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2. APRIL 2020 N o 15
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30.03.20 2 14:51

Wie schützen wir die Schwachen? HELFT


ITALIEN!
Deutsche Intellektuelle
Ausnahmezustand in appellieren an die
Regierung, den Süden
Deutschland: Alte und nicht alleinzulassen.
Und Italiens Minister-
Kranke, Kinder und viele präsident Giuseppe
Conte schreibt für
Kleinverdiener sind die ZEIT über
wie verschwunden. die Not seines
Landes
Was sie bewegt Politik und
Feuilleton

und was sie jetzt


brauchen.
IN ALLEN R ESSORTS

Nein ist öde!


Eckart von Hirschhausen
über Politik,
Dummheit und Küsse
Wissen, Seite 35
Titelillustration: Dennis Vernooij für DIE ZEIT

NOTSTANDSGESETZ IN UNGARN WIRTSCHAFTSKRISE


Juli Zeh über
Mordgelüste
Viktors Virus Falsche Feinde Ein Gespräch mit
der Schriftstellerin,
deren Romane eigentlich
Orbán regiert jetzt ohne Parlament – wegen Corona, natürlich. Hilfe für alle bedeutet nicht, dass alles gerecht wird. Der Fall Adidas alle Krimis sind
Das darf Europa nicht hinnehmen  VON MATTHIAS KRUPA zeigt aber, dass nicht jede Kritik berechtigt ist  VON ROMAN PLETTER Recht & Unrecht, Seite 18

G H
elegenheit macht Diebe, aber zurück, ähnliche Maßnahmen seien auch in underte Milliarden Euro werden im Jahr. Man muss kein Mathematikgenie sein, PROMINENT IGNORIERT
macht Gelegenheit auch Dikta- Deutschland oder Frankreich ergriffen worden. nun verteilt an Arbeitnehmer und um zu sehen: Das Bare reicht ohne Umsatz nicht
toren? Das ungarische Parlament Doch was ähnlich aussehen mag, ist noch lange Unternehmer, Gesetze geschrieben lange aus, um die Kosten zu decken. Dabei gibt
hat ein Gesetz beschlossen, das es nicht dasselbe. In rechtsstaatlichen Demokratien zum Schutz von Mietern, Regeln es zurzeit nur drei Länder, in denen der Konzern
Viktor Orbán erlaubt, fortan mit dürfen Grundrechte, wenn überhaupt, nur zeitlich erlassen zum Schutz von Kranken, seine Ware noch verkaufen kann. Anderswo liegt
Notstandsverordnungen zu regieren. Ohne par- befristet außer Kraft gesetzt werden; die Parla­mente und dies alles in wenigen Tagen. Das soll den O ­ pfern sie in Lagern und bei Händlern herum.
lamentarische Kontrolle, ohne zeitliche Begren- müssen weiter tagen; und der Raum für öffentliche der Virus-Wirtschaftskrise schnell helfen. Bei so Es geht Adidas da nicht anders als dem kleinen
zung, dafür mit der Garantie, dass bis auf Wei- Debatten muss offen bleiben. In Ungarn ist das einer Politik auf Speed geht es unweigerlich nicht Unternehmen an der Ecke. Warum nun aber ein
teres keine Nachwahl mehr die knappe Zwei- Parlament vorerst geschlossen; die Notstandsgesetz- immer gerecht zu, worüber noch viel zu reden sein Konzern böse sein soll und nur die kleine Firma
Drittel-Mehrheit der Regierungskoalition ge- gebung gilt bis auf Widerruf (durch das Parlament, wird, damit die Maßnahmen zum Schutz der bemitleidenswert, ist insofern schwer nachzuvoll-
fährdet. Das alles, natürlich, um die Corona-
Epidemie zu bekämpfen.
das nicht mehr tagt); und die Meinungsfreiheit wird
zusätzlich bedroht durch ein Gesetz, das die Ver-
Gemeinschaft sie nicht irgendwann durch Miss-
trauen aus­ein­an­der­trei­ben.
ziehen, als dass es nicht darum geht, reiche Kon-
zerne reicher zu machen, sondern darum, dass bei
Zu den Waffen!
Ungarn? Ach. Die Abgebrühten in Brüssel und breitung von falschen sowie von »wahren, aber ver- Es ist ein Jammer, dass diese wichtige Debatte jedem einzelnen Konzern Tausende Menschen Diebe haben von einem Londoner
Berlin winken ab. So sei er halt, der ungarische zerrt dargestellten Nachrichten« verbietet, falls nun mit einem dankbaren, aber halt auch fal- Arbeit haben. Es wird zudem die Steuereinnah- Sammler Waffen gestohlen, mit
Regierungschef. Immer gehe Orbán ans Limit. diese den Kampf gegen die Epide- schen Feindbild begonnen hat: men aus diesen Arbeitsplätzen brauchen, um für denen ­James Bond geschossen hat,
Manche Christdemokraten und Christsoziale mie behindern. Wer entscheidet, Der Sportartikelkonzern Adidas die Rettungskredite aufzukommen. Das Geld darunter der Revolver Smith &
duzen »den Viktor« noch aus der Zeit, in der welche Nachrichten falsch oder ver- stellt Teile seiner Mietzahlungen stammt ja nicht von den Privatkonten der Minis- Wesson 44 Magnum aus dem Film
dieser ein Freiheitskämpfer gegen den Kommunis- zerrt sind, bleibt offen. Die nächste Ausgabe wegen der Corona-Krise ein. Erst ter – auch wenn im sogenannten politischen Ber- Leben und sterben lassen (1973).
mus war. Aber das ist lange her, und was in Ungarn Die gegenwärtige Krise ist eine Mil­liar­den­ge­win­ne und nun arme lin gerade eine gewisse Rettungsbreitbeinigkeit zu Die Waffen sollen 110.000 Euro
in diesen Tagen geschieht, ist mehr als nur die Versuchung für viele, die in der der ZEIT erscheint vor Vermieter knechten! Da hüpft beobachten ist, die diesen Eindruck erweckt. wert sein. Wie viel wären dann die
jüngste Volte eines notorischen Quertreibers. Demokratie vor allem ihren eige- Ostern schon am Mittwoch, nicht nur das aufgeregte Anti­ Womit man beim Thema ist, um das es hier berühmten Schwerter wert, Sieg-
In Budapest wird auch die Zukunft Europas nen Vorteil suchen. Das gilt für den dem 8. April 2020 kapi­ta­lis­ten­herz. Selbst Verkehrs- in Wahrheit geht: Solidarität. Der Fall Adidas frieds Balmung oder König Artus’
verhandelt – jenes freiheitlich und rechtsstaatlich israelischen Ministerpräsidenten minister Andreas Scheuer (CSU), zeigt, dass immer jemand einen Preis zahlt, Mit- Excalibur? Wenn man nur wüsste,
verfassten Europas, wie wir es bislang kannten. Netanjahu wie für den polnischen der vor wenigen Wochen noch arbeiter, Vermieter oder Aktionäre. Es wird auch wo die Dinger sind. GRN.
Präsidenten Duda. Beide versuchen, den Aus- angeschlagen durch das Bundeskabinett stolper- bei der öffentlichen Hilfe nicht anders sein. Die
Im Zeichen der Seuche spitzt sich nahmezustand zu nutzen, um ihre Macht zu festi- te, haut via Bild-Zeitung drauf: »Ich bin ent- Regierung finanziert sie gerade mit mehr Schul- kl. Fotos: Grassani/The New York Times/Redux/
laif; Gene Glover/Agentur Focus; Interfoto (v. o.)
die Systemfrage zu gen – und nehmen dafür in Kauf, dass die Demo- täuscht von Adidas. Sehr enttäuscht.« den, als es sich die härtesten keynesianischen
kratie in ihren Ländern erodiert. Orbán sieht die Erst mal zu den Fakten. Es kann ja nicht scha- Ökonomen in ihren wildesten Träumen nur aus-
malen konnten. Sie versucht redlich, auf diese Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG,
Orbáns jüngster Coup fügt sich in eine große Corona-Epidemie offenbar als Chance, den Umbau den, sie zu kennen: Ein eigens geschaffenes Gesetz 20079 Hamburg
Auseinandersetzung. Die liberalen Demokra- des ungarischen Staates, den er vor zehn Jahren erlaubt es Mietern, wegen der Krise ihre Miet- Weise allen Menschen in Deutschland zu helfen. Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail:
tien standen schon vor der Corona-Krise unter begonnen hat, entscheidend voranzutreiben. zahlung aufzuschieben. Erlassen ist damit nichts. Mit der Goldwaage der Gerechtigkeit anzurü- DieZeit@zeit.de, Leserbriefe@zeit.de
Druck, herausgefordert von Populisten und­ Orbáns Ungarn ist noch keine Diktatur, aber es Adidas war mit den Vermietern ohnehin schon im cken würde aber zu viel Zeit kosten, um dieses ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de;
Autoritären. Nun, im Zeichen der Seuche, ist ein autoritär geführtes, unfreies Land. Kein Gespräch über eine Stundung, bevor es das Gesetz Versprechen einzulösen, was wiederum dazu füh- ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de
spitzt sich die Systemfrage zu. Menschen dürfen Staat, den die EU heute noch aufnehmen würde. gab. Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang. ren wird, dass hier und da mal jemand profitiert,
ihre Geschäfte nicht mehr öffnen, nicht mehr Dass es so weit kommen konnte, hat vor allem der Hilfe weniger nötig hätte als andere. ABONNENTENSERVICE:
gemeinsam demonstrieren oder beten. Diese die Europäische Volkspartei zu verantworten. Bis Im politischen Berlin ist eine gewisse Diese Krise wird darum auch ein Test werden Tel. 040 / 42 23 70 70,
Fax 040 / 42 23 70 90,
Einschränkungen fallen autoritären Regimen heute sitzen Abgeordnete von CDU und CSU und Rettungsbreitbeinigkeit zu beobachten für die Verantwortungs-Sonntagsreden vieler E-Mail: abo@zeit.de
wie dem chinesischen nicht schwer, sie entspre- Vertreter der ungarischen Regierungspartei Fidesz Unternehmer, ob sie etwa abgeschöpfte Gewinne
chen ihrem Selbstverständnis. Westliche Demo- im Europaparlament in derselben Fraktion. Auch Die Empörung über den Konzern bis hin zu Boy- zurück in ihre Firmen schießen – oder ob sie ihre PREISE IM AUSLAND:
kratien hingegen trifft die ungeahnte Beschrän- Angela Merkel oder Ursula von der Leyen haben kottaufrufen entfaltete auch deshalb große Wucht, Kosten Schwächeren, zu denen oft ihre Mitarbei- DK 58,00/FIN 8,00/E 6,80/
CAN 7,30/F 6,80/NL 6,00/
kung von Freiheits- und Bürgerrechten ins eine scharfe Abgrenzung von Orbán immer gemie- weil eine ganze Reihe SPD-Politiker meinungsstark ter gehören, aufbürden. Es wird für den sozialen A 5,70/CH 7.90/I 6,80/GR 7,30/
Mark, sie rührt an ihren Fundamenten. den. Unausgesprochen galt: Der Ungar darf zu und faktenarm den Ton verschärften, darunter Frieden ohnehin wichtig sein, dass die Schwächs- B 6,00/P 7,10/L 6,00/H 2560,00

o
N 15
Viktor Orbán hat schon lange vor dem Aus- Hause über die Stränge schlagen, solange er in Justizministerin Christine Lambrecht: »Wenn jetzt ten im Land nicht am wenigsten bekommen.
bruch der Corona-Epidemie von einer »illiberalen Brüssel halbwegs kooperativ bleibt. finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten Auch Adidas muss sich solchen Fragen stellen
Demokratie« geträumt. Er hat keine Gelegenheit Aber dieses Appeasement funktioniert nicht nicht mehr zahlen, ist dies unanständig.« ­Natürlich und dazu jener, ob der Konzern sich um des­
ausgelassen, die EU zu verhöhnen und die auto- mehr. Wenn die EU den Autoritarismus in ihren hat das einen Subtext, seit sich gierige Banker die öffentlichen Klimas willen nicht früher hätte er-
ritären Herrscher in Peking oder Moskau zu­ eigenen Reihen duldet, kann sie die Auseinander- Boni vom Staat sichern ließen: Die Großen werden klären müssen. Das hätte auch jenen Politikern 7 5. J A H RG A N G C 7451 C
hofieren. Auch jetzt preist er die Hilfe, die sein setzung mit den autoritären Regimen in Peking gerettet, die Kleinen müssen zahlen. das Leben erschwert, die mit dem antikapitalisti-
Land aus China erhalte, und attackiert die »Que- oder Moskau nicht bestehen. Es wird Zeit, Orbán Nur: Die Empörung ist fehl am Platz. Adidas schen Impuls den Populisten von morgen das Feld
rulanten« aus Brüssel: Es sei nicht die Zeit, juris- seine Grenzen aufzuzeigen. hatte tatsächlich Ende 2019 zwei Mil­ liar­
den bereiten – als ob das Virus nicht Feind genug wäre. 15
tische Fragen zu erörtern. Orbán weist jede Kritik Euro flüssige Mittel in der Bilanz. Aber der Kon-
an seiner Selbstermächtigung mit dem Hinweis AA www.zeit.de/audi zern hatte auch fast 22 Mil­liar­den Euro Kosten AA www.zeit.de/audi 4 190745 105507
2 POLITIK 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Fotos: Fabio Bucciarelli (gr.); Xinhua/Zhang Cheng/laif (kl.)


Eine 88-jährige Covid-19-Patientin im norditalienischen Pradalunga, fotografiert von Fabio Bucciarelli. Ihr Sohn hat entschieden, dass seine Mutter zu Hause und nicht in einem Krankenhaus behandelt wird

Italien an vorderster Front


Der italienische Ministerpräsident G IUSEPPE CONTE schreibt in der ZEIT, was sein Land gerade durchsteht – und wie Europa helfen kann

T
ag für Tag muss ich mich als Mi- konkrete Gesten der Solidarität gezeigt haben. tische Entscheidung jeder unserer Regierungen zur Ich glaube zudem, dass gerade die Länder, die am machen, wenn es doch möglich wäre, dieses Ziel
nisterpräsident mit den schmerz- Dafür danke ich der deutschen Regierung und Bekämpfung des Virus kommt allen europäischen meisten zum europäischen Projekt beigetragen haben, besser durch eine gemeinsame Bewältigung dieses
haften Zahlen meiner Mitbürger dem ganzen Volk. Bürgern und allen europäischen Ländern zugute. so wie Deutschland, diejenigen sind, die eine Haltung Schocks zu erreichen.
aus­ein­an­der­set­zen, die an einer Die Lage in Italien belastet alle Bürger extrem, sie Wer auf einen Teil seiner Freiheit verzichtet und einnehmen können und müssen, die der Heraus- Was für uns gilt, gilt auch für viele andere Länder:
In­fek­tion mit dem Sars-CoV-2- nehmen viele Opfer auf sich. Ein Großteil der Be- zu Hause durchhält, führt einen Kampf der Soli- forderung dieser Zeit auch gerecht wird. Wenn wir eine ­Union sind, dann ist jetzt der Zeit-
Virus sterben. völkerung lebt de facto in Quarantäne, mit Aus- darität und des Respekts zum Wohle aller. Darun- Die Geldpolitik tut alles Nötige, um eine finan- punkt, dies zu beweisen. Unsere Volkswirtschaften
Vor zwei Tagen haben wir in nahme der Menschen – und ihnen sind wir besonders ter sind auch Menschen, die ihren Arbeitsplatz zielle Fragmentierung der Euro-Zone zu vermeiden verfügen über ausreichend personelle und materielle
Italien den Wert von 10.000 Toten überschritten. dankbar –, die dem Land sichern, was unverzichtbar verloren haben oder zu verlieren drohen. und die gemeinsame Währung zu verteidigen. Aber Ressourcen, um die Krise auch aus eigener Kraft zu
Für mich ist das nicht nur eine Zahl. Das sind Na- ist. Vor allem dem medizinischen Personal und de- Wenn es Europa aber gelingt, schnell und ent- zu glauben, Geldpolitik allein könne helfen, wäre ein überwinden. Aber die Anstrengungen selbst der
men, Lebensgeschichten, die vor allem die Genera- nen, die für die Lieferungen von Lebensmitteln und schlossen zu reagieren, wird es gestärkt aus dieser schwerer Fehler. Das würde sie unangemessen belas- stärksten europäischen Volkswirtschaften würden
tion unserer Eltern, der Groß­eltern unserer Kinder, Pharmaprodukten sorgen, sind wir tief verpflichtet. tiefen Krise hervorgehen. An drei Eckpfeilern sollten ten, denn dadurch würde die Phase negativer Zins- sehr bescheidene Ergebnisse bringen im Vergleich zu
betreffen. Das ist die Ge­ne­ra­tion, die nach der Dik- Ich bin stolz darauf, wie die Italiener auf die wir uns orien­tie­ren: eine klare Vision der Zukunft sätze in der Euro-Zone länger andauern. Wirtschaft- dem, was wir erreichen können, wenn wir ein­an­der
tatur und einem Weltkrieg mit Ausdauer und Krea- Restriktionen reagieren, die wegen des medizini- Europas, gemeinsame Ziele, die wir mit vereinten liche Erholung und nachhaltiges Wachstum wären unterstützen. Die Mitgliedschaft in unserer ­Union
tivität gearbeitet hat, bis Italien seinen Platz im Kreis schen Notstandes sogar Grundrechte der Verfas- Kräften erreichen wollen, und die Stärkung der Fähig- aber wiederum nicht gewährleistet, denn diese kön- muss bedeuten, dass wir ihre Stärke nutzen können,
der G7 finden konnte. sung wie etwa die Bewegungsfreiheit und die un- keit der Europäischen ­Union, weltweit auf Augen- nen nur durch entschlossenes und solidarisches euro- um den durch diese Pandemie verursachten Schaden
Italien war zeitlich gesehen das erste europäische ternehmerische Freiheit berühren. Hierbei war mir höhe mit den anderen Großmächten eine führende päisches Handeln entstehen. Vielmehr sollten wir durch eine stabile, langfristige Finanzierung mit den
Land, das von dieser Pandemie getroffen wurde. Aber jedoch immer klar, dass das einzig wirklich »fun- Rolle in Wirtschaft und Politik zu spielen. unsere in großen Schwierigkeiten steckenden Volks- so garantierten niedrigen Zinssätzen zu bekämpfen.
es zeigt sich leider, dass immer mehr Länder erfasst damentale« Recht in unserer Verfassung gerade das Wie die Präsidentin der Europäischen Kommis- wirtschaften sofort unterstützen. Wir brauchen eine Diese Solidarität muss in einem gemeinsamen
werden. Ich denke an Spanien, Frankreich, Deutsch- Recht auf Gesundheit ist. In einer nationalen ge- sion Ursula von der Leyen kürzlich bemerkte: »Un- Strategie des Aufschwungs, die auf eine rasche Er- Plan zum Ausdruck kommen, der durch Transpa-
land, zuletzt Großbritannien. Wir werden von einem sundheitlichen Notlage hat es letztlich Vorrang vor sere wertvollste Ressource ist der Binnenmarkt (...). holung in den am stärksten von der Pandemie be- renz und Strenge allen Beteiligten garantiert, dass
Tsunami überrollt, der – genau wie ein Krieg – die den anderen. Eine Krise ohne Grenzen kann nicht bekämpft troffenen Bereichen zielt, um die Unternehmen in dabei keine »Trans­fer­union« entsteht.
Wirtschaft in Trümmern und die Menschen mit Gleichzeitig musste man berücksich- werden, wenn man zwischen uns wieder dieser schwierigen Zeit vor der Gefahr feindlicher Es geht jetzt darum, eine außergewöhnliche soli-
Traumata hinterlässt. Ich denke in diesen Tagen viel tigen, dass viele von denen, die diesen Grenzen hochzieht.« Die von der Euro- Übernahmen durch Dritte zu schützen. darische Anstrengung zu unternehmen, um dem
darüber nach, was es bedeutet, 60 Millionen Italiener Maßnahmen ausgesetzt waren, nicht auf päischen Zentralbank und der Kommis- Mittelfristig müssen wir die globalen Wertschöp- durch die Pandemie bedingten Notstand und seinen
dazu zu zwingen, zu Hause zu bleiben, während jeden Absicherungen zählen können, die ein sion getroffenen Entscheidungen sind fungsketten Europas stärken und Investitionen und wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen begeg-
Tag im Fernsehen Hunderte von Särgen mit den industrialisiertes Land wie unseres in der ein Zeichen dafür, dass Europa weiß, Maßnahmen fortsetzen, um Europa in die Lage zu nen zu können. Wir müssen geeignete Instrumente
Gefallenen dieses Krieges gegen einen unsichtbaren Regel gewährt. Ich denke an Personen mit dass es stark sein muss. Aber diese – au- versetzen, eine führende globale Rolle bei Innovation für eine beispiellose Situation prüfen, und zwar ohne
Feind gezeigt werden. Es ist eine Schreckenssituation, geringem Einkommen, an die vielen Bür- ßergewöhnlichen – Schritte müssen von und nachhaltiger Wirtschaft zu spielen. Vorurteile und ohne a priori eingelegte Vetos, viel-
von der ich mir nie hätte vorstellen können, sie als ger, die von der Hand in den Mund leben. weiteren Maßnahmen begleitet werden, Jedes europäische Land hat seine Schwächen, mehr mit dem Ziel, dass alle gemeinsam so schnell
Bürger wie als Ministerpräsident erleben zu müssen. Deshalb haben wir vor vier Tagen den Giuseppe Conte, die unsere fiskalischen Anstrengungen sei es die öffentliche oder die private Verschul- wie möglich stärker und geschlossener als vorher aus
Zu keiner Zeit haben wir in Italien die Gefahr Kommunen die notwendigen Mittel zur 55, ist seit 2018 unterstützen. Diese unternehmen wir, dung, eine Verzögerung beim Übergang zu einer der Krise hervorgehen.
unterschätzt. Wir waren äußerst vorsichtig und haben Verfügung gestellt, um – und das sage ich Regierungschef um die Liquidität unserer Unternehmen nachhaltigen Wirtschaft, seien es Immobilienbla- Vergessen wir nicht, dass wir nach Überwinden
sofort Schutzmaßnahmen ergriffen, die maßvoll und ohne Rhetorik – mithilfe von ehrenamt- zu sichern und um vorübergehend ar- sen, unfaire Steuerregelungen oder eine größere der Krise mit einem komplexen geopolitischen Bild
verhältnismäßig immer weiter verschärft wurden. Ab lichen Organisationen das Überleben von beitslose Menschen, um ihr Überleben Belastung durch den Klimawandel. konfrontiert sein werden, dessen gewaltige Probleme
dem 22. Januar, lange bevor die WHO die Corona- Zehntausenden zu sichern. kämpfende Familien und die Schwachen in unserer Gleichzeitig darf kein Land diese Krise aus- wir bereits in den letzten Jahren erlebt haben: Krise
Epidemie zu einer »gesundheitlichen Notlage von Covid-19 ist eine schreckliche Pandemie, die alle Bevölkerung zu unterstützen. nutzen, um Lasten aus der Vergangenheit auf die des Multilateralismus, ökonomische Spannungen,
internationaler Tragweite« erklärte, haben wir die europäischen Länder unausweichlich direkt oder Wir müssen dem gemeinsamen Markt einen Schultern anderer zu legen. Migrationsdruck, Terrorismus. Bei all diesen Proble-
ersten Vorkehrungen getroffen. Die Maßnahmen indirekt trifft. Schauen wir auf unseren Kontinent tieferen Sinn geben, wir müssen Mauern einrei- Dies ist sicherlich nicht die Absicht meiner Re- men werden wir entweder als Europa unsere Stimme
wurden noch restriktiver, als die Auswirkungen des – und wir wissen, dass er nicht allein davon betroffen ßen, nicht bauen. gierung und derjenigen, die mit mir den Brief an den erheben oder gar nicht.
Virus mit größter Härte deutlich wurden. Am ist –, so ist klar, dass die Pandemie schlimme Aus- Ich glaube, dass es noch immer Missverständnisse EU-Ratspräsidenten ­Charles ­Michel unterzeichnet Daher stehen wir heute noch mehr vor einer poli­
8. März beschlossen wir besonders restriktive Maß- wirkungen auf den Binnenmarkt, auf unsere wirt- und Misstrauen gibt, die unseren Ländern eine ge- haben, in dem wir die Notwendigkeit einer solidari- tischen als vor einer wirtschaftlichen Herausforde-
nahmen für den reichsten Landesteil Italiens, die schaftliche Verflechtung haben kann und letztlich meinsame Lösung schwer machen. Die ist jedoch von schen und entschlossenen Reaktion der gesamten EU rung. Aber die Herausforderung wird diese Etappe
Lombardei mit ihrer wirtschaftlichen Spitzenstellung auf unser europäisches Projekt, das uns von der Nach- grundlegender Bedeutung für unsere U ­ nion: Wir vorschlagen. Wie ich bereits mehrfach gegenüber den Europas prägen, eine Etappe, die ich, ohne zu zögern,
und herausragenden Produktivität. Unmittelbar kriegszeit bis heute 75 Jahre Frieden, wirtschaftlichen müssen daran arbeiten, dieses Misstrauen zu über- anderen europäischen Staats- und Regierungschefs historisch nenne, vergleichbar mit dem Fall der Ber-
darauf mussten wir diese und noch strengere Maß- und sozialen Fortschritt gesichert hat. winden. Die europäischen Volkswirtschaften sind betont habe, möchte ich auch an dieser Stelle daran liner Mauer 1989 oder mit der Schaffung der Wäh­
nahmen auf das gesamte Land ausdehnen. Wir stehen keineswegs vor einer Neuauflage der stark integriert. Weit über die Hälfte der Exporte erinnern, dass Italien – im Gegensatz zu dem, was wir rungs­union 1999.
Obwohl das nationale Gesundheitssystem ins- Krise von vor zehn Jahren. Die jetzige Krise entsteht Italiens und Deutschlands gehen in den Europäischen nur allzu oft hören – in den Jahren nach der Staats- Die politische Klasse dieses Kontinents muss sich
gesamt effizient und gut aufgestellt ist, hatte es bald nicht durch finanzielle oder fiskalische Ungleich­ Binnenmarkt, der bilaterale Handel ist sehr umfang- schuldenkrise nicht nur einen schwierigen fiskali- bewusst sein, dass es um die Bewältigung einer his-
Schwierigkeiten, auf einen solchen Gesundheitsnot- gewichte, sie hat ihren Ursprung nicht in falschen reich. Beim Handelsaustausch zwischen unseren schen Anpassungsprozess mit systematischen primä- torischen Aufgabe geht, um nichts anderes. Wir
stand zu reagieren. Sofort begann der Wettlauf um politischen Entscheidungen. In Europa trifft sie uns Ländern wird das Ausmaß der wirtschaftlichen Ver- ren Haushaltsüberschüssen zwischen 2010 und 2019 können die heutige Herausforderung nicht mit der
den Nachschub der notwendigsten medizinischen alle gleichzeitig mit der Wucht einer Naturkatastro- flechtung unterschätzt. Globale Wertschöpfungs- durchlaufen hat, sondern auch die krisengeschüttel- Brille der Vergangenheit angehen. Wir dürfen auch
Ausrüstungsgüter (vor allem Schutzmasken, Ein- phe. Wir sind von einem Tsunami überrollt worden, ketten verbinden unsere Industrien eng mit­ein­an­der, ten europäischen Partner sowohl bilateral als auch nicht glauben, dass alte, für ganz andere Situationen
wegkittel und Beatmungsgeräte). Gleichzeitig befass- während wir noch mit der Heilung der Wunden des auch in der Produktion, die auf Drittmärkte ausge- durch die Teilnahme an gemeinsamen Programmen konzipierte Instrumente die bürokratische Antwort
ten wir uns mit der Ausweitung der Produktionskapa- Finanzschocks von 2008/09 beschäftigt waren. richtet ist; die Wirtschaftszyklen Italiens und (EFSF, ESM) finanziell unterstützt hat. Dieser Weg auf diese epochale Wende sein können. Ich bin zu-
zitäten der wenigen italienischen Unternehmen, die Wie soll unsere Antwort lauten? Deutschlands sind dadurch stark synchronisiert. der umsichtigen Verwaltung unserer Finanzen wird tiefst davon überzeugt, dass Europa aufgrund seiner
diese Güter herstellen, und mit deren Beschaffung Kurzfristig müssen wir, müssen alle EU-Länder Schon das zeigt deutlich, wie unabdingbar eine ge- nach der Überwindung der gegenwärtigen Krise Geschichte, seiner Kultur und seiner Menschen das
auf einem internationalen Markt, der mittlerweile schnell, entschlossen und koordiniert handeln, um meinsame Lösung ist. Wenn hingegen ein EU-Mit- gemäß den gemeinsam festgelegten Regeln fortge- Zeug dazu hat, diese dramatische Situation zu über-
verzerrt und von einigen wenigen skrupellosen Zwi- Menschenleben zu retten sowie unsere hart getrof- gliedsstaat zurückbleibt, weil eine angemessene und setzt werden. winden. Die politische Führung Europas wird in den
schenhändlern durchdrungen war. fenen Volkswirtschaften und unsere Arbeitnehmer solidarische europäische Reaktion ausbleibt, so wird Es wäre ungerecht, unseren Weg der Konsoli- kommenden Jahren daran gemessen werden, wie gut
Wir haben von vielen Ländern Unterstützung zu schützen. Jede Alltagshandlung eines jeden un- uns das alle schwächen. Alle europäischen Staaten dierung durch die Last einer für uns besonders sie in der Lage war, sich koordiniert, rechtzeitig und
erhalten. Deutschland zählt zu den Ländern, die serer europäischen Bürger, jede schwierige poli­ müssen jetzt ihren Beitrag leisten, ohne Ausnahme. schwierigen Naturkatastrophe noch schwerer zu mutig zu bewegen.
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 POLITIK 3
TITELTH EM A : WI E SCHÜTZEN WIR D I E S C H W A C H E N ?

Foto: Antonio Calanni/AP/dpa


Eine Krankenschwester am Ende ihrer Schicht, porträtiert vom Fotografen Antonio Calanni im italienischen Bergamo am 27. März

Plötzlich Elite
In der Krise offenbart sich: Systemrelevant sind die Unterbezahlten. Wie das Virus die soziale Frage neu aufwirft  VON ROBERT PAUSCH , ELISABETH R AETHER UND BERND ULRICH

K
ein Mensch kann mit der gan­ auffüllern auch mal gekündigt wird, wenn sie auf Wer schützt die Schwachen? Die Antwort lau­ Krankenhaus, Äpfelchen für Kita-Kinder schneiden, ihrer Situation als Einwanderer dazu gezwungen.
zen Wahrheit über sich selbst die Idee kommen, einen Betriebsrat zu gründen – tet im Wesentlichen: die Schwachen. den Alten die Füße waschen – was soll daran beson­ Viele steigen entkräftet lange vor der Rente aus. Auch
leben, wahrscheinlich nicht ein­ sind es 250 Euro. Und der Discounter Kaufland ders sein? Bricht nicht gerade eine Pandemie aus,­ die gegenwärtige Bundesregierung hat nicht vor, den
mal mit der halben. Noch weni­ wirbt mit »Sonderzahlungen für Superhelden«. Ausbeutung der Frauen – durch Frauen erscheint es als selbstverständlich, dass diese Dinge Pflegeberuf dramatisch aufzuwerten, sondern sucht
ger kann es eine Gesellschaft, Milde Gaben, immerhin steuerfrei. erledigt sind. So wie die Sonne morgens auf- und nach Ersatz im nahen und vor allem fernen Ausland,
stets müssen Teile der Wirklich­ Der Katastrophenfall, das kann man nun häufig Diejenigen, die in dieser durch ein Virus kenntlich abends wieder untergeht. Zumal viele der Tätigkeiten wo diese Kräfte dann wiederum fehlen werden, denn
keit abgedunkelt, weich gezeich­ hören, sei nicht der richtige Zeitpunkt für Vertei­ werdenden Gesellschaft systemrelevant, schlecht denen ähneln, die Frauen zu Hause auch unbezahlt auch dort wütet die Pandemie. Man gebe den Mi­
net werden, damit die öffentliche Debatte nicht lungsdebatten. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, bezahlt und besonders gesundheitsgefährdet sind, und scheinbar nebenbei erledigen: putzen, kochen, grantinnen doch eine Chance, sagen die einen. Aber
explodiert und die letzte Adresse für Klagen und wenn nicht jetzt, da die Krise den existenziellen Cha­ haben mit hoher Wahrscheinlichkeit noch eine waschen, spülen, kümmern, sorgen, pflegen. es ließe sich auch ganz anders formulieren: Man
Defizite nicht überstrapaziert wird, also die Politik. rakter der Ungleichheit für alle erkennbar offenlegt? weitere Eigenschaft: Es sind ganz überwiegend Allerdings muss man einschränkend sagen: nur macht die grundlegende Versorgung der eigenen
Katastrophen jedoch treiben Wahrheiten her­ Der Status quo jedenfalls stützt sich in diesen Tagen Frauen. bestimmte Frauen. Den anderen drängt sich jetzt Bevölkerung von der Dysfunktionalität bestimmter
vor, die sich dann nicht mehr so leicht moderieren auf Applaus plus Warengutscheine. In den vergangenen Jahren konnte der Eindruck vielleicht, da die Kinder den ganzen Tag zu Hause Länder abhängig und von der Verzweiflung ihrer
lassen. Insofern bringt Corona auch eine mentale entstehen, die öffentliche Auseinandersetzung über sind und die Putzfrauen, Babysitter und 24-Stun­ Einwohnerinnen. Sozial nachhaltig ist die Strategie
Erschütterung mit sich, eine intellektuelle, eine Das Virus ist doch wählerisch Frauen und Männer und die Gerechtigkeit zwischen den-Altenpflegerinnen nicht mehr kommen, ein nicht. Der Verband für häusliche Betreuung und
emotionale. Zu viel Wirklichkeit in zu wenig Zeit. ihnen sei ohne Relevanz in der Wirklichkeit, eine Art höchst unangenehmer Gedanke auf: Beruht meine Pflege warnt jetzt, dass 100.000 bis 200.000 Men­
Plötzlich werden gut behütete Skandale gewisser­ »Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch«, hat Debattierclub: Wer hat die schärfere Zunge? Wer relative Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt schen schrittweise nicht mehr versorgt werden kön­
maßen fällig, hervorgebracht durch neue Begriffe. der Soziologe Ulrich Beck einmal über die Wir­ kann dem anderen ein Argument im Mund verdre­ eigentlich darauf, dass ich andere Frauen ausbeute? nen, allein bleiben oder in die ohnehin überfüllten
Zum Beispiel »systemrelevant«. Virologen und kung von Naturkatastrophen geschrieben. Ist Sars- hen? Die FAZ nannte Feministinnen zum Beispiel Viele bleiben nämlich jetzt auf einem Haufen Kliniken gebracht werden müssen, weil nach den
Ärzte, auf die jetzt die Öffentlichkeit starrt, passen CoV-2 also am Ende ein Gleichmacher, Sozialis­ rhetorisch durchaus kunstvoll »Opferentrepreneure«, Care-Arbeit sitzen und merken, dass die Mühen des Grenzschließungen die Pflegerinnen zurück in ihre
noch ganz gut zu dem Bild, das man sich schon in mus durch Tröpfcheninfektion? Oder ist es viel­ denen durch die abnehmende Ungleichbehandlung häuslichen Alltags gar nicht zwischen den Geschlech­ Heimatländer wollen. Globale Care-Ketten zerreißen
der vorcoronaischen Gesellschaft von den Wichti­ mehr umgekehrt, wird das Biologische durch das die Geschäftsgrundlage entzogen werde. Es werde ja tern aufgeteilt ist. Sie wird einfach von bessergestell­ dann, wenn es darauf ankommt.
gen, den Leistungsträgern machte. Aber Pflegerin­ Soziale überformt? Wählt das Virus doch aus? immer schwieriger, Diskriminierungen auszumachen. ten Frauen an weniger glückliche Frauen weiter­
nen, Verkäuferinnen, Paketboten, Polizisten,­ Einen ungewohnten Begriff musste die Öffent­ Vielleicht ist es unfair, einen einzelnen Artikel gereicht. Sich aus dem Patriarchat herauskaufen, Systemrelevante gegen Systemvirtuose
Erzieherinnen, Lastwagenfahrer? Sieh an: Die Elite lichkeit nun lernen: Vorerkrankung. Ein nüchter­ aus der FAZ zu zitieren, denn die Vorstellung, dass nennt das die Autorin Jessa Crispin.
sitzt also unten. nes Wort, um die nicht altersbedingte Risikogrup­ man Benachteiligungen mit der Lupe suchen müss­ Verwerflich ist das vielleicht nicht unbedingt, Die Kluft zwischen Gleichheit vor dem Gesetz
Das sind also die, auf die es ankommt, wenn pe zu beschreiben. Dazu einige Befunde aus jünge­ te, ist weit verbreitet, unabhängig von Milieu und Männer lassen sich schließlich erst recht bedienen. und Ungleichheit in der Wirklichkeit füllte bis­
es ernst wird. Gewöhnlich finden sie aber nur­ ren Studien des Robert Koch-Instituts: politischer Einstellung. Das Patriarchat ist zu einer Aber man kann es auch nicht Feminismus nennen, lang das unschuldige Wort Leistung. Dass es ein
Beachtung, wenn sie streiken oder – das wirksa­ Ein mittelalter Mann mit niedriger Berufsqua­ Legende geworden, viel hat man davon gehört, wenn Frauen insgeheim darauf setzen, dass andere gerechtes Unten und Oben gibt, wurde mit »Leis­
mere Mittel – AfD wählen. Sie sind zugleich lifikation hat ein achtmal höheres Risiko, auf­ manches vielleicht gelesen, aber lange her, weit weg. Frauen schlecht bezahlt werden und in unsicheren tungsunterschieden« begründet. Doch wenn das
auch die, deren Arbeit für sie selbst besonders grund einer Herz-Kreislauf-Erkrankung frühver­ Jetzt erst fällt es auf: Der Frauenanteil in system­ Verhältnissen ohne Aufstiegsmöglichkeiten arbeiten. Land noch länger Mut, Disziplin und Selbstlosig­
gesundheitsgefährdend ist und besonders schlecht rentet zu werden, als ein hoch qualifizierter Mann relevanten Berufen liegt bei 75 Prozent. Noch höher Würde Care-Arbeit angemessen entlohnt, hätten die keit an den Supermarktkassen und in Polizeiautos
bezahlt wird. im selben Alter. ist er in systemrelevanten Berufen, die wenig angese­ Männer bald wieder deutlich weniger Konkurrenz in lobt, lässt sich bald nur noch schwer behaupten,
Frauen aus dem unteren Drittel der Gesell­ hen sind und in denen niedrige Löhne gezahlt werden. den Büros. Nun kann man besichtigen, was vorher dass ein geringer Lohn das gerechte Produkt­
Große Gesten, kleines Geld schaft haben ein rund dreimal höheres Risiko, an Krankenpflegerinnen, Hilfen in Arztpraxen, Reini­ eine Ahnung war: Der Frieden zwischen den­ geringer Leistung sei.
einer chronischen Bronchitis zu leiden, als Frauen gungskräfte (das sind die, die nun dreimal am Tag Geschlechtern ist prekär. Was gestern noch halbwegs logisch klang, wirkt
Die Wichtigsten kriegen also am wenigsten? Wie aus dem oberen Drittel. durch die Büros laufen und alles desinfizieren), Ver­ heute ungewollt zynisch. Leistung muss sich wieder
kann das sein? Schnell soll die Sache mit Gesten 13 Prozent der Menschen mit niedrigem Ein­ käuferinnen in Supermärkten und Drogerien – laut Nie war Ungerechtigkeit ineffizienter lohnen? Jaja, aber doch bitte nicht so und nicht jetzt.
und ein wenig Geld wieder zum Verschwinden ge­ kommen bewerten ihre eigene Gesundheit als der sogenannten Magnitude-Prestigeskala, basierend Etwas war zwischen den Systemrelevanten und den
bracht werden. In den Stuckdeckenvierteln der »sehr schlecht oder schlecht«. Bei hohen Einkom­ auf repräsentativen Befragungen durch das Deutsche Und Effizienz und Gerechtigkeit scheinen doch Systemvirtuosen, zwischen den Wohlhabenden und
Republik tritt man allabendlich aus dem Home­ men liegt dieser Wert bei zwei Prozent. Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), liegt das enger, ja fundamentaler zusammenzuhängen als ge­ dem gehobenen Mittelstand einerseits und dem Heer
office, um jenen zu applaudieren, die den Laden, Ein Busfahrer muss sich im Jahr siebenmal häu­ Ansehen dieser Berufe unter dem Durchschnitt. dacht. Die Lieferketten – auch die medizinischen – ihrer schlecht bezahlten Dienstleister andererseits
wie man jetzt sagt, am Laufen halten. Die den Müll figer krankschreiben lassen als ein Professor, eine Berufsgruppen dagegen, die als Männerberufe global zu organisieren, um die Produkte billig zu schon länger aus der Balance geraten.
abholen, die Kranken pflegen, die Kinder der Ärz­ Altenpflegerin viermal häufiger als eine Ärztin. klassifiziert werden (das heißt, in denen weniger machen und die Profite groß, das scheint ja nun gi­ Welche Gesellschaft aber kann es sich leisten, dass
tinnen und Ärzte hüten. Nun ist Gratissolidarität Männer mit geringem Einkommen sterben im als 30 Prozent Frauen arbeiten), machen nur einen gantische Kosten nach sich zu ziehen, von den Men­ alle angemessen entlohnt werden? Wer muss ver­
erst einmal besser als keine Solidarität. Aber nach Schnitt 8,6 Jahre früher als Gutverdiener. kleinen Teil der systemrelevanten Jobs aus. Und sie schenleben ganz zu schweigen. Nach Berechnungen zichten, wenn andere mehr verdienen? Mit ein biss­
wie vielen Tagen Ausnahmezustand klingt der Bei­ Die Chance, die Pandemie zu überleben, steigt genießen durchaus Ansehen, das gilt für IT-Berufe des Ifo-Instituts kostet das derzeitige Herunterfahren chen Beitragserhöhung etwa im Gesundheitssystem
fall nicht mehr freundlich, sondern höhnisch? Was mit dem Einkommen. Wer dagegen weniger wohl­ ebenso wie für die Beschäftigten der Luftfahrt. der Wirtschaft die Deutschen 31 Milliarden Euro. wird es ja wahrscheinlich nicht getan sein. Eher
genau rechtfertigt, dass ich selbst das Vielfache des habend ist (also tendenziell systemrelevant), zählt Ohne Übertreibung kann man wahrscheinlich er­ Jede Woche. Was bedeutet, dass schon nach drei schon steht der ganze Kreislauf infrage: die systemi­
Gehalts derer verdiene, die ich beklatsche? Die mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Covid-19- gänzen, dass Männer es vermögen, den Krisen in Monaten Corona-Shutdown das gesamte Jahres­ sche Ausbeutung in unseliger Kom­bi­na­tion mit
Rechnung »fünf Jahre Studium gleich fünffacher Risikogruppe. Das Virus ist nicht egalitär, es ist ihren typischen Berufen Gehör zu verschaffen, ob budget für Gesundheit noch einmal verbraucht ist. Selbstausbeutung, die für andere die Gewinne in die
Verdienst, und das ein ganzes Leben lang« scheint selektiv: Es trifft Supermarktkassiererinnen mit systemrelevant oder nicht: Kohlekumpel, Ange­ War irgendetwas in der Geschichte der Mensch­ Höhe treibt. Die verborgenen Kosten der Privatisie­
an irgendeiner Stelle nicht mehr plausibel zu sein. einer höheren Wahrscheinlichkeit als Software- stellte in der Automobil- und Zuliefererindustrie, heit schon mal so teuer wie die heute fehlende Pfle­ rung treten nun in Gestalt von überlasteten Mitarbei­
Was an den Verhältnissen ist gerecht und was nur Entwickler, Hauptschüler eher als Abiturienten. Geld verarbeitendes Gewerbe. gerin für das Bett auf einer Intensivstation, derent­ tern und unterversorgten Patienten zutage. Kann
Gewohnheit? Schnell kann man auf seinem Balkon Die Gegensätze liegen in diesen Tagen offen. Die Offenbar gibt es eine Korrelation zwischen wegen nun ganze Volkswirtschaften drastisch herun­ sich diese Gesellschaft Profite im Gesundheitswesen
ins Grübeln kommen. soziale Frage der sozialen Distanzierung lautet: Ist Frau und schlecht bezahlt, nicht anerkannt, nicht tergebremst werden müssen? So rächt sich – und zwar noch leisten?
Die Supermarktketten, deren Umsätze in die­ das eigene Zuhause ein Ort von Privatheit, eine gesehen, unentbehrlich. Ist das vielleicht dieses­ ökonomisch –, dass die Löhne in der Pflege so nied­ Es scheint so, als könne sie, wenn diese Krise­
sen Tagen zwar nicht exponentiell, aber beträcht­ Rückzugsmöglichkeit, oder im Gegenteil gefährlich Patriarchat? rig sind und dass es infolgedessen auch nicht genug irgendwann vorbei ist, jedenfalls nicht einfach zu
lich wachsen, versuchen die neuen Fragen in und deprimierend? Distanz war seit je ein Privileg Paradoxerweise liegt gerade in der Unverzichtbar­ Menschen gibt, die sich das in Kombination mit einer Normalität zurückkehren, die zu diesem Aus­
Wohltätigkeit zu wattieren. Real hat seinen Mit­ des Bürgertums. In Ruhe gelassen werden, sich­ keit ein Grund für die geringe Anerkennung. Die immenser Arbeitsbelastung antun wollen. nahmezustand beigetragen hat.
arbeitern versprochen, dass sie an Ostern für 100 besinnen, zu sich kommen – man muss es sich Arbeit, die Frauen leisten, ist so grundlegend, dass Diejenigen, die den Job trotzdem machen, haben
Euro einkaufen können, bei Lidl – wo sonst Regal­ leisten können. man sie nicht wahrnimmt. Die Böden wischen im ein zu großes Herz, oder sie sehen sich aufgrund AA www.zeit.de/audi
4 POLITIK 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Gegen den
»Rausch des
Ausnahmezustands«
Im nordrhein-westfälischen Heinsberg,
wo alles begann, sucht
Ministerpräsident Armin Laschet
nach Wegen aus dem Stillstand

M
an kann seinen Gesichtsausdruck
hinter der Atemmaske nicht richtig
sehen. An diesem Montagmittag
weiht Armin Laschet ein »virtuelles
Krankenhaus« für die intensivmedizinische Be-
handlung von Corona-Patienten in seiner Heimat-
stadt Aachen ein. Trotzdem wird klar: Für den
nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, po-
tenzieller Kanzlerkandidat der CDU, ist der Kampf
gegen die Pandemie längst mehr als eine medizi-
nische Notlage. »Wir als Politiker sind gut beraten,
jetzt nicht dem Rausch des Ausnahmezustands
und der Tatkraft zu verfallen«, findet Laschet, ohne
Namen zu nennen, und greift nach dem ganz gro-
ßen Besteck: Gerade noch habe man 70 Jahre
Grundgesetz gefeiert, nun sei man dabei, die wich-
tigsten Freiheiten fundamental zu beschneiden.
Über die Frage, wie man da wieder herauskomme,
müsse es doch »ein öffentliches Gespräch geben«.
Da liegt die Telefonschalte mit der Parteispitze, auf

Virengrüße
der bekräftigt worden war, bis zum 20. April alle
Debatten über »Exit-Szenarien« einzustellen, gerade
vier Stunden hinter ihm.
Die Covid-19-Eindämmung als Demokratie-
projekt – für diese ehrgeizige Idee hat Armin La-
schet 50 Kilometer vor seiner Aachener Haustür
jetzt sein eigenes Labor: Es ist die Stadt Heins-
berg, 250.000 Einwohner und mit 1220 Erkrank-

aus Moskau
ten und 31 Toten (Stand Samstag) so etwas wie
der »Ground Zero« des Corona-Virus in Deutsch-
land. Hier hatte, mit der »Kappensitzung« in der
Bürgerhalle am Abend des 15. Februar, alles ange-
fangen. Es war zum Tanz eines Männer-Balletts
im Kreis von 300 Feiernden gekommen, bei dem
»Patient Null« ahnungslos vergnügt das Virus wei-
tergegeben hatte. Seither erleben die Heinsberger,
Der russische Staat und deutsche Rechtsradikale nutzen die ausweislich ihrer Facebook-Nachrichten (Recher-
chen vor Ort verbieten sich derzeit noch), nicht
Corona-Krise, um im Internet Desinformation zu verbreiten. nur Solidarität von ihren Landsleuten. »Heinsberg
Haben sie eine Chance?  VON CHRISTIAN FUCHS, – Partnerstadt von Wuhan«, hat jemand unter ein
Foto des Ortsschilds montiert. Die Heinsberger
LUISA HOMMERICH UND PAUL MIDDELHOFF werden als »Corona-Schleudern« bezeichnet, Au-
tos mit dem Kennzeichen »HS« werden zerkratzt
und die Reifen zerstochen.
Jetzt will Laschet aus dem Paria-Status von
Heinsberg mithilfe der Wissenschaft einen Tri-
umph machen – nicht nur für die Bekämpfung
des Virus, sondern auch für den Schutz der De-
mokratie in Zeiten des Gesundheitsnotstands. Seit
Montag befragt ein Team unter der Leitung von
Hendrik Streeck, Professor für Virologie an der
Universität Bonn, tausend willkürlich aus­gewählte
Probanden in Heinsberg. Zuvor hatte man dort
schon bei Infizierten im Schutzanzug geklingelt,
Blutproben und Rachenabstriche entnommen.
Ein bisschen Toilettenwasser wird in Röhrchen
gefüllt, Luft in Testballons gesaugt, die Türklin-

D
ken abgestrichen, die Oberfläche der Handys ab-
gewischt. »Heinsberg ist das Deutschland von
as Dokument zeich- Der EAD attestiert ihm einen Riesenerfolg in wahl 2016 hatten vom Kreml beauftragte In- sant. Allein in der vergangenen Woche gewann morgen«, sagt Streeck. »Der Landkreis ist der Re-
net das Bild einer den sozialen Netzwerken. Und das nicht ohne ternetaktivisten der russischen Trollfabrik In- dieser Kanal über 10.000 neue Abonnenten. publik immer zwei bis drei Wochen voraus.«
akribisch geplanten Grund: »Eine signifikante Desinformations- ternet Research Agency (IRA) mit Sitz in Mos- Diese Entwicklungen beschäftigen auch das Der 42-jährige Mediziner hat sich einen Na-
Operation: Offizielle kampagne russischer Staatsmedien und Pro- kau Millionen Tweets, Facebook-Kommentare Bundesinnenministerium und die deutschen men als HIV-Forscher gemacht. Er hat an der Uni
Nachrichten-Websites Kreml-Kanäle betreffend Covid-19 läuft«, und Blogposts abgesetzt, um so den Verlauf der Geheimdienste. »Das Coronavirus findet in Bonn die Nachfolge von Christian Drosten ange-
und falsche Online- schreiben die Experten des EAD. Sie sehen Wahl zu stören. Die IRA wurde daraufhin von der rechtsextremistischen Szene große Beach- treten, dem Charité-Virologen, der derzeit die
Accounts kapern Dis­ hinter alldem ein Kalkül: »Diese Bemühungen einem US-Gericht verklagt, Twitter löschte einen tung«, sagte Thomas Haldenwang, der Präsi- Bundesregierung berät. Streeck stellt die Frage, die
kussionen über das decken sich mit der umfassenderen Strategie Großteil der Fake-­Accounts. dent des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Laschet auch stellen will, ob es der Bundesregie-
Coronavirus im Netz. des Kremls, die darauf zielt, europäische­ Jedoch wurden offenbar nicht alle Trollprofile der ZEIT. Die Pandemie werde zum Anlass ge- rung gefällt oder nicht: Wie kommen wir da wie-
In mehreren Sprachen und auf unterschiedlichen Gesellschaften zu unterwandern, indem ihre gelöscht. Die ZEIT hat 41 Accounts aus dem Um- nommen, das Vertrauen in die Bundesregie- der raus? Welche Maßnahmen braucht man wirk-
Plattformen heißt es, Migranten hätten die­ Schwächen und internen Kon­flikt­li­nien ausge- feld der IRA ausgewertet. Sie sind seit Jahren aktiv, rung zu untergraben, »Verschwörungstheorien lich, und welche werden nur im »Rausch des Aus-
Seuche eingeschleppt. Anderswo wird behauptet, nutzt werden.« twitterten 2014 zur Krim-Krise, bewarben 2016 zu verbreiten und Migranten als Überträger nahmezustands« angeordnet?
die westlichen Regierungen ließen ihre Bürger Als Ende Februar die Fälle des Coronavirus den Brexit, schimpften im Vorfeld der letzten des Virus zu brandmarken. Gleichzeitig wer- In Heinsberg wurden beispielsweise sehr früh
im Stich. in Deutschland zunahmen, hatten Nutzer auf Europawahlen auf die EU. Jetzt geht es auf diesen den Untergangsszenarien entworfen, um Zu- Schulen und Kitas geschlossen. Bislang haben die
Neun Seiten umfasst der interne Bericht des Face­book und Whats­App ein­an­der noch weit- Accounts um das Coronavirus: Viele der Nach- stimmung zu radikalen und extremistischen Forscher noch keinen Beleg dafür gefunden, dass
Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) zur gehend harmlose Fake-­ News zugeschickt, richten lassen den liberalen Westen schlecht da- Positionen zu erzeugen.« das geholfen hat.
ausländischen Propaganda in der Corona-Krise. etwa, dass aufgeschnittene Zwiebeln das Virus stehen. Einige der Accounts loben das Krisenma- Noch reagieren die deutschen Sicherheits- Laschet sei ihm dankbar dafür gewesen, dass
Eines der enthaltenen Diagramme zeigt, wie seit aus der Luft filtern. Aber die Informations- nagement von US-Präsident Trump, einer teilt das behörden auf die Störversuche aus Russland Streeck eine Klärung verlangt: »Wohin genau
ANZEIGE kampagnen der Bundesregierung greifen mitt- Video eines italienischen Mannes, der eine EU- mit Gelassenheit. Die Einschaltquoten und wollen wir mit den Maßnahmen? Wollen wir
lerweile, derart simple Falschmeldungen ver- Flagge anzündet. Die Tweets sind mal scharf, mal Klickzahlen der vergangenen Wochen seien ein eine Eindämmung?« Die Bundesregierung han-
fangen nicht mehr so leicht. Seit einigen Wo- hetzerisch, mal neutral formuliert, aber oft weisen Beleg dafür, dass sich die Deutschen in der Kri- dele gut und situativ, aber »wir müssen einen
LESEN SIE IN UNSERER chen jedoch verändert sich die Kommunikati- sie in eine Richtung: Europa packt es nicht, die se überwiegend den klassischen Medien zu- Kompass entwickeln.« Für Streeck bietet Heins-
on im Netz, eine neue Form der Desinformati- Regierungen schützen die Menschen nicht. wandten, lautet ihre Interpretation. Tatsächlich berg eine so perfekte Forschungssituation, dass er
AKTUELLEN AUSGABE: on tritt auf. Es kursieren Meldungen, die da- »Einer der Gründe, warum der kriminelle sahen 9,9 Millionen Menschen am 15. März nicht versteht, warum das der Bundesregierung
rauf zielen, den ge­sell­schaft­lichen Zusammen- tiefe Staat in einem Wahljahr den #Covid19 die Tagesschau, so viele Zuschauer hatte die unterstellte Robert Koch-Institut (RKI) nicht
halt aufzuweichen und das Vertrauen in die Nachrichtensendung seit der Fußball-WM längst vor Ort ist. »Da wär ich doch vor einem
Die Corona- öffentlichen Institutionen zu zerrütten. Sie
biologischen Terror auf uns losgelassen hat: um
unsicherere Wahlmethoden einzuführen«, teilt 2018 nicht mehr. Der tägliche NDR-Podcast Monat schon mit einem Team angerückt!« Auch
werden von russischen Staatsmedien verbreitet ein Nutzer, der sich als Trump-Fan ausgibt. Ein mit dem Virologen Christian Drosten bringt es Streeck hat inzwischen einen Podcast wie der
Exitstrategie oder in rechtsextremen Chatgruppen gepostet.
Andre Wolf, der mit seinem Verein Mimikama
anderer Account mit fast 25.000 Followern und
einem Soldaten als Profilbild beschäftigt sich
bislang auf 15 Millionen Aufrufe. Die Sicher-
heitsbehörden nehmen daher an, dass die
nun allseits bekannte Christian Drosten.
Für Laschet, dessen Landesregierung mit dem
Internetmissbrauch erforscht und derzeit so- mit Angela Merkel: »Sie hat jetzt Angst ein Kil- Deutschen derzeit wenig anfällig für ausländi- Hashtag #NRWkanndas für sich wirbt, ist das der
der Wirtschaft wohl die österreichische als auch die deutsche lervirus zu haben«, schrieb er vergangene Wo- sche Propaganda sind. Beginn eines Demokratieprojekts, in dem eben
Regierung berät, spricht von »staatszersetzen- che, »nachdem sie versucht hat, Europa zu tö- Sorgen macht ihnen eher das Vorgehen des »mehr erklärt wird, als das früher oft der Fall war«.
den Mythen«. ten, indem sie die Grenzen für Millionen Men- Kremls in Italien. Dass dort vergangene Woche Die CDU unter Angela Merkel, unter der das
AB FREITAG IM HANDEL Die Pandemie, so scheint es, eröffnet das schen aufgemacht hat.« Die Tweets sind ein russische Hilfskonvois, geschmückt mit der manchmal wohl nicht so der Fall war, erfreut sich
nächste Kapitel im globalen Informationskrieg. weiteres Indiz dafür, dass der russische Staat die weiß-blau-roten Landesfahne, medizinische Aus­ derzeit kräftig anziehender Umfragewerte. Starke
Der in einem scharfen Ton verfasste Bericht Pandemie für seine politischen Zwecke nutzt. rüstung und Personal lieferten, werten die Exekutive, ein lautes, selbstbewusstes Wir sowie
des EAD kann auch als Si­gnal an Russland ver- Auch das aus Deutschland stammende An- Dienste als Teil einer »hybriden Konfliktfüh- ein Appell an Gemeinsinn und Eigenverantwor-
standen werden. Die EU will damit zeigen, gebot politischer Agitation nimmt zu. Im »Dark rung«. Denn ohnehin kritisierten viele Italiener tung – es wirkt, als wisse die Partei seit Langem
dass sie genau hinschaut, wie sich Moskau in Social«, den geschlossenen Chatgruppen auf angesichts der verheerenden Lage, dass die EU einmal wieder, wer sie ist. Ob die Bürger in dieser
der Krise verhält. Messenger-Diensten wie Whats­App oder Tele- ihr Land im Stich lasse. Eine solche russische Lage allerdings eine Regierung wollen, die jeden
Illustration: Doreen Borsutzki für DIE ZEIT

Aber nicht nur Brüssel warnt vor russischer gram, verbreiten Rechtsradikale zunehmend PR-Aktion vertiefe diesen Eindruck und zerstöre neuen Schritt breit zur Diskussion stellt, ist eine
Einflussnahme. Auch das US-Außenministeri- ihre Thesen zum Virus und zu dessen Ausbrei- das Vertrauen in die europäischen Nachbar­ offene Frage. Laschet selbst fing sich am Montag
um erklärte Anfang März, Moskau nutze tung. Über 250 solcher Telegram-Kanäle gibt es staaten, heißt es in Sicherheitskreisen. jedenfalls erst mal eine höhnische Twitter-Dusche
»Schwärme von falschen Online-Identitäten«, derzeit in Deutschland, einige von ihnen haben Die russischen Staatsmedien flankieren die ein, weil er bei der Einweihung des virtuellen
Anfang des Jahres immer mehr Menschen im­ um in der Corona-Krise die Stimmung im Netz neutrale Namen wie »Coronavirus-Ticker«, ver- Hilfsaktion im Netz. Auf der deutschsprachigen Krankenhauses vergessen hatte, seine Nase unter
Internet nach Informationen über das Virus su- zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Dazu werde breiten jedoch Falschinformationen aus der Seite von Russia Today erschien am Montag ein den Mundschutz zu stecken. Den Spott parierte er
chen: eine Kurve, die Ende Februar steil ansteigt. das »gesamte Ökosystem russischer Desinfor- »Reichsbürger«-Bewegung und der amerikani- Text, der die mangelnde Solidarität innerhalb flugs mit einem Gebrauchsanweisungs-Video.
Der Bericht, datiert auf Mitte März, zeigt auch, mation« eingesetzt. Washington hat mit diesem schen Q-Anon-Strömung, auf die sich auch der Europas kritisierte. Deshalb eilten nun »China, NRW kann das.  MARIAM L AU
welche Medien davon profitieren: Russia Today System schon einmal schmerzhafte Erfahrun- Attentäter von Halle bei seiner Tat bezog. Vor Russland und Kuba« der notleidenden Regierung
etwa, der staatliche Auslandssender Russlands. gen gemacht. Im Vorfeld der Präsidentschafts- allem der Channel »Qlobal-Change« wächst ra- in Rom zu Hilfe. AA www.zeit.de/audi
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 POLITIK 5

Torten der Wahrheit


VON K ATJA BERLIN

Was Corona auf einmal möglich


gemacht hat

Innenminister
Horst Seehofer
beim »social
distancing«
während einer
Kabinettssitzung
Foto: Fabrizio Bensch/Reuters/Pool/dpa

Bargeldlos zahlen

Homeoffice

Leuten problemlos den Handschlag verweigern

Dafür gelobt werden, dass man auch bei


Sonnenschein den ganzen Tag Computer spielt

Nah am Herzen
Randgruppen, die nach Corona auf noch
mehr Unverständnis stoßen werden

In der Corona-Krise gibt Horst Seehofer das Tempo vor – auch weil er schon einmal gegen ein Virus gekämpft hat 
VON MARC BROST

D
ieser Mann ist so etwas wie der See- gelockert hat, das öffentliche Leben dann aber Partei wiegt der Schutz der Alten für sie beson- man die Beschränkungen bis zum 20. April auf-
lendeuter der Deutschen: Heinz wegