinnert wird, je erotischer Insgesamt lässt sich resümieren, dass der Einsatz erotischer
16 der Kontext ist. Daher resümiert beispielsweise Steadman (1969, Stimuli eine höhere Aktivation bewirkt. Gleichzeitig sprechen
S. 15): „The indication is that interest starts with sex and stops just aber die vorliegenden Befunde dafür, dass es keine positiven Aus-
17 there.“ In der Tat spricht viel für die Wirksamkeit eines solchen wirkungen auf die Erinnerungen gibt. Offenbar bedeutet eine
Vampireffekts (z. B. Weller et al. 1979). Chestnut et al. (1977) intensive Informationsaufnahme nicht gleichzeitig auch eine in-
zeigten, dass ihre Versuchspersonen zwar die erotische Anzeige tensive Informationsverarbeitung.
18 wiedererkennen konnten, nicht aber die Marke erinnerten. In Diese Befunde wurden aber mit expliziten und direkten Me-
einer Studie von Alexander und Judd (1978) wurden männli- thoden erhoben. Wir kennen die impliziten Effekte noch nicht.
19 chen Versuchspersonen Werbebilder mit weiblichen Modellen Wir wissen nicht, ob der Ablenkungseffekt erotischer Stimuli
gezeigt. Die Fotomodelle waren in unterschiedlichen Phasen der unter Umständen zu nützlichen Kontexteffekten führt, dem Me-
20 Entkleidung dargestellt. Die höchste Stufe bestand aus der fron- re-Exposure-Effekt Vorschub leistet oder anderweitig implizite
talen Ganzkörperabbildung einer vollständig entkleideten Frau. Gedächtnisspuren hinterlässt (▶ Abschn. 4.7 und ▶ Abschn. 13.3).
Auch in dieser Studie waren Blutsauger am Werk: Es ergaben Außerdem ist die betrachtete Erotik vergleichsweise explizit,
21 sich Erinnerungsnachteile der erotischen gegenüber den unero- indem es meist um nackte Modelle und um klare erotische Aus-
tischen Abbildungen. Dieser Nachteil verstärkte sich allerdings sagen ging. Erotik kann auch subtiler sein. Eine Form der Sub-
22 wider Erwarten nicht für unterschiedliche Härtegrade der Erotik. tilität mag in einer erotikbeladenen Symbolsprache liegen (▶ Ex-
Brosius und Fahr (1996) konnten zeigen, dass der Einsatz nackter kurs 18.3). In einem anderen Sinne subtil war die Erotik in einem
(weiblicher) Haut zwar gesteigerte Aufmerksamkeit und Spote- Experiment von Aylesworth et al. (1999). Die Probanden wurden
23 rinnerung zur Folge hatte, dass aber gleichzeitig die Detailverar- mit explizitem verbalem Material mit erotischer Bedeutung kon-
beitung der Werbeinformationen gegenüber neutralen Versionen frontiert. Wörter wie „Sex“ oder „Fuck“ waren in das Produkt ein-
derselben Spots nachließ. gebunden oder mit dem Produkt geschrieben (z. B. „Sex“ auf eine
18.2  •  Erotik in der Werbung
365 18

Seite einer Brezel geschrieben oder „Fuck“ mit Cheese Curls ge- tile Erfahrung – die Effekte blieben auch bei Festjens et al. (2013)
schrieben). Die Probanden erkannten diese Wörter nicht bzw. erst aus, wenn die erotischen Stimuli nur visuell präsentiert wurden.
bei genauer Erklärung. Trotzdem finden Aylesworth et al. (1999) Aus den Befunden kann man zweierlei schließen: Allem An-
Effekte auf die emotionale Reaktion, nicht jedoch auf die Kogniti- schein nach wirken bei Frauen taktile erotische Stimuli stärker
onen bei der Konfrontation mit dem Produkt. Interessanterweise auf das Belohnungssystem als visuelle. Bei Männern dürfte der
wurden sowohl negative als auch positive Gefühle verstärkt (posi- Unterschied zwischen den Darbietungsmodalitäten nicht so groß
tive stärker bei Männern), so dass die Autoren hier die Möglichkeit sein (vermutlich hätten Van den Bergh et al., 2008, ganz ähnliche
sehen, dass die emotionalen Reaktionen einander aufheben. Befunde erhalten, wenn ihre männlichen Probanden Bikinis oder
Die Besonderheit dieser Untersuchung liegt vielleicht nicht Dessous berührt hätten).
so sehr in den Einzelbefunden, die wie so oft widersprüchlich Zum zweiten aber ist zu betonen: An sich gilt der Effekt nicht
und differenziert ausfallen. Wichtiger ist hier vielleicht in der Tat nur für Erotik. Wenn die hirnphysiologische Erklärung zutrifft,
der Nachweis eines affektiven Effekts infolge einer unbewussten erstreckt er sich auf jegliche Art von „hot stimuli“ – was immer
Wahrnehmung von sexuell expliziten Stimuli. in einem gegebenen Augenblick für eine Person hohen Beloh-
Eine etwas anders gelagerte Reaktion auf erotische Stimuli nungswert besitzt.
berichten Van den Bergh et al. (2008): Die Darbietung von ero-
tischen Stimuli macht ungeduldig. Dies führt zum Beispiel dazu,
dass Konsumenten, nachdem sie erotischen Reizen ausgesetzt 18.2.3 Moderierende Einflüsse: Einstellung
waren, eher eine schnelle unmittelbare Gratifikation anstreben, und Passung
als auf eine spätere bessere zu warten. Die theoretische Begrün-
dung hierfür ist hirnphysiologisch inspiriert. Es ist ein bekannter Die Gefahr eines Vampireffekts ist nachgewiesen. Trotzdem kann
Befund, dass die physische Präsenz von Belohnungsreizen die man fragen, ob es konkrete Bedingungen gibt, unter denen eroti-
Fähigkeit zum Belohnungsaufschub stark ramponiert. In den sche Stimuli in der Werbung besser wirken. Zwei Variablen wer-
klassischen Experimenten von Mischel etwa (z. B. Mischel und den diskutiert: Akzeptanz von Erotik in den Medien und Passung
Ebbesen 1970) können Kinder wählen, ob sie einen Marshmal- zum Produkt.
low sofort oder zwei Marshmallows später haben wollen. Wenn Zum ersten Punkt: Nicht alle Personen akzeptieren Erotik
kein Marshmallow in Reichweite ist, warten die Kinder im Schnitt in den Medien. Ablehnende Reaktionen können oft sehr heftig
elf Minuten, um zwei statt einem zu bekommen. Wenn der eine ausfallen, gerade wenn diskriminierende bzw. herabwürdigende
Marshmallow bereits vor ihnen liegt, gelingt keinem Kind mehr Tendenzen in der Vorlage erkannt werden. Dieser Gedanke
das Warten. Bisher ist man davon ausgegangen, dass der Effekt führte zu der Meinung, die Frage der Wirksamkeit stelle sich
für die jeweilige Reizdimension spezifisch ist: Die Präsentation erst nach der Frage der Akzeptanz. Steadman (1969) konnte zei-
von Essen verringert die Fähigkeit zum Fasten, die Verfügbarkeit gen, dass die Erinnerung erotischer Werbung für solche Personen
von Zigaretten erschwert das Nichtrauchen und so weiter. Hirn- verringert war, die erotische Abbildungen insgesamt ablehnten.
physiologische Befunde zeigen allerdings, dass alle Reize, die ein In erster Linie waren es jüngere Personen, Männer und Personen
Belohnungspotential besitzen, neuronal ziemlich ähnlich verar- mit höherer Bildung, die Erotik in der Werbung begrüßten. In
beitet werden. Hot stimuli, also Reize mit hohem Belohnungswert, der Studie von Alexander und Judd (1978) ergab sich allerdings
erzeugen daher womöglich einen unspezifischen Drang zu unmit- kein Zusammenhang der Werbeerinnerung mit der Einstellung
telbarer Gratifikation. Van den Bergh et al. (2008) präsentierten gegenüber Erotik in den Medien.
ihren männlichen Probanden Bilder von Frauen in Badeanzug, Unabhängig vom Zusammenhang mit der Wirkung lässt sich
Bikini oder Unterwäsche. In einer folgenden Aufgabe sollten die aber festhalten: Es sind in erster Linie Frauen, die Erotik in der
Probanden einschätzen, welchen Geldwert sie mindestens sofort Werbung und in den Medien allgemein als übertrieben bewerten
bekommen möchten, um dadurch einen sicheren Betrag von oder ganz ablehnen (zusammenfassend vgl. Moser 1997b, S. 107 ff
15 Dollar in vier Wochen aufzuwiegen. Während Männer in einer bzw. Tab. 12). Eine der größten repräsentativen Umfragen aus
Kontrollgruppe mindestens 13 Dollar haben wollten, wären Män- Deutschland (Bergler et al. 1992) kommt bezüglich der absolu-
ner nach der Darbietung der Bikini-Frauen bereits für 11 Dollar ten Ablehnungsquote und der erwartbaren Konsequenzen zwar
bereit, auf den späteren höheren Betrag zu verzichten. zu beschwichtigenden Ergebnissen: Erotische Werbung werde
Van den Bergh et al. (2008) machten ihre Experimente nur nur von einer Minderheit der Betrachter abgelehnt und diese
mit Männern. Offenbar führt für Männer eine direkte Verbindung Ablehnung wirke sich nur äußerst selten auf das Kaufverhalten
vom Marshmallow bis zur Frau im Bikini. Bei Frauen scheint der aus. Allerdings weist diese Untersuchung erhebliche handwerkli-
Belohnungswert von Erotik auf den ersten Blick nicht so stark zu che Mängel auf (zu einer Kritik vgl. Moser 1997b, S. 109 ff.). Wie
sein – allerdings liegt hier die Betonung auf „Blick“. Betrachtet stark die Ablehnung erotischer Werbung wirklich ist und was sie
man nämlich andere als visuelle Stimuli, finden sich durchaus pa- bewirkt, kann man daher nur aus früheren, vermutlich veralte-
rallele Befunde auch für Frauen. Festjens et al. (2013) zeigen zum ten Daten schätzen, denen zufolge gerade auf Seiten der Frauen
Beispiel, daß Frauen nach dem Berühren von Männer-Unterwä- durchaus auch verhaltenswirksame Vorbehalte anzutreffen sind.
sche (Boxer-Shorts) eine unmittelbare gegenüber einer länger- Ob in der Werbung nackte Modelle gezeigt werden, unter-
fristigen Gratifikation bevorzugten, in einem Glücksspiel weniger scheidet sich stark in unterschiedlichen Kulturen. Daher stellt
verlustavers waren und für eine Reihe von Konsumgütern höhere sich die Frage, ob die Akzeptanz von Nacktheit und Erotik in
Beträge zu zahlen bereit waren. Entscheidend war hierbei die tak- der Werbung nicht vielleicht von kulturellen Werthaltungen ab-
366 Kapitel 18  •  Inhalte der Werbe- und Produktgestaltung

hängt. Dies untersuchten Nelson und Paek (2008) in einem Kul- helegte. Die Darstellung eines unbekleideten weiblichen Mo-
1 turvergleich zwischen sieben Ländern (China, USA, Südkorea, dells wurde für ein Produkt aus dem Baumarkt abgelehnt, für
Brasilien, Kanada, Deutschland und Thailand). Unter anderem eine Körpermilch jedoch akzeptiert. Simpson et al. (1996; zit.
2 betrachteten sie dabei traditionelle Unterscheidungsdimensionen n. Sengupta und Dahl 2008) erzielten ähnliche Befunde mit
wie etwa das Ausmaß von Zensur in den jeweiligen Kulturen männlichen Modellen. Pope et al. (2004) untersuchten nicht-
oder die Kulturdimensionen „Maskulinität/Feminität“ (Hofstede kommerzielle Werbeanzeigen und zeigen, dass „milde“ erotische
3 2001). Feminität geht nach Hofstede eher mit geringer Toleranz Apelle die Wirkung einer Anzeige zur Vorbeugung von AIDS für
gegenüber explizit sexuellen Inhalten einher, bei Maskulinität männliche wie weibliche Betrachter verbessert. Für eine Anzeige
4 ist es umgekehrt. zum Thema SIDS (Sudden Infant Death Syndrome, plötzlicher
Die beobachteten Effekte bestätigten die Erwartungen nicht. Kindstod) zeigte sich dieser Vorteil nicht.
5 Die Zusammenhänge waren über alle Kulturen hinweg schwach, LaTour und Henthorne (1994) sehen als Grund für die Ab-
bestätigen aber eher die gegenteilige Hypothese. Einige feminine lehnung von unpassender Erotik in der Werbung ethische Be-
Kulturen (z. B. Thailand) zeigen sogar im Vergleich überdurch- denken der Betrachter. Unpassende Erotik wirkt dabei übrigens
6 schnittlich viel (vor allem weibliche) Nacktheit in der Fernseh- eher negativ auf die Einstellung gegenüber der Anzeige, nicht so
werbung. Dagegen kommt in den USA, die eigentlich eine stark sehr gegenüber der Marke.
7 maskuline Kultur darstellen, Nacktheit in der Fernsehwerbung Allerdings betrachteten die bislang zitierten Untersuchungen
so selten vor wie in keinem anderen untersuchten Land. Diese in der Regel relativ kontrollierte Reaktionen: Die Probanden hat-
Befunde zeigen zwar nicht, dass Einstellungsvariablen auf die ten Zeit, ihre Antworten zu reflektieren. Dies erlaubt zum einen
8 Darstellung von Nacktheit keinen Einfluss haben, dieser Einfluss den Rückgriff auf moralische Standards, zum anderen eine An-
ist aber allem Anschein nach – zumindest auf der Ebene von passung des Urteils an das, was man für sozial erwünscht hält.
9 groben Kulturdimensionen – gering. In der alltäglichen Konfrontation mit Werbung erlauben wir uns
Die Studie von Nelson und Paek (2008) lenkt allerdings die dagegen nur selten längere Reflexionen. Hier bleibt es häufig bei
10 Aufmerksamkeit auf einen anderen relevanten Faktor: Für die sehr kurzen Begegnungen mit der Werbung und nur sehr spon-
Frage, ob Nacktheit in der Werbung vorkommt, war die Art der tanen Reaktionen darauf.
beworbenen Produkte sehr bedeutsam. Produkte aus den Berei- Sengupta und Dahl (2008) präsentierten daher eine erotische
11 chen Körperpflege, Kosmetik, Mode und Alkohol galten nach Anzeige unter hoher Ablenkung: Die Probanden blätterten in ei-
der Systematik von Nelson und Paek (2008) als „kongruent“ – nem Heft, sollten sich aber währenddessen eine zehnstellige Zahl
12 bei ihnen unterstellen die Autoren eine vergleichsweise hohe merken. Der erotische Gehalt der interessierenden Anzeige war
Passung zwischen Erotik und Produkt. Und diese Kongruenz nach einer Normierung in hohem Maße explizit und gleichzeitig
ist in der Tat ein verhältnismäßig starker Prädiktor dafür, ob irrelevant für das Produkt.
13 Nacktheit in der Werbung eingesetzt und geduldet wird (Nelson Die hohe kognitive Beanspruchung durch die Gedächtnis-
und Paek 2008). Es entspricht einem grundsätzlichen Glaubens- aufgabe sollte eine alltägliche Werbebegegnung simulieren, in
14 bekenntnis der Kommunikations- und Werbeforschung, dass der der Betrachter meist wenig Lust und noch weniger Zeit hat,
Erotik nur wirksam ist, wenn das Produkt ohnehin Verbindun- sich länger mit einer Anzeige zu beschäftigen. Unter dieser ein-
15 gen zur Erotik erlaubt, zum Beispiel Körperpflegeprodukte oder geschränkten Bedingung sollten spontane und unkontrollierte
Unterwäsche. So konnten Richmond und Hartman (1982) so- Reaktionen auf die Werbung gegenüber den reflektierten do-
wie Tinkham und Reid (1988; zit. n. Moser 1997b) an großen minieren. Für diese Reaktionen erwarteten Sengupta und Dahl
16 Stichproben (in beiden Fällen über 300 Personen) von Männern (2008) nun den Geschlechtsunterschied, der bei kontrollierten
und Frauen nachweisen, dass unangemessener Sex-Appeal zu Reaktionen wie in den oben zitierten Befunden ausbleibt: Da
17 schlechteren Erinnerungsleistungen führt als produktangemes- Männer tendenziell erotischen Stimuli gegenüber aufgeschlos-
sener Sex-Appeal. sener sind als Frauen (Baumeister et al. 2001; s. o.), sollten sie
Ein unmotivierter Bezug zur Erotik kann nach einer verbrei- auch die erotischen Anzeigen positiver bewerten. Dies taten sie
18 teten Auffassung nur schaden. Gerade in diesen Fällen werde die auch – allerdings nur, wenn sie während der Betrachtung durch
Erotik mehr beachtet als die Werbebotschaft. In noch ungünsti- die Gedächtnisaufgabe abgelenkt waren.
19 geren Fällen irritiere oder verärgere eine unmotivierte erotische Tatsächlich ist der beobachtete Geschlechtsunterschied na-
Darstellung den Betrachter gar (Steadman 1969; Teigeler 1982; türlich weniger ein Effekt des Geschlechts per se als vielmehr eine
20 Severn et al. 1990). Umgekehrt zeigt sich aber auch, dass bei sehr Folge bestimmter Einstellungen. In einem weiteren Experiment
naheliegendem und deutlichem erotischen Bezug die Wirksam- wurden weibliche Probanden danach eingeteilt, ob sie eher kon-
keit durch erotische Gestaltung gesteigert werden kann. So wa- servative oder eher liberale Einstellungen gegenüber Themen wie
21 ren beispielsweise in einem Experiment zur AIDS-Prophylaxe außerehelichem Sex oder Selbstbefriedigung hatten. Unter den
von Struckman-Johnson et al. (1990) die sexuell stimulierenden Frauen mit liberalen Einstellungen fand sich ein ähnliches Be-
22 Anzeigen die wirksameren. Brosius und Fahr (1996) fanden al- fundbild wie bei den Männern: Sie bewerteten unter kognitiver
lerdings keinen Nachteil für erotische Werbung, die nicht zum Belastung die erotische Anzeige deutlich positiver als konser-
Produkt passte. vative Frauen. Vor allem aber zeigte sich, dass Frauen mit einer
23 Peterson und Kerin (1977; zit. n. Sengupta und Dahl 2008) sexuell liberalen Einstellung die erotische Anzeige gegenüber
fanden, dass Erotik in einer Anzeige von Frauen wie Männern einer neutralen Anzeige (mit einem Naturmotiv) bevorzugten.
abgelehnt wird, wenn das Produkt keinen erotischen Bezug na- Bei konservativen Frauen war dies genau umgekehrt.
18.3  •  Humor in der Werbung
367 18
18.2.4 Wirkungswege erotischer Werbung sind für sich genommen bereits hinreichend starke Gründe für
dessen späteren Erfolg (Hollis 1995; Kover et al. 1995).
Nach einer Untersuchung von LaTour et al. (1990) ist es nicht Innerhalb der Werbebranche vermerken Praktiker nicht ohne
so sehr die Erotik per se, die zu einer Wirkung führt, sondern Häme, dass prämierte Werbung keineswegs unbedingt auch die
die Aktivierungswirkung erotischer Anzeigen. Das heißt, Erotik erfolgreichere ist (Polonsky und Waller 1995), so dass Werbe-
wirkt nur, insofern sie den Betrachter aktiviert, ihn in einen Er- kunden mitunter schlecht beraten sind, wenn sie die stolz her-
regungszustand versetzt. In diesem Fall hat sie sogar eine positive vorgehobenen Auszeichnungen der Kampagnen als Kriterium
Wirkung und führt zu einer Aufwertung der Werbung. für die Wahl der Agentur heranziehen. Auch der Erfolg der Un-
Erotik kann in manchen Verwendungsformen nur der „Gar- ternehmen, die Agenturen beschäftigen, die ihrerseits prämierte
nierung“ der Werbebotschaft dienen, ohne einen inhaltlichen Werbung hervorbringen, ist kein Beleg für die Überlegenheit
Bezug dazu zu haben. Schmerl (1989, S. 195) würde an dieser prämierter Werbung: Eine Werbeagentur, die Preise einheimst,
Stelle vom „Petersilieneffekt“ sprechen. Der Petersilieneffekt ist teurer als eine, die keine Preise gewinnt. Sie gewinnt daher
lässt sich ähnlich wie die in ▶ Kap. 7 diskutierten Kontexteffekte auch eher Unternehmen als Kunden, die ohnehin schon erfolg-
verstehen. Die Produktwahrnehmung soll sich durch die Erotik reich sind.
insgesamt verändern. Eine solche Hoffnung kann sich auf die his- Für Humor in der Werbung sprechen der positive Effekt, den
torische Studie von Smith und Engel (1968; siehe ▶ Abschn. 7.3.2) eine witzige Gestaltung auf die Beliebtheit und Akzeptanz des
berufen. Darin wurde ein Auto „ansprechender, lebendiger, ju- Spots nimmt, sowie die Aufmerksamkeitswirkung. Einschrän-
gendlicher, schöner im Design, [...] teurer, schneller, mit mehr kungen ergeben sich aus der Befürchtung, dass sich witzige Spots
PS ausgerüstet, aber auch weniger sicher“ wahrgenommen, wenn verhältnismäßig schnell abnutzen. Zudem muss der benutzte
zusätzlich ein attraktives weibliches Modell abgebildet wurde. Humor eher einfach sein. Subtile Kommunikationsformen, etwa
Dieser Befund galt für Frauen wie für Männer. Dabei gab es kei- Ironie, Sarkasmus oder Satire, werden in der Werbung oft nicht
nen Bezug zwischen der Werbebotschaft und der Darstellung verstanden. Vielfach wird auch befürchtet, dass eine allzu hu-
des Modells. Vielmehr war die Absicht der Autoren, die Frau als morvolle Darstellung dem Image des Produkts schadet, so dass
bloße Dekoration einzubinden: „She had no obvious function of der Einsatzbereich witziger Werbung auf solche Produkte be-
demonstrating or pointing out features of the car“ (Smith und schränkt bleibt, die ohne Schaden „durch den Kakao gezogen“
Engel 1968, S. 681). werden können.
Als Kontextreiz im Hintergrund hat die Erotik die Funk- Zwar hat Humor auf die ersten Wirkgrößen der Werbung,
tion der ablenkenden peripheren Reize, wie sie etwa im Modell etwa Aufmerksamkeit und Verständnis eine positive Wirkung,
der Elaborationswahrscheinlichkeit diskutiert werden (▶ Ab- diese verwischt aber immer mehr, je näher man den weniger di-
schn. 14.1.1). Moser (1997b, S. 95) warnt allerdings, dass Ero- rekten, erst später beobachtbaren Erfolgskriterien kommt. Dass
tik für die wenig involvierten Betrachter vielleicht noch positiv humorvolle Werbung das Kaufverhalten direkt beeinflusst, kann
wirken mag, dem hoch involvierten jedoch signalisieren könnte, man kaum mehr nachweisen. Hierzu ist eine Vielzahl von in-
dass die Quelle der Nachricht wenig glaubwürdig ist. teragierenden Einflussgrößen zu berücksichtigen, zum Beispiel
Wir haben gesehen, dass die Erinnerung an eine Werbeprä- um welche Art von Humor es sich handelt, um welches Produkt
sentation durch starke erotische Stimuli im Kontext durchaus es geht oder welche Art von Argumenten verwendet wird. Zu
leiden kann. Dem Praktiker wäre also nicht zu empfehlen, ein dem letzten Punkt meinen Cline und Kellaris (1999; zit. n. Gleich
neues Produkt, das erst einmal bekannt gemacht werden sollte, 2000c, S. 42), „dass Humor bei starken Argumenten eher über-
durch Erotik zu bewerben. Möglich bleiben aber weiterhin Ef- flüssig ist und sogar die positive Beurteilung von Werbung und
fekte auf das Image der Produkte, die sich dann positiv entfalten Produkt stört“.
könnten, wenn die Produkte selbst bereits bekannt sind. Zudem Zudem besteht sicherlich auch die grundsätzliche Gefahr ei-
ist die Beziehung zwischen Einstellung und Erinnerung nicht so nes Vampireffekts: Strick et al. (2010) zeigten ihren Probanden
eng, dass eine positive Einstellung nur dann zu erwarten wäre, Produkte in der Umgebung von neutralen, positiven und witzi-
wenn auch gleichzeitig die positiven Merkmale der Präsentation gen Texten (z. B. „Eine Blondine mit dunkel gefärbten Haaren:
abgerufen werden. Daher spekuliert Moser (1997b, S. 120), Ero- künstliche Intelligenz“). Bereits auf der Ebene der Blickbewegung
tik könnte möglicherweise positive Einstellungen erzeugen, ohne zeigte sich eine stärkere Beachtung der witzigen Informationen
dass die Probanden viel über das Produkt wissen. auf Kosten der Produkte. In der Folge schnitten Produkte in lus-
tiger Umgebung sowohl in freier Erinnerung als auch beim Wie-
dererkennen schlechter ab als in anderer Umgebung. Die Autoren
18.3 Humor in der Werbung konnten keinen Effekt der durch die Texte erzeugten Stimmung
nachweisen. Allem Anschein nach beeinträchtigt also witzige
Vermutlich stellen sich viele Konsumenten unter „guter Wer- Werbung vor allem durch die Ablenkung der Aufmerksamkeit
bung“ vor allem witzige Werbung vor. Betrachtet man beispiels- die bewusste Erinnerung für das Produkt, und diese Ablenkung
weise die preisgekrönten Spots der Cannes-Rolle, drängt sich setzt bereits beim Encodieren der Produktinformation ein.
diese Gleichsetzung von „gut“ und „lustig“ bzw. „humorvoll“ auf. Eine potentiell ablenkende Wirkung von Humor in der Wer-
Dabei spricht die Befundlage keineswegs eindeutig zu Gunsten bung zeigt auch die Meta-Analyse von Eisend (2010), und zwar
humorvoller Werbung (Erbeldinger und Kochhan 1998). Weder mindestens in einem zweifachen Sinne. Erstens wirkt Humor
Beliebtheit noch Originalität und Kreativität eines Werbespots ablenkend, indem er negative Affekte unterdrückt. Dieser Effekt
368 Kapitel 18  •  Inhalte der Werbe- und Produktgestaltung

Exkurs 18.4 „Wo ist der Tank?“ oder „Don’t shoot the bear“  |       | 
1
Im neuen Audi fährt die Frau ihren Ehemann auf der Produkteigenschaft, die man mitteilen „Shoot the bear“ oder „Don’t shoot the bear“.

2 zum Flughafen. Er erklärt ihr alle Funktionen


des Wagens, den er offenbar schon eine
möchte. Zum anderen muss der Betrachter
ein klein wenig mitdenken, um die Pointe
Der Nutzer drückt einen dieser Buttons, und
ein neuer Bildschirm tut sich auf. Über der
geraume Zeit gefahren hat und den nun seine zu verstehen, denn zunächst einmal sieht er Szene steht nun: „Ein Jäger erschießt einen
3 Frau nutzen soll. Er ist schon auf dem Weg
zum Terminal, da ruft die Frau ihm hinterher,
nur einen ratlosen Autofahrer, der vergeblich
nachdenkt. Die notwendigen eigenen Denk-
Bär.“ Egal, was der Nutzer zuvor gedrückt hat,
der Jäger erklärt zum Zuschauer gewandt,
wo denn der Tank bei dem Wagen sei. Er will schritte zur Auflösung der Situation sind in vie- dass er Bären nun einmal nicht erschießen
4 schon in der gewohnten Routine mit überle-
genem Wissen antworten – doch er kommt
len Theorien des Humors ein Element, das die
lustige Wirkung steigert (für einen Überblick
kann. Rechts außerhalb des Videos ist ein
großer Tipp-Ex-Korrekturroller abgebildet.
ins Stocken. „Wo ist denn bloß der Tank …?“ Er vgl. etwa Gulas und Weinberger 2006). Diesen greift der Jäger und löscht damit aus
5 kommt nicht drauf, und auch der Zuschauer Eine ähnlich enge Verbindung zwischen der Überschrift über dem Video das Wort

erfährt es nicht in dem Spot (  http://www. Produkt und Pointe nutzt die vielfach preis- „erschießt“. Nun darf der Zuschauer beliebige
youtube.com/watch?v=eC04nyrD8TE). gekrönte Tipp-Ex-Kampagne der französi- Verben ergänzen, um damit festzulegen, was
6 Seit Jahren wirbt Audi damit, dass Audi-Fahrer schen Agentur Buzzman aus dem Jahr 2010 der Jäger denn nun mit dem Bären machen
verdächtig unwissend sind, wenn sie gefragt ▶
(  http://www.youtube.com/watch?v=4ba- soll. In der Tat öffnet sich nach dem Eintrag
werden, wo bei ihrem Wagen der Tank ist. In 1BqJ4S2M ). Die Kampagne ist von vornherein eines Verbs ein neues Fenster, und darin zeigt
7 einer späteren Variante dieser Spots werden nur für das Internet produziert. Zunächst ein Video eben die Handlung, die durch den
immer nur ratlose Autofahrer gezeigt, die, sieht der Zuschauer einen Camper im Wald, Eintrag festgelegt wurde.
ohne auf ihr Auto schauen zu können, offen- der sich die Zähne putzt. Offenbar filmt ein Natürlich lebt die Kampagne in erster Linie
8 ▶
bar nicht wissen, wo der Tank ist (  http:// Freund die Szene – und dieser ist es auch, der von der Interaktionsmöglichkeit und den
www.youtube.com/watch?v=4k1LK0JCVco). zuerst den Bären sieht, der hinter dem Zelt vielen meist absurden Szenen, die durch

9 Eine Stimme kommentiert hierzu: „Tanken. So


selten, dass man es vergisst.“
auf die beiden zukommt. Der Kameramann
warnt seinen Freund und fordert ihn panisch
unterschiedliche Eintragungen abgerufen
werden können, aber wesentlich für die Pointe
Die oben geschilderte frühe Version hat immer wieder auf, den Bären zu erschießen. ist auch der zentrale Nutzen des Produkts.

10 psychologisch sicherlich zwei besondere


Vorteile. Zum einen beruht die Pointe genau
Hier stoppt das Video, und der Zuschauer
kann auf eines von zwei Feldern klicken:

11
scheint nach den Daten der Meta-Analyse sogar der stärkste Tatsächlich ist die Verwobenheit zwischen Pointe und Pro-
12 Effekt von Humor zu sein. Weiterhin und im Unterschied zu dukteigenschaft kaum untersucht worden. Viel beachtet wurde
Strick et al. (2010) zeigt Eisend (2010), dass witzige Werbung dagegen eine andere, immerhin ähnliche Variable, nämlich ob
zudem über die von ihr erzeugten positiven Affekte wirkt. Beides zwischen der Aussage der Werbung bzw. den Produkteigenschaf-
13 zusammen, also das Erzeugen positiver und das Unterdrücken ten und dem Humor überhaupt eine Beziehung besteht oder
negativer Affekte bilden die wichtigsten Effekte von Humor in nicht. Hier gilt das generelle Resümee, dass Humor, der keinen
14 der Werbung. Die zentrale Wirkgröße in der Analyse von Eisend Bezug erlaubt, für die Werbeabsicht eher schädlich ist (für einen
(2010) ist allerdings die Einstellung gegenüber der Werbung – Überblick vgl. z. B. Gulas und Weinberger 2006; Van Dolen et al.
15 erst vermittelt über diese wird dann die Einstellung gegenüber 2008).
Produkt und Marke beeinflusst. Die Unterscheidung zwischen „related“ und „unrelated hu-
Zweitens belegen aber auch die Daten von Eisend (2010) mor“ (z. B. Van Dolen 2008, S. 162) ist allerdings ziemlich vage.
16 einen Vampireffekt: Je witziger die Werbung ist, desto weniger In dem Experiment von Van Dolen et al. (2008) bestand zum
denken Personen über das Produkt nach. Dieser Effekt ist über Beispiel der („related“) Humor darin, dass auf einer Webseite,
17 das Ausmaß an positiven Affekten vermittelt. Er ist vermutlich auf der Wintersportreisen gebucht werden konnten, Cartoons
metakognitiv zu erklären: Die positive Stimmung signalisiert oder animierte Bilder vorkamen, die sich im weitesten Sinne auf
eine unbedrohliche Umwelt, auf die man nicht mit Reflexion und Winter bezogen. Allerdings können die Autoren mit dieser Mani-
18 Überlegung reagieren muß (z. B. Schwarz und Clore 1988; siehe pulation bereits einen interessanten Effekt nachweisen: Üblicher-
auch ▶ Abschn. 5.2.2). weise und ohne Cartoons hängt die Zufriedenheit der Kunden
19 Damit ist also grundsätzlich gezeigt, dass Humor eine ablen- mit der Webseite vor allem von zwei Fragen ab: (1) Wie gut ist
kende Wirkung haben kann. Ob diese Ablenkung auch der domi- die Seite zu bedienen und (2) kommt der Nutzer mit der Seite an
20 nierende Effekt ist oder ob sie umgangen werden kann, hängt von sein Ziel. Eine Seite, auf der die Links nicht funktionieren oder
weiteren Variablen ab. Eine der wichtigsten, aber auffallend häu- man die Bilder nicht vergrößern kann, wird nicht wieder aufge-
fig vernachlässigten Größen hierbei ist die Relevanz der Pointe sucht. Das Gleiche gilt für Seiten, bei denen man trotz aller Be-
21 für das Produkt. In vielen Fällen hat eine witzige Werbung mit mühungen am Ende mit der Buchungsanfrage keinen Erfolg hat.
dem Produkt nichts zu tun – sie wäre immer gleich witzig, egal Interessanterweise aber können Humorelemente wie Cartoons
22 um welches Produkt es geht. In anderen Fällen beruht die Pointe den Effekt des letzteren Mangels teilweise kompensieren: Seiten
geradezu auf dem Produkt oder zumindest auf seiner Eigenschaft mit Cartoons werden nicht schlechter bewertet und durchaus ein
(siehe ▶ Exkurs 18.4). Man darf erwarten, dass Vampireffekte aus- weiteres Mal aufgesucht, selbst wenn der Nutzer beim ersten Mal
23 bleiben, wenn der Humor einen direkten Abrufschlüssel für das nicht erfolgreich war. Nicht kompensiert werden kann allerdings
Produkt darstellt. eine schlechte Handhabung der Seite.
18.3  •  Humor in der Werbung
369 18

Humor wirkt aber auch, wenn er sich gar nicht auf das Pro- wurde, wurden später auch als die lustigsten eingeschätzt. Die
dukt bezieht, allerdings nur indirekt und auf implizite Variab- Autoren interpretieren dies als Hinweis darauf, dass bei humor-
len: Strick et al. (2009) platzierten Werbeanzeigen systematisch voller Werbung die „Gratifikation“ durch die Auflösung möglichst
entweder neben lustigen oder ernsten Comics. Produkte, die hinausgezögert werden sollte.
mit humorigen Cartoons gekoppelt waren, wurden in der Folge
positiver bewertet – unabhängig davon, ob sich die Probanden
an die Begegnung mit diesen Produkten in der Anzeige erinner-
ten. Dieser Effekt zeigt sich jedoch nur im indirekten Test. Strick
et al. (2009) nutzten das Verfahren des affektiven Primings (siehe
▶ Abschn. 13.3.3): Die Probanden müssen in einer Kategorisie-
rungsaufgabe von normierten Stimuli entscheiden, ob sie positiv
oder negativ sind. Zuvor werden kurz Markennamen eingeblen-
det. Sofern die Marke positiv bewertet wird, beschleunigen sich
in der Folge Kategorisierungen positiver Stimuli, wird die Marke
negativ bewertet, erleichtert die Präsentation die Kategorisierung
negativer Reize.
Die Befunde von Strick et al. (2009) zeigen, dass die bloße
Assoziation mit Humor eine Marke aufwerten kann, dass dies
aber auf unbewusster und automatischer Ebene geschieht. Weder
die bewusste Assoziation mit Humor noch die Erinnerung an das
Produkt wurden durch die Koppelung verbessert.
Eine weitere wichtige Größe ist die Stärke, also ob es sich um
eine heitere Stimmung, einen subtilen Scherz oder einen Brüller
und Schenkelklopfer handelt. Krishnan und Chakravarti (2003)
untersuchten die Gedächtniswirkung unterschiedlich humor-
voller Werbung. Im Falle von Humor mit geringer Relevanz für
das Produkt finden sie eine umgekehrt U-förmige Beziehung
zwischen der Stärke des Humors und der Gedächtniswirkung:
Offenbar steigert eine mittelmäßig starke Komik die Aufmerk-
samkeit zu Gunsten der Werbebotschaft, während eine starke
Komik die kognitiven Ressourcen zu sehr bindet und wie ein
Vampireffekt wirkt (s. o.). Dieser Vampireffekt verschwindet,
wenn die Komik für das Produkt relevant ist: Bei relevantem
Humor verbessern auch größere Stärken noch immer die Behal-
tensleistung (Krishnan und Chakravarti 2003).
Unabhängig von der Stärke des Humors lässt sich aber ver-
mutlich ein Aspekt als generelles Muster humorvoller Werbung
isolieren: Humor, und damit auch humorvolle Werbung, besteht
in vielen Fällen in der Auflösung einer Inkongruenz, eines überra-
schenden oder unpassenden Sachverhalts. Wenn etwa der Mann
nicht weiß, wo sein Auto den Tank hat (siehe ▶ Exkurs 18.4), dann
ist das zunächst selbstverständlich überraschend – umso mehr, als
er sonst doch alles zu wissen scheint. Die Auflösung besteht in der
Erkenntnis, dass der Tank offenbar so gut wie nie genutzt werden
musste, weil das Auto so sparsam ist. Woltman Elpers et al. (2004)
testeten ein Modell, dem zufolge die Sequenz „Überraschung –
Auflösung“ das zentrale Element humorvoller Werbung ist. Ihre
Probanden sahen mehrere Spots, bei denen sie kontinuierlich ein-
schätzen sollten, inwieweit die aktuelle Szene überraschend (sur-
prising) und inwieweit sie witzig (funny) war. Es zeigte sich, dass
eine Werbung vor allem dann witzig war, wenn der höchste Wert
für „überraschend“ dem höchsten Wert für „witzig“ voranging.
Wenn diese Reihenfolge umgekehrt war, war auch der Wert für
„witzig“ geringer. Zudem zeigte sich, dass der „Gipfel“ für Über-
raschung möglichst spät kommen sollte. Werbespots, in denen
dieser Wert erst kurz vor Schluss (bei 90 % der Dauer) erreicht
371 19

Die Wahrnehmung von Mengen,


Zahlen und Zeit
Georg Felser

19.1 Die Wahrnehmung von Zahlen  –  372


19.2 Die Wahrnehmung von Mengen und Größen  –  374
19.2.1 Das Problem der Einheiten  –  375
19.2.2 Intuitive Mengenschätzung – 376
19.2.3 Verpackungsgrößen und Qualität  –  379
19.2.4 Motivationale Gründe für eine verzerrte Größenwahrnehmung  –  380

19.3 Zeitwahrnehmung – 382
19.3.1 Ist Zeit nun Geld oder nicht?  –  382
19.3.2 Zeit, die vergeht – beim Warten zum Beispiel  –  384

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
372 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

Zusammenfassung 19.1 Die Wahrnehmung von Zahlen


1 1. Unsere Sensibilität für numerische Unterschiede wird immer
geringer, je höher der jeweilige Ausgangsreiz ist. Der subjektive Wir haben schon an mehreren Punkten festgestellt, dass nume-
2 Abstand von 2 zu 3 ist größer als der von 7 zu 8 und so fort. rische Größen psychologisch nicht in einem absoluten, sondern
1. Nach Möglichkeit analysieren wir Zahlen nicht nach ihren ge- einem relativen Sinne repräsentiert sind. Diese Überlegungen
nauen Werten, sondern übersetzen sie in eine holistische Re- liegen dem Werber’schen Gesetz (▶ Abschn. 2.1.1) genauso zu
3 präsentation von Größe. Diese Wahrnehmung genügt im Alltag Grunde wie der Prospect Theory (▶ Abschn. 8.3.3) oder dem
zur Beurteilung großer Unterschiede, und sie ist von der Art der Ankereffekt (▶ Abschn. 9.2.3). Wir beschäftigen uns im Folgen-
4 betrachteten Quantitäten unabhängig. den natürlich in erster Linie mit der Frage, wie Geldbeträge,
2. Bei Mengenschätzungen nutzen wir die Anzahl der Einheiten Produktmengen oder Zeit wahrgenommen werden. Aber hinter
5 als Hinweis auf die Gesamtmenge. Daher wird eine Menge sub- vielen der unten geschilderten Regeln stehen ganz allgemeine
jektiv umso höher geschätzt, je feiner sie unterteilt ist. Ebenso Prinzipien der Zahlwahrnehmung, die unabhängig von dem Ge-
erscheinen hohe Prozentzahlen größer als niedrige – unabhän- genstand gelten, auf den sie angewandt werden.
6 gig davon, worauf sie sich beziehen. Dass Menschen Zahlwerte nicht absolut bewerten, zeigt sich
3. Wenn wir eine Fläche oder ein Volumen schätzen, betonen wir schon bei Bewertung der einzelnen Ziffern und ihrer Abstände zu-
7 meist eine der relevanten Größen auf Kosten einer anderen. einander: Subjektiv werden die Unterschiede zwischen den einzel-
Häufig ist dies die Höhe bzw. die vertikale Ausrichtung eines nen Ziffern immer kleiner, je höher die Werte der Ziffern werden.
Anders ausgedrückt: Die Ziffern 1, 2, 3 und 4 liegen subjektiv wei-
8 Objekts, je nach graphischer Darstellung kann dies aber auch
ein anderer Aspekt sein. ter auseinander als die Ziffern 6, 7, 8 und 9 (Dehaene et al. 1993).
4. Größenschätzungen kehren oft die Erfahrung um, dass große Dies ergibt sich direkt aus der Annahme, dass Zahlenverhältnisse
9 Objekte auffällig sind: Wir schätzen daher auffällige Objekte als nicht absolut, sondern relativ erlebt werden: 3 ist um die Hälfte
größer ein – unabhängig von dem Grund der Auffälligkeit. größer als 2, aber 4 ist nur noch um ein Drittel größer als 3 und so
10 5. Kleinen Produkteinheiten in kleinen Verpackungen wird ten- weiter. Dieses subjektive Erleben zeigt sich auch in dem kognitiven
denziell eine höhere Qualität unterstellt. Diese Wahrnehmung Aufwand, der zum Vergleich von Zahlen erforderlich ist: Reakti-
geht auf die Anwendung der Preis-Qualitäts-Regel zurück: Kon- onszeiten beim Vergleich von Zahlen sind typischerweise länger,
11 sumenten erwarten von großen Verpackungen, dass darin die wenn Ziffern verglichen werden sollen, die größer als 5 sind – im
einzelne Produkteinheit besonders billig ist. Vergleich zu Ziffern kleiner als 5 (Dehaene et al. 1993).
12 6. Größenlabels wie „klein“, „mittel“ und „groß“ haben einen unver- Dies bedeutet unter anderem, dass ein Preisnachlass von 222
hältnismäßig großen Einfluss auf unsere Mengen- und Größen- auf 211 Euro als größer erlebt wird als ein Preisnachlass von 199
auf 188 Euro. Die Differenz beträgt zwar immer 11 Euro, aber
13 wahrnehmung. Wer eine als „klein“ etikettierte Portion bestellt,
hat auch dann das Gefühl, nur wenig zu konsumieren, wenn die in einem Fall geht es um die als verhältnismäßig klein erlebte
Portion im Vergleich eigentlich eher groß ist. Differenz von 9 auf 8 und im anderen auf den als groß erlebten
14 7. Obwohl Zeit im Unterschied zu Geld nicht gespart werden kann Unterschied von 2 auf 1.
und so gesehen ständig unwiederbringlich verloren geht, sind Coulter und Coulter (2007) zeigen dies in einer Reihe von
15 Menschen eher bereit, Zeit als Geld zu verschwenden. Das liegt Experimenten. Sie präsentierten unterschiedliche Produkte, die
unter anderem daran, dass Zeit eine besonders vieldeutige bei einem dreistelligen Ausgangspreis stets um 11 Dollar redu-
Größe ist, bei der die Opportunitätskosten für investierte Zeit ziert waren. Bei einer experimentellen Gruppe allerdings lagen
16 besonders schwierig festzulegen sind. die reduzierten Einer- und Zehnerziffern über 5 und in der an-
8. Wartezeiten werden besonders unangenehm erlebt, wenn sie deren unter 5. Im Durchschnitt ergaben sich dadurch Preisnach-
17 ohne Ereignisse verstreichen, wenn sie noch vor dem eigentli- lässe von etwa 4,1 %. Wenn Probanden nun gebeten wurden, den
chen Service liegen und wenn sie als unvorhersehbar oder unfair Preisnachlass zu schätzen, überschätzten sie diesen Nachlass im
Fall der niedrigen rechten Ziffern um durchschnittlich 0,8 Pro-
18 erlebt werden.
zentpunkte, und sie unterschätzten den Nachlass im Fall von
Was wir kaufen und konsumieren, lässt sich ebenso in objektiven hohen rechten Ziffern um durchschnittlich 1,5 Prozentpunkte.
19 messbaren Größen ausdrücken, wie das, was wir dafür bezahlen. Mit anderen Worten: Bereits in der Erinnerung verzerrt sich die
Es wird Sie aber nicht überraschen, dass quantifizierbare Größen wahrgenommene Ersparnis enorm: Trotz objektiv gleicher Diffe-
20 wie Zeit, Preise oder Mengen nicht in ihrer mathematisch prä- renz glauben Konsumenten bei kleinen rechten Ziffern über zwei
zisen Ausprägung auf unser Verhalten wirken, sondern nur in Prozentpunkte mehr zu sparen als bei großen. Wie zu erwarten,
ihrer subjektiven Repräsentation. ▶ Kap. 19 und 20 beschäftigen hat diese Wahrnehmung auch Folgen für den subjektiv wahr-
21 sich mit den Effekten dieser Repräsentationen und den Regeln genommen Wert der Ware und die Kaufbereitschaft. Beides ist
dahinter. Während es in dem vorliegenden Kapitel zunächst um höher, wenn die gesenkten Ziffern unter 5 liegen.
22 die Wahrnehmung von Zahlen allgemein, von Mengen und von Das subjektive Erleben von Zahlabständen beschreibt auch
Zeit geht, beschäftigt sich ▶ Kap. 20 mit Preisen und Geld. die Theorie der prominenten Zahlen (Albers 2001). Nach dieser
Theorie betrachten Menschen den Zahlenstrahl nicht in seiner
23 gesamten Ausdehnung, sondern sie orientieren sich an den pro-
minenten Zahlen, und das sind zunächst die Zehnerpotenzen,
also 1, 10, 100 usw., sowie deren Hälften und Verdopplungen. Es
19.1  •  Die Wahrnehmung von Zahlen
373 19

Exkurs 19.1 „Math class is tough“*  |       | 


Wenn A um ein Drittel billiger ist als B, dann Generell zeigt sich hier eine generelle Ver- Diesen Fehler begingen die jungen Probanden
ist B um die Hälfte teurer als A. Ist doch gleichsasymmetrie für die relative Darstellung unabhängig davon, ob sie die Prozentrechnung
eigentlich klar, oder? Diese mathematische von Preisunterschieden: Die Differenz erscheint in abstrakter Form bereits beherrschten oder
Selbstverständlichkeit ist für unsere Intuition immer größer, wenn das teure mit dem billige- ▶
nicht (  Abschn. 16.4.1). Wie wir hier sehen,
keineswegs klar. Konsumenten tun sich jeden- ren verglichen wird. Wenn man in der Werbung sind Wahrnehmungsverzerrungen dieser Art
falls durchaus schwer mit der Wahrnehmung also betont, dass der alte Preis um 50 % über keineswegs auf Kinder beschränkt. Unsere
von Relationen, wenn sie nicht in absoluten dem neuen liegt, dann erscheint die Ersparnis Rechenfehler bei Preisschätzungen gehen also
Zahlen, sondern in Brüchen und vor allem in größer, als wenn man sagt, der neue Preis sei weniger darauf zurück, dass wir nicht rechnen
Prozentzahlen ausgedrückt werden. Häufig gegenüber dem alten um 33 % reduziert. können, sondern mehr darauf, dass wir uns zum
wird der Modus, in dem Zahlen bewertet Kruger und Vargas (2008) haben diese Effekte in einen die Mühe nicht machen und zum anderen
werden, einfach so beibehalten, als ginge es einer Reihe von Experimenten untersucht und das, was wir im einen Lebensbereich beherr-
immer noch um absolute Werte. Unter diesem fanden über unterschiedliche Produkttypen schen, nicht auf den anderen übertragen.
Gesichtspunkt erscheinen in der Tat „33 % hinweg eine sehr konsistente Tendenz für die
weniger“ als die weniger große Differenz im unterstellte Asymmetrie: Die gleiche Differenz *  Einer von 270 Sätzen, die die Teen-Talk-
Vergleich zu „50 % mehr“. wurde immer größer erlebt, wenn teuer mit Barbie aus dem Juli 1992 sprechen konnte.
Nach derselben Logik erscheint es attraktiver, billig (oder generell größer mit kleiner) vergli- Jede einzelne Barbie konnte vier dieser Sätze
wenn nach einem Preisnachlass von 20 % auf chen wurde als umgekehrt. Dieser Effekt galt sprechen, es war also relativ unwahrscheinlich,
den reduzierten Preis noch einmal 25 % Rabatt für nichthypothetische Entscheidungen ebenso zwei identische Puppen zu bekommen. Drei
gegeben werden, als dass gleich die Gesam- wie für hypothetische. Reduzieren ließ er sich andere Sätze aus dem Repertoire könnten
tersparnis von 40 % kommuniziert wird (Chen nur dadurch, dass man Probanden instruierte, zum Beispiel lauten: „Will we ever have enough
und Rao 2007). möglichst genau zu rechnen. Interessanterweise clothes?“, „I love shopping!“ und „Wanna have
Dieses Problem besteht natürlich nicht nur korrelierte die Anfälligkeit für den Fehler weder a pizza party?“ Im Oktober desselben Jahres
bei Preisen, sondern bei allen möglichen mit der Mathematikschulnote der Probanden wurde (nach Protesten) „Math class is hard“
Zahlenverhältnissen. Stellen wir uns etwa noch mit ihren Ergebnissen in einem eigens aus der Menge der möglichen Sätze wieder
vor, Computer würden danach bewertet, wie durchgeführten Mathetest, der speziell solche ▶
entfernt (  http://en.wikipedia.org/wiki/
schnell ihre Prozessoren im Vergleich zu einem Operationen abfragte, die für die korrekte Preis- Barbie#cite_note-24; Abruf 8.2.2014). Das in-
Referenzmodell sind. Wenn der eine Rechner schätzung erforderlich wären. tellektuelle Selbstbewusstsein, das Barbie hier
um 15 % schneller und der andere dafür um Einen ähnlichen Effekt zeigen Boland et al. als Rollenmodell vorstellt, ist vielleicht wirklich
15 % langsamer ist, erweckt diese Darstellung (2012) für die Wahrnehmung von Rabatten bei ein Faktor, der – für Jungs wie für Mädchen
den Eindruck, die Differenz in der Leistung sei Kindern, denen „zwei zum Preis von einem“ – die Anfälligkeit für Urteilsverzerrungen im
also die gleiche. lieber wären als ein Preisnachlass von 60 %. mathematischen Bereich verstärkt.

ergibt sich als Liste prominenter Zahlen somit: 1, 2, 5, 10, 20, 50, Die Analyse einer Zahl von links nach rechts ist allerdings
100, 200, 500, 1000, 2000, 5000, 10.000 … vermutlich die Ausnahme. Normalerweise werden Zahlen eher
Bei Urteilen und Entscheidungen orientieren wir uns an die- holistisch wahrgenommen. Menschen übersetzen Zahleninfor-
sen Ankern. Der Sprung von einer prominenten Zahl zur nächs- mationen in eine grobe Repräsentation von Größe, bei der die
ten wird jedesmal ungefähr gleich gravierend erlebt. Also würde exakte Ausprägung einer Zahl nur eine untergeordnete Rolle
die Änderung von 1000 zu 2000 subjektiv nicht erheblich kleiner spielt (Dehaene 1997; Dehaene et al. 1990). Genauer gesagt wird
erlebt als die von 2000 auf 5000. diese Ausprägung erst dann wichtig, wenn die grobe, holisti-
Die Theorie der prominenten Zahlen führt an manchen Stel- sche Zahlrepräsentation für das Urteil nicht ausreicht. Das ist
len zu den gleichen Vorhersagen wie die Prospect Theory oder erfahrungsgemäß etwa dann der Fall, wenn sich zwei Zahlen um
das Weber’sche Gesetz. Auch hier empfinden wir Änderungen in geringe Beträge unterscheiden (unterhalb von Differenzen von
den Ausgaben bei hohem Ausgangsreiz weniger gravierend als 15 bis 17). Ob 99,99 Euro mehr sind als 49,99 Euro, kann ich
bei geringem. Die absoluten Abstände zwischen den prominen- relativ mühelos feststellen, ohne dabei ganz genau auf die Zah-
ten Zahlen werden für immer größere Beträge auch immer grö- len zu schauen. Hier genügt die holistische Repräsentation. Die
ßer, ohne subjektiv in gleichem Maße als größer erlebt zu werden. Differenz von 52,99 Euro und 49,99 Euro kann ich dagegen nur
Die Zahlwahrnehmung wird natürlich auch von der Tatsache unter Rückgriff auf die genauen Zahlenwerte beurteilen. Perso-
beeinflusst, dass Menschen kognitive Geizhälse sind und sich nen werden bei Aufgaben dieser Art stets langsamer als bei der
gerne mit einfachen Heuristiken behelfen (▶ Abschn. 8.3.1). Beurteilung großer Werte.
Dies tun sie auch – vielleicht sogar besonders –, wenn es ums In einer etwas anderen Terminologie (Dehaene 1992) könnte
Rechnen geht (▶ Exkurs 19.1). Um die Differenzen von Preisen man sagen, die Zahleninformation muss von einem eher automa-
zu vergleichen, genügt es oft, von links nach rechts die Ziffern zu tischen und analogen Code in einen anderen überführt werden.
vergleichen und den Vergleich abzuschließen, sobald diese Zif- Dies erlaubt dann zwar die Berücksichtigung der genauen Werte,
fern als verschieden erkannt werden (Stiving und Winer 1997). ist aber der kognitiv aufwendigere Prozess. Außerdem zeigen sich
Dies führt dann zu einer Verzerrung, wenn bei gleicher Differenz hier typische Kulturunterschiede: Da das deutsche Zahlensystem
sich in einem Fall die linke Ziffer stärker ändert als im anderen. im Wertebereich zwischen 13 und 99 vorsieht, dass die Einer vor
So wird bei dieser Strategie die Differenz zwischen 93 zu 79 Euro den Zehnern gesprochen werden, brauchen Deutsche signifikant
überschätzt im Vergleich zu derselben Differenz zwischen 89 und länger als zum Beispiel Chinesen, um zu beurteilen, welche von
75 Euro (Coulter und Coulter 2007, S. 163). zwei Zahlen größer ist (Grohmann 2008).
374 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

Diese Problematik ist wie gesagt nicht gegeben, solange die oben nach unten. Dehaene (1992) nennt dies den SNARC-Effekt
1 Zahlen nur in der automatischen und analogen Codierung vor- (SNARC = spatial numerical association of response codes). Er
liegen. Für eine solche Grobcodierung sprechen noch weitere Be- zeigt sich zum Beispiel in folgender Versuchsanordnung: Pro-
2 funde: Zum Beispiel zeigen Experimente mit unterschiedlichsten banden sollen am Rechner so schnell wie möglich entscheiden,
Größeninformationen, seien es Mengen, Längen, Winkel oder ob eine Zahl gerade oder ungerade ist. Sind die Stimuluszahlen
Zahlenwerte, dass diese Informationen offenbar in derselben eher klein, sind sie schneller, wenn sie die Aufgabe mit der lin-
3 Hirnregion verarbeitet werden, dem Sulcus intraparietalis (Be- ken Hand ausführen. Werden die Stimuluszahlen größer, ist die
funde zit. n. Coulter und Norberg 2009). Nach dieser Idee wirken rechte Hand in dieser Aufgabe schneller (Dehaene et al. 1993).
4 also alle Formen der Quantität in einem gewissen Sinne gleich. Kommen wir zurück zur holistischen Zahlwahrnehmung:
Dies ist ziemlich wörtlich zu nehmen und lässt sich praktisch Dass wir Zahlen per Voreinstellung lieber nicht analysieren, son-
5 ausnutzen. So können Coulter und Coulter (2005) zeigen, dass dern als Ganzes wahrnehmen, spiegelt sich auch in einer Intui-
Preisnachlässe positiver wahrgenommen werden, wenn der klei- tion, die wir sicher alle teilen: Wenn wir Differenzen einschätzen
nere Preis auch kleiner dargestellt wird als der größere. Die Idee sollen, gehen wir von der metakognitiven Theorie aus, dass große
6 dahinter ist, dass die Größe der Zahl mit der physischen Schrift- Unterschiede leichter zu erkennen sind als kleine. Diese Theorie
größe, in der sie ausgedruckt wird, kongruent ist. Die Folge sind allerdings kann auch zu Fehleinschätzungen führen: Wir über-
7 eine positivere Bewertung des Produkts und des Preises sowie schätzen einen schwieriger zu erkennenden Unterschied (z. B.
eine erhöhte Kaufabsicht. 7,42 vs. 8,43 Euro) – jedenfalls im Vergleich zum gleich großen,
Eine ähnliche Kongruenz wie mit der physischen Größe kann aber leicht zu erkennenden Unterschied (z. B. 7,00 vs. 8,00 Euro;
8 man auch durch Wortbedeutung erzeugen: In einem Experiment Thomas und Morwitz 2009; siehe auch ▶ Abschn. 7.1.2).
kombinierten Coulter und Coulter (2005) die Präsentation ihres Dieser Effekt muss freilich nicht bedeuten, dass wir jenseits
9 Produkts, nämlich Inlineskates, mit einer Formulierung, die ein bestimmter numerischer Differenzen Zahlen nicht mehr ana-
Wort enthielt, das zum geringen Preis entweder kongruent oder lysieren, sondern holistisch wahrnehmen. Man kann die Re-
10 inkongruent war. In einem Fall wurde direkt unter dem reduzier- gel „Große Unterschiede sind leichter zu erkennen als kleine“
ten Preis betont „high quality“, im anderen „low friction“. Hierbei genauso gut aus einfachen Alltagsbeobachtungen ableiten: Es
waren die Attribute eigentlich nebensächlich, entscheidend wa- ist einfacher, den Unterschied zwischen einer 30- und einer
11 ren die Wörter „low“ und „high“, die zur behaupteten Geringfü- 120-Watt-Birne zu erkennen als den zwischen einer 70- und
gigkeit des Preises eben entweder kongruent oder inkongruent 80-Watt-Birne (Thomas und Morwitz 2009, S. 82). Möglicher-
12 waren. Wie schon bei der Kombination mit physischer Größe weise folgt also unsere subjektive Theorie hier nur einem Ana-
war auch hier die Bewertung des Preises und des Produkts besser logieschluss: So wie Gegenstände im Alltag leichter zu differen-
und die Kaufabsicht höher, wenn der Preis mit einer kongruenten zieren sind, je verschiedener sie sind, gehen wir auch mit deren
13 Bedeutung kombiniert wurde. numerischen Repräsentationen um, also mit abstrakten Zahlen.
Nach diesen Befunden spricht nicht viel dafür, reduzierte Dass für die intuitive Verschätzung wirklich eine Besonder-
14 Preise groß herauszukehren und die Ausgangspreise klein und heit unserer Zahlwahrnehmung verantwortlich ist, zeigen Tho-
unbedeutend in den Hintergrund zu drängen. Diese Strategie mas und Morwitz (2009), indem sie den metakognitiven Effekt
15 führt eher dazu, dass der reduzierte Preis weniger positiv wahrge- auf klassische Weise neutralisieren (z. B. Schwarz 2004), nämlich
nommen wird, als er eigentlich sein könnte. Allerdings muss die indem sie die metakognitive Theorie selbst in Frage stellen: Sie
geringe Größe des Preises nicht unbedingt durch geringe physi- erklärten einem Teil ihrer Probanden, dass normalerweise kleine
16 sche Größe unterstützt werden – andere Zeichen der „Kleinheit“ Differenzen leichter zu berechnen seien als große. Wenn auf diese
oder Geringfügigkeit würden ebenfalls wirken. Weise Zweifel an der naiven Theorie induziert wurden, blieb auch
17 Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Wahrnehmung von der Effekt auf die Größenschätzung aus.
Differenzen übertragen: Preise von Produkten werden umso un-
terschiedlicher empfunden, je weiter die entsprechenden Zahlen
18 in der Präsentation physisch voneinander entfernt sind. Coul- 19.2 Die Wahrnehmung von Mengen
ter und Norberg (2009) zeigen dies in einer Reihe von Experi- und Größen
19 menten. Überraschend erscheint bei den Befunden allerdings
– zumindest auf den ersten Blick –, dass dieser Effekt nur bei Wenn ich Kekse kaufe, möchte ich sicher meist für mein Geld
20 horizontalen Distanzen auftritt, nicht bei vertikalen. Mit anderen auch eine anständige Menge bekommen. Wenn ich dagegen die
Worten: Wer die Preisdifferenz zwischen dem regulären und dem Kekse esse, ist es mir vielleicht lieber, wenn ich nicht den Ein-
reduzierten Preis möglichst eindrucksvoll zeigen will, sollte sie druck habe, dass es sehr viele sind – vielleicht weil ich schlank
21 in relativ großem Abstand nebeneinander schreiben, und nicht bleiben und auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen haben
den einen über dem anderen. möchte, wenn ich die ganze Schachtel verdrückt habe. Für das
22 Warum lässt sich der Effekt nicht auch durch vertikale Dis- Marketing sind demnach unterschiedliche Mengenwahrneh-
tanzen, also Höhenunterschiede erzielen? Immerhin sind „hoch“ mungen günstig. Manchmal würde mit einer Überschätzung,
und „tief “ auch metaphorische Bezeichnungen für teure und manchmal mit einer Unterschätzung mehr Profit gemacht.
23 billige Preise. Auch hierfür ist eine Besonderheit der menschli- Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, dass Mengen-
chen Zahlwahrnehmung verantwortlich: Wir empfinden Zahlen und Größenurteile in der Tat gegenüber den objektiven Gege-
eher so, als seien sie von rechts nach links geordnet, nicht von benheiten stark verzerrt sein können. Motivationale Gründe,
19.2  •  Die Wahrnehmung von Mengen und Größen
375 19

also das, was uns „in den Kram passt“, bilden hier nur einen von eine weniger gravierende Verspätung, als wenn von „Wochen“
mehreren Einflüssen. die Rede ist.
Monga und Bagchi (2012) zeigen für eine Reihe von Men-
genschätzungen, dass Konsumenten, die eher abstrakt denken,
19.2.1 Das Problem der Einheiten sich stärker von Einheiten beeindrucken lassen, während Kon-
sumenten, die konkret denken, zu der oben beschriebenen Ver-
Eine 7-Jahres-Garantie gilt genauso lang wie eine 84-Monats-Ga- schätzung zu Gunsten hoher Zahlenwerte neigen. Eine abstrakte
rantie. Trotzdem erleben Konsumenten die letztere Garantie als Denkhaltung hängt zum einen von persönlichen Präferenzen ab,
großzügiger. Offenbar spielen die Einheiten eine entscheidende zum anderen wird sie durch die Situation – eben durch psycho-
Rolle bei Mengen- und Größenschätzungen. Dies zeigt sich vor logische Distanz (▶ Abschn. 7.2) – nahegelegt. Wenn eine Kon-
allem bei relativen Urteilen: Kleine Einheiten lassen die gleichen sumentin darüber nachdenkt, was sie tun muss, um ihr Geld an-
Unterschiede numerisch viel größer erscheinen – entsprechend zulegen, befindet sie sich in einer eher konkreten Denkhaltung.
größer ist dann auch das Gewicht, das der betreffende Unter- Wenn dagegen die Frage dominiert, warum sie eine Geldanlage
schied in der Entscheidung spielt. Pandelaere et al. (2011) ließen überhaupt braucht, dominieren die abstrakten Denkprozesse.
ihre Probanden zwischen einem Schokoriegel und einem Apfel Monga und Bagchi (2012) induzierten über Wie- versus
wählen. Hierbei wurden die Entscheider über den Energiegehalt Warum-Fragen die jeweiligen konkreten oder abstrakten Denk-
ihrer Wahl aufgeklärt. Die Einheit waren für die eine Hälfte der modi und ließen ihre Probanden danach entscheiden, ob sie die
Probanden Kilokalorien, für die andere Hälfte Kilojoule. Da ei- Dauer ihrer Geldanlage verlängern und welche Rendite sie für
ner Kilokalorie 4184 Kilojoule entsprechen, war die Differenz eine solche Verlängerung mindestens erzielen wollten. Die Dauer
zwischen den beiden Optionen in der Joule-Bedingung nume- der Verlängerung wurde wieder mit unterschiedlichen Zahlen-
risch viel beeindruckender. Dies hatte zur Folge, dass in dieser werten kommuniziert. Ein Teil der Probanden wurde gefragt, ob
Bedingung der Apfel häufiger gewählt wurde als in der Kalori- sie von 182 auf 547 Tage verlängern wollten, dem anderen Teil
en-Bedingung. wurde dieselbe Verlängerung in Monaten (von sechs auf 18 Mo-
Der Effekt geht offensichtlich darauf zurück, dass sich Men- nate) kommuniziert. Für Probanden im konkreten Denkmodus
schen die Bedeutung von Einheiten nicht vor Augen führen und zeigte sich auch der oben berichtete Effekt der Zahlenwerte: Die
nach bloßen Zahlenwerten urteilen. Daher verschwindet der Ef- Verlängerung um 365 Tage wurde als groß erlebt, und darum
fekt auch, wenn man Probanden daran erinnert, welche unter- erwarteten sie auch eine höhere Rendite, als wenn ihnen derselbe
schiedlichen Einheiten es sonst noch gibt. Auch die punktuelle Zeitraum in Monaten genannt wurde. Für Probanden im abstrak-
Vertrautheit mit bestimmten Skalen verringert die Anfälligkeit ten Denkmodus jedoch kehrte sich der Effekt um: Sie erwarteten
für den Effekt: Zum Beispiel änderten Personen, die gewohn- eine höhere Rendite, wenn die Anlagedauer in Monaten statt in
heitsmäßig die Energiemengen in ihrer Nahrung überwachten, Tagen kommuniziert wurde.
ihre Präferenz für den Apfel nicht in Abhängigkeit von den prä- Generell gilt: Unterschiede erscheinen größer, wenn sie in
sentierten Einheiten. kleinen Einheiten im Unterschied zu großen kommuniziert wer-
Die beschriebenen Verschätzungen ergeben sich wie gesagt, den (z. B. 21 zu sieben Tagen anstelle von drei zu einer Woche).
weil Konsumenten auf numerische Werte fokussieren und die Wenn jedoch Einheiten stärker im Fokus stehen als Zahlenwerte,
Bedeutung der Einheiten ignorieren. Es gibt aber auch Situati- kehrt sich der Effekt um. Dies ist der Fall bei besonderer Wahr-
onen, in denen die Maßeinheiten für das Erleben eine entschei- nehmungssalienz von Einheiten oder bei einem abstrakten im
dende Rolle spielen. Dies geschieht bereits, wenn die Aufmerk- Unterschied zu einem konkreten Denkmodus (z. B. Nachdenken
samkeit der Konsumenten von den konkreten Zahlen weg auf die über das Warum anstatt des Wie oder über die Zukunft anstatt
Einheiten gelenkt wird, etwa durch eine besondere graphische der Vergangenheit).
Betonung der Einheiten (Monga und Bagchi 2012). Die Bedeu- Praktisch bedeutet das: Wo Konsumenten längerfristig den-
tung von Einheiten wächst aber auch mit der psychologischen ken, sollten eher Einheiten kommuniziert werden, um große
Distanz, dem construal level (▶ Abschn. 7.2; z. B. Trope und Li- Mengen zu signalisieren. Wer z. B. für Monate im Voraus eine
berman 2010). Wenn der gedankliche Kontext, in dem Konsu- Ferienwohnung anbietet, sollte betonen, dass der Gast für einen
menten urteilen, abstrakter wird, treten auch Einheiten mehr in geringen Aufpreis „zwei statt einer Woche“ bleiben kann – nicht
den Vordergrund. „14 statt  sieben Tage“. Dem Last-Minute-Reisenden sollten da-
Was soll das heißen? In vielen Konsumsituationen wird für gegen große Mengen durch große Zahlen suggeriert werden (Bei-
den Augenblick geurteilt, und in diesen Situationen sind Zahlen spiel nach Monga und Bagchi 2012).
und ihre konkreten Werte auch besonders salient. Hier geben für Die Neigung eher auf der Ebene von Einheiten zu urteilen
Mengenschätzung die Zahlenwerte den Ausschlag. Wenn sich und die genaue Bedeutung der Einheiten (und damit die tat-
der gedankliche Rahmen jedoch weitet, weil man beispielsweise sächliche Menge) zu ignorieren, wird als Numerosity-Heuristik
nicht für jetzt, sondern für die Zukunft entscheidet, werden Ein- bezeichnet: Aus „vielen“ wird auf „viel“ geschlossen (Pelham et al.
zelwerte weniger und übergeordnete Einheiten mehr beachtet. 994).
Für solche Fälle schlägt sich ein anderer Effekt nieder, der darauf Wenn ein Händler 70  Stück einer bestimmten Ware für
beruht, dass man kleine Werte in kleinen Einheiten und große 29 Euro anbietet, spielen in den Augen der Konsumenten die
in großen Einheiten kommuniziert. Anders ausgedrückt: Wenn bloßen Zahlenwerte in dieser Preisstruktur (▶ Abschn. 20.4) ver-
sich eine Lieferung verspätet, dann signalisiert die Einheit „Tage“ mutlich eine größere Rolle als der Stückpreis von rund 41 Cent,
376 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

19.2.2 Intuitive Mengenschätzung


1
Die Anzahl von Objekten
2 Wenn wir unter einer Menge die Anzahl von Objekten verstehen,
werden Mengen üblicherweise auf eine von vier unterschiedli-
chen Weisen bestimmt (Redden und Hoch 2009, S. 407). Bis zu
3 einer Zahl von sechs werden Mengen sehr schnell intuitiv erfasst.
Diese Fähigkeit geht wohl auf das Erkennen von Mustern inner-
4 halb dieser kleinen Mengen zurück, beispielsweise das Bilden
von Dreiecken oder Würfelaugen mit den Gegenständen. Eine
5 zweite Methode besteht im Zählen. Diese Methode ist exakt und
zumindest theoretisch nicht auf bestimmte Mengen begrenzt.
Bei großen Mengen wird sie freilich sehr aufwendig. Eine dritte
6 Methode vereinfacht dieses Verfahren, indem nur ein Teil der
Objekte gezählt und dann das Ergebnis auf die Gesamtmenge
7 .. Abb. 19.1  Schematische Darstellung des Untersuchungsmaterials aus
Redden und Hoch (2009). In welcher Keksdose werden vermutlich mehr
extrapoliert wird. Diese Methode ist besonders dann einfach
Kekse sein – diejenige, die nur Sternenkekse enthält, oder die, in der sowohl
anwendbar, wenn bestimmte Regionen in der Menge einfach
zu identifizieren sind. Sie bindet freilich noch immer in hohem
8 Sternen- als auch Sonnenkekse sind?
Grade Aufmerksamkeit, und die Prozeduren zur Verallgemeine-
den sowieso niemand ausrechnen wird. Welche Rolle diese Werte rung der Ergebnisse sind alles andere als trivial.
9 spielen, hängt wiederum von der Reihenfolge der Präsentation Eine vierte Methode schließlich besteht darin, ein intuitives
ab: Erhält der Konsument „70 Stück für 29 Euro“ oder zahlt er Urteil über Mengen abzugeben, das praktisch ohne Zählen aus-
10 „29 Euro für 70 Stück“? Die erste Position erhält die stärkste Auf- kommt und das eher in einer groben Skalierung nach „viel“, „we-
merksamkeit, und auf dieser Position sehen eben die 70 Stück nig“, „mehr“ oder „weniger“ besteht. Diese Methode entspricht
beeindruckend aus, aber „leider“ auch die 29 Euro. Somit er- der bereits oben zitierten holistischen Zahlwahrnehmung – eine
11 scheint es günstiger, „70 Stück für 29 Euro“ zu kaufen, als umge- Menge wird in eine abstrakte, ganzheitliche Repräsentation von
kehrt „29 Euro für 70 Stück“ zu zahlen (Bagchi und Davis 2012). Größe übersetzt auf dieser Grundlage geschätzt. Diese Methode
12 Diese Effekte stellen sich vor allem ein, wenn die Rechenaufgabe ist hocheffizient – sie braucht nur zwischen 100 und 200 Millise-
nicht ganz einfach ist, wie z. B. bei 20 Euro für 40 Stück. Aller- kunden – und erstaunlich genau: Mengenunterschiede ab 17 %
dings führen unter starker kognitiver Belastung bzw. Ablenkung können so einigermaßen zuverlässig entdeckt werden (Befunde
13 Konsumenten auch einfache Rechenaufgaben nicht aus, sondern zit. n. Redden und Hoch 2009, S. 407).
folgen in ihren Einschätzungen bloßen Zahlenwerten (Bagchi Diese Art der Mengenwahrnehmung wird erleichtert, wenn
14 und Davis 2012). die zu schätzenden Objekte schnell als ein Ganzes erfasst werden
Numerosity-Effekte sind natürlich auch bei der Wahrneh- können. Wie also sollten die Kekse auf einer Packung abgebildet
15 mung von Geld zu beobachten, etwa wenn diese in unterschied- sein, damit es nach einer möglichst großen Menge aussieht? Stel-
lichen Währungen dargestellt werden. Ein Numerosity-Effekt len wir uns vor, die Optionen seien, viele unterschiedliche Kekse
besteht hier zum Beispiel darin, dass Menschen von einer Wäh- abzubilden oder nur Kekse von einer einzigen Sorte zu zeigen
16 rung, die größere Einheiten hat (z. B. Euro im Vergleich zu DM), (. Abb. 19.1). Redden und Hoch (2009) präsentierten ihren Pro-
mehr ausgeben. Die bloße Anzahl der Einheiten ist eben geringer, banden Matrizen mit gleich aussehenden und unterschiedlichen
17 und daher erscheint auch die Ausgabe geringer. Dies ist zwar Objekten in unterschiedlicher Menge. Sie können zeigen, dass die
im Prinzip richtig – entsprechende Befunde gibt es auch für Menge tendenziell höher geschätzt wird, wenn dieselbe Anzahl
Ausgaben in fremden Währungen (für einen Überblick vgl. z. B. mit homogenen Objekten dargestellt wird. Diesen Effekt erklären
18 Wertenbroch et al. 2007). Allerdings bestätigt sich dieser Befund die Autoren mit der Gestaltpsychologie (▶ Abschn. 2.2.2): Wenn
nicht immer (übrigens gerade nicht bei der Euro-Umstellung; die abgebildeten Kekse alle gleich aussehen, sind sie leichter
19 siehe auch ▶ Exkurs 20.5). Der Grund hierfür liegt wohl darin, wahrzunehmen. Sie bilden sofort eine einzige Gestalt. Wird nun
dass Ausgaben zusätzlich zu bestimmten Ankern in Beziehung aber dieses homogene Ganze fokussiert, erscheint es, als bean-
20 gesetzt werden – und deren Bedeutung moderiert den Effekt. Hat spruche es mehr Raum als die einzelnen heterogenen Elemente.
eine Konsumentin ein bestimmtes Budget und kauft davon ein, Identische Einheiten – also gleich aussehende Kekse – richten
dann spielen die Einheiten nicht nur bei den Produktpreisen eine die Aufmerksamkeit des Betrachters weg von einzelnen Objekten
21 Rolle, sondern eben auch bei dem Restgeld, das sie noch hat. Und auf das Ganze, und dieses Ganze füllt dann sozusagen den größ-
wenn von 1200 Euro „nur noch“ 300 Euro übrig sind, dann fühlt ten zusammenhängenden Raum, den das Set an Objekten füllen
22 sich das eben weniger an, als wenn es DM 600 von ursprünglich kann. Und da man aus dem Raum, den ein Objekt beansprucht,
DM 2400 wären. Diese Wahrnehmung führt somit zu einer ge- auf seine Quantität bzw. Größe schließen kann, erscheinen ho-
ringeren Bereitschaft, Geld auszugeben. Wenn der Blickwinkel mogene Darstellungen größer als heterogene.
23 ein anderer wäre, könnte derselbe verzerrende Effekt, wie oben Dieses Prinzip funktioniert nur bei völlig homogenen Men-
erwähnt, auch dazu anspornen, dass man in der Währung mit gen. Schon ein einziger Keks, der anders aussieht, stört die Ho-
den größeren Einheiten mehr ausgibt (Wertenbroch et al. 2007). mogenität, und die Menge erscheint kleiner. Es spielt daher auch
19.2  •  Die Wahrnehmung von Mengen und Größen
377 19

Exkurs 19.2  Expedition ins Bierreich  |       | 


Kölschgläser sind aus gutem Grund schlank auch gleichzeitig zur Folge haben, dass sie – Überschätzung der Menge ergeben könnte,
und haben nur eine kleine Öffnung: Kölsch infolge der Überschätzung – auch unterstellen, sondern hat auch andere psychologische
wird schneller schal als andere Biersorten und dass sie bereits viel konsumiert haben. Dies Konsequenzen: Sie macht das Abbestellen
verliert auch schneller seine Schaumkrone. könnte die Neigung zum Nachbestellen in Köln subjektiv zu einer Handlung und nicht das
Die nur kleine Öffnung des Kölschglases hält im Vergleich zum bayerischen Biergarten, wo Bestellen. Nun bereuen aber Menschen nega-
das Bier länger frisch. Ein echtes Kölschglas viel breitere Gläser üblich sind, deutlich ver- tive Folgen von Handlungen deutlich stärker
fasst zudem nur 0,2 Liter, was ebenfalls dazu ringern. Allerdings gibt es hierfür längst eine als negative Folgen von Unterlassungen (z. B.
beiträgt, dass der Gast das Glas längst geleert wirksame Abhilfe. In einer echten Kölschkneipe ▶
Roese 1997; siehe auch  Abschn. 12.3). Wenn
hat, bevor das Bier schal wird. ersetzt der Kellner, der sogenannte Köbes, ein Sie mit einem Kater aufwachen, würden Sie
Gleichwohl hat dieser sachliche Grund auch leeres Kölschglas ohne Aufforderung durch ein normalerweise bereuen, das soundsovielte Bier
psychologische Konsequenzen. Biertrinker in neues. Man muss das Bier aktiv „abbestellen“, doch noch bestellt zu haben. In Köln dagegen
Köln dürften vermutlich die Menge in ihrer indem man den Bierdeckel auf das Glas legt. haben Sie subjektiv ja nicht bestellt, sondern
Kölschstange intuitiv eher über- als unterschät- Andernfalls kommt automatisch ein neues. eben nur „nicht abbestellt“ – und das wird
zen. Damit hätten sie zwar das Gefühl, viel für Diese Marketingstrategie gleicht nicht nur eben wie eine Unterlassung erlebt und darum
ihr Geld zu bekommen. Allerdings dürfte das den „Nachteil“ wieder aus, der sich durch die auch weniger bereut.

keine Rolle, ob heterogene Mengen aus zwei, vier oder sieben Mengen ist zwar erfahrungsabhängig, aber offenbar überwinden
unterschiedlichen Sorten bestehen. Menschen diese Tendenz zur Fehleinschätzung nie ganz.
Redden und Hoch (2009) demonstrierten in einer Serie von In einer Reihe von Experimenten ließen Wansink und Itter-
Experimenten, dass Konsumenten die Menge von Objekten grö- sum (2003) unterschiedliche Probanden Getränke in niedrige
ßer schätzen, wenn die Objekte gleich aussehen. Dies hat nicht oder hohe Gläser schütten. Bei Kindern lag die Differenz zwi-
nur Einfluss auf die Erwartung – auch der Konsum scheint davon schen dem niedrigen und dem hohen Glas bei durchschnittlich
betroffen zu sein: Wenn Probanden aufgefordert wurden, eine 74 %. Das Ausmaß der Unterschätzung nimmt zwar für ältere
bestimmte Mengen M&M’s in einen Teller zu schütten, war der Probanden ab, aber der Fehler an sich bleibt stabil und wird auch
Teller immer ein wenig leichter, wenn alle M&M’s dieselbe Farbe durch Expertise nicht eliminiert. In einer Stichprobe aus erfah-
hatten. Das homogene Aussehen führte dazu, dass die Menge renen Barkeepern, die explizit instruiert wurden, in die Gläser
höher eingeschätzt wurde, und somit erwarteten die Probanden die gleiche Menge zu geben, betrug der Unterschied noch immer
beim Schütten, die angezielte Menge früher erreicht zu haben. 27 %.
Natürlich erscheint die Menge eines Verpackungsinhalts Diese Effekte haben offenkundige Implikationen für die Pro-
auch schon dadurch größer, dass einfach nur viele Objekte abge- duktgestaltung. Schlanke Gefäße empfehlen sich, wenn der Kon-
bildet werden. Madzharov und Block (2010) präsentierten ihren sument das Gefühl haben soll, er bekomme eine große Menge für
Probanden Verpackungen, auf denen 15 im Unterschied zu drei sein Geld. Breite Gefäße sind zu empfehlen, wenn der Konsu-
Brezeln abgebildet waren. Konsumenten folgten konsequent der ment die konsumierte Menge eher unterschätzen soll. Vielleicht
Ankerheuristik und erwarteten eine größere Anzahl von Brezeln sollte man im Rheinland darüber nachdenken, ob man die tra-
in der Packung, wenn auch mehr abgebildet waren. Dieser Effekt ditionellen hohen und schmalen Kölschstangen durch breitere
konnte durch anders lautende verbale Informationen auf der Gläser ersetzt – so würde im Schatten des Doms genauso reich-
Verpackung nicht neutralisiert werden. Auch der tatsächliche lich konsumiert wie auf der Münchner Wiesn (▶ Exkurs 19.2).
Konsum der Brezel war höher, je höher die abgebildete Menge Der Fokus auf die Höhe – im Unterschied zur Breite bzw.
war. Grundfläche – ist vermutlich auch einer der Gründe, weswegen
Menschen die Fläche von Dreiecken im Vergleich mit gleich gro-
Fläche und Volumen ßen Kreisen oder Quadraten meist überschätzen (Krider et al.
Wenn Kinder dieselbe Flüssigkeit von einem breiten in ein 2001). Dies liegt aber eher daran, dass Dreiecke und Quadrate
schlankes Glas schütten, kann es sein, dass sie behaupten, im meist so präsentiert werden, dass ihre Höhe besonders ins Auge
schlanken Gas sei mehr enthalten als zuvor im breiten. Zumin- springt – und da sind Dreiecke eben häufig höher als die Kanten-
dest im Alter zwischen zwei und sieben Jahren ist dies altersange- länge bzw. der Durchmesser eines gleich großen Quadrats oder
messen und nicht weiter überraschend (dies zeigen eindrucksvoll Kreises (je nach Form des Dreiecks).
die Ergebnisse von Jean Piaget; zit. n. Montada 1998). Kinder Allerdings muss die Höhe nicht zwangsläufig die saliente Di-
integrieren in ihr Urteil nicht beide Dimensionen eines Volu- mension sein: Krider et al. (2001) zeigen in einer Reihe von Ex-
mens, Grundfläche und Höhe, sondern fokussieren nur auf eine, perimenten, wie die Aufmerksamkeit jeweils auf andere Objekt-
meistens die Höhe. Aus dieser Tendenz scheinen wir aber nie dimensionen gelenkt und damit die Richtung der Verschätzung
vollständig hinauszuwachsen. Auch als Erwachsene überschät- manipuliert werden kann. Stellen wir uns etwa die Pizzeria Fi-
zen wir das Fassungsvermögen von dünnen und hohen Behäl- renze vor, die vor der schwierigen Entscheidung steht, ihre große
tern und unterschätzen das Volumen von niedrigen und breiten Familienpizza in Kreisform oder auf dem quadratischen Blech
Behältern (Raghubir und Krishna 1999). Konsumenten gießen anzubieten. Wahrnehmungspsychologisch ist die Entscheidung
größere Mengen eines Getränks eher in ein niedriges breites Glas nicht einfach, denn interessanterweise gibt es keine einheitlichen
als in ein hohes schmales – und konsumieren auch mehr aus Befunde zu der Frage, ob bei gleicher Größe eher die Fläche von
niedrigen als aus hohen Gläsern. Diese Fehleinschätzung von Kreisen oder eher von Quadraten überschätzt wird (für einen
378 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

EINFACH LECKER! EINFACH UM DIE EINFACH LANGWEILIG kung sinkt. Folkes und Matta (2004) zeigen dies für zwei Fak-
1 UNSER KLASSIKER. ECKE DENKEN! ODER DOPPELT GUT? toren. Zum einen verringert sich der Effekt durch Habituation:
Wählt einen Belag für Wählt einen Belag für Wählt zwei Beläge für
eure Pizza Classico aus. eure Pizza Karo aus. eure Pizza Quadro aus.
Wenn sich Konsumenten an eine ungewöhnliche Form gewöhnt
2 haben, wird sie weniger auffällig und der Effekt schwächt sich ab.
Zum anderen ist der Effekt geringer, wenn der Inhalt der Verpa-
ckungen unattraktiv ist und aus diesem Grund gar nicht erst für
3 die Produktwahl in Betracht kommt – Verpackungen erhalten
dann generell weniger Aufmerksamkeit, und der Vorteil der un-
4 gewöhnlichen Verpackung kann sich nicht niederschlagen.
Die Aufmerksamkeitswirkung ist vermutlich auch einer der
5 Gründe für den Zusammenhang zwischen Farben und unter-
stellter Größe oder Gewicht. Jedenfalls werden grundsätzlich
Objekte in Farben mit hoher Wellenlänge (z. B. Rot) als größer
6 .. Abb. 19.2  Drei Pizzaformate von exakt gleicher Größe: Damit die quad-
ratische Pizza größer erscheint als die runde, muss statt der Seitenlänge die wahrgenommen als in Farben geringerer Wellenlänge (z. B. Vio-
Diagonale betont werden. Dies geschieht entweder, indem das Quadrat wie lett, Blau). Dies zeigen Lajos und Chattopadhyay (2010) für un-
7 ein Karo auf der Spitze steht oder indem die Diagonale graphisch hervorge-
hoben wird. © Anna Hofmann
terschiedliche Produkte. Auch die Zahlungsbereitschaft war für
rote Produkte höher als zum Beispiel für blaue; allerdings war
dieser Effekt vor allem durch die unterstellte Größe vermittelt
8 Überblick vgl. Krider et al. 2001). Diese Widersprüchlichkeit – Konsumenten gingen wohl davon aus, ein größeres Produkt
löst sich auf, wenn man berücksichtigt, welche Dimension der zu bekommen, und waren deshalb bereit, mehr dafür zu zahlen.
9 Objekte jeweils salient ist. Beim Kreis ist dies der Durchmes-
ser. Beim Quadrat können entweder Seitenlänge oder Diagonale Gewicht
10 hervorgehoben werden. Im Vergleich zum Durchmesser eines Einige der oben berichteten Befunde lassen sich also damit erklä-
gleich großen Kreises ist die Seitenlänge eines Quadrats kürzer, ren, dass die Alltagserfahrung: „Große Objekte fallen eher auf als
die Diagonale dagegen länger. kleine“ umkehrt wird in „Auffallende Objekte müssen groß sein“.
11 Mit anderen Worten: Wenn Firenze ihre quadratische Pizza Diese Logik ist allerdings nicht ohne Weiteres anwendbar auf
groß aussehen lassen möchte, muss die Diagonale der Pizza betont die Illusion, dass dunkle Objekte beim Betrachten als schwerer
12 werden, nicht die Seitenlänge. Wie man das praktisch macht, zeigt erlebt werden. An dieser Wahrnehmung könnte auch die Meta-
. Abb. 19.2. Sowohl ein demonstrativer Pfeil durch die Diagonale phorik der Begriffe (▶ Abschn. 6.2.3) beteiligt sein – immerhin
als auch die Darstellung des Quadrats auf einer der Ecken stehend wird beispielsweise im Englischen das Wort light für helle Farbe
13 lenken jeweils die Aufmerksamkeit von den Seitenlängen ab auf und für geringes Gewicht verwendet. Allerdings kehrt sich die
die Diagonale und lassen damit die quadratische Pizza größer er- Wahrnehmung um, wenn die Objekte gehoben werden: Dann
14 scheinen als die runde. Umgekehrt wirkt ein Quadrat, das auf einer werden dunkle Objekte leichter erlebt als helle gleichen Gewichts
der Seiten „steht“, im Vergleich zum gleich großen Kreis kleiner. (Walker et al. 2010). Diese brightness-weight-Illusion funktioniert
15 Die bisherigen Befunde sind auf Objekte und Behältnisse mit analog zu der size-weight-Illusion, die nach ihrem Erstbeschrei-
einigermaßen gleichmäßigen Formen anwendbar. Folkes und ber auch als Charpentier-Illusion bezeichnet wird. Große Ob-
Matta (2004) erforschten die Wirkung von ungleichmäßigen Ver- jekte werden in der visuellen Wahrnehmung als schwerer erlebt,
16 packungen, für die etwa die Coca-Cola-Flasche ein gutes Beispiel beim Heben dann aber als leichter – immer im Vergleich zu klei-
ist. Ihren Überlegungen zufolge werden Formen nach Möglichkeit neren Objekten gleichen Gewichts. Dieser Effekt bleibt auch nach
17 holistisch wahrgenommen und auf dieser Basis beurteilt. Bei die- einiger Erfahrung mit den Objekten stabil. Er beruht vermutlich
sem Urteil spielt die Auffälligkeit des Objekts an sich eine große darauf, dass Menschen die Information vom Betrachten und
Rolle. Verzerrungen bei der Schätzung von Füllmengen ergeben vom Heben nicht zu einem Durchschnitt „verrechnen“, sondern
18 sich aus einer Art Überinterpretation des Zusammenhangs zwi- der scheinbar inkonsistenten, überraschenden Information (das
schen Auffälligkeit und Größe (übrigens auch dies eine Metako- Objekt ist beim Heben nicht so schwer, wie es aussieht) für ihr
19 gnition im Sinne von ▶ Abschn. 7.1): Große Objekte sind zwar in Urteil größere Bedeutung beimessen (Brayanov und Smith 2010).
der Tat generell auffälliger als kleine, allerdings folgt daraus nicht, Deng und Kahn (2009; vgl. auch Kahn und Deng 2010) le-
20 dass auffällige Objekte auch größer sein müssen. Genau darin aber gen eine originelle Systematik vor, nach der die Anordnung von
scheint wohl der Fehler zu bestehen: Konsumenten überschätzen Produkten auf der Verpackung die Wahrnehmung des Gewichts
generell die Füllmengen von Verpackungen, wenn sie im Vergleich beeinflusst. Die theoretischen Überlegungen zu ihren Untersu-
21 zu dem Umfeld auffällig sind, etwa indem sie ungewöhnliche For- chungen entstammen zum Teil alten Gestaltungsempfehlungen
men haben, asymmetrisch sind, aus ungewöhnlichem Material des Designs und der Bildenden Kunst (Kahn und Deng 2010,
22 bestehen oder eine Oberflächenstruktur haben, wo andere Verpa-
ckungen glatt sind (Folkes und Matta 2004, Studie 1).
-
S. 262 f.). Danach gelten folgende Grundregeln:
Objekte rechts (oder) unten erscheinen schwer, Objekte
23 Wenn die Überschätzungseffekte im Wesentlichen darauf
zurückgehen, dass eine ungewöhnliche, auffällige Verpackung
auch mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann müssten diese
Effekte sich abschwächen, wenn auch die Aufmerksamkeitswir-
- links (oder) oben erscheinen leicht.
Objekte in der Tiefe erscheinen schwerer als Objekte im
Vordergrund.
19.2  •  Die Wahrnehmung von Mengen und Größen
379 19

- Sofern sich das Objekt bewegt oder eine Bewegung sugge-


riert wird: Ein Objekt erscheint schwer, wenn es sich nach
rechts (oder) unten bewegt, es erscheint leicht, wenn es sich
(▶ Abschn. 9.2.3), sondern auch – wie Wansink (1996) in Medi-
atoranalysen zeigt – eben diese Erwartung, dass der einzelne Kon-
sum viel preiswerter ist als aus einer kleinen Verpackung.
nach links (oder) oben bewegt. Entsprechendes gilt für die Allerdings erwarten Konsumenten keine überragende Quali-
Bewegung in der Tiefe. tät für ein billigeres Produkt, daher bewerten sie – normalerweise
– ihr Produkterlebnis tendenziell negativer, wenn das Produkt
Die Oben-unten Regel wird im Grunde von der allgegenwärtigen aus einer großen statt einer kleinen Verpackung stammt. Dieser
Schwerkraft induziert. Die Links-rechts Regel beruht auf zwei Effekt gilt vor allem dann, wenn das Produkt insgesamt nicht
Prinzipien: der Leserichtung und dem Hebelgesetz. Unsere kul- auffällig schlecht ist. Wenn die Qualität beim Produkterlebnis
turelle Gewohnheit durch die Blickbewegung beim Lesen sugge- nicht in dem Bereich liegt, den der Konsument erwartet, wird
riert uns, dass Bewegungen von links nach rechts absteigen und das Urteil nicht mehr an die Erwartung assimiliert, vielmehr wird
von rechts nach links aufsteigen. Hinzu kommt, dass durch diese die Erwartung als Vergleichsstandard verwendet, gegen den das
Betrachtungsgewohnheit der Punkt links oben in einer Vorlage tatsächliche Produkterlebnis kontrastiert wird (siehe auch ▶ Ab-
gleichsam der Angelpunkt wird, von dem die (Blick-)Bewegung schn. 7.3). Dem entsprechend können Yan et al. (2013) zeigen,
ausgeht. Objekte weiter rechts (und weiter unten) sind daher dass Produkte in kleinen Packungen auch nach dem Konsum ty-
auch weiter vom Angelpunkt entfernt, was nach dem Hebelge- pischerweise positiver bewertet werden als in großen, dass dieser
setz eine immer größere Kraft erfordern würde, sie aufzuwiegen. Effekt sich aber umkehrt, wenn das Produkt auffallend geringe
Diese Grundprinzipen sind in der Tat in der Lage, Konsu- Qualität hat. Die positive Vorerwartung schlägt sich dann in ei-
mentscheidungen und -präferenzen zu verändern: Die Kekse auf ner besonders schlechten Bewertung des Produkts nieder, von
der Packung erscheinen schwerer, wenn sie rechts unten abge- dem man sich so viel mehr versprochen hat.
bildet sind – im Vergleich zu links oben. Das ist in den meisten Wenn wir aus dem Preis auf die Qualität schließen wollen,
Fällen für Ihre Produktentscheidung positiv, denn Sie würden ist der Preis der Produkteinheit sicher deutlich aussagekräftiger
ja viel für Ihr Geld bekommen, wenn Sie die schweren Kekse als der Preis der gesamten Verpackung. Andererseits kann es ja
nehmen. Ihre Präferenz ändert sich allerdings noch einmal, wenn immer noch vorkommen, dass dieser Preis errechnet oder ge-
bei Ihnen Gesundheits- oder Schlankheitsziele aktiviert werden. schätzt werden muss, und das ist umständlich und anstrengend.
Dann bevorzugen Sie die Packung mit den Keksen links oben. Der Verpackungspreis ist unmittelbar zugänglich. Konsumenten
Links oben ist auch eine gute Platzierung für alle Produkte, die stehen damit sozusagen vor der Wahl, die diagnostische oder die
von vornherein eher leicht sein sollten (z. B. Notebooks). leicht zugängliche Information zu nutzen. Diese Wahl besteht
Räumliche Tiefe lässt sich gut mit Hilfe von weiteren Objek- freilich nicht mehr, wenn die Entscheidungssituation verhindert,
ten auf der Verpackung suggerieren: Dieselbe Abbildung einer dass man überhaupt rechnet oder schätzt. In diesen Fällen sollte
Tomate zeigt eine subjektiv viel kleinere Frucht, sobald davor sich das Qualitätsurteil noch einmal vereinfachen: Konsumen-
noch eine andere Tomate einmontiert wird. ten schließen zwar immer noch vom Preis auf die Qualität, aber
diesmal verwenden sie den absoluten Preis und nicht den für die
einzelnen Einheiten.
19.2.3 Verpackungsgrößen und Qualität Yan et  al. (2014) ließen ihre Probanden die Qualität von
Orangensaft einschätzen, der entweder in 400- oder 1000-Mil-
Schmeckt Ihnen Nutella eigentlich immer gleich, egal ob Sie es liliter-Verpackungen abgefüllt war. Zusätzlich sollten sich die
aus einem 450-, 800- oder gar dem (seltenen) 2000-Gramm-Glas Probanden eine zwei- oder achtstellige Zahl merken, die sie
essen? Viele Konsumenten haben jedenfalls den Eindruck, dass nach ihrem Produkturteil korrekt wiedergeben sollten. Bei nur
die Verpackungsgröße ihrer Genussmittel die Qualität beeinflusst, geringer Ablenkung (zweistellige Zahl) beruhte das Qualitätsur-
und die Tendenz geht meist dahin, dass die kleineren Einheiten teil auf dem Einheitenpreis: Der Saft wurde in der großen Verpa-
auch besser schmecken (z. B. Yan et al. 2014, S. 4). Warum aber ckung weniger positiv bewertet als in der kleinen. Dieser Effekt
ist das so? Diese Wahrnehmung kann natürlich objektive Gründe kehrte sich um, wenn die Probanden durch das Memorieren der
haben, denn auch wenn aus einer großen Verpackung tendenzi- achtstelligen Zahl abgelenkt waren: Nun wurde der Saft posi-
ell größere Portionen entnommen werden (Wansink 1996), so tiver bewertet, dessen Verpackung insgesamt teurer war – und
dauert es absolut gesehen doch länger, bis sie leer sind, und das das war selbstverständlich immer der Saft in der großen Verpa-
kann natürlich dazu führen, dass das Produkt gegen Ende nicht ckung. Dies belegt noch einmal, dass der entscheidende Faktor
mehr ganz frisch schmeckt (siehe hierzu auch ▶ Exkurs  19.2). in der Beziehung zwischen Qualität und Verpackungsgrößen die
Der Effekt hat aber auch psychologische Hintergründe, die mit Preis-Qualitäts-Regel ist – sie wird allerdings unter unterschied-
der objektiven Produktqualität nichts zu tun haben. Hierfür sind lichen Bedingungen auch unterschiedlich angewandt.
zwei Regeln verantwortlich: Zum einen ist dies die Preis-Quali- Nun möchten Personen nicht immer nur hohe Qualität –
täts-Regel, also die Annahme, dass hohe Preise auch eine hohe manchmal möchten sie auch lieber sparen. Insofern ist nicht von
Qualität anzeigen (▶ Abschn. 20.2.1). Zum anderen ist dies eine vornherein klar, welche Verpackungsgrößen sich besser verkau-
grundsätzliche Erwartung an große Verpackungen, nämlich, dass fen werden bzw. welche Motivation letztlich den Ausschlag geben
sie zwar absolut teurer, auf die Einheit gerechnet aber billiger sind. wird. Um diese Frage zu klären, nutzen Yan et al. (2014) das Kon-
Wenn also Konsumenten aus größeren Packungen auch mehr zept der psychologischen Distanz und die Construal-Level-The-
konsumieren, ist dafür nicht nur der Ankereffekt verantwortlich orie (z. B. Trope und Liberman 2010; siehe auch ▶ Abschn. 7.2).
380 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

Danach betrachten Menschen für zukünftige Entscheidungen Verzehrmengen sind noch schwieriger einzuschätzen als
1 vor allem übergeordnete Aspekte der Optionen, so etwa, warum Kleidergrößen. Jedenfalls können Menschen die ersten beiden
man sich überhaupt für eine Sache entscheiden sollte. Unmittel- „Daten“, die visuelle Präsentation und die Sättigung beim Essen,
2 bare Aufgaben werden demgegenüber eher unter dem Gesichts- eher schlecht auswerten, sie verschätzen sich dabei sehr (Ay-
punkt der konkreten Umsetzung, des Wie betrachtet. Dies legt dinoğlu und Krishna 2011; siehe auch oben). Außerdem wird
nahe, dass das eher pragmatische Argument der Preisgünstigkeit nicht immer konsistent dieselbe Menge ausgegeben, wenn man
3 vor allem bei unmittelbar bevorstehenden Entscheidungen und zum Beispiel eine Tasse Kaffee bestellt. Labels wie „klein“, „mit-
Qualitätsargumente eher bei weiter entfernten Entscheidungen tel“ und „groß“ werden durchaus für verschiedene Mengen ver-
4 zählen. Dies zeigen Yan et al. (2014) in ihren Experimenten: Für wendet.
eine weiter entfernte Entscheidung sagte vor allem die wahrge- Was passiert nun, wenn zwischen dem Label und der phy-
5 nommene Qualität die Produktwahl vorher, für näher bevorste- sischen Erscheinung eine Inkonsistenz besteht – wenn also
hende war es dagegen die Preisgünstigkeit. zum Beispiel eine verhältnismäßig große Pizza als „mittel“ oder
Im normalen Konsumalltag bedeutet dies vermutlich gene- „klein“ bezeichnet wird? Eine Möglichkeit ist, dass die Unstim-
6 rell einen Vorteil der Großpackungen im Verkauf. Solange die migkeit auffällt und Menschen versuchen, sie durch genaue Prü-
Kaufentscheidung noch in der Zukunft liegt oder wir uns nur fung aufzulösen. Eine andere ist, dass Menschen – als kognitive
7 hypothetisch überlegen, was wir kaufen, halten wir Qualitätsas- Geizhälse – dazu neigen, die am leichtesten zu verarbeitende
pekte noch sehr hoch. Wenn es im Geschäft aber unmittelbar Information zu nutzen und die schwierige zu ignorieren. Und
ans Bezahlen geht, ist die preisgünstige Variante doch attraktiver. das Label ist sicherlich einfacher zu verarbeiten und zu bewer-
8 Tröstlich ist freilich in diesem Zusammenhang, dass wir keines- ten als das physische Bild. Eine dritte Möglichkeit schließlich ist
wegs immer minderwertige Produkte erhalten, wenn wir uns für natürlich, dass die Unstimmigkeit überhaupt nicht auffällt – im-
9 die billigeren entscheiden (Kirchler 2011, S. 353 f.; siehe auch merhin: Wer weiß schon, wie groß eine große Pizza ist. Und wer
▶ Abschn. 20.2.1). legt das fest? Gilt hier der allgemeine Pizzadurchschnitt? Oder
10 eine andere Referenz?
Dass überhaupt eine Unstimmigkeit festgestellt wird, ist in
19.2.4 Motivationale Gründe für eine verzerrte manchen Fällen wahrscheinlicher als in anderen. Voraussichtlich
11 Größenwahrnehmung wird eher bemerkt, wenn eine tatsächlich zu kleine Größe mit
einem zu großen Label kombiniert wird als umgekehrt. Hierfür
12 Finden Sie eine Pizza von 24 Zentimeter Durchmesser eher groß sprechen mindestens zwei Gründe. Der erste beruht auf der be-
oder eher klein? Vielleicht sind Sie bei der Frage nicht ganz ent- reits bekannten Psychophysik: Aus dem Weber’schen (aber auch
schieden, einfacher würde es für Sie sicher, wenn Ihnen gesagt dem Steven’schen) Gesetz ergibt sich, dass sich Verschätzungen
13 wird: Die Pizza mit diesem Durchmesser ist bei uns eine „kleine nach unten (also Unterschätzungen) häufen, wenn die physika-
Pizza“ – wir haben dann noch „mittel“ und „groß“. Tatsächlich lischen Maße größere Werte annehmen. Die gefühlte Portion
14 hat das bloße Etikettieren als „klein“, „mittel“ und „groß“ einen wächst nicht linear mit der tatsächlichen Portion auf dem Teller.
starken Effekt sowohl auf unsere Wahrnehmung als auch auf den Wie . Abb. 2.1 zeigt, wird der Zuwachs als immer weniger gra-
15 Konsum. vierend erlebt, je mehr man schon hat. Das Ausmaß einer sol-
Im Grunde könnten Konsumenten bei der Beurteilung von chen Verschätzung hat Teghtsoonian (1965) für Objekte gleicher
Essensgrößen bzw. der Größe von Portionen drei unterschied- Form berechnet. Die Vergrößerung von Objekten wird um einen
16 liche Arten von Daten integrieren (Aydinoğlu und Krishna Exponenten von 0,7 unterschätzt. Wenn beispielsweise die Pizza
2011): ihren sensorischen Eindruck (vor allem den visuellen), doppelt so groß würde, schätzen wir den Größenzuwachs bei
17 das Gefühl, satt zu sein, nachdem sie die Portion gegessen haben, ungefähr 1,6. Eine dreimal so große Pizza würde als etwa doppelt
und semantische Hinweise, also Wortlabels. Interessanterweise so groß erlebt (30,7 = 2,16).
scheinen Wortlabels, also eben die Etiketten „klein“, „mittel“ und Auf das Essen übertragen heißt das: Je mehr man bereits isst,
18 „groß“, einen unverhältnismäßig großen Einfluss zu haben. Ver- desto stärker unterschätzt man den Effekt weiter hinzukommen-
mutlich sind diese Größenbezeichnungen wohl auch deshalb so der Mengen. Diese Tatsache lässt erwarten, dass auch die fal-
19 beliebt, weil sie eine relative Bewertung bzw. die Orientierung sche Zuweisung von Größenlabels unterschiedliche Effekte hat.
an einem Referenzpunkt implizieren. Eine „große“ Größe heißt Wenn eine große Portion das Label „klein“ erhält, könnte das
20 eben, dass das Objekt in Bezug auf einen wie auch immer defi- von den Verbrauchern noch unbemerkt hingenommen werden.
nierten Referenzpunkt bezogen „groß“ ist. Wenn eine kleine als „groß“ etikettiert wird, fällt das dagegen auf.
In der Folge verlassen sich Menschen schon bei relativ ein- Hinzu kommt hier aber noch ein motivationaler Grund: In vielen
21 fachen Schätzungen wie etwa beim Kleiderkauf oft eher auf die Situationen ist es ja sogar sehr angenehm, wenn man sich sagen
Labels als auf die tatsächliche Größe. Dies zeigen jedenfalls Prelec kann, man habe keine große, sondern nur eine mittlere Portion
22 et al. (1997) für den Verkauf von Regenponchos. Personen von verspeist. Man würde gern genießen – wenn es geht, ohne Reue.
durchschnittlicher Größe kauften (viel zu) große Mäntel, wenn Diesem Ziel spielen Falschetikettierungen in die Hände.
die großen Größen als „medium“ etikettiert waren. Obwohl die In einer Reihe von Experimenten zeigen Aydinoğlu und Kris-
23 entscheidende Information sehr einfach zugänglich und leicht zu hna (2011), dass Konsumenten sich in der Tat von unrealisti-
prüfen war, verließen sich die Konsumenten mehrheitlich auf die schen Größenlabels beeinflussen lassen und dass dieser Einfluss
in diesem Fall irreführenden Labels. größer ist, wenn ein großes Objekt als klein bezeichnet wird als
19.2  •  Die Wahrnehmung von Mengen und Größen
381 19

umgekehrt ein kleines Objekt als groß. Dieser Effekt beschränkt wie eine Freiheit erlebt, nämlich die Freiheit, Kontrolle und Be-
sich nicht auf die Bewertung der visuellen Wahrnehmung. Kon- denken zurückzunehmen.
sumenten glauben auch weniger gegessen zu haben, wenn sie In dieser Logik spielen Packungs- und Portionsgrößen eine
eine große Menge unter dem Etikett „mittel“ konsumiert haben – komplexe Rolle. Eigentlich korrelieren sie üblicherweise positiv
im Unterschied zum Label „groß“. In der Folge essen sie natürlich mit den konsumierten Mengen. Aus größeren Packungen und
unter einem kleineren Label auch absolut mehr – unabhängig von größeren Portionen wird auch mehr konsumiert. Hierfür
von der tatsächlichen Menge. sorgt gleich eine ganze Reihe von Effekten, so zum Beispiel, wie
Wie oben bereits angedeutet, ist der „kognitive Geizhals“ in ▶ Abschn. 19.2.2 bereits angedeutet, der Ankereffekt, der mit
für viele solcher Verzerrungen verantwortlich. Daher können einer großen dargestellten Menge auch gleichzeitig eine höhere
Aydinoğlu und Krishna (2011) auch zeigen, dass die oben be- Konsumnorm stiftet (Madzharov und Block 2010). In diesem
schriebenen Verzerrungen zunehmen, wenn Konsumenten ab- Zusammenhang ist sicherlich bedenklich, dass zumindest in den
gelenkt sind. Ein weiterer Faktor, der die Verschätzungen ein USA die Packungsgrößen und Portionen in den letzten Jahren
wenig dämpft, ist eine generelle Aufmerksamkeit der Ernährung angewachsen sind (Scott et al. 2008, S. 393). Dies sorgt dafür,
gegenüber: Menschen, die beispielsweise aus Diätgründen stark dass immer größere Verzehrmengen für normal gehalten werden.
darauf achten, was und wie viel sie essen, zeigen die Verzerrun- Diese Entwicklung korreliert mit einer Zunahme an Fettleibigkeit
gen weniger stark. in den USA (Scott et al. 2008).
Wenn die Verzehrmengen dank einer bagatellisierenden Portionsgrößen und Verzehrmengen sind vermutlich auch
Etikettierung etwas größer ausgefallen sind, drohen beim Klei- die Erklärung für einen scheinbar paradoxen Befund: In Frank-
derkauf böse Überraschungen. Daher hat es sich in der Textilin- reich enthält die Nahrung im Schnitt mehr gesättigtes Fett, und
dustrie zu einer erfolgreichen Strategie entwickelt, auch Kleider- der Cholesterinspiegel in der Bevölkerung ist höher als in den
größen mit nach unten verzerrten Größenetiketten zu versehen USA, trotzdem sterben in den USA erheblich mehr Menschen
(dieses Verfahren wird als vanity sizing bezeichnet): Wenn ich an Herzinfarkt. Dieser Widerspruch löst sich zumindest zum
eigentlich eine XL-Größe trage, das Etikett aber nur ein L aus- Teil auf, wenn man Portionsgrößen beachtet. In Frankreich sind
weist, schmeichelt das meiner Selbstwahrnehmung. Aydinoğlu Portionen generell kleiner als in den USA, sei es in Supermärkten
und Krishna (2012) zeigen, dass diese schmeichelhafte Form der oder Restaurants oder gar in Kochbüchern (Rozin et al. 2003).
Größenetikettierung in der Tat positive Vorstellungsbilder von Tatsächlich sind wohl die als normal erlebten Portionsgrößen für
der eigenen Person anregt. Diese Vorstellungsbilder sorgen für Fettleibigkeit und Koronarerkrankungen mindestens so wichtig
den positiven Effekt der Etikettierung, und dieser Effekt tritt – wie der Fettanteil in der Nahrung.
wie zu erwarten ist – vor allem dann auf, wenn das Körperselbst- Verzehrmengen werden wiederum dadurch verringert, dass
bild der Konsumenten ohnehin nicht sehr positiv ist. das Essen Arbeit bedeutet. Wansink (2004) zeigt, dass Menschen
Das vanity sizing scheint zwar eine verbreitete Praxis zu sein, weniger essen, wenn das Beschaffen des Essens aufwendig ist,
allerdings sind die verzerrten Größenangaben nicht sehr zuver- etwa ein erneuter Gang zum Buffet oder zum Kühlschrank oder
lässig, bzw. sie stimmen zwischen verschiedenen Händlern nicht eben das Öffnen einer neuen Schachtel. Die Regel scheint so-
überein (Hoegg et al. 2014). Somit kann es durchaus vorkom- gar für die Hand-zu-Mund-Bewegung zu gelten. Jedenfalls es-
men, dass ein ein Kleidungsstück gegenüber seiner Größenan- sen Menschen auch von kleineren Keksen weniger (Kalorien)
gabe zu klein ausfällt, und dies hat komplexe Folgen: Zunächst als von größeren. Geier et al. (2006) sprechen von einem „unit
einmal werden zu klein geratene Kleidungsstücke negativer be- bias“: Auch hier wird wieder mehr auf die Einheiten als auf deren
wertet. Entscheidend für diesen Effekt ist allerdings, wie positiv Bedeutung geschaut (▶ Abschn. 19.2.1), das heißt wenn aus der-
das eigene Körperselbstbild bewertet wird: Ein zu eng gerate- selben Menge Teig viele kleine Kekse gebacken werden, dann er-
nes Kleidungsstück wirkt besonders fatal auf Menschen, die mit scheint deren Gesamtmenge (z. B. in Form von Kalorien) größer,
ihrem Körper ohnehin nicht ganz zufrieden sind. Die negative als wenn wenige große Kekse gebacken worden wären. Dies wie-
Bewertung des Produkts führt nun allerdings nicht unbedingt zu derum suggeriert dem Esser, bei der eigentlich gleichen Menge
einer geringeren Kaufneigung. Hoegg et al. (2014) beobachten in bereits mehr verzehrt zu haben, woraufhin dieser voraussichtlich
ihren Studien vielmehr, dass Menschen nach einem missglück- früher mit dem Essen aufhört.
ten vanity sizing sogar mehr Geld ausgeben. Dieser Kauf besteht Auch der Druck, möglichst alles aufzuessen (von Siegel 1957,
dann meistens in Kleidungsstücken, die das Körperselbstbild als „completion compulsion“ bezeichnet), führt dazu, dass grö-
wieder positiver erscheinen lassen oder er betrifft völlig andere ßere Portionen zu größeren Verzehrmengen führen. Der visuelle
Lebensbereiche. Er dient daher vor allem dazu, einen beschädig- Hinweis, dass nun die Box leer ist, ist ein wichtiges Signal, um mit
ten Selbstwert wieder zu erhöhen (Hoegg et al. 2014). Größen- dem Essen aufzuhören. Wenn dieser fehlt, wird weitergegessen.
labels können – wie oben gezeigt – einen sorglosen Konsum er- Wansink et al. (2005) zeigen das, indem sie eine Suppenterrine
möglichen, der allerdings, sofern es um die Portionen beim Essen unbemerkt von den Probanden immer wieder auffüllen, so dass
geht, auch problematische Effekte haben kann. Einen ähnlichen sie praktisch nicht leer wird. Auch hier essen Konsumenten sehr
Effekt haben freilich auch Informationen und Bezeichnungen, viel mehr – weil eben der Hinweis einer leeren Terrine fehlt.
die auf Diät oder gesundes Essen hinweisen. Menschen nehmen Aus diesen Befunden sollte man schließen, dass Menschen aus
insgesamt mehr Kalorien auf, wenn Gesundheitslabels präsent kleinen Verpackungen weniger essen, denn hier ist der Hinweis
sind (z. B. „fettreduziert“; z. B. Wansink und Chandon 2006). Das „Jetzt ist genug“ früher gegeben, der Anker ist niedriger und das
Bewusstsein, Diätlebensmittel bzw. Diätportionen zu essen, wird ständige Nachholen bzw. Öffnen neuer Packungen aufwendiger.
382 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

An dieser Stelle kommt nun die widersprüchliche Rolle Wie es scheint, sind kleine Portionen in kleinen Verpackun-
1 kleiner Verpackungen mit kleinen Portionen ins Spiel. Kleine gen tatsächlich geradezu ein Angriff auf die Selbstkontrolle beim
Verpackungen suggerieren vielleicht einerseits ein gesundes Di- Essen. Dies wird durch einen weiteren Befund von Scott et al.
2 ät-Lebensmittel, andererseits führen die kleinen Portionen zu (2008) unterstrichen: Wenn Diät-Esser das Essen in einer un-
einer Überschätzung der Gesamtmenge. Dies zeigen Scott et al. emotionalen Weise interpretieren, wird der Effekt kleiner. Die
(2008) für unterschiedliche Verpackungen unterschiedlich gro- Probanden nutzten zum Beispiel eine Strategie der kognitiven
3 ßer M&M’s. Sind die M&M’s kleiner als regulär, werden sie in Kontrolle (stellten sich z. B. Marshmallows als Wolken und Brezel
einer zudem noch kleinen Verpackung besonders inkonsistent als Holzstücke vor), die üblicherweise das Einhalten der Diät er-
4 wahrgenommen: Sind sie nun Diätlebensmittel (wegen der klei- leichtert. Diese Strategien hatten keinen Effekt auf normale Esser,
nen Verpackung), oder sind sie eher kalorienreich (wegen der wohl aber auf Diät-Esser.
5 hohen Anzahl an Einzelportionen)? Die kleinen Verpackungen sind also keine Hilfe bei der Diät
Der Konflikt ist für normale Esser nicht besonders problema- (zumindest nicht, wenn sie viele kleine Einheiten enthalten),
tisch, wohl aber für Menschen, die sich eine Diät auferlegt haben. sondern eher eine Versuchung, die die Konsumenten erst mit
6 Scott et al. (2008) sprechen von „restrained eaters“, ich werde aufwendiger Kontrolle in den Griff bekommen.
im Folgenden den Begriff „Diät-Esser“ benutzen. Damit meine
7 ich ausdrücklich nicht Menschen, die z. B. aus Krankheitsgrün-
den, etwa Diabetes, einem bestimmten Ernährungsplan folgen. 19.3 Zeitwahrnehmung
Gemeint sind vielmehr Menschen, die der Schlankheit wegen
8 mit eigener Willensanstrengung versuchen, weniger zu essen, Die konsumentenpsychologische Bedeutung der Zeit kennen Sie
als sie es ohne diese Anstrengung tun würden. Nach Scott et al. nicht nur, weil Sie oft genug gehört haben, dass Zeit Geld sei. In-
9 (2008) zählt rund ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung wiefern das stimmt, sollten wir uns ohnehin im Folgenden noch
zu den „restrained eaters“. Charakteristisch für ihr Essverhalten kurz fragen (▶ Abschn. 19.3.1). Ich möchte Sie hier nur an ein an-
10 sind im Vergleich zu „Normalessern“ die folgenden Merkmale deres wichtiges Phänomen unserer Urteilsbildung erinnern, das

-
(Scott et al. 2008):
Sie machen sich ihren Verbrauch bzw. ihre Verzehrmengen
ich in ▶ Abschn. 12.5 vorgestellt habe: die Peak-End-Regel. Diese
Regel besagt, dass wir ein Erlebnis weniger nach seiner Dauer

-
11 stärker bewusst. oder seiner durchschnittlichen Intensität bewerten als vielmehr
Sie berücksichtigen bei ihrem Essverhalten mehr Faktoren danach, wie es in seinem intensivsten (schönsten oder unange-
12 als nur ihr physiologisches Bedürfnis nach Nahrung (üben nehmsten) Moment und wie es an seinem Ende war. Dies führt

- also über ihr Essverhalten kognitive Kontrolle aus).


Sie sind sensibler gegenüber Signalen, die auf Essen hin-
zu dem paradox erscheinenden Effekt, dass man unangenehme
Erlebnisse (z. B. eine schmerzhafte Untersuchung) abmildert, in-

--
13 deuten. dem man sie in die Länge zieht – sofern die hinzukommenden
Sie unterdrücken stärker Körpersignale wie Hunger. Momente deutlich harmloser sind als die davor (Kahneman et al.
14 Sie haben ein emotionales Verhältnis zu ihrem Essverhalten 1993).
(haben z. B. Schuldgefühle, wenn sie meinen, zu viel geges- Die folgenden Ausführungen deuten eine Psychologie der
15 sen zu haben). Zeit nur an (für eine umfangreichere Darstellung vgl. z. B. Zim-
bardo und Boyd 2008). Zwei Punkte greife ich heraus: zum einen
Durch die dauerhafte Selbstkontrolle befinden sie sich auch in die Umrechnung von Zeit in Geld und zum anderen die Wahr-
16 einem fortgesetzten Zustand der „Depletion“, also einer Art von nehmung von Zeitdauer.
Erschöpfung, die – zumindest nach der Idee von Baumeister
17 (z. B. Muraven und Baumeister 1998) – weitere Selbstkontroll-
aufgaben erschwert (siehe hierzu auch ▶ Abschn. 5.5.2). Anders 19.3.1 Ist Zeit nun Geld oder nicht?
gesagt: Wer ohne Mühen wenig isst oder sich gesund ernährt,
18 gehört definitionsgemäß nicht zu den „restraint eaters“. Typisch Zeit ist eine knappe Ressource, und wenn wir sie einer Sache
ist ebenfalls, dass Diät-Esser unter Stress besonderen Drang zum widmen, geht das praktisch immer auf Kosten anderer Dinge,
19 Essen haben, dass sie Essen häufig zur Stimmungsregulation ein- für die dann keine Zeit mehr ist. Dies sind erste offensichtliche
setzen und zu ungehemmtem Essen neigen, wenn die Diät ein- Parallelen. Genauso gut kann man aber erwidern, dass Zeit viel
20 mal verletzt ist (vgl. auch Tice et al. 2001). kostbarer ist als Geld, da Zeit immer vergeht, egal, was man mit
Dem subjektiven Widerspruch zwischen kleiner Verpackung ihr anfängt. Man kann sie auch nicht sparen – jedenfalls nicht im
(Hinweis auf Diät) und kleiner Größe (Hinweis auf insgesamt Sinne eines Anhäufens von Vorräten. Mit Geld geht das schon.
21 hohe Menge) wird nach den Beobachtungen von Scott et  al.
(2008) dadurch begegnet, dass Diät-Esser der subjektiv angeneh- Zeit investieren
22 meren Deutung den Vorzug geben. In mehreren Untersuchun- Hieraus könnte man die Erwartung ableiten, dass Menschen
gen zeigen Scott et al. (2008), dass „restraint eaters“ von kleinen Zeit höher wertschätzen sollten als Geld. Wenn allerdings Zeit
Größen in kleinen Verpackungen mehr essen als aus großen mit Geld verrechnet werden soll, zeigt sich eher das umgekehrte
23 Verpackungen. Damit verhalten sie sich genau entgegengesetzt Bild. So sind Menschen bereit, für einen bestimmten Stunden-
zu normalen Essern, für die nach wie vor die einfache Regel gilt: lohn (z. B. mindestens 12 Euro) zu arbeiten, aber wenn man sie
Aus großen Verpackungen essen sie mehr als aus kleinen. fragt, wie viel sie bereit wären zu zahlen, um die entsprechende
19.3 • Zeitwahrnehmung
383 19

Arbeitszeit frei zu haben, bieten sie stets deutlich weniger als den Daher kalkulieren Menschen auch bei der Entscheidung, Zeit
akzeptablen Mindestlohn (also im Beispiel die 12 Euro). Außer- zu investieren, nicht wie beim Geld: „Ich investiere 20 Minuten in
dem kalkulieren Menschen Opportunitätskosten von investierter A, 30 Minuten in B und fünf Minuten in C.“ Hierzu ist Zeit eine
Zeit überhaupt nicht ein, wenn man sie nicht in Erinnerung ruft, zu vieldeutige Einheit – und das macht Menschen eher geneigt,
und unterschätzen sie, wenn man sie daran erinnert (Okada und auf der Basis von Faustregeln und Heuristiken zu entscheiden.
Hoch 2004). Saini und Monga (2008) präsentierten ihren Probanden ein Sze-
Warum ist das so? Ein Grund hierfür ist sicher die grund- nario, in dem sie sich für eine Umzugsfirma entscheiden sollten.
sätzliche Vieldeutigkeit von Zeit – auch im Unterschied zu Geld. Die Frage war, von wie vielen Firmen sie ein Angebot einholen
Die Tatsache, dass die Zeit so oder so vergeht und dass man sie sollten. Hierbei wurden unterschiedliche Kosten in den Vor-
nicht beiseitelegen und ein andermal verwenden kann, ist eine dergrund gestellt, entweder eine Gebühr von 5 Dollar für das
der Komponenten, die für diese Vieldeutigkeit sorgen. Oft genug Angebot oder 30 Minuten für die Besichtigung. Es zeigte sich,
ist daher unklar, was die Alternative ist zu einer bestimmten Art, dass Probanden unter der Zeit-Bedingung sehr viel eher nach
die Zeit zu verbringen. Für Zeit gibt es viel mehr und viel flexib- groben Faustregeln urteilten, etwa „Ich wähle eine mittlere Zahl
lere Möglichkeiten der Verbuchung (im Vergleich zu Geld). Klare von Unternehmen“, als unter der Geld-Bedingung.
Vorstellungen davon, was Zeit „wert“ ist, hat im Grunde keiner In einem anderen Experiment sollten sich die Probanden
– das gilt unabhängig davon, dass unterschiedliche Kulturen und für einen Gebrauchtwagen entscheiden und konnten dazu In-
auch unterschiedliche Altersstufen unterschiedliche Sichtweisen formationen über die jeweiligen Fahrzeugtypen einholen. Diese
auf die Zeit haben (Okada und Hoch 2004). Informationen waren entweder kostenpflichtig, oder sie bean-
Stellen Sie sich vor, Sie besuchen ein Restaurant, das sich als spruchten Zeit. Zusätzlich wurden den Probanden unterschied-
wenig zufriedenstellend herausstellt. Wie sehr Sie das stört, hängt liche Anker vorgelegt, indem sie gefragt wurden, ob sie mehr
davon ab, was genau Sie investiert haben. Wenn Sie für den Re- oder weniger als zwei versus 40 Typen anschauen würden. Diese
staurantbesuch vier Stunden Daten eingegeben haben und nun Anker beeinflussten die Probanden stark, wenn sie das Gefühl
das Restaurant als Lohn für Ihre Mühen wählen, schlägt sich die hatten, sie würden Zeit investieren. Bei niedrigem Anker wollten
schlechte Qualität nicht so sehr in Ihrer Zufriedenheit nieder, sie Informationen zu neun Typen einholen, bei hohem zu 24.
wie wenn Sie Geld ausgegeben hätten. Unter der Voraussetzung, Wenn dagegen Geld investiert wurde, zeigte sich kein Effekt des
dass der Lohn für die vier Stunden Arbeit 50 Dollar sind und Sie Ankers.
diesen Betrag auch für den missglückten Restaurantbesuch aus- Manche Menschen sind freilich mehr als andere gestimmt,
gegeben haben, zeigt sich, dass Ihnen die vier Stunden letztlich Zeit in Geld umzurechnen. So ist es schon beinahe sprichwört-
doch weniger wert sind als die 50 Dollar. Dies jedenfalls sind lich, dass Juristen ihre wertvolle Zeit taxieren und einschätzen
die Ergebnisse von Okada und Hoch (2004) aus ihrem ersten und uns genau sagen können, was eine Anwaltsstunde wert ist
Experiment. (Saini und Monga 2008). Dieses Phänomen ist nicht nur eine sa-
Die theoretische Erklärung der Autoren ist: Bei Geld sind die tirische Überzeichnung, es enthält auch ein Körnchen Wahrheit:
Opportunitätskosten deutlich klarer, das heißt, man hat klarere Die Asymmetrie zwischen Zeit und Geld kann man sich in der
Vorstellungen davon, was man mit dem Geld sonst angefangen Tat abtrainieren, indem man auf den Wert der Zeit mehr ach-
hätte (z. B. sparen). Die Investition von Zeit dagegen ist vieldeu- tet bzw. seine Aufmerksamkeit darauf richtet, wofür man seine
tig. Tatsächlich zeigt sich sogar in der Auswertung von Verbal- Zeit investiert. Saini und Monga (2008) ließen ihre Probanden
protokollen, dass Konsumenten erleichtert sind, wenn sie nur einen Essay über den Wert der Zeit schreiben, bevor sie sie mit
Zeit, aber kein Geld investiert haben (Okada und Hoch 2004, einem ihrer Szenarien konfrontierten. Mit dieser Einstimmung
S. 316: „It cost me no money, just time“, „At least I didn’t pay verschwand die Anfälligkeit von Heuristiken für Investitionsent-
money“, „Even though the shoes (were bad), they were free in scheidungen, die die Zeit betrafen.
monetary terms, and I took only four hours“).
Ähnliche Effekte wie für die Investition von Zeit zeigen sich, Die Dauer-Heuristik
wenn die Autoren einfach eine Währung verwenden, deren Häufig wird der Preis eines Guts als Hinweis auf seine Qualität
Wechselkurs stark schwankt und bei der daher ebenfalls die Op- verwendet (▶ Abschn. 20.2.1). Zeit kann eine ähnliche Rolle spie-
portunitätskosten mehrdeutig sind. Weitere Experimente zeigen: len. So schätzen Menschen den Wert eines Kunstwerks höher,
Menschen sind auch eher bereit, riskante Investitionen durchzu- wenn sie erfahren, dass der Künstler lange daran gearbeitet und
führen, wenn sie Zeit und nicht Geld investieren. viel Mühe darauf verwendet hat (Kruger et al. 2004). Dienstleis-
Menschen investieren Zeit also sehr flexibel und gehen mit tungen werden häufig danach bewertet, wie lange sie dauern, wo-
nicht ganz so optimalen Investitionen verhältnismäßig groß- bei die Dauer-Heuristik unterstellt, dass das, was länger dauert,
zügig um. Vor einer Entscheidung nehmen sie bereits vorweg, auch besser ist (Yeung und Soman 2007). Dies gilt – vernünfti-
dass sie eine Fehlinvestition als unproblematisch interpretieren gerweise – etwa für Fitnesstrainings, Massagen und Klavierun-
können, und nach der Entscheidung passen sie sich an weniger terricht, aber bereits diese Beispiele zeigen, dass man die Regel
günstige Ergebnisse flexibler an (Okada und Hoch 2004, S. 321). wohl nur bis zu bestimmten Obergrenzen der Zeitdauer anwen-
Eine Quelle unserer alltäglichen „Zeitverschwendung“ ist daher den und darüber hinaus nicht extrapolieren kann.
vermutlich genau diese Flexibilität und die Unklarheit, was denn Die Dauer-Heuristik hängt indirekt mit der Preis-Quali-
genau die Alternative dazu ist, die Zeit auf eine ganz bestimmte täts-Regel zusammen. Wer zum Beispiel beurteilen will, ob und
Weise zu verbringen. in welchem Ausmaß ihm eine Massage hilft, setzt die Dauer der
384 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

Behandlung zu ihrem Preis ins Verhältnis und schließt auf eine „Marker“. „Markant“ sind in erster Linie Änderungen in unserer
1 gute Qualität, wenn die eine bestimmte Zeiteinheit auch keinen mentalen oder physischen Umwelt, also Gedanken, Erinnerun-
zu geringen Preis hat. Dies gilt vor allem dann, wenn die Proban- gen, Geistesblitze, Gefühle oder eben äußere Ereignisse. Wenn
2 den sich mit dem bestimmten Service nicht weiter auskennen. nun in der Erinnerung eine Dauer geschätzt wird, dann dient als
Wer also die Qualität von Massagen beurteilen kann, nutzt die Heuristik hierzu die Anzahl der Marker, die abgerufen werden
Dauer unabhängig von ihrem Preis zur Bewertung. können. Dieser Mechanismus erklärt das Phänomen, dass ereig-
3 Erstaunlicherweise nutzen Konsumenten die Dauer-Heu- nisreiche Zeiten zwar kurz erscheinen, während man sie erlebt,
ristik auch dort, wo sie nicht angebracht ist. Die Arbeit eines im Rückblick aber umso länger.
4 Schlüsseldiensts sollte umso wertvoller sein, je weniger Zeit sie Wichtig ist allerdings, dass die Marker auch wirklich bemerkt
in Anspruch nimmt. Tatsächlich bewerten Kunden diese Dienst- werden. Wer erschöpft oder abgelenkt ist, der registriert nicht so
5 leistung jedoch umso positiver, je länger sie dauert. In einer Feld- viele Marker und überschätzt daher die Länge von ereignisrei-
studie ließen Yeung und Soman (2007) die Mitarbeiter eines chen Zeitspannen nicht so stark. Wer dagegen für Veränderun-
Schlüsseldiensts die Kunden nach ihrer Zufriedenheit befragen. gen in seiner Umwelt sensibilisiert ist, überschätzt die Dauer von
6 Die Dauer der Dienstleistung variierte zwischen fünf und 15 Mi- Ereignissen umso stärker (Ahn et al. 2009).
nuten. Die Kunden fanden interessanterweise, dass der Dienst Im Großen und Ganzen ist unsere Sensibilität für die Dauer
7 umso mehr sein Geld wert war (nämlich 35 Dollar), je länger er von Ereignissen allerdings sehr gering. Sie wird umso schlechter,
dauerte. Dieses Verhältnis kehrte sich erst um, wenn Probanden je isolierter bzw. einzigartiger die zu schätzende Dauer ist. Die
zuvor danach gefragt wurden, wie effizient der Schlüsseldienst Dauer vertrauter Ereignisse können wir dagegen schon etwas
8 war. Mit anderen Worten: Dienstleistungen werden anscheinend besser einschätzen. Vermutlich geht dieser Effekt darauf zurück,
in erster Linie nach ihrer Quantität bewertet. Je länger sie dauern, dass man für vertraute Ereignisse Vergleichsmöglichkeiten hat.
9 desto besser. Erwägungen, ob die lange Dauer denn auch gerecht- Morewedge et al. (2009) zeigen, dass Menschen umso sensibler
fertigt und der Service auch effizient ist, werden erst getroffen, auf die Dauer reagieren, je vertrauter die Ereignisse sind. Ein Bei-
10 wenn man eigens darauf aufmerksam gemacht wird. spiel hierfür ist etwa die Fahrt mit einem Bus, die entweder schon
Die Dauer-Heuristik hat ihre Entsprechung auch in den me- oft oder eben weniger oft gemacht wurde. Eine Verzögerung der
takognitiven Phänomenen, wo das mühsame Lesen eines Texts Fahrt beeinträchtigt die Zufriedenheit auf einer vertrauten Stre-
11 auch Mühe beim Schreiben oder noch mehr: Hochwertigkeit cke stärker als auf einer unvertrauten.
dessen, was – geschraubt und oftmals völlig unnötig in die Länge Die Peak-Ende-Regel (▶ Abschn. 12.5) ist ebenfalls ein Bei-
12 gezogen und verschachtelt – ausgedrückt wird, impliziert (siehe spiel dafür, dass die Dauer von Ereignissen vernachlässigt wird.
hierzu ▶ Abschn. 7.1; Song und Schwarz 2008). Aber auch sie gilt stärker für unvertraute und nicht alltägliche Er-
eignisse als für nicht so sehr vertraute. So hörten die Probanden
13 von Morewedge et al. (2009) einen unangenehmen Ton für sechs
19.3.2 Zeit, die vergeht – beim Warten oder 21 Sekunden. Die Peak-End-Regel besagt, dass der Unter-
14 zum Beispiel schied zwischen diesen beiden Zeitdauern weniger bedeutsam
ist als der unangenehmste Moment und die Intensität beim Ende
Die Dauer von Ereignissen
15 des Geräuschs. Dies bestätigte sich aber nur dann, wenn der Ton
Stellen Sie sich vor, Sie besuchen einen Vergnügungspark. Es selbst unbekannt war und mit einem Synthesizer erzeugt wurde.
wäre nicht erstaunlich, wenn Sie dabei das Gefühl haben, dass Wenn es sich allerdings um ein unangenehmes Telefonklingeln
16 die Zeit wie im Flug vergeht. Und dieses Gefühl ist üblicherweise handelte, reagierten die Probanden sehr wohl auf die Länge des
umso stärker, je mehr Sie dort unternehmen. Was aber sagen Sie, Geräuschs – und bewerteten selbstverständlich das längere Klin-
17 wenn Sie am nächsten Tag die Dauer schätzen sollen, die Sie im geln negativer als das kürzere.
Park verbracht haben? Welche Rolle spielt dabei die Anzahl der
Attraktionen, die Sie besucht haben? Die Richtung des Effekts Wartezeiten
18 kehrt sich nun um: Je mehr Sie im Park gemacht haben, desto Warten ist in der Regel unangenehm – sei es das Warten in einer
länger erscheint Ihnen die Zeit im Rückblick. telefonischen Warteschleife, in einem Wartezimmer, im Restau-
19 Diese Beobachtung beschreibt William James in den Princip- rant oder Zuhause auf die Lieferung bestellter Waren. Insofern
les of Psychology: „in general, a time filled with varied and interes- ist es sicherlich essentiell für das Marketing, Wartezeiten objektiv
20 ting experiences seems short in passing, but long as we look back. – und wenn das nicht geht, dann wenigstens subjektiv – zu ver-
On the other hand, a tract of time empty of experiences seems kürzen. Nerdinger (2005) gibt einen Überblick, welche psycholo-
long in passing, but in retrospect short“ (James 1890, ▶ Kap. 15; gischen Effekte hierbei helfen. Nicht überraschend ist, dass pas-
21 zit. n. Ahn et al. 2009, S. 510). siv verbrachte Wartezeit im Vergleich zu aktiver Zeit besonders
Ahn et al. (2009) erklären diesen Effekt mit einer „Marker- unangenehm erlebt wird. Jede wahrgenommene Veränderung
22 theorie“ des Gedächtnisses. „Das Gedächtnis macht keine Filme, im Umfeld kann hier zur subjektiven Verkürzung der Wartezeit
es macht Fotos“; dies jedenfalls resümiert Milan Kundera (1999; beitragen (Ahn et al. 2009). Dazu zählen auch Bewegungen in
zit. n. Ahn et al. 2009, S. 508). Die Abrufschlüssel für das Ge- der Warteschlange, also der Eindruck, dass es überhaupt vor-
23 dächtnis erscheinen also eher statisch (eben wie „Fotos“) und angeht, oder der Wechsel in der Bedienung – die Bestellung der
werden erst in der Abrufsituation zu Abläufen und Ereignissen Getränke wird von einer anderen Person entgegengenommen als
rekonstruiert. Ahn et  al. (2009) nennen diese Abrufschlüssel die Bestellung des Essens (Nerdinger 2005, S. 3). Eines der wich-
19.3 • Zeitwahrnehmung
385 19

tigsten Ereignisse zur Verkürzung der Wartezeit ist der Beginn (Nerdinger 2005). Diesen Punkt möchte ich mit einem persön-
des eigentlichen Services. Wenn sich ein bereits laufender Prozess lichen Beispiel illustrieren: Wie in vielen Gemeinden ist es auch
verzögert, wird das als weniger gravierend erlebt, als wenn sich bei uns zu Hause möglich, einen Behördengang zu verkürzen,
die Wartezeit vor dem Beginn um die selbe Zeit erhöht (Ner- indem man bereits online einen Termin bucht. Als bei uns mal
dinger 2005, S. 3). Konkret heißt das: Im Wartezimmer ist das wieder ein Gang zur KFZ-Zulassungsstelle nötig war, habe ich
Warten länger als im Behandlungszimmer, und auf dem Gleis davon Gebrauch gemacht. Ich meldete mich für 9.30 Uhr an und
dauert es subjektiv länger, bis es losgeht, als auf dem Sitzplatz im bekam die Wartenummer 13. Als ich bei der Zulassungsstelle
bereitstehenden Zug. ankam, warteten dort natürlich eine Menge Personen. Den je-
Antonides et al. (2002) untersuchten das Warten in Telefon- weiligen Plätzen wurden auf elektronischen Anzeigen Nummern
warteschleifen in einem Feldexperiment. Nach ihren Befunden zwischen 920 und 937 zugewiesen, was mich mit meiner 13 zu-
folgt die wahrgenommene Wartezeit relativ zur objektiven ei- nächst ein wenig irritierte. Tatsächlich erschien aber ziemlich
ner psychophysischen Kurve (siehe . Abb. 2.1) mit einem We- genau um 9.30 Uhr meine 13 auf einem der Displays, und ich
ber’schen Quotienten von ca. 0,84. Aus dieser Beobachtung folgt, konnte meine Sache zügig erledigen. Dieses Vorgehen war zwar
dass es sich in der Tat lohnt, Wartezeiten objektiv zu verkürzen, schön für mich, die anderen Wartenden wird es aber auf zwei
da jede weitere Verkürzung gravierender erlebt wird als die gleich Weisen frustriert haben: Zum einen erscheint es unfair, weil
hohe vorhergehende Verkürzung (Antonides et al. 2002, S. 200). ein später Hinzugekommener ohne Warten sofort drankommt.
Musik in Warteschleifen dämpfte in der Untersuchung von Zum anderen frustriert diese Praxisdas Gefühl der „prädikti-
Antonides et al. (2002) den negativen Effekt der erlebten War- ven Kontrolle“, also die Erwartung, wenigstens einigermaßen
tezeit auf die Bewertung. Entsprechende Befunde berichtet auch genau vorhersagen zu können, was einen noch erwartet. Wenn
Nerdinger (2005). Danach verkürzt Musik generell die subjektive auf 923 eben nicht 924 folgt, sondern 13, werden Wartezeiten
Wartezeit; dieser Effekt ist noch stärker für die subjektiv bevor- unabsehbar.
zugte Musik. Übrigens dürfte es die subjektive Wartezeit noch mehr ver-
Komplexer sind die Befunde von Antonides et al. (2002) für kürzen, wenn dabei nicht hoch-, sondern heruntergezählt wird.
die angekündigte Restwartezeit. Wenn die Wartenden erfahren, Jedenfalls zeigen Shalev und Morwitz (2013), dass Ereignisse kür-
wie lange sie noch ungefähr zu warten haben, überschätzen sie zer erscheinen, wenn Personen dabei rückwärts zählen. Wichtig
ihre Wartezeit subjektiv zwar weniger, dafür schlägt sich die er- ist allerdings, dass das Zählen auf der 1 endet, dass es sich also
lebte Wartezeit aber stärker in einer negativen Bewertung nie- sozusagen wie ein „Countdown“ anfühlt. Tatsächlich wird dieser
der. Vermutlich wird durch die (meist wiederholte) Nennung der Effekt auch durch Erregung und Aktivierung vermittelt (Shalev
Restwartezeit die Aufmerksamkeit der Wartenden zu sehr auf und Morwitz 2013); das Herunterzählen aktiviert stärker als das
das Warten an sich gelenkt – Ablenkung ist üblicherweise besser. Heraufzählen, was die Zeit kürzer erscheinen lässt.
Keinen positiven Effekt hatte es, wenn die Probanden am Te- Wartezeiten sind aversiv, insofern sie einen erwünschten
lefon erfuhren, wie viele Personen noch vor ihnen in der Schleife Zustand herauszögern. Die gilt nicht nur für Situationen, in de-
warten (Antonides et al. 2002). Vermutlich hätte es einen bes- nen man wartet, um etwas zu erledigen, also um „dran zu kom-
seren Effekt, wenn Wartende erfahren, wie viele Personen sich men“. Das gilt noch viel mehr, wenn man zum Beispiel auf ein
hinter ihnen befinden. In einer realen Menschenschlange kann Produkt wartet, das man bestellt hat. Interessanterweise wächst
man jedenfalls die Befindlichkeit der Wartendenden besser aus letztlich die Freude und damit der Nutzen, den man durch das
der Menge der hinter ihnen stehenden Personen vorhersagen Produkt hat, wenn man sich auf den Genuss noch eine Weile
als aus den davor stehenden (Zhou und Soman 2003). Ein Num- freut (Dunn et al. 2011; siehe auch ▶ Exkurs 5.3). Das hat aber
mernsystem dagegen, das nur die Menge der davor wartenden nicht zur Folge, dass wir deshalb lange Lieferzeiten geradezu
Personen transparent macht, hat einen deutlich negativeren Ef- begrüßen – ganz im Gegenteil. Und diese aversive Wirkung von
fekt auf die erlebte Wartezeit. Im Vergleich zum Warten in der Wartezeiten ist noch größer, wenn wir die Wartezeit nicht nur
Schlange war beim Nummernsystem sowohl die Stimmung unter als ein Hindernis sehen, sondern als Schuldigen, der sich mit
den Wartenden schlechter als auch die Wahrscheinlichkeit eines eigenem Willen zwischen uns und den erstrebten Genuss stellt
vorzeitigen Abbruchs höher (Zhou und Soman 2003). (May und Monga 2014). Dieser Gedanke soll uns im Folgenden
Diese Befunde betonen einen Aspekt der Zeitwahrnehmung, kurz beschäftigen:
den ich bisher vernachlässigt habe: die soziale Wahrnehmung Wenn Menschen sagen, „Die Zeit heilt alle Wunden“, dann
und den sozialen Vergleich. Menschen ertragen Wartezeiten eher, geben sie damit der Zeit eine menschliche Fähigkeit. Zeit ist zwar
wenn sie andere wahrnehmen, denen es noch schlechter geht als in der Tat ein außerordentlich abstrakter Gegenstand, aber in
ihnen. Dagegen erschwert es das Warten, wenn andere Personen unserem alltäglichen Umgang mit ihr trägt sie häufig mensch-
ihre Wartezeit verlängern, und sei es nur, dass sie bemerken, wie liche Züge. Das beginnt schon damit, dass Zeit grundsätzlich
der Dienstleister nach der Leistung mit einem anderen Kunden über räumliche Metaphern verstanden wird – zu denen dann
noch weitere freundliche Worte wechselt (Sutton und Rafaeli auch Bewegungen gehören: Weihnachten steht vor der Tür, der
1988; zit. n. Nerdinger 2005, S. 4). Abreisetermin rückt näher, und wir nähern uns dem nächsten
Hier spielen – neben dem sozialen Vergleich – auch Fair- Termin für die Landtagswahl. Zeitpunkte und Ereignisse bewe-
nesswahrnehmungen und die Vorhersehbarkeit der Wartezeit gen sich auf uns zu, oder sie stehen und wir bewegen uns – in
eine Rolle. Grundsätzlich dauern unsichere, unerklärte und un- allen Fällen werden Metaphern genutzt, die den so bezeichneten
faire Wartezeiten subjektiv länger als ihr jeweiliges Gegenteil Objekten Leben und menschliche Eigenschaften verleihen. Viele
386 Kapitel 19  •  Die Wahrnehmung von Mengen, Zahlen und Zeit

andere Bilder geben der Zeit zudem Macht oder gar einen eige- Mit anderen Worten: Warten ist meist nicht schön und schon
1 nen Willen: „Die Zeit wirds richten“, „Die Zeit arbeitet gegen gar nicht, wenn wir dabei das Gefühl haben, einer eigenwilligen
uns“, „Time is on my side“. Damit hat die Metaphorik zurzeit aber Zeit ausgeliefert zu sein. Das bessert sich nur, wenn wir das Ge-
2 ein Leitthema, das ein Problempotential birgt: Sie fördert ein Bild fühl haben, dass die Zeit selbst – wie ein Handelnder – unseren
der Machtlosigkeit und des Ausgeliefertseins. Genuss erhöht.
Stellen wir uns nun vor, Sie müssen auf eine Bestellung aus
3 dem Internet warten. Unter welcher Bedingung würde Ihnen das
Warten leichter fallen: wenn die Zeit Ihnen als abstrakter Gegen-
4 stand erscheint oder wenn die Zeit handelt, Macht ausübt und
ihren eigenen Willen hat? May und Monga (2014) zeigen in meh-
5 reren Studien, dass ein menschenähnliches (anthropomorphes)
Bild von der Zeit in der Regel dazu führt, dass Konsumenten
weniger Geduld haben und dass sie zum Beispiel ein schlechte-
6 res Geschäft einem besseren vorziehen, wenn sie auf das bessere
warten müssten.
7 Anthropomorphe Vorstellungen von der Zeit haben wir in
unterschiedlichem Grade. Menschen unterscheiden sich darin,
inwieweit sie sozusagen dauerhaft dazu neigen, der Zeit mensch-
8 liche Eigenschaften zu geben. Eine anthropomorphe Zeitvorstel-
lung lässt sich aber auch von außen induzieren. May und Monga
9 (2014) ließen ihre Probanden Redensarten bewerten, in denen
die Zeit entweder vermenschlicht wurde oder eben nicht, etwa
10 „Time is the greatest knowledge bank of all“ versus „Time is the
greatest counselor of all“. Formulierungen der letzteren Art akti-
vierten eine anthropomorphe Zeitvorstellung und hatten wieder
11 zur Folge, dass Konsumenten weniger bereit waren, auf Produkte
zu warten.
12 Eine entscheidende Rolle bei dem beobachteten Effekt spielt
das Gefühl von Macht und Machtlosigkeit. Personen, die sich
als Bestimmer ihres Schicksals fühlen und zudem glauben, auf
13 andere Einfluss zu haben, bleiben auch bei einer menschenähn-
lichen Zeitvorstellung geduldig – möglicherweise weil sie sich in
14 der Lage fühlen, „der Zeit zu trotzen“ bzw. ihr „ein Schnippchen
zu schlagen“.
15 Wenn wir zum Warten gezwungen sind, erleben wir das zu-
nächst wie eine Störung unseres Genusses. Und wenn uns das
Warten einen Vorteil bringt, zum Beispiel indem wir den län-
16 geren, aber preiswerteren Versand gewählt haben, dann ist die
Wartezeit nicht die Ursache des Vorteils, sondern nur eine lästige
17 Begleiterscheinung. In diesen Fällen verstärkt sich das negative
Gefühl, wenn wir die Zeit vermenschlicht erleben. Wenn es aber
genau die Zeit ist, die das Produkt selbst verbessert und damit
18 den Genuss erhöht, wirkt die Vermenschlichung deutlich anders.
May und Monga (2014) präsentierten ihren Probanden unter-
19 schiedliche Formulierungen für die Tatsache, dass ein bestimm-
ter Käse besser schmeckt, wenn man ihn noch ein wenig reifen
20 lässt. Im einen Fall handelt die Zeit gegen den Genuss: „Time
is … making you wait. It is not letting you enjoy the cheese.“ Im
anderen Fall vergrößert die Zeit den Genuss: „Time … making
21 the cheese better. It is improving the taste of the cheese so that
you can enjoy it better.“ Die erste Formulierung führte dazu, dass
22 die Wartezeit gegenüber einer neutralen Formulierung („You
would want to eat this cheese right now rather than wait … wai-
ting could improve the taste of this type of cheese“) aversiver
23 erlebt wurde. Die zweite Formulierung dagegen hatte gegenüber
der Kontrollbedingung sogar eine positivere Bewertung der War-
tezeit zur Folge.
387 20

Geld- und Preispsychologie


Georg Felser

20.1 Preissensibilität: Wann achten wir überhaupt auf Preise?  –  388


20.1.1 Die Preis-Absatz-Funktion als Ausdruck von Präferenzen  –  389
20.1.2 Referenzpreise und der Transaktionsnutzen  –  389
20.1.3 Das Konzept der Preisschwellen  –  391
20.1.4 Preisschwankungen und dynamische Preisanpassung  –  392

20.2 Das Fehlen von Preissensibilität: Wenn wir „gerne“


hohe Preise zahlen  –  393
20.2.1 Die Preis-Qualitäts-Regel – 393
20.2.2 Geltungskonsum und kompetitiver Altruismus  –  395
20.2.3 „Pay what you want“ und Selbstbild  –  396
20.2.4 Geschenke – 397

20.3 Motivationale Aspekte der Preiswahrnehmung:


Der Wunsch zu sparen  –  398
20.3.1 Effekte der letzten Ziffer  –  398
20.3.2 Sonderangebote – 400
20.3.3 Gewinne und Verluste durch Produktpreise  –  402

20.4 Preisstruktur – 404
20.4.1 Die „Theorie der relativen Einzelurteile“  –  404
20.4.2 Gewinne und Verluste bei mehrdimensionalen Angeboten  –  409
20.4.3 Gebündelte Preise, Flatrates und Produktabschreibung  –  410

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
388 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

Zusammenfassung nomen der „utility blindness“ (Liu und Soman 2008, S. 677), also
1 1. Unsere Sensibilität für Preise hängt stärker von Ankerwerten ab das Ignorieren von Nutzenaspekten, rechtfertigt noch nicht, von
als von der tatsächlichen Preishöhe oder gar von unserer Präfe- „emotionaler Preiswahrnehmung“ zu sprechen.
2 renz für das Produkt. Emotional im engeren Sinne ist die psychologische Preis-
2. Konsumenten bewerten bei einem Kauf nicht nur den Nutzen wahrnehmung natürlich auch (Liu und Soman 2008, S. 677). So
durch das Produkt, sondern auch den durch die Transaktion bestimmen Emotionen wie Reue (über ein schlechtes Geschäft)
3 selbst. Dieser Nutzen ist zum Beispiel dann hoch, wenn das Pro- oder Freude (über ein gutes), was Käufer und Verkäufer in (On-
dukt günstig ist. line-)Auktionen bieten bzw. verlangen (z. B. Greenleaf 2004).
4 3. Konsumenten zahlen verhältnismäßig bereitwillig hohe Preise, Aber wie gesagt: Emotional in einem so engen Sinne ist die psy-
wenn sie sich davon eine hohe Qualität versprechen, wenn sie chologische Preiswahrnehmung keineswegs immer – die folgen-
5 mit einem hochpreisigen Produkt Prestige „erwerben“ oder den Ausführungen zeigen dies.
wenn es um Geschenke geht. Ungewöhnliche niedrige Preise
zahlen Konsumenten nur dann, wenn sie durch den Anbieter
6 legitimiert werden (z. B. als Sonderangebot). 20.1 Preissensibilität: Wann achten
4. Wir sind in der Regel stärker motiviert, einen eigenen Verlust wir überhaupt auf Preise?
7 durch überhöhte Preise zu vermeiden, als durch günstige Preise
einen Gewinn zu erzielen. Konsumenten behaupten zwar häufig von sich, dass sie auf Preise
achten. Allerdings bedeutet das nicht, dass sie die Preise ken-
8 5. Die Kaufbereitschaft variiert stufenweise und nicht kontinuier-
lich mit der Höhe des Preises. Über das Kontinuum möglicher nen. In Befragungen geben Käufer nur zwischen 33 und 73 % der
Preise verteilen sich gleich mehrere Schwellenpreise. Die Ab- Preise für gängige – zum Teil gar soeben gekaufte – Lebensmittel
9 stände zwischen verschiedenen Schwellenpreisen sind vermut- korrekt an (Kirchler 2011, S. 340 f.). Auch die grobe Faustregel,
lich unterschiedlich groß. nur auf Angebote zu achten – ohne dabei den konkreten Preis
10 6. Preise, die auf 9 enden, werden als besonders günstig wahrge- zu registrieren –, wendet vermutlich höchstens die Hälfte der
nommen. Dies gilt vor allem dann, wenn sich bei der Erhöhung Konsumenten an. In einer Befragung von Dickson und Sawyer
um eine Einheit auch die äußerste linke Ziffer erhöht. (1990) wussten jedenfalls weniger als die Hälfte der Käufer, die
11 7. Einer der wichtigsten Faktoren für die subjektive Preiswahr- ein Produkt aus dem Sonderangebot gekauft hatten, dass dessen
nehmung ist die Preisstruktur. Damit ist die Aufteilung eines Preis reduziert war.
12 Gesamtpreises auf einzelne Elemente (z. B. Grundgebühr, Ver- Einige wirksame Einflüsse auf die Preisschätzungen haben
brauch, Einzelteile, Extras) sowie die Kommunikation des Preises mit der tatsächlichen Preishöhe gar nichts zu tun. Zum Beispiel
verschätzen sich Konsumenten umso stärker bei Preisen, je mehr
13 nach außen (z. B. als „Ersparnis“ vs. „Gewinn“) gemeint.
8. Bei der Bewertung von Preisunterschieden berechnen Konsu- Silben der Preis hat, wenn man ihn ausspricht. Luna und Kim
menten in der Regel nicht den tatsächlichen Preis, sondern nei- (2009) verglichen Preisschätzungen bei koreanischen und ame-
14 gen vielmehr dazu, Einzelvergleiche für einzelne Elemente der rikanischen Konsumenten. Es zeigte sich, dass die Preisschätzun-
Preisstruktur zu ziehen. Je häufiger ein Angebot bei diesen Ver- gen immer in der Stichprobe ungenauer waren, deren Sprache für
15 gleichen günstiger erscheint, desto besser. Dies gilt unabhängig die Zahlwörter mehr Silben benötigten. Wenn die Einzelpreise in
davon, wie günstig das Angebot in der Gesamtsumme ist. beiden Sprachen auf dieselbe Silbenzahl hinausliefen, unterschied
sich auch die Genauigkeit der Schätzung nicht. Der Effekt geht
16 Eine „Preispsychologie“ gibt es längst, nur trägt sie meist einen vermutlich auf die Kapazität der phonologischen Schleife inner-
anderen Namen. Gebräuchlich sind zum Beispiel Begriffe wie halb des Arbeitsgedächtnisses zurück (Baddeley 2009).
17 „Behavioral Pricing“ oder gar „Emotional Pricing“ (Liu und So- Dass die tatsächliche Preishöhe nicht der wichtigste Faktor
man 2008). Selbst der Begriff „Neuropricing“ kommt vor (Mül- bei der Preissensibilität ist, zeigt sich auch in dem Befund, dass
ler 2012). Dies mag unterstreichen, wie populär das Thema ist. Konsumenten häufig bei Dingen sparen, von denen sie ökono-
18 Aus Sicht der Psychologie, die bei Weitem die größten Beiträge misch nicht viel haben. Laut einer Befragung aus Österreich ach-
zu dieser Forschung liefert (Liu und Soman 2008), sind diese ten Konsumenten am stärksten auf Preise, wenn es um Möbel,
19 Etikettierungen freilich misslich. Einige damit verbundene Prob- Geschenkartikel, Bekleidung, Urlaub und Schuhcreme geht. Am
leme habe ich in ▶ Abschn. 1.8.2 ausgeführt. Hinzufügen möchte wenigsten preisbewusst sind sie dagegen bei Babynahrung, Zi-
20 ich hier nur einen Gedanken zur Bezeichnung „Emotional Pri- garetten, Windeln, Bier und Wein und – überraschenderweise –
cing“. Hierbei droht eine inflationäre Verwendung des Emo- bei Auto und Motorrad (Kirchler 2011, S. 342). Die Gründe für
tionsbegriffs, jedenfalls wenn man mit diesem Begriff nahezu diese unterschiedliche Sensibilität dürften je nach Artikel andere
21 alle Phänomene bezeichnet, bei denen Preise nicht aufgrund sein. Babyartikel werden vermutlich schon deshalb wenig preis-
von kaufmännischen Berechnungen bzw. ökonomisch rational bewusst eingekauft, weil Eltern hier das Risiko, ihrem Baby nicht
22 bewertet werden. Die Psychologie der Preise besteht aus einer das allerbeste zu geben, ausschließen wollen. Warum Zigaretten
ganzen Reihe von verzerrenden Einflüssen, von denen nur ein wenig preisbewusst gekauft werden, könnte zwei Gründe haben.
Teil mit Affekten einhergeht. Andere beruhen auf der Architek- Möglicherweise ist die Motivation bzw. der Drang des betroffe-
23 tur unseres kognitiven Apparats oder auf unserer Neigung zu nen Konsumenten zum Produkt so groß, dass hohe Preise nicht
Faustregeln (dem kognitiven Geizhals) – die vorausgegangenen weiter abschrecken. Wertenbroch (1998) zeigt allerdings auch,
Kapitel haben hierzu schon etliche Beispiele geliefert. Das Phä- dass Konsumenten bei schädlichen Produkten (er spricht von
20.1  •  Preissensibilität: Wann achten wir überhaupt auf Preise?
389 20

„vice products“) ganz gezielt auf Preisvorteile verzichten (also für 50 Cent den unangenehmen Ton hören würden) oder kehr-
z. B. keine Mengenrabatte wahrnehmen), um durch einen unvor- ten die Anker von 90 und 10 Cent für die beiden Gruppen um.
teilhaften Preis ihren Konsum zu disziplinieren (▶ Abschn. 5.5.2; Stets gaben die Probanden danach ihren Mindestpreis an, und
siehe auch ▶ Exkurs 20.5). immer lag dieser Wert in der Gruppe, die anfangs den Anker
Jedenfalls zeigt sich die Wichtigkeit von Preisen nicht un- von 10 Cent hatten, deutlich unter dem Wert in der Gruppe mit
bedingt auf der Ebene von Euro und Cent. Sie zeigt sich aber dem Anker von 90 Cent.
möglicherweise darin, dass ein Konsument sich freut, wenn er Dieses Ergebnis unterstreicht zum einen noch einmal die
ein Produkt zu einem günstigen Preis erhalten hat. So mag es be- überragende Bedeutung erster gegenüber folgenden Ankerwer-
friedigend sein, selbst zu einem günstigen Preis beigetragen ha- ten (siehe auch ▶ Abschn. 9.2.3). Zum anderen aber wirft es ein
ben (Schindler 1998). Wie wir in ▶ Abschn. 16.2.2 gesehen haben, Licht auf die vermeintliche Stabilität von Präferenzen, die sich
kann dies auf mindestens zwei Wegen geschehen, die auch in un- in Nachfragekurven zeigt. Stellen wir uns vor, man wollte eine
terschiedlicher Weise Freude bereiten dürften: Das „Smart-Shop- gerechte Entschädigung für die Unanehmlichkeiten durch den
pen“ mit Recherche, Preisvergleich und Schnäppchenjagd ist eher Ton festlegen und würde hierzu Marktdaten erheben. Welcher
ein Verhaltensmuster, das mit der Big-Five-Dimension „Gewis- Geldbetrag wäre für die Betroffenen akzeptabel? Die Werte,
senhaftigkeit“ einhergeht. Die Bereitschaft zum Verhandeln und die Ariely et al. (2003) in der 10- bzw. in der 90-Cent-Gruppe
Feilschen dagegen hängt mit Verträglichkeit zusammen – negativ erhalten, schaffen die perfekte Illusion, dass es sich hierbei um
natürlich, denn wer feilscht, sollte konfliktbereit sein. Preissensi- die wirklichen Präferenzen der Probanden handelt: Über neun
bel sind Konsumenten also auch aus unterschiedlichen Motiven Durchgänge hinweg und mit wechselnden Randinformatio-
heraus, die jeweils mit der Persönlichkeit korrespondieren (Moo- nen wollen die 10-Cent-Probanden stets eher wenig und die
radian und Olver 1996). 90-Cent-Probanden eher viel.
Ein im Grunde beliebiger initialer Ankerwert sorgt also da-
für, dass in der Folge eine stabile Zahlungsbereitschaft entsteht.
20.1.1 Die Preis-Absatz-Funktion als Ausdruck Die Autoren bezeichnen dieses Phänomen als „kohärente Belie-
von Präferenzen bigkeit“ („coherent arbitraryness“), das heißt, wer durch einen
willkürlich gesetzten Anker dazu gebracht wurde, mehr oder we-
Die Ökonomie schätzt aus Marktdaten eine Funktion, die anzeigt, niger für ein Gut zu zahlen, ist dazu nicht nur für den Moment,
wie sich bei steigendem Preis der Absatz eines Produkts entwi- sondern auch für die Zukunft bereit. Diese Erkenntnis untergräbt
ckelt. Üblicherweise wird erwartet, dass diese Funktion monoton die Annahme, dass Nachfragekurven aus Marktdaten tatsächli-
fällt (für Ausnahmen sorgt etwa der Veblen-Effekt; siehe auch che Präferenzen der Konsumenten widerspiegeln.
▶ Abschn. 20.2): Je teurer ein Gut wird, desto weniger wird davon Die Macht von Ankern auf Preisschätzungen habe ich in
verkauft. Wichtig ist hierbei folgender Gedanke: Der Verlauf die- ▶ Abschn. 9.2.3 bereits angedeutet. ▶ Exkurs 20.1 beschreibt die
ser Funktion drückt aus, wie begehrt das Produkt ist bzw. welche Rolle der ersten Anker in Online-Auktionen Hier noch zwei wei-
Präferenzen die Konsumenten (in Bezug auf das Produkt) haben. tere Beispiele: Preise, die in einem völlig anderen Zusammenhang
Diese Überlegung ist ja zunächst auch sehr naheliegend: Wenn genannt werden, die auch niemand für relevant hält (die also we-
ich bereit bin, 10 Euro zu zahlen, dann ist meine Präferenz stärker, der vom Verkäufer als realistisch verlangt noch vom Käufer als
als wenn ich bei einem Preis von 7 Euro bereits aussteige. Auch in realistisch geboten werden), üben gleichwohl einen Ankereffekt
der Marktforschung wird die Zahlungsbereitschaft als ein Maß für aus und beeinflussen die Zahlungsbereitschaft (Nunes und Bo-
die Produktpräferenz eingesetzt (Spiegel 1970, S. 129). atwright 2004). Ankereffekte dürften auch dafür verantwortlich
Die Gültigkeit dieser Annahme ist allerdings zweifelhaft. sein, dass Menschen, wenn sie von einem teuren an einen billi-
Ariely et al. (2003) zeigen, dass der subjektive Geldwert eines geren Wohnort ziehen, dort verhältnismäßig teure Wohnungen
Guts mehr von initialen Ankerwerten abhängt als von der Prä- nehmen. Umgekehrt nehmen Menschen beim Umzug von einer
ferenz. Die Autoren spielten ihren Probanden unangenehme billigen in eine teure Wohngegend eher relativ günstige Wohnun-
Töne auf Kopfhörern vor. Die Teilnehmer wurden gefragt, ob sie gen (Simonsohn und Loewenstein 2006). Interessant ist, dass sich
gegen eine Bezahlung von 10 bzw. 90 Cent bereit seien, den Ton hier der Ankereffekt eher auf den Preis als auf die Qualität der
noch einmal zu hören. Diese Frage galt nur hypothetisch, und Wohnung auswirkt. Immerhin läuft dieses Phänomen darauf hi-
die Probanden sollten hierauf nur mit „ja“ oder „nein“ antwor- naus, dass die neuen Wohnungen in der Regel komfortabler oder
ten. Danach sollten die Teilnehmer angeben, welchen Betrag sie eben weniger komfortabel sind als die alten – je nachdem, ob der
denn tatsächlich mindestens haben wollten, damit sie den Ton Umzug von teuer zu billig geht oder umgekehrt (Simonsohn und
noch einmal hören. In der 10-Cent-Gruppe lag dieser Wert bei Loewenstein 2006). Offenbar bilden hier die bisherigen Kosten
33 Cent, in der 90-Cent-Gruppe bei 73. Man wird schwerlich einen stärkeren Anker als die bisherige Größe der Wohnung.
behaupten können, dass der Ton in der Bedingung mit hohem
Anker mehr als doppelt so aversiv war wie in der niedrigen Be-
dingung. Der Unterschied in den akzeptierten Preisen ging nur 20.1.2 Referenzpreise
auf die unterschiedlichen Ankerwerte zurück. und der Transaktionsnutzen
In weiteren Durchgängen mit denselben Probanden variier-
ten die Autoren nun die Anker: Zum Beispiel gaben sie gleiche Im Rahmen des klassischen Preismanagements unterstellt man,
Anker für beide Gruppen (die Probanden wurden gefragt, ob sie dass die Konsumenten eine Vorstellung von einem „fairen Preis“
390 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

Exkurs 20.1  Ankereffekte bei Verhandlungen und Auktionen  |       | 


1
Erfahrene eBay-Verkäufer wissen vielleicht, ein Produkt, das einen niedrigen Einstiegspreis rigem Einstiegspreis wird zunächst günstiger

2 dass es in der Regel günstiger ist, einen


niedrigen Einstiegspreis zu nennen, ja dass
hat, auch insgesamt eher preiswert ist (Ku
et al. 2006, Studie 1b). Ein niedriger Preis zu
erlebt. Dies animiert viele mitzubieten, was die
Gebote in die Höhe treibt. Infolgedessen wird
sogar ein völlig unrealistisch niedriger Preis Anfang ermuntert also viele Personen zur dasselbe Produkt nicht mehr günstig, sondern
3 von 1 Euro oder gar 1 Cent tendenziell eher
hohe Verkaufspreise nach sich zieht. Die
Teilnahme, und zwar unter anderem dank dem
üblichen Ankereffekt (niedriger Preis bedeutet
im Gegenteil als wertvoll erlebt.
Die Menge an Bietern und Geboten ist der
Gründe für diesen Effekt sind allerdings sehr niedriger Wert). entscheidende Auslöser für den hohen End-
4 komplex, und der Effekt selbst scheint auf den
ersten Blick dem so mächtigen Ankereffekt
Es erscheint bereits intuitiv plausibel, dass
man mit vielen Bietern höhere Endpreise
preis. Dies zeigt sich auch, wenn der Verkehr
auf der Seite künstlich behindert wird. Ein
zu widersprechen. Nicht nur bei Zahlenschät- erzielen kann als mit wenigen. In der Tat kann wichtiges Verkehrshindernis bei eBay-Auktio-
5 zungen, sondern auch bei der Preisfindung man auch zeigen, dass der Effekt des niedrigen nen sind Schreibfehler. Wer zum Beispiel ein
wirken numerische Vorgaben so, dass sich Einstiegspreises auf den Endpreis durch den Michael Jordan-Shirt unter der Bezeichnung
die späteren Urteile der Vorgabe angleichen. Verkehr, den „Traffic“, bei der Auktion vermit- „Micheal Jordan“ verkaufen will, wird mit Hilfe
6 Wer in einer Verhandlung ein höheres Gebot telt wird: Je niedriger der Endpreis, desto mehr der Suchfunktionen nicht gefunden und darf
abgibt, erzielt darin auch einen höheren Personen bieten, und desto häufiger bieten daher nicht mit vielen Geboten rechnen. Ku
Endpreis (Galinsky und Mussweiler 2001). die Beteiligten. Dieser erhöhte Verkehr wiede- et al. (2006, Studie 6) untersuchten Aukti-
7 Nach diesen Erkenntnissen müsste es für den rum geht auch mit einem höheren Endpreis onen mit diesem offenbar nicht seltenen
Verkäufer eigentlich töricht sein, in eBay einen einher (Ku et al. 2006, z. B. Studien 2 und 3). Schreibfehler und stellten zunächst fest, dass
zu niedrigen Anfangspreis zu nennen. Es gibt mehrere intra- und interpersonelle die überwiegende Mehrheit (72,7 %) der so
8 Dieser Überlegung muss man zweierlei Prozesse, die für diesen Effekt verantwortlich angebotenen Artikel gar nicht erst verkauft
erwidern: Zum einen wirken Anker keines- sein dürften: Einer davon ist die Eskalation wurden. Diese Misserfolgsquote ist beinahe

9 wegs immer nur assimilativ. Es gibt auch
Kontrasteffekte als Folge eines Ankers.
von Commitment (  Abschn. 11.4.5). Zeit und
Überlegungen, die in die Auktion investiert
doppelt so groß wie bei korrekter Schreib-
weise (37,2 % unverkauft). Bei den geglückten
Mussweiler und Strack (2000) zeigen, dass wurden, werden als „versunkene Kosten“ in Auktionen hatte die korrekte Schreibweise

10 hohe Anker zwar hohe Schätzungen zur Folge


haben, bestimmte Bewertungen dagegen
die Entscheidung der Bieter mit einbezogen.
Je mehr ein Bieter bereits subjektiv investiert
erwartungsgemäß einen erhöhten Verkehr
und einen erhöhten Endpreis zur Folge.
umso niedriger ausfallen, je höher der Anker hat, desto schwerer fällt es ihm, sich aus der Beides war bei der Auktion mit Schreibfehlern
11 ist. So schätzten Probanden ihren eigenen
zukünftigen Drogenkonsum bei einem
Auktion zurückzuziehen. Die Gewinner einer
Auktion haben stets erheblich mehr Zeit mit
deutlich geringer.
Dies war aber nicht der einzige wichtige Effekt
hohen Anker (Frank Zappa) höher ein als bei der Auktion zugebracht und häufigere Gebote des Schreibfehlers. Da der falsch geschriebene
12 einem niedrigen (Steffi Graf ), womit also das
Schätzurteil einem assimilativen Ankereffekt
abgegeben als die Verlierer. Außerdem ist der
Preis für das Produkt umso höher, je mehr Zeit
Markenname den Verkehr auf der Seite behin-
dert, entfällt auch die oben zitierte Dynamik
unterlag. Die Bewertung des Drogenkonsums und je mehr Gebote der jeweilige Gewinner über versunkene Kosten und Konsensheuristik.
13 wurde dagegen vom Anker kontrastiert; die in die Auktion investiert hat (Ku et al. 2006, Damit gilt nur noch der übliche assimilative
Probanden bewerteten ihren Drogenkonsum Studie 3). Ankereffekt, und das heißt: Wenn die Marke
als deutlich weniger gewohnheitsmäßig, wenn Ein weiterer wichtiger Effekt eines erhöhten Schreibfehler enthält, ist der Endpreis umso
14 Frank Zappa der Anker war. Verkehrs besteht in der Konsensinforma- höher, je höher der Startpreis war.
Wichtiger noch ist aber der Umstand, dass ▶
tion (  Abschn. 10.1.4). Potentielle Bieter Ist der Einstiegspreis von 1 Euro also ein Ge-
eine Auktion eine besondere soziale Situation schätzen ein Produkt, das offenbar viele heimtipp, um auf jeden Fall einen hohen End-
15 ist. Die Menge der Beteiligten ist potentiell andere auch wollen, als wertvoller ein und preis zu erzielen? Keineswegs. Die Empfehlung
sehr groß und prinzipiell offen (anders als in erleben es daher als lohnender, sich ebenfalls gilt nur, wenn man bei der Auktion einen ho-
anderen Verhandlungssituationen). Der Pro- an der Auktion zu beteiligen. Ku et al. (2006, hen Verkehr erwarten darf. Geringen Verkehr
16 zess der Preisfindung zieht sich zudem über Studie 5) präsentierten ihren Probanden muss man dagegen nicht nur dann befürch-
eine längere Zeit, so dass im Laufe der Zeit die eine Auktion für eine Urlaubsreise, bei der ten, wenn man mit der Rechtschreibung auf

17 Anker mehrfach adjustiert werden.


Tatsächlich entwickelt sich der Effekt des
entweder viele oder wenige Bieter zu dem
aktuellen Preis beigetragen haben. Die Pro-
Kriegsfuß steht und den Markennamen falsch
schreibt. Wer zum Beispiel Liebhaberstücke
Einstiegspreises auf den Endpreis über einen banden schätzten den tatsächlichen Wert der verkauft oder eben Dinge, die einen ganz

18 mehrstufigen Prozess, den Ku et al. (2006) in


einer Reihe von Studien illustrieren. Zunächst
Reise bei einem hohen „Traffic“ deutlich höher
ein als bei einem niedrigen (1798 Dollar vs.
besonders seltenen Geschmack voraussetzen,
riskiert wegen des kleinen Interessentenkrei-
stellt ein geringer Einstiegspreis eine beson- 1364 Dollar). ses, dass der preistreibende Verkehr ausbleibt.
19 ders niedrige Hürde dar, sich an der Aktion zu
beteiligen. Die Bieter haben das Gefühl, nicht
Hier findet sich also die Umkehrung des
anfänglichen Ankereffekts auch auf die
Für all diese Fälle gilt nach wie vor die Regel:
Je höher der Einstiegspreis, desto höher der
viel zu riskieren, und zudem erwarten sie, dass Einschätzung des Werts. Ein Produkt mit nied- Endpreis (Ku et al. 2006).
20
haben. Dieser „faire Preis“ liegt praktisch immer unterhalb des Für Referenzpreise kommen also unterschiedliche Quellen
21 jeweils vorliegenden Angebots und unterliegt auch sonst einer in Frage; dies ist eines ihrer wesentlichen Merkmale. Der sub-
Reihe von ökonomischen Urteilsverzerrungen (Bolton et  al. jektive Referenzpunkt, der definiert, was der Konsument als
22 2003), ist aber gleichwohl ein Maßstab der Bewertung. Die Idee Gewinn- oder Verlust ansieht, kann nach der Prospect Theory
von einem „fairen Preis“ würden Mayhew und Winer (1992) ei- (▶ Abschn. 8.3.3) von Person zu Person und von Situation zu Si-
nen internen Referenzpreis nennen. Davon kann man auch ex- tuation variieren.
23 terne Referenzpreise unterscheiden, die eher auf beobachtbaren Das Konzept der Referenzpreise wird noch für einen anderen
Preisinformationen, zum Beispiel den tatsächlichen Preisen auf Gedanken genutzt. Der Nutzen, den Konsumenten aus einem
dem Markt, beruhen. Kauf ziehen, kommt nicht allein aus dem Nutzen des Produkts
20.1  •  Preissensibilität: Wann achten wir überhaupt auf Preise?
391 20

selbst. Thaler (1985) geht davon aus, dass ein Kauf unter zwei hoch
Nutzengesichtspunkten betrachtet wird: Zum einen der Nutzen
des Produkts relativ zu seinem Preis und zum anderen die Diffe-
renz zwischen erwartetem und tatsächlichem Preis. Ersteres ist
der Nutzen des Erwerbs an sich (aquisition utility) und letzteres
der Nutzen der Transaktion (transaction utility). Der Kaufpreis
bestimmt in beiden Fällen, wie groß der Nutzen jeweils ausfällt,

Absatz
wie man an der Formel leicht erkennen kann:

Gesamtnutzen =
(Nutzen des Erwerbs: Nutzen des Produkts  Kaufpreis)
+ (Nutzen der Transaktion: Referenzpreis  Kaufpreis).

Der Referenzpreis wird gebraucht, um die Transaktion selbst


niedrig
zu bewerten. Dieses Konzept kann erklären, warum Menschen
1,20 1,80 2,00 2,40 2,80
manchmal Güter nicht kaufen, die ihnen in einem bestimmten
Moment viel nützen würden. Stellen Sie sich vor, Sie haben mehr Preisschwellen in DM
Durst als normalerweise, wenn Sie sich eine Cola kaufen. Der .. Abb. 20.1  Schwellenpreise für Margarine. (In Anlehnung an Högl 1989,
Durst ist so groß, dass eigentlich ein hoher Preis im Sinne der S. 372, Abb. 2 und 3)
Nutzenmaximierung akzeptabel wäre. Trotzdem kaufen Sie sie
nicht, weil die Transaktion zu unbefriedigend wäre – vielleicht dürfte der Schwellenpreis also 2,40 DM sein. 2,39 DM liegen
weil die Cola gegenüber ihrem Referenzpreis das Vierfache kos- noch darunter, 2,41 DM liegen bereits darüber und würden daher
tet. Wie oben schon angedeutet, können hier auch Überlegungen als teurer betrachtet und weniger akzeptiert werden.
der Fairness eine Rolle spielen, also etwa die Frage, ob Sie es Dieser Gedanke wird in . Abb. 20.1 ausgedrückt. Der Absatz
für gerechtfertigt halten, dass ein Händler in dieser Situation das sinkt bei Verteuerung des Produkts nicht kontinuierlich, son-
Vierfache verlangt. dern stufenweise. Innerhalb der Stufen mag noch eine geringe
In diese Überlegungen fließen auch Vorstellungen darüber Binnenabnahme zu verzeichnen sein; daher laufen die Stufen in
ein, wie die jeweiligen Preise bestimmt werden. Es kann bei- der Abbildung nicht parallel zur Abszisse, sondern sind leicht
spielsweise Budgetrestriktionen geben, die für ein bestimmtes gesenkt gezeichnet. Die Abbildung soll aber verdeutlichen, dass
Gut und für bestimmte Zeiten gelten, etwa für Zigaretten (eher bei der Verteuerung immer wieder subjektive Stufen überschrit-
hohe Restriktionen) oder Ausbildung (eher niedrige Restrikti- ten werden und dass innerhalb dieser Stufen Preisbewegungen
onen). kaum bemerkt werden.1
Generell ergibt sich aus der Überlegung zum Transaktions- Ein ganz ähnliches Bild zeichnen die Ergebnisse von van

-
nutzen, dass
manchmal Güter gekauft werden, einfach weil sie ein sehr
Raaij und van Rijen (2003; zit. n. Kirchler 2011, S. 343). Nie-
derländische Konsumenten würden für eine Zahncreme Preise

- „guter Deal“ sind,


manchmal Güter, die der Person eigentlich nützen würden,
nicht gekauft werden, weil sie kein „guter Deal“ sind.
zwischen 3 Gulden und 3,19 Gulden akzeptieren, ohne dass die
Verkaufszahlen radikal abfallen (die Zustimmung zu den jewei-
ligen Preisen sinkt in diesem Bereich „nur“ von 63 auf 55 %).
Dagegen sinkt die Akzeptanz ab einem Preis von 3,20 Gulden
sofort um zwölf Punkte auf 43 %.
20.1.3 Das Konzept der Preisschwellen Das Konzept der Schwellenpreise legt eine Preisgestaltung
über Neunerpreise nahe (▶ Abschn. 20.3.1). „Wenn Glattpreise
Um den „Referenzpreis“ herum liegt ein gewisser Toleranzbe- in der Regel die Preisschwellen bilden, liegen manche Neu-
reich, innerhalb dessen Preisschwankungen kaum einen Effekt ner-Preise an der Obergrenze einer Preisbeurteilungskategorie
auf die Konsumenten haben (Kalwani und Yim 1992). Im Fol- und werden damit unter Umständen besonders absatzwirksam.
genden betrachten wir ein Beispiel, das noch mit DM-Preisen [...] Profitabel ist es dann für den Händler allemal, mit dem Pro-
arbeitet. Stellen wir uns vor, der angenommene faire Preis für duktpreis dicht an diese Grenze heranzugehen und DM 1,99 und
500  Gramm Margarine liegt bei 2,19  DM. Was passiert nun, nicht etwa DM 1,90 zu verlangen“ (Högl 1989, S. 373 ff.).
wenn dieser Preis überschritten wird? Möglicherweise passiert Die Effekte der Schwellenpreise gelten allerdings nicht un-
bis zu einem Preis von 2,39 DM gar nichts. Die Kaufbereitschaft ter allen Umständen. Sehr viel schwächer dürften sie ausgeprägt
der Konsumenten nimmt nicht nennenswert ab. Erst ab einem sein, wenn der Preis bei dem Kauf wenig beachtet wird. Sehr
Preis von 2,49 DM ist ein Einbruch zu verzeichnen. Dies würde markentreue Kunden kaufen oft auch bei Preissteigerungen. Au-
dafür sprechen, dass die angenommene Obergrenze überschrit-
ten wurde, ab der eine Preiserhöhung wahrgenommen wird. 1 Die Preisschwellen zwischen 1,80 DM und 2,40 DM sind durch die Ergeb-
Diese Obergrenzen oder Schwellenpreise sind als ganze Zahlen nisse von Högl (1989) belegt, die anderen Zahlen in der Graphik sind nicht
und nicht als Neunerpreise repräsentiert. In unserem Beispiel empirisch gestützt.
392 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

ßerdem setzt die Wahrnehmung eines fairen Preises eine gewisse Schwellen liegt der Wertebereich für akzeptable Preise (Kirchler
1 Mindestkenntnis des Produkts voraus. Je weniger sich die Kon- 2011, S. 343 f.).
sumenten mit dem Produkt auskennen, desto diffuser sind die Eine Analogie zur Unterschiedsschwelle bei der Wahrneh-
2 repräsentierten Schwellenpreise. mung findet sich beim Konzept der „relativen Preisschwellen“
Betrachten wir zur Illustration eine Untersuchung der Gesell- (Kirchler 2011, S. 343). Innerhalb der akzeptablen Preise kann
schaft für Konsumforschung (GfK; Högl 1989) zu Margarineprei- es immer wieder kleinere Bereiche geben, bei denen die Kon-
3 sen. In verschiedenen Supermärkten wurde der Preis für Rama sumenten Veränderungen kaum zu bemerken scheinen. Wie
experimentell variiert. Neben dem üblichen Preis von 2,39 DM gesagt, diese Schwellen haben in der Tat eher eine Stufenform
4 wurden vier Experimentalpreise realisiert: 2,19 DM, 2,19 DM als – die entsprechende Funktion läuft an bestimmten Stellen un-
Sonderangebot, 1,99 DM und 1,79 DM. Das Modell unterstellt stetig.
5 eine Preisschwelle bei genau 2 DM. Der Absatz verbesserte sich Allerdings zeigt sich die Wirksamkeit psychophysikalischer
signifikant durch die Unterschreitung der unterstellten Schwelle Gesetze bei einem anderen Aspekt der Preissensibilität, nämlich
von 2  DM. Dagegen gab es kaum eine Verbesserung bei der beim Geldausgeben: Christensen (1989) zeigt in einer Reihe von
6 Senkung von 2,39 DM auf 2,19 DM. Eine weitere Absatzsteige- Untersuchungen, dass die Sensibilität für Ausgaben immer wei-
rung fand – entgegen dem Modell – allerdings von 1,99 DM auf ter abnimmt, je mehr Geld man bereits ausgegeben hat (▶ Ab-
7 1,79 DM statt. Vermutlich liegt also bei 1,80 DM eine weitere schn. 2.1.2).
Preisschwelle. Das ist plausibel, denn die Intervalle unterschied-
licher Kaufattraktivität müssen durchaus nicht gleich groß sein
8 (. Abb. 20.1). 20.1.4 Preisschwankungen und dynamische
Eine weitere Beobachtung betrifft die Markentreue der Kun- Preisanpassung
9 den. Wenn der Glattpreis unterschritten wurde, erhöhte sich
zwar der Anteil der markenuntreuen Kunden. Trotzdem war der Wenn Preise schwanken, spielt es eine große Rolle, wie wir uns
10 Hauptabsatz darauf zurückzuführen, dass die Markentreuen nun diese Schwankungen erklären. Frische Erdbeeren haben über
Hortungskäufe vornahmen. Dieses Ergebnis zeigt, wie wichtig es das Jahr sehr verschiedene Preise. Trotzdem reagieren wir dar-
ist, den Anteil an markentreuen Kunden zu kennen. Wenn der auf verhältnismäßig wenig sensibel, weil wir uns diese Schwan-
11 Preis steigt, werden wenige markentreue, aber viele untreue Kun- kungen leicht mit der jeweiligen Jahreszeit erklären können. Bei
den abspringen und nicht mehr kaufen. Wenn nun das Produkt den Preisschwankungen an der Zapfsäule ist das mitunter an-
12 wesentlich von markentreuen Kunden lebt, dann ist der Verlust ders, jedenfalls fördern die Erklärungen, die uns hier gegeben
von einigen dieser Kunden zu verschmerzen. Wenn das Produkt werden, nicht unbedingt immer unsere Bereitschaft, auch hohe
dagegen nicht gewohnheitsmäßig gekauft wird, also von den un- Preise hinzunehmen.
13 treuen Kunden lebt, dann werden nach einer Anhebung viele Nun können Preise auch aus anderen Gründen schwanken,
Kunden verloren gehen. die psychologisch problematisch sind: Längst ist es zu einer
14 Diese Phänomene zeigen, dass die Preis-Absatz-Funktion gängigen Praxis geworden, dass Preise im selben Online-Shop
nicht stetig verläuft: Entgegen den idealisierenden Vorstellungen innerhalb von relativ kurzer Zeit für unterschiedliche Anfragen
15 der Ökonomie verringert sich der Absatz mit steigendem Preis schwanken (Kölle 2013). Aus Sicht des Internethandels könnte
offenbar stufenförmig. Diese Stufen wiederum hängen mindes- dies vielleicht zu den Dark Patterns (▶ Exkurs 20.2) zählen – auf
tens zum Teil von der Erscheinungsform des Preises ab, etwa ob jeden Fall verletzt es das Gerechtigkeitsempfinden von Konsu-
16 es sich um einen runden oder gebrochenen Preis handelt oder menten erheblich. Konsumenten nehmen es nicht leicht hin,
gar wie viele Silben der Preis hat, wenn er gesprochen wird (Luna wenn der direkte Vergleich anzeigt, dass sie mehr zahlen als zu
17 und Kim 2009). einem anderen Zeitpunkt.
Die oben dargestellte Stufenform entspricht freilich auch ei- Noch problematischer als solche intraindividuellen Schwan-
ner anderen idealisierten Modellvorstellung nicht so ganz, näm- kungen sind aber interindividuelle Unterschiede, bei denen Kon-
18 lich der Vorstellung, dass die Sensibilität für Preise der Sensibi- sumenten bemerken, dass sie mehr bezahlen als ein anderer. Üb-
lität für sinnliche Reize entspricht. Bei der Sinneswahrnehmung lich und noch verhältnismäßig gut akzeptiert sind Sonderpreise
19 unterscheiden wir zwischen absoluten und Unterschiedsschwel- für Senioren, Schüler oder Studierende oder hin wieder eine
len. Dies könnte man bei Preisen ebenso annehmen. Die absolute „Ladie’s night“ (Kölle 2013, S. 82). Wenn aber zum Beispiel Neu-
20 Preisschwelle ist jene Preishöhe, jenseits deren man das Produkt kunden Rabatte enthalten, die man den Bestandskunden nicht
nicht mehr kauft. Allerdings kann es hiervon zwei geben: Ein gewährt, kann dies zur Wahrnehmung von Unfairness führen.
Produkt kann sowohl zu teuer als auch zu billig sein, so dass es Auf Preisungleichheit zwischen Personen reagieren Konsu-
21 nicht gekauft wird. Ein außerordentlich niedriger Preis gilt als menten heftiger, wenn sie einen ausgeprägten Sinn für Macht
Anzeichen für eine geringe Qualität (z. B. O’Shaughnessy 1987, und Status haben. Ein starkes Machmotiv hat man, indem man
22 S. 153; Tellis und Gaeth 1990) oder geringe Vertrauenswürdigkeit chronisch machtmotiviert ist (im Sinne von ▶ Abschn. 5.3.3)
des Verkäufers (Schindler 1994). Die untere Preisschwelle kann oder aber auch situationsbedingt: Jin et al. (2014) induzierten
zum Beispiel wichtig werden, wenn wir uns einen möglichen bei ihren Probanden eine Machtorientierung, indem sie ihnen
23 Fehlkauf in kräftigen Farben ausmalen (Simonson 1992). Unter mehr oder weniger verantwortungsvolle und einflussreiche Auf-
diesen Bedingungen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein gaben und Rollen zuwiesen. In diesem Zustand ist der niedrigere
eher teures Produkt kaufen. Zwischen diesen beiden absoluten Preis, den ein anderer zahlt, eine Bedrohung für den eigenen Sta-
20.2  •  Das Fehlen von Preissensibilität: Wenn wir „gerne“ hohe Preise zahlen
393 20

Exkurs 20.2  Dark Patterns  |       | 


Unter dem Begriff „Dark Patterns“ fasst net. Nutzer offenbaren durch ihr Suchverhal- nicht problematisch erscheinen. Immerhin ist
Brignull (2011) Praktiken des Online-Handels ten Informationen über ihre Interessen und es keineswegs zwingend, dass ein Preis nur
zusammen, die die Möglichkeiten des Inter- oft auch über ihre mutmaßliche Zahlungs- dann „fair“ ist, wenn alle Kunden dasselbe
nets zum Schaden der Verbraucher ausnutzen. fähigkeit, die zur Preisanpassung genutzt bezahlen. Wenn stattdessen jeder Kunde
Einige davon sind relativ unverblümte Betrü- werden können. Zwar wird im Internet nicht das bezahlt, was ihm das Produkt „wert“ ist,
gereien (z. B. Techniken, die es dem Nutzer alles praktiziert, was theoretisch möglich ist, könnte man die dynamische Preisanpassung
unmöglich machen, eine bestimmte Aktion dynamische Preisanpassungen innerhalb von sogar als besonders gerecht ansehen. Diese
regulär zu beenden, sogenannte Road Blocks). sehr kurzer Zeit bei denselben Anbietern sind Argumentation (z. B. Kölle 2013, S. 82) geht
Andere nutzen psychologische Mechanismen aber durchaus üblich. Kölle (2013, S. 15 f.) allerdings von einer Voraussetzung aus, die
zur Täuschung der Verbraucher, etwa wenn dokumentiert bei denselben Anbietern für aus psychologischer Sicht als ein „Aber-
das Feedback anderer Kunden verzerrt wie- dieselbe digitale Kamera über einen Zeitraum glaube“ bezeichnet werden muss, nämlich
dergegeben wird und dadurch Konsumenten, von 30 Tagen Preisschwankungen von über die Annahme, dass die Preisbereitschaft eines
die nach der Konsensheuristik entscheiden 20 Euro (bzw. mehr als 20 % des Preises) (zwi- Konsumenten Ausdruck seiner Präferenz bzw.

(  Abschn. 10.1.4), getäuscht werden. schen den verschiedenen Anbietern lag die seines Bedürfnisses ist.
Zu diesen Dark Patterns zählt wohl auch das Preisspanne bei über 30 Euro). Diese Praxis
individuelle Anpassen von Preisen im Inter- mag aus einer ökonomischen Perspektive

tus, und wird besonders unangenehm erlebt, was eher in einem 20.2.1 Die Preis-Qualitäts-Regel
Verhalten wie etwa Meiden des Geschäfts mündet. Personen mit
einem niedrig ausgeprägten Machtmotiv reagieren dagegen stär- Preise werden von Konsumenten als Zeichen für Produktqualität
ker auf Preisungleichheit, wenn sie mehr bezahlen als zu einem genutzt. Der Effekt ist nicht immer groß, aber nachweisbar (Rao
früheren Zeitpunkt. und Monroe 1989). Die Preis-Qualitäts-Regel freilich erscheint
Wichtig ist allerdings immer, was der direkte Vergleich ergibt. zunächst als eine bloße Heuristik, eine Faustregel, die angewandt
Daher empfehlen Weisstein et al. (2013) Preise mit unterschied- wird, wenn keine besseren Informationen verfügbar sind.
lichen Aktionen zu koppeln (z. B. Dreingaben, Rabatte in Euro Geringes Involvement und mangelnde Expertise sind zwei
oder Prozent). Die Kombination von Preis mit Aktion führe zu Bedingungen, unter denen die Preis-Qualitäts-Regel eher ange-
unterschiedlichem Framing und mache es daher auch unwahr- wandt wird. Weiterhin wird besonders unter folgenden Umstän-
scheinlicher, daß Preise, die mit unterschiedlichen Aktionen ge-
koppelt sind, verglichen würden. So können die Autoren zeigen,
-
den vom Preis auf die Qualität geschlossen:
Die Preise der unterschiedlichen Konkurrenzprodukte
dass Nutzer eines Online-Shops, die den geringeren Preis eines
anderen Nutzers erfuhren, weniger unzufrieden waren, wenn ihr
Preis Teil einer Aktion war. - unterscheiden sich um ähnliche Beträge voneinander.
Die Preise sind üblicherweise stabil und schwanken weder
stark saisonal, noch werden sie häufig im Rahmen von Son-
derangeboten gesenkt (zusammenfassend vgl. Moser 1997b,

20.2 Das Fehlen von Preissensibilität:


Wenn wir „gerne“ hohe Preise zahlen -- S. 15 f.).
Der absolute Preis ist hoch (Monroe und Krishnan 1985).
Das Produkt gehört zu einer „großen“ Marke gehört, die

Im Jahr 1949 wurden im Journal of Marketing Fälle berichtet, in


- viele verschiedene Produkte anbietet (Obermiller 1988).
Die Konsumenten stammen eher aus niedrigeren sozialen
denen eine Steigerung des Preises für ein Produkt auch gleich-
zeitig die Absatzzahlen erhöht hatte (zit. n. Rao, A. R. (2005). The
quality of price as a quality cue. Journal of Marketing Research, - Schichten (Fry und Siller 1970).
Die Konsumenten haben eher ein interdependentes (im
Unterschied zu einem independenten, also unabhängigen)
42, 401-405.). Dies widerspricht selbstverständlich dem ökono-
mischen Prinzip, dass der Absatz mit steigendem Preis sinken
sollte. In den berichteten Fällen wurde der Preis offensichtlich
nicht nur als Kostenfaktor betrachtet, sondern er wurde von den
- Selbstbild (Lalwani und Shavitt 2013).
Es werden Einheiten betrachtet – die Preis-Qualitäts-Regel
bezieht sich normalerweise nicht auf Gesamtpreise, die
mehrere Produkteinheiten umfassen (Yan et al. 2014).
Konsumenten genutzt, um Informationen über das Produkt zu
gewinnen: Mit dem Preis wurde auch ein höherer Wert für das Dass der Rückschluss vom Preis auf die Qualität eine Heuristik
Produkt suggeriert. Dies ist nicht die einzige Situation, in der ist, zeigt eine Experimentreihe von Cronley et al. (2005). Proban-
ein hoher Preis nicht mit geringeren Verkaufszahlen einhergeht. den sollten unterschiedliche Weinmarken bewerten. Neben dem
Ein steigender Preis kann auch als Vorbote für weitere Preis war noch eine Reihe anderer Merkmale bekannt: die geo-
Preissteigerungen angesehen werden und daher zu erhöhtem graphische Herkunft des Weins, die Marke, unter der er vertrie-
Absatz führen. Ein fallender Preis dagegen kann umgekehrt ben wird, die Rebsorte und ein Qualitätsrating, das den Wein auf
als Hinweis auf weiteren Preisverfall gedeutet werden, was die einer Skala von 1 bis 100 einordnete. Die Informationen wurden
Konsumenten zum Abwarten animiert und damit zu sinkendem in der Form präsentiert, wie sie Probanden von einschlägigen
Absatz führt (vgl. auch Kirchler 2011, S. 340). Die folgenden Ab- Internetportalen kannten.
schnitte befassen sich mit Situationen, in denen Konsumenten Untersucht werden sollte der Einfluss unterschiedlicher Vari-
hohe Preise bevorzugen. ablen auf die Anwendung der Preis-Qualitäts-Regel. Die Informa-
394 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

tionsmenge wurde manipuliert, indem einem Teil der Probanden und erreicht ein Maximum für Güter bis 1.000 Euro von r = .53.
1 25 und einem anderen 50  Marken zur Bewertung präsentiert Jenseits der 1.000 Euro sinkt die Korrelation dann wieder auf
wurden. Ein Teil der Probanden wurde unter Zeitdruck gesetzt r = .25 ab. Insgesamt allerdings liegen die mittleren Korrelatio-
2 mit dem Hinweis, dass die Antworten mit vielen anderen zu ei- nen zwischen Preisen und objektiven Qualitätsmerkmalen nur
nem Gesamtwert verrechnet werden; ein anderer Teil sollte ohne zwischen r = .20 und r = .30 und sind damit zwar signifikant, aber
Zeitdruck urteilen, wurde aber darauf hingewiesen, dass den Ant- eher niedrig (Kirchler 2011, S. 356).
3 worten ein großes Gewicht zukommt. Somit variierte das Bedürf- Trotzdem schließen Konsumenten häufig vom Preis auf die
nis, schnell und effizient zu einem Urteil zu kommen („need for Qualität. Allerdings bedeutet das nicht unbedingt, dass sie dem-
4 cognitive closure“ im Sinne von Kruglanski und Webster 1996). nach mit teureren Produkten qualitativ zufriedener sein müssten
Weiterhin wurde das Darbietungsformat variiert. Einem Teil als mit billigen. Die Regel sagt nur, dass bei einem teuren Produkt
5 der Probanden wurden die Marken nach dem Qualitätsrating hohe Qualität erwartet wird. Das kann heißen, dass wir bei der
geordnet präsentiert, während die anderen dieselben Marken Bewertung einen hohen Qualitätsstandard ansetzen. Genügt das
ohne diese Ordnung sahen. Produkt im Gebrauch diesem Standard nicht, dann sind wir mit
6 Es bestand eine geringe positive Korrelation zwischen dem diesem Produkt weniger zufrieden als mit einem billigeren Pro-
Qualitätsrating und dem Preis von r = .27. Dieser Zusammen- dukt von gleicher Qualität (Patrick et al. 2007; Peterson 1970).
7 hang wurde bei den subjektiven Qualitätsschätzungen der Allerdings setzt diese Überlegung voraus, dass das Produk-
Probanden erheblich überschätzt. Im Durchschnitt korrelierte terlebnis für das gleiche Produkt bei unterschiedlichen Preisen
das Qualitätsurteil der Probanden mit dem Preis zu r = .83. Da- auch immer gleich ist. Das ist nicht unbedingt immer der Fall:
8 mit wäre bereits nachgewiesen, dass die Urteiler in der Tat die Die durch den Preis induzierte Qualitätswahrnehmung kann
Preis-Qualitäts-Regel anwenden. auch ein ganz anderes Produkterlebnis nach sich ziehen. Wenn
9 Allerdings ist der Zusammenhang noch enger, wenn die Personen denselben Wein zu unterschiedlichen Preisen verkos-
Informationsmenge und das Bedürfnis nach einem schnellen ten (45 Dollar vs. zu 5 Dollar), bewerten sie ihn nicht nur posi-
10 Urteil hoch sind. Informationsüberlastung oder Zeitdruck lösen tiver, wenn er teurer ist. Sie reagieren auch physisch anders auf
erfahrungsgemäß die Verwendung vereinfachender Entschei- ihn. In einer entsprechenden Untersuchung ließen Plassmann,
dungsstrategien aus; daher zeigt dieser Befund, dass in der Tat H., O'Doherty, J., Shiv, B., & Rangel, A. (2008). Marketing actions
11 die Preis-Qualitäts-Regel als eine Heuristik gelten kann. can modulate neural representations of experienced pleasantness.
Die Preis-Qualitäts-Regel wurde dagegen weniger genutzt, PNAS, 105(3), 1050-1054. ihre Probanden die Weine während
12 wenn die Marken nicht in der Rangfolge ihres Qualitätsratings einer funktionellen Magnetresonanztomographie verkosten.
präsentiert wurden. Dies erklären die Autoren damit, dass Pro- Hierbei zeigten sich bei der Verkostung unter einem hohen im
banden durch die ungeordnete Präsentation gezwungen waren, Unterschied zum geringen Preis deutlich stärkere Aktivitäten im
13 die Qualitäts- und Preisinformationen einzeln zu prüfen. Da- medialen orbitofrotalen Kortex, also jener Gehirnregion, die bei
durch seien ihnen widersprüchliche Fälle, beispielsweise Weine der Erwartung von „Belohnungsreizen“ aktiviert wird. Dies ist
14 von geringem Preis, aber hoher Qualität, eher aufgefallen, und ein indirekter Hinweis darauf, dass der Preis nicht nur die Bewer-
der subjektive Zusammenhang schwächte sich ab. tung, sondern das gesamte Produkterlebnis ändert.
15 Eine weitere Studie von Cronley et al. (2005) zeigt, dass die Preise haben aber noch handgreiflichere Folgen: Shiv et al.
Anwendung der Preis-Qualitäts-Regel auch Verhaltenskonsequen- (2005) gaben ihren Versuchspersonen einen Energy Drink, der
zen hatte. Probanden, die die Regel nutzten, waren in der Folge die geistige Leistungsfähigkeit verbessern sollte. Der Preis des
16 auch bereit, für einen Wein ihrer Wahl höhere Preise zu zahlen. Getränks variierte. Probanden, die das Produkt zu einem re-
Die Experimente von Cronley et al. (2005) wurden im Labor duzierten Preis bekommen hatten, lösten in der Folge weniger
17 durchgeführt, und der moderate Zusammenhang zwischen Preis Puzzles als Probanden, die den regulären Preis gezahlt hatten. Of-
und Qualität wurde künstlich hergestellt. Die Anwendung der fenbar hatte die Erwartung, die durch den Preis induziert wurde,
Preis-Qualitäts-Regel war daher gerechtfertigt, was für die Reali- einen Placeboeffekt auf die Leistung. Freilich bestand dieser Ef-
18 tät außerhalb des Labors keineswegs immer gilt. Als mittlere Kor- fekt nicht so sehr in einer wundersamen Leistungssteigerung,
relation zwischen Preis und objektiver Qualität (z. B. Abschnei- sondern eher in einer weit weniger geheimnisvollen Senkung der
19 den in Produkttests) werden Korrelationen zwischen r = .06 und Leistung. Probanden, die das Getränk zum regulären Preis be-
r = .29 berichtet, wobei sich zum Beispiel im Lebensmittelbereich kommen hatten, waren in ihrer Leistung nur unwesentlich besser
20 sogar gelegentlich negative mittlere Korrelationen finden (Kirch- als eine Kontrollgruppe. Der reduzierte Preis dagegen führte zu
ler 2011, S. 353 f.). Entscheidend ist hier offenbar die Produkt- einer reduzierten Leistung.
kategorie. Für Computer und in der Telekommunikation liegt Weitere objektive Effekte der Preis-Qualitäts-Regel zeigen
21 der Zusammenhang zwischen Preis und objektiver Qualität mit Waber et al. (2008). Sie verabreichten ein Placebo, das sie als ein
einem mittleren r (Spearman’s Rho) von .58 noch recht hoch. Für neues, besonders wirksames Schmerzmittel ausgaben. Einem
22 Nahrungsmittel, Gesundheit oder Kosmetik dagegen besteht kein Teil der Probanden erklärten sie, das Mittel koste 2,50 Dollar
nachweisbarer Zusammenhang (Kirchler 2011, S. 355). pro Pille, dem anderen Teil sagten sie, der Preis sei besonders
Preis und Qualität hängen auch umso enger zusammen, je günstig, nämlich 0,10 Dollar pro Pille. Die Probanden erhielten
23 teurer Produkte werden. Preise von 10 Euro und weniger korre- zur Prüfung der Wirkung Elektroschocks von unterschiedlicher
lieren praktisch überhaupt nicht mit der Qualität des Guts. Die Stärke. Betrachtet wurde die Änderung in der Schmerzreaktion
Korrelation steigt bis 100 Euro auf r = .31, bis 500 Euro auf r = .47 (Ratings) in Abhängigkeit vom Preis des Medikaments. Die
20.2  •  Das Fehlen von Preissensibilität: Wenn wir „gerne“ hohe Preise zahlen
395 20

wahrgenommene Linderung durch das Medikament war deut- In einem anderen Experiment konnten die Probanden zwi-
lich höher in der 2,50-Dollar-Gruppe. schen einem komfortablen und einem weniger komfortablen,
Interessant an den beiden letzten Untersuchungen ist, dass dafür aber umweltbewusst gefertigten Rucksack wählen. Ent-
der Preis jeweils als Sonderangebot kommuniziert wurde. Die Er- scheidend für ihre Wahl war, ob sie in der Öffentlichkeit oder
gebnisse widersprechen einer gängigen Erwartung an die Wahr- zu Hause im Internet einkauften. Das umweltbewusste Produkt
nehmung von Sonderangeboten, nämlich dass sie die Erwartun- wurde vor allem dann gewählt, wenn der Kauf in der Öffentlich-
gen an das Produkt weitgehend konstant lassen und dadurch eine keit stattfand. Erneut zeigte sich dieser Effekt nur bei Probanden,
unverhältnismäßig hohe Qualität für einen geringen Preis ver- bei denen eine Status- und Prestigemotivation voraktiviert war.
sprechen (z. B. Schindler 1994; siehe auch ▶ Abschn. 20.3.2). Die In den beiden genannten Experimenten waren die Produkte
referierten Befunde sprechen eher dafür, dass mit der Reduktion eigentlich gleich teuer, nur der Gegenwert in Form von Luxus
des Preises auch die Erwartung an das Produkt sinkt. und Komfort auf der einen und Umweltfreundlichkeit auf der
Allerdings sind Effekte wie die oben erwähnten eher dann anderen Seite unterschied sich. Es zeigt sich allerdings noch viel
zu erwarten, wenn es keine einfache Methode gibt, unabhängig direkter, dass Menschen in der Tat gerne einen höheren Preis
vom Preis die Qualität des Produkts zu bestimmen (Fennis und zahlen, nämlich in den Fällen, in denen umweltfreundliche Pro-
Stroebe 2010, S. 126). Dies ist bei Wein sicherlich der Fall – zu- dukte billiger sind als weniger umweltfreundliche. Genau dann
mindest für die Mehrheit der Weintrinker. Die Effekte auf Leis- nämlich kaufen statusmotivierte Menschen nicht mehr das
tung und Schmerzwahrnehmung rekapitulieren bekannte Pla- umweltfreundliche Produkt (Griskevicious et al. 2010, Experi-
ceboeffekte auf einer interessanten neuen Ebene. Sie lehren uns ment 3).
mindestens so viel über Leistung und Schmerzen wie über Preise. Grün und umweltbewusst zu konsumieren, ist also mittler-
weile ein Statussymbol geworden. Menschen kaufen umweltscho-

20.2.2 Geltungskonsum und kompetitiver


--
nende Produkte vor allem unter folgenden Bedingungen:
Sie legen Wert auf Status und Prestige.

-
Altruismus Andere nehmen wahr, dass sie das Produkt kaufen.
Das umweltfreundliche Produkt ist hinreichend teuer, so
Der Toyota Prius ist mit seinem unspektakulären Äußeren, klei- dass sie durch den Kauf auch demonstrieren, dass sie „es
nen Kofferraum und eher schwerfälligen Motor nicht unbedingt sich leisten können“.
ein Traumauto und zudem teuer. Trotzdem ist er ein Verkaufs-
schlager. Warum ist das so? Es liegt nahe zu sagen, dass der Prius Vermutlich sind dies nicht die einzigen Gründe, umweltbewusst
einen Hybridm otor besitzt, der elektrischen Strom und Benzin zu konsumieren. Sie werfen aber ein Licht darauf, wie man
effizient verbindet. Für umweltfreundliche Kunden ist dies si- erfolgreich für nachhaltigen Konsum werben kann. Man darf
cherlich ein Grund. Und doch erscheint bei einer Umfrage zu ihn – zumindest für statusbewusste Menschen – nicht zu billig
den fünf wichtigsten Gründen für einen Toyota Prius die Umwel- machen. Zudem zeigt sich in den Ergebnissen, dass nicht jede
teffizienz erst an fünfter Stelle. Die Besitzer dieses Autos erklären Art von Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit auch gleich den
vielmehr, sie hätten den Prius vor allem deshalb, weil er „etwas Status hebt. Altpapier zu sammeln, mit dem Fahrrad zur Arbeit
über sie aussagt“ („makes a statement about me“), und zwar: „It zu kommen oder Strom zu sparen, sind alles keine kostspieligen
shows the world that the owner cares“ (zit. n. Griskevicious et al. Verhaltensweisen. So sinnvoll sie auch sind, sie werden den Status
2010). einer Person wohl nicht heben.
Menschen zahlen also einen Aufpreis – nicht etwa für Luxus Das vorangegangene Beispiel zeigt also eine Art Snobeffekt,
und Komfort, sondern um zu demonstrieren, dass ihnen die Um- bei dem Menschen gerne hohe Preise zahlen, um zu prunken und
welt nicht egal ist. In der Tat zeigt dieses Beispiel eine besondere zu protzen. Griskevicious et al. (2010) bezeichnen die zu Grunde
Spielart eines Prestige- oder Veblen-Effekts. Vor mehr als hun- liegende Motivation als kompetitiven Altruismus, also eine Form
dert Jahren beschrieb der Soziologe Thorstein Veblen ein Kon- des Sorgens um andere, bei der man versucht, der Beste zu sein
summuster, das vor allem darauf ausgerichtet ist zu zeigen, was und sich von den anderen abzuheben.
man sich leisten kann. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Eine ähnliche Art von Geltungskonsum mag dahinterstehen,
demonstrative Verbrauch von kostspieligen Gütern für die sozi- wenn Menschen Güter bevorzugen, die andere nicht haben –
ale Aufwertung genutzt werden kann. Damit zeigt der Veblen-Ef- und hierzu natürlich besonders im oberen Preissegment fündig
fekt eine weitere Konsumvariante, bei der ein hoher Preis eher werden. Interessanterweise kann aber auch die genau gegen-
attraktiv ist und zu verstärktem Konsum führt, indem er nämlich teilige Motivation dazu führen, dass Kunden bereitwillig hohe
als Statussymbol eingesetzt wird. Die Arbeiten von Griskevicious Preise zahlen: Beim Bandwagon-Effekt (▶ Exkurs 10.5) schließen
et al. (2010) zeigen nun, dass auch Umweltschonung und der sich Konsumenten den Entscheidungen anderer Konsumenten
Gebrauch „grüner“ Produkte zum Imponierverhalten gezählt an, zum Beispiel um an einem Vorteil teilzuhaben, der mit der
werden kann. Sie aktivierten bei ihren Probanden eine Status- Option einhergeht, die viele andere zuvor auch schon gewählt
und Prestigemotivation und ließen sie in der Folge zwischen haben. Die erhöhte Nachfrage geht zwar üblicherweise mit ei-
unterschiedlichen Produkten wählen. Probanden mit hohem nem höheren Preis einher – trotzdem kaufen die Konsumenten
Statusmotiv wählten signifikant häufiger die umweltfreundliche, weiterhin.
grüne Version der Produkte, obwohl die herkömmliche Version Luxus und Extravaganz können als positive Anreize für ein
als komfortabler bzw. effektiver beschrieben wurde. bestimmtes Motivsystem fungieren, sie können aber auch die ge-
396 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

nau entgegengesetzte Wirkung haben. Es kommt vor, dass der natürlich in einer noch besseren Situation als die Teilnehmer der
1 Konsument insgesamt durch den Luxus und die Extravaganz, die 5-Dollar-Bedingung. Diese Probanden hätten selbstverständlich
mit einem teuren Produkt verbunden sind, abgeschreckt wird. 5 Dollar oder sogar einen noch niedrigeren Betrag zahlen kön-
2 Eine Konsumentin gab in einem Kaufprotokoll an: „I have a cer- nen. Das taten sie allerdings nicht. Der durchschnittliche Preis
tain resistance to buying jewellery. It always seems a rather frivo- für ein Foto in der „Pay what you want“-Bedingung lag vielmehr
lous, extravagant purchase“ (O’Shaughnessy 1987, S. 152). Sie hat bei 6,43 Dollar. Außerdem kauften signifikant weniger Besucher
3 ein bestimmtes Wertesystem, in dem sich der Kauf von teurem überhaupt ein Foto, nämlich 55 % – im Vergleich zu den 64 % in
Juwelenschmuck unpassend und „frivol“ ausnehmen würde. Der der 5-Dollar-Bedingung. Wie man sehen kann, zahlen Kunden
4 Kauf von übertriebenen Luxusgütern widerspricht ihren Einstel- durchaus gerne einen niedrigen Preis. Allerdings muss dieser
lungen. Signale für Luxus und der Appell an Prestige und Geltung Preis durch den Anbieter legitimiert werden.
5 sind also vermutlich nur für bestimmte Konsumentengruppen Das zweite Experiment zeigt zudem, dass die Strategie „Pay
attraktiv, für andere könnten sie das Gegenteil bewirken. what you want“ auch für den Anbieter sinnvoll ist. Der Ertrag
pro verkauftes Foto ist zwar geringer, dies wird aber vollständig
6 kompensiert durch die deutlich höhere Zahl von Käufern. Da
20.2.3 „Pay what you want“ und Selbstbild ein nicht verkauftes Foto vernichtet werden muss und somit gar
7 keinen Ertrag bringt, sind die Erträge pro gemachtes Foto in der
Wenn Konsumenten den Preis selbst festlegen sollen, den sie für „Pay what you want“- und in der regulären 15-Dollar-Bedingung
ein Gut bezahlen, wählen sie tendenziell eher höhere als niedrige praktisch gleich (3,45 Dollar bzw. 3,50 Dollar). Signifikant nied-
8 Preise (siehe ▶ Exkurs 10.6). Ökonomische Erwägungen spielen riger sind sie nur in der 5-Dollar-Bedingung (mit 3,20 Dollar).
hierbei eine untergeordnete Rolle – ganz im Gegenteil. Entschei- Die treibenden Kräfte hinter den Preisvorstellungen (und
9 dend scheint nämlich zu sein, dass es dem Selbstbild der Konsu- tatsächlichen Zahlungen) sind offenbar nicht die eigenen Nut-
menten widersprechen würde, wenn sie einen Preis nach dem Ei- zenvorstellungen, schon gar nicht Eigeninteresse, sondern nor-
10 gennutz, also nach rein ökonomischen Regeln, festlegen würden. mative Vorstellungen davon, was angemessen ist. Eine wichtige
Dies zeigen Gneezy et al. (2010) in einer Reihe von Experi- Frage hierbei ist freilich, welche Art von Norm wirkt. Zahlen
menten. Im ersten Experiment konnten die Besucher eines Frei- Personen deshalb mehr, weil sie auf ihre Außenwirkung bedacht
11 zeitparks ein Foto von sich kaufen und bezahlen, was ihnen das sind, oder geht es nur darum, welchen Preis sie vor sich selbst
Foto wert war. Das Foto wurde von 8,39 % der Besucher gekauft, rechtfertigen können?
12 und diese bezahlten im Schnitt 0,92 Dollar. In einer weiteren Die Ergebnisse von Gneezy et al. (2010) geben hierauf eine
Bedingung erklärten die Autoren den Besuchern, dass die Hälfte klare Antwort: Soziale Kontrolle (im Sinne von ▶ Abschn. 10.1)
des Erlöses für einen guten Zweck gespendet werde. Die Käufer ist für die Effekte unerheblich. Zum Beispiel machte es in Experi-
13 erhielten also ein Foto und spendeten gleichzeitig etwas, was ment 1 keinen Unterschied, ob ein Display an der Kasse anzeigte,
man als einen zweifachen Nutzen ansehen kann. In diesem Fall welchen Preis die Käufer zahlten. In einem dritten Experiment
14 erhöhte sich der freiwillig festgesetzte Preis auf durchschnittlich nutzten die Autoren die „Pay what you want“-Strategie eines
5,33 Dollar. Allerdings kauften nun nur noch 4,49 % der Besu- Wiener Restaurants, indem sie den Gästen die Gelegenheit zu ei-
15 cher ein Foto. Psychologisch ist dieses Verhalten plausibel. Wenn ner vollkommen anonymen Zahlung gaben. Hierbei erhielten die
der Erlös des Fotos einem guten Zweck zukommt, erscheint den Gäste einen Umschlag mit 20 Euro Wechselgeld. Dies sollte ihnen
Konsumenten ein höherer Preis durchaus angemessen. Den wol- ermöglichen, einen beliebigen Betrag zu zahlen, unabhängig da-
16 len aber wiederum nicht alle zahlen und verzichten lieber auf von, ob sie selbst Kleingeld dabei hatten. Dank diesem Umschlag
den materiellen und ideellen Nutzen (das Foto und das Gefühl, hätten die Gäste sogar weniger als nichts zahlen können. Tat-
17 gespendet zu haben), als einen zu niedrigen Preis zu zahlen. sächlich allerdings bediente sich niemand bei dem Wechselgeld.
Ökonomisch ist diese Überlegung freilich problematisch: Kon- Vielmehr zahlten die Gäste mit dem Umschlag durchschnittlich
sumenten verzichten auf einen Nutzen, den sie unter anderen 5,37 Euro – im Unterschied zu 4,66 Euro in einer „öffentlichen“
18 Umständen durchaus haben wollten (immerhin ist das Interesse Bedingung, in der der Zahlbetrag bekannt wurde. Die 4,66 Euro
an dem Foto in der Kontrollbedingung doppelt so groß wie in der entsprechen gleichzeitig ungefähr der durchschnittlichen Zah-
19 der Guter-Zweck-Bedingung). Sie kommen aber nicht auf den lung in dem Restaurant. Die Anonymität führt also eher zu einer
Gedanken, den Preis, den sie nur für das Foto gezahlt hätten, in Anpassung des Zahlbetrags nach oben und nicht, wie ökono-
20 der Spenden-Bedingung ebenfalls zu zahlen. misch zu erwarten wäre, nach unten.
Das ändert sich, wenn der niedrige Preis ein Sonderange- Das Restaurant-Experiment enthält noch andere interessante
bot ist. In einem zweiten Experiment boten Gneezy et al. (2010) Befunde. Gäste, denen man als Durchschnittspreis anderer Gäste
21 den Teilnehmern einer Sightseeing-Tour das Foto an, das man einen Betrag von 6 Euro nannte, passten ihren eigenen Betrag in
von ihnen zu Beginn der Tour gemacht hatte. Der reguläre Preis öffentlicher wie anonymer Bedingung gleichermaßen an diesen
22 war 15 Dollar. Ein Teil der Probanden konnte das Foto zu ei- Anker an (auf 5,20 Euro bzw. 5,44 Euro).
nem Sonderangebotspreis von 5 Dollar kaufen, ein anderer Teil Befragungsergebnisse zeigten zwei Einflussfaktoren auf, von
konnte bezahlen, was er wollte. Wie zu erwarten war, nutzten die dem Gäste den gezahlten Preis anscheinend abhängig machten:
23 Teilnehmer den günstigen Preis sehr gerne: In der 5-Dollar-Be- Zum einen richteten sie die Preise an dem Wert aus, von dem sie
dingungen kauften 64 % der Teilnehmer ein Foto, für 15 Dollar glaubten, dass der Besitzer des Restaurants ihn erwarten würde.
waren es nur 23 %. Wer zahlen konnte, was er wollte, war objektiv Zum anderen stieg der gezahlte Preis mit dem Alter der Gäste an.
20.2  •  Das Fehlen von Preissensibilität: Wenn wir „gerne“ hohe Preise zahlen
397 20

Exkurs 20.3  Pay what you want mit ein bißchen Nachhilfe: Wie man die Häufigkeit und die Höhe von Spenden gleichzeitig erhöht  |       | 

Wenn wir für einen guten Zweck spenden, müsste ein niedriger Skalenwert zwar die Hinweis auf eine empirische Verteilung zu deu-
legen wir meistens den Betrag selbst fest. Menge der Spender erhöhen, die Höhe der ▶
ten (Schwarz et al. 1985;  Abschn. 22.3.4). Die
Bekanntlich hilft es dabei, wenn der Bittsteller Spenden dagegen eher verringern. De Bruyn potentiellen Spender verstehen also die Skala
ausdrücklich auch kleine Beträge legitimiert und Prokopec (2013) bieten zwei Lösungen an, so, als seien Werte in der Skalenmitte „normal“
(„even a penny will help“), und die tatsächli- die dieses Problem abmildern: oder „durchschnittlich“, und die extremen
chen Spenden übertreffen ja in der Regel den Erstens muß man davon ausgehen, dass die Werte eben jeweils auch im Verbleich zu dem,
akzeptablen Penny um ein Vielfaches (Cialdini potentiellen Spender ohnehin selbst schon was andere spenden, eher niedrig oder eher

und Schroeder 1976;  Abschn. 10.3.2). De einen Ankerwert mitbringen, wenn sie ent- hoch. Eine Spende von 100 Euro würde also
Bruyn und Prokopec (2013) zeigen diesen scheiden, ob und wieviel sie spenden. Dies gilt entweder als unter- oder als überdurchschnitt-
Effekt systematisch für Skalen, auf denen die insbesondere für Personen, die früher schon lich empfunden, je nachdem wie steil die Skala
Spender sich aussuchen können, in welcher gespendet haben: Hier ist der nächstliegende ansteigt. Ein steiler Anstieg lässt demnach
Höhe sie spenden wollen. Je geringer der Ankerwert die Höhe der vorherigen Spende. auch hohe Beträge relativ niedrig aussehen. In
niedrigste Wert auf dieser Skala ist, desto mehr De Bruyn und Prokopec (2013) zeigen nun, dem umfangreichen Feldexperiment von De
Menschen spenden überhaupt. Hier finden wir dass der gewünschte Effekt eines niedrigen Bruyn und Prokopec (2013) fielen in der Tat die
ein erneutes Beispiel für das Prinzip, das auch Einstiegs bereits dann eintritt, wenn man für Spenden bei steil ansteigenden Skalen höher
bei Ebay für Auktionen mit 1-Euro Startgebo- jeden Spender individuell die Skala mit einem aus als für flach verlaufende. Auf die bloße
ten die höchsten Preise hervorruft: Eine nied- Betrag beginnen lässt, der etwas niedriger ist Bereitschaft zum Spenden hat die Steilheit der
rige Hürde beim Einstieg sorgt dafür, dass viele als die letzte Spende. Die Skala sollte also z. B. Skala keinen Einfluß, die hing nur von der Höhe

Menschen mitmachen (siehe  Exkurs 20.1). bei 15 Euro beginnen, wenn der Spender zuvor des äußersten linken Wertes der Skala ab.
Diese niedrige Hürde ist auch deshalb sinnvoll, 20 Euro gespendet hat. Sie kann dagegen bei Diese Effekte waren übrigens um so stärker, je
weil Menschen beim Prinzip „Pay what you 50 Euro beginnen, wenn der Spendenbetrag seltener Personen spenden. Wer sehr häufig
want“ lieber gar nichts geben als zu wenig zuvor bei 80 Euro lag. Der positive Effekt auf die spendet, hat vermutlich längst eigene Kriterien
(Gneezy et al. 2010, siehe oben). Wenn aber Spendenbereitschaft wäre in beidem Fall ähn- für die Frage, ob und wie viel sie oder er gibt.
die Spendenskala mit einem niedrigen Wert lich – der Anker allerdings läge zwar so niedrig Die Einflußgrößen auf die Bereitschaft zum
beginnt, wird dieser dadurch natürlich auch wie nötig, aber auch so hoch wie möglich. Spenden und auf die Spendenbeträge sind
als akzeptabel legitimiert und der Spender Zweitens nun hängt die Höhe der Spende eigentlich gut untersucht, gleichwohl sind
hat keine Probleme mehr damit, weniger zu nicht nur vom äußersten linken Wert der Skala die Ergebnisse widersprüchlich (für einen
geben als er selbst vielleicht für angemessen ab, sondern auch davon, wie steil die Werte Überblick siehe De Bruyn und Prokopec 2013).
gehalten hätte. auf der Skala ansteigen. Bei einem steilen Ein Schlüssel zur Auflösung diese Widersprü-
Ein niedriger Wert am äußersten linken Ende Anstieg (z. B. 50, 100, 150, 200 Euro) liegt der che liegt eben in dem Ansatz, die individu-
der Skala sorgt also für eine hohe Spendenbe- Mittelwert der Skalenpunkte natürlich deutlich ellen Erfahrungen und Anker der Urteiler zu
teiligung. Sorgt er aber auch für hohe Erträge? höher als einem flachen Anstieg (z. B. 50, 75, berücksichtigen. So empfehlen De Bruyn und
Dagegen spricht der übliche Ankereffekt, der 100, 125 Euro). Hier kommt nun eine weitere Prokopec (2013) das bisherige Spendenver-
hier – anders als bei Online-Auktionen – keine Besonderheit zum Tragen, die aus der Psycho- halten der Adressaten – soweit bekannt – zu
soziale Dynamik auslöst, die dann ihrerseits logie standardisierter Befragungen bekannt ist: berücksichtigen und Spendenaufrufe zu
die gezahlten Beträge in die Höhe treibt. Somit Urteiler neigen dazu, eine Skalenvorgabe als individualisieren.

Die Experimente zeigen, dass unsere Zahlungsbereitschaft 20.2.4 Geschenke


nicht (ausschließlich) von egoistischen bzw. materiellen Interessen
geleitet ist, sondern ganz wesentlich von internalisierten sozialen Aus ökonomischer Sicht sind Geschenke ein hochproblemati-
Normen (siehe ▶ Exkurs 20.3) abhängt. Diese Normen wiederum sches Wirtschaftsgut. Da ja meistens der Schenkende und nicht
befolgen wir, nicht weil wir damit unser Image nach außen pfle- der Beschenkte die Wahl trifft, liegt auch der subjektive Nutzen
gen, sondern wegen unseres Selbstbilds. Gneezy et al. (2010) be- des Geschenks meist unter dem, den ein selbst gewähltes Gut
tonen diesen Punkt mit einem besonderen Argument: Wirklich erbracht hätte. Hinzu kommt, dass Menschen für ein Geschenk
altruistisch ist man nur im Verborgenen (wenn also gleichsam die oft Preise zahlen, die sie nicht akzeptieren würden, wenn es nicht
rechte Hand nicht weiß, was die linke tut, Mt 6, 3). Wenn ein groß- um ein Geschenk ginge (Flynn und Adams 2009).
zügiger Betrag öffentlich wird, kann die Person daher ihr Handeln Hinter dieser erstaunlich hohen Zahlungsbereitschaft steht
schlechter als ein Argument für ihre eigene Moralität ansehen, als ein verständliches und gut begründetes Motiv. Das Geschenk
wenn der Betrag anonym ist. Wohlgemerkt: Es geht nur darum, soll dem Beschenkten vermitteln, dass man ihn wertschätzt.
was die Person von sich selbst denkt, nicht was andere denken! Dies soll sich dadurch ausdrücken, dass man es sich mit dem
Dies kann erklären, warum Personen sogar weniger zahlen, wenn Geschenk nicht leicht gemacht und viel investiert hat. In der Tat
ihr Zahlbetrag öffentlich bekannt wird (Experiment 3). zeigt sich auch, dass der positive Effekt eines Geschenks praktisch
Eine alternative Erklärung geht von dem Befund aus, dass ausschließlich darauf zurückgeht, dass der Beschenkte glaubt,
Menschen tendenziell davon ausgehen, andere seien egoistischer der Schenkende habe sich um dieses Geschenk auch Gedanken
und materialistischer als sie selbst und die Orientierung am Ei- gemacht (Flynn und Adams 2009, Study 3). Wo dieser Eindruck
gennutz sei eine deskriptive und präskriptive Norm (Miller 1999; fehlt, hat ein Geschenk keinen Effekt auf das Gefühl der Wert-
Felser 2003; siehe auch ▶ Abschn. 20.2.4). Unter diesen Umstän- schätzung.
den genügen sie nur dieser Norm, wenn sie in der öffentlichen Das Problem besteht nun aber darin, dass es eben nicht der
Bedingung tendenziell weniger bezahlen als in der anonymen (in Preis ist, der für den Beschenkten anzeigt, dass der andere sich
der ihr normwidriges Verhalten ja nicht bekannt wird). Gedanken gemacht hat. Diese Wahrnehmung geht meist auf an-
398 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

dere Eigenschaften des Geschenks zurück. Ob Sie sich über ein Preis nicht als Zeichen für etwas, sondern eher als einen zusätz-
1 Geschenk freuen oder nicht, hängt praktisch überhaupt nicht mit lichen Vorzug oder Nachteil dieses Kaufs (Tybout und Artz 1994,
dem Preis zusammen. Die Geschenke, über die Sie sich freuen S. 152 ff.).
2 – oder auch nicht –, können teuer oder billig sein. Der Preis ist Das Marketing der letzten Jahre hat in vielen Produktspar-
völlig irrelevant. Flynn und Adams (2009) zeigen dies in meh- ten extrem darauf gesetzt, den Eindruck von Preisgünstigkeit zu
reren Studien. vermitteln. Zum Teil hat dies zu ruinösen Preiskämpfen geführt
3 Als besonders interessant stellt sich heraus, dass Schenkende (z. B. bei dem Baumarkt Praktiker). In anderen Fällen leben Un-
und Beschenkte – im Experiment wie im richtigen Leben – die ternehmen über Jahre gut mit einem eigentlich ungerechtfertigten
4 Rollen tauschen können, ohne dass sich an der Regel etwas än- Niedrig-Preis-Image (z. B. Media-Markt; Kröger 2005). Die fol-
dert: Dieselben Personen wählen als Schenkende möglichst hohe genden Ausführungen beschäftigen sich nun mit der Frage, wie
5 Preise und bewerten als Empfänger ihre Geschenke unabhängig Konsumenten zu dem Gefühl kommen, dass ein Preis günstig ist.
vom Preis.
Der Fehler beim Geschenkekauf ist also nicht – wie viele an-
6 dere Fehler in der interpersonellen Wahrnehmung – damit zu er- 20.3.1 Effekte der letzten Ziffer
klären, dass Menschen sich nur schlecht in andere hineinversetzen
7 können. Was sonst in diesen Fällen zu Fehlern führt, nämlich die Tatsächliche Preise enden überzufällig häufig auf die Ziffern 0,
Neigung, die eigenen Werte, Wünsche und Gedanken einfach in 5 und vor allem 9. Als in Europa der Euro eingeführt wurde,
den anderen hineinzuprojizieren, würde in diesem Fall genau zum änderte sich die Verteilung der Ziffern auf die Preise kurzfristig,
8 richtigen Ergebnis führen. Schuld daran ist vermutlich eine Fehl- aber schon nach einem Jahr tendierte die Verteilung der tatsäch-
wahrnehmung, die auch in anderen ökonomischen Kontexten zu lichen Preise zu der Verzerrung zu Gunsten der Ziffern 0, 5 und
9 beobachten ist: Menschen halten tendenziell alle anderen für ma- 9, wobei die stärkste Abweichung von der Zufallshäufigkeit bei
terialistischer als sich selbst (vgl. auch Felser 2003; Miller 1999). der 9 zu beobachten war (El Sehity et al. 2005).
10 Mit anderen Worten: „Mag sein, dass ich mich über ein Geschenk Die Veränderung der Preise zu Neunerpreisen wurde in ers-
unabhängig von dessen Preis freue. Aber bei den anderen darf ich ter Linie von den Händlern getragen. Wenn sich der Preis hin
das nicht erwarten, die schauen halt mehr auf den Preis als ich.“ zu einem Neunerpreis änderte, handelte es sich entweder um
11 Diese Wahrnehmungsverzerrung führt nicht nur dazu, dass eine Preissenkung oder eine geringere Preiserhöhung, die sich
wir beim Geschenkekauf oft auf das falsche Pferd setzen. Sie fes- ergab, wenn bei der Steigerung nicht ein Neunerpreis resultierte
12 tigt auch die Illusion, dass sich Menschen nach dem Modell des (El Sehity et al. 2005). Auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer
Homo oeconomicus verhalten. im Januar 2007 hat nicht das Ende der Neunerpreise gebracht.
Damals wurden aus 16 % Umsatzsteuer 19 %. Ein Preis von € 1,99
13 hätte um mindestens fünf Cent angehoben werden müssen, wenn
20.3 Motivationale Aspekte die Erhöhung der Mehrwertsteuer über den Preis an den Kunden
14 der Preiswahrnehmung: Der Wunsch hätte weitergegeben werden sollen.
zu sparen Offenbar wird auch dann die letzte Ziffer eines Preises so
15 gewählt, dass der Preis unterhalb eines bestimmten runden Werts
Die Qualität eines Produkts liegt oft in kleinen Details der Pro- fällt, wenn dies für den Händler eigentlich einen Nachteil, also
dukteigenschaften verborgen. Der Preis dagegen springt sofort eine nicht realisierte Preissteigerung bedeutet. Die Hoffnung da-
16 ins Auge. Daher liegt es nahe, den Preis als offenkundige Infor- hinter ist, dass Preise in dieser Form als besonders günstig erlebt
mation zur Bewertung des Produkts heranzuziehen und vom werden. Doch wie genau soll diese Wahrnehmung aussehen, und
17 Preis auf die Qualität zu schließen. Dies ist aber nur eine von wie plausibel ist die Erwartung einer solchen Wahrnehmung
zwei möglichen Rollen, die der Preis in der Kaufentscheidung überhaupt? Schindler (1994) diskutiert drei mögliche Prozesse,
spielen kann. Ein niedriger Preis kann genauso gut als ein be- die zur positiveren Bewertung von Neunerpreisen beitragen.
18 sonderer Beitrag zum Nutzen der Transaktion angesehen werden
(▶ Abschn. 20.1.2). Insofern haben Preise zwei unterschiedliche Unterschätzung und Drop-off-Effekte
19 Funktionen: eine Informations- und eine Nutzenfunktion. Wel- Ein erster naheliegender Effekt wäre, dass Konsumenten Neuner-
che Rolle der Preis spielt, hängt unter anderem von Produktex- preise regelrecht unterschätzen. Wenn dies das wirksame Prinzip
20 pertise und Involvement ab. wäre, dann nähmen die Konsumenten einen Preis von 49,99 Euro
Kennen wir uns mit den Qualitätsmerkmalen des Produkts als „ungefähr 40 Euro“ oder „40 Euro und ein bisschen Klein-
nicht besonders gut aus und haben auch keine präzisen Vorstel- geld“ wahr. Eine solche Verschätzung würde zwar für jede andere
21 lungen von einem fairen Preis, dann können wir den Preis als letzte Ziffer ebenso gelten, hätte aber bei einer Neun ihre größte
eine Zusammenfassung der unbekannten Produkteigenschaften Wirkung. Allerdings zeigen sich in den Erinnerungen von Kon-
22 betrachten. In diesen Fällen dient also der Preis dazu, bestimmte sumenten an Neunerpreise keine systematischen Verzerrungen
Heuristiken zu den Produkteigenschaften anzustoßen (▶ Ab- nach unten (Schindler 1994, S. 253 f.; Schindler und Kibarian
schn. 20.2.1). Ist unser Involvement dagegen hoch oder haben 1996; Schindler und Wiman 1989).
23 wir bereits eine präzise Vorstellung von den Qualitätsmerkmalen Möglich ist allerdings, dass unser erster Eindruck zwar ver-
des Produkts, dann geht der Preis als zusätzliche Eigenschaft in zerrt ist, dann aber korrigiert wird. Diese Korrektur zeigt sich da-
die Entscheidung mit ein. Wir betrachten in diesen Fällen den rin, dass im Gedächtnistest keine systematische Verzerrung mehr
20.3  •  Motivationale Aspekte der Preiswahrnehmung: Der Wunsch zu sparen
399 20

vorkommt. Zum Beispiel zeigt sich im Perseveranz-Paradigma aber der Erfolg der 88er-Version der gleiche wie bei den runden
(Ross et al. 1975), dass erste Eindrücke wirksam bleiben, auch 00er-Preisen. Die Differenz von 12 Cent hatte also keinen Effekt,
wenn sie nachträglich korrigiert wurden. Insbesondere auf af- es kam auf die Erscheinungsform eines 99er-Preises an. Dieser
fektives und bewertendes Verhalten wirken erste Eindrücke auch Effekt lässt sich mit einer bloßen Unterschätzung des Preises
dann noch nach, wenn sie bereits als (logisch) falsch erkannt nicht erklären, denn die hätte ja in der 88er-Version mindestens
wurden (Sherman und Kim 2002; siehe auch ▶ Abschn. 15.2.3). so groß sein müssen wie in der 99er-Version.
Bizer und Schindler (2005) baten ihre Probanden zu schät- In einer Nachbefragung zu dem Katalog-Experiment deutete
zen, wie viele Produkte sie für einen Betrag von 73 Dollar kaufen sich an, welche Bedeutung aufgrund der 99er-Preise eher zuge-
könnten. Der Preis der Produkte variierte, wobei aber immer der schrieben werden: Konsumentinnen erwarteten bei 99er-Prei-
Vergleich zwischen einem Neunerpreis (z. B. 1,99 Dollar) und dem sen eher, dass der Preis der niedrigste verfügbare Preis ist, dass
benachbarten runden Preis (z. B. 2,00 Dollar) von Interesse war. er in letzter Zeit nicht angehoben wurde oder dass es sich um
Von 73 Dollar kann man genau berechnet 24,4 Produkte zum ein Sonderangebot handelte. Allerdings wurde Produkten mit
Preis von 2,99 Dollar bzw. 3,00 Dollar kaufen. Probanden schätz- 99er-Preisen mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine überdurch-
ten die mögliche Menge der Produkte auf 25,2, wenn der Preis schnittliche Qualität zugeschrieben (vgl. auch Schindler und Ki-
auf 99 endete, und auf 23,9, wenn er auf 00 endete. Differenzen barian 2001, mit einer Replikation der Befunde).
wie diese zeigten sich bei allen untersuchten Preisniveaus. Für den Bedeutungs- oder Imageeffekt ist nicht die nume-
In einer weiteren Analyse betrachteten Bizer und Schindler rische Verringerung des Preises relevant, sondern die implizite
(2005) speziell diejenigen Rechenfehler, die sich durch das Ig- Botschaft einer Niedrigpreispolitik. Daher sind auch 95er-Preise
norieren der letzten Ziffer ergeben, sogenannte Drop-off-Fehler. nicht äquivalent zu 99er-Preisen, denn nur die letzteren kom-
Wenn man nämlich von 2,99 Dollar die letzten Ziffern ignoriert, munizieren das angestrebte Niedrigpreisimage (Schindler 2006).
ergeben sich 2,90 Dollar oder gar 2,00 Dollar. Davon kann man Diese Überlegungen sprechen eher dafür, dass wir alle wohl
aus dem Budget von 73 Dollar bis zu 37 Produkte kaufen. Wenn dazu sozialisiert wurden, Neunerpreise mit Preisgünstigkeit zu
man nun die Schätzungen von 24 und 25 Stück als korrekt an- assoziieren. Dies legen auch andere Beobachtungen nahe. So
sieht (genau berechnet waren es ja 24,4), dann sind Schätzungen besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Endung eines
zwischen 26 und 37 Stück als Drop-off-Fehler anzusehen – alle
anderen Schätzungen würden auf anderen Fehlern beruhen. In
--
Preises auf 9 und weiteren Niedrigpreishinweisen, zum Beispiel:
Nennung eines Referenzpreises,
der Tat sind Drop-off-Fehler im Fall von 99er-Endungen fast
doppelt so häufig wie im Fall von Endungen auf 00.
Die Studie von Bizer und Schindler (2005) zeigt demnach,
dass es in der Tat eine Tendenz gibt, letzte Ziffern von Preisen zu
- Nennung einer Ersparnis (z. B. 30 % Rabatt),
Nennung von Begriffen, die auf Ersparnis hindeuten (z. B.
Schlussverkauf, Ausverkauf, Preis reduziert).

ignorieren. Allerdings gibt es zwei wichtige Einschränkungen: Produkte oder Geschäfte mit Neunerpreisen geben deutlich häu-
Zum einen waren die Schätzungen der Probanden mehrheitlich figer als andere solche zusätzlichen Hinweise auf Preisgünstigkeit
eher korrekt (62,2 % bei Endung auf 00 und 55,9 % bei Endung (Schindler 2006) – übrigens ohne dabei tatsächlich nennenswert
auf 99). Zum anderen verringerten sich die Fehler noch weiter, günstiger zu sein: Vergleicht man konkurrierende Preise für das
wenn Probanden instruiert wurden, genau zu rechnen. gleiche Produkt sind Neunerpreise im Schnitt sogar eher die teu-
Zudem geht das Ignorieren der letzten Ziffer nicht so weit, reren (Schindler 2006).
dass Konsumenten Neunerpreise in der Erinnerung systematisch
nach unten verzerren (Schindler und Kibarian 1996; Schindler Aufmerksamkeits- und Gedächtniseffekt
und Wiman 1989). Es kommt also vor, dass letzte Ziffern igno- Einen dritten Mechanismus zur Wirkung von Neunerpreisen
riert werden, es ist aber vermutlich ein eher schwacher Effekt und diskutiert Schindler (1994) als eine Art Aufmerksamkeits- und
lässt sich offenbar bei entsprechender Motivation sogar weitge- Gedächtniseffekt. Diese Überlegung geht davon aus, dass die Auf-
hend neutralisieren. Neunerpreise wirken vermutlich zusätzlich merksamkeit auf die einzelnen Stellen eines Preises nach rechts
auf anderen Wegen. immer weiter nachlässt. Die linke Ziffer eines Preises ist stets die
wichtigste, denn sie bezeichnet die höchste am Preis beteiligte
Bedeutungseffekt Einheit. Daher sollte diese Ziffer eine höhere Aufmerksamkeit
Evidenz findet sich für einen Bedeutungseffekt (meaning effect; erhalten und besser erinnert werden als die folgenden rechten
Schindler 1994, S. 255 f.; Schindler 2006). Danach kommuni- Ziffern. Schindler und Wiman (1989) fanden in der Tat, dass
ziert ein Neunerpreis gleichsam per Konvention, dass er der Neunerpreise in der Erinnerung unterschätzt wurden; dies galt
kleinste mögliche Preis ist oder dass er von einem höheren Preis allerdings nur für solche Preise, bei denen die Neunerversion
reduziert wurde. Erste Belege für eine besondere Bedeutung der eine Änderung in der äußersten linken Ziffer bedeutete.
Neu­nerpreise liefert ein Feldexperiment von Schindler und Ki- Schindler (1994, S. 257; vgl. auch Bizer und Schindler 2005)
barian (1992; zit. n. Schindler 1994). Die Autoren verschickten erklärt diesen Befund damit, dass wir die rechten Ziffern, wenn
drei unterschiedliche Versionen des gleichen Warenhauskatalogs: wir sie nicht erinnern, rekonstruieren. Wenn nun ein tatsächli-
Einer enthielt nur Preisendungen auf 00, ein zweiter Endungen cher Preis von 249,99 Dollar falsch rekonstruiert wird, kommen
auf 99 und ein dritter auf 88. In der 99er-Version wurden um für den Irrtum Werte zwischen 299,99 Dollar und 200,00 Dollar
10 % höhere Dollarerträge in Form von Warenbestellungen er- in Frage – es besteht das Risiko einer Überschätzung. Wenn da-
wirtschaftet als in der 00er-Version. Überraschenderweise war gegen der tatsächliche Preis 299,99 Dollar lautete, ist jeder Preis,
400 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

hoch Verteilungen ab. So steigt der subjektive Abstand von 3,99 Euro


1 zu 4,60 Euro, wenn als weiterer Referenzpunkt der Preis von
Kaufwahrscheinlichkeit

4,20 Euro ins Spiel kommt, denn in der Verteilung dieser drei


2 Werte erscheinen die beiden am weitesten auseinanderliegenden
Werte noch extremer. Umgekehrt verringert sich der subjektive
Abstand von 5,00 Euro zu 9,20 Euro, wenn zusätzlich der Betrag
3 9,50 Euro beurteilt wird, denn nun ist der vormals höchste Preis
kein Extremwert mehr.
4 Nach der aktuellen Befundlage spricht also viel dafür, die
niedrig Ursache für die Effekte der letzten Ziffer in Bedeutungseffekten
5 niedrig
Höhe des Preisnachlasses
hoch und allgemeinen Verzerrungen bei der Wahrnehmung von Zah-
len zu sehen. Neunerpreise sind besonders dann zu empfehlen,
wenn die Konsumenten einen niedrigen Preis gegenüber hoher
6 .. Abb. 20.2  Der  Zusammenhang zwischen der Kaufneigung und der Größe
eines Preisnachlasses ist S-förmig (Gupta und Cooper 1992). Die Kaufneigung Qualität bevorzugen und wenn der volle Preis gegenüber dem
steigt nicht sofort bei der geringsten Ersparnis und erreicht außerdem einen Neunerpreis eine höhere linke Ziffer hat.
7 Punkt der Sättigung

der falsch rekonstruiert wird, auf jeden Fall geringer als der tat- 20.3.2 Sonderangebote
8 sächliche, was dann im Schnitt dazu führt, dass ein solcher Preis
unterschätzt wird. Niedrige Preise sind besonders attraktiv, wenn sie zudem als Son-
9 Dies belegen Thomas und Morwitz (2005) in einem Experi- derangebote erlebt werden. Per Faustregel kann man sagen, dass
ment, in dem die Probanden die Preise von Kugelschreibern da- die Kaufmotivation mit der angekündigten Ersparnis ansteigt.
10 nach zu bewerten hatten, ob sie den Preis als eher hoch oder eher Allerdings gibt es hier zwei Einschränkungen zu bedenken: Zum
niedrig ansehen. Der Unterschied von 2,99 Dollar zu 3,00 Dollar einen steigt die Kaufneigung nicht unbedingt sofort, wenn nur ein
hatte einen deutlichen Sprung im subjektiven Preiserleben zur geringer Betrag gespart wird. Dies ist eigentlich nur bei Marken-
11 Folge, der Unterschied von 3,59 Dollar zu 3,60 Dollar nicht. artikeln so. Wenn Handelsmarken im Sonderangebot sind, muss
Allerdings ist der Effekt auf Situationen beschränkt, in denen die Ersparnis schon etwas größer sein, damit sie auf die Kaufnei-
12 Preise analytisch wahrgenommen werden. Sobald die holistische gung wirkt. Zum anderen kommt es auch zu einer Sättigung: Jen-
Wahrnehmung einsetzt (▶ Abschn. 19.1), verringern sich die Ef- seits eines bestimmten Betrags erhöht eine weitere Reduktion des
fekte von Neunerpreisen. Die holistische Zahlwahrnehmung Preises die Kaufneigung nicht mehr. Daher beschreiben Gupta
13 wird bevorzugt, sobald die Beurteilung von Größen einfach ist. und Cooper (1992) den Zusammenhang zwischen behaupteter
Dies ist der Fall, wenn Zahlenwerte weit auseinanderliegen. Um- Ersparnis und Kaufneigung als S-förmig (. Abb. 20.2).
14 gekehrt fällt es uns schwerer, den Unterschied zwischen Zahlen Für Händler sind Sonderangebote deshalb attraktiv, weil sie
zu beurteilen, die nahe beieinander liegen. So brauchen wir etwa hoffen, dass bei einem Sonderangebot der interne Referenzpreis
15 bei der Frage, ob eine bestimmte Zahl größer oder kleiner ist als stabil bleibt, wohingegen andere Billigangebote oft den Refe-
55, länger, wenn diese Zahl aus dem Raum um 40 bis 70 kommt. renzpreis mit ändern. Um den Effekt eines Sonderangebots zu
Zahlen von 10 bis 40 oder von 70 bis 100 können wir deutlich erzielen, empfiehlt es sich, in der Werbung auf den Referenzpreis
16 schneller beurteilen. hinzuweisen (z. B. „€ 4,99 statt  € 6,99“ oder „um 20 % redu-
Was bedeutet das für Neunerpreise? Stellen wir uns vor, der ziert“). Weniger effektiv ist demgegenüber eine Werbung, die
17 Preis eines Konkurrenzprodukts liegt bei 5 Euro. Ich kann mein keine Rückschlüsse auf den Referenzpreis zulässt, etwa „Ange-
Produkt für 4 Euro verkaufen. Lohnt es sich, diesen Preis noch bot!“ oder „Hier können Sie sparen!“ (Schindler 1994).
einmal auf 3,99 Euro zu reduzieren? Ja, denn mein Preis liegt noch DelVecchio et al. (2007) zeigen, dass es vorteilhafter ist, nur
18 relativ nahe am Referenzpreis, die Preise werden analytisch verar- den teureren Ausgangspreis explizit zu nennen, die Ersparnis
beitet, und die äußerste linke Ziffer wird relativ stark beachtet. Es dagegen nur in Prozent anzugeben. Wenn der Kunde nur den
19 macht also einen Unterschied, wenn dort eine 4 statt  einer 3 steht . teuren Preis in Euro und Cent wahrnimmt, ist dieser der ein-
Wenn der Referenzpreis dagegen bei 10 Euro liegt, dann sieht zige, den er sich als Referenzpreis merken kann. Wenn auch der
20 der Kunde sofort, dass dieser Wert wesentlich höher ist als die reduzierte Preis explizit ausgewiesen wird, besteht dagegen das
4,00 Euro, die ich verlange. Dieser Eindruck bessert sich nicht Risiko, dass dieser zum Referenzpreis wird.
mehr, wenn ich meinen Preis auf 3,99 Euro senke. Dies zeigen Stellen Sie sich vor, Sie finden einen Fernseher für 649 Euro.
21 Thomas und Morwitz (2005) in mehreren Experimenten. Der Dieses Angebot ist eigens inseriert worden. Das Inserat war
Neunerpreis bringt keinen Vorteil gegenüber dem runden Preis, hinsichtlich des Referenzpreises entweder hochinformativ (z. B.
22 wenn er mit einem erheblich größeren oder erheblich kleineren „unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers € 839“), oder
Referenzpreis verglichen wird. man konnte über den unterstellten Referenzpreis nichts erfahren
Was in diesem Zusammenhang „erheblich“ bedeutet, ist (z. B. „Angebot!“). Wenn Sie nun schätzen sollen, wie teuer der
23 ebenfalls eher eine psychologische als eine numerische Frage Fernseher denn wäre, wenn er nicht inseriert wird, dann schätzen
(Thomas und Morwitz 2005). Subjektive Distanzen hängen im- Sie unter der informativen Bedingung einen deutlich höheren
mer von Referenzpunkten und darauf aufbauenden subjektiven Preis als unter der nichtinformativen Bedingung (Beispiel nach
20.3  •  Motivationale Aspekte der Preiswahrnehmung: Der Wunsch zu sparen
401 20

Schindler 1994, S. 259). Wenn keine detaillierten Informationen renzpreis nennt, auch eine Ersparnis unterstellen, die sogar
zu der Ersparnis gegeben werden, neigen wir offenbar dazu, diese durchschnittlich zwischen 10 und 12 % liegt, ist es allemal
Ersparnis als verhältnismäßig gering einzuschätzen.
Ogilvy (1984, S. 84) meint daher: „Die meisten Texter glauben,
Preisnachlässe und Sonderangebote seien langweilig. Die Verbrau-
cher sind da aber ganz anderer Meinung. Dementsprechend kann
- besser, sich auf diese Faustregel zu verlassen.
Sehr große Preisdifferenzen von über 50 % sind erfahrungs-
gemäß überhaupt nicht effektiv, da sie als unglaubwürdig
erlebt werden (Schindler 1994, S. 261 f.).
man damit auch überdurchschnittlich hohe Aufmerksamkeit er-
zielen. Versuchen Sie möglichst stets den Preis Ihres Produktes Manche Sonderangebote werden mit sehr dehnbaren Behaup-
anzugeben. [...] Wird der Preis des angebotenen Produkts nicht tungen beworben (z. B. „bis zu 50 % reduziert“ oder „Rabatt auf
genannt, blättern viele Leser einfach weiter.“ Konsumenten neigen ausgewählte Artikel“). Ob diese Form der Preiskommunikation
sogar dazu, ein Produkt, dessen Preis nicht frühzeitig ersichtlich effektiv ist, hängt unter anderem davon ab, wie groß der Anteil
ist, abzuwerten und in der Folge nur noch verhältnismäßig geringe der Ware ist, die zu einem Angebotspreis verkauft wird. Ist der
Preise als angemessen zu akzeptieren (Rao und Sieben 1992). Anteil gering, erwarten Konsumenten, dass sie ein gutes Geschäft
Dies bedeutet allerdings nicht, dass man grundsätzlich die machen werden, wenn sie Produkte aus dem Angebot kaufen.
Ersparnis so detailliert wie möglich bewerben sollte. Zunächst Das zeigt sich darin, dass der Rabatt, den sie erwarten, oberhalb
muss man eine wichtige Faustregel in Rechnung stellen, die wir als der Mitte des Gesamtspektrums für den Rabatt liegt. So gehen
Konsumenten offenbar regelmäßig anwenden. In der Regel gehen Konsumenten bei einem Spektrum von 30–50 % Rabatt davon
Konsumenten davon aus, dass die in der Werbung angegebene aus, dass sie insgesamt mehr als 40 % sparen werden. Wenn hin-
Ersparnis übertrieben ist. Wenn wir auf ein Angebot stoßen, bei gegen ein sehr großer Teil des Sortiments im Angebot ist, dann
dem ein früherer Preis oder die Preisempfehlung des Herstellers gehen die Probanden davon aus, dass sie eher wenig von dem
dem reduzierten Preis gegenübergestellt wird, dann nehmen wir Angebot profitieren werden (für einen Überblick vgl. Liu und
diese höheren Vergleichspreise nicht für bare Münze. Wir ge- Soman 2008, S. 674 f.). Praktisch heißt das: Bei einem kleinen
stehen der Werbung zu, dass sie mit ihren Angaben übertreibt Anteil im Sortiment ist es besser, einen dehnbaren Rabatt mit-
(▶ Abschn. 14.3.2; Kirmani und Campbell 2009), und reduzieren zuteilen, bei einem großen Anteil sollte man den Rabatt genauer
die Ersparnis gegenüber der Angabe noch einmal – je nach Aus- spezifizieren.
gangspreis sogar erheblich. Empirische Untersuchungen können Ein Sonderangebot wahrzunehmen, bereitet für Konsumen-
Reduktionen zwischen 8 und 54 % belegen (zusammenfassend ten auch subjektive Kosten. Vielleicht muss man einen langen
vgl. Schindler 1994, S. 260). Gupta und Cooper (1992) zeigen zu- Weg hierfür zurücklegen, es ist platzaufwendig, sich von dem in-
dem, dass die gedankliche Reduktion der tatsächlichen Ersparnis serierten Produkt einen Vorrat anzulegen, man würde die Marke
mit der behaupteten Ersparnis ansteigt. Mit anderen Worten, Sie wechseln, wenn man das Sonderangebot nutzt und so weiter.
werden die Ersparnis bei dem oben genannten Fernseher nicht bei Diese Nachteile nimmt man eher in Kauf, wenn das Sonderange-
190 Euro (der Differenz zwischen angeblichem Referenzpreis und bot hinreichend wichtig oder bedeutsam ist. Die Bedeutsamkeit
Angebot) ansiedeln. Ihre Schätzung für die tatsächliche Ersparnis lässt sich zum Beispiel mit Hilfe der Konsensinformation steigern
wird vielleicht bei 150 Euro oder sogar noch niedriger liegen. (▶ Abschn. 10.1.4), also durch Hinweise, dass viele andere dieses
Auf der anderen Seite rechnen Konsumenten bei wenig infor- Angebot nutzen wollen. Reaktanzeffekte können ebenfalls wirk-
mativer Werbung immer noch mit einer gewissen minimalen Er- sam werden (▶ Kap. 11). Wenig subtil, aber wirkungsvoll waren
sparnis, die erfahrungsgemäß bei etwa 10–12 % liegt. Das macht auch die „Blaulichtangebote“ (blue light specials; Schindler 1994,
es zu einer sinnvollen Strategie, für ein Produkt zu inserieren, S. 262 f.) von K-Mart. Die Kunden wurden in der Tat mit einem
dessen Preis überhaupt nicht reduziert ist. Werden diese beiden Blaulicht auf das Sonderangebot aufmerksam gemacht; die Folge

-
Erkenntnisse kombiniert, ergibt sich folgende Schlussfolgerung:
Wenn die Ersparnis bei mindestens 20 % liegt, lohnt es sich
auf jeden Fall, diese Differenz in der Werbung deutlich zu
machen, weil aus einer wenig informativen Werbung der
war eine mitunter bizarre Wertigkeit, die diese Angebote in den
Augen der Kunden gewannen.
Über Sonderangebote freuen sich Konsumenten. Vielleicht
haben sie dabei das befriedigende Gefühl, erfolgreich recher-

- ersparte Betrag vermutlich unterschätzt würde.


Liegt die Ersparnis zwischen 10 und 20 %, dann dürften
sich hoch und niedrig informative Werbung nicht un-
terscheiden, denn eine genau bezifferte Preisdifferenz
chiert zu haben, oder sie bemerken den günstigen Preis einfach
als einen unverhofften Glückfall. Auf jeden Fall erhöhen Son-
derangebote aus Sicht der Konsumenten den Nutzen der Trans-
aktion – das tun natürlich alle günstigen Preise, auch solche, die
wird von den Konsumenten sowieso nicht geglaubt. Die die Konsumenten ausgehandelt haben oder die sie beim Verkauf
reduzierte subjektive Ersparnis liegt dann vermutlich bei aus zweiter Hand erzielen. Aber erhöhen sie auch den subjekti-
dem Betrag, den die Konsumenten auch bei einer wenig ven Nutzen für das Gut auf längere Sicht? Die Überlegungen zur

- informativen Werbung unterstellen werden.


Liegt die Ersparnis unter 10 %, sollte man sie in der Wer-
bung nicht beziffern. Auch in diesem Fall nämlich würden
die Konsumenten unterstellen, dass die in der Werbung
psychologischen Konsistenz und insbesondere zu den Effekten
versunkener Kosten (▶ Abschn. 11.4.5) lassen anderes vermuten:
Der Druck, eine Ausgabe zu rechtfertigen und das erworbene
Gut aufzuwerten, ist natürlich umso größer, je höher die Ausgabe
angegebene Differenz übertrieben ist, und den „tatsäch- war. Daher sollte das Gefallen bzw. der Genuss beim Konsumie-
lichen“ Preisunterschied weit geringer veranschlagen. Da ren für niedrigere Preise auch geringer sein. Dies mag nicht nur
Konsumenten aber bei jeder Werbung, die keinen Refe- daran liegen, dass ein eigentlich gleiches Produkterlebnis im Falle
402 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

eines höheren Preises mental in positive Richtung verzerrt wird. damit, dass Konsumenten bei dem reduzierten Preis das Produkt
1 Möglich ist auch, dass Konsumenten dem billigeren Produkt bzw. mit weniger Aufmerksamkeit prüfen.
dessen Konsum weniger Aufmerksamkeit schenken und damit Wenn dieser Gedanke stimmt, dann müsste man Konsumen-
2 von vornherein ein anderes Erlebnis haben. ten, die das Produkt zu einem regulären Preis gekauft haben,
Lee und Tsai (2014) prüften diese Überlegungen in einer nur von dieser Prüfung abhalten – dann würden sie das Produkt
Reihe von Experimenten. Dabei bekamen ihre Probanden als nicht besser bewerten, als wenn sie es zu einem reduzierten Preis
3 Dank für ihre Mitarbeit an einer anderen Untersuchung ein gekauft hätten. Dies prüften Lee und Tsai (2014, Experiment 4)
kleines Budget, von dem sie Produkte kaufen konnten: Prali- im Zwei-Aufgaben-Paradigma (▶ Abschn. 2.7.2). Probanden
4 nen, einen Musik-Download oder Fruchtsaft. Diese Produkte wurden während des Konsums durch eine zweite Aufgabe abge-
kauften sie entweder zu einem regulären oder einem reduzierten lenkt. In der Tat machte es unter dieser Bedingung keinen Unter-
5 Preis (z. B. 1 Dollar vs. 50 Cent für den Musik-Download). Dann schied, ob die Teilnehmer zu einem reduzierten oder regulären
sollten sie das Produkt je nach Bedingungen sofort oder später Preis gekauft hatten. Unter beiden Preisen veranschlagten sie in
konsumieren und bewerten. der Bewertung Vor- wie Nachteile weniger geringer als bei voller
6 Unmittelbar nach dem Kauf sollte noch die positive Stim- Aufmerksamkeit.
mung über den guten „Deal“ überwiegen. In der Tat wurden hier Generell kann man also sagen: Konsumenten genießen ei-
7 auch die Produkte in der Discount-Bedingungen positiver be- nen reduzierten Preis nur für kurze Zeit – unmittelbar nach dem
wertet. Kontrollanalysen zeigen, dass die Ersparnis die Stimmung Kauf. Für Güter, die auch unmittelbar nach dem Kauf konsumiert
der Probanden verbesserte und dass diese verbesserte Stimmung werden, ist das völlig ausreichend. Wenn der Konsum erst später
8 auch für die positive Bewertung des verbilligten Produkts ver- folgt, reduziert ein Preisnachlass auch den Genuss – mutmaßlich
antwortlich war. deswegen, weil Konsumenten auf das Produkterlebnis weniger
9 Das Bewertungsmuster kehrte sich aber um, wenn der Kauf Aufmerksamkeit verwenden, als wenn sie zum regulären Preis
einige Zeit zurücklag (je nach Bedingung zwischen einer Woche gekauft hätten.
10 und 15 Minuten). Nach dieser Zeit verlieren sich die Effekte der
Stimmung, und kognitive Einflüsse auf die Bewertung werden
wichtiger. Und unter diesen Einflüssen wird dasselbe Produkt 20.3.3 Gewinne und Verluste durch
11 signifikant schlechter bewertet, wenn es zum reduzierten Preis Produktpreise
gekauft wurde.
12 Die Effekte könnten den Eindruck erwecken, man zerstöre „[...] consumers are generally more concerned with avoiding
den Genuss von Produkten durch geringe Preise. Das ist aller- a loss than making an equivalent gain“ (O’Shaughnessy 1987,
dings in dieser Form nicht richtig: Was den Genuss verringert, S. 155; siehe auch ▶ Abschn. 9.2.2 und ▶ Abschn. 11.3.6). Wir be-
13 ist das Gefühl, das Produkt zu einem geringeren als dem eigent- werten es nicht als neutral, wenn wir auf der einen Seite 20 Euro
lichen Preis bekommen zu haben. Es ist der Preisnachlass, nicht zu viel bezahlen und auf der anderen 20 Euro sparen. Wenn die
14 der absolute Preis, der zu einem verringerten Genuss führt. Lee Ausgabe als Verlust und die Ersparnis als Gewinn gewertet wer-
und Tsai (2014, Experiment 2) überließen einem Teil ihrer Pro- den, dann wiegt die Tatsache, dass sie numerisch gleich sind,
15 banden die Musik für 50 Cent, ohne diesen Preis als „reduziert“ sie nicht gegeneinander auf. Die Bewertung danach, ob ein Kauf
zu bezeichnen. Die Bewertungen dieser Probanden unterschie- einen Gewinn oder Verlust darstellt, bezieht sich vor allem auf
den sich nicht von der Kontrollgruppe mit dem regulären Preis den in ▶ Abschn. 20.1.2 beschriebenen Transaktionsnutzen, also
16 von 1 Dollar. Sie freuten sich unmittelbar nach dem Kauf nicht dem Verhältnis eines gezahlten Preises zu einem Referenzpunkt.
über „das gute Geschäft“, sie werteten die Musik aber auch nicht In der Praxis werden die Effekte solcher auf den ersten Blick
17 ab, wenn sie später gefragt wurden. irrationaler Gewinn- und Verlustrechnungen häufig unterschätzt.
Lee und Tsai (2014) gehen davon aus, dass Konsumenten ver- Viele Konsumenten nehmen bereits dann von einer Transaktion
billigten Produkten gegenüber weniger aufmerksam sind. Daher Abstand, wenn ein im Grunde vernachlässigbares Element des
18 entgehen ihnen manche Produktmerkmale, und dies verhindert, Austauschs in ihren Augen ungerechtfertigte Kosten verursacht.
dass sie positive Seiten am teureren Produkt wahrnehmen. Es Der Gesamtnutzen wird vernachlässigt, psychologisch dominiert
19 würde freilich auch verhindern, dass negative Seiten am Produkt der Drang, auf jeden Fall, den Verlust zu vermeiden (O’Shaugh-
auffallen, aber erstens sind Konsumenten zunächst eher motiviert, nessy 1987, S. 155; Kahneman und Tversky 1982; Kirchler 1995,
20 positive Seiten zu sehen (▶ Abschn. 11.4), und zweitens bieten S. 28 ff.).
Produkte normalerweise mehr Nutzen als Schaden. Gleichwohl Die amerikanische Kreditkartenindustrie hat mit Rücksicht
prüften Lee und Tsai (2014, Experiment 3) diese Überlegung mit auf das Phänomen der „Verlustaversion“ schon in den 1970er Jah-
21 einem eher unangenehmen Produkt, einem Fruchtsaft, den sie ren gefordert, dass Kosten für das bargeldlose Zahlen nicht als
mit etwas Essig versetzten und so unangenehm sauer machten. In Verlust des Kreditkartenhalters, sondern als Rabatt für Barzahler
22 einer anderen Bedingung erhielten die Probanden den gleichen dargestellt werden (Bauer 2000).
Fruchtsaft, aber mit etwas Honig angereichert. Erwartungsgemäß Ob ein Element der Transaktion wie ein Verlust oder wie
entging den Probanden in der Discount-Bedingung, wie unan- ein Gewinn gewertet wird, kann allerdings variieren (Kahneman
23 genehm der Saft tatsächlich schmeckte; jedenfalls bewerteten sie und Tversky 1982; Beggan 1994). Die Kontexte der Wahrneh-
ihn nicht so schlecht wie die Probanden, die den Saft zu einem mung können bei den Konsumenten die Wahrnehmung, die
regulären Preis erhalten hatten. Dies erklären Lee und Tsai (2014) kognitive Rahmung ihres Verhaltens, beeinflussen. Je nach dem
20.3  •  Motivationale Aspekte der Preiswahrnehmung: Der Wunsch zu sparen
403 20

Exkurs 20.4  Der andere mag den Wald verkaufen, man selbst erwirbt die Bäume  |       | 
Der Verkäufer tendiert dazu, das Große und dass es sich um eine tolle Band handelt und davon, was das Produkt wert ist (Imrak et al.
Ganze zu sehen, der Käufer eher die Einzel- dass der Käufer dort sicherlich viel Spaß haben 2013).
heiten. Dies erklärt manche Diskrepanzen in wird. Dass dieser auch seinerseits den Kon- Diese Diskrepanz verringert sich dagegen für
der Bewertung. Verkäufer tendieren zu einem zertabend von anderen Terminen freihalten Produkte, die auf der übergeordneten Ebene
abstrakteren Konstruktionslevel im Sinne der und zudem überlegen muss, wie er zum Ort nicht ganz so begehrenswert sind, dafür aber
Construal-Level-Theorie von Trope und Liber- des Konzerts kommt, ist für Ihre Einschätzung, im Detail viele Vorteile haben. Imrak et al.

man (2010; siehe auch  Abschn. 7.2). Das be- was die Karte wert sein sollte, ziemlich irrele- (2013) zeigen, dass Verkäufer und Käufer mit
deutet zum Beispiel, dass Verkäufer ein Produkt vant – nicht jedoch für den Käufer. ihren Vorstellungen deutlich näher beieinander
eher unter dem Gesichtspunkt sehen, warum Wenn nun die Band zwar toll, Zeitpunkt oder liegen, wenn es um eine nicht ganz so tolle
man es überhaupt kaufen oder besitzen sollte, Ort dagegen problematisch sind, ist die Dis- Band geht, die aber zu einem günstigen Termin
und nicht so sehr, wie man es im Detail nachher krepanz zwischen den Preisvorstellungen von und an einem leicht erreichbaren Ort spielt.
benutzt. Bei Käufern ist dies umgekehrt. Käufer und Verkäufer relativ hoch. Letzterer Wenn Sie also etwas verkaufen und der Käufer
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Konzert- fokussiert auf die übergeordneten Produkt- ganz andere Preisvorstellungen hat als Sie,
karte gekauft, können aber das Konzert nicht merkmale, die sehr hochwertig sind, und sollten Sie darauf achten, wie es um die Details
besuchen (Beispiel nach Irmak et al. 2013). ersterer betont die Detailmerkmale, die eher des Verkaufs steht, und zeigen, dass diese
Wenn Sie die Karte nun wieder verkaufen problematisch sind. Hier haben Käufer und unproblematisch sind.
möchten, steht aus Ihrer Sicht im Vordergrund, Verkäufer sehr unterschiedliche Vorstellungen

Blickwinkel des Konsumenten erscheinen die gleichen Schritte betonen Käufer tendenziell eher den Verlustaspekt der Transak-
in einer Transaktion in unterschiedlichem Grade als Gewinne tion, also das Risiko, ihr Geld für etwas herzugeben, was es nicht
oder Verluste. Die Verlustwahrnehmung eines Konsumenten wert ist. Im Sinne der Prospect Theory befinden sie sich im loss
kann man schon dadurch vermindern, dass man dieselbe preis- frame. Verkäufer dagegen sehen eher den Aspekt, dass sie mit
liche Differenz nicht so sehr nach einem Verlust aussehen lässt. dem Verkauf Gewinne erzielen, sie sind also im gain frame. Diese
Wenn ein Autohaus seine Preise anhebt und dies als den Wegfall Verteilung sorgt unter anderem für unterschiedliche Risikobe-
eines Rabatts darstellt, erscheint dieser Schritt den Konsumenten reitschaft. Da Menschen stärker motiviert sind, einen Verlust zu
eher als eine faire Entwicklung, als wenn das Autohaus einfach vermeiden, als einen Gewinn herbeizuführen, verhandeln sie also
eine Verteuerung bekannt gegeben hätte (Thaler 1985; Levin und im loss frame risikofreudiger, das heißt, sie sind eher geneigt, gar
Gaeth 1988; Pratkanis und Aronson 1992, S. 44). kein Geschäft zu machen als ein schlechtes. Das ist – wie gesagt –
Ein besonders vieldeutiger Schritt in einer Transaktion ist die übliche Denkhaltung von Käufern, und das verschafft ihnen
die Rückzahlung eines Betrags, den man schuldig geblieben ist. auch einen gewissen Vorteil gegenüber den eher konservativen
Einen Gewinn stellt dieses Verhalten nur vom Standpunkt der und risikoscheuen Verkäufern (die ihrerseits lieber ein schlech-
Tilgung dar. Wer seine Schulden in den Mittelpunkt stellt, dem teres Geschäft eingehen, als gar nichts zu verkaufen; vgl. auch
wird die Rückzahlung wie eine Linderung vorkommen. Wer Bazerman und Neale 1992, S. 41). Die Perspektiven bzw. Frames
dagegen nur sein jetziges Kapital betrachtet, dem erscheint die können sich freilich unter bestimmten Umständen auch umkeh-
Rückzahlung wie ein Verlust, denn sie reißt ja in der Tat ein Loch ren; ein Beispiel hierfür haben wir in ▶ Abschn. 9.3.2 mit dem
in die aktuelle Kasse. Der rationale Blickwinkel wäre wohl, weder Experiment von Kahneman et al. (1990) diskutiert. ▶ Exkurs 20.4
Verlust noch Gewinn zu sehen, denn der Aufwand durch die diskutiert einen alternativen Blick auf den psychologischen Un-
Rückzahlung lässt sich ja im Grunde genau mit dem früheren terschied zwischen Käufer und Verkäufer.
Vorteil durch das Darlehen verrechnen. Aber diese Haltung kann Wenn die beschriebene Sensibilität gegenüber Verlusten vor
man bei den Konsumenten nicht voraussetzen. Tatsächlich ist allem mit Blick auf den Transaktionsnutzen besteht, dann sollte
diese rationale Haltung empirisch selten und psychologisch un- sie natürlich auch vor allem dann auftreten, wenn nicht der Nut-
plausibel (z. B. Beggan 1994). zen des Produkts alles überragt. Stellen Sie sich vor, Sie haben
Hier bewegen wir uns wieder auf einem Terrain, in dem sich keine Milch mehr zu Hause, und Sie gehen kurz vor Ladenschluss
die „Brüchigkeit der ökonomischen Grundannahmen“ (Kirchler einkaufen, um die Vorräte aufzufüllen. In diesem Fall steht der
2011, S. 31) erweist. Es lässt sich zeigen, dass Konsumenten im- Nutzen des Produkts im Vordergrund, und die Bewertung der
mer gerne ein gutes Geschäft machen, indem sie zum Beispiel ein Transaktion wird weniger wichtig. Gerade im Fall der Milch ist
Produkt billiger kaufen als erwartet. Die Freude an dem „guten das sonst sicher häufig anders. Wenn Ihre Vorräte noch nicht
Geschäft“ hängt dabei aber nicht so sehr von dem tatsächlichen aufgebraucht sind und Sie auch irgendwo anders Milch kaufen
finanziellen Gewinn ab. Von einem ökonomischen Standpunkt könnten, würden Sie nicht nur darauf achten, ob Sie überhaupt
wäre ja nichts einleuchtender, als dass eine Person sich über ge- Milch bekommen, sondern auch, ob sie teurer oder billiger ist,
sparte 100 Euro beim Kauf eines Computers mehr freut als über als Sie normalerweise erwarten. Diese Haltung setzt, wie gesagt,
gesparte 15 Euro beim Kauf der Tastatur. Tatsache ist aber, dass voraus, dass Sie auch anderswo oder eine andere Marke Milch
Konsumenten durch beide Gewinne beinahe unterschiedslos zu kaufen könnten. Aber vielleicht kommt das für Sie nicht in Frage
motivieren sind (Darke und Freedman 1995; vgl. auch Heath – dann verschiebt sich das Gewicht wieder weg vom Nutzen der
et al. 1995; siehe auch ▶ Abschn. 2.1.2). Transaktion hin zum Nutzen des Erwerbs.
Gewinn- und Verlustwahrnehmung sind üblicherweise bei Wer dagegen auf den Transaktionsnutzen fokussiert, der zeigt
Käufern und Verkäufern unterschiedlich verteilt. Üblicherweise die oben beschriebene Asymmetrie. Er reagiert auf überhöhte
404 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

Preise (Preise, die höher liegen als der interne Referenzpreis) stär- 20.4.1 Die „Theorie der relativen Einzelurteile“2
1 ker als auf gleichwertige Gewinne durch günstige Preise (Krish-
namurthi et al. 1992). Interessanterweise fällt diese Asymmetrie Empirische Probleme des klassischen
2 auch weg, wenn Konsumenten sehr markentreu sind. Gegenüber Preismanagements
einer stark bevorzugten Marke reagieren wir auf Gewinne (durch „Innerhalb des klassischen Preismanagements werden mehrfach
günstige) und Verluste (durch hohe Preis) ziemlich gleich (Kris- Annahmen mit psychologischer Relevanz getroffen, die jedoch
3 hnamurthi et al. 1992). Es scheint so, dass die Marke wie ein im Gegensatz zu allgemeineren Annahmen der mikroökonomi-
„Must-have“ erlebt wird, zu dem es keine Alternative gibt – so schen Theorienbildung [...] bislang kaum empirisch hinterfragt
4 dass der Transaktionsnutzen an Gewicht verliert. wurden“ (Bauer 2000, S. 13). Eine dieser Annahmen ist die fol-
gende: Menschen können unabhängig davon, was vorangehende
5 20.4 Preisstruktur
Produkteinheiten gekostet haben, sagen, was sie für eine weitere
Einheit maximal zu zahlen bereit sind (Annahme der Unabhän-
gigkeit von Preisbereitschafts- und Preisstrukturfunktion bzw.
6 Wenn Sie sich ein Mobiltelefon zulegen, haben Sie es meist mit Annahme exogener Präferenzen). Das würde bedeuten, dass in
mehreren Preisen zu tun. Insgesamt kostet Sie Ihre mobile Er- dem in ▶ Abschn. 20.1.3 genannten Beispiel der „faire Preis“ für
7 reichbarkeit zwar einen ganz bestimmten und bestimmbaren die Margarine, vor allem aber der Extrempunkt, ab dem man
Preis. Aber das haben Sie möglicherweise gar nicht so sehr im nicht mehr zu kaufen bereit ist, unabhängig von den Preisen an-
Blick. Vielmehr wurden Ihnen Anschlussgebühr, Preis für das derer Margarinen genannt werden kann.
8 Smartphone, Einheitenpreise oder der Preis für unterschiedli- Um diese Annahme zu testen, ließ Bauer (2000, S. 151 ff., Ex-
che Flatrates jeweils einzeln mitgeteilt – und diese Einzelheiten periment 1) seine Versuchspersonen angeben, welchen Maximal-
9 bilden die Struktur des Gesamtpreises. preis sie bereit wären, für eine dritte CD zu bezahlen, wenn sie
Von dieser Struktur kann die effektive Preishöhe abhängen, sich bereits für zwei andere entschieden hätten. Dieses Produkt
10 etwa wenn Sie sich überlegen, ob Sie lieber Einheiten oder eine ist schon deshalb besonders gut geeignet, weil die studentischen
Flatrate bezahlen. Sie kann aber auch rechnerisch irrelevant sein. Probanden ziemlich klare Vorstellungen darüber hatten, wie
Stellen Sie sich vor, Sie müssen einen Vertrag über 24 Monate teuer CDs normalerweise sind. Da dies für die Annahme des
11 abschließen. Was wäre Ihnen lieber: zwei Monate gratis bei einer klassischen Preismanagements einen erheblichen Vorteil bedeu-
monatlichen Gebühr von 19,99 Euro oder über alle 24 Monate tet, ist der Test besonders konservativ.
12 eine Gebühr von 18,32 Euro? Ökonomisch sind diese Angebote Die Probanden sollten sich vorstellen, sie hätten in einem Ge-
gleichwertig, psychologisch aber eher nicht. Offenbar gibt es ne- schäft drei CDs gefunden, die sie noch nirgendwo sonst entdeckt
ben der effektiven auch noch eine empfundene Preishöhe, die hätten. Sie hätten sich bereits entschlossen, zwei CDs zu kaufen.
13 für das Verhalten wesentlich wichtiger ist und die unter anderem Die erste Frage war nun, was sie für die dritte nun noch zu zah-
durch die Preisstruktur bestimmt wird. len bereit seien. Nach dem klassischen Preismanagement müsste
14 Bauer (2000, S. 8) versteht unter Preisstruktur alles, was die diese Frage ohne Probleme beantwortet werden können – vor
Zusammensetzung des Preises betrifft. Die Elemente der Preis- allem bei CDs, von deren Preis die Probanden ja eine ziemlich
15 struktur können aus Grundgebühr und Einheitenpreis bestehen, genaue Vorstellung hatten.
es gehören dazu aber auch andere Elemente, zum Beispiel Zins- Jene Probanden, die auf die erste Frage einen Preis nennen
sätze, Raten, Anzahlungen oder ungleichmäßige Aufteilung der konnten, wurden daraufhin gefragt, welchen Maximalpreis sie
16 Kosten, wie sie bei der Preisstruktur „Zwei zum Preis von einem“ zahlen würden, wenn die ersten beiden CDs überraschender-
vorkommt. Was sich davon auf die Berechnung des effektiven weise zum nice price von 14,95 DM angeboten würden. Nach
17 Preises auswirkt, gehört zur Preisstruktur im engeren Sinne. Zur der klassischen Preistheorie dürfte sich die Preisbereitschaft nicht
Preisstruktur im weiteren Sinne zählt aber auch „die rechnerisch ändern.
irrelevante Darstellung und Kommunikation der Preisstruktur­ Dieses normativ zu erwartende Verhalten zeigten allerdings
18 elemente“ (Bauer 2000, S. 8). Wenn zur Berücksichtigung der nur 11 % der Versuchspersonen. Die anderen verletzten in ver-
Verlustaversion dasselbe Preiselement nicht als möglicher Ge- schiedener Weise die Erwartungen des klassischen Preismanage-

-
19 winn, sondern als zu verhindernder Verlust dargestellt wird, dann ments:
betrifft das die Preisstruktur im weiteren Sinne. Besteht zwischen 46 % der Personen konnten bereits auf die erste Frage
20 Bar- und Kreditkartenzahlung ein Preisunterschied, so kann die- keinen Maximalpreis nennen. Mehr als zwei Drittel dieser
ser dementsprechend als Rabatt bei Barzahlung oder aber als Personen begründeten dies damit, dass ihnen die Informa-

21
22
Preiserhöhung bei Kreditkartenzahlung positioniert werden. Die
erstere Darstellungsform wird typischerweise positiver bewertet.
Die Wirkung von Preisstrukturen wurde von Bauer (2000)
systematisch untersucht – seine Experimente und Theorie sollen
- tion über die Preise der anderen beiden CDs fehle.
56 % der Personen, die einen Maximalpreis angeben konn-
ten, veränderten ihre Schätzung, nachdem sie erfuhren,
dass die vorangegangenen CDs günstiger waren als erwar-
hier am Anfang stehen. Danach diskutiere ich weitere vereinzelte tet.
Befunde zu unterschiedlichen Aspekten der Preisstruktur.
23
2 Die folgenden Ausführungen stammen nicht nur in großen Teilen aus der
Arbeit von Herrn Dr. Florian Bauer (2000), sie sind zudem auch unter seiner
tatkräftigen Hilfe entstanden. Ihm sei an dieser Stelle besonders gedankt.
20.4 • Preisstruktur
405 20

.. Tab. 20.1  Unterschiedliche Angebote für das gleiche Auto. (Aus Bauer 2000, S. 174, Abb. 5.6)

günstige Bedingung teure Bedingung Preis

Grundmodell mit enthaltenen Ausstattungselementen Beifahrer-Airbag Beifahrer-Airbag 42.479


Nebelscheinwerfer Nebelscheinwerfer
Alarmanlage Alarmanlage

Zentralverriegelung Allradantrieb
elektrische Antenne Klimaanlage
Fußmatten Leichtmetallfelgen

zusätzlich zu bezahlende Ausstattungselemente Allradantrieb Zentralverriegelung 1349


Klimaanlage elektrische Antenne 1015
Leichtmetallfelgen Fußmatten 682

Preise in DM

Die Gründe für diese Veränderung entsprachen bekannten psy- In einer Versuchsanordnung analog zum CD-Experiment ver-
chologischen Mechanismen. Die meisten Probanden (79 %) er- hielten sich 19 % der Probanden konsistent zur Annahme des
höhten ihren Maximalpreis, weil sie nun mehr Geld für die dritte klassischen Preismanagements. Das Verhalten der restlichen
übrig hätten. Diese Begründungsfigur beruht auf dem Phänomen Probanden verletzte diese Annahmen auf verschiedene Weise.
der mentalen Kontoführung (▶ Abschn. 9.1.4), nach dem Per- Von jenen Probanden, die ihren Maximalpreis veränderten,
sonen ein bestimmtes Budget für CDs vorsehen und bei einer nachdem sie über den (unerwartet niedrigen) Preis der voran-
Entlastung dieses Budgets von einer Seite größere Belastungen gehenden Einheiten informiert wurden, nutzten diesmal 61 %
von anderer Seite akzeptieren. die Ankerheuristik und senkten den Preis. Dieses Ergebnis steht
Ein kleinerer Teil der Probanden (21 %) verringerte den sub- in Einklang mit der Erwartung, dass das relative Gewicht der
jektiven Maximalpreis mit der Begründung, dass bei einem so mentalen Kontoführung sinkt, je notwendiger und alltäglicher
geringen Preisniveau die dritte CD nicht wesentlich teurer sein die Produkte werden, für die Geld ausgegeben werden soll.
dürfte. Dieses Urteilsphänomen entspricht dem Ankereffekt, den Zwei wichtige Schlussfolgerungen sind hier zu ziehen.
ich in ▶ Abschn. 9.2.3 diskutiert habe. Dieses Experiment zeigt Erstens: Konsumenten können nicht ohne Weiteres und ohne
einmal mehr, dass die Präferenzen von Konsumenten nicht stabil Kenntnis des Preises für die vorangehenden Einheiten angeben,
sind und dass sie von Merkmalen, die nichts mit der eigentlichen was ihnen eine bestimmte Leistung wert ist – selbst dann nicht,
Leistung (in diesem Fall der CD selbst) zu tun haben, stark be- wenn die Leistung selbst bekannt und vertraut ist. Zweitens: In
einflusst werden. welcher Weise Preisstruktur und der Preis anderer Produkte
Unbefriedigend ist freilich, dass neben der Erhöhung des Ma- auf den subjektiven Maximalpreis wirken (ob sie diesen Preis
ximalpreises (auf der Basis der mentalen Kontoführung) auch das z. B. erhöhen oder senken), hängt davon ab, wie diese Produkte
gegenteilige Phänomen beobachtet wird, nämlich die Senkung subjektiv repräsentiert sind (als „notwendig“ oder „Luxus“). Ein
des Maximalpreises auf Basis der Ankerheuristik. Hier müssten Verstoß gegen normative Vorstellung der Preisgestaltung liegt
noch die Bedingungen spezifiziert werden, unter welchen Um- meist bereits vor, wenn rechnerisch gleichwertige Optionen
ständen was zu erwarten ist. Bauer (2000) macht hierzu folgen- unterschiedlich bewertet werden. Dabei sind aber mehr Unter-
den Vorschlag: Feste Budgets existieren vor allem bei solchen scheidungen bedeutsam als nur die zwischen subjektivem und
Produkten, deren Anschaffung noch fraglich ist, auf die man also objektivem Preis. Auch subjektive Preise variieren noch in ihrer
auch verzichten könnte, wenn das Budget zu stark belastet ist empfunden Preisgünstigkeit.
(vgl. „hedonic goods“ nach Dhar und Wertenbroch 1997). Bei Bauer (2000, S. 172 ff., Experiment 3) legte seinen Probanden
Produkten, die man auf jeden Fall anschaffen muss, Waren des zwei unterschiedliche Angebote für ein Auto vor. Diese Ange-
täglichen Bedarfs, macht es keinen Sinn, ein Budget einzurichten bote hatten den gleichen Gesamtpreis. Sie unterschieden sich al-
(vgl. „utilitarian goods“ nach Dhar und Wertenbroch 1997). Sein lerdings darin, wie sich dieser Preis zusammensetzte. Das Auto
täglich Brot kann man nicht mit der Begründung einschränken, verfügte über mehrere Ausstattungselemente, die zum größten
dass man dafür bereits so viel und für CDs dagegen viel zu we- Teil im Grundpreis inbegriffen waren. Drei davon wurden jedoch
nig ausgegeben hat (obwohl ich persönlich auch Ausnahmefälle extra berechnet, und diese zusätzlich zu zahlenden Elemente va-
kenne, denen ich diese Denkfigur durchaus zutraue). Bei diesen riierten in den beiden Bedingungen. In der „teuren Bedingung“
Produkten sollte die mentale Kontoführung weniger Einfluss auf bestanden die zusätzlich zu zahlenden Elemente aus relativ ein-
den subjektiven Maximalpreis haben als die Ankerheuristik. fachen, wenig aufwendigen Ausstattungselementen, in der güns-
In dem Experiment von Bauer (2000, S.  157 ff.) wurden tigen Bedingung dagegen waren dies eher luxuriöse bzw. teure
die durchweg männlichen Probanden mit einem Angebot von Elemente (. Tab. 20.1).
Boxershorts konfrontiert, einem Produkt also, das weniger als Durch diese experimentelle Variation waren Einzel- und Ge-
Luxus, sondern eher als notwendige Anschaffung gelten kann. samtpreis wie auch die Gesamtleistung in beiden Bedingungen
406 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

chen des Preises für B. Hier sind also sowohl die Summen für die
1 .. Tab. 20.2 Angebotspaare für Mobiltelefone
Angebote als auch die Relationen der einzelnen Preisstrukturele-
Angebotspaar 1 A B mente identisch. In diesem Fall wird von den Versuchspersonen
2 Anschlusspreis 449 449 auch keines der beiden Angebote bevorzugt.
Im zweiten Paar wurde demgegenüber ein extremer Unter-
Telefon „Handy“ 5749 9589
schied für die Handys konstruiert: Handy B kostet das 2,5fache
3 monatlicher Basispreis 399 239 von Handy A. Da die Kosten für beide Handys gegenüber A nur
Angebotspaar 2 A B einfach um den gleichen Betrag von 3200 DKK gesenkt wurden,
4 Anschlusspreis 449 449
sind die Angebote immer noch rechnerisch identisch. Trotzdem
hat diese Manipulation zur Folge, dass das Angebot A deutlich
Telefon „Handy“ 2549 6389
5 bevorzugt wird. Mit anderen Worten: Die Probanden rechnen
monatlicher Basispreis 399 239 nicht etwa aus, welche Kosten der Kauf wirklich verursachen
würde. Sie bilden vielmehr drei Einzelurteile, die sie dann gleich-
6 Angebotspaar 3 A B
gewichtig nebeneinander stellen. Bei einem der Urteile stellen sie
Anschlusspreis 449 719
eine extreme Verzerrung zu Gunsten des Angebots A fest und
7 Telefon „Handy“ 5749 9319 entscheiden sich nun für A, ohne dabei in Rechnung zu stellen,
monatlicher Basispreis 399 239 dass diese Verzerrung über die gesamte Vertragslaufzeit wieder
ausgeglichen wird.
8 Vertragslaufzeit in allen Angeboten 24 Monate. Geldbeträge in Däni-
Bei dem Angebotspaar 3 wurde zwischen dem Preis für das
schen Kronen (DKK).
Handy und der Anschlussgebühr gegenüber dem Paar  1 eine
9 leichte Umverteilung vorgenommen. 270  DKK wurden vom
die gleichen. Die Angebote unterschieden sich nur in der Preis- Handypreis abgezogen und zu dem Anschlusspreis addiert. Dies
10 günstigkeit einzelner Ausstattungselemente. Gefragt wurden die ändert nichts am Gesamtpreis für das Angebot, auch der relative
Probanden unter anderem nach dem subjektiven Preis und auch Unterschied zwischen den Handypreisen bleibt nahezu erhalten,
nach der empfundenen Preisgünstigkeit. Ein Unterschied in der der relative Unterschied zwischen Anschlussgebühren wird jedoch
11 Bewertung zeigte sich nicht im subjektiven Preis, der nach Ab- drastisch erhöht. Nunmehr erscheint das Angebot A auf zwei von
schluss des Experiments abgefragt wurde. Dagegen wurde das drei Dimensionen deutlich überlegen – und in der Tat wird bei
12 Angebot in der teuren Bedingung als deutlich weniger preisgüns- dieser minimalen Veränderung A deutlich häufiger gewählt als B.
tig bewertet als das Angebot in der günstigen Bedingung. Die Konsumenten fokussieren offenbar auf die Menge der
Dieser Verstoß gegen normative Vorstellungen der Preis- Vergleiche, die zu Gunsten oder zu Ungunsten einer Option
13 wahrnehmung geht darauf zurück, dass die Probanden die ausfallen. Wenn ein Produkt auf zwei Dimensionen überlegen
Preisgünstigkeit der Einzelelemente relativ zum Grundpreis stark ist, dann bedeutet dies einen Vorteil gegenüber der Situation,
14 überbewerten. Etwas überspitzt ausgedrückt sähe der Urteilspro- in der es nur auf einer überlegen ist. Dies gilt auch dann, wenn
zess für das teure Angebot etwa so aus: „Von vier Preiselementen absolut gesehen die Angebote gleichwertig sind. „[...] offenbar
15 sind drei deutlich überteuert. Das sind drei Viertel des ganzen werden selbst dort relative Einzelurteile gebildet, wo Preisstruk-
Angebots, also ziemlich viel.“ turelemente relativ leicht aggregiert werden können. Dies be-
In einem weiteren Experiment konnte Bauer (2000, S. 184 ff., stätigt wiederum die Tendenz zu lokalen Vergleichen, selbst in
16 Experiment 4) zeigen, wie bei konstanter Leistung unterschied- Situationen, in denen sie nicht notwendig, gar irreführend sind“
liche Relationen in den Preisstrukturelementen von den Kon- (Bauer 2000, S. 190).
17 sumenten bewertet werden. Die Probanden sollten Angebote Die berichteten Ergebnisse unterstützen die von Bauer (2000,
für Mobiltelefone bewerten. Der Geldbetrag war in Dänischen S. 134 ff.) entwickelte Theorie der relativen Einzelurteile (TRE).
Kronen (DKK) angegeben; Voruntersuchungen hatten ergeben, Die TRE fasst die fundamentalen Mechanismen menschlichen
18 dass diese Währung unter den Probanden hinreichend unbe- Entscheidungsverhaltens in drei Gruppen von Annahmen zu-
kannt und eine Bewertung der absoluten Preisgünstigkeit da- sammen, aus denen sich viele der bisher empirisch beschriebe-
19 mit nicht möglich war. Weiterhin wurden die Probanden darauf nen Entscheidungsanomalien vorhersagen und zueinander in
hingewiesen, dass die Angebote rechnerisch gleichwertig sind. Beziehung setzen lassen.
20 Die experimentelle Manipulation bestand in Variationen der re- 1. Grundannahmen: Ausgangspunkt der TRE ist die Annahme,
lativen Unterschiede für einzelne Elemente zweier Angebote A dass Menschen nicht in der Lage sind, reliable Absolutur-
und B (. Tab. 20.2). teile zu fällen (siehe z. B. das Scheitern bei der verlässlichen
21 Beide Angebote des ersten Paares würden über die Ver- Angabe eines Maximalpreises unabhängig vom Preis voran-
tragslaufzeit von 24  Monaten 15.774  DKK kosten. Von dem gehender Einheiten in Experiment 1 von Bauer 2000). Die
22 Zinsvorteil in Angebot B abgesehen sind die Angebote A und Unfähigkeit, absolute Urteile zu fällen, erzeugt Unsicherheit
B gleichwertig; das Gleiche gilt für die anderen beiden Ange- bei der Bewertung und Entscheidung, die als unangenehm
bote. Im ersten Angebotspaar nun bilden die beiden ungleichen empfunden wird.
23 Preisstrukturelemente exakt komplementäre Relationen. Der 2. Annahmen zur Urteilsbildung: Aufgrund der eben beschriebe-
Preis für das B-Handy beträgt zwar das 1,67fache des Preises für nen Unsicherheit suchen Menschen nach Möglichkeiten, ihre
das A-Handy, dafür liegt aber der Monatspreis für A beim 1,67fa- Urteile zu validieren. Dazu ziehen sie je nach Situation und
20.4 • Preisstruktur
407 20
.. Abb. 20.3  Bivariate Korrelationen
einzelner Bewertung mit der Ge-
samtbewertung im Auto-Experiment
von Bauer (2000). Alle Koeffizienten
Ausstattungselement Ausstattungselement
sind auf dem 5 %-Niveau signifikant 1 2
DM 1.349 DM 1.015

.51 .40

Preis für das Ausstattungselement


Grundmodell 3
DM 42.479 DM 682
.47 .59
Preis für das
Gesamtmodell
DM 45.525

Verfügbarkeit externe Vergleichsanker oder -werte heran (in komplexerer Optionen, zum Beispiel die in . Tab. 20.2 darge-
Experiment 3 von Bauer 2000, wurde die eigene Preiskenntnis stellten Angebote für Mobiltelefone, aus mehreren Einzelur-
der einzelnen Angebotskomponenten herangezogen, um sich teilen zusammensetzen, wobei jedes für sich so gefällt wurde
ein Urteil über die Preisgünstigkeit des gesamten Angebots wie eben beschrieben. Die Aggregation dieser Einzelurteile
zu machen). Mit Hilfe dieser Vergleichsanker werden relative folgt aber wiederum psychologischen Gesetzmäßigkeiten, die
an Stelle absoluter Urteile gebildet. Relativ sind diese Urteile, zum Ziel haben, diese komplexe Aufgabe zu vereinfachen.
weil sie immer in Relation zu einem solchen Vergleichswert Die Einzelurteile werden meist sowohl gleichgewichtet als
getroffen werden. Dies war auch in Experiment 1 zu beob- auch kompensatorisch, das heißt additiv, zum Gesamturteil
achten. Dort wurde der subjektive Maximalpreis entweder in integriert. Dimensionen, auf denen es keine Unterschiede
Relation zum Preis der vorangehenden Einheit oder in Re- zwischen den Angeboten gibt, werden ignoriert. Übertra-
lation zu einem mentalen Budget bestimmt. Die insgesamt gen auf Experiment 4 bedeutet dies, dass Angebotspaar 1
aktuell zur Verfügung stehenden Vergleichsanker bilden die sehr vereinfachend etwa wie folgt verglichen wurde: „Der
„Bewertungssituation“. Diese Vergleichsanker können unter- Anschlusspreis ist bei beiden Angeboten gleich. Das Handy
schiedlich valide, das heißt unterschiedlich gut geeignet sein, bei Angebot A ist jedoch günstiger als bei Angebot B. Dafür
das anstehende Urteil zu unterstützen. Im Allgemeinen wäh- ist der monatliche Basispreis bei Angebot B in etwa gleicher
len Menschen den relevantesten der zur Verfügung stehenden Weise günstiger. Folglich sind auch die Angebote ungefähr
Anker aus. Sie lassen sich aber auch von irrelevanten Werten gleich.“ Dagegen könnte der entsprechende Urteilsprozess
beeinflussen, die in der Bewertungssituation „greifbar“ sind bei Angebotspaar 2 etwa so aussehen: „Der Anschlusspreis
(vgl. hierzu Experiment 5 in Bauer 2000, S. 191 ff.). In dem ist bei beiden Angeboten gleich. Das Handy bei Angebot A
Maße, wie irrelevante Vergleichsanker genutzt werden, ent- ist sehr viel günstiger als bei Angebot B. Der monatliche Ba-
stehen stabile Entscheidungsanomalien. sispreis ist jedoch bei Angebot B günstiger. Der Unterschied
Die Qualität dieser relativen Urteile wird aber nicht nur beim Handypreis ist jedoch zu Gunsten von Angebot A sehr
durch die Bewertungssituation determiniert, sondern auch viel größer als der beim monatlichen Basispreis. Also ist An-
durch die Tatsache beeinflusst, dass Menschen normaler- gebot A günstiger.“ Allem Anschein nach sind Konsumenten
weise nicht kontinuierlich, sondern kategorial urteilen, weil mehr daran interessiert, wie oft, als daran, wie viel sie sparen.
dies den Bewertungsprozess erst handhabbar macht. Men-
schen fällen also keine Urteile wie „der angegebene Preis Im Auto-Experiment von . Tab. 20.1 bleibt zum Beispiel weitge-
entspricht 73 % meines Maximalpreises“, sondern es werden hend unberücksichtigt, dass der Gesamtpreis des Autos zu 93 %
Urteile gefällt, die zum Beispiel den Kategorien „günstiger“, aus dem Preis für das Grundmodell besteht und dass die drei
„gleich teuer“ und „teurer“ entsprechen. Häufig, aber eben Einzelelemente, die zu der positiven und negativen Bewertung
nicht immer, sind solche Differenzierungen ausreichend, um führen, nur zwischen 2 und 2 % des Gesamtpreises ausmachen.
nahezu optimale Entscheidungen zu fällen. Dies illustriert . Abb. 20.3 noch einmal in beeindruckender
3. Annahmen zum Bewertungsprozess: Neben diesen Annahmen Weise. Die Probanden wurden gebeten, sowohl zu jedem einzel-
zur Bildung einzelner Urteile macht Bauer (2000, S. 140 ff.) nen Element als auch zum Gesamtangebot anzugeben, wie billig
auch verschiedene Aussagen zur Aggregation dieser Einze- oder teuer sie es jeweils finden. Die Korrelation der Einzelbe-
lurteile in Situationen, wo komplexere Optionen mit ver- wertungen mit dem Gesamturteil lässt sich als das Gewicht in-
schiedenen Leistungsdimensionen bewertet werden müssen. terpretieren, mit dem die Einzelbewertung in die Gesamtbewer-
Zentral ist hierbei die Annahme, dass sich die Bewertung tung einfließt. Ökonomisch sinnvoll wäre es, wenn hierbei die
408 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

Exkurs 20.5  Die Teuro-Illusion als Ergebnis von Einzelvergleichen und Vorerwartungen  |       | 
1
Was im Vergleich teurer und billiger aussieht, sich nur noch korrekte Ergebnisse. Dies muss für den IQ), übersah die tatsächlich vorhande-

2 ist durchaus eine Frage von Image, Einstellun-


gen und Vorurteilen – und das gilt auch für die
zwangsläufig zu einer Überschätzung der
Ergebnisse zu Gunsten der Verteuerung führen.
nen Zusammenhänge. Die einzige Bedingung,
in der die Probanden tatsächlich merkten,
Einzelvergleiche, die man für sein Preisgünstig- Der Mechanismus, den Traut-Mattausch welcher Zusammenhang in den Daten jeweils
3 keitsurteil zieht. Als im Jahr 2002 in Deutsch-
land der Euro eingeführt wurde, beruhte sein
(2004) hier am Beispiel des Euro nachgewie-
sen hat, deutet weit über die Wahrnehmung
bestand, war die, in der sie davon ausgingen,
dass sie den tatsächlichen Zusammenhang
Image nicht auf einer Gesamtbewertung, einer neuen Währung hinaus. Offenbar fällt nicht kennen dürften – hierzu erzählte man
4 sondern eben auf dem Ergebnis einzelner Ver-
gleiche – und diese Einzelvergleiche begüns-
es unserer Intuition sehr schwer, Muster in
Daten zu erkennen, selbst dann, wenn alle
ihnen, A stehe für die Kalziumaufnahme und B
für den durchschnittlichen Ruhepuls.
tigten damals die Illusion einer Verteuerung Informationen vorliegen und man eigentlich Wie wir sehen, steht uns unsere Meinung, wir
5 durch den Euro. In einer Reihe von Experimen- nur nachrechnen müsste. Dies zeigen auch wüssten ja längst Bescheid, beim Erken-
ten zeigte Traut-Mattausch (2004; vgl. auch die Experimente von Billmann et al. (1992). nen von Muster in der Umwelt und bei der
Traut-Mattausch et al. 2004) den Mechanismus Sie präsentierten ihren Probanden zwei Bildung unserer Einzelurteile sehr im Wege.
6 hinter dieser Fehleinschätzung. Um den neuen Messwertreihen A und B, die unterschiedlich Traut-Mattausch (2004) zeigte nun, dass ein
Preis gegenüber dem alten zu bewerten, eng miteinander zusammenhingen (je nach Grund für diese Unfähigkeit die selektive
rechnen Menschen normalerweise nicht genau Bedingung einmal positiv zu ca. r = .50, negativ Überprüfung der Einzelurteile ist. Wer ohnehin
7 nach, sondern überschlagen das Ergebnis. zu ca. r = .50 sowie unzusammenhängend zu schon glaubte, durch den Euro sei alles teurer
Hierbei spielt es eine entscheidende Rolle, ob r = .00). Zusätzlich erzeugten die Autoren bei geworden, prüfte jede widersprechende
es zu dem Ergebnis bereits eine Erwartung den Probanden unterschiedliche Erwartungen Evidenz genau und nahm jedes bestätigende
8 gibt. Dies war beim Euro der Fall. Es wurde be- daran, wie diese Daten zusammenhängen soll- Argument ungeprüft hin.
fürchtet, durch die neue Währung würde alles ten. Wenn zum Beispiel A für Körpergewicht Der Fehler, der durch eine solche Strategie

9 teurer. Wenn sich nun im Vergleich von DM-


und Euro-Preisen eine geschätzte Verteuerung
und B für tägliche Aufnahme von Kalorien
steht, erwarten Probanden eine positive
entsteht, verstärkt sich natürlich, je mehr
Gelegenheiten der Urteiler zu einer Prüfung
ergab, bestätigte dies die Erwartung. Damit Korrelation. Wenn dagegen A für die Menge hat, denn umso stärker kann er dann das

10 war die Schätzung plausibel und musste nicht


mehr geprüft werden. Wenn sich dagegen eine
an Niederschlag und B für die Menge an Son-
nentagen steht, erwarten Probanden eine ne-
Missverhältnis zwischen Argumenten, die
seine Erwartung stützen, und denen, die
Verbilligung ergab, wurde die Schätzung durch gative Korrelation. Die Probanden sollten die ihr widersprechen, ausbauen. Dies zeigt
11 genaues Nachrechnen geprüft und gegebe-
nenfalls korrigiert. Wenn man nun voraussetzt,
Messwertreihen betrachten und angeben, ob
sie einen Zusammenhang in Daten erkennen
Traut-Mattausch (2004) auch in einem ihrer
Experimente: Wenn Probanden besonders
dass bei Schätzungen immer mal wieder und können, wie hoch er vermutlich ist und natür- schnell urteilen sollen, wird der Fehler sogar
12 unsystematisch Fehler unterlaufen, ergibt sich
aus diesem Vorgehen eine deutliche Urteilsver-
lich welches Vorzeichen er hat. Die Ergebnisse
zeigen deutlich, dass den entscheidenden
geringer. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür,
dass ein hohes Involvement nicht immer dazu
zerrung. Die Einzelurteile, die auf eine Verteu- Einfluss stets die Vorerwartungen der Urteiler führt, dass sich die starken Argumente durch-
13 erung durch den Euro hinauslaufen, enthalten hatte. Wer einen positiven Zusammenhang er- setzen, eher im Gegenteil (für ein weiteres
sowohl korrekte als auch falsche Schätzungen, wartete, sah den auch in Daten, die eigentlich ▶
Beispiel siehe  Abschn. 18.1).
die nicht korrigiert wurden. Die Schätzungen, negativ korreliert waren. Wer davon ausging,
14 die eine Verbilligung durch den Euro anzeigen, dass die Daten unkorreliert sein müssten (z. B.
waren dagegen erwartungsdiskrepant und weil die Versuchsleiter erklärten, A stehe für
wurden daher noch einmal geprüft: Hier finden die Anzahl an weißen Blutkörperchen und B
15
Bewertung des Grundmodells das größte Gewicht erhält, denn Entscheider. Zum Beispiel geht die Conjoint-Analyse üblicher-
16 der Preis des Grundmodells hat den bei Weitem größten Anteil weise davon aus, dass der für die Entscheidung relevante Nut-
am Gesamtpreis. Tatsächlich aber findet sich von einer solchen zen unabhängig von den anderen zur Wahl stehenden Optionen
17 Differenzierung keine Spur. Wie es scheint, geht in der Tat jedes eingeschätzt wird. Außerdem unterstellt sie, dass Menschen aus
Einzelurteil mit dem gleichen Gewicht in das Gesamturteil ein. einzelnen Nutzenaspekten einer Option einen Gesamtnutzen bil-
Daraus ergibt sich eine klare Handlungsanweisung für die den und diesen dann mit dem Gesamtnutzen anderer Optionen
18 Kommunikation von Preisen: „Bündele alles, worin du eher teuer vergleichen. Beide Annahmen sind, wie wir oben gesehen haben,
erscheinst, und teile alles, worin du günstig aussiehst“ (vgl. auch unplausibel. Menschen geben keine reliablen Absoluturteile ab,
19 Bauer 2000). Für den Konsumenten bedeutet dies umgekehrt: und sie integrieren bei ihren Entscheidungen zwischen mehr-
„Verlasse dich bei der Bewertung von Preisgünstigkeit nicht auf dimensionalen Optionen nicht deren Teilnutzenwerte, sondern
20 deine Intuition, rechne lieber“ (▶ Exkurs 20.5). einzelne lokale Vergleiche. Anders gesagt: Menschen bilden keine
Gesamtrepräsentation des Nutzens, sondern vergleichen die Op-
Die TRE in der Conjoint-Analyse tionen auf einzelnen Merkmalsdimensionen und aggregieren
21 Die Theorie der relativen Einzelurteile lässt sich natürlich nicht dann die Ergebnisse dieses Vergleichs.
nur auf die Preiswahrnehmung anwenden, sondern gilt für Ent- Diese Strategien verwenden Menschen häufig, aber nicht
22 scheidungen allgemein. Sie eignet sich unter anderem zur Opti- immer. Dort, wo sie sie verwenden, begeht die klassische Con-
mierung von Vorhersagen auf Basis der Conjoint-Analyse. Dieses joint-Analyse Vorhersagefehler; sie müsste einem anderen Al-
Verfahren erlaubt es, den relativen Beitrag einzelner Produktat- gorithmus folgen, um das Verhalten der Konsumenten besser
23 tribute zum Gesamtnutzen zu ermitteln und auf dieser Basis Ent- zu treffen.
scheidungen vorherzusagen. Allerdings ist die theoretische Basis Um diesen Mangel der bisherigen Conjoint-Analyse aus-
der traditionellen Conjoint-Analyse noch immer der rationale zugleichen, stellen Bauer und Schneider (2007) die Multi-Ru-
20.4 • Preisstruktur
409 20

le-Conjoint-Analyse (MRC) vor. Deren Grundidee besteht viele Einzelvergleiche zu gewinnen. Aus Sicht der Prospect
darin, dass sie sich an die bevorzugte Entscheidungsregel des Theory wird so verhindert, dass ein immer größerer objek-
Anwenders anpasst. In einem Vorlauf wird zunächst ermittelt, tiver Gewinn sich subjektiv immer weniger gravierend nie-
mit welchem Algorithmus die Entscheidung der Person am bes- derschlägt. Die Gewinnfunktion verläuft konkav, und das
ten beschrieben wird. Auf dieser Basis wird dann entweder die bedeutet, dass der Zuwachs an Gewinn für immer größere
klassische Conjoint-Analyse verwendet, die das Ideal des ratio- Gewinne immer weniger stark empfunden, sozusagen „ge-
nalen Entscheiders modelliert, oder eine alternative Form, die nossen“, wird.
unterstellt, dass nach den Regeln der Theorie der relativen Ein- 2. Verluste sollte man als Ganzes ausweisen, das heißt weniger
zelurteile entschieden wird. attraktive Preise zusammenfassen. Dies erscheint als ein ein-
ziger Verlust und nicht als viele.
Hinzufügen von Attrappen bei 3. Wenn Vorteile wegfallen, sollte das auf keinen Fall einzeln
mehrdimensionalen Angeboten und isoliert kommuniziert werden, da dies die Verlustaversion
In ▶ Abschn. 9.2.4 haben wir den Attraktionseffekt kennen ge- weckt. Alternativ könnte in Frage kommen, den Wegfall eines
lernt: Wenn zu einer Menge von Optionen eine hinzugefügt wird, Vorteils in ein komplexeres Gesamtangebot zu integrieren.
kann dies die Präferenzrelationen zwischen den bisher betrach- 4. Wenn dagegen Verluste geringer werden, sollte das einzeln
teten Optionen verändern (vgl. auch Huber et al. 1982). Möchte kommuniziert werden.
man diese Strategie auf die Preiswahrnehmung anwenden, bieten
sich Produkte an, die aus mehreren Preisen bestehen (etwa der Was sind nun aus Sicht der Prospect Theory Verluste bei mehr-
oben genannte Mobilvertrag). Wenn Sie zwischen zwei Angebo- dimensionalen Angeboten? Ein ziemlich naheliegender Fall sind
ten schwanken und ein drittes kommt ins Spiel, das beim Preis Versandkosten. In vielen Beispielen des Online-Handels werden
für die Flatrate erheblich unattraktiver ist als die anderen, wird Versandkosten nicht einzeln berechnet oder entfallen ab einem
damit gleichzeitig die Relation zwischen den ursprünglichen bestimmten Bestellwert. Das scheint auch einen guten Grund
Optionen verändert. Die Option, die bislang die teuerste war, zu haben, denn selbst wenn diese Extrakosten gering sind, lö-
ist nun nur noch „mittelteuer“, was Folgen für die Attraktivität sen sie doch Verlustaversion aus. So verlangte etwa Amazon in
haben kann. Frankreich einen nur noch symbolischen Preis von 1 Franc als
Die Theorie der relativen Einzelurteile kann diesen Attrakti- Frachtgebühr, ohne dass dies gegenüber einem exakt berechneten
onseffekt sehr einfach erklären. Betrachten Sie hierzu das Pizze- Porto zu mehr Bestellungen geführt hätte (Metzger 2008, S. 40).
ria-Beispiel aus ▶ Abschn. 9.2.4. In . Tab. 9.3 sind drei Pizzerien Die Verlustaversion schweigt erst bei einem Gratisversand. Der
aufgeführt, von denen im Grunde nur zwei in Frage kommen. Sprung von einem noch so geringen Preis auf null wird eben
Die dritte allerdings führt die Entscheidung für eine der bei- als unverhältnismäßig groß erlebt – dies ergibt sich direkt aus
den herbei, indem sie dafür sorgt, dass eine der beiden mehr dem Verlauf der Wertfunktion um den Referenzpunkt (siehe
Einzelvergleiche gewinnt als die andere. Wenn Konsumenten . Abb. 8.1).
nämlich so entscheiden, wie die Theorie der relativen Einzelur- Diesen unverhältnismäßig großen Sprung dokumentieren
teile vorsieht, dann vergleichen sie die Optionen paarweise und die Experimente von Shampanier et al. (2007). Sie boten ihren
zählen aus, wie oft jede Option diesen Paarvergleich gewinnt. Probanden Lindt-Pralinen für 0,15 Dollar an – gegenüber dem
Im Beispiel von . Tab. 9.3 „gewinnt“ Pizzeria Venezia zwei von Marktpreis von 0,50 Dollar ein Schnäppchen. Alternativ konnten
vier Vergleichen und „verliert“ einen. Pizza Sole dagegen verliert die Probanden einfache Pralinen, Hershey’s Kiss, für 0,01 Dol-
und gewinnt jeweils genau zwei Vergleiche. Wenn sich Gewinn lar bekommen. Für Schokoladenliebhaber fällt das Preis-Leis-
und Verlust gegenseitig kompensieren können, ist Venezia der tungs-Verhältnis hier klar zu Gunsten von Lindt aus. Dem ent-
eindeutige Sieger. sprechend entschieden sich 73 % der Probanden für die Pralinen
Das Hinzufügen einer Attrappe, also einer indiskutablen wei- zu 0,15 Dollar. In einer weiteren Bedingung senkten die Autoren
teren Option, kann auch dazu führen, dass bestimmte Aspekte den Preis für beide Pralinen um 1 Cent. Damit waren die Hers-
des Angebots mehr Aufmerksamkeit erhalten. Wenn sich der hey’s Kisses gratis – und dem konnten auch die Feinschmecker
Wertebereich für eine Merkmalsdimension erhöht, wird dieser unter den Probanden nur schwer widerstehen, und das Ver-
von Entscheidern aufgewertet; er erscheint unverhältnismäßig hältnis kehrte sich um: 60 % der Teilnehmer bevorzugten nun
wichtig (vgl. Kahneman und Tversky 1979, „isolation effect“). die Gratispraline. Wenn also die Verlustaversion komplett aus-
geschaltet ist, verschieben sich Präferenzen unverhältnismäßig
stark hin zur Gratisoption – und dies spricht stark dafür, keine
20.4.2 Gewinne und Verluste bei Versandkosten zu erheben.
mehrdimensionalen Angeboten Allerdings gibt es auch Effekte, die das Verlusterleben bei
Versandkosten abmildern. Entscheidend ist hier die Vergleich-
Aus der TRE lassen sich für die Preiskommunikation Empfeh- barkeit der einzelnen Angebotsdimensionen. Verluste in Form
lungen ableiten, die ähnlich auch auf Basis der Prospect Theory von Kosten sind gedanklich relativ leicht zu einem einzigen Ver-
formuliert würden. Diese könnten wie folgt lauten (Bauer 2000; lust zu integrieren, selbst wenn sie getrennt ausgewiesen werden.
Liu und Soman 2008, S. 662 f.): Mit anderen Worten: Solange die Nachteile in gezahlten Euro
1. Gewinne bzw. vorteilhafte Preise sollte man getrennt auswei- bestehen, können Konsumenten auch ganz von selbst und au-
sen. Aus Sicht der TRE verschafft das die Chance, möglichst tomatisch die Operation vollziehen, die dem oben angeführten
410 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

Exkurs 20.6  Preisstruktur im Dienste der Selbstkontrolle  |       | 


1
Die Entkopplung von Konsumeinheiten Produkt wie Zigaretten oder Kartoffelchips in Umgekehrt sollte es daher auch von Vorteil

2 und Preis wirkt preisgünstig und ermöglicht


sozusagen einen „unbeschwerten“ Konsum.
Großpackungen oder gar mit Mengenrabatt
zu verkaufen. Beides sind Produkte, deren
sein, einen Preis für virtue goods (z. B. Ausbil-
dung oder Gesundheit) als einen Preis pro
Diesen Gedanken kann man auch umkeh- Konsum die meisten Konsumenten in Grenzen Konsum darzustellen (gegebenenfalls reicht
3 ren. Das Aufteilen der Kosten und die damit
erhöhte Verlustaversion ist eine Möglichkeit
halten wollen und daher die Strategie, diese
Produkte eher einzeln statt in Großpackungen
hier eine Umformulierung), um die Nutzung zu
verstärken.

der Selbstkontrolle (  Abschn. 5.5.2). Dies zu kaufen, bevorzugen. Zum einen legen sich Das öffentliche Fernsehen macht Werbung
4 zeigt Wertenbroch (1998). Er unterscheidet
zwischen „Tugend“-(virtue-) und „Laster“-(vice-)
die Konsumenten durch den Kauf einzelner
Produkte möglicherweise extra Kosten auf,
für einzelne Programme, indem es darauf
hinweist, dass diese mit den Gebühren der
Konsum und kann zeigen, dass Menschen die indem sie beispielsweise auf Mengenrabatte Zuschauer finanziert wurden. Dies macht
5 Vorteile von Rabatten und Bündelung deutlich verzichten. Zum anderen erhalten sie die den Zusammenhang zwischen Zahlung und
weniger nutzen, wenn es um vice-Produkte Assoziation zwischen Konsum und Bezahlung Konsum salient und soll daher motivieren,
(z. B. Zigaretten) geht. Das bedeutet, dass aufrecht und bekräftigen so ihr Ziel, den Kon- sich das Programm, das man ja bezahlt hat,
6 es für den Händler weniger Sinn macht, ein sum zu kontrollieren bzw. zu reduzieren. anzuschauen.

7 Ratschlag 2 entspricht: die Kosten zu einem einzigen Wert agg- gaben wie absolute Werte gedeutet werden (eine Reduktion von
regieren. zuerst 20 % und danach noch einmal von 25 % wirkt größer als
Für die Vorteile eines Kaufs ist das nicht so einfach. Wenn die Gesamtersparnis von 40 %; Chen und Rao 2007; siehe auch
8 sich der Kunde ein Sofa für einen Aufpreis liefern lässt, dann hat ▶ Exkurs 19.1). Ein weiterer Effekt von multiplen Rabatten ist
er auf der Verlustseite die Kosten für das Sofa und die Kosten für aber auch, dass Konsumenten in der Tat das Gefühl haben, „häu-
9 die Lieferung. Das sind zwar zwei Verluste, aber sie sind relativ figer“ zu sparen, was nach der TRE besonders attraktiv ist. Dies
leicht zu einem Verlust zu integrieren, nämlich zu dem Gesamt- wäre dann eine Anwendung der vierten Empfehlung von oben.
10 preis für Kauf mit Lieferung. Prozentangaben sind von vornherein nicht so leicht in eine
Gleichzeitig hat er aber mindestens zwei Vorteile, nämlich Einheit zu übersetzen; daher liegt es für sie näher, sie einzeln zu
das Sofa selbst (das übrigens auch leicht aus mehr als einem betrachten. Aus diesem Grund ist das Splitten von Angebotskom-
11 Vorteil bestehen kann) und die Bequemlichkeit der Lieferung. ponenten wirksamer, wenn Preisänderungen in Prozent angege-
Diese beiden Vorteile sind nicht in derselben Einheit messbar, ben werden – im Vergleich zu absoluten Werten.
12 sie sind „inkommensurabel“. Daher werden sie eher als einzelne,
voneinander trennbare Vorteile wahrgenommen. Das heißt auch,
dass jeder dieser Vorteile mit dem Gewicht in die Bewertung 20.4.3 Gebündelte Preise, Flatrates
13 eingeht, die er vom Nullpunkt der Wertfunktion aus hätte, und und Produktabschreibung
nicht mit dem, den er als Zuwachs gegenüber dem bereits beste-
14 henden Vorteil hat. Das sorgt dafür, dass für den Konsumenten Eine der populärsten Preisstrukturen ist sicherlich die Flatrate,
die Vorteile bei einer Splittung der Preise in unterschiedliche also die einmalige Pauschalzahlung, nach der dann keine Ein-
15 Komponenten die Vorteile überproportional gewichtet werden heiten mehr zu zahlen sind. Was macht Flatrates so attraktiv?
und die Betonung einzelner Preise (= Verluste) nicht so schwer Zum einen ist es sicherlich die mentale Entkopplung zwischen
ins Gewicht fällt (Chakravarti et al. 2002; Morwitz et al. 1998). Zahlung und Konsum. Würde man jeden Konsum einzeln be-
16 Insofern kann man die Empfehlungen von oben wie folgt prä- zahlen, würde die Verbindung zwischen Konsum und Zahlung
zisieren: Stelle alle Verluste in derselben Einheit dar und halte sie salienter. Damit wird die Verlustaversion für jede einzelne Kon-
17 vergleichbar. Es sollte möglichst einfach sein und sich geradezu sumhandlung stärker (▶ Exkurs 20.6). Die Flatrate verschleiert
anbieten, die negativen Seiten zu einem einzigen Verlust zusam- diese Verbindung, macht sie uneindeutig und erlaubt sehr un-
menzufassen. Die Vorteile dagegen sollten nicht so leicht in eine terschiedliche mentale Buchungen.
18 Einheit zu überführen sein, damit sie alle einzeln bewertet wer- Zum anderen ist es dank der Entkopplung möglich, die Preise
den. Das kann man gelegentlich auch dadurch forcieren, dass man für einzelne Produkteinheiten (z. B. einzelne Mahlzeiten bei einer
19 einen geldwerten Vorteil nicht direkt in Euro ausgibt, sondern als Pauschalreise oder einzelne Gespräche bei einer Telefonflatrate)
Rabattpunkte oder Bonusmeilen (Liu und Soman 2008, S. 663). im Vergleich zum Gesamtpreis niedrig erscheinen zu lassen.
20 Übrigens müsste sich der Effekt umkehren, wenn die Ge- Was es bedeutet, den Konsum von der Zahlung abzukop-
winne kommensurabel und die Verluste inkommensurabel sind. peln, zeigen Soman und Gourville (2001) in mehreren Experi-
Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Arbeitnehmer für den menten, zum Beispiel bei den Skifreunden Ernie und Bert, die
21 Arbeitgeber eine Reihe von sehr unterschiedlichen Opfern brin- beide einen viertägigen Skiausflug machen. Ernie hat für jeden
gen muss und dadurch jeweils mit Geld entschädigt würde. Tag einen Skipass im Wert von 40 Dollar bezahlt, während Bert
22 Die vorausgegangenen Überlegungen unterstreichen auch ein Vier-Tages-Ticket für 160 Dollar erworben hat. Nun stellt
noch einmal den Vorteil von multiplen Rabatten. Wenn auf ei- sich heraus, dass am letzten Tag eher schlechte Skibedingungen
nen bereits reduzierten Preis ein weiterer Rabatt gewährt wird, herrschen. Beide haben ihren Skitag schon bezahlt. Wer wird
23 hat dies einen höheren subjektiven Wert, als wenn die gesamte nun eher auch unter schlechten Bedingungen fahren, Ernie mit
Ersparnis als ein einziger Preisnachlass gewährt wird (Mazumdar seinem ungenutzten Tagesticket oder Bert mit seiner zu drei
und Jun 1993). Dies geht zum Teil darauf zurück, dass Prozentan- Viertel verbrauchten „Flatrate“? Die Bereitschaft zu einer nicht
20.4 • Preisstruktur
411 20

ganz so erfreulichen Konsumhandlung ist auf jeden Fall größer, Die bisherigen Beispiele lassen vermuten, dass es nicht klug
wenn dieser Konsum extra bezahlt wurde, und weniger groß, ist, einzelne, gar täglich anfallende Kosten im Verkauf in den
wenn der Preis Teil einer größeren und zuvor bereits geleisteten Vordergrund zu stellen – zumindest dann nicht, wenn man den
Zahlung war. Eindruck von Preisgünstigkeit vermitteln will. Das ist allerdings
Dies ist eine Variante des Ausgaben- bzw. Sunk-Cost-Effekts nicht ganz korrekt. Auch für eine Flatrate gilt, dass man sie bes-
(▶ Abschn. 11.4.5): Vermutlich würde es den beiden Skifreunden ser als kleine Ausgabe bewirbt, und zwar durch die Gestaltung
mehr Nutzen bringen, wenn sie den vierten Urlaubstag nicht auf der Preisstruktur (im weiteren Sinne): Eine Mitgliedschaft im
der Skipiste verbringen. Aber die bereits getätigte Investition soll Fitness­club, die nur 50 Cent am Tag kostet, ist attraktiver als
gerechtfertigt werden – und der Druck hierzu ist umso größer, je eine Jahreskarte für € 180 (Gourville 1998). Der Grund hierfür
stärker die Investition mit dem Konsum assoziiert wird. liegt zunächst wieder in der grundsätzlichen Unfähigkeit des
Soman und Gourville (2001) interpretieren diesen Sunk- Menschen, absolute Urteile abzugeben. Beide Beträge müssen
Cost-Effekt über die Bildung von mentalen Konten (sie folgen in Beziehung gesetzt werden, damit man sie bewerten kann. Und
darin Thaler 1985): Der Konsument eröffnet beim Bezahlen ein hierbei wird der niedrige Einzelbetrag eher in einen Kontext von
mentales Konto zur Transaktion (das auch für die Transaktion kleinen trivialen und alltäglichen Ausgaben gestellt, zum Beispiel
spezifisch ist) und schließt das Konto wieder, wenn das Gut voll- für eine Tasse Kaffee oder eine Zeitung. Der höhere Betrag wird
ständig konsumiert ist. dagegen auch mit höheren Ausgaben verglichen. Diese mentale
Diese Zuordnung kann aber erschwert werden, was dann zu Kategorisierung (▶ Abschn. 7.3) bzw. dieses Framing (▶ Ab-
einem abgeschwächten Sunk-Cost-Effekt führt. Eine solche Ab- schn. 8.3.3) macht also die Darstellung mit den kleinen Beträgen
schwächung tritt ein, wenn man zum Beispiel nicht bar bezahlt, zumindest anfangs attraktiver. Gourville (1998) nennt diese Stra-
sondern mit Kreditkarte oder Bankeinzug, eine andere, wenn tegie „Pennies-a-Day“ (PAD-Strategie) – und im „Penny“ liegt
Preise gebündelt werden. Eine dritte Möglichkeit zur Abschwä- auch ihre Wirksamkeit: Es muss natürlich in der Tat bei einem
chung entsteht, wenn zwischen Zahlung des Preises und dem trivialen Betrag bleiben, den die Flatrate täglich kostet, sonst ist
Konsum viel Zeit vergangen ist. Gourville und Soman (1998) das Aufsplitten der Kosten nicht wirksam.
sprechen in solchen Fällen von „payment depreciation“ („Ab- Oben habe ich betont, dass Konsumenten die Kosten für
schreibung der Kosten“); die Abschreibung kann so weit gehen, ihre Güter über die Zeit abschreiben. Die Abschreibung beginnt
dass der Konsum praktisch gratis erscheint, wenn die Voraus- mit dem Kauf eines Guts. Über die Zeit entsteht für das Gut ein
zahlung nur lang genug her ist. Entscheidend ist, dass in allen Buchwert, und dieser Wert ist der subjektive Verlust, wenn das
genannten Fällen die Zuordnung von Preis bzw. der Zahlung des Produkt zum Beispiel verloren geht oder durch ein anderes er-
Preises und dem Gut deutlich erschwert ist. setzt wird. Wie wichtig hierbei subjektive mentale Konten sind,
Soman und Gourville (2001) arbeiten diese Punkte heraus zeigt sich in folgendem Phänomen: Konsumenten können eine
und belegen sie. Die Gründe dafür, dass geringere Sunk-Cost- mittelmäßig gute Kamera durch eine neue ersetzen. Bei diesem
Effekte auftreten, wenn Preise gebündelt werden, sind offenbar Ersatz verkauft der Händler entweder die neue Kamera für ei-
sowohl kognitiv als auch motivational. Betrachten wir hierzu nen Rabatt von 80 Euro, oder er nimmt die alte für 80 Euro in
die Inhaber eines Theaterabonnements gegenüber den Besitzern Zahlung. Hierbei bevorzugen Konsumenten die letztere Vari-
einer Einzelkarte. Die Kosten sind identisch, im Rahmen des ante, da sie Gefühl haben, den Verlust des Buchwerts geringer
Abonnements kostet der einzelne Besuch umgerechnet genauso zu halten (Okada 2001). Für Händler ist es also von Vorteil, den
viel wie als Einzelkarte. Trotzdem sind die Abonnenten eher be- Konsumenten das Gefühl zu geben, ihr abgeschafftes Produkt
reit, einen Besuch auszulassen, und Soman und Gourville (2001) sei noch für irgendetwas bzw. irgendjemanden nützlich. Diese
argumentieren nun so, dass sie entweder kognitiv den Besuch Einschätzung steigert – jenseits der ökonomischen Erstattung
nicht ihrer Investition, den bereits geleisteten Kosten, zuordnen des Residualwerts – die Bereitschaft, ein altes gegen ein neues
oder motivational den Konsum ohnehin gern vermeiden würden. Produkt einzutauschen.
Die mentale Abschreibung von Anschaffungskosten veran- In einem Experiment erklärte Okada (2001) ihren Proban-
schaulichen Gourville und Soman (1998) anhand von unter- den, dass das Gut, das sie ersetzen können, von einer anderen
schiedlichen Preisstrukturen für Fitnesscenter. Man kann jähr- Person (einem Verwandten) noch gern benutzt würde, dass also
lich, halb- oder vierteljährlich oder monatlich zahlen. Es zeigt andere Leute Interesse an dem Gut haben. Dies hat mindestens
sich immer ein Abschreibungseffekt: Die Nutzung nimmt nach zwei positive Konsequenzen für den Händler: Die Konsumenten
der Zahlung über die Zeit immer weiter ab und steigt erst wie- sehen es als weniger attraktiv an, das Gut in Zahlung zu geben
der an, wenn eine neue Zahlung gemacht wird. Damit ist die – sie geben es lieber dem Freund oder dem Verwandten –, und
Nutzung bei der monatlichen Zahlweise am höchsten. Außer- sie sind eher bereit, ihr altes Gut durch ein neues zu ersetzen.
dem zeigt sich aber auch, dass bei einer jährlichen Zahlung die Ein denkbarer Nachteil ergibt sich aber auch: Mit dem Wissen,
Motivation für die Erneuerung des Abos zum Zeitpunkt, zu dem dass es andere gibt, die das Gut noch nutzen würden, steigt auch
es erneuert werden müsste, am niedrigsten ist, denn da ist auch dessen Residualwert – und damit steigt auch der Preis, den die
die Nutzung praktisch am Tiefpunkt. Diese Erkenntnisse sind Kunden verlangen würden, wenn sie es nicht verschenken, son-
für Anbieter von großer Bedeutung, sei es dass sie den Einsatz dern eben doch in Zahlung geben.
von Personal anhand solcher Verläufe besser planen, sei es aber Ob Freunde oder Verwandten die alten Laptops oder MP3-
auch, dass sie die Chancen für die Erneuerung von Abonnements Player der Kunden noch nutzen wollen, kann ein Händler natür-
besser einschätzen können. lich nicht wissen. Daher gibt es als alternative Strategie die Mög-
412 Kapitel 20  •  Geld- und Preispsychologie

lichkeit, die Güter, die in Zahlung gegeben werden, für wohltätige


1 Zwecke zu spenden. Wenn bestimmte bedürftige Personengrup-
pen von den genutzten Geräten profitieren, erhöht auch das die
2 Bereitschaft der vorherigen Besitzer zum „Upgrade“. Wichtig ist
hierbei in der Tat die Vorstellung eines sinnvollen Gebrauchs. Die
Vorbesitzer würden sich weniger für eine Erneuerung gewinnen
3 lassen, wenn die Händler im Gegenzug zum Neukauf nicht das
gebrauchte Gut, sondern einen Geldbetrag für wohltätige Zwecke
4 spendeten (Okada 2001).
Die Wiederverwertung ist also ein möglicher Katalysator für
5 Neuanschaffungen. Allerdings sorgt das Bewusstsein dafür, dass
das Gut wiederverwertet werden kann, wiederum für höhere Re-
sidualwerte bzw. einen langsameren Verfall an Wert. Natürlich
6 wäre es aus Händlersicht attraktiver, wenn die Produkte aus Sicht
der Kunden sehr viel schneller an Wert verlieren. Eine Möglich-
7 keit hierzu ist das, was Verbraucherschützer als „geplante Ob-
soleszenz“ bezeichnen (z. B. ▶ http://www.murks-nein-danke.de,
Abruf 25.2.2014). Damit ist gemeint, dass Produkte bereits von
8 vornherein mit Schwachstellen hergestellt werden, die im (für
den Hersteller) günstigsten Fall kurz nach Ablauf der Garantie-
9 zeit zu einem Totalausfall des Geräts führen.
Okada (2001) belegt noch eine weitere, etwas subtilere Strate-
10 gie für Anbieter, die ebenfalls zu einem schnelleren Werteverfall
führt. Sie erläutert dies am Beispiel eines Herstellers für Skier.
Jedes Jahr werden neue Modelle auf den Markt gebracht, und für
11 den Hersteller wäre es attraktiv, wenn möglichst viele Kunden
auch jedes Mal vom alten auf das neue Modell aufrüsten. Da
12 sich der Wert der eigenen Skier unter anderem daran bemisst,
wie teuer es wäre, Skier zu leihen, „zahlt“ sich der Kauf umso
schneller aus, je höher die Leihgebühr ist. Wenn also die Leih-
13 gebühren hoch genug liegen, machen sich gekaufte Skier schon
innerhalb von kurzer Zeit subjektiv bezahlt und können daher
14 auch umso schneller durch neue ersetzt werden. Diese Strategie
fördert zwar nicht das Geschäft mit Leihskiern, wohl aber den
15 Verkauf von neuen (Okada 2001).

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413 21

Messung der Werbewirkung und


Methoden der Marktforschung
Georg Felser

21.1 Der Graben zwischen Marktforschern und Praktikern  –  414


21.1.1 Die Bäuche der Kreativen  –  415
21.1.2 Das Dilemma der Werbewirkungsforschung  –  415

21.2 Erhebungsansätze – 416
21.2.1 Explorative Forschung – 416
21.2.2 Deskriptive Forschung – 417
21.2.3 Kausale Forschung – 417
21.2.4 Qualitative und quantitative Forschung  –  419
21.2.5 Das Problem der abhängigen Variablen  –  420

21.3 Messmethoden und Variablen in der Marktforschung  –  420


21.3.1 Aufmerksamkeit – 421
21.3.2 Gedächtnis – 422
21.3.3 Informationsverarbeitung – 423
21.3.4 Die Produkthandhabung – 424
21.3.5 Werthaltungen, Motivation und Emotion  –  425

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
414 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

Zusammenfassung: Marktforschung bedeutet nicht allein, dass die Wirkung einer


1 1. Bei den wissenschaftlichen Methoden kann man zwischen ex- Marketingmaßnahme überprüft wird. Gerade wenn ein Produkt
plorativer, deskriptiver und kausaler Forschung unterscheiden. neu eingeführt wird, ist die Marktforschung gefragt. Durch Moti-
2 Die stärksten Argumente für kausale Aussagen liefern Experi- vanalysen oder Produkttests sollen die Chancen einer Innovation
mente. Von einem Experiment kann man nur sprechen, wenn auf dem Markt abgeschätzt werden. Dies ist eine wichtige Auf-
folgende vier Bedingungen erfüllt sind: gabe, wenn man bedenkt, „dass beispielsweise ein Unternehmen
3 – Vergleich einer Experimental- mit einer Kontrollgruppe, wie Siemens heute rund 50 Prozent seines Umsatzes mit Pro-
– aktive Manipulation der experimentellen Bedingungen dukten macht, die es vor fünf Jahren noch gar nicht gab“ (Sal-
4 durch den Experimentator, cher 1995, S. 207). Die Marktforschung gibt ihre Antworten an
– zufällige Verteilung der experimentellen Bedingungen auf unterschiedlichen Stellen der Produktentwicklung oder Werbe-
5 die Gruppen, planung. Vor jeder Marketinganstrengung will man zum Beispiel
– zufällige Zusammenstellung von Experimental- und Kont- wissen, ob ein bestimmtes Angebot überhaupt eine Chance auf
rollgruppen. dem Markt hat. Bei der Produktgestaltung stehen dann vielleicht
6 2. Qualitative Daten bestehen meist aus verbalem Material (etwa verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die Merkmale des
aus Interviews oder Gruppendiskussionen). Sie werden häufig Produkts zu kombinieren. Solche Fragen lassen sich ökonomisch
7 für explorative Zwecke erhoben, eignen sich aber auch zum Tes- mit Hilfe des conjoint measurement beantworten. Im Vorfeld ei-
ten von Hypothesen. ner Kampagne geht es dann um die Zielgruppenbestimmung, die
Werbekonzeption und die Gestaltung der Werbemittel. Im Nach-
8 3. Sowohl Werbemittel als auch Produkte können in der Entwick-
lung intensiv durch Marktforschung begleitet werden. Die Er- hinein sind das die Werbewirkungskontrollen, die Erfolgsanaly-
gebnisse von Pretests können rückkoppelnd auf die Gestaltung sen und die Änderung von der Einführungs- zur Fortführungs-
9 wirken. Im günstigsten Fall werden die fertigen Produkte im und Erinnerungswerbung (Salcher 1995, S. 253, Abb. 53). An
Posttest evaluiert. allen diesen Punkten ist Marktforschung erforderlich.
10 4. Zur Messung von Aufmerksamkeit werden Konsumentenbe- Die Marktforschung beginnt nicht unbedingt mit der Erhe-
obachtung und Aufzeichnung der Blickbewegung eingesetzt. bung von Daten. Oft lassen sich Fragen beantworten, indem man
Beide Methoden eignen sich auch, um die Produkthandhabung auf bereits vorliegende Daten zurückgreift, die zu anderen Zwe-
11 zu untersuchen. cken erhoben wurden, sogenannte Sekundärdaten. Erste Lösungen
5. Gedächtniseffekte werden mit Hilfe des freien und unterstütz- ergeben sich schon aus der Analyse der eigenen oder offizieller Sta-
12 ten Erinnerns sowie des Wiedererkennungstests nachgewie- tistiken, veröffentlichter Daten aus der Wirtschaftspresse bzw. der
sen. Tests für das implizite Erinnern sind noch immer eher sel- statistischen Bundes- und Landesämter oder allgemein zugäng-
licher Datenbanken (Kotler und Bliemel 1995, S. 193 ff.; Salcher
13 ten.
6. Die Informationsverarbeitung der Konsumenten kann zum Bei- 1995, S. 10 f.). Bei spezifischen Problemen wird dagegen häufig
spiel durch Verbalprotokolle erhoben werden. eine eigene Erhebung von Primärdaten notwendig. Mit diesem
14 7. Motivation und Emotion der Konsumenten spielen bei der Mes- Problem beschäftigen wir uns im Folgenden. Die Frage nach der
sung von Werbewirkung eine besondere Rolle. Folgende Verfah- späteren Datenauswertung wird in diesem Buch nicht behandelt.
15 ren sind gebräuchlich:
– Projektive Tests: Zu einem vieldeutigen Material soll frei as-
soziiert werden. Die emotionale Befindlichkeit spiegelt sich 21.1 Der Graben zwischen Marktforschern
16 nach der theoretischen Idee in den spontanen Assoziatio- und Praktikern
nen.
17 – Physiologische Reaktionen: Pupillenreflex, Hautwiderstand „Axel Dahm, Marketingvorstand bei Reemstma, gibt sich ket-
oder Hirnaktivitäten sind normalerweise willentlich nicht zerisch: ‚Werbeforschung ist in hohem Maße sinnvoll. Sie dient
dazu, politische Spielchen zu spielen und Vorstände zu überzeu-
18 kontrollierbar. Daher gelten sie als ein weitgehend unver-
fälschtes Maß für emotionale Zustände und Prozesse. Neu- gen oder auszuschalten. Mit der Werbeidee hat sie aber nichts
ere Verfahren erlauben eine unaufwendige Registrierung zu tun.‘ Jochen Pläcking, Deutschland Chef von DDB Needham
19 von Gesichtsmuskelaktivitäten. Worldwide, schlägt in die gleiche Kerbe: ,Wir Kreativen glauben,
– Reaktionszeit: Die Zeit, die eine Person für bestimmte Reak- dass die Marktforschung die kreative Idee rundlutscht. Diese ver-
20 tionen braucht, gibt Aufschluss über die kognitive Verfüg- liert dann ihre Schlagkraft im Markt.‘ Und Veronika Claßen, Kre-
barkeit der Reaktionen. Diese Verfügbarkeit hängt mit Emo- ativchefin von D’Arcy Deutschland, bedauert, dass sich die Mana-
tionen und Bewertungen gegenüber den Zielgegenständen ger nicht mehr auf ihr Bauchgefühl verlassen“ (Schüür-Langkau,
21 zusammen. 2000, S. 193). Gräben tun sich auf, und der Ruf nach Abschaffung
– Befragung: Nach Motivation und Emotion kann man Kon- der Marktforschung wird laut: „Pläcking: ,Kreative Entscheidun-
22 sumenten direkt fragen. Befragung ist eine der zentralen gen sollten ohne Absicherung durch Forschung mit Kopf und
Methoden der Marktforschung. Einen großen Raum neh- Bauch gefällt werden‘“ (Schüür-Langkau, 2000, S. 193).
Im Gegenzug werfen Marktforscher Kreativen und Manage-
23 men hierbei computergestützte Methoden ein, bei denen
Probanden die Antworten selbständig eingeben. Erwar- ment vor, sie schöpften die Möglichkeiten der Marktforschung
tungsgemäß sind hier Versuchsleitereffekte besonders ge- nicht annähernd aus. Aus Kostengründen bleibe es immer bei
ring. Gruppendiskussionen und Explorationen. Dabei sei die Markt-
21.1  •  Der Graben zwischen Marktforschern und Praktikern
415 21

forschung als Brücke zur Zielgruppe unentbehrlich. „Wenn jeder Das gilt wohl gleich aus mehreren Gründen nicht. Zum einen
Kreative den direkten Kontakt zur Zielgruppe hätte, wäre Markt- fehlen einer Einzelperson in der Regel für ihre Entscheidungen
forschung überflüssig“ (Litzenroth, GfK; zit. n. Schüür-Langkau, die hohen Fallzahlen. Hin und wieder wird auch der Bauch Hun-
2000, S. 193). ger nach größeren Portionen verspüren – mit anderen Worten:
Diese Zitate illustrieren einen problematischen Status quo, Manchmal ist auch ein tiefer Kenner der Zielgruppe froh, wenn
den ich bereits in ▶ Abschn. 1.8.1 angedeutet habe: Die Kom- sich seine Erwartungen an einer großen Stichprobe bestätigen.
munikation zwischen Wissenschaft und Praxis ist noch immer Zum anderen ist es keineswegs so, dass der bloße Kontakt
schlecht, Gestalter der Werbung sehen ihre Bedürfnisse von der zur Zielgruppe bereits zu verwertbaren Erkenntnissen führt. Ich
Forschung kaum befriedigt, und die Forscher haben das Gefühl, hoffe, Sie folgen mir darin, dass man aus den vorangegangenen
ihre tatsächlichen Qualitäten nicht zeigen zu können. Kapiteln hier und da auch einmal eine konkrete Praxisempfeh-
lung ableiten kann. Mag sein, dass Sie viele Inhalte schon kannten
und vieles schon wussten. Aber auf Ehre und Gewissen: Wussten
21.1.1 Die Bäuche der Kreativen Sie es deshalb, weil Sie die Zielgruppe kannten oder dazugehö-
ren? Oder nicht vielleicht doch deshalb, weil es Großmutter oder
Ein Teil der Probleme mag auf der Tatsache beruhen, dass Ent- David Ogilvy schon wussten oder weil Sie schon einmal ein ande-
scheidungen, die subjektiv „aus dem Bauch“ heraus getroffen res Buch über Konsumentenverhalten in der Hand hatten? Also:
wurden, oft mindestens genauso gut funktionieren wie kompli- Der Kontakt zur Zielgruppe ist nicht so wichtig wie die theoreti-
zierte Algorithmen (z. B. Gigerenzer et al. 1999). So mögen die sche Idee, die Interpretation für das menschliche Verhalten. Und
Kreativchefin und der Manager mit Recht den Eindruck haben, die Forschung ist eben eine Quelle für theoretische Ideen – nicht
gut gefahren zu sein, wenn sie ihre Entscheidungen mit Hilfe die einzige, aber sicher eine der wichtigsten.
einfacher Faustregeln getroffen haben. Diese einfachen Faustre- Zum Dritten: Forschung ist auch deshalb für den erfolgrei-
geln können zum Beispiel die Verfügbarkeits- oder Rekogniti- chen Bauch nicht entbehrlich, weil die intuitive Strategie eben auf
onsheuristik sein (▶ Kap. 9); bei Anwendung solcher Verfahren Faustregeln beruht, die ihrer Natur nach nicht immer greifen. Die
haben diese Entscheidungsträger dann das Gefühl, „intuitiv“ Forscher sollten die Praktiker nicht davon abhalten, ihre Bäuche
vorgegangen zu sein. zu befragen. Sie sollten vielmehr versuchen, diese Bauchstrate-
Was bedeuten diese Erkenntnisse für den Graben zwischen gien zu verstehen, und wenn sie die erfolgreichen kennen, sollten
Marktforschung und Praxis? Sehr viel. Zum Ersten muss man sie über die Bedingungen wachen, wann eine Faustregel noch
sich wohl von der Idee verabschieden, die beste Entscheidung sei erfolgreich und wann sie verfehlt ist.
die, bei der alle verfügbaren Informationen wirklich genutzt wer-
den. Der Aufwand bei der Berücksichtigung aller Informationen
wird durch den Gewinn an Treffsicherheit bei der Entscheidung 21.1.2 Das Dilemma
oft nicht aufgewogen. Zu wissen, dass eine bestimmte Größe re- der Werbewirkungsforschung
levant ist, bedeutet noch keine Verpflichtung, diese Größe bei der
Entscheidung zu berücksichtigen. Marktforschung ist in aller Regel auf ein konkretes Thema, eine
Möglicherweise ist es gerade diese Forderung an eine rati- bestimmte Kampagne gerichtet. Die meisten Erkenntnisse der
onale Entscheidung, nämlich: „Alles was relevant ist, musst du Konsumentenforschung, auch die hier im Buch verwendeten
auch berücksichtigen“, die letztlich dazu führt, dass „Ideen rund- Wissensbestände, entstammen demgegenüber eigentlich ande-
gelutscht“ werden und nur Vorschläge ohne Ecken und Kanten ren Quellen. Was wir über das Konsumentenverhalten wissen,
den Test der Forschung bestehen. verdanken wir meist Forschungsarbeiten, die an Hochschulen
Zum Zweiten ist es natürlich wichtig zu wissen, welche In- durchgeführt werden. Diese Forschung findet typischerweise
formationen entbehrlich sind und welche nicht. Hierzu lohnt nicht in der natürlichen Umgebung der Konsumenten statt, und
es sich möglicherweise, die Entscheidungsstrategien der Krea- untersucht werden auch meistens die Konsumenten, die gerade
tiven und Manager zu erforschen. Der oft reklamierte Bauch, auf dem Campus herumlaufen oder Credit Points für ihre Kurse
aus dem die Entscheidungen angeblich kommen, enthält mit benötigen. Dieses Vorgehen ist der Konsumentenforschung oft
Sicherheit eine Reihe von beschreibbaren und vermutlich größ- als Praxisferne vorgeworfen worden.
tenteils auch bekannten Entscheidungsregeln. Letztlich ist auch McQuarrie (1998) fragte in einer Metaanalyse von insgesamt
der erfolgreichste Kreative nicht vom Heiligen Geist inspiriert, 443 Studien der Jahre 1990 bis 1997 danach, inwieweit in der
sondern geht vielmehr mit den verfügbaren Informationen in Werbewirkungsforschung die tatsächliche Werbeumwelt nach-
einer bestimmten Weise um. Dass er sich und uns darüber keine gezeichnet wird. Er prüfte die untersuchten Forschungsarbeiten
Rechenschaft geben kann und stattdessen auf seinen Bauch ver- unter anderem nach fünf Realitätskriterien:
weist, braucht ihm niemand vorzuwerfen. Die Forscher sind 1. Ist das Stimulusmaterial so wie in der Realität in ein Rahmen-
schließlich andere. programm eingebettet oder wird es – unrealistisch – isoliert
Was weiß man, wenn man die Entscheidungsstrategien der dargeboten?
erfolgreichen Praktiker kennt? Gilt dann nicht noch immer, dass 2. Können sich die Probanden wie in der Realität zwischen ver-
derjenige, der ohnehin schon einen zuverlässigen Bauch besitzt schiedenen Alternativen entscheiden?
und zudem auch noch den Kontakt zur Zielgruppe hat, keine 3. Werden auch Werbepräsentationen für andere Produkte ge-
Forschung braucht? zeigt?
416 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

4. Werden die Probanden häufiger als einmal mit dem Stimu- Modell A
1 lusmaterial konfrontiert? Werbung anschauen Obelix kaufen
5. Handelt es sich bei den untersuchten Spots bzw. Anzeigen
2 um solche für bekannte (= realistisch) oder für unbekannte
Modell B
(= unrealistisch) Produkte?
3 Die meisten untersuchten Studien (60 %) berücksichtigten keines
Obelix kaufen Werbung anschauen

der genannten Kriterien, 32 % berücksichtigten wenigstens einen


4 und 19 % zwei Realitätsfaktoren. Allenfalls 10 % der Forschungs-
Modell C

arbeiten genügten mehr als drei der Anforderungen. Werbung anschauen

5
äußerer Grund
McQuarrie (1998) konstatiert in diesem Zusammenhang
eine Entwicklung zum Schlechteren: Zwischen 1960 und 1990 Obelix kaufen

wurden noch durchschnittlich 1,45 der Realitätskriterien um-


6 gesetzt. Dieser Wert liegt für neuere Untersuchungen nur noch .. Abb. 21.1  Drei Erklärungsmodelle für den Zusammenhang zwischen zwei
bei 1. Zudem haben die meisten Studien (etwa zwei Drittel; Mc- Variablen.
7 Quarrie 1998) studentische Versuchspersonen eingesetzt, also
eine eingeschränkte und nicht unbedingt besonders finanzstarke Laborstudie stehen, die sicherstellt, dass das, was man prüft, auch
Zielgruppe. Substanz hat. Die Vorwürfe an die Forschung würden sich dann
8 Alle diese Bedingungen beschränken die Möglichkeiten, auf das Argument reduzieren, dass nach den erfolgreichen La-
Ergebnisse der Werbewirkungsforschung zu verallgemeinern. borstudien die erforderlichen Feldstudien nicht gemacht werden.
9 Nun geht die „Künstlichkeit“ der üblichen Experimente nicht
nur auf bloße Bequemlichkeit der Forscher zurück, die ungern
21.2 Erhebungsansätze
10 einen Fuß vor die Tür ihres gut geheizten Labors setzen und die
von einem Leben außerhalb des Campus nur aus Erzählungen
anderer wissen. Die Forschung sieht sich auch vor dem prinzi- Bei der Marktanalyse wird zwischen verschiedenen wissenschaft-
11 piellen Dilemma, Lebensnähe mit Beweiskraft zu kombinieren. lichen Vorgehensweisen unterschieden (Kotler und Bliemel 1995,
Außerhalb des Labors unterliegen Menschen und Märkte einer S. 192), nämlich zwischen explorativer, deskriptiver und kausaler
12 Vielzahl von Einflüssen, die es fast unmöglich machen, den einen Forschung.
interessierenden Einfluss zu isolieren und seine Wirksamkeit zu
schätzen. Was man außerhalb des Labors findet, sieht sich daher
13 immer einer Vielzahl von Einwänden ausgesetzt. Im Labor ist 21.2.1 Explorative Forschung
es umgekehrt. Die Menge der möglichen Einwände gegen einen
14 Effekt ist hier wesentlich kleiner, es bleibt aber der eine: Gelten Explorativ nennt man ein Verfahren, das nicht so sehr darauf
die Befunde auch im freien Feld? aus ist, eine Annahme zu prüfen, als vielmehr zu vernünftigen
15 Dieses Problem betrifft das Wechselverhältnis zwischen in- Annahmen zu gelangen. Beispielsweise haben Kundeninterviews
terner und externer Validität von Forschungsergebnissen. Die oft explorativen Charakter. Wenn man noch keine konkrete An-
interne Validität ist gegeben, wenn die Ergebnisse eindeutig in- nahme darüber getroffen hat, welche Gesichtspunkte überhaupt
16 terpretierbar sind, wenn also zum Beispiel ein Erfolg eindeutig bei einer Kaufentscheidung eine Rolle gespielt haben, dann hel-
auf eine Maßnahme zurückzuführen ist. Die externe Validität fen Auskünfte der Konsumenten, um auf Ideen zu solchen An-
17 betrifft die Verallgemeinerbarkeit der Befunde. Will man das eine nahmen zu kommen. Explorative Forschung ist besonders im
steigern, mindert sich das andere. Im optimalen Fall ist beides Vorfeld von Werbemaßnahmen üblich. Zur Anregung setzen
gesichert, so dass ein Ergebnis eindeutig interpretierbar ist und Werbepraktiker zum Beispiel Tiefeninterviews ein, bei denen die
18 gleichzeitig verallgemeinert werden kann. Im weniger günstigen Konsumenten sehr breit zu ihrer Produktverwendung Stellung
Fall kann man nur eines von beiden haben. Zum Beispiel: Man nehmen sollen. Dabei werden die Konsumenten manchmal über
19 kennt zwar genau die Bedingungen für einen Effekt, sie sind aber mehrere Stunden zu ihren Erfahrungen und Meinungen sowie
nie außerhalb des Labors zu realisieren (Effekte der unterschwel- zu ihren Wünschen und Anregungen befragt. Solche Interviews
20 ligen Beeinflussung sind mit hoher Wahrscheinlichkeit von die- sind sehr aufwendig, deshalb werden sie selten mit einer großen
ser Art). Oder man weiß zwar, dass es so und so klappt, weiß Stichprobe durchgeführt. Das Ziel der Methode ist auch nicht,
aber nicht, warum (viele Bauchentscheidungen von Praktikern allgemeingültige Aussagen über Konsumentenverhalten zu über-
21 dürften von diesem Risiko betroffen sein). prüfen. Das Ziel ist, solche Aussagen zuallererst zu gewinnen
Dabei sind die beiden Validitätsformen nicht gleichberech- (Salcher 1995, S. 27 ff.). Von einem explorativen Vorgehen würde
22 tigt, zumindest nicht, was ihre Abfolge betrifft. Es ist weitgehend man aber auch dann sprechen, wenn man einen Datensatz ohne
witzlos, zur Prüfung einer Idee sofort ins Feld zu gehen, solange eine konkrete theoretische Annahme auswertet. „Explorativ“ ist
man nicht weiß, ob an der Idee überhaupt etwas dran ist. For- also nicht so sehr die Forschungsmethode, sondern vielmehr die
23 schung bewegt sich also sinnvollerweise von der internen zur Forschungshaltung.
externen Validität und nicht umgekehrt. Wenn man ökonomisch
forscht, sollte hinter jeder (hypothesentestenden) Feldstudie eine
21.2 • Erhebungsansätze
417 21
21.2.2 Deskriptive Forschung Exkurs 21.1  Panelforschung  |       | 

Gronholdt und Hansen (1988) nutzten die Tatsache, dass in den Ein Panel ist eine Gruppe von Personen, die über einen längeren
Zeitraum untersucht wird, und deren Zusammenstellung über die-
südlichen Teilen von Dänemark das deutsche Fernsehen zu emp-
sen Zeitraum immer gleich bleibt. Im Fall der Panelforschung stellen
fangen ist und auch rezipiert wird. Sie untersuchten die Markt- ausgewählte Untersuchungseinheiten (z. B. Haushalte, Händler,
anteile bestimmter Produkte in Abhängigkeit von dem Werbe- Lieferanten) ihre Daten – meist gegen Entgelt – zur Verfügung, um
aufwand, der im Fernsehen um diese Produkte betrieben wurde. dadurch Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit zu ermöglichen.
Es zeigten sich recht deutliche Zusammenhänge zwischen Wer- „Das Charakteristikum dieser Messung ist die periodische Wiederho-
lung von Einzelerhebungen bei einem gleichbleibenden repräsen-
bung und Marktanteilen. Deskriptive Forschung besteht genau
tativen Personen- bzw. Adressatenkreis zu dem gleichen Untersu-
in dieser Leistung. Den Zusammenhang zwischen Werbung und chungsgegenstand“ (Zentes 1994, S. 351). Auf diese Weise lassen
Absatz kann man mit diesem Ansatz beschreiben, aber nicht er- sich Entwicklungsverläufe im Längsschnitt nachzeichnen.
klären. Zusammenhänge, die wir auf deskriptivem Wege finden, Im Falle eines Konsumentenpanels wird beispielsweise das Ein-
lassen sich grundsätzlich auf drei verschiedene Weisen erklären. kaufsverhalten über besondere Befragungen oder das Führen eines
Einkaufstagebuchs ermittelt. Neuere Techniken erlauben die com-
Stellen wir uns dazu folgendes Beispiel vor: Eine Datenerhebung
putergestützte Erfassung des Kaufverhaltens (Zentes 1994). Beim
zeigt, dass Konsumenten, die die Werbung für den Fünf-Frucht- Haßlocher Projekt (siehe Text) verfügen die Kunden über eine eigene
Saft Obelix häufiger gesehen haben, dieses Produkt auch häufiger Kundenkarte, auch Smart Card genannt, mit deren Hilfe ihre Einkäufe
gekauft haben. Folgende Erklärungsmodelle sind mit diesem Be-

-
an einer gesonderten Kasse registriert und individuell zugeordnet
fund verträglich (. Abb. 21.1): werden können (Kotler und Bliemel 1995, S. 186; S. 204 f 989 f.). Die
Repräsentativität im Panel hängt davon ab, dass alle ausgewählten
Modell A: Die Konsumenten haben Obelix gekauft, weil sie

-
Mitglieder der Stichprobe auch zur Zusammenarbeit bereit sind. Ist
die Werbung gesehen haben. diese Voraussetzung nicht erfüllt, muss man eine gewisse Einseitig-
Modell B: Die Konsumenten haben die Werbung gesehen, keit in der Zusammenstellung der Stichprobe befürchten.
weil sie Obelix gekauft haben oder die Absicht hatten, Obe-

- lix zu kaufen.
Modell C: Es gibt einen anderen Grund, weshalb bestimmte
Konsumenten Obelix mögen und daher sowohl die Wer-
bung gerne sehen als auch das Produkt kaufen.
gung werden dann Produktpräsentationen oder Anzeigen einge-
schaltet. Diese Methode ist besonders für Werbung am Point of
Sale (POS) interessant.
Noch interessanter, aber auch deutlich teurer sind Unter-
Erklärungsmodell A mag zwar das erwünschte sein, aber Modell suchungen auf konkreten Testmärkten. Betrachten wir hierzu
B hat sehr viel für sich. Es war eine der ersten Anwendungen der ein Projekt, das die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK)
Dissonanztheorie auf das Konsumentenverhalten. Konsumen- seit 1986 in Haßloch durchführt (Högl und Hertle 2008; Kot-
ten, die sich bereits für ein Produkt entschieden haben, setzen ler und Bliemel 1995, S.  204; Förster 1993). Dabei wurden
sich besonders intensiv der Werbung aus, die ihren Entschluss rund 3000 Haushalte repräsentativ ausgewählt, deren Lebens-
bekräftigt (Ehrlich et al. 1957; siehe auch ▶ Abschn. 11.4.1). Er- gewohnheiten gegen eine Entschädigung systematisch aufge-
klärungsmodell C schließlich besagt, dass es einen dritten Faktor zeichnet werden. Diese Haushalte gehören also zu einer festen
gibt, der sowohl für die erhöhte Werberezeption als auch für die Mannschaft, einem „Panel“ (▶ Exkurs 21.1), das in der Folge re-
Kaufentscheidung verantwortlich ist. Damit leugnet es, dass der präsentativ für die Gesamtpopulation steht.
Zusammenhang zwischen Rezeption und Verhalten kausal, dass Dieses Projekt enthält deutliche experimentelle Elemente.
also das eine die Ursache des anderen ist. Zum Beispiel können die 3500 teilnehmenden Haushalte indivi-
Mit deskriptiver Forschung lassen sich Ursachen für die er- duell mit Werbung versorgt werden. Praktisch heißt das:
forschten Phänomene nicht schlüssig nachweisen. Für die Ent-
scheidung zwischen den drei Modellen lassen sich keine weiteren » An den […] verkabelten Fernsehern ist ein elektronisches
methodischen Argumente führen. Hierfür ist man auf die reine Gerät, die sogenannte GfK-Box, angeschlossen. Ein komplet-
Plausibilität seiner theoretischen Überlegungen oder eben auf tes TV-Studio mitten in Haßloch ermöglicht es, die regulär
kausale Forschung angewiesen. ausgestrahlte Werbung der Fernsehanstalten […] unbemerkt
mit Testfilmen gleicher Länge zu überblenden. Jeder der
verkabelten Haushalte kann einzeln angesteuert werden […]
21.2.3 Kausale Forschung Bei 200 Haushalten werden zusätzlich Einschaltquoten sekun-
dengenau registriert. Schon am Tag nach der Ausstrahlung
Ursachen eines Phänomens identifiziert man nur mit plausiblen kann im Laden die Wirkung der TV-Werbung auf die Kauflust
Theorien. Die Theorie steht immer am Anfang. Trotzdem sind gemessen werden. Im Mikrotestmarkt Haßloch werden auch
die sich anschließenden wissenschaftlichen Methoden zur Prü- gezielt die klassischen Printmedien eingesetzt: Plakate, Tages-
fung einer Theorie unterschiedlich stark. Wirklich starke metho- zeitungen und Zeitschriften. So bekommen die Testhaushalte
dische Gründe für kausale Annahmen liefert nur das Experiment. wöchentlich kostenlos eine Ausgabe von drei Zeitschriften-
Wie lassen sich Experimente in der Marktforschung vorstellen? titeln, in die vorher Testanzeigen montiert werden können.
Eine verbreitete Methode sind Simulationen, bei denen die Bei reinen Fernsehspot-Tests untersucht die GfK vor allem die
Konsumenten zum Beispiel durch eine virtuelle Computerwelt Auswirkungen von Werbedruckveränderungen, die Verkaufs-
laufen, etwa einen Supermarkt. Je nach experimenteller Bedin- kraft alternativer TV-Kampagnen und den Unterschied zwi-
418 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

schen kontinuierlicher und pulsierender Werbung. Um exakte mit unserem Fruchtsaft und in der Untersuchung von GrØnholdt
1 Ergebnisse zu erzielen, werden Test- und Kontrollgruppen mit und Hansen (1988) wurden zwar ebenfalls Gruppen verglichen,
gleichen Einkaufsgewohnheiten gebildet. (Kotler und Bliemel nämlich solche Konsumenten, die die Kampagne häufig, und sol-
2 1995, S. 989) che, die sie selten oder gar nicht rezipieren. Die unterschiedliche
Rezeption haben wir aber schon vorgefunden. Im Haßlocher
Innerhalb dieses Erhebungsansatzes lassen sich außerhalb des Projekt ist es demgegenüber möglich, verschiedene Stufen der
3 Labors beinahe alle relevanten Merkmale eines Experiments re- Werbedarbietung zu variieren, so dass zumindest theoretische
alisieren. Vier Merkmale sind für Experimente besonders zentral. Höchstgrenzen der Werberezeption aktiv manipuliert werden
4 können.
Vergleich einer Experimental- Daher lassen sich in Haßloch tatsächliche Feldexperimente
mit einer Kontrollgruppe
5 mit ziemlich hoher Lebensnähe und daher auch hoher externer
Stellen wir uns vor, die Werbemacher für Obelix erklären uns le- Validität durchführen. Ein Laborexperiment hätte demgegenüber
diglich, dass von den Personen, die ihre Werbung gesehen haben, natürlich den Vorteil, dass die entscheidenden Variablen (z. B.
6 50 % den Fruchtsaft gekauft haben. Das klingt doch gut, nicht Werbedruck) punktgenau manipuliert werden können. Der Ex-
wahr? Nein, das klingt nach gar nichts. Eine solche Aussage hängt perimentator kann eben festlegen, dass die eine Gruppe den Spot
7 in der Luft, solange man keinen Vergleich hat. Wir müssen wis- genau fünfmal und die anderen ihn siebenmal sieht.
sen, wie hoch die Kaufquote bei jenen Personen war, die die Wer-
bung nicht gesehen haben. Wenn diese nämlich ebenfalls bei 50 % Zufällige Gruppenzusammenstellung
8 liegt, dann gibt es keinen Zusammenhang zwischen Werbung und Beim Gebietsverkaufstest haben wir keinen Einfluss auf die
Kauf. Liegt die Quote ohne Werbung bei 80 %, dann scheint die Gruppenzusammenstellung. Wir arbeiten mit vorgefundenen
9 Werbung dem Produkt mehr zu schaden als zu nützen. Mit ande- Gruppen. Solche Versuchsanordnungen gelten als „Quasi-Ex-
ren Worten: Ergebnisse kann man nur interpretieren, wenn man perimente“ (Campbell und Stanley 1965) und nicht als Experi-
10 einen Referenzpunkt, typischerweise eine Kontrollgruppe, hat. mente im eigentlichen Sinne. Der oben beschriebene GfK-Ansatz
Die Kontrollgruppe können dieselben Personen vor dem erlaubt demgegenüber, für jede einzelne Teiluntersuchung neue
Senden der Werbung sein, man kann aber auch andere Personen Experimental- und Kontrollgruppen zu bilden. Der entschei-
11 heranziehen, die die Werbung nicht gesehen haben, obwohl sie dende Punkt bei dieser dritten Bedingung besteht darin, dass
schon gezeigt wurde. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile, sich Experimental- und Kontrollgruppe nur in einem einzigen
12 die ich hier nicht diskutieren will. Wichtig ist: Einen Erkenntnis- Punkt unterscheiden dürfen, nämlich in den experimentellen Be-
fortschritt erzielt man nur im Vergleich zwischen Experimen- dingungen. Ansonsten sollten die Gruppen gleich sein, und das
tal- und Kontrollbedingung. Der Vergleich der verschiedenen kann man auf verschiedenen Wegen erreichen. Eine Möglichkeit
13 Bedingungen ist nicht nur für Experimente zwingend. Auch in besteht in einer strengen Zufallsauswahl bei der Zusammenstel-
der deskriptiven Forschung kann man Effekte nur so zeigen. lung der Stichproben. Allerdings führt dies gerade bei kleinen
14 In dem GfK-Ansatz von Haßloch können als Kontrollgruppen Stichproben nicht mit Sicherheit zu parallelen Gruppen.
sowohl die nicht angesprochenen Haushalte als auch der restli- Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Gruppen nach
15 che Markt in Deutschland gelten. Dies ist ein erheblicher Vorteil einem eigenen Algorithmus zu parallelisieren. In diesem Fall
gegenüber den sogenannten Gebietsverkaufstests (Moser 1990, spricht man von Matching (z. B. Mitchell und Jolley 2007). Stellen
S. 50). In diesen Fällen wird ein Produkt mit seiner Kampagne erst wir uns etwa vor, wir wollten sicherstellen, dass die Teilnehmer in
16 in einem räumlich begrenzten Testmarkt eingeführt. Dabei besteht Experimental- und Kontrollgruppe sich nicht in dem Merkmal
die Schwierigkeit, den Testmarkt wirksam zu isolieren. Die Ein- „Extraversion“ unterscheiden (vielleicht weil das Produkt in der
17 flüsse, die im Versuchsgebiet wirken, sollten möglichst nicht nach Öffentlichkeit konsumiert wird und daher zu erwarten ist, dass
außen getragen werden. Neben Streuungsverlusten, nach denen Extravertierte einen anderen Konsumstil zeigen als Introver-
auch Außenstehende von den Marketingmaßnahmen beeinflusst tierte). Wir haben das Merkmal bei unseren Probanden gemes-
18 werden, gibt es auch Motivationseffekte. Wenn zum Beispiel das sen und können nun anhand dieser Messung parallele Gruppen
Produkt für Außenstehende nicht zu haben ist, könnte sich bei bilden. Der Proband mit dem höchsten Wert kommt in die eine
19 ihnen Ärger oder Reaktanz einstellen. Weiterhin besteht das Ri- Gruppe, die Probanden mit dem zweit- und drittgrößten Wert in
siko, dass das Gebiet, das man als Testmarkt ausgewählt hat, nicht die andere Gruppe, die mit dem viert- und fünfthöchsten Wert
20 repräsentativ ist. Ein einsames Alpendorf oder eine Hallig wären wieder in die eine und so fort. Auf diese Weise erreicht man, dass
zwar als Testmarkt vergleichsweise gut isoliert, die Testgruppe in beiden Gruppen Mittelwert und Streuung für das Merkmal
dürfte sich aber vermutlich in mehr als einem Merkmal vom Rest „Extraversion“ einigermaßen ähnlich und die Gruppen mithin
21 der Bevölkerung, der Kontrollgruppe, unterscheiden. In früheren vergleichbar sind.
Zeiten war es noch möglich, West-Berlin als einen isolierten Test- Im beschriebenen Beispiel war das Matching anhand der Ex-
22 markt einzusetzen. Eine derart künstliche Isolierung sollte aber traversionswerte noch verhältnismäßig einfach. Allerdings waren
wohl ein Einzelfall bleiben, der sich nicht wiederholt. die Gruppen dann auch nur nach diesem Merkmal parallel und
können in vielen anderen Merkmalen noch immer verschieden
23 Manipulation der experimentellen Bedingungen sein. Auch in dem zitierten Testmarkt in Haßloch werden übri-
Definierend für Experimente ist nun, dass die Bedingungen, die gens Gruppen in der Regel anhand von Matching vergleichbar
man prüfen will, eigens manipuliert werden. In den Beispielen gemacht:
21.2 • Erhebungsansätze
419 21

Exkurs 21.2  Gruppendiskussionen  |       | 


Eine beliebte Methode der Marktforschung lysen von Kundenbedürfnissen oder gar bei der Bedarf danach bei den Kunden ist. In der
besteht darin, Versuchspersonen in einer der kreativen Entwicklung von Produktideen, explorativen Phase der Untersuchung ist den
Gruppe Werbebeiträge vorzuführen und sie werden Gruppendiskussionen durchgeführt Forschenden eher willkommen, wenn bei den
daraufhin zu bitten, darüber zu diskutieren. (z. B. Groebel und Gleich 1988; Kotler und befragten Konsumenten die Überlegungen,
Auf dem Wege der Gruppendiskussion sollen Bliemel 1995, S. 196; Salcher 1995, S. 44 ff.). Sorgen und Strategien beim Einkauf mit
wichtige Eindrücke, die die Werbung bei den Solche Gruppen werden nicht nach einem Kindern nur so hervorsprudeln. So gelangen
Teilnehmern der Diskussion hinterlassen hat, Zufallsprinzip ausgesucht. Sie sind zudem in die Forscher zu Ideen, die sie vielleicht alleine
zur Sprache kommen. In der beschriebenen der Regel viel zu klein, um als repräsentativ nie gehabt hätten. Es besteht dagegen kei-
Form würde man von einer Fokusgruppe für die Grundgesamtheit der Konsumenten in neswegs die Absicht, von solchen besonders
sprechen, da hier ein zentrales Thema im Frage zu kommen. Das Ziel bei der Arbeit mit gesprächigen Eltern auf alle anderen Eltern zu
Vordergrund steht und dies durch einen der Fokusgruppe ist dann erreicht, wenn viele schließen.
entsprechenden Input noch unterstrichen interessante Gesichtspunkte genannt werden. Anleitungen zu Planung, Durchführungen und
wurde. Stellen Sie sich vor, es geht um die Einfüh- Auswertung von Gruppendiskussionen geben
Auch für andere Situationen, zum Beispiel bei rung einer Kinderbetreuung im Kaufhaus. Dammer und Szymkowiak (1998) oder Lamnek
einem Produkttest, ersten explorativen Ana- Die Marktforschung soll ermitteln, wie groß (1998).

» Mit Hilfe eines mathematischen Optimierungsprogramms In diesem Fall kann man nur noch ein „Quasi-Experiment“
[…] kann die Gesamtheit der beobachteten Haushalte für durchführen (siehe oben; Campbell und Stanley 1963). Hierfür
jedes Projekt anhand zuvor definierter Kriterien in vergleich- muss nur eine weitere Bedingung erfüllt sein: Es muss vom Zufall
bare Test- und Kontrollgruppen aufgeteilt werden. Folglich abhängen, wie die experimentellen Bedingungen auf die Grup-
weisen diese maßgeschneiderten Splitgruppen vor dem pen verteilt werden. Wenn also in unterschiedlichen Testmärkten
Einsatz der Testwerbung sowohl die gleiche Soziodemogra- unterschiedliche Kampagnen verglichen werden, dann sollten
phie als auch das gleiche Kaufverhalten auf. Beim Matching diese per Zufall auf die Testmärkte verteilt werden.
werden die Testhaushalte (Kabel) und die Kontrollhaushalte
(Nicht-Kabel) durch das Ausschließen von im Vergleich zum
nationalen Panel atypischen Haushalten so lange optimiert, 21.2.4 Qualitative und quantitative Forschung
bis sie vergleichbar sind bezüglich Soziodemographie und
Kaufverhalten. (Högl und Hertle 2008, S. 979) Eine besonders wichtige Unterscheidung ist sicher die zwischen
qualitativer und quantitativer Forschung. Mit dieser Unterschei-
Bei diesem Optimierungsvorgang werden gleich mehrere Merk- dung gehen viele weitere Unterschiede einher, aber eigentlich
male auf einmal berücksichtigt, und er ist sicher nicht mehr von zentral ist nur einer: die Art der Daten. Bei der qualitativen For-
Hand zu leisten. Wie es scheint, ist die eingesetzte Methode aber schung bestehen die Daten nicht aus Zahlen, sondern typischer-
sehr effizient: „Erfahrungsgemäß stehen nach dem Matching weise aus Text. Ich sage „typischerweise“, weil streng genommen
90–95 % Panel-Haushalte zum Test zur Verfügung“ (Högl und auch andere „bedeutungstragende“ Zeichen Gegenstand von
Hertle 2008, S. 979). qualitativer Forschung sein könnten, etwa die Metaphorik von
Die aktive Manipulation der Gruppenzusammenstellung ist Codes (Scheier et al. 2010; siehe auch ▶ Abschn. 6.2.3). Die weit-
eine der Grundvoraussetzungen der internen Validität. Grup- aus meiste Beachtung findet allerdings die Auswertung von Wör-
pen, die man schon vorfindet, unterscheiden sich notwendig in tern und Texten – etwa in Form der qualitativen Inhaltsanalyse
irgendwelchen Merkmalen von anderen vorgefundenen Gruppen (z. B. Mayring 2002).
(sonst könnte man sie ja nicht vorfinden), und es besteht natür- Gewonnen werden qualitative Daten häufig im Rahmen von
lich immer die Möglichkeit, dass der Unterschied der Gruppen Interviews und Befragungen. Eine besonders beliebte Erhebungs-
an dem gefundenen Effekt beteiligt war. methoden stellen Gruppendiskussionen dar (▶ Exkurs 21.2). Zum
Beispiel untersuchte Haupt (2007) im Rahmen solcher Diskussio-
Zufällige Verteilung der Bedingungen nen Rechtfertigungsstrategien von Raumkopierern, die er in ins-
auf die Gruppen gesamt acht unterschiedliche Argumentationsfiguren unterteilen
Aber oft ist es wiederum unmöglich, wenigstens eine minimale konnte (mehr dazu in ▶ Abschn. 1.7.5). Aber natürlich kann man
Lebensnähe herzustellen und gleichzeitig die Zusammenstellung auch an bereits vorliegenden Dokumenten Inhaltsanalysen vor-
der experimentellen Gruppen zu manipulieren. Das gilt nicht nur nehmen, etwa anhand von Werbeanzeigen oder Zeitungsartikeln.
in der Marktforschung. Stellen Sie sich vor, Sie wollen wissen, Auch Witze können Gegenstand von Inhaltsanalysen sein. Hinz
welche Unterrichtsmethode am effektivsten ist, und verteilen (2003) untersuchte daran zum Beispiel Geschlechtsstereotype.
nun die unterschiedlichen Methoden auf unterschiedliche Klas- Oben habe ich betont, dass mit der Unterscheidung von qua-
sen. Dieses Vorgehen erfüllt zwar die zweite Bedingung, denn litativer und quantitativer Forschung auch andere einhergehen,
Sie können ja in der Tat aktiv bestimmen, welche Klasse welche die aber nicht wirklich definierend sind. So wird zum Beispiel in
Methode bekommt. Um aber die dritte Bedingung zu erfüllen, der explorativen Phase der Forschung oft qualitativ vorgegan-
müssten Sie für das Experiment ganz neue Schulklassen bilden – gen. Andererseits spricht aber auch nichts dagegen, Kausalhypo-
ein Vorgehen, das Ihr Experiment meilenweit von jedem realisti- thesen mit qualitativen Daten zu testen. So könnte man prüfen,
schen Schulalltag mit festen Klassenstrukturen entfernen würde. ob eine bestimmte Kommunikationsstrategie dazu führt, dass
420 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

Konsumenten in offenen Befragungen zum Produkt häufiger das Auch eher psychologische Wirkungen sind für den Werbeerfolg
1 Thema Nachhaltigkeit ansprechen. Das wäre eine kausale For- wichtig, zum Beispiel die Kundenzufriedenheit oder die kognitive
schung mit qualitativen Daten. Repräsentation, das Image des Produkts und des Unternehmens.
2 Ein Grund für die enge Verflechtung von explorativer Hal- Trotzdem ist das naturgemäße Ziel ökonomischen Handelns,
tung und qualitativen Daten ist sicher auch das Stichprobenpro- mit der Zufriedenstellung von Kunden Geld zu verdienen. Daher
blem. Rein theoretisch kann man natürlich auch für qualitative drängt sich als einfachstes Erfolgskriterium der Verkauf eines
3 Daten repräsentative Stichproben ziehen, was aber sehr aufwen- beworbenen Produkts auf. Da aber Werbeanstrengungen häufig
dig ist. Wenn nun aber in der praktischen Umsetzung eben doch und aus gutem Grund mit Preisänderungen beim Produkt ver-
4 nur kleine und unrepräsentative Stichproben befragt werden, ge- bunden werden, muss ein erhöhter Absatz nicht identisch mit
nügt das nur den Ansprüchen einer explorativen Haltung. einem erhöhten Umsatz sein. Andere mögliche Erfolgskriterien
5 Von großer Bedeutung ist die Unterscheidung von Pre- und sind Erstkäufe, die Wiederverkaufsrate, der Mehrverbrauch bei
Posttests in der Entwicklung von Werbung und Marketingstrate- einem Produkt pro Einwohner, Kostenreduktion oder die Ver-
gien. Auch hier ist wieder der Platz für die qualitative Forschung breitungsdichte einer Marke. Eine wichtige ökonomische Größe
6 vor allem am Anfang, also bei den Pretests. In der Anfangsphase ist auch die Prognose über den Erfolg, den ein Produkt haben
arbeiten die Forscher meist mit unfertigem Material, das in der wird. Diese Prognose müsste dann aber auch zeitlich spezifiziert
7 Entwicklung noch optimiert wird. Oft wird zunächst die Wer- sein. Bedenken wir nur das vermutliche Verhalten der Konkur-
beidee getestet, dann werden Collagen und Storyboards erstellt. renz. Ein Wettbewerbsvorteil, der durch eine Innovation erzielt
Dies ist ein allmählicher Prozess, der oft von qualitativer For- wird, ist möglicherweise nur von kurzer Dauer, weil die Konkur-
8 schung begleitet wird. Erst ganz am Ende, wenn überhaupt, wer- renz ihr Angebot anpasst (Mayer 1993, S. 253 ff.; Kirchler 1995,
den zum Beispiel mehrere Entwürfe gegeneinander getestet, wo S. 120; Kotler und Bliemel 1995, S. 191). Wenn wir die Werbe-
9 dann auch eher quantitative Daten zum Zuge kommen. wirkung messen wollen, müssen wir auch zwischen der Entschei-
Ein weiterer Unterschied der Forschungsmethoden liegt nach dung für ein Produkt und der Entscheidung für eine Produkt-
10 einem verbreiteten Verständnis in der „Bedeutungstiefe“ der Da- menge unterscheiden. Es zeigt sich nämlich, dass Konsumenten
ten. Kepper (1996) beispielsweise resümiert, der qualitativen For- durch Werbung zwar nicht leicht dazu gebracht werden können,
schung gehe es weniger um das Messen als um das Verstehen, ein Produkt zu kaufen, das sie vorher nicht gekauft haben, dass
11 sie frage weniger nach dem Wieviel als nach dem Warum. Mit sie aber sehr wohl nach verstärkter Werbung für ihre bevorzugte
diesem Anspruch schießen allerdings auch manche Verfechter der Marke größere Mengen davon kaufen (Tellis 1988).
12 qualitativen Marktforschung über das Ziel hinaus. So erklärt etwa Bei den psychologischen Größen bieten sich ebenso vielfäl-
Salcher (1995, S. 44): „[…] durch die erhöhte Freiheit und Beweg- tige Möglichkeiten. Soll die Werbung nur die Aufmerksamkeit
lichkeit im Tiefeninterview [werden] ein Verlust an Zuverlässig- steigern, soll sie die Stimmung beeinflussen, soll sie sich tief ins
13 keit und ein Gewinn an Gültigkeit erzielt.“ Hier wird ein weithin Gedächtnis einprägen, soll sie uns besonders motivieren, Wün-
zugestandener Mangel der qualitativen Verfahren, nämlich ihre sche wecken, glaubwürdig sein, das Image des Produkts ver-
14 verhältnismäßig geringe Reliabilität (Zuverlässigkeit) gegen das bessern, Handlungen nach sich ziehen, reflexartiges Verhalten
Gütekriterium der Validität (Gültigkeit), ausgespielt. Nach dem anstoßen …? Die Frage nach der Werbewirkung ist stark davon
15 in der Psychologie üblichen Verständnis dieser Kriterien (z. B. abhängig, welche Ziele die Werbung überhaupt anfangs hatte.
Bortz und Döring 2006) ist dies natürlich nicht möglich. Ein un- In der Praxis sind die wesentlichen Kriterien für die Aus-
zuverlässiges Verfahren misst eben gar nichts, da erübrigt sich wahl von Variablen bei der Erfolgskontrolle: Kann man das leicht
16 die Frage, wie gut es das misst, was es eigentlich messen sollte. messen, ist das auch nicht zu teuer, leuchtet die Variable auf den
ersten Blick ein (Mayer 1993, S. 33)? Der entscheidende Gedanke
17 sollte aber die Frage sein: Ist der Zusammenhang der Variablen
21.2.5 Das Problem der abhängigen Variablen mit dem Werbeerfolg erwiesen? Diese Frage wird aber viel zu oft
zu Gunsten der Einfachheit zurückgestellt. So dominiert in den
18 Welche Variablen sollen in der Marktforschung betrachtet wer- meisten Untersuchungen zur Werbewirkung die Betrachtung von
den? Auf welche Variablen soll Werbung wirken? Was soll ich Gedächtniseffekten (z. B. Clark 1989, S. 144; Higie und Sewall
19 denn messen – und eventuell als Erfolg oder Misserfolg werten? 1991; Brosius und Fahr 1996; Gleich 1996).
Diese Frage ist bereits auf dem Gebiet der ökonomischen Kri-
20 terien nicht einfach zu beantworten. Zunächst müssen wir den
21.3 Messmethoden und Variablen in der
Begriff der Werbewirkung vom Begriff des Werbeerfolgs abgren-
zen (Moser 1990, S. 49 f.; Mayer 1993, S. 19). Machen wir uns die Marktforschung
21 Unterscheidung einfach: Irgendeine Wirkung unterstellen wir der
Werbung eigentlich fast immer. Ob wir diese Wirkung als Erfolg Im Folgenden möchte ich eine Auswahl von Datenerhebungs-
22 bezeichnen, hängt davon ab, welche Wirkung wir angestrebt hat- methoden vorstellen, die in der Markt- und Werbewirkungsfor-
ten. Der Werbeerfolg ist demnach eine bestimmte, und zwar die schung eingesetzt werden. Dabei orientiere ich mich an zentralen
erwünschte Art der Werbewirkung (Flögel 1990, S. 235). Wer- Variablen des Konsumentenverhaltens, etwa Aufmerksamkeit
23 beerfolg bedeutet nicht nur Steigerung der Verkaufszahlen für ein oder Gedächtnisleistung. Einzelne Messmethoden können aber
bestimmtes Produkt, die Größe des Absatzes, die Steigerung des mit verschiedenen Zielsetzungen eingesetzt werden. Beispiels-
Umsatzes, die erzielte Kostenreduktion oder der erzielte Gewinn. weise diskutiere ich zwar die Beobachtung vor allem bei der
21.3  •  Messmethoden und Variablen in der Marktforschung
421 21

.. Tab. 21.1  Zuordnung verschiedener Variablen zu möglichen Datenerhebungsmethoden (Auswahl).

Variablen

Erhebungsmethoden Aufmerksam- Gedächtnis Informations- Produkthand- Einstellungen Qualität einer


keit verarbeitung habung Werbevorlage

Beobachtung o o O

Compagnon-Verfahren o o O

Blickbewegung o o o

Eyes-on-Screen o o o o

freies Erinnern o o o

unterstütztes Erinnern o o

Wiedererkennen o o

implizite Maße o o o

Informations-Display-Matrix o

Verbalprotokolle o o

Schnellgreifbühne o

projektive Tests o o

Tiefeninterview, laddering o

Pupillenreaktion o o

Hautwiderstand o

Reaktionszeiten o o o

Befragung o o o o o

Punktesystem o

semantisches Differential o o

Programmanalysator o o o

Gruppendiskussion o o

Fragebogen o o o o

Messung von Aufmerksamkeit. Das soll aber nicht heißen, dass ten der Passanten, ohne dass diese die Beobachtung bemerkten.
dies der einzige Fall ist, wo Beobachtungsmethoden gebraucht Registriert wurde, wie sich Passanten in Abhängigkeit von der
werden. Sie werden zum Beispiel häufig in Produkthandhabungs- farblichen Gestaltung der Schaufenster verhielten. Es zeigte sich,
tests eingesetzt. Diesen Gedanken soll die Matrix in . Tab. 21.1 dass bunte Schaufenster häufiger und länger betrachtet wurden
veranschaulichen. Wenn eine Zelle dieser Matrix markiert ist, als einfarbige.
so soll das bedeuten, dass die Variable in der Spalte mit der Me- Das sogenannte Compagnon-Verfahren sieht vor, dass die
thode in der Zeile erhoben werden kann. Eine solche Zuordnung Probanden in einer Wartezimmersituation gefilmt werden. Auf
lässt sich nicht endgültig und definitiv vornehmen. Sie ist auch in einem schräg geneigten Lesepult liegt eine Illustrierte, die die
. Tab. 21.1 nur als ein Vorschlag zur Anregung gemeint. Wenn Versuchspersonen lesen. Eine Spiegelvorrichtung ermöglicht es,
man entsprechende theoretische Argumente führt, wird man durch die Neigung des Pults die Augenpartie der Personen zu
auch andere Zuordnungen vertreten können. filmen. Eine andere Kamera, die hinter den Versuchspersonen
versteckt ist, nimmt gleichzeitig die aufgeschlagene Illustrierte
auf, so dass nachvollziehbar bleibt, was die Personen gerade se-
21.3.1 Aufmerksamkeit hen (Salcher 1995, S. 102).

Beobachtung und Compagnon-Verfahren Blickbewegungsaufzeichnung


Eine einfache Methode, die Aufmerksamkeitssteuerung einer Um Aufmerksamkeitsprozesse nachzuvollziehen, ist die Auf-
Maßnahme zu untersuchen, besteht darin, Personen in ihrem zeichnung von Blickbewegungen wohl die verbreiteteste Me-
natürlichen Umfeld zu beobachten (z. B. Beike 1974; Rüdell 1993; thode. In der Regel verweilt der Blick zwischen 200 und 400 Mil-
Salcher 1995, S. 99 ff.). Lysinski (1919/1920) beobachtete bei sys- lisekunden auf einem Punkt. Die Bewegung von einem Punkt
tematischer Variation von Schaufensterdekorationen das Verhal- zum anderen, eine sogenannte Sakkade, vollzieht sich dagegen
422 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

in etwa 30 bis 90 Millisekunden (Kroeber-Riel und Meyer-Hent- Blickbewegungsmessungen werden gern als Maß für im-
1 schel 1982, S. 79). „Interessant kann es dabei zum Beispiel sein, plizite Prozesse angesehen (z. B. Schießl et al. 2011), manchmal
ob tatsächlich die relevante Information (zum Beispiel die Bot- werden sie gar unter die neurologischen Methoden subsumiert
2 schaft oder der Markenname) beachtet wird, oder lediglich ein (Plassman et al. 2012). Als „implizites Maß“ kommen Blickbe-
Blickfang, der dann – was das Werbeziel betrifft – eher ablenkt, wegungen natürlich insofern in Frage, als sie meist wenig kont-
indem er die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht (,Vampiref- rolliert werden und starke unwillkürliche Komponenten haben.
3 fekt‘, Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel 1982)“ (von Rosenstiel Gleichwohl darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass Blickbe-
und Neumann 1988, S. 215 f.). wegungen nur die Folge einer Aufmerksamkeitszuweisung sind,
4 Blickbewegungsmessungen unterscheiden sich vor allem die an anderer Stelle und bereits viel früher geschehen ist (z. B.
darin, wie flexibel sich der Proband bei der Messung bewegen Yantis 1998). Zudem lässt sich der Blick eben doch auch kontrol-
5 kann und welche räumlichen Parameter (z. B. auch Bewegung des lieren, so dass sich in Blickbewegungsdaten meist kontrolliertes
Kopfs relativ zum Körper) aufgezeichnet und verwertet werden. mit automatischem Verhalten mischt. Als Maß für implizite Pro-
In der Anwendungsforschung sind normalerweise kopfgetragene zesse sind Blickbewegungen also eher vieldeutig.
6 Systeme hinreichend genau, bei denen sich die Probanden relativ
frei im Raum bewegen können. Kopfgetragene Systeme bestehen Eyes-on-Screen
7 aus einer Augen- und einer Szenenkamera, wobei die letztere das Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Fernsehen kann auch durch
Blickfeld der Testperson erfasst und die erstere die Bewegung ein weniger aufwendiges Verfahren gemessen werden, etwa in-
der Pupille aufzeichnet. Dies geschieht mit Hilfe eines auf die dem man Versuchspersonen einfach danach beobachtet, ob sie
8 Netzhaut projizierten Infrarotlichtstrahls. Der Reflexion dieses auf den Bildschirm schauen. Das hierbei entstehende Maß Eyes-
Lichts lassen sich die Augenbewegungen entnehmen. Diese Tech- on-Screen (EOS) hängt sowohl mit den späteren Sympathie- als
9 nik wurde früher auf Helme (z. B. einen Fahrradhelm) montiert, auch mit den Erinnerungswerten eines Spots zusammen. An-
sie lässt sich aber auch in Brillen integrieren. dere Maße der Aufmerksamkeit seien dem Maß EOS deutlich
10 Kopfgetragene Systeme nehmen beliebige Szenen auf – eben unterlegen (Thorson 1994, S. 68 ff.). So lässt sich Aufmerksamkeit
immer gerade die, die der Proband betrachtet. Wenn man dage- gegenüber dem Fernsehen zwar auch im Nachhinein durch eine
gen die Blickbewegung auf ein immer gleiches Material unter- Befragung der Zuschauer ermitteln. Bei solchen Befragungen
11 suchen will (z. B. Werbespots oder Anzeigen), empfehlen sich werden aber häufig Nebentätigkeiten nicht in Rechnung gestellt.
Augenkameras, die den Blick sozusagen aus der Ferne aufzeich-
12 nen und die neben dem Stimulus, einer Leinwand oder einem Reaktionszeiten
Bildschirm aufgestellt werden. Die Kamera findet die Pupille des Aus der pädagogischen Psychologie stammt folgende Methode
Betrachters und folgt deren Bewegung. Die hierbei entstandene zur Aufmerksamkeitsmessung: Die Probanden halten ein Gerät
13 Aufnahme kann dann über das standardisierte Material, etwa in der Hand, mit dem sie auf ein akustisches Signal reagieren
einen Film oder eine Folge von Werbebildern, gelegt werden. sollen. Dieses Signal hören sie, während sie gleichzeitig dem
14 Die standarisierte Darbietung der Stimuli erleichtert die Programm folgen. Die Reaktionszeit auf das Signal gilt als Maß
Verrechnung von Blickbewegungsdaten mehrerer Probanden für die Ablenkung (das Involvement) während des Programms.
15 zu einem Gesamtindex. Allerdings geben Schießl et al. (2011) Verlängert sich die Reaktionszeit, wird daraus geschlossen, dass
zu bedenken, dass das Rezeptionsverhalten beim Blättern in einer die Probanden an diesen Stellen dem Programm gegenüber be-
Zeitschrift sich vom Lesen am Bildschirm doch erheblich unter- sonders aufmerksam waren (z. B. Lord und Burnkrant 1993).
16 scheidet. Sie plädieren dafür, Werbemitteltests – zumindest die
Copy-Tests für Zeitschriftenanzeigen – nicht am Monitor durch-
17 zuführen und stattdessen auf Eye-Tracking-Lösungen mit Brillen 21.3.2 Gedächtnis
zurückzugreifen und Konsumenten mit der Zeitschrift agieren
zu lassen. Mit solchen verhältnismäßig bequemen Apparatu- Ein weiteres wichtiges Wirkungskriterium für Werbung ist die
18 ren ist es möglich, Blickbewegungsmessungen nicht nur in der Frage, ob Produkt und Werbung beim Betrachter eine Gedächt-
Grundlagenforschung (z. B. Janiszewski und Warlop 1993), son- nisspur hinterlassen. Nun ist die Frage nach der Erinnerung nicht
19 dern auch im Bereich der professionellen Marktforschung ein- so einfach, denn je nachdem, was man als Erinnerung gelten
zusetzen (Keitz-Krewel 1994; vgl. auch Salcher 1995, S. 100 ff.). lässt, erhält man unterschiedliche Ergebnisse. Erinnern wir uns
20 Blickbewegungsmaße stehen nicht nur mit der Erinnerung oder den Unterschied zwischen freiem und unterstütztem Erinnern
einigen Bewertungen der Anzeige in Zusammenhang: „Der Ot- (▶ Abschn. 4.1).
to-Versand verglich solche Doppelseiten aus dem Katalog, die Ein Verfahren, das auf das freie Erinnern abzielt, ist der Day-
21 im Blickaufzeichnungs-Test gut abgeschnitten hatten […], und after-Recall-Test (DAR-Test). Danke (1989, S. 201) beschreibt
Seiten, mit denen sich die Leser nur flüchtig beschäftigt hatten, das Grundprinzip des DAR-Test für Fernsehspots: „Der TV-Spot
22 und korrelierte sie mit den bundesdeutschen Abverkaufszahlen, wird über den Sender ausgestrahlt. Am nächsten Tag werden Te-
die für jede Doppelseite im Hause Otto bekannt sind. Das Er- lefoninterviews bei zufällig ausgewählten Personen durchgeführt.
gebnis: ein Korrelationskoeffizient von . 70“ (Keitz-Krewel 1994, Anhand eines Kontaktfragebogens wird vorab ermittelt, ob die
23 S. 55). Demnach lässt sich späteres Kaufverhalten zu einem be- Testperson […] überhaupt die Gelegenheit hatte, den Spot zu
trächtlichen Ausmaß durch die Aufmerksamkeit gegenüber einer sehen, also ein sogenannter Blockviewer ist. Erst dann erfolgt das
Anzeige im Blickbewegungstest vorhersagen. eigentliche Interview zum Testspot. Eine Variante besteht darin,
21.3  •  Messmethoden und Variablen in der Marktforschung
423 21

die Blockviewer künstlich durch die sogenannte Vorrekrutierung 21.3.3 Informationsverarbeitung


zu erzeugen, d. h., zufällig ausgewählte Personen werden gebeten,
in der Zeit ,von – bis‘ einen bestimmten TV-Sender einzuschal- Die Frage nach der Informationsverarbeitung stellt den Prozess
ten.“ Der DAR-Test wird wegen geringer Zuverlässigkeit und der Reizaufnahme und -verwertung in den Mittelpunkt. Hierzu
hoher Kosten kritisiert (Danke 1989). werden Versuchspersonen zum Beispiel in konkrete Wahl- und
Typischerweise wird beim freien Erinnern weniger produ- Entscheidungssituationen gebracht, in denen ihnen die wichtigen
ziert als beim Wiedererkennen, und es liegt nahe, dass man mit Informationen in unterschiedlicher Menge und in unterschiedli-
der Methode des freien Erinnerns zu den wirklich tiefen Ge- cher Anordnung dargeboten werden.
dächtnisspuren gelangt. Aber vielleicht spricht das unterstützte
Erinnern eine sehr willkommene und völlig ausreichende Art Informations-Display-Matrix
von Wirkung an. Wenn eine Person im Kaufhaus vor der Ent- Auf der sogenannten Informations-Display-Matrix (Asche-
scheidung steht, ein bestimmtes Produkt aus einer Reihe von mann-Witzel und Hamm 2011; Muehlbacher und Kirchler
konkurrierenden Produkten zu wählen, dann mag es genügen, 2003) können zeilenweise verschiedene Informationen abgeru-
dass sie sich an die Werbung erinnert, wenn sie das Produkt im fen werden, die zu den spaltenweise dargebotenen Produkten
Regal sieht, wenn sie also einen Hinweis hat. Wird dagegen eine Auskunft geben. So könnten in den Spalten verschiedene Keks-
extensive Kaufentscheidung vorbereitet, dann hat der Anbieter sorten stehen, etwa Voltaire, Descartes und Spinoza, in den Zeilen
den Wettbewerb bereits verloren, wenn der Konsument im Vor- verschiedene Informationen über die Sorten, zum Beispiel Preis,
feld der Entscheidung keine bewusste Erinnerung an Marke oder Menge, Schokoladen- und Zuckeranteil, verwendetes Getreide,
Produkt hat. Kalorien, Verpackung und so weiter. Die Zellen der Matrix sind
Bei einem Wiedererkennungstest (Rekognition; Moser verschlossen. Sie müssen die Information aktiv abrufen. Welche
1990, S. 56 f.) bekommen die Versuchspersonen einige Werbe- Information würde Sie als Erstes interessieren, welche danach?
vorlagen gezeigt und sollen sagen, ob sie diese Vorlagen schon Die Reihenfolge und die Menge der erfragten Informationen
einmal gesehen haben. Beim kontrollierten Rekognitionstest lassen Rückschlüsse auf Ihr Entscheidungsverhalten zu. Dieses
sehen die Personen auch einige Vorlagen, die sie mit Sicher- Verfahren entspricht den Untersuchungen mit dem sogenannten
heit nicht kennen, sogenannte Distraktoren. An dieser Gruppe Mouselab aus der deskriptiven Entscheidungsforschung (Payne
der unbekannten Vorlagen kann man erkennen, in wie vielen et al. 1993; vgl. auch Betsch et al. 2011; Jungermann et al. 2005,
Fällen die Versuchspersonen nur raten und aufs Geratewohl S. 133). Die Probanden sehen eine Informationstafel auf dem
behaupten, sie hätten die Vorlage schon gesehen. Ein Beispiel Monitor, bei der verschiedene Informationen verdeckt sind. Mit
für einen kontrollierten Rekognitionstest ist der Starch-Test. der Computermaus können die Probanden jene Informationen
„Hier geht ein Versuchsleiter mit der Versuchsperson nach aufdecken, die sie für ihre Entscheidung benötigen. (Entspre-
dem Lesen einer Zeitschrift diese nochmals durch und fragt, chende Programme können auch kostenlos im Internet genutzt
ob die Versuchsperson die Werbevorlagen zuvor gesehen hat werden; ▶ www.mouselabweb.org).
(noted), näher betrachtet hat, so daß die Marke identifiziert wer- Ähnlich lassen sich auch hier wieder Blickbewegungsauf-
den konnte (seen associated), oder mehr als 50 Prozent gelesen zeichnungen einsetzen (Aschenbrenner 1987, S. 155 f.). Mit Hilfe
wurde (read most)“ (Moser 1990, S. 56 f.; vgl. auch Kotler und der Blickbewegungen könnte man verfolgen, welche der Alter-
Bliemel 1995, S. 993). nativen in welcher Reihenfolge erwogen werden. Sinnvoll wäre
In einem Rekognitionstest sind prinzipiell immer zwei eine solche Methode zum Beispiel, wenn es um Entscheidungen
Fehler denkbar: Entweder ein Reiz, der zuvor nicht präsen- im Geschäft, am Point of Sale, vor dem Regal geht. Andere Si-
tiert wurde, wird fälschlicherweise „wiedererkannt“ („falscher tuationen, die eine Registrierung der Blickbewegung zulassen,
Alarm“), oder ein tatsächlich präsentierter wird gesehen (Aus- sind tabellarische Anordnungen von verschiedenen Produktal-
lassungsfehler). Genauso gibt es zwei Formen von richtigen ternativen in Katalogen, Werbeprospekten oder Ergebnissen der
Antworten: der korrekt wiedererkannte Reiz („Treffer“) und Stiftung Wartentest.
die korrekte Zurückweisung eines Distraktors. Ein Ergebnis aus
dem Rekognitionstest ist nur aussagekräftig, wenn es diese ver- Verbalprotokolle
schiedenen Ereignisse berücksichtigt. Dies leistet zum Beispiel Bei einer anderen Methode bittet man die Versuchspersonen, laut
der sogenannte d-Wert. Hierzu werden die falschen Alarme von zu denken (Bettman 1979; Harte et al. 1994; von Rosenstiel und
den Treffern abgezogen. (Dieses Maß nutzte zum Beispiel Duke Neumann 1988, S. 216; Shapiro 1994). O’Shaughnessy (1987) hat
1995, in seinem Vergleich von expliziter und impliziter Erinne- seine Befunde zu Kaufentscheidungen im Wesentlichen dadurch
rung; ▶ Abschn. 4.7.3). gewonnen, dass er Konsumenten vor, während und nach einem
Ergebnisse, die mit freiem Erinnern oder Wiedererkennen Kauf aufforderte, laut zu denken. Das Kaufverhalten sollte kom-
erzielt werden, sind ernüchternd (für einen Überblick vgl. Perfect mentiert werden. Er erhielt dabei Kaufprotokolle in Alltagsspra-
und Askew 1994, S. 694). Auch bei sehr häufiger Darbietung ist che, in denen die Konsumenten ihre früheren Kauferfahrungen,
kaum zu hoffen, dass sich auch nur ein Viertel der Rezipienten ihr Produktwissen, ihre Erfahrungen mit Werbung, ihre Zufrie-
an eine Werbebotschaft erinnert. In ▶ Abschn. 9.2 haben wir aber denheit mit dem Produkt, ihre aktuellen Stimmungen und vieles
gesehen, dass auch solche Anzeigen, die weder bewusst erinnert mehr berichteten. In der Auswertung ging es unter anderem um
noch wiedererkannt werden, eine Wirkung hinterlassen. implizite Kaufregeln oder um die Bedürfnisse und Wünsche, die
die Konsumenten mit der Kaufhandlung befriedigen wollten.
424 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

Exkurs 21.3  Netnographie  |       |  Probanden unterschiedlich instruiert sein. Möglich sind etwa
1 folgende Anweisungen: „Wählen Sie das wirkungsvollste Wasch-
Methoden und Fragestellungen der Ethnographie werden in der mittel“, „Wählen Sie die auffälligste Verpackung“ oder „Welches
2 „Netnographie“ auf das Internet übertragen (Kozinets 2010). Dabei
werden zum Beispiel Newsgroups, Blogs, Foren oder soziale Netz-
Produkt ist wohl das teuerste?“ Dieses Verfahren versucht, Ent-
werke gesichtet, um darin Antworten auf bestimmte Fragen zu be- scheidungen mit möglichst wenig Reflexion zu simulieren. Ein
gewisses Minimum an Informationsverarbeitung lässt sich aber
3 kommen. Meist werden „netnographische“ Studien als eine Art von
nicht teilnehmender Beobachtung durchgeführt. Eine authentische auch mit dieser Methode nicht unterschreiten. Obwohl es rein
Frage für die Netnographie in der Marktforschung wäre etwa: Was physiologisch möglich wäre, innerhalb von zwei Sekunden in
4 tun Konsumenten, damit ihre Kinder schlecht schmeckende Arznei-
mittel zu sich nehmen? Solche Fragen werden in Internet-Commu-
den Kasten zu greifen, so sind die Probanden doch nicht dazu
nities diskutiert, und darum kann man sie in diesen Gemeinschaften zu bewegen, innerhalb dieser kurzen Zeit etwas zu wählen. Erst
5 auch erforschen. Klassische Netnographie ist freilich weniger eine eine Darbietungszeit von etwa fünf Sekunden führt zuverlässig
„Online-Forschung in Communities“ als vielmehr die „Erforschung zu Wahlhandlungen der Versuchspersonen.
von Online-Communities“.
6 Ein denkbarer weiterer Nachteil der Netnographie besteht im
Fehlen demographischer Angaben, die üblicherweise in Communi-
21.3.4 Die Produkthandhabung
ties nicht preisgegeben werden. Auch den wenigen tatsächlichen
7 Hinweisen auf die Identitäten der Teilnehmer aus den Communities
ist möglicherweise nicht immer zu trauen. Vermutlich verändern Ich besaß einmal eine elektrische Zahnbürste mit folgendem
Teilnehmer von Communities auch ihre Identität und präsentieren Problem: Wechselte man beim Zähneputzen die Position der
8 sich in bestimmter, persönlich erwünschter Weise. Schau und Gilly
Bürste zum Beispiel vom Oberkiefer rechts zum Oberkiefer links,
(2003) untersuchten allerdings die Selbstpräsentation im Internet
und kommen zu dem Schluss, dass die Verstellung im Netz nicht berührte man – aufgrund der Drehbewegung der Hand – den
9 erheblich stärker ausfällt als anderswo. Einschaltknopf der Zahnbürste und schaltete das Gerät aus. Der
Schalter war so ungünstig angebracht, dass man die Zahnbürste
10 bei jedem Zähneputzen ein- bis zweimal versehentlich ausschal-
Man sollte aber nicht unbesehen davon ausgehen, dass Men- tete. Das war ein Fall für einen Handhabungstest. Bei einer guten
schen über ihre eigenen inneren Zustände, über ihre tatsächlich Marktforschung hätte eigentlich auffallen müssen, dass hier ein
11 wirksamen Absichten zuverlässig Auskunft geben können (Nisbett Bedienungsproblem vorlag.
und Wilson 1977a). Mit O’Shaughnessys Methode werden insbe- Eine Möglichkeit, die Produkthandhabung zu untersuchen,
12 sondere diejenigen Gedanken abgerufen, die den Konsumenten sind Blickbewegungsstudien. Man erkennt dabei die Orientie-
beim Kauf besonders verfügbar waren. Die Unmittelbarkeit der rungsreaktionen der Konsumenten dem Produkt gegenüber. In der
Datenerhebung, zum Beispiel auch während des Kaufs, macht ein Regel werden Videoaufzeichnungen der Produktverwendung an-
13 übermäßiges Glätten der Gedanken für die Versuchspersonen im- gefertigt, denn es geht häufig um komplexe Handlungsabläufe, die
merhin sehr schwierig. Dies spricht für die Methode. Andererseits analysiert werden müssen. Die Versuchspersonen sind nicht immer
14 weiß man auch, dass Entscheidungen, über deren Gründe die Per- darin eingeweiht, dass sie beobachtet werden. Spontane bzw. einge-
sonen nachdenken, durch dieses Nachdenken beeinflusst werden. fahrene, gewohnheitsmäßige und automatisierte Verhaltensabläufe
15 Lautes Denken ist eine einfache und sehr wirksame Methode, die sind meist interessanter als ein reflektiertes Verhalten. Ein Beispiel
eigenen intellektuellen Problemlöseleistungen zu verbessern. Eine mag die Anwendung von Handhabungstests am besten illustrieren
Entscheidung, die durch lautes Denken begleitet ist, könnte daher (Salcher 1995, S. 105 f.). Die Hersteller von Haarspray waren sich
16 rationaler sein, als sie es ohne lautes Denken gewesen wäre. Es gibt nicht immer darüber im Klaren, wie die Konsumentinnen ihre
sogar Gründe für die Annahme, dass reflektierte Entscheidungen Haare einsprühten. Jedenfalls war folgende Beobachtung eine Of-
17 unter gewissen Gesichtspunkten weniger optimal ausfallen (Wil- fenbarung: Frauen mit kurzen Locken und Dauerwellen neigen
son und Schooler 1991; siehe auch ▶ Abschn. 9.3.1). Die Forde- dazu, sehr dicht heranzugehen und jede Locke einzeln zu bearbei-
rungen an den Konsumenten bei einem Verbalprotokoll heben ten. Da aber die Düsen der Sprays nicht auf solch kurze Distanzen
18 jedenfalls den Entscheidungsprozess auf ein Reflexionsniveau, das eingerichtet waren, musste das Verfahren zu Klumpenbildung füh-
er normalerweise nicht hat. O’Shaughnessy (1987, S. 53) selbst ren. Mit dieser Information konnten die künftigen Sprühdosen auf
19 erklärt, dass seine Methode bei Gewohnheitskäufen weniger ge- eine wesentlich feinere Zerstäubung eingerichtet werden.
eignet ist, da bei dieser Kaufart die eigentlichen Gründe für den Eine besondere Variante der Beobachtung ist die ethnogra-
20 Kauf nicht im Kurzzeitspeicher präsent seien. phische Methode (▶ Exkurs 21.3), mit der man die Produkthand-
habung und noch sehr viel mehr erheben kann. Der entschei-
Schnellgreifbühne dende Gedanke bei diesem Ansatz ist, dass Menschen in ihrer
21 Will man die Kaufentscheidung mit einem Minimum an Infor- realen Lebensumwelt aufgesucht und beobachtet werden (z. B.
mationsverarbeitung darstellen, dann bietet sich die sogenannte Schmid und Kaufmann 2005). So sehen die Marktforscher direkt,
22 Schnellgreifbühne an (z. B. Salcher 1995, S. 118 ff.). Die Proban- wie zu Hause der Pudding gekocht wird.
den sitzen vor einem großen Kasten, in dem Produkte oder Pa- Dieser Ansatz ist nicht nur für Marktforscher interessant,
ckungen enthalten sind. Der Kasten öffnet sich immer nur für sondern auch für die Verbraucher. So macht zum Beispiel IKEA
23 kurze Zeit, und in dieser Zeit müssen die Versuchspersonen mit seinen Kitchen Stories die Erfahrungen aus einer Vielzahl
eine Wahl treffen und etwas greifen. Danach schließt sich der von Haushalten den Kunden zugänglich und vermittelt so ganz
Kasten wieder mit einer gepolsterten Klappe. Dabei können die konkrete Vorstellungen davon, wie man eine IKEA-Küche nutzen
21.3  •  Messmethoden und Variablen in der Marktforschung
425 21
.. Abb. 21.2  Parodie auf einen
projektiven Test: „Diagnostiziert“
wird hier die Zugehörigkeit zur
Zielgruppe.

kann (z. B. ▶ http://www.digitalbuzzblog.com/ikea-multi-view-in- Tests eigentlich ein Allgemeingut ist. So kann diese Anzeige in
teractive-kitchen-stories/; Abruf 21.3.2014). parodistischer Weise als „Diagnoseinstrument“ auftreten, mit
dessen Hilfe sich die Betrachter mit der Frage „Gehöre ich zur
Zielgruppe oder nicht?“ quasi selbst testen können.
21.3.5 Werthaltungen, Motivation und Emotion Auch einen anderen zentralen Gedanken projektiver Tests
parodiert die Anzeige aus . Abb. 21.2: Typischerweise sollen pro-
Eine andere Wirkgröße, die uns interessiert, sind Werturteile und jektive Tests solche Inhalte zu Tage fördern, die die Probanden
Gefühle, die durch eine Werbung in der Person hervorgerufen aus sich heraus nicht produziert hätten. Sie sollen Schlüssel zu
werden. Die Frage, wie sich die Person in Zukunft gegenüber verdrängten, jedenfalls unbewussten Motiven sein – und solche
dem Produkt verhalten wird, hängt sicher zu einem Großteil da- Motive sind eben häufig sexueller Art (siehe ▶ Exkurs 18.3).
von ab, welche Gefühlstönung das Produkt bei ihr hervorruft Aber sowohl die Beispielanzeige als auch die klinischen An-
bzw. welches Image es bei ihr hat. wendungen unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von
den Anwendungen projektiver Verfahren in der Marktforschung:
Projektive Verfahren In der Diagnostik geht es darum, etwas über die untersuchten
Eine Möglichkeit, emotionale Tönungen zu erfassen, liegt in Personen, ihre Persönlichkeit und Motive zu erfahren. Übli-
projektiven Testverfahren (siehe auch ▶ Exkurs 13.4). Bei diesen cherweise steht dagegen in der Marktforschung das Produkt im
Verfahren sollen die Versuchspersonen zu mehrdeutigen Vorga- Vordergrund.
ben spontan assoziieren. Die bekanntesten projektiven Verfahren Ein zweiter Unterschied zu klinischen Anwendungen be-
entstammen eigentlich der klinischen Persönlichkeitsdiagnostik. steht darin, dass in den Marktforschungsanwendungen kein
Hier werden zum Beispiel der Thematische Apperzeptionstest standardisiertes Material verwendet wird. Die TAT- oder die
(TAT) von Murray (Revers 1973) oder der Tintenkleckstest von Rorschach-Tafeln sind seit Jahrzehnten dieselben. Für die Markt-
Hermann Rorschach angewandt. Im TAT sehen die Versuchs- forschung dagegen gilt, dass das Material, zu dem die Probanden
personen Bilder mit verschiedenen Szenen. Sie sollen zu diesen etwas produzieren sollen, eigentlich beliebig sein kann, nur mehr-
Szenen Geschichten erzählen. Der Grundgedanke in allen pro- deutig muss es sein. Den Bezug zum Produkt kann man entweder
jektiven Verfahren ist, dass die Versuchspersonen ihre Motivlage, über das Material oder über die Instruktion herstellen. Dies wird
also auch ihre Emotionen, in das spontane Material quasi hin- deutlicher, nachdem wir einige Beispiele betrachtet haben. In der
einprojizieren. So gesehen sind projektive Daten ein Standardfall Marktforschung sind folgende projektive Verfahren gebräuchlich
sogenannter indirekter Messungen (Greenwald und Banaji 1995;
siehe auch ▶ Abschn. 13.3), denn das, was man eigentlich messen
will, ist gar nicht Teil der Instruktion; es zeigt sich vielmehr im-
plizit in dem, was auf die Instruktion hin produziert wird.
-
(Salcher 1995, S. 59 ff.; für weitere Beispiele siehe ▶ Exkurs 21.4):
Einfache projektive Frage: Dabei sollen die Probanden
nicht ihre eigene Einstellung zu einem Produkt berichten,
sondern die einer vorgestellten anderen Person. Eine solche
In . Abb. 21.2 erscheint der projektive Gedanke bereits in Frage könnte zum Beispiel lauten: „Was versprechen sich
ironischer Weise gebrochen. Die „mehrdeutige“ Reizvorlage ist die Kunden von Cartier von den Luxusuhren?“ Der Hin-
hochsuggestiv und die angesprochene Motivlage so weit verbrei- tergedanke ist, dass hierbei Ansichten geäußert werden, die
tet, dass es hier eigentlich nichts zu diagnostizieren gibt. Die Ab- die Personen zwar insgeheim hegen, die sie sich aber nicht
bildung zeigt aber auch, dass der Grundgedanke des projektiven so leicht selbst offen zuschreiben würden.
426 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

Exkurs 21.4  Aus dem Repertoire der Marktforscher  |       | 


1
2
Im Grunde kann ein projektives Marktfor-
schungsverfahren zu jeder neuen Aufgabe
auch immer neu konstruiert werden. So sind
- Als assoziative Verfahren bieten sich
Satzergänzung („Hätte der Prisma-Verlag
doch bloß nicht …“) oder Buchstabener-
- Die Probanden schreiben Tagebuch: ein
Tag im Leben des Prisma-Verlags.
Besonders reichhaltig sind die Möglichkeiten,

3
der kreativen Phantasie keine Grenzen gesetzt,
originelle Aufgaben zu erfinden, mit denen die
- gänzung (P steht für …; R steht für …) an.
Wir könnten unsere Probanden in
-
mit dem Produkt Analogien zu bilden:
Personifizierung („Die Tür geht auf, und
Probanden etwas über ihre Einstellung zum
Produkt mitteilen. Die folgenden Aufgaben sind
Rollenspiele verwickeln. Inszeniert wird
etwa ein Streitgespräch zwischen Lesern
- der Prisma-Verlag kommt herein“).
Der Prisma-Verlag als Tier, Pflanze, Land,
4 durch verschiedene praktische Anwendungs-
beispiele inspiriert (für Anregungen danke ich
der Prisma-Titel und Lesern anderer
Fachbücher. Die Rollen werden zufällig
- Auto, Film- oder Märchenfigur.
Phantastischer Stammbaum (die phan-

5
Dipl.-Psych. Heiko Bolz, Bolz Consumer Insight,
Frankfurt/Main, und Dipl.-Psych. Ursula Müller):
Stellen wir uns vor, wir wollen etwas über die
Wertschätzung eines Fachbuchverlags erfah-
- vergeben.
Wir unternehmen Phantasiereisen (auf
einen Planeten, wo es nur den Prisma-Ver-
lag gibt; in ein Land, wo der Prisma-Verlag
- tastischen Vorfahren des Prisma-Verlags).
Restaurant (Stellen Sie sich vor, der Pris-
ma-Verlag würde ein Restaurant eröffnen.
Was stünde auf der Speisekarte? Wer
6 ren, nennen wir ihn Prisma. Unsere Probanden verboten würde). Die Probanden sollen wären die Gäste?).
könnten verschiedene Aufgaben zu dem beschreiben, wie es an diesen Orten
Verlag erfüllen: zugeht.
7
8 - Ballon- oder Picture-Frustration-Test: Die Personen werden
mit Bildern konfrontiert, die in der Regel eine Konfliktsitu-
ation darstellen. Eine Person schildert in einer Sprechblase
enthielt Pulverkaffe, eine andere Liste normalen Bohnenkaffee.
Die Hausfrauen wurden gebeten, die Person zu beschreiben,
die diese Liste geschrieben haben könnte. Die Person, die den
9 den Konflikt. Die andere sagt auch etwas, aber die Sprech- Pulverkaffee in ihrer Liste hatte, wurde – unter anderem – als
blase ist leer. Die Antwort legen die Probanden der Person faul, knauserig, schlechte Ehefrau und nicht imstande, die Fa-
10 in den Mund. Diese Version ist einem klinischen Test nach- milie gut zu versorgen, beschrieben. Aus diesen Beschreibungen
empfunden, dem Picture-Frustration-Test von Rosenzweig wurde geschlossen, dass die Hausfrauen den Pulverkaffee nicht
(1950). In anderen Varianten müssen die Versuchsperso- als angemessenes Produkt für einen gut organisierten Haushalt
11 nen vorgegebene Sätze der Bildpersonen ergänzen, zum ansahen. In der Folge wurden die Werbeanstrengungen darauf
Beispiel: „Es sind doch immer dieselben Leute, die Ferrero abgestimmt, den Pulverkaffee mit kompetenter und effizienter
12
13
- Rocher kaufen, nämlich …“
Bildzuordnung- oder Collagentechnik: Hierbei sollen die
Versuchspersonen dem Produkt Bilder zuordnen. Das Ma-
terial kann man zum Beispiel Zeitschriften und Illustrierten
Haushaltsführung zu assoziieren.
Üblicherweise erhält man mit projektiven Verfahren qualita-
tive Daten, etwa Verbalprotokolle oder sogar Bildmaterial wie bei
der Collagentechnik oder der Technik des Psycho Drawing, bei
entnehmen, aus denen die Probanden auch einzelne Bild- dem man zum Beispiel die typischen Produktverwender zeichnen
14 und Textteile zu Collagen zusammenstellen können. Auf soll (McDaniel und Gates 1995). Solche Daten sind nicht einfach
diese Weise können recht kreative Anordnungen rund um auszuwerten. Als ideal gilt eine Auswertung in der Gruppe (evtl.
15
16
- das Produkt entstehen.
Assoziative Verfahren: Bei einem assoziativen Test verbali-
sieren die Probanden alles, was ihnen zu einer bestimmten
Vorgabe durch den Kopf geht. Die Vorgabe kann, wie bei
mit den Probanden selbst). Die Gruppensituation erzeugt eine
gewisse Objektivität, und wenn die Probanden dabei sind, können
diese zu dem produzierten Material Stellung nehmen. Prinzip der
Auswertung ist immer die Suche nach Ähnlichkeit und Gemein-
einem typischen projektiven Verfahren, sehr vieldeutig samkeit. In einem weiteren Schritt können dann ähnliche Inhalte
17 sein. Es kann sich aber auch um eine klare Frage handeln, zu Äquivalenzklassen zusammengefasst werden; spätestens dann
etwa „Sprechen Sie bitte alles aus, was Ihnen zu dem Begriff eröffnen sich Möglichkeiten der quantitativen Auswertung.
Zahncreme durch den Kopf geht“ (Salcher 1995, S. 70 f.). Projektive Verfahren werden gerne als ein Standardfall qua-
18 In diesen Varianten ist die Zuordnung von assoziativen litativer Methoden angesehen (z. B. Kepper 1996). Dies ist aller-
Verfahren zu den projektiven sicherlich eher unscharf bzw. dings aus zwei Gründen irreführend. Zum einen gehören die
19 „grenzwertig“. Entscheidend ist aber auch hier, dass es die Begriffe „qualitativ“ und „projektiv“ zu unterschiedlichen Katego-
Versuchsleiter auf die spontanen, automatischen und ungefil- rien. Qualitativ nennt man ein bestimmtes Datenniveau, also das,
20 terten Gedanken abgesehen haben. Um diesen Effekt auf die was am Ende bei der Messung herauskommt. Als projektiv be-
Spitze zu treiben, wird auch gerne mit Zeitdruck gearbeitet. zeichnet man dagegen nicht das Ergebnis der Messung, sondern
das Material oder die Aufgabe, mit der diese Ergebnisse erzielt
21 Nicht nur die Eigenschaften des Produkts werden durch projek- werden. Daher ist es – zum Zweiten – durchaus möglich, dass mit
tive Tests erfragt, sondern auch die Eigenschaften eines vorge- einem projektiven Material quantitative Daten erzeugt werden.
22 stellten Produktverwenders. Für diese Verwendungsweise steht So könnten in der Untersuchung von Haire (1950) die Pro-
eine Untersuchung von Haire (1950). Es geht um den Pulverkaf- banden die vermeintliche Autorin der Einkaufszettel anhand
fee, der nicht immer einen leichten Stand hatte. Um herauszu- einer vorgegebenen Merkmalsliste auf Schätzskalen beschreiben
23 finden, warum die Konsumentinnen den Pulverkaffee ablehnten, (. Abb. 21.3). Projiziert werden dann zwar nicht mehr so sehr
legte Haire einer Reihe von Hausfrauen Einkaufslisten vor, die die Merkmale, denn diese sind ja vorgegeben, wohl aber noch
nur in einem Punkt voneinander verschieden waren: Eine Liste immer die Ausprägung dieser Merkmale. Das Ergebnis steht dann
21.3  •  Messmethoden und Variablen in der Marktforschung
427 21

Bitte beschreiben Sie die Person, die den Einkaufszettel


geschrieben hat, anhand der folgenden Merkmale: - ob bei mehrmaliger Anwendung desselben Tests oder gar
bei Anwendung verschiedener Tests bei denselben Personen

modern
Die Person, die diesen Einkaufs-
zettel geschrieben hat, ist ...
gar
nicht

0 1 2 3 4 5 6 7 8
sehr - auch immer dasselbe Ergebnis herauskommt (Reliabilität),
ob die Ergebnisse des Tests wirklich für das stehen, wofür
man sie gerne stehen lassen würde (Validität).

intelligent
0 1 2 3 4 5 6 7 8 Bei diesen Unwägbarkeiten sind projektive Tests auch noch auf-
genussfreudig
0 1 2 3 4 5 6 7 8 wendig in Erhebung und Auswertung. Sie stellen hohe Anforde-
fleissig
rungen an Motivation, Intelligenz und Kreativität der Teilnehmer.
0 1 2 3 4 5 6 7 8
Angezeigt sind projektive Verfahren daher wohl nur in bestimm-

-
gesundheits-
bewußt 0 1 2 3 4 5 6 7 8 ten Situationen bzw. zu bestimmten Zwecken, zum Beispiel.
bei schwer zugänglichen Inhalten (z. B. unbestimmten

-
humorvoll, heiter,
lustig 0 1 2 3 4 5 6 7 8
bequem Aversionen),
0 1 2 3 4 5 6 7 8
bei Inhalten mit starker sozialer Bewertung (z. B. Pornogra-

--
familienorientiert
0 1 2 3 4 5 6 7 8 phie; Ausländerfeindlichkeit),
gutaussehend,
attraktiv 0 1 2 3 4 5 6 7 8 bei tabuisierten Inhalten (z. B. Hygieneartikeln),
kompetente bei starker Dominanz von schematischen Assoziationen
Hausfrau 0 1 2 3 4 5 6 7 8
(z. B. Brot, wozu den meisten Menschen außerhalb eines
projektiven Tests wohl nur sehr banale und hergebrachte

-
.. Abb. 21.3  Quantitative Vorgabe zur projektiven Beschreibung einer Inhalte einfallen dürften),
fiktiven Person
zur Auflockerung einer ansonsten drögen Konsumentenbe-
fragung.
praktisch dem ganzen Arsenal statistischer Auswertungsverfah-
ren zur Verfügung. Tiefeninterview, Laddering und Means-End-
Was versprechen sich Marktforscher von projektiven Ver- Analyse
fahren? Natürlich erwartet jeder Anwender, dass die Probanden Das Tiefeninterview habe ich bereits als eine aufwendig Form
auf sein projektives Material andere Antworten geben als bei di- der explorativen und gleichzeitig qualitativen Forschung ange-
rekter Befragung. Viele projektive Verfahren sind zunächst nicht sprochen. Die spezielle Form des Laddering wird gern eingesetzt,
besonders gut durchschaubar. Oft wissen die Probanden nicht, um die Motivation hinter einer bestimmten Konsumhandlung zu
wie die Antworten später gedeutet werden. Eine gezielte gedank- ermitteln (Reynolds und Gutman 1988). Das Laddering basiert
liche Kontrolle der Antworten ist daher meist nutzlos. Dieses auf dem Means-End-Ansatz (z. B. Reynolds und Olson 2001),
Argument gilt allerdings typischerweise eher für die klinischen dem zufolge Produkte bzw. deren Konsum als Mittel zu einem
Tests, nicht so sehr für Marktforschungsvarianten. Allerdings ist Ziel verstanden wird. Das Ziel ist ganz eng mit dem Selbstbild
auch dann, wenn der Test leicht zu durchschauen ist, mit einer und den Werten des Nutzers verbunden. Diese Voraussetzung
geringeren Reaktivität zu rechnen (zum Begriff der Reaktivi- rechtfertigt das immer weitere Nachfragen nach immer weiter
tät siehe ▶ Kap. 22), denn die Aufgabe im projektiven Test hat übergeordneten Gründen für den Konsum. Die übergeordnete
meist mit dem Produkt nur noch indirekt zu tun (z. B. eine Ge- Frage, die auf der Befragungsleiter immer weiter nach oben
schichte mit dem Produkt zu erzählen, dem Produkt eine Tier-, führt, lautet: „Warum ist dir das wichtig?“ („Why is it important
Pflanzen- oder Filmfigur zuordnen). Die Aufmerksamkeit der to you?“; Reynolds und Gutman 1988, S. 12): „Warum isst du
Probanden wird vom Produkt abgezogen und auf eine andere Schokolade“ – „Das ist eine Belohnung.“ – „Warum ist dir Beloh-
Aufgabe gelenkt, eben das kreative Ausfüllen der vieldeutigen nung wichtig?“ – „Um auch mal etwas zu genießen.“
Vorgabe. Wird diese Aufgabe mit dem nötigen Eifer erfüllt, ist Diese Technik kann sehr heterogene Ergebnisse hervorbrin-
ebenfalls die kognitive Kontrolle in Bezug auf das Produkt re- gen, also etwa eine Vielzahl an unterschiedlichen Gründen, aus
duziert. In diesem Sinne ist es natürlich ratsam, den Charakter denen Menschen Schokolade essen. Diese Ergebnisse sind oft
der Aufgabe so zu gestalten, dass die Aufmerksamkeit möglichst für die Befragten selbst überraschend, möglicherweise auch er-
effektiv von der kognitiven Kontrolle abgezogen wird. So könnte hellend. Trotzdem wird man diese Methode nicht ohne Weite-
man bei dem Bilder-Erzähl-Test (in Anlehnung an den TAT) da- res als eine indirekte Messung für eigentlich unbewusste Motive
rum bitten, die Geschichte zu dem Produkt möglichst spannend ansehen können, denn letztlich wird nach dem interessierenden
zu gestalten. Dies macht den Probanden oft mehr Spaß und hat Konstrukt doch ganz direkt gefragt.
gleichzeitig den Effekt, die Reaktivität zu verringern.
Diesen Vorteilen stehen freilich auch gewichtige Nachteile Physiologische Maße
der projektiven Verfahren entgegen. Von diesen ist sicher ein Eine ganz andere Gruppe von Maßen bilden die reinen Körper-
besonders wichtiger die notorisch geringe Testgüte dieser Me- reaktionen. Physiologische Reaktionen sind meist nicht bewusst

-
thoden. Im Einzelnen sind fraglich:
ob verschiedene Anwender und Auswerter bei denselben
Probanden auch die gleichen Ergebnisse erzielen würden
(Durchführungs- und Auswertungsobjektivität),
steuerbar. Daher bieten sie sich als ein verhältnismäßig unver-
fälschtes Reaktionsmaß an. Allerdings können physiologische
Messungen nur als indirekte Maße für psychologische Vorgänge
gelten (im Sinne von ▶ Abschn. 13.3). Sie deuten in der Regel
428 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

nur auf bestimmte psychologische Phänomene, ohne dafür ein den nicht kontrolliert. Sie ist daher zur Messung unbewusster
1 Kriterium zu sein. Einstellungen geeignet (Bohner und Wänke 2002; Cacioppo und
Lang (1994b) diskutiert das Erfassen des Herzschlags zur Petty 1979).
2 Messung der Reaktion auf Medien. Neben diesem recht einfa- Ende der 1960er Jahre entwickelte der schwedische Anatom
chen Maß werden auch die Pupillenreaktion und der Hautwider- Carl-Herman Hjortsjö ein System zur Codierung emotiona-
stand eingesetzt. Die Gefühle zu einem Gegenstand spiegeln sich ler Zustände anhand der Gesichtsmuskulatur, das in der Folge
3 nach einer verbreiteten Auffassung auch in den Augen, nämlich von Ekman und Friesen (z. B. 1978) zum Facial Action Coding
in den Pupillen. Der Grundgedanke ist, dass sich die Pupillen System (FACS) perfektioniert und verfeinert wurde. Auf Basis
4 gegenüber einem angenehmen und erstrebenswerten Gegen- des FACS werden heute von verschiedenen Marktforschungs-
stand oder einer entsprechend sympathischen Person weiten, instituten rechnergestützte Lösungen angeboten, die affektive
5 während sie sich angesichts eines negativen oder unerwünschten Reaktionen von Probanden anhand von Muskelaktivitäten im
Gegenstands verengen (Hess 1965, 1977; Mullen und Johnson Gesicht messen. Dies geschieht nur auf Basis von Videoaufnah-
1990, S. 13). In Untersuchungen zur Werbewirkung wurde die men mit einer Webcam, ist also für die Probanden sehr bequem
6 Pupillengröße als Maß für die Beliebtheit eines Produkts ver- – zumal die Untersuchungen im Prinzip auch von Zuhause aus
wendet: „Hess (1965) berichtete, daß Personen die stärkste Pu- durchgeführt werden können (vgl. hierzu eine Pressemitteilung
7 pillenerweiterung zeigten, wenn sie dasjenige Orangengetränk des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen, IIS, das
tranken, das sie später auch bevorzugten. […] Halpern (1967) gemeinsam mit der GFK für eine solche Lösung den Innova-
beobachtete Pupillenerweiterung als Reaktion auf eine Schilde- tionspreis der Deutschen Marktforschung  2012 erhalten hat,
8 rung der Bequemlichkeitsvorteile, die eine Art der Verpackung ▶ http://www.iis.fraunhofer.de/de/pr/2012/0718_gfk_emo_scan.
gegenüber einer anderen hatte“ (Mullen und Johnson 1990, S. 13; html, Abruf 22.3.2014).
9 Übersetzung GF). Bildgebende Verfahren aus der Gehirnphysiologie werden als
Janisse (1973) argumentiert gegen die Annahme, dass die Pu- zukunftsweisende Methode der Marketingforschung vorgestellt
10 pillenerweiterung ein deutliches Zeichen von positiven Affekten (z. B. Kenning 2007). Diese Verfahren zeigen Stoffwechselaktivi-
sei. Vielmehr zeige sich Pupillenerweiterung grundsätzlich bei täten, die parallel zu relevanten Wahrnehmungs- oder Entschei-
stärkeren affektiven Reaktionen, seien sie nun positiv oder ne- dungsprozessen ablaufen. Die wachsende Kenntnis über Ge-
11 gativ. Diese Argumente stehen im Einklang mit den unterstellten hirnfunktionen macht auch diese Verfahren besonders attraktiv.
physiologischen Zusammenhängen und stellen auch keinen Wi- Je mehr man über das Gehirn weiß, desto detaillierter kann man
12 derspruch zu den bisherigen Befunden dar. Sie zeigen, dass phy- auch von dessen Aktivität auf mentale Prozesse schließen (kri-
siologische Daten die eigentlichen psychologischen Phänomene tisch vgl. hierzu z. B. Strack 2010). Praktische Einschränkungen
nur sehr unvollkommen abbilden und man von physiologischen ergeben sich aber nicht nur durch die enormen Kosten für bild-
13 Zuständen nicht spezifisch auf psychologische schließen kann. gebende Verfahren. Letztlich bleiben auch Gehirnprozesse nur
Der Hautwiderstand bzw. die „elektrodermale Reaktion“ indirekte Messungen für psychologische Konstrukte – ihre Aus-
14 wird von einigen Praktikern als ein gutes Maß für das Aktivie- sagekraft ist immer nur so gut wie das dahinterstehende psycho-
rungspotential einer Anzeige betrachtet (z. B. Kroeber-Riel und logische Modell (weitere Argumente hierzu in ▶ Abschn. 1.8.2).
15 Meyer-Hentschel 1982, S. 71; Hopkins und Fletcher 1994; LaBar-
Reaktionszeit
bera und Tucciarone 1995):
„[…] die Schnelligkeit, mit der Antworten gegeben werden,
16 » Zur Messung der elektrodermalen Reaktion werden zwei [kann] ebenso informativ sein, wie die Antwort selbst. […]
Elektroden am Daumen und Kleinfingerballen befestigt. Durch Wenn zum Beispiel eine Testperson gefragt wird, ob sie Coke
17 die Elektroden wird der Haut ein sehr schwacher konstanter oder Pepsi den Vorzug geben würde, und sie antwortet schnell
Strom (zehn Mikroampere) zugeführt. Die auftretende Span- ,Coke‘, dann deutet das auf eine starke Präferenz hin; antwor-
tet sie hingegen langsam, läßt das auf eine schwache Präferenz
18 nung wird fortlaufend auf einem Polygraphen aufgezeichnet.
Die Spannungsveränderungen geben Aufschluß über den schließen“ (MacLachlan und Myers; zit. n. Clark 1989, S. 130;
jeweiligen elektrischen Widerstand der Haut. Der Hautwider- vgl. auch Cameron und Frieske 1994). In diesem Beispiel wird
19 stand hängt direkt von den Aktivierungsvorgängen im zentra- das theoretische Konstrukt „Präferenzstärke“ mit dem Maß „Re-
len Nervensystem ab. Die elektrodermale Reaktion ermöglicht aktionszeit“ verknüpft.
20 lediglich Aussagen über die Aktivierungsstärke einer Anzeige. Tatsächlich ist die Reaktionszeit ein Maß für die Aktivation
Sie gibt keine Auskunft darüber, ob die Anzeige von der des Konzepts und seine kognitive Verfügbarkeit. In dem genann-
Testperson positiv oder negativ erlebt wird, ob sie verstanden ten Beispiel würde man also in der Tat auf eine bestimmte Ein-
21 oder akzeptiert wird. (Meyer-Hentschel 1993, S. 27 f.). stellungsstärke schließen (siehe auch ▶ Abschn. 13.2.3; Fazio et al.
1989). Reaktionszeitverfahren können sowohl explizite als auch
22 Klarere Rückschlüsse auf die Qualität von Affektzuständen implizite Variablen messen. Für letzteres sind wohl der Implizite
erlaubt die Messung der Gesichtsmuskelaktivität. So zeigt der Assoziationstest (IAT; ▶ Abschn. 13.3) und die Affect Misattribu-
Zygomaticus major (der große Jochbeinmuskel) im EMG stär- tion Procedure (AMP; ▶ Abschn. 13.3.3) die prominentesten und
23 kere Aktivität bei positiven Affektzuständen, der Corrugator am besten bewährten Beispiele (zur Bewährung vgl. Cameron
(„Stirnrunzler“) ist dagegen bei negativer Affektlage aktiviert. et al. 2012; Hofmann et al. 2005). Diese Verfahren sind in der
Diese Aktivation geschieht unwillkürlich und wird von Proban- gesamten Psychologie sehr bedeutsam und einflussreich.
21.3  •  Messmethoden und Variablen in der Marktforschung
429 21

Reaktionszeitbasierte Verfahren werden auch in der Markt- teme (z. B. das PAD-Emotionsmodell von Mehrabian und Russel
forschung eingesetzt. Kritisch anzumerken bleibt hier, dass diese 1974) leicht in die Struktur des semantischen Differentials über-
Anwendungen häufig konzeptionell vieldeutig bleiben, indem führt werden können.
sie eben nicht, wie häufig behauptet, implizite Variablen messen. Anscheinend hat man mit diesem Instrument in der Tat die
Wenn am Bildschirm Coca-Cola erscheint und die Probanden Möglichkeit, unabhängig vom konkreten Gegenstand immer
so schnell wie möglich entscheiden sollen, ob beispielsweise das gleiche, also standardisierte Bewertungsurteile einzuholen. Diese
Merkmal „jung“ auf diese Marke zutrifft, dann ist dies ein direk- Bewertungen sind freilich – wie schon gesagt – eher in einem
ter Test und das dabei gemessene Markenimage ist explizit. Der übertragenen und konnotativen Sinne zu verstehen. Der Bewer-
entscheidende Grund hierfür ist die simple Tatsache, dass direkt tungsfaktor ist dabei in der Regel der varianzstärkste. Semanti-
und ohne Umweg gefragt wurde, ob man Coca-Cola für jung hält. sche Differentiale zur reinen Einstellungsmessung beschränken
Dass die Antwort besonders schnell gegeben wird, macht das sich in der Regel auf den Bewertungsfaktor.
Verfahren noch nicht zu einem Test für implizite Images. Da ich In einem Beispiel von Ewen und Droge (1988, S. 64, Her-
diese Punkte ausführlich in ▶ Abschn. 13.3.1 diskutiert habe, soll vorhebung im Original) wurden nicht nur unterschiedliche
hier folgender Hinweis genügen: Einerseits haben mittlerweile Produkte mit dieser Methode eingeschätzt, sondern auch un-
schon einige Marktforschungsinstitute den Grundgedanken im- terschiedliche Aspekte desselben Produkts. So zeigte sich etwa
pliziter Vorgänge (Erinnerungen, Einstellungen, Markenimages) für ein Deospray, dass Geruch, Name und Dose eine recht ein-
in ihre Methoden aufgenommen – das ist sehr erfreulich. An- heitliche Konnotation hatten: „[Sie sind] zu vergleichen mit den
dererseits aber zielen gerade Reaktionszeitmaße wie das oben Begriffen Glück, Heiterkeit, Mutter und Liebe, und sie werden
beschriebene (das in dieser Form mehrfach angewandt wird) an eher weiblich erlebt. Charakteristische Adjektive sind gesellig,
dem Ziel, implizite Vorgänge zu messen, vorbei. offen, sanft, zart und gefühlvoll. Die Anzeige dagegen fügt sich
dieser Konsistenz nicht. Sie wirkt im emotionalen Bereich ver-
Das semantische Differential gleichsweise herrischer, hart, eher aggressiv und ernst, also eher
Das sogenannte semantische Differential (auch Polaritätenprofil; männlich.“. Hier zeigt sich also im semantischen Differential eine
Osgood 1970) ist eine weitere Methode, mit der man Markeni- Diskrepanz zwischen der Werbung und der sonstigen Wahrneh-
mages oder auch Anmutungsqualitäten einer Werbevorlage mes- mung des Produkts.
sen könnte. Die Methode wurde ursprünglich entwickelt, um den
Bedeutungsgehalt von Wörtern zu ermitteln. Mittlerweile wird es Der Programmanalysator
aber zur Einschätzung verschiedenster Dinge herangezogen. Das Der Programmanalysator ist eine apparative Vorrichtung, bei der
Grundprinzip besteht darin, dass ein bestimmter Gegenstand mit die Zuschauer ihre Reaktionen während des Betrachtens einer
Hilfe einer Reihe von Adjektiven beschrieben werden soll. Im Werbevorlage online angeben. Er bietet sich also besonders für
Laufe seiner vielfältigen Anwendungen hat das semantische Dif- Fernseh- oder Radiospots an. Das Verfahren stammt eigentlich
ferential immer wieder eine stabile Grundstruktur bestätigt, der aus den 1930er Jahren und wird heute nach demselben Prinzip,
zufolge sich die Gegensatzpaare von Adjektiven grundsätzlich aber unter neuen Bezeichnungen, zum Beispiel CRAC, PEAC
zu drei Dimensionen gruppieren lassen: Bewertung (evaluation), oder PROLOG, in der professionellen Marktforschung ange-
Potenz (potency) und Aktivierung (activity). Diese drei Dimen- wandt (Lackner 1992). Die Probanden halten während der Dar-
sionen spannen den semantischen Raum auf, in dem sich die bietung eines Programms ein Bedienungsteil in der Hand, über
unterschiedlichsten Gegenstände einordnen lassen (Ewen und das sie durch Drücken von Tasten oder Hebeln ihre augenblickli-
Droge 1988). chen emotionalen Zustände mitteilen. Das Maß basiert also nicht
Gegensatzpaare aus dem semantischen Differential sind etwa: so sehr auf einer Messung an den Personen als vielmehr auf der
Selbstbeobachtung der Probanden. Es soll in erster Linie dazu
schwach – stark gehemmt – triebhaft
sanft – wild beweglich – starr
dienen, die typischen Rückschaufehler und Vergessenseffekte
gefühlvoll – kühl gesellig – zurückgezogen einer Nachbefragung auszuschalten (Kroeber-Riel 1992, S. 108).
zart – robust unterwürfig – herrisch
nachgiebig – streng redselig – verschwiegen Befragung
Die Befragung ist sicher die am weitesten verbreitete Methode in
Die Begriffe werden nicht in ihrer rein sachlichen, sondern eher der Werbewirkungsforschung. So naheliegend sie auch sein mag,
in ihrer konnotativen Bedeutung verwendet. Es geht also mehr hat sie doch einige methodische Probleme. Die Konsumenten
um Anmutungsqualitäten als um tatsächliche Bedeutung. Rela- können bei der Befragung nur solche psychologischen Prozesse
tiv unbedeutend sind hierzu die Reihenfolge der Vorgaben und angeben, die mit relativ hoher Aufmerksamkeit einhergehen, so-
die Polung (z. B. weich – hart vs. hart – weich). Mit unipolaren genannte High-Involvement-Prozesse (Keitz-Krewel 1994, S. 57).
Vorgaben werden zudem ähnliche Ergebnisse erzielt wie mit den Kognitive und emotionale Prozesse, die ohne Aufmerksamkeit
eigentlichen bipolaren. ablaufen, sind der betreffenden Person nicht nur weitgehend un-
Diese Stabilität der Faktorenstruktur ist der eigentliche große zugänglich. Sie verändern sich auch, wenn die Aufmerksamkeit,
Vorzug des semantischen Differentials. Eine semantisch hinrei- zum Beispiel durch Nachfragen, auf sie gelenkt wird.
chend breit gefasste Liste mit anderen Adjektiven hat normaler- Die Gründe, die ein Mensch zu seinem Verhalten angibt, sind
weise eine ähnliche dreidimensionale Struktur zur Folge. Daher nicht immer die Gründe, die ihn zu dem Verhalten motiviert ha-
verwundert es auch nicht, dass konkurrierende Bewertungssys- ben. Dies gilt auch für die Fälle, in denen Personen ganz aufrich-
430 Kapitel 21  •  Messung der Werbewirkung und Methoden der Marktforschung

tig und ohne Beschönigungen eine Selbstauskunft geben (Nisbett


1 und Wilson 1977a). Daher erklären zum Beispiel Kroeber-Riel
und Meyer-Hentschel (1982, S. 20): „Viele Käufer ordnen ihrem
2 Verhalten durchweg vernünftige, rationale Gründe zu, obwohl
diese Gründe gar nicht maßgebend für ihr Verhalten waren. […]
Der Misserfolg von manchen Produkten ist nicht zuletzt darauf
3 zurückzuführen, daß die Marktforscher den rationalen Auskünf-
ten der Konsumenten zu viel Glauben geschenkt haben.“ Das
4 Perfide an Befragungen ist: „Auf eine Frage erhält man im Regel-
falle ein Antwort. Weiß der Befragte keine Antwort, dann erfin-
5 det er eben eine“ (Bergler 1984, S. 14). Auf diesen Punkt werde
ich im folgenden Kapitel, insbesondere in ▶ Abschn. 22.4.2, noch
einmal zurückkommen.
6 Man kann eine Befragung mündlich, meist als Interview, und
schriftlich, als Fragebogen, durchführen – Letzteres natürlich
7 häufig auch online. Was sinnvoller ist, hängt unter anderem davon
ab, wie weit man die Teile der Befragung standardisieren möchte.
Im standardisierten Fall bekommt jeder Teilnehmer dieselben
8 Fragen. Im Extremfall sind sogar die Antwortmöglichkeiten vor-
gegeben. Diese Form der Befragung ließe sich dann ebenso gut
9 als Fragebogenerhebung durchführen, da sich der Einsatz eines
Befragers erübrigt. Bei der standardisierten Befragung kann man
10 die Formen der Fragestellung danach unterscheiden, wie man
zu antworten hat (z. B. Kotler und Bliemel 1995, S. 198). Zum
Beispiel können lediglich Ja/Nein-Antworten verlangt sein, oder
11 aber man wählt nach dem Multiple-Choice-Prinzip aus mehreren
Antwortalternativen. In einem unstandardisierten Verfahren wä-
12 ren die Antwortmöglichkeiten frei. Es gäbe nur einige Fragen zur
Anregung. Im Extremfall würde hier der gesamte Verlauf der Be-
fragung davon abhängen, was die Gesprächspartner antworten.
13 Befragungen lassen sich nicht nur in der direkten Interaktion
oder in Form von Fragebögen durchführen. Verbreitet ist auch
14 die Methode des Telefoninterviews, bei der eine Zufallsauswahl
von Personen angerufen und kurz befragt wird. Das sogenannte
15 CATI-System (CATI = Computer-assisted Telephone Interview)
kombiniert die Methode des Telefoninterviews mit computer-
gestützter Datenerfassung und -verarbeitung. In verschiedenen
16 Telefonkabinen sitzen die Telefoninterviewer, haben vor sich
einen Bildschirm mit verschiedenen Fragen und rufen nach ei-
17 nem Zufallsprinzip eine Person nach der anderen an. Auch die
Frage, wer angerufen wird, wird maschinell geregelt. Wenn zum
Beispiel unter einer gewählten Nummer niemand zu erreichen
18 ist, dann „merkt“ sich das der Rechner und wählt die Nummer
nach einer bestimmten Zeit wieder an, um eine bessere Stichpro-
19 benausschöpfung zu erreichen (Jeck-Schlottmann und Neibecker
1994, S. 31; Salcher 1995, S. 17).
20
21
22
23
431 22

Psychologische Einflüsse auf


Ergebnisse der Marktforschung
Georg Felser

22.1 Der Einfluss der Messung  –  432


22.2 Probleme bei Selbstauskünften  –  433
22.3 Das Bearbeiten eines Fragebogens  –  434
22.3.1 Skalen und Antwortverhalten  –  434
22.3.2 Formulierung von Fragen und Antworten  –  435
22.3.3 Freie und vorgegebene Antwortformate  –  436
22.3.4 Antwortformate und Verteilungseinschätzungen – 437

22.4 Marktforschung und Informationsverarbeitung  –  437


22.4.1 Der Nike-Sportschuh – 437
22.4.2 Ein konstruktivistisches Modell der Einstellungsmessung  –  438
22.4.3 Effekte vorangehender Fragen auf folgende  –  439
22.4.4 Die Befragung als Intervention  –  440
22.4.5 Einstellungen zu Dingen, die es gar nicht gibt  –  440
22.4.6 Kontexteffekte in Befragungen: Fehlerquellen oder
wertvolle Optionen für die Marktforschung?  –  441

G. Felser, Werbe- und Konsumentenpsychologie,


DOI 10.1007/978-3-642-37645-0_22, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
432 Kapitel 22  •  Psychologische Einflüsse auf Ergebnisse der Marktforschung

Zusammenfassung: diese Phänomene werden aber zu ernsten Problemen, wenn die


1 1. Psychologische Messungen müssen das Problem der Reaktivität Personen als „Experten“ auftreten, also selbst die Messinstru-
berücksichtigen. Reaktivität bezeichnet die Änderung im Ver- mente sind, mit denen die Daten gewonnen werden.
2 halten einer Person, wenn sie weiß, dass sie beobachtet oder
„gemessen“ wird.
2. Was eine Person über sich selbst sagt, unterliegt verschiedenen 22.1 Der Einfluss der Messung
3 Einflüssen, zum Beispiel ihrer aktuellen Bedürfnislage, ihrer Er-
wartung, welche Konsequenzen sich aus ihrer Auskunft erge- Es gibt verschiedene Gründe, aus denen sich Personen anders
4 ben, oder ihrem Streben nach Konsistenz. verhalten sollten, wenn sie „gemessen“ werden. Wenn es um eine
3. Wir können unsere eigenen zukünftigen Wünsche und Präfe- Messung von Emotionen geht, können wir uns leicht vorstellen,
5 renzen oft nur ungenau angeben. Die tatsächlichen Einflüsse dass Versuchspersonen hier ihre Spontaneität verlieren, um nicht
auf unser Verhalten erkennen wir nur, wenn sie ohnehin schon aufgrund ihrer Emotionen in ein unvorteilhaftes Licht zu gera-
zu unserer Theorie über unser Verhalten passen. ten. Messungen werden dadurch bedroht, was die Personen als
6 4. In standardisierten Befragungen beeinflussen Fragen und Ant- allgemein erwünscht und sozial gebilligt ansehen (Crowne und
wortvorgaben das Urteil, das doch eigentlich erst erhoben Marlowe 1960, 1964). Daher ist die Reaktivität bereits geringer,
7 werden soll. Zum Beispiel entscheiden die Antwortvorgaben in wenn eine Versuchsperson sicher ist, dass ihre Daten anonym
einem Fragebogen mit darüber, bleiben, und aus diesem Grund sich viel weniger veranlasst sieht,
sich unangemessen positiv darzustellen. Eine drastischere Me-
8 – ob die Probanden mit ihrer Antwort eine inhaltlich interpre-
tierbare oder eine indifferente Position einnehmen, thode, den Einfluss der sozialen Erwünschtheit gering zu halten,
– wie wichtig welches Merkmal ist, besteht darin, den Probanden einzureden, ihre Antworten seien
9 – was die Befragten unter Begriffen wie „viel“ oder „wenig“ perfekt durchschaubar und eine geschönte Antwort könne mit
verstehen. wissenschaftlichen Methoden zweifelsfrei identifiziert werden.
10 5. In Befragungssituationen kommt es oft vor, dass Personen zu Diese Bogus-Pipeline-Methode (Jones und Sigall 1971) ist frei-
dem in Frage stehenden Gegenstand keine Meinung haben, lich ethisch eher problematisch und wird praktisch nicht mehr
sondern ihre Antwort ad hoc aus verfügbaren Informationen eingesetzt (Aguinis und Handelsman 1997). Gleichwohl ist ihre
11 konstruieren. Bei dieser Konstruktion verwenden sie vorzugs- Wirksamkeit nachgewiesen und unterstreicht dadurch noch ein-
weise besonders wichtige, besonders hervorstechende und kurz mal, dass Befragte nur dann ihre Antworten absichtlich verzerren,
12 zuvor aktivierte Informationen. wenn sie davon ausgehen, dass sie damit andere täuschen können.
6. Befragungssituationen werden von den Befragten ähnlich wie Ein weiteres Element der Reaktivität ist der sogenannte Auf-
forderungscharakter („demand characteristics“; Orne 1962) ei-
13 andere Kommunikationssituationen auch verstanden. Daher
folgen Personen bei ihren Antworten üblichen Kommunikati- ner Untersuchung. Damit ist die Summe all dessen gemeint, was
onsregeln. Zum Beispiel berücksichtigen sie, welche Informa- Probanden von einer Untersuchung wissen und denken – und
14 tion der Frager schon hat und welche Konsequenz ihre Antwort das geht normalerweise weit über das hinaus, was ihnen der Ver-
möglicherweise haben könnte. suchsleiter an Instruktionen gibt. So bilden Probanden bei der
15 7. Aus einer psychologischen Sicht können vermeintliche Fehler- Gelegenheit einer Messung auch Hypothesen darüber aus, was
quellen bei standardisierten Befragungen auch als wertvolle wohl die Absicht der Untersuchung ist. Je nachdem wie wohlge-
Erkenntnisquellen nutzbar gemacht werden. Hierzu ist es erfor- sonnen uns die Versuchspersonen sind, werden sie versuchen,
16 derlich, die Verarbeitungsprozesse nachzuvollziehen, die zu dem das ihrer Meinung nach erwünschte Ergebnis zu unterstützen
angeblich verzerrten Urteil geführt haben. oder zu umgehen.
17 Die Gedanken, die sich Probanden bei einer Messung ma-
Bei den Messungen, die im vorangegangenen Kapitel diskutiert chen, beeinflussen das Messergebnis aber nicht nur aus strategi-
wurden, haben unsere Versuchspersonen verschiedene Rollen schen Gründen. Wenn Personen erwarten, dass sie zum Beispiel
18 eingenommen. Das eine Mal waren sie Gegenstand unserer Un- ihre Präferenzen begründen sollen, kann das erheblichen Ein-
tersuchung, besonders augenfällig, wenn es um ihre Emotionen fluss auf ihre Urteile haben. Wenn sich etwa Teilnehmer an einer
19 und Einstellungen ging. Ein anderes Mal waren sie eher „Ex- Gruppendiskussion gedanklich auf die Diskussion vorbereiten,
perten“ für bestimmte Fragen, insbesondere wenn es um Pro- verändert dies ihre Urteile (Schlosser und Shavitt 2002). Wilson
20 duktentwicklung oder die Bewertung einer Werbevorlage ging. und Schooler (1991) zeigen, dass sich Präferenzen von einem
Diese beiden Blickwinkel lassen sich vor allem daran unterschei- höher- zu einem minderwertigen Produkt veränderten, wenn
den, welche Art von Problemen in ihnen vorkommen. Bei der die Probanden ihre Wahl nicht spontan trafen, sondern damit
21 Messung an Versuchspersonen ist ein Hauptproblem, dass Per- rechneten, die Wahl später begründen zu müssen (siehe auch
sonen sich vielleicht nicht mehr spontan verhalten, sobald sie ▶ Abschn. 9.3.1).
22 registrieren, dass sie beobachtet werden und dass man an ihnen Die Messung hat also nicht nur Einfluss auf Urteile, sondern
Messungen vornimmt. Diesen Verlust der Spontaneität bezeich- auch auf nachfolgendes Verhalten. Dies zeigt sich besonders be-
net man als „Reaktivität“. Die Tatsache, dass Menschen verschie- eindruckend im Mere-Measurement-Effekt: Wenn man Perso-
23 denen Wahrnehmungsverzerrungen und Motivationseffekten nen nach danach fragt, ob sie ein bestimmtes Verhalten zeigen
unterliegen, stört bei der Messung an Versuchspersonen kaum, wollen, erhöht dies bereits die Wahrscheinlichkeit, dass sie das
denn das ist es ja normalerweise, was wir messen wollen. Genau gefragte Verhalten wirklich zeigen (z. B. Levav und Fitzsimons
22.2  •  Probleme bei Selbstauskünften
433 22

Exkurs 22.1  Rosenthal-Effekt  |       |  Sollten Sie allerdings einmal das Gefühl gehabt haben, Teil
eines Dreifachblindversuchs gewesen zu sein, bei dem wirklich
Zu der Zeit, als die Psychologie noch vielfach mit Ratten arbeitete, niemand irgendeine Ahnung hat, worum es geht, dann dürfen
gab Rosenthal (1976) seinen Mitarbeitern eine Menge von Versuchs-
ratten aus derselben Zucht. Einer Gruppe der Mitarbeiter sagte er, es
Sie davon ausgehen, dass solche Versuchsanordnungen eher von
handele sich um eine besonders wertvolle Rasse, die wahrscheinlich mangelhafter Forschungsmethodik zeugen als von besonderer
sehr schnell und sehr effektiv lernen werde. Der anderen Mitar- Raffinesse.
beitergruppe sagte er von genau derselben Zucht, es seien keine be-
sonders intelligenten Ratten, die wahrscheinlich auch beim Lernen
einfacher Aufgaben Schwierigkeiten hätten. Tatsächlich zeigten die 22.2 Probleme bei Selbstauskünften
angeblich intelligenten Ratten bessere Lernergebnisse als die Ratten
gleicher Herkunft, die für dumm gehalten wurden. Offenbar hatte
die Erwartungshaltung der Experimentatoren dazu geführt, dass die Ist der Mensch ein unbestechliches Messinstrument, auf dessen
hohen Leistungen auch erzielt wurden. Messergebnisse sich die Wissenschaft blind verlassen kann? Na-
türlich nicht, blöde Frage! Aber was sind die Mechanismen, die
die Urteilsbildung beeinflussen? Diese Frage können wir eigent-
2006). Dieser Effekt geht offenbar darauf zurück, dass die Nach- lich bereits mit Hilfe des bisherigen Texts beantworten, denn fast
frage Vorstellungsbilder des Verhaltens weckt und damit dessen alle Kapitel liefern hierzu Informationen. Die Probleme beginnen
Verarbeitungsflüssigkeit erhöht (mehr dazu in ▶ Abschn. 7.1.3). bei der bloßen Wahrnehmung und reichen bis zu fehlerhaften
Mere-Measurement-Effekte erhöhen damit auch die Häufigkeit Vorhersage künftiger Zufriedenheit.
von sozial erwünschtem Verhalten, denn Menschen urteilen in Zudem beeinflussen auch unsere „inneren“ Zustände, unsere
einer Befragungssituation sehr viel stärker sozial erwünscht, als Motive, das, was wir wahrnehmen. So führt bekanntlich Hun-
sie es ohne Befragung getan hätten. Ihr nachfolgendes Verhalten ger dazu, dass man beim Gang durch die Stadt eher das regist-
passen sie dann den Äußerungen in der Befragung an (Sherman riert, was mit Essen zu tun hat, zum Beispiel eine Pizzeria oder
1980). Auch die Frage nach der Zufriedenheit mit einem Produkt einen Würstchenstand. Man würde hier von einer motivierten
hat einen verzerrenden Einfluss: Sie erhöht die Wahrscheinlich- Wahrnehmung sprechen (McClelland und Atkinson 1948). Ein
keit, dass das Produkt gekauft wird, und senkt die Wahrschein- anderes Phänomen der motivierten Wahrnehmung nennt man
lichkeit eines Markenwechsels. Diese Effekte konnten Dholakia die „absolute Größenakzentuierung“. Nachgewiesen wurde diese
und Morwitz (2002) in einem Feldexperiment über eine Zeit- Erscheinung in einem Experiment von Bruner und Goodman
dauer von mindestens einem Jahr nachweisen. (1947). Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten wur-
Projektive Tests sollen zu den nichtreaktiven Messungen ge- den Geldmünzen vorgelegt. Die Kinder sollten die Größe der
hören. Die Versuchspersonen wissen normalerweise überhaupt Münzen schätzen. Es zeigte sich, dass Kinder aus ärmeren Ver-
nicht, wie das Material später ausgewertet wird. Sie können daher hältnissen die gleichen Münzen als wesentlich größer einschätz-
auch nur schwach vermuten, in welche Richtung sie ihr Verhalten ten als die Kinder reicher Eltern. Theoretisch wird der Wahr-
lenken sollen. Schwieriger wird es bei Gedächtnisexperimenten. nehmungsunterschied damit erklärt, dass Dinge umso größer
Wenn die Versuchspersonen wissen, dass es um Gedächtnis geht, wahrgenommen werden, je wertvoller sie uns erscheinen und
könnten sie das dargebotene Material aktiv memorieren und da- je mehr wir sie begehren. Der Effekt von Bruner und Goodman
durch das Ergebnis verfälschen. Diese Verfälschung wird noch (1947) wurde mehrfach repliziert (Kirchler 2011, S. 651 f.). Auch
gravierender, wenn die Versuchspersonen sogar wissen, welche das Vertrauen in eine Währung schlägt sich danach in einem
konkrete Hypothese getestet werden soll. Eine Lösung zu die- Akzentuierungseffekt nieder. In Zeiten der Inflation oder bei
sem Problem sind „Blindversuche“. Damit ist gemeint, dass die einer Währungsumstellung wird dabei die Währung, der man
Versuchspersonen zwar wissen, dass sie an einem Experiment misstraut, auch bei der Größenwahrnehmung deutlich nach un-
teilnehmen, nicht aber, worum es in dem Experiment geht. Sie ten verschätzt (Leiser und Izak 1987).
sind also gegenüber der Absicht des Experiments „blind“. Diese Diese Erkenntnis wird in der Werbung nutzbar gemacht, in-
Methode kann ebenfalls einige Erwartungseffekte ausschalten dem Produkte unverhältnismäßig groß dargestellt werden. Da-
– aber nicht alle. Auch die Erwartung desjenigen, der eine Mes- durch erscheinen sie wertvoller und zuverlässiger. Auch die Äs-
sung durchführt, kann nämlich das Messergebnis beeinflussen. thetik soll durch Größe gesteigert werden. So zeigt die Werbung
Zu diesem Thema hat Robert Rosenthal eine Reihe berühmter gerade im Nahrungsmittelbereich häufig nicht die tatsächlichen
Experimente durchgeführt (▶ Exkurs 22.1). Produkte, sondern übertrieben große, ästhetisch ansprechendere
Eine Konsequenz hieraus sind sogenannte Doppelblindver- „Dummys“. Solche Produktattrappen haben neben dem psycho-
suche. Dabei werden nicht nur die Versuchspersonen, sondern logischen Effekt auch noch den Vorteil, dass man sie immer wie-
auch diejenigen Mitarbeiter, die das Experiment durchführen, der verwenden kann. Stellen Sie sich vor, wie eine Fotosession
über die Absicht im Unklaren gelassen. So wissen die Pfleger, die für ein Speiseeis ablaufen würde, wenn man keinen Dummy,
in der Probephase zu einem Medikament die Präparate an Pati- sondern echtes Eis ablichten wollte.
enten ausgeben, oft nicht, welcher Patient das zu untersuchende In einer Befragung machen sich Probanden in aller Regel
Medikament und welcher ein Placebo erhält. Bei einer sorgfältig darüber Gedanken, wozu ihre Auskünfte später verwendet wer-
geplanten Untersuchung, bei der die einzelnen Ergebnisse immer den. Je nach unterstelltem Verwendungszweck verzerren sie ihr
wieder den ursprünglichen experimentellen Bedingungen zuge- Urteil gegebenenfalls, um auf diese Verwendung Einfluss zu neh-
ordnet werden können, stellt dies kein Problem dar. men. Wenn etwa Personen erwarten, dass ein Produkt oder eine
434 Kapitel 22  •  Psychologische Einflüsse auf Ergebnisse der Marktforschung

»Es ist mir ein Bedürfnis, neue und aktuelle Produkte zu verwenden. «
1 .. Tab. 22.1  Verteilung der Antworten (in Prozent) auf die Frage:
„Würden Sie am Bankschalter lieber von einer Frau oder einem Mann
Gar nicht 0 1 2 3 4 5 6 7 8 sehr
bedient werden?“
2 .. Abb. 22.1  Beispiel für eine Likert-Skala zur Einstellungsmessung. Frau Mann egal fehlend

Dienstleistung verbessert wird, wenn sie nur hinreichend unzu- neutrale Kategorie 12,0 18,1 66,3 3,6
3 frieden sind, berichten sie unter Umständen größere Mängel, als forced choice 35,0 15,7 26,4 22,9
sie eigentlich sehen. Solche motivationalen Verzerrungen kann
4 man auch bei der Auskunft über den eigenen Gesundheitszu-
gesamt 26,5 16,6 41,3 15,7

5
stand beobachten: Wenn diese Information im Rahmen einer
Bewerbung gefragt ist, neigen die Befragten zu deutlich positi-
veren Schilderungen, als wenn der Hintergrund der Frage eine
Untersuchung zum Umweltschutz ist (für einen Überblick vgl.
- Extreme Urteile wirken manchmal unbesonnen und grob.
Gemäßigte Urteile mögen in den Augen der Probanden
dagegen eine Zeichen von Nachdenklichkeit und Abge-
6 Strack 1994, S. 35). Die Befragung wird quasi instrumentalisiert, klärtheit sein.
um einen erwünschten Zweck zu erreichen – das eine Mal die
7 Akzeptanz der Bewerbung, das andere Mal den verbesserten Eng verwandt mit den Tendenzen zur Mitte ist das „Gesetz des
Umweltschutz. trägen Bleistifts“. Die Probanden machen mit ihrem Stift auf dem
Papier anscheinend ungern große Sprünge und bleiben daher mit
8 Einschätzungen, die aufeinanderfolgen, meist in der Umgebung
22.3 Das Bearbeiten eines Fragebogens der jeweils vorangegangenen. Das heißt, solche Einschätzungen,
9 die im Fragebogen nahe beieinander stehen, sind sich ähnlicher
Ein großer Teil der Sozialforschung wird mit Fragebogen ge- (korrelieren höher) als weiter voneinander entfernte.
10 leistet. Das Standardverfahren besteht in Ankreuzvorlagen. Der Anders als bei der Likert-Skalierung kann man auch durch
Grund dafür ist naheliegend: Die statistische Auswertung einer vorgegebene Antwortkategorien die Zustimmung und Ableh-
Reihe von Kreuzchen ist wesentlich einfacher als die Auswertung nung gegenüber einem bestimmten Einstellungsgegenstand er-
11 frei formulierter Texte. Ich möchte im Folgenden einige Punkte fassen. Die Stärke dieses Urteils bleibt dabei unberücksichtigt,
diskutieren, die wichtig sind, um Verkürzung und Mechanisie- stattdessen können zu einer Frage Antworten gegeben werden,
12 rung von Fragebogenverfahren rechtfertigen zu können. die sich auf mehr als einer Dimension unterscheiden.
Eine häufige Frage bei der Skalierung ist, ob man einen neu-
tralen Skalenpunkt bzw. eine „Weiß nicht“-Kategorie anbieten
13 22.3.1 Skalen und Antwortverhalten sollte. Ein Problem bei dieser Kategorie scheint auf den ersten
Blick ihr Aufforderungscharakter zu sein. Steht sie einmal zur
14 Die Basis vieler Verfahren zur Einstellungsmessung ist die Li- Verfügung – so könnte man befürchten –, wird sie sicher auch
kert-Skalierung. Dabei sollen die Befragten ihre Zustimmung zu ausgiebig genutzt. Besser wäre es, man würde die Skalierung so
15 einer vorgegebenen Aussage nach Graden abstufen (. Abb. 22.1). gestalten, dass die Probanden auf jeden Fall eine Entscheidung
Likert-Skalen müssen einige methodische Bedingungen erfüllen. treffen oder sich einer von zwei Seiten zuordnen müssen – eine
Zum Beispiel müssen die einzelnen Fragen so formuliert sein, Bedingung, die ich im Folgenden als forced choice bezeichne.
16 dass nicht jeder ihnen zustimmt bzw. sie ablehnt. Nur in diesem Streng genommen müssten sich freilich die Personen, die die
Falle sind die Fragen trennscharf. Die trennschärfsten Fragen neutrale Antwortkategorie wählen, unter der forced choice-Be-
17 sind diejenigen, bei denen die Hälfte der Befragten zustimmt und dingung gleichmäßig auf die anderen Antwortkategorien vertei-
die eine andere Hälfte ablehnt. Zu einer Skala gehören mehrere len. Somit wäre deren Antwortverhalten in beiden Bedingungen
Fragen. Der Likert-Skalierung liegt die Annahme zugrunde, dass gleich informativ. Aber es spricht bereits eine naive psychologi-
18 Fragen, die in gleicher Weise trennscharf sind, auch nur auf einer sche Intuition dagegen: Möglicherweise gibt es eine Reihe von
Dimension liegen. Das heißt praktisch, dass man die Antworten Probanden, die zwar zu einer bestimmten Antwort neigen, dies
19 auf solche Fragen zu einem Gesamtwert zusammenfassen kann aber nur dann offenbaren, wenn sie nicht die Möglichkeit haben,
(zu Bedingungen und Problemen der Likert-Skalierung vgl. z. B. auf eine neutrale Kategorie auszuweichen.
20 Mitchell & Jolley, 2007, S. 272 ff.). Diese Überlegung haben wir in einer eigenen Untersuchung
Häufig macht man die Erfahrung, dass die Probanden beim geprüft.1 Wir befragten hierzu 223 Personen, ob sie am Bank-
Einschätzen nach dem Likert-Typ die Extremwerte meiden und schalter lieber von einer Frau oder von einem Mann bedient
21 ihre Angaben um den mittleren Wert herum streuen. Diese „Ten- werden möchten. Ein Teil der Personen (n = 83) hatte die Mög-

22
23
-
denz zur Mitte“ kann unterschiedlich erklärt werden:
Die Probanden wollen nicht gleich zu Anfang ganz extreme
Einschätzungen abgeben, damit sie für den restlichen
Fragebogen über die hohen und niedrigen Werte noch frei
lichkeit, auf eine neutrale Kategorie mit der Bezeichnung „egal“
auszuweichen. Die anderen waren laut Antwortvorgaben ge-

-
1 Diese Befragung wurde im WS 2000/01 im Rahmen eines Seminars im
verfügen können. Studiengang Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Harz in Wernige-
Manche extremen Meinungen sind sozial nicht sehr ange- rode durchgeführt. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den beteiligten
sehen. Studierenden.
22.3  •  Das Bearbeiten eines Fragebogens
435 22

Exkurs 22.2  Falls Sie mal einen Fragebogen konstruieren  |       | 


Eine wichtige Faustregel für die Konstruktion tiere ich das als nein.“ In einem solchen Fall Kategorien, die Sie interessieren, explizit vor,
von Fragebögen: Geben Sie nie Antwort- können Sie nie mit Sicherheit davon ausgehen, auch wenn sie redundant erscheinen. Das
kategorien so vor, dass Sie das Fehlen einer dass die Person wirklich nein meinte, als sie Fehlen einer Angabe sollte nichts anderes be-
Angabe inhaltlich interpretieren, zum Beispiel: nichts eingetragen hat, denn Sie können die deuten als eben nur, dass die befragte Person
„Ein Kreuz an dieser Stelle interpretiere ich als Nein-Antworten nicht von den fehlenden hier keine Angabe gemacht hat.
ja, wenn hier nichts angekreuzt wird, interpre- Werten unterscheiden. Geben Sie daher die

zwungen, sich für Mann oder Frau zu entscheiden. . Tabelle 22.1 der Effekt auf ein banales Urteilsphänomen der sozialen Wahr-
zeigt die Ergebnisse der Befragung in Prozent. nehmung oder auf die Reihenfolge der Optionen im Fragebogen
Betrachten wir in der Tabelle zunächst die Spalte mit der zurück; vielleicht kommen hier aber auch Bevorzugungen zum
neutralen Kategorie („egal“): Knapp zwei Drittel der Probanden Ausdruck, die weniger leicht eingestanden werden und die sich
haben diese Kategorie gewählt, wenn sie verfügbar war. Der Auf- erst bei entsprechender Frageform offenbaren.
forderungscharakter dieser Vorgabe scheint also wie vermutet Trotz diesen Interpretationsunklarheiten erscheinen die Er-
sehr hoch zu sein. Interessant ist nun, dass mehr als ein Viertel gebnisse doch pointierter, wenn keine neutrale Antwortkategorie
der Probanden eine indifferente Haltung zum Ausdruck brach- vorgegeben ist. Ist also die forced choice-Bedingung einer Vorgabe
ten, selbst wenn dies gar nicht vorgegeben war. Diese Proban- mit neutraler Kategorie vorzuziehen? In unseren Daten halten
den haben zum Beispiel auf dem Befragungsbogen ausdrücklich sich „Gewinn“ und „Verlust“ durch die erzwungene Entscheidung
geschrieben, dass ihnen das Geschlecht der Bedienung egal sei, rein zahlenmäßig die Waage: Im Vergleich zur Bedingung mit
haben ihr Kreuz demonstrativ zwischen die Kategorien „Mann“ neutraler Kategorie werden unter der forced choice-Bedingung
und „Frau“ gesetzt oder haben sich ihre eigene neutrale Kategorie die inhaltlichen Kategorien von rund 20 % mehr Personen ge-
gezeichnet und dann angekreuzt. wählt, demgegenüber verweigern aber auch rund 20 % mehr
Als Nächstes betrachten wir die fehlenden Werte, also die Personen die Aussage ganz.
Anzahl von Fragebögen, die zu dieser Frage überhaupt keine Die Frage, welche Version an Vorgaben günstiger ist, hängt
Angaben enthielten. Dieser Anteil ist sehr gering, solange es wohl damit zusammen, was im konkreten Fall bedeutsamer ist:
eine neutrale Kategorie gibt, er steigt aber enorm an, wenn diese Inhaltliche Entscheidungen zu provozieren – auch wenn sie nur
Möglichkeit fehlt. auf schwachen Präferenzen beruhen – oder möglichst wenig Ant-
Wie ist dieser Verlust an interpretierbaren Daten zu werten? wortverweigerungen zu bekommen.
Grundsätzlich ist es sehr ungünstig, wenn Probanden zu einer
Frage keine Angabe machen. Dies bringt immer Unsicherheiten
in der Interpretation mit sich. In unserem Beispiel können wir 22.3.2 Formulierung von Fragen
zwar vermuten, dass die meisten Probanden, die unter der forced und Antworten
choice-Bedingung keine Angaben machten, die neutrale Katego-
rie gewählt hätten, aber das ist erstens nur eine Vermutung, und Wenn Sie wissen wollen, ob jemand eine bestimmte Sache eher
zweitens können wir diese ja auch nur formulieren, weil wir zum erlauben oder eher verbieten würde, dann wird es auf die For-
Vergleich die Bedingung mit neutraler Kategorie erhoben haben. mulierung Ihrer Frage doch nicht ankommen, oder? Fragen Sie:
Wenn wir diesen Vergleich nicht hätten, wüssten wir die fehlen- „Wollen Sie X erlauben?“, dann sind alle, die hierauf mit Nein
den Werte streng genommen gar nicht zu deuten (▶ Exkurs 22.2). antworten, also eher dafür, X zu verbieten. Wenn Sie umgekehrt
Aber die forced choice-Bedingung hat uns keineswegs nur fragen: „Wollen Sie X verbieten?“, sind jene, die Nein sagen, of-
Datenverluste gebracht. Dies zeigt sich in den Befunden zum be- fensichtlich dafür, X zu erlauben.
vorzugten Geschlecht. Offensichtlich haben sich unter der forced Diese zwingend anmutende Regel bewährt sich in der Praxis
choice-Bedingung erheblich mehr Personen zu einer Festlegung der standardisierten Befragung nicht. Es sieht vielmehr so aus,
bewegen lassen als unter der Bedingung mit neutraler Katego- als wäre eine Reihe der Personen, die sich gegen das Erlauben
rie (50,7 vs. 30,1 %). Und noch etwas: Diese hinzugekommenen aussprechen, ebenso wenig geneigt, X zu verbieten. Mit anderen
knapp 20 % verteilen sich nicht etwa gleichmäßig auf beide Ge- Worten, es gibt in solchen Fällen immer Personen, die auf beide
schlechter – es zeigt sich vielmehr eine Bevorzugung der Frauen. Fragen mit Nein antworten.
Die Daten widersprechen der These, dass die Nutzer einer Hippler und Schwarz (1986) konnten zeigen, dass dieser Ef-
neutralen Kategorie auch dann noch indifferent antworten, wenn fekt auf unterschiedliche Verstehensweisen der Formulierung auf
ihnen keine neutrale Kategorie zur Verfügung steht. Wenn eine Seiten der Befragten zurückgeht. Die meisten Personen konzen-
Entscheidung erzwungen wird, ändert sich das Antwortverhal- trieren sich auf das, was sie laut Frage tun sollen, und beachten
ten, und es zeigen sich Entscheidungstendenzen, die ohne er- weniger die logischen Konsequenzen, die eine Unterlassung hat.
zwungene Entscheidung verborgen geblieben wären. Indifferente bzw. unentschlossene Personen sehen also in beiden
Allerdings zeigen die Daten nicht, welche psychologischen Fällen die Handlung, nämlich „verbieten“ oder „erlauben“, und
Prozesse zu der Wahl in der forced choice-Bedingung geführt handeln wollen sie eben nicht. Dass eine Verneinung des einen
haben. Daher ist auch nicht klar, wie hoch der Informations- das andere impliziert, wird dabei nicht gesehen. In der Tat ver-
gewinn durch die erzwungene Entscheidung ist. Vielleicht geht schwindet die Asymmetrie, wenn man indifferenten Personen
436 Kapitel 22  •  Psychologische Einflüsse auf Ergebnisse der Marktforschung

1 .. Tab. 22.2  Verteilung der Antworten auf unterschiedliche Skalierungsvorgaben bei der Frage: „Wieviel Gebühren zahlen Sie jährlich an Ihr Kreditins-
titut?“

2 Rang Version A Prozent Version B Prozent

1 bis 50 DM 59,1 bis 20 DM 58,7


3 2 zwischen 50 und 100 DM 29,5 zwischen 20 und 60 DM 25,4

3 zwischen 100 und 140 DM 9,1 zwischen 60 und 100 DM 9,5


4 4 zwischen 140 und 180 DM 2,3 zwischen 100 und 140 DM 6,3

5 zwischen 180 und 230 DM – zwischen 140 und 180 DM –


5
mit Hilfe einer „Weiß nicht“-Kategorie Gelegenheit gibt, ihre nissen der letzten 50 Jahre die Erfindung des Computers nur
6 Indifferenz auszudrücken. dann mit beträchtlicher Häufigkeit genannt wurde, wenn dieses
Ereignis explizit als Antwortkategorie vorgegeben war“ (Strack
7 1994, S. 27).
22.3.3 Freie und vorgegebene Antwortformate Die beiden Methoden, die freie Produktion und die Einschät-
zung von Vorgaben, führen also teilweise zu unterschiedlichen
8 Bringt es einen Vorteil, wenn man Personen im Fragebogen in Ergebnissen. Anscheinend sind die kognitiven Prozesse bei der
freiem Format antworten lässt, oder ist ein vorgegebenes Ant- Produktion verschieden, so dass eine Sache spontan zwar nicht
9 wortformat genauso informativ? Betrachten wir ein Beispiel, in als wichtig erkannt, bei Nachfragen die Wichtigkeit aber sofort
dem mit beiden Methoden gearbeitet wird. Stellen wir uns vor, eingesehen wird.
10 wir sollten jene Merkmale nennen, die bei einer Liebesbeziehung Ein spontanes Urteil wird somit durch Vorgaben beeinflusst.
zentral sind. Welche Merkmale fallen uns zuerst ein? In einer Damit ist allerdings noch nicht entschieden, ob das spontane
entsprechenden Untersuchung fand Hassebrauck (1995) bei oder das beeinflusste Urteil das nützlichere ist. Stellen wir uns
11 120 Befragten insgesamt über tausend verschiedene Assoziatio- vor, die Befragung soll ermitteln, welche Kriterien beim Kauf
nen. Trotzdem konvergierten die Ergebnisse zu einem bestimm- einer Waschmaschine in die Entscheidung einfließen. In einer
12 ten Bild, zeigte sich doch, dass bei den meisten Befragten Merk- solchen Situation ist es eher unplausibel, dass die Konsumenten
male wie „Vertrauen“, „Toleranz“ und „gemeinsame Interessen“ die wichtigen Kriterien spontan assoziieren müssen. Produkt-
vertreten waren. Damit war der Kreis der wichtigsten Merkmale informationen und Verkäufer stellen diese Kriterien bereit – so
13 bereits deutlich eingeschränkt. Nur 64 Merkmale wurden von gesehen simuliert die Urteilsmethode die Realität besser als die
mindestens drei Personen gleichzeitig genannt und konnten so- Produktionsmethode. In anderen Situationen mag dies umge-
14 mit als bedeutsam gelten. kehrt sein.
Die verwendete Methode der freien Produktion (Hasse- Strack (1994, S. 28) resümiert, es „lassen sich keine Einflüsse
15 brauck 1995, spricht daher von der Produktionsmethode) hatte von offenen vs. geschlossenen Fragen nachweisen, die von wei-
demnach zwar eine ziemlich hohe und schwer handhabbare teren Variablen, wie zum Beispiel dem Frageinhalt oder anderen
Datenmenge zur Folge. Gleichzeitig wurde aber eine einiger- Merkmalen der Befragten, unabhängig wären“. Die Frage, welche
16 maßen übersichtliche Zahl von zentralen Merkmalen ermittelt Methode der anderen überlegen ist, lässt sich also nur klären,
– mit dem Vorteil, dass die Probanden frei und unbeeinflusst wenn man die Situation und den Zweck kennt, zu dem sie ein-
17 assoziierten. gesetzt werden.
In einem weiteren Schritt setzte Hassebrauck (1995) eine Diese Folgerung kann man zur Umsetzung in die Praxis auch
weitere Methode ein, die Urteilsmethode. Hierbei legte er Pro- anders wenden: Allein des größeren Auswertungsaufwands we-
18 banden die 64 Merkmale mit der Bitte vor, diese danach ein- gen empfiehlt es sich, von einem geschlossenen Antwortformat
zuschätzen, wie zentral sie für eine gute Beziehung seien. Die auszugehen und offene Fragen nur unter besonderen Bedingun-
19 Aufgabe hätte eigentlich das gleiche Ergebnis erzielen müssen, gen zu wählen. Solche Bedingungen könnten in Anbetracht der

20
das schon bei der Produktionsmethode herauskam: Merkmale,
die mit hohem Konsens spontan produziert wurden, müssten
-
oben ausgeführten Argumente zum Beispiel sein:
Man ist an jenen Inhalten interessiert, die Personen ohne

21
auch als sehr zentral gewertet werden; Merkmale, die nur von
wenigen produziert wurden, müssten demgegenüber deutlich
weniger zentral erlebt werden. Dies galt aber nur für das erste
Merkmal, „Vertrauen“. Sowohl „Toleranz“ als auch „gemeinsame
- weitere Anregung spontan einfallen.
Man möchte einen geschlossenen Fragebogen entwickeln
und sucht hierzu möglichst valide Kategorien (vgl. auch
Strack 1994, S. 28).
22 Interessen“ wurden – im Vergleich zu anderen Vorgaben – als
wenig zentral angesehen und rangierten eher im Mittelfeld bzw. Wir werden strukturell ähnliche Probleme am Beispiel des Ni-
in den unteren Rangplätzen der 64 Merkmale. Ähnliches zeigte ke-Laufschuhs noch einmal diskutieren (▶ Abschn. 22.4.1).
23 sich für die anderen Merkmale.
Strack (1994) zitiert Ergebnisse von Schuman und Scott
(1987), nach denen „auf die Frage nach den wichtigsten Ereig-
22.4  •  Marktforschung und Informationsverarbeitung
437 22

Exkurs 22.3  Präferenzen und Konsum nach Vorgabe  |       | 


Nicht nur Antworten in der Marktforschung, Mantelgröße wählen, wenn diese das falsche Dieser Gedanke führt bis hin zu den Präferen-
sondern auch das direkte Konsumverhal- der Label „klein“, „mittel“ oder „groß“ trägt. Die zen von Konsumenten. Menschen schauen vor
ten werden durch Vorgaben beeinflusst. eigentliche Information, die die Probanden allem einmal auf das Spektrum an Produktat-
Bei drei Pizzagrößen hat man das Gefühl, anwenden, ist also nicht die, wie groß sie tributen, das sich vor ihnen auftut, und aus
wenig zu essen, wenn man die kleine Größe tatsächlich sind, sondern nur die, dass sie sich der Verteilung, die sich dabei ergibt, leiten sie
nimmt, egal wie groß diese tatsächlich ist eben zum Beispiel für „mittelgroß“ halten. Und ihre Präferenz ab. Was ich will, kann ich erst

(  Abschn. 19.2.4). Prelec et al. (1997) zeigen, unabhängig davon, wie lang der Mantel ist, entscheiden, wenn ich weiß, was verfügbar ist
dass Konsumenten eine völlig unpassende kaufen sie ihn dann eben in „medium“. (Prelec et al. 1997) .

22.3.4 Antwortformate blick zu behalten. Im Beispiel waren das die Gebühren der eigenen
und Verteilungseinschätzungen Bank; Schwarz et al. (1985) konnten einen entsprechenden Effekt
für den geschätzten eigenen Fernsehkonsum nachweisen.
Ein geschlossenes Antwortformat wird häufig nicht nur als Pro- Im folgenden Beispiel erschließt sich der Sinn der Frage erst
jektionsfläche für das Urteil, sondern auch als Information über aus der Antwortvorgabe (Strack 1994, S. 66 f.): „Wie oft haben Sie
den Gegenstand der Befragung oder den Sinn der Frage verwen- sich in der Vergangenheit richtig geärgert?“ Das kommt sicher da-
det. Zum Beispiel werden nur wenige Personen ganz genau wis- rauf an, was mit „richtig ärgern“ gemeint ist. Geht es um den all-
sen, wie teuer die Kontoführung bei ihrer Bank genau ist – erst täglichen Ärger über verpasste Straßenbahnen, schlechtes Essen
recht nicht, wenn sie bedenken, dass neben Kontoführungs- und in der Kantine und rücksichtslose Verkehrsteilnehmer? Oder geht
Überweisungsgebühren auch Kosten für Euroscheck- oder Kre- es um einen Ärger, der tagelang vorhält, etwa eine saftige Steuer-
ditkarte, Depotgebühren, Kosten für Daueraufträge und vieles nachforderung, eine grobe Ungerechtigkeit, eine tiefe Kränkung?
mehr anfallen können. In einer eigenen Untersuchung (siehe Die Antwortvorgabe gibt hierüber Aufschluss: Wenn darin von
oben Fußnote 1) befragten wir 108 Versuchspersonen, wie viele Jahren und Monaten die Rede war (z. B. „weniger als einmal im
Gebühren sie jährlich an ihr Kreditinstitut zahlen. Die Proban- Jahr“, „häufiger als alle drei Monate“), dann gingen die Probanden
den konnten die Gebühren anhand unterschiedlicher Skalen- von gravierenderen Ärgeranlässen aus, als wenn die Vorgaben
vorgaben schätzen, die entweder bis 180 DM oder bis 230 DM von Wochen und Tagen ausgingen (z. B. „weniger als einmal die
reichte und die auch leicht unterschiedliche Abstände zwischen Woche“, „mehrmals an einem Tag“; Schwarz et al. 1988).
einzelnen Skalenpunkten realisierte (. Tab. 22.2)
Wie ebenfalls aus . Tab. 22.2 ersichtlich ist, verteilten sich
Antworten auf diese unterschiedlichen Vorgaben gleichwohl na- 22.4 Marktforschung
hezu gleich. Betrachtet man die Antwortvorgaben als Rangplätze und Informationsverarbeitung
(linke Spalte), so ist der mittlere Rang von Version A und Version
B praktisch identisch. Ein entsprechender statistischer Test auf Kann man Personen zu allen Dingen nach ihrer Einstellung fra-
Unterschiedlichkeit wird nicht signifikant. Diese Gleichvertei- gen? Das ist sicher naiv. Nicht dass Menschen keine Einstellun-
lung hat allerdings enorme Auswirkung auf die Geldbeträge, die gen darlegen würden, wenn man sie fragt – das tun sie durchaus.
aus den Antworten ableitbar sind. So können Sie bereits auf den Das Problem ist eher, dass diese Einstellungen oft genug ad hoc
ersten Blick sehen, dass bei der Antwortvorgabe der Version A konstruiert werden. Einstellungen werden eben nicht immer auf
11,4 % der Befragten behaupten, mehr als 100 DM an Bankge- eine Frage hin abgerufen, sondern in vielen Situationen konst-
bühren zu zahlen, unter der Vorgabe B jedoch nur 6,3 %. ruiert. In aller Regel bildet man über einen Gegenstand – also
Wenn man von den Obergrenzen in den vorgegebenen Ka- auch ein Produkt – keine Einstellung aus, bevor man muss, zum
tegorien ausgeht, dann behaupten die Probanden unter der Be- Beispiel weil man gefragt wird oder weil man sich entscheidet.
dingung A, im Durchschnitt 75,90 DM an Gebühren zu zahlen, Von Seiten der Psychologie plädieren daher einige Forscher
während die Probanden unter der Bedingung B angeblich im (z. B. Strack 1994; Wänke 1997) dafür, in der Markt- und Mei-
Schnitt nur 45,40 DM zahlen. Dieser Unterschied ist statistisch nungsforschung genauer zu berücksichtigen, wie Menschen In-
hochsignifikant (t(105) = 4,36; p < .001). formationen verarbeiten und wie sie daher zu den Urteilen kom-
Wie lässt sich diese Anomalie erklären? Die Probanden nehmen men, die die Marktforschung zu Tage fördert. Im Folgenden stelle
die Antwortvorgaben als eine Information und schließen davon auf ich zunächst ein Beispiel vor, an dem deutlich wird, wie der Blick
die Verteilung in der Gesamtpopulation. Die Person nimmt etwa auf die Informationsverarbeitung rätselhafte Datenmuster erklärt
den dritten Rangplatz als Anker, geht dann davon aus, dass dieser und man aus Fehlerquellen vielleicht sogar wertvolle Optionen
Punkt ungefähr den Mittelwert repräsentiert, und schaut nun, wo für die Marktforschung gewinnen kann.
sie selbst sich relativ zu diesem Punkt vermutlich wiederfindet.
Solche Effekte findet man wieder einmal vor allem bei Laien,
also bei Personen, die sich in dem gefragten Bereich nicht so gut 22.4.1 Der Nike-Sportschuh
auskennen und gerne weitere Informationen, wie sie die Ska-
lierung bereitstellt, nutzen. Diese Effekte sind besonders wahr- Stellen Sie sich vor, Sie haben für den Sportartikelhersteller Nike
scheinlich in Bereichen, bei denen es zu schwierig ist, den Über- eine Marktforschungsstudie zu seinem neuen Laufschuh ange-
438 Kapitel 22  •  Psychologische Einflüsse auf Ergebnisse der Marktforschung

1 .. Tab. 22.3  Bivariate Korrelationen einzelner Werturteile mit einem


Gesamturteil für den Nike-Laufschuh für unterschiedliche Fragerei-
Urteil wird verlangt

henfolgen (links die Korrelation für den Fall, dass das Gesamturteil erst
2 nach den Einzelurteilen gefordert wurde, rechts für die umgekehrte
Reihenfolge, Daten aus Bickart 1992).
Interpretation der Frage

3 Gesamturteil
nach den Einzelbe-
Gesamturteil
vor den Einzelbewer-
(Nutzung des Fragekontextes)

wertungen tungen
4 Bequemlichkeit .65 .55

Robustheit .72 .52 Ja Gibt es bereits ein Urteil, Nein


5 modisches Design .72 .01
eine feste Meinung?

6 viele Farben .19 –.11


Konstruktion des Urteils aus
fertigt (das Beispiel stützt sich auf eine Untersuchung von Bickart verfügbaren Informationen:

7 1992). Ihre Probanden sollten zu diesem Schuh zunächst eine Abruf aus dem Gedächtnis
• persönlich wichtige ...
• auffallende, saliente ...
Reihe von Einzelattributen bewerten. Zum Abschluss war aber • zuvor aktivierte ...
auch eine Gesamtbewertung gefordert. Nun möchten Sie wissen, Informationen
8 wie eng denn die Einzelbewertungen mit der Gesamtbewertung
zusammenhängen. Hierzu bestimmen Sie die einfachen bivari-
9 aten Korrelationen zwischen der Einzelbewertung und dem zu-
Urteil;
Entscheidung
sammenfassenden Globalurteil.
10 Die Ergebnisse finden Sie in der mittleren Spalte von .. Abb. 22.2  Prozessmodell der Einstellungskonstruktion.
. Tab. 22.3. Als dominierende Merkmale stellen sich vor allem
die Robustheit des Schuhs und das modische Design heraus. Wenn der Schuh vor Ihnen steht, werden Sie natürlich darauf
11 Beide korrelieren zu r = .72 mit dem Gesamturteil. Mit anderen achten, was Ihnen daran auffällt, ob irgendwelche Merkmale ins
Worten: Gut die Hälfte der Varianz des Gesamturteils lässt sich Auge stechen, so dass Sie diese Merkmale in Ihr Urteil einflie-
12 jeweils aus diesen Einzelbewertungen vorhersagen. ßen lassen können. Schließlich spielt noch eine Rolle, worüber
Anscheinend sind den Konsumenten Robustheit, modisches Sie kurz zuvor nachgedacht haben. Haben Sie soeben mit einem
Design und Bequemlichkeit besonders wichtig. Hieraus könnte Verkäufer über einen anderen Schuh verhandelt, der aus einem
13 man eine Marketingstrategie ableiten, die besondere Anstren- angenehm riechenden Material hergestellt wurde, dann wird Ih-
gungen in ein zufriedenstellendes Design und die entsprechende nen vielleicht sogar eine so nebensächliche Dimension wie der
14 Robustheit des Schuhs investiert. Geruch des Materials in den Sinn kommen und dies für Ihr Urteil
So wie ich die Untersuchung vorgestellt habe, wurden zu- nutzen. In einem anderen Fall sind Sie vielleicht zuvor mit einer
15 nächst die Einzelurteile erfragt und dann in der Folge das Ge- Reihe von interessanten Sonderangeboten konfrontiert worden
samturteil erhoben. Dieses Verfahren ist in der Marktforschung – und dieser Umstand lässt Sie früher auf den Preis schauen, als
durchaus üblich. Den Probanden sollen auf diese Weise Gesichts- sie das ohne die Sonderangebote getan hätten.
16 punkte für die Bewertung an die Hand gegeben werden. Dieser Das konstruierte Urteil über den Schuh ist eine Mischung aus
Gedanke hat einiges für sich, wie wir später noch sehen werden. diesen Komponenten: Irgendwie spielt natürlich mit hinein, was
17 Was passiert nun, wenn wir die Reihenfolge der Fragen um- Ihnen persönlich an einem Schuh wichtig ist, aber auch andere,
drehen, wenn wir also zuerst nach der Gesamtbewertung fra- mitunter irrelevante Einflüsse bestimmen Ihr Urteil.
gen und dann erst die Einzelbeurteilungen erheben? Die Daten
18 hierzu (vgl. Bickart 1992) finden Sie in der rechten Spalte von
. Tab. 22.3. Hier zeigt sich ein anderes Muster. Nach wie vor sind 22.4.2 Ein konstruktivistisches Modell
19 Robustheit und Bequemlichkeit wichtig. Die Bedeutung des mo- der Einstellungsmessung
dischen Designs allerdings hat sich praktisch auf null reduziert.
20 Warum ist ein Merkmal bei der einen Fragenreihenfolge An dieser Stelle sollten wir zunächst die vorangegangenen
hoch bedeutsam und bei einer anderen Reihenfolge nicht? Die Überlegungen etwas genauer festhalten, und zwar anhand von
Antwort liegt in den psychologischen Prozessen, die hinter ei- . Abb. 22.2 (in Anlehnung an Strack 1994, S. 56, Abb. 6). Wir
21 nem solchen Urteil, hinter einer Produktbewertung, stehen. Was gehen in diesem Modell davon aus, dass von uns ein Urteil ver-
würden Sie tun, wenn man Sie danach fragt, was Sie von einem langt wird, etwa: „Was halten Sie von dem neuen Nike-Schuh?“
22 bestimmten Nike-Schuh halten? Dass diese Frage zunächst vor dem Hintergrund des Fragekon-
Vermutlich haben Sie wie die meisten Menschen noch keine texts interpretiert wird, ist keine Trivialität. Stellen Sie sich zum
feste Meinung über diesen Schuh. In diesem Fall bleibt Ihnen Beispiel vor, Ihre Freunde im Tennisverein haben Ihnen mit
23 nichts anderes übrig, als Ihr Urteil ad hoc zu konstruieren. Sie diesem Schuh ein Geschenk gemacht. In dieser Situation wür-
überlegen sich: Was ist wichtig an einem Schuh, worauf kommt den Sie Ihre Antwort auf die Frage sicher anders formulieren,
es an? als wenn Sie in einer offenkundigen Marktforschungssituation
22.4  •  Marktforschung und Informationsverarbeitung
439 22

Exkurs 22.4  Zum Unterschied zwischen Experten und Laien  |       | 


In den vorangegangenen Ausführungen wurde ten Kategorien passen, sind sie sogar eher seltener quick and easy-Antworten. Experten
deutlich, dass die Produktexpertise eine fast beeinflussbar als Laien. So lassen sich Experten überblicken ihre Antworten besser und be-
so wichtige Moderatorvariable ist wie etwa beim Autokauf eher durch Preiskategorien be- merken eher irrelevante Einflüsse. Sie merken
das Involvement. Als Faustregel kann vielleicht einflussen, weil sie mit der Preiskategorie auch daher auch eher, wenn eine bestimmte
tatsächlich gelten, dass Experten bereits bei etwas verbinden. Oft wirkt eben ein Priming, Information aus banalen Gründen verfügbarer
geringerem Involvement zentral verarbeiten so- eine Voraktivierung nur unter bestimmten Vo- ist, und neigen dann dazu, diesen Einfluss
wie weniger leicht zu beeinflussen oder gar zu raussetzungen und in solchen Fällen kann es korrigierend aus ihrem Urteil herauszuhalten.
täuschen sind. In der Untersuchung von Bickart sein, dass Experten eher darauf anspringen als (Bickart 1992, spricht von einem „backfire“,
(1992) zeigen sich Experten als weniger anfällig Novizen, weil diesen die aktivierte Information ich habe diesen Effekt „Wasservogel-Effekt“
für Kontexteffekte und Voraktivierungen. ja gar nichts sagt. ▶
genannt;  Exkurs 7.6.) Dieser Korrektureffekt
Vielleicht ist es aber nicht überflüssig zu beto- Die folgenden Annahmen können aber wohl gilt aber nur für irrelevante Informationen.
nen, dass Experten keineswegs grundsätzlich gelten: Experten erinnern leichter Informatio- Wenn die Information dagegen diagnostisch
weniger anfällig für Voraktivierungen sind. Im nen, die für die Bewertung des Produkts wich- ist, dann wird das von Experten sogar eher er-
Gegenteil: Durch bestimmte Aktivierungen, tig sind, scheuen aber auch den kognitiven kannt als von Novizen, und diese Information
nämlich solche, die auf die bereits gebilde- Aufwand beim Bewerten weniger. Sie geben wird auch genutzt.

gefragt worden wären. Auf die Interpretation von Fragen werde 22.4.3 Effekte vorangehender Fragen
ich in ▶ Abschn. 22.4.3 noch ausführlicher eingehen. Zunächst auf folgende
betrachte ich die Schritte, die nun folgen.
Wie oben bereits angedeutet, stellt sich zunächst die Frage, Beim Beantworten von Fragen aller Art, ob im Interview oder
ob Sie zufällig bereits eine Meinung zu dem Nike-Schuh haben. im Fragebogen, folgen wir allgemeinen Kommunikationsregeln
Wenn ja, dann brauchen Sie die nur zu erinnern und mitzutei- (Grice 1975). Wir stellen beispielsweise in Rechnung, was unser
len. Wenn nein, dann müssen Sie diese Meinung jetzt bilden. Gegenüber schon weiß, und deuten die Frage vor diesem Hin-
. Abbildung 22.2 nennt hierzu drei Informationsquellen, die Sie tergrund. Wenn ich Sie zum Beispiel im Flughafen treffe und
vermutlich nutzen werden: Sie werden auf das achten, was Ihnen frage: „Na, wo fliegen Sie denn hin?“, dann könnten Sie mir ant-
ohnehin an einem Schuh wichtig ist, Sie werden auf das achten, worten: „Nach San Francisco.“ Diese Antwort würden Sie mir
was besonders ins Auge springt, und wenn Sie soeben auf beson- auf dieselbe Frage nicht geben, wenn ich Sie Ihnen im Flieger
dere Punkte aufmerksam gemacht worden sind, werden Sie auch nach San Francisco stellen würde; die Information wäre trivial.
diese Informationen nutzen. Sie würden berücksichtigen, was ich schon weiß, und nun andere
Was sagt uns das für die Daten aus . Tab. 22.3? Zunächst Informationen geben, etwa: „Ich fliege zu Verwandten, um dort
erklärt sich damit, warum die Korrelationen so viel höher sind, Urlaub zu machen“ (Beispiel nach Strack 1994, S. 101). Dies ist
wenn man zuerst nach den Einzelurteilen fragt. Damit richtet ein weiterer wichtiger Punkt, der im Modell von . Abb. 22.2 die
man die Aufmerksamkeit der Befragten auf genau diese Berei- Interpretation einer Frage beeinflusst.
che, wodurch bei jenen Personen, die das Urteil konstruieren, Eine ganz ähnliche Regel besagt, dass man eine Information,
die zuvor aktivierten Informationen an Bedeutung gewinnen. die man schon einmal gegeben hat, in einer Kommunikationssi-
Insbesondere das modische Design wird mit einem Mal wichtig tuation kein zweites Mal gibt. Man wird vielmehr bemüht sein, zu
und fließt in die Gesamtbewertung mit ein. große Redundanz zu vermeiden. Stellen wir uns dazu folgendes
Das Modell in . Abb. 22.2 sagt vorher, dass nur solche Pro- Beispiel vor: In einem Fragebogen wird gefragt: „Wie denken Sie
banden das Urteil konstruieren, die noch keines haben. Bickart über McDonald’s?“ Die nächste Frage lautet: „Wie denken Sie
(1992) untersuchte auch diese Hypothese, das heißt, sie prüfte, über Fastfood-Restaurants?“ Wenn die beiden Fragen in dieser
ob tatsächlich nur solche Personen durch die voraktivierten Reihenfolge gestellt werden, dann kann man davon ausgehen,
Informationen beeinflusst werden, die das Urteil konstruieren dass die befragten Personen bei der zweiten Frage ausdrücklich
müssen. Zu diesem Zweck befragte sie Sportler, die im Produkt- nicht mehr an McDonald’s denken werden. Sie werden diese
bereich „Sportschuhe“ als Experten gelten können. Man kann Frage so verstehen, als hätte sie gelautet: „Wie denken Sie über
davon ausgehen, dass ein Experte sehr viel eher weiß, welche Kri- Fastfood-Restaurants – von McDonald’s einmal abgesehen?“
terien er bei einer Bewertung anlegen soll und dass er vielleicht Die Antwort auf die vorangegangene Frage soll nicht zweimal
schon zu dem einen oder anderen Gegenstand seiner Expertise gegeben werden und wird daher von der folgenden Antwort re-
eine Meinung hat (▶ Exkurs 22.4). gelrecht subtrahiert. Diese Subtraktion ist ein reiner Effekt der
In der Tat zeigten sich die beobachteten Korrelationsunter- Reihenfolge. Hätte man zuerst die allgemeine und dann die spezi-
schiede nur in der Gruppe der Laien. Für die Sportler machte es fische Frage gestellt, dann hätte die antwortende Person gar keine
keinen Unterschied, ob sie die Einzelurteile vor oder nach dem Gelegenheit gehabt, Redundanz zu vermeiden. In der ersten
Globalurteil abgeben sollten. Antwort hätte sie also alle Fastfood-Restaurants berücksichtigt,
einschließlich McDonald’s (Strack et al. 1985).
Auch diesen Effekt haben wir im Rahmen der oben beschrie-
benen eigenen Untersuchung überprüft (siehe Fußnote 1). Un-
sere Probanden sollten folgende zwei Fragen beantworten:
440 Kapitel 22  •  Psychologische Einflüsse auf Ergebnisse der Marktforschung

A. „Wie gut erfüllen Ihrer Meinung nach deutsche Banken ihre Eine Befragung kann uns Informationen über uns selbst ge-
1 Funktion als Dienstleister?“ ben, die in der Folge auf Einstellungen und Verhalten wirken.
B. „Wie gut erfüllt Ihrer Meinung nach Ihre Bank ihre Funktion Wenn es etwa um das Thema „Auto“ geht, könnten Fragen zu
2 als Dienstleister?“ entlegenen technischen Details die Befragten derart überfor-
dern, dass sie zu dem Eindruck gelangen, sie würden sich mit
Die Antwortskala reichte von 0 (= sehr schlecht) bis 6 (= sehr Autos nicht besonders gut auskennen. Umgekehrt können relativ
3 gut). Die Fragen wurden einem Teil der Probanden in der Rei- leichte Fragen das Gefühl wecken, dem Thema gewachsen zu sein
henfolge AB und einem anderen Teil in der Reihenfolge BA prä- (vgl. auch Strack 1994, S. 78 ff.). Ob man sich selbst für einen
4 sentiert. Wenn die allgemeine Frage der spezifischen voranging, Experten hält oder nicht, hat wiederum großen Einfluss auf die
korrelierten beide Urteile zu r = .69. Diese Korrelation sank auf Beeinflussbarkeit; Experten reagieren auf andere Merkmale der
5 r = .44, wenn die Reihenfolge umgedreht wurde. Der Korrela- Kommunikation als Laien (siehe hierzu auch ▶ Exkurs 22.4).
tionsunterschied ist hochsignifikant (r = .69 vs. r = .44, z = 2.67, Ebenso kann durch die Befragung die Verarbeitungsflüssig-
p < .01). keit für die gefragten Informationen derart beeinflusst werden,
6 Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass die Reihenfolge, in der dass dies auch Einfluss auf die Einstellung hat. Wenn ich nach
Fragen gestellt werden, einen Einfluss auf die Antwort ausübt. Es zwölf Vorteilen des Produkts gefragt werde, wird mir diese Auf-
7 ist freilich leicht irreführend, diese Effekte als Reihenfolgeeffekte gabe schwerer fallen, als wenn ich nur nach vier Vorteilen gefragt
zu bezeichnen, denn genau genommen ist es immer die vorher- werde. Diese Schwierigkeit wird sich, wenn sie selbst wieder wie
gehende Frage, die einen Effekt auf die folgende ausübt, nicht eine Information gewertet wird, negativ auf meine Einstellung
8 aber umgekehrt (Strack 1992b). zum Produkt auswirken – selbst wenn es mir tatsächlich gelun-
Entscheidend für Effekte dieser Art ist wieder die Katego- gen wäre, zwölf Vorteile zu generieren (Wänke et al. 1996; siehe
9 risierung der Frage. Eine starke Wirkung hat die vorangehende auch ▶ Abschn. 9.1.1).
Frage dann, wenn sie in demselben Kontext steht wie die spätere. Nach geltenden Kommunikationsregeln (Grice 1975) liegt
10 Wenn etwa in demselben Fragebogen kurz hintereinander nach es näher, die Inhalte, die in einer bestimmten Bemerkung impli-
der eigenen Bank und dann nach Kreditinstituten allgemein ge- ziert sind, zu akzeptieren, als ihnen zu widersprechen. Dies liegt
fragt wird, sind die Probanden motiviert, dieselbe Antwort nicht dem Prinzip der Suggestivfrage zu Grunde und kann im Rahmen
11 zweimal zu geben. Wenn der Fragebogen dagegen den Eindruck einer Befragung ebenfalls zur Beeinflussung eingesetzt werden.
erweckt, beide Fragen stünden in unterschiedlichen Kontexten, Im Bestreben um eine gewisse Konsistenz in ihrem Verhalten
12 zum Beispiel indem sie von verschiedenen Absendern gestellt geben Personen, nachdem sie einer Suggestivfrage zugestimmt
wurden, beantworten die Versuchspersonen die Fragen durchaus haben, weit eher Standpunkte wieder, die im Einklang mit dem
in ähnlichem Sinne. Selbst wenn die Fragen nur optisch über suggerierten Inhalt stehen.
13 das Layout des Fragebogens in verschiedene Kontexte gestellt
werden, etwa wenn die eine Frage die letzte auf der vorherigen
14 Seite und die andere die erste auf der folgenden ist, verringert 22.4.5 Einstellungen zu Dingen, die es gar nicht
sich der Effekt, und die Probanden beantworten beide Fragen gibt
15 wieder ähnlicher (Strack 1994, S. 194 ff.).
Wenn Sie eine Person nach ihrer Meinung zu einem Gegenstand
fragen, den es gar nicht gibt, können Sie damit rechnen, eine
16 22.4.4 Die Befragung als Intervention Antwort zu erhalten. Dieses Phänomen wurde unter dem Begriff
„Nonattitudes“ untersucht, die ermittelten Ergebnisse wurden als
17 Die Befragung selbst sollte eigentlich für den Gegenstand der Zufallsantworten interpretiert (für einen Überblick vgl. Strack
Befragung wirkungslos sein, so wie ein Objekt ja auch nicht 1994, S. 16 ff.). Beide Kennzeichnungen sind problematisch. Auf
schwerer oder leichter wird, indem man es wiegt. Es zeigen sich den ersten Blick erscheint es freilich logisch, dass jemand keine
18 jedoch durchaus Gelegenheiten, bei denen die Tatsache der Be- Einstellung zu einer Sache haben kann, die es gar nicht gibt –
fragung auf die Einstellungen oder das spätere Verhalten der besser: von der er bislang nicht geglaubt haben kann, dass es
19 Befragten einen deutlichen Einfluss nimmt. So ist die Geburts- sie gibt. Dass die Antworten aber gar keinen Hinweis auf die
angst von Erstgebärenden deutlich größer, wenn sie zuvor die Einstellung des Antwortenden enthalten, müssen wir bezweifeln,
20 Geburtsangstskala von Lukesch (1983) bearbeitet haben (Nebel wenn wir die Annahme näher prüfen, dass es sich tatsächlich um
et al. 1989). Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass für Zufallsantworten handelt.
die meisten Menschen ihre Angst nicht unabhängig davon be- Schuman und Presser (1981; zit. n. Strack 1994, S. 18) befrag-
21 steht, welche Informationen ihnen gerade präsent sind – und die ten Probanden nach dem fiktiven Agricultural Trade Act (ATA).
Geburtsangstskala aktiviert in 77 einzelnen Items eine Vielzahl Weit über die Hälfte der Befragten, nämlich 62 %, waren dafür.
22 von Informationen, vor denen Schwangere Angst haben könnten. Dies allein widerspricht bereits der Erwartung, es handele sich
Befragungen können die Befragten an ihre Einstellungen um eine Zufallsantwort, denn unter der Zufallsbedingung hätten
erinnern. Im Sinne der Konsistenztheorien wird durch das Be- sich Zustimmung und Ablehnung gleich verteilen müssen. Es
23 kenntnis zu der Einstellung ein Commitment erzeugt, und der stellte sich in der Folge heraus, dass besonders jene Personen
Druck wächst, sich in der Folge einstellungskonsistent zu verhal- den ATA befürworteten, die auch mit der Arbeit der Regierung
ten (▶ Abschn. 11.1). insgesamt einverstanden waren. Demnach zeigte sich also durch-
22.4  •  Marktforschung und Informationsverarbeitung
441 22

aus eine Einstellung in den Befragungsergebnissen; ganz analog Informationen systematisch voraktiviert. Die Probanden sind
zu dem Modell in . Abb. 22.2 konstruierten die Probanden ihre ganz auf sich gestellt und bekommen keine Hinweise, worauf sie
Meinung aus dem, was ihnen verfügbar war. In diesem Fall wur- ihr Urteil gründen. Dies bietet den Marktforschern die Chance
den offenbar besonders persönlich wichtige Informationen ge- herauszufinden, welche Informationen die Personen spontan für
nutzt wie etwa: „Der ATA kommt von der Regierung, und deren ihr Urteil nutzen.
Arbeit gefällt mir in der Regel.“ Es geht hier – wie zum Beispiel auch bei projektiven Tests
(▶ Abschn. 21.3.5) – um das Problem, welche Produktmerkmale
es sind, mit denen Personen ihr Urteil fällen. Wenn jemand das
22.4.6 Kontexteffekte in Befragungen: Produkt gut findet, warum findet er es dann gut? Welches Merk-
Fehlerquellen oder wertvolle Optionen mal ist es, dessentwegen er ein positives Urteil fällt? Offenbar
für die Marktforschung? sind dies vor allem die beiden Merkmale „Bequemlichkeit“ und
„Robustheit“, denn sie korrelieren mit dem Gesamturteil auch
Pointierung einer Frage dann hoch, wenn die Probanden nicht eigens darauf aufmerksam
durch Reihenfolgemanipulation gemacht wurden.
Man ist leicht geneigt, die beschriebenen Effekte, etwa für die Dass der Nike-Schuh in vielen Farben verfügbar ist, zählt
Fragenreihenfolge, als reine Fehlerquellen zu interpretieren. offenbar zu den peripheren Merkmalen. Die Bewertung dieser
Dies wäre allerdings eine fatale Neigung, denn man kann diese Tatsache korreliert unter keiner der beiden Bedingungen hoch
Effekte, sobald man sie kennt, auch als wertvolle Informations- mit dem Gesamturteil. Interessant wird es nun aber bei dem
quellen nutzen. Eine Nutzungsmöglichkeit ergibt sich aus dem modischen Design. Nachdem die Befragten darauf aufmerksam
oben konstruierten Beispiel zu Fastfood-Restaurants und Mc- gemacht wurden, stieg die Korrelation dieser Bewertung mit dem
Donald’s, in dem ein Experiment von Strack et al. (1985) abwan- Gesamturteil deutlich an (der Korrelationsunterschied ist üb-
delt wird. In dem Beispiel wurden die Probanden dazu angeregt, rigens signifikant, r = .01 vs. r = .72, z = 2.66, p < .01). Dies wäre
eine Frage, die sie ursprünglich global verstanden hätten, spe- ein marketingtechnisch außerordentlich wertvoller Hinweis: Of-
zifisch zu deuten und entsprechend zu beantworten. Das heißt, fenbar bringt es etwas, den Konsumenten vor Augen zu führen,
durch die Reihenfolgemanipulation konnte das Verständnis der dass man ein gutes modisches Design hat, denn wenn sie darauf
Frage beeinflusst werden, und dieser Effekt kann durchaus sehr aufmerksam werden, verändert sich auch ihr Gesamturteil. Der
nützlich sein. Stellen wir uns etwa vor, wir möchten wissen, wie von Bickart (1992) nachgewiesene Effekt wäre danach alles an-
zufrieden die Kunden mit dem Design des Produkts sind, wollen dere als eine lästige Fehlerquelle. Bewusst eingesetzt könnte er
aber die Farbe nicht dazuzählen (vielleicht weil die Farbe als gut begründete Ideen dafür liefern, wo sich weitere Werbean-
einziges Merkmal des Designs nicht neu ist). Eine Möglichkeit strengungen lohnen und wo nicht.
wäre, in der Frage die Farbe ausdrücklich auszuklammern, etwa:
„Wie zufrieden sind Sie mit dem Design des Produkts, von der Fragen zu nicht existierenden Gegenständen
Farbe einmal abgesehen?“ Eine weitere, vielleicht unterstützende als projektives Verfahren
Möglichkeit wäre allerdings, zuvor nach der Farbe eigens zu Die angeblich so erschreckenden Befunde zu den Nonattitudes
fragen. Auf diese Weise unterstreicht man das eigentlich ange- sind offensichtlich ebenfalls sinnvoll interpretierbar. Betrachten
strebte Verständnis für die Folgefrage, die dann weniger global wir den erfundenen Einstellungsgegenstand als Vorlage in ei-
verstanden wird. nem projektiven Test. Er erfüllt das Kriterium, mehrdeutig zu
Diesen Effekt belegen Daten von Strack (1994, S. 111 ff.), der sein, und man kann davon ausgehen, dass die Probanden a pri-
seine Probanden danach fragte, wie glücklich und wie zufrieden ori keine klare Meinung dazu haben. Dies macht ihn zu einer
sie seien. Man wird zugeben, dass Glück und Zufriedenheit ziem- brauchbaren Projektionsfläche für tatsächliche Einstellungen – in
lich ähnliche Begriffe sind, und wenn man Personen nur nach diesem Sinne kann man die angeblichen Nonattitudes durchaus
einem von beiden fragt, fließen in das Urteil auch immer beide sinnvoll interpretieren, ja sogar in manchen Situation gezielt er-
Aspekte mit hinein. Fragt man jedoch nach beidem, also: „Wie heben!
glücklich sind Sie?“ und „Wie zufrieden sind Sie?“, dann können
dieselben Personen sehr wohl systematische Unterschiede ma- Besonderheiten des konstruktivistischen
chen. In der Regel betont man dann beim Urteil über die Zufrie- Modells und Empfehlungen
denheit eher die kognitiven und beim Urteil über das Glück eher Diese optimistisch klingenden Empfehlungen gebe ich wohlge-
die affektiven Aspekte des Wohlbefindens. Folgerichtig sank auch merkt auf der Basis des konstruktivistischen Modells der Einstel-
in der Befragung von Strack (1994) die ursprünglich hohe Korre- lungsmessung ab. Dieses Modell verlässt eine naive Vorstellung
lation des Zufriedenheitsurteils mit einer Stimmungsskala (d. h. über die Gültigkeit von Befragungsergebnissen; Strack (1994)
einem Maß für die affektive Befindlichkeit), wenn in demselben nennt sie die „Standardtheorie der Befragung“, der zufolge „Per-
Kontext auch nach dem Glück gefragt wurde. sonen einen privilegierten und unmittelbaren Zugang zu den
Inhalten des Bewusstseins haben und […] diese Inhalte von den
Herausfinden, wo Werbung sich lohnen wird Personen selbst unverfälscht ,abgelesen‘ werden können“ (S. 8).
Betrachten wir noch einmal die Daten aus dem Experiment von Wänke (1997) nennt dieselbe Idee das „Schubladen-Modell“ der
Bickart (1992; siehe auch . Tab. 22.3). Wenn das allgemeine noch Einstellung: Zu jedem Gegenstand sei eine Einstellung in einer
vor den spezifischen Urteilen gefordert ist, dann werden keine Schublade abgelegt und könne bei Bedarf abgerufen werden. Eine
442 Kapitel 22  •  Psychologische Einflüsse auf Ergebnisse der Marktforschung

Störung dieses Abrufs gehe allenfalls auf Unwilligkeit oder Un- Mit diesen Ausführungen schließen wir das Thema „Mes-
1 fähigkeit zurück. sung der Werbewirkung und Marktforschung“ ab. Gleichzeitig
Die konstruktivistische Alternative lässt uns mit einer lieb- ist dieses Kapitel auch das letzte in diesem Buch. Wer bis hierhin
2 gewonnenen Frage im Regen stehen, nämlich mit der Frage: Was durchgehalten hat, den möchte ich beglückwünschen. Ich hoffe,
ist eigentlich die echte, die wahre Einstellung einer Person? Diese es war nicht allzu ermüdend.
Frage nach der „wahren Einstellung“ stellt sich im konstruktivis- … and now for something completely different.
3 tischen Modell nicht: „every construal is as valid as the other“
(Wänke 1997, S. 267). Allenfalls unterscheiden sich die Konst-
4 ruktionen danach, wie lange sie schon bestehen und ob sie im
gegebenen Augenblick aus dem Gedächtnis reproduziert oder
5 ganz neu geschaffen werden.
An der Idee einer wahren Einstellung könnte man im Rah-
men des konstruktivistischen Modells festhalten, wenn man sich
6 von der Idee verabschiedet, befragte Personen hätten zu dieser
Einstellung einen direkten Zugang und könnten darüber unver-
7 fälscht Auskunft geben. Nach der alternativen Vorstellung offen-
bart sich die wahre Einstellung in Selbstauskünften im Rahmen
einer Befragung genauso vieldeutig und interpretationsbedürf-
8 tig wie in anderen Verhaltensdaten auch (vgl. auch Strack 1994,
S. 129).
9 Für die Marktforschung ist dieser Ansatz sehr zielführend –
vorausgesetzt man kennt die psychologischen Befunde und The-
10 orien. Aber auch ohne viel Detailkenntnis kann man mit einigen
Faustregeln die Vorhersagequalität von Marktforschungsergeb-
nissen verbessern. Wänke (1997) empfiehlt, in Marktforschungs-
11 untersuchungen vor allem darauf zu achten, dass die Prädiktor-
und die Kriteriumssituation einander so ähnlich wie möglich
12 sind. Mit anderen Worten: Die Situation, aus der heraus man die
Vorhersage machen will (z. B. die Befragung, das Experiment),
sollte genauso aussehen wie die Situation, die vorhergesagt wer-
13 den soll (z. B. die Kauf- bzw. Entscheidungssituation).

14
- Das bedeutet im Einzelnen (Wänke 1997):
Informationen eliminieren, die in der entscheidenden Situ-

15 - ation nicht verfügbar sein werden.


Informationen bereitstellen, die in der Situation verfügbar

16 - sein werden.
Fragen so formulieren, dass sie der Repräsentation des
Empfängers entsprechen. Nicht fragen: „Soll X verboten
werden?“, wenn es darum geht, ob X erlaubt sein soll, auch
17 wenn es logisch auf dasselbe hinausläuft. Oder: Nicht A
mit B vergleichen lassen, wenn B mit A verglichen wer-
den soll. In aller Regel wird das Neue mit dem Alten, das
18 Unvertraute mit dem Vertrauten, der Newcomer mit dem

19
- Marktführer etc. verglichen (Wänke 1997, S. 270).)
Motivationales und emotionales Klima sollen einander

20 - entsprechen.
Die Zeit, die für eine Antwort zur Verfügung steht, sollte
der echten Entscheidungszeit entsprechen (kurz für
Entscheidungen ohne Commitment bzw. bei geringem
21 Involvement, evtl. sogar künstlicher Zeitdruck bei der Bear-
beitung; lang bei extensiven Kaufentscheidungen).
22
Folgerichtig fordert Wänke daher auch, mehr Energie darauf zu
verwenden, die Kriteriumssituation, also die Kauf- und Entschei-
23 dungssituation, zu erforschen. Die soll ja in der Marktforschung
simuliert werden, daher ist die Kernfrage: „which variation cap-
tures the criteria situation [best]“ (Wänke 1997, S. 272).
443

Serviceteil
Serviceteil

Literatur – 444

Sachverzeichnis – 481

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481 A–C

Sachverzeichnis

Assoziation  214, 259 Beobachtungsmethoden  421


A –– implizite  259
assoziativer Test  426
Berührung  36, 37, 316, 317
Beschwerden  19, 90
Abnutzungseffekt der Werbung  336, 337 Attraktionseffekt  187, 188, 409 Besitz  228
Abrufsituation  72 Attraktivität  212, 214, 215, 216 Bestrafung  63, 256
Absicht  107, 108 –– physische  214, 215, 216 Bewegung und Aufmerksamkeit  46
–– Umsetzung  108, 301, 302 Attributionsirrtum, fundamentaler  211, 212 Bewertung  94, 254, 288
absolute Größenakzentuierung  433 Aufforderungscharakter  432 –– im Internet  288
absolute Reizschwelle  29, 130 Aufmerksamkeit  28, 41, 42, 43, 44, 45, 399 Big Five  307, 309, 310, 327
ACTIVE-Profil  311 –– und Entscheidungen  44 Bilder-Erzähl-Test  427
Adaptation (Geruchssinn)  34 Aufmerksamkeitsbindung durch Größe  46 Bilder in der Werbung  345, 346, 347, 348
additives Modell  268 Aufmerksamkeitslenkung  47 Bildkommunikation  34, 70
Affect Misattribution Procedure  266 Aufmerksamkeitsmessung  422 Bildüberlegenheitseffekt  31, 34, 70
Affekt  164, 165, 166, 245 Aufmerksamkeitssteigerung  45 Bindung (im Sinne von Commitment)  226, 227,
–– Vorhersage künftiger Affekte  245 Aufmerksamkeitssteuerung  41, 44, 46 228, 229
affektive Perseveranz  303 –– durch Bewegung  46 Black Box  9
affektives Priming  266 –– durch Inhalte  46 Blickbewegung  421, 422, 423
Age-Simulator  325 –– durch Platzierung  46 Blickbewegungsmessungen  422
Ähnlichkeit  32, 150, 151, 212, 213 Ausgabeneffekt  233 Blickbewegungsstudien  42, 424
–– von Personen  212, 213 Ausgangsreiz  30 Blickheuristik  195
AIDA-Modell  9, 10 Autorität  257 Blindverkostung  39
AIDS-Präventionskampagnien  360, 361 Axe-Effekt  65, 303 Blockwerbung  14, 333
Aktivation  88, 89, 100 Axiom der Dominanz  164 Bogus-Pipeline-Methode  432
Aktivationsausbreitung  78 Axiom der Invarianz  164 Bonuskarte  116
Akustikdesigner  33 Axiom der Unabhängigkeit  164 bounded rationality  176
akustische Bilder  349 Axiom der vollständigen Ordnung  163 Breadth-based Adjective Rating Task (BART)  261
Akzentuierungseffekt  433 brightness-weight-Illusion  378
ältere Konsumenten  323, 324, 325, 326 Budgetheuristik  181, 405. siehe auch mentale
–– als Zielgruppe für Marketing und Wer-
bung  323, 324
B Buchhaltung (auch mentale Kontoführung,
mental accounting)
–– Anpassungsbereitschaft  325 backfire  439 Bumerangeffekt  235, 239, 257, 331
Altersunterschiede  317 Bait-and-Switch-Technik  232 buzz marketing  311
Amazon Card  21 Bandwagon-Effekt  207, 395
Amygdala  94, 207 Bannerwerbung  31
Anagramm  47
Angebotspaare  406
Barzahlung  109
Bauchentscheidung  166
C
Angstappell  359 Bedeutungseffekt  399 call to action  334
Ankereffekt  186, 187, 241, 389, 390, 405 bedingter Reflex  50 Cartoons  368
Ankläger  306 Bedingungsinvolvement  112 CATI-System  430
Anlassinvolvement  112 Bedürfnis nach Einzigartigkeit  316 Charpentier-Illusion  378
Annäherung  99 Bedürfnis nach Selbstaufwertung  328 Cocktailparty-Phänomen  41
Annäherungsfokus  99 Bedürfnispyramide  101 Codierung  70, 71, 79
Anreize  6, 64, 256 beeinflussende Kommunikation  278 –– duale  70
–– zur Verhaltenskontrolle  256 –– Rolle von Argumenten  278 –– serielle Effekte  79
Ansprechbarkeit auf sexuelle Reize  47, 362, 365 Beeinflussung  125, 126, 131, 198, 276, 284, 285, Collagentechnik  426
anticipated interaction paradigm  213 286, 287, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 296, Commitment  226, 228, 229, 233. siehe auch Bin-
antizipiertes Bereuen  248, 249 297, 304 dung
Antwortformate  436, 437 –– durch Geschichten  290, 291, 292, 293, 294, –– von Bankkunden  233
Anzeige  337, 338, 339, 340, 341, 344 295, 296, 297, 304 common market beliefs  159
–– Gestaltungsmerkmale  337, 338, 339, 340, 341, –– unterschwellige  125, 126, 131 Compagnon-Verfahren  421
344 –– Widersetzung  284, 286, 287 completion compulsion  381
–– Größe  45, 337 Beeinflussungsabsicht  235, 238, 239, 274, 280, Computer Aided Advertising System (CAAS)  347
–– Platzierung  338 281, 286 conditioned stimulus  51
Arbeitsspeicher  77 Beeinflussungssituation  288 Conjoint-Analyse  408, 414
Argumentation  281, 282, 283 Beeinflussungsstrategien  287, 288 Construal-Level-Theorie (CLT)  138, 375, 379, 403
–– zweiseitige  282, 283 Befragung  429, 430, 440 creative choice counterconformity  316
Argumente  274, 275, 276, 278, 279, 285, 286, 315 –– als Intervention  440 Creative Placement  15
–– und Rollenspiel  286 –– standardisierte  430 cue competition  54
AroundMe  20 Behavioral Pricing  388
artikulatorische Schleife  34, 78, 130 behavioristisch  9
Arzneimittel  18 Belohnung  256
Asian-Disease-Szenario  167 Belohnungssystem  39, 94, 95, 98, 166, 270, 365,
Assimilationseffekt  142, 144, 148, 149 394
482 Sachverzeichnis

D Embodiment  96, 97, 119, 120, 266, 301, 302


Emotional Pricing  388
Extrinsic Affective Simon Task  265
Eyes-on-Screen  422
Darbietungshäufigkeit von Werbung  335, 336 Emotionen  8, 88, 89, 90, 91, 92, 94, 95, 96, 164,
166, 246, 248, 304
Dark Patterns  393
DAR-Test  422, 423 –– Definition  95
–– Erinnerungen von Emotionen  248
F
Datenerhebungsmethoden  421
–– Kurzlebigkeit  246 Facial Action Coding System (FACS)  428
Dauer-Heuristik  383, 384
Emotionsforschung  95 Falschinformationen  294
defensive Marketingstrategie  160
Emotionskontrolle  110 –– medienvermittelte  294
Depositionierung der Wettbewerber  17
Emotionsnormen  247, 248 False-Fame-Effekt  81
deskriptive Forschung  417
empathy gap  245 Farbforschung  339, 341
Deutscher Werberat  19, 20
Empfindungsschwelle  28 Farbgestaltung der Werbung  339
Diagnostik  425
Empfindungsstärke  29 Farbwirkung  44, 339, 340, 341, 342, 343, 344
Diät-Esser  382
–– als logarithmische Funktion der Reizstärke  29 –– kommunikative Wirkung  344
differentielle Konsumentenpsychologie  306,
Encodierung  71 Feingriff  36, 97
307, 308, 309, 310, 312, 313
Encodierungsspezifität  69, 70 Fernsehwerbung  5, 13, 14, 331, 332, 333
Diktatorspiel  199
Endowment-Effekt  189, 192, 228, 229, 342 –– Programmumfeld  331, 332, 333
dilution effect  184
Endowment-Effekts  317 –– Techniken  13
Direct Response Television  16
Entschädigung  217 –– Werbezeiten  5
disjunktives Modell  171
–– im Verborgenen  217 Figur  32
diskriminativer Hinweisreiz  64
Entscheidung  193, 195 –– Geschlossenheit  32
Diskriminierung  61, 62
–– Geschwindigkeit  195 Figur und Grund  32, 263
–– Ziel  62
Entscheidungsheuristiken  176 Fishbein-Modell  171
Dissonanz  224, 229
Entscheidungsmodelle  169, 173 flashbulb memories  74
–– kognitive  224, 229
–– Bewertung  173 Flatrate  410, 411
–– nach Entscheidungen  229
Entscheidungsphase  157 Folgeinvolvement  112
Dissonanzreduktion  244, 245
Entscheidungsregeln  170, 171, 172 forced choice-Bedingung  434, 435
–– Prozessmodell  245
–– kompensatorische  171 Forschung  416, 417, 419, 420
Dissonanztheorie  225, 226, 230, 257
Entscheidungstheorien  163 –– deskriptive  417
Dissoziationstechnik  82
equal weight rule  171 –– explorative  416
Distraktoren  53
Erfahrung  254 –– kausale  417
Doppeldissoziationsmodell  268
Erfahrungskontext  33 –– Panel-  417
Dritte-Person-Effekt  211, 212
Erinnern  68, 69, 72, 73, 74, 75, 81, 82, 84, 86 –– qualitative  419, 420
Drop- off-Effekte  398, 399
–– freies  68 –– quantitative  419
duale Codierung  33, 34, 70
–– Illusion der Erinnerung  74 Fovea centralis  31
Düfte  35
–– implizites  81, 84, 86 Fragebogen  434, 435, 436, 440
–– und Kaufneigung  35
–– unterstütztes  69 –– Antwortformate  436
Durchsetzungswerbung  8
Erinnerung  296 –– Faustregel für Konstruktion  435
–– an Einstellungen und Affekte  296 free recall  68

E Erlebniswert  13
Erotik  358, 362, 364, 366
freies Erinnern  68
Freiheitserwartung  235
eBay-Auktionen  390 –– Ablehnung unpassender Erotik  366 Freud’sche Sexualsymbolik  364
Effekt der referentiellen Validität  299 Erotik in der Werbung  362, 363, 364, 365, 366, Freundschaft  257
Einfühlungslücke  245 367 fundamentaler Attributionsirrtum  211, 212
Einführungswerbung  8 –– Wirkungswege  367 Furchtappell  358, 359, 360, 361, 362
Einheiten  375, 381 erotische Stimuli  365 Fuß-in-der-Tür-Technik  218, 224, 227, 230, 231,
Einstellung  254, 255, 256, 258, 259, 260, 261, Error-Choice-Methode  261 314
263, 267, 268, 308 Erwägen eines Sachverhalts  299
Erwartungseffekt  40
–– automatische  259
–– Elemente  254 Erwartungswert  163 G
–– explizite  268 Erwartungswertmodell  100
escalation of commitment  233 Gasaustausch über die Haut  351
–– implizite  260
Ethik  131, 161, 162, 163, 323 Gebrauchtware  22
–– und Erfahrung  255
ethnographische Methode  424 Gedächtnis  68, 69, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 83, 295,
–– und Verhalten  255, 256
Evaluation  167 422, 423
–– Verfahren zur Messung  261
Evaluative Movement Assessment  265 –– Arbeitsweise  295
–– Verfügbarkeit  258
Evaluatives Konditionieren  50, 52, 53, 54, 55, 56, –– Beeinflussbarkeit  74, 75
–– Verhältnis von impliziter zu expliziter Einstel-
57, 58, 59, 94, 128, 286 –– episodisches  79
lung  267
EWOM  21, 22 –– implizites  83
Einstellungsänderung  274, 279
Exklusivität  240 –– semantisches  79
–– durch Kommunikation  274
Expansionswerbung  9 –– Speichermodell  77
–– Strategien  279
Experten  439 Gedächtnistäuschungen  76
Einzigartigkeit  316
–– vs. Laien  439 Gefälligkeiten  216
Eitelkeit  230
Expertenheuristik  314, 315 Gefühl  95
Ekel  37
explizite Einstellung  268 Gefühlsbilder  13
Elaboration Likelihood Model  274
explorative Forschung  416 Gegenargumente  284, 302
Elaborationswahrscheinlichkeit  276
extensive Kaufentscheidung  156 –– Unterbinden  302
elektrodermale Reaktion  428
externe Überlappung  330 Gegenkonditionierung  51
Elimination-by-Aspects-Regel  172
483 D–K
Sachverzeichnis

Gegenseitigkeitsregel  220 Handlungssteuerung  165 Internetkauf  20, 21, 22


Gehirn  25, 26 Hautwiderstand  428 Internetshopper  20
Gehör  33 Headline  337 Internet-Shopping  21
Gehorsam  257 Herkunftsland  153 Internetwerbung  333, 334, 335
Geld  140 –– Einfluss auf Produktwahrnehmung  153 interne Überlappung  330
Geltungskonsum  395 Hermann’sches Gitter  31, 32 Intrusionsirrtum  75
Generierungseffekt  71 Herstellungsmethode  28 Intuition  192, 193, 194
geplante Obsoleszenz  412 Heuristiken  173, 314 intuitives Wissen  176
Geräuschkomposition  33 Hierarchie-von-Effekten-Modelle  10, 11 Involvement  10, 111, 112, 113, 277, 285
Geringes-Involvement-Hierarchie  10, 11 High-Involvement-Prozess  429 –– persönliches  112
Geruch  35 high self-monitorers  315 –– Produkt-  112
–– in Verkaufsräumen  35 Hirnforschung  25, 26, 365, 374 –– Situations-  112
Geruchserlebnisse  34, 35 homogene Mengen  376 Irradiationsphänomene  152
Geruchssinn  34 Homo oeconomicus  162 Isolation effect  409
–– Adaptation  34 Homunculus  25
Geruchswahrnehmung  34 Hören  33
Geschenke  7, 397, 398
Geschichten  290, 291, 292, 293, 294, 295, 296,
hot stimuli  365
Humor in der Werbung  367, 368, 369
J
297, 301, 304 hypothetische Nachfragen  299 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag  322
–– als Beeinflussungsmittel  290, 291, 292, 293,
294, 295, 296, 297, 304
–– Besonderheit  301 I K
–– fiktionale  293
–– im Fernsehen  294 Idealabstandsmodell  171 Kaufanreiz  6
–– Wirkprozesse  295 Immune Neglect  245, 246 Kaufarten  156
Geschmack  40, 41 Immunisierung einer Einstellung  284, 285 Kaufentscheidung  156, 160, 161, 200, 201
–– und Farbe  40 implementation intentions  107, 108, 259, 301, –– gegen ein Produkt  160
–– und Temperatur  40 302 –– in der Gruppe  200, 201
–– und Textur  41 implizite Assoziationen  263 Kaufinteresse  156
Geschmacksqualitäten  41 implizite Einstellung  260, 263, 265, 268 Kaufmotive  309, 310
Geschmacksreize  56 Impliziter Assoziationstest  24, 258, 259, 262, Kaufneigung  35
–– Konditionierung  56 263, 264 –– und Umgebungsduft  35
Geschmackswahrnehmung  38 –– Stärken und Schwächen  262, 263, 264 Kaufpreis  391
–– Erwartungseffekt  38 implizites Erinnern  81, 82, 83, 84, 85, 86 Kaufprotokoll  423
Geschmack und Farbe  41 implizites Gedächtnis. siehe implizites Erinnern Kaufverhalten  11, 157, 158, 159
Gesetz der Geschlossenheit  32 implizites Marketing  11 –– extensives  156
Gesetz der Nähe  33 Impuls  158, 165 –– habitualisiertes  159
Gesetze  17 impulsiver Kauf  157 –– limitiertes  158
Gesichtsmuskelaktivität  428 impulsives Kaufverhalten  157 Kaufwahrscheinlichkeit  250
Gestaltpsychologie  32, 263 Inbound-Marketing  19 –– und Anzahl der Alternativen  250
Gestaltwahrnehmung  32, 376 indirekte Messungen  425 kausale Forschung  417
Gewicht  378, 379 indirekte Verfahren  269, 270 Kennzeichnungsrechtliche Bestimmungen  18
Gewinn  167, 168, 169 –– Bewertung  269, 270 Kinder  319, 320, 321, 322, 323
Gewissenhaftigkeit  309 individualisierte Massenanfertigung  252 –– als Wirtschaftsfaktor  319
Gewohnheitskauf  159 Individualismus  147 –– Jugendmedienschutz-Staatsvertrag  322
–– Arten  159 Individualität  203, 204, 205 –– Konsumkompetenz  322
–– Entlastungsfunktion  159 –– als Gruppennorm  205 –– Medienkompetenz  319, 320
Glaubwürdigkeit  139, 276, 280, 288 induziertes Involvement  112 –– Medienkonsum  321
–– im Internet  288 Information –– schädliche Werbewirkung  320, 321
Grenzmethode  28 –– Zweiseitigkeit  282, 283, 284 –– Werbung und Moral  323
Größenbezeichnungen  380 Informationen  151, 176, 184, 185 –– Wirkung der Werbung  322
Größenetikettierung  381 –– Verfügbarmachen  151 Kindheit und Werbung  318, 319
Größenwahrnehmung  380, 381 Informations-Display-Matrix  423 knew-it-all-along effect  298
–– verzerrte  380, 381 Informationsflut  5 Kodex der Werbepraxis  19
Gruppe  199, 201, 202, 203, 205, 206 Informationsfunktion  8 kognitive Dissonanz  26, 121, 157, 224, 225, 226,
–– Konformität  201 Informationspolitik beim Verkauf  185 228, 229, 230, 232, 239, 244, 257, 286
–– Selbstdarstellung  203 Informationssuche  170 –– Dissonanz-Attributions-Hierarchie  10, 11
Gruppendiskussion  419 Informationsverarbeitung  5, 25, 277, 278, 279, kognitive Konsistenz  224, 229
Gruppengröße  204 326, 423 kohärente Beliebigkeit  389
Gruppennormen  202 –– bei Senioren  326 Kollektivismus  147
Gutscheine  7 –– heuristische  278 Kommunikation  275, 279
–– systematische  278 Kommunikationsregeln  439, 440
Inhalt der persuasiven Botschaft  212 Konditionieren  50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58,

H Inklusion  147
Inklusions-/Exklusionsmodell  143
59, 60, 61, 62, 64, 128
–– Beziehung zwischen Pawlow'schem und
habitualisiertes Kaufverhalten  159 instrumentelles Lernen  64 evaluativem  53
Halo-Effekt  143, 149, 153 interaktives Modell  268 –– emotionales  59
Handhabungstest  424 Interferenz  77 –– evaluatives  52, 53, 54, 55, 56, 57, 59, 60, 128
Handlungsanreiz  226, 227, 231 Interferenz von Informationen  72, 73, 333 –– höherer Ordnung  51, 53
484 Sachverzeichnis

–– klassisches  50, 54, 61 Löschungsresistenz  54 memetics  311


–– konzeptionelles  58, 59 loss of inhibition  42 Mengenschätzung  376, 377
–– non-evaluatives  58 Low Balling  231, 232 –– intuitive  376
–– operantes  50, 62, 64 Low Self-Monitorers  203 Mengenwahrnehmung  374, 376, 377
–– semantisches  58 Loyalität  159 Mental Design  13
–– unterschwelliges  128 Lure-Effekt  232 mentale Buchhaltung (auch mentale Kontofüh-
–– von Geschmacksreizen  56 Luxus  140 rung, mental accounting)  182, 183. siehe
–– von Konsumenten  59 Luxusgüter  198 auch Budgetheuristik
–– zweiter Ordnung  56 Merchandising  16, 17
Konformität  201, 202, 203 Mere-Exposure-Effekt  82, 83, 85, 86, 129, 137,
Kongruenzheuristk  287
konjunktives Modell  171
M 298
Mere-Measurement-Effekt  432
Konsensheuristik  21, 208, 314, 315 Magie durch Berührung  37 Mere-Ownership-Effekt  228. siehe auch Endow-
Konsensinformation  206, 207, 208 Marken  39, 327, 328 ment-Effekt
Konsistenz  231 –– und Klassifizierung  39 Merkmale  191
Konsistenzmechanismen  229 –– und positiv besetzte Personenmerkmale  328 –– einzigartige  191
–– in Werbung und Verkauf  229 –– und Selbstaufwertung  328 –– gemeinsame  191
Konsistenzmotiv  313, 314 –– und Testimonials  327 Metakognition  26, 44, 74, 93, 134, 135, 138, 177,
Konsistenztheorien  224, 225, 227, 229 Markenidentität  348 180, 284, 298, 368, 374, 378, 384
Konstanzmethode  29 Markennamen  352 Metapher  120, 121, 122, 123, 138, 346
Konsum  104 –– Linguistische Komponenten  352 Metaphorik des Tastsinns  36
Konsumentenfreiheit  250 Markenpersönlichkeit  327 mimicked consumer path  117
Konsumentenpanel  417 Markertheorie des Gedächtnisses  384 mimicking consumer path  117
Konsumententypologie  308, 315, 316 Marketing  35, 419 Mimikry  117, 118
–– mögliche Kriterien  308 –– Gruppenzusammenstellung  419 minimal group paradigm  199
Konsumentscheidungen  166 –– mit Düften  35 Miraculin  40
Konsumkompetenz  322 Marketingstrategie  160 Mitmach-Marketing  311
Konsumziele  105, 106, 110 –– defensive  160 Modell  9, 10, 171
–– kritische Distanz  110 –– offensive  160 –– der Werbewirkung  9, 10
Kontexteffekt  141, 142, 150, 152 Marketingstrategien  244 –– disjunktives  171
Kontextkategorie  145 –– mit hohen Freiheiten für den Konsumen- –– konjunktives  171
Kontextreiz  144 ten  244 –– lexikographisches  171
Kontiguität  51 Marktforscher  23 Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit  274,
kontrafaktisches Denken  249, 250, 251 Marktforschung  24, 414, 415, 417, 418, 419, 420, 276
–– bei Verhandlungen  249, 250 425, 426, 432, 433, 434, 435, 436, 437, 438, 439, Modell des Arbeitsspeichers von Baddeley  34
Kontrasteffekt  142, 143, 144, 145, 148, 149, 153, 440, 441, 442 Modell-Lernen  209, 210
154, 218 –– Experimente  417 Modellpersonen in der Werbung  210
Kontrastprinzip  142, 218 –– Gruppenzusammenstellung  418 Modells der Elaborationswahrscheinlichkeit  276
Kraftgriff  36, 97 –– Manipulation der experimentellen Bedingun- Modellvielfalt  11
Kreativität  194 gen  418 Moderatorenwerbung  14
Kundenbewertungen  283 –– Messmethoden  420 Motivation  88, 89, 99, 100, 104
Kundenkarte  116 –– psychologische  24 –– durch Ziele  104
Kunden-Mailings  18 –– psychologische Einflüsse  432, 433, 434, 435, Motivationsfunktion  8
Kundenrezensionen  21 436, 437, 438, 439, 440, 441, 442 Motivationskonzepte  103
Marktpräsenzheuristik  287 Motivationstheorien  102
Maslow’sche Bedürfnisse  101 Motive  104, 105
L Maslow’sche Motivationstheorie  101, 270
mass customization  252
–– explizite  105
–– implizite  105
Laddering  427 Massenanfertigung  252 Motivforschung  24
Laien-Testimonial  280 –– individualisierte  252 Motivtheorien  101
Länderstereotype  153 Matching  418, 419 multimediales Lernen  34
Langzeitspeicher  78 Match-up-Hypothese  328 Multi-Rule-Conjoint-Analyse  409
latente Inhibition  60 Materialismus  105 Multisensualität  38, 40
Lebensmittelakustik  33 Materialismus als Wertvorstellung  323 Musik  330, 349, 350
Leib-Seele-Problem  24 MAU-Regel  171, 173 Musikpiraterie  23
Lernersparnis  51 Maximalpreis  404, 405
Lernhierarchie  10, 11 McQuarrie  415, 416
Less-is-more-Effekt  179
level of processing  70
meaning effect  399
Means-End-Analyse  427
N
lexikographische Entscheidungsstrategien  171, Medieninvolvement  113 Nachkaufwerbung  157
172 Medienkompetenz  319, 320, 322 Nacktheit  366
Lifestyle  13 Medienkonsum  321 –– Darstellung in verschiedenen Kulturen  366
Likert-Skalierung  434 –– und Fehlernärung  321 Nähe  213
Likes  335 medienvermittelte Falschinformation  294 Nährstoffaufnahme  351
Liking und Wanting  322 Mehrdeutigkeit  45 Nahrungsmittelfarbe  341
limitierte Kaufentscheidungen  159 Meinungsführer  310, 311, 312, 313 Namedropping  200
limitierter Kauf  158 –– fiktive  312 Name-Letter-Effekt  199
Links-rechts Regel  379 –– Identifikation  312 need for cognition  313
Long Tail  21 –– symbolische  312 need for touch  317
485 K–R
Sachverzeichnis

need for uniqueness  316


negatives Altersbild  324
Preis-Absatz-Funktion  392
Preisanpassung  393 Q
Netnographie  424 Preiskommunikation  409 Qualität  379
Neuartigkeit  45 –– Empfehlungen  409 qualitative Forschung  419, 420
Neunerpreis  398, 399, 400 Preisnachlässe  372 Quellengedächtnis  304
Neuroforschung  26 Preispsychologie  388, 389 –– Verblassen  304
Neuromarketing  24, 95 Preis-Qualitäts-Regel  379, 383, 393, 394 Quizsendungen  16
Neuropricing  388 Preisschätzungen  388
Nonattitudes  440 Preisschwankungen  392
normative Entscheidungstheorie  163
Normbefolgung  199
Preisschwelle  29, 391, 392
Preisschwellen  391
R
Normen allgemeinen Charakters  17 Preisstruktur  404 Rabatt  19, 410
Numerosity  375 Preisvergleiche  21 Rationalität  162
Numerosity-Effekt  376 Premium-Produkte  122 Raubkopierer  23
Nutzenmaximierung  73, 161, 162, 170, 173, 202, Primacy-Effekt  79 räumliche Distanz  139
219, 220, 391 Primacy-Recency-Effekt  79, 333 Reaktanz  224, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241,
Primat der Affekte  165 242, 244, 245
Priming  24, 78, 118, 119, 120, 123, 124, 126, 127, –– Prozessmodell  245
O 128, 129, 130, 151, 266
–– affektives  266
–– und Gesetze  237
–– und Kaufentscheidungen  239
Oben-unten Regel  379 –– unterschwelliges  127 Reaktanzerzeugung  239
offensive Marketingstrategie  160 Printwerbung  332 Reaktanztheorie  233, 235, 237
Ökosponsoring  15 Prinzip der sozialen Bewährtheit  207 –– in Werbung und Verkauf  237
Online-Auktionen  22 Prinzip des abnehmenden Grenznutzens  30 Reaktionsinvolvement  113
Online-Marketing  20 Probenutzungsangebote  7 Reaktionszeit  422, 428
Online-Shopping  20 Product Placement  15, 16 reaktionszeitbasierte Verfahren  270, 429
Online Social Communities  23 Produkt  7, 36, 134, 147, 198, 204, 251, 252 Reaktivität  432
operantes Konditionieren  62, 64 –– Begriff  7 recall  69
–– Bedeutung für Konsumverhalten  64 –– Bewertung von Produkt und Firma  147 Recency-Effekt  79, 80
Opportunitätskosten  383 –– öffentlich sichtbare  198 recognition  69
Oppositionstechnik  82 –– Retro-  204 Recognition and Behavioral Approach Task  266
Outbound-Marketing  19 –– Selbstgestaltung  251, 252 Referenzpreis  390, 391, 400
Overfitting  184 –– taktile Eigenschaften  36 Referenzpreise  390
Overhearing  280, 281, 302 Produktalternativen  251 Reflexion  165
Oversufficient-Justification-Effekt  160, 232, 233 –– hohe Anzahl  251 Regel der Gegenseitigkeit  216
Produkterleben  38 Regression zur Mitte  181
–– Erwartung  38
P
regulatorischer Fokus  99
Produkterlebnis  40 Reihenfolgenmanipulation  441
–– und haptischer Eindruck  40 Reiz  51, 60
PAD-Strategie  411 Produktgestaltung  343 –– Häufigkeit der Darbietung  60
Panelforschung  417 –– Farbe  343 –– konditionierter  51
Paradigma der minimalen Gruppe  199 Produkthandhabung  424 Reizdarbietung  130
Parfum  34, 212 Produktinvolvement  112 –– unterschwellige  130
Parteilichkeit der persuasiven Botschaft  212 Produktionsmethode  436 Reizgeneralisierung  53, 61
Passungsheuristik  287 Produktloyalität  159 Reizschwelle  28, 29, 130
Pawlow’scher Hund  50, 51, 52, 321 Produktname  199, 200, 351, 352, 353 –– absolute  29, 130
Pay-what-you-want-Strategie  219, 396, 397 Produktproben  7, 107 Reizverarbeitung  42, 43
Peak-End-Regel  252, 382, 384 Produktwahl  268 –– ohne Aufmerksamkeit  42, 43
Pennies-a-Day-Strategie  411 Programmanalysator  429 Rekognitionsheuristik  178, 179, 180, 195
Perception  117 projektive Beschreibung einer fiktiven Per- Rekognitionstest  423
Perseveranz-Paradigma  300 son  427 Reliabilität  427
Persönlichkeitstheorie  328 projektive Frage  425 Reminder  14, 80, 336
Persuasion Knowledge Model  287 projektive Testverfahren  260, 425, 426, 427 Repräsentativitätsheuristik  180, 181
persuasive Botschaft  212 Prospect Theory  156, 166, 167, 168, 169, 170, 176 restrained eaters  382
Petersilieneffekt  367 –– in Verhandlungen  169 Retargeting  334
Phaseninvolvement  112 Prozessmodell der Einstellungskonstruktion  438 Retroprodukte  204
physiologische Reaktion  427, 428 Psychologie  25 Rezensionen  21
Picture Frustration Test  260, 426 –– kognitive  25 Reziprozitätsnorm  217, 218, 221
Piktogramme  346 psychologische Distanz  139, 140, 141. siehe Rollendifferenzierung  205
Piraterie  22 auch Construal-Level-Theorie (CLT) Rorschach Test  425
Plazierung  46 Psychophysik  28, 29, 30 Rosenthal-Effekt  433
–– und Aufmerksamkeit  46 –– Geldausgeben  30 Rubin’scher Becher  32
Positionierung  61 –– in der Werbung  29 Rückschaufehler  298
Positionseffekt  30 Pupillenreaktion  428 Rückvergütungsrabatte  7
präskriptive Entscheidungstheorie  163
Preis  390, 394, 395, 398
–– Effekte der letzten Ziffer  398
–– fairer  390
486 Sachverzeichnis

S Sportsponsoring  15
S-R-Theorien  9, 68 U
Satisficing Regel  112, 249 Statusähnlichkeit  205 Überschätzungseffekte  378
Satisficing-Regel  112, 170 Stevens’sches Potenzgesetz  31 Überschrift  337
Sauberkeit  121 Stichprobe  420 Ultimatumspiel  199, 220
Saure-Trauben-Effekt  237, 244 Stick Value  4 umami  41
Schachter-Singer-Paradigma  98 Stiftung  15 Umsatz  7
Schemabilder  347, 348 Stimmung  89, 92, 93, 109, 137, 138, 149, 150, Umsatzriesen  177, 178
Schläfereffekt  281, 304 158, 166, 277 umweltbewusster Konsum  395
Schlüsselreiz  158 –– und Konsumverhalten  92, 93 Umweltbewusstsein  209
Schmeichelreden  214 Stimmungskongruenz  92 Underdogs  292
Schmutz  121 Stimmungsregulation  109 Unique Selling Proposition  12
Schnellgreifbühne  424 Strafreize  63, 65 unkonditionierter Reiz  51, 60
Schriftgestaltung  344, 345 Stroop-Effekt  71 –– Stärke  60
Schwellenpreis  391 Subgruppen  205 unpopular choice counterconformity  316
Sehen  31 subjective expected utility-Modell  100, 163. Unterbrecherwerbung  239
Sekundärdaten  414 siehe auch SEU-Modell Unterhaltungsfunktion  8
Selbstauskünfte  433 Suchmaschinen  21 Unternehmensphilosophie  161
Selbstdarstellung  203 Sunk-Cost-Effekt  411 Unterschätzung  374, 377, 380
Selbstkontrolle  108, 109, 110, 158, 166, 183, 268, Sympathie  213, 217, 257 Unterschiedsschwelle  29
270, 308, 382, 410 Sympathieheuristik  314, 315 unterschwellige Beeinflussung  125
Selbstüberredung  285, 286 Synästhesien  39 unterschwellige Wahrnehmung  29
Selbstwert  199, 200 Synästhetische Wirkungen  38, 39 Unterschwelligkeit  125, 126
Self-Monitoring  203 Synchronisation von Menstruationszyklen  35 unterstütztes Erinnern  69
semantisches Differential  429 urheberrechtliche Gesetze  18

T
Senioren  324, 326 Ursprungsabhängigkeit  192
–– Alltagsverhalten  324 Urteile  207
–– Informationsverarbeitung  326 Urteilsbildung  134
Take the Best-Strategie  172
–– Kompensation alternsbedingter Einbu- Urteilsbildung und Bezugspunkt  30
taktile Eindrücke  36
ßen  326 Urteilsmethode  436
taktile Erfahrung  36, 122
sensorische Präkonditionierung  56 Urteilsverzerrungen  188, 189, 190
Tandemspots  336
sensorischer Speicher  77 USP-Formel  12
Targeting  334
Serotonin  220
Tastsinn  35, 36
SEU-Modell  100, 163, 167, 170, 171, 172, 173, 188
Share Economy  22
shopping momentum effect  229
Täuschungen  32
Tausend-Kontakt-Preis  330 V
Technik der verlorenen Briefe  260 Vampireffekt  364
Signallernen  50
Technische Kompetenz  13 vanity sizing  381
Single-Target IAT  264
Telemarketing  19 Veblen-Effekt  389, 395
Situationsinvolvement  112
Teleshopping  16 Verarbeitungsflüssigkeit  81, 83, 134, 135, 136,
size-weight-Illusion  378
Testimonial  57, 211, 280 149, 177, 178, 180, 229, 297, 433, 440
Skandal  146, 147, 280, 303
–– Eigenschaften  280 Verarbeitungstiefe  70
Skinner-Box  62
Testimonials  6, 14 Verbalprotokoll  423
Slice-of-Life-Spots  13, 160
Testimonial-Werbung  14 Verdrängungswerbung  8
SNARC-Effekt  374
Thematischer Apperzeptionstest (TAT)  425 Verfahren  260, 270
Snobeffekt  395
Theorie der Bildrhetorik  345, 346 –– projektives  260
social proof  207
Theorie der dualen Codierung  33 –– reaktionszeitbasierte  270
socioemotional selectivity theory  324, 326
Theorie der prominenten Zahlen  372, 373 Verfügbarkeit  240
Sonderangebot  400, 401
Theorie der relativen Einzelurteile  404, 405, 406, –– geringe  240
Sonderpreispackungen  7
407, 408, 409 Verfügbarkeitsheuristik  135, 176, 177, 178, 180
S-O-R-Theorien  9
Tiefeninterview  427 Vergessen  68, 72
source dependency  192
Tintenkleckstest  425 vergleichende Werbung  17
Sozialbeziehungen  213
tipping point research  311 Vergleichsasymmetrien  190
soziale Distanz  212. siehe auch Construal-Le-
token reinforcement  64 Verhaltensabsicht  258
vel-Theorie (CLT)
Too-much-Choice-Effekt  251 Verhaltenskontrolle  108, 258, 259
soziale Netzwerke  19, 23, 333, 335, 424
Transaktionsnutzen  391, 403 Verhaltensnachahmung  116
soziale Norm  202, 203
Transportation  293, 296 Verhaltensnorm  258
soziale Umwelt  117
Transportation-Imagery Model  293 Verhaltensregulation  107, 108, 109, 110, 111.
–– Einfluss auf Konsumverhalten  117
Traumwelt  13 siehe auch Selbstkontrolle
soziale Urteilsbildung  30
Trieb  88 –– automatische  110
Sozialisationsfunktion  8
Truth-Effekt  281, 297, 298, 299 Verhaltenssteuerung  116, 118, 123
Soziogramm  312
Tupper-Party  256, 257 –– durch Priming  118
Soziosponsoring  15
–– Verkaufspolitik  257 Verhaltensvorhersage  255, 256
Speichermodell des Gedächtnisses  77
Tür-ins-Gesicht-Technik  217, 218 Verkauf  214
Spiegelneuronen  117
Tür-zu-Tür-Verkauf  227 –– Schmeichelreden  214
Spielshow  16
–– Taktiken  227 Verkaufsförderung  7
Split-Screen-Verfahren  4
Sponsoring  15 Verkaufslimit  241
487 S–Z
Sachverzeichnis

Verkaufszahlen  21 Werbeträger  14, 330, 331 Zielkategorie  145


Verlustaversion  402, 403, 409, 410 –– Reichweite  330 Zigarettenwerbung  210
Verluste  31, 167, 168 Werbeumfang  5 Zipping  4
–– aus Wertpapiergeschäften  168 Werbeunterbrechung  331, 332 Zufriedenheit  106, 141, 192, 220, 245, 246, 250
Vermarktungsstrategien  325 Werbewirkung  3, 9, 320, 414, 415, 416, 420 –– Vorhersage künftiger Zufriedenheit  245, 246
Vermeidung  99 –– hierarchische Modelle  9 Zufriedenheitsparadox  327
Vermeidung von Gleichheit  316 –– Messung  414, 415, 416 Zugabeverordnung  19
Verpackungsgröße  379, 382 –– Modelle  3, 9 Zusatznutzen  12
Versandkosten  409 –– schädliche  320 Zwei-Aufgaben-Paradigma  43, 300, 402
Verstärker  8, 62, 63, 64, 65 Werbewirkungsforschung  415, 416, 420, 429 Zwei-Prozess-Modelle  10, 11, 304, 314, 315, 336,
–– sekundärer  65 Werbezeiten  5 360
Verstärkerfunktion  8 Werbung  3, 4, 5, 6, 7, 8, 14, 17, 85, 215, 238, 241, Zweiseitige Argumentation  282, 283, 284
Versuchungen  108 284, 320, 322, 323, 324, 330, 331, 333, 418, 441 Zweitnutzung von Produkten  22
Verteilungseinschätzungen  437 –– Akzeptanz  3, 4 Zylindertäuschung  31
Verträglichkeit  309 –– Depotwirkung  8
Verwässerungseffekt  184 –– Fernseh-  331
Verzehrmengen  381 –– Funktion  3, 8
Verzerrung  296 –– im Internet  14
Videoclip  16 –– im Kinderprogramm  323
viral culture  311 –– in Videospiele integrierte  85
Vorurteile  255 –– in Zeitschriften  333
–– offensiver Umgang mit Vorurteilen  255 –– lohnende  441
Vulnerabilität  360 –– mit Verbot und Zensur  241
–– negatives Altersbild  324
–– physische Attraktivität  215
W –– Selbstregulierung der Unternehmen  322
–– Überlappung  330
Wahlfreiheit  244 –– und Verkaufsförderung  7
Wahrnehmung  28, 125, 433 –– Verarbeitung  5
–– motivierte  433 –– vergleichende  17
–– unterschwellige  125 –– vs. Anreiz  6
Wahrnehmungskontinuität  33 –– vs. Empfehlung  6
Wahrnehmungsschwelle  28 –– Ziel  3, 5, 6, 7
Wahrnehmungsverzerrung  30, 31 –– zweiseitige  284
Wahrnehmung von Mengen  374 Werbungsarten  8
Wahrnehmung von Zahlen  372, 374 Werturteile  134
Wanting und Liking  322 Wiedererkennungstest  423
Wartezeit  384, 385 Winner’s Curse  288
Wasservogel-Effekt  149, 439 Wirtschaftspsychologie  23
Wear-out Effekt  336 Wirtschaftswerbung  5, 6, 17
Weber’sches Gesetz  29, 30, 31, 380 –– Grenzen  17
Werbeanrufe  18 –– Rechtsnormen  17
Werbeanzeige  152, 330 wissenschaftlicher Nachweis  14
Werbeargumente  336 Word-of-Mouth-Marketing  311
–– Wiederholung  336 Wossis  306
Werbebanner  334 Wunschphase  157
Werbebilder  345, 346, 347, 349
Werbeerfolg  8, 420
Werbeformen  14
Werbegeschenke  19
Y
Werbemittelinvolvement  113 Yarbus-Effekt  44, 339
Werbemodel  216 Yerkes-Dodson-Gesetz  88, 89
Werbemusik  349
Werben mit Angstappellen  358, 359, 360, 361
Werbepsychologie  23
–– als Berufsfeld  23
Z
Werberezeption  43 Zahlwahrnehmung  373, 374
Werbespot  45, 80, 161, 275, 293, 333, 355 Zapping  4
–– Darbietungsgeschwindigkeit  275 Zeit  382, 383, 386
–– rhythmische Gestaltung  355 Zeitschriftenanzeige  333
–– unvollständige  45 –– Kontexteffekte  333
–– Wirkung von Geschichten  293 Zeitungsdrücker  314
Werbesprache  330, 350, 351, 354 Zeitverschwendung  383
–– rhetorische Figuren  354 Zeitwahrnehmung  382, 384, 385
Werbestrategien  18 Ziel  123
Werbetexte  353, 354, 355 –– Priming  123
–– formale Merkmale  354, 355 Zielerreichung  291, 292
–– indirekte und kreative Formulierung  354 Zielgruppe  331

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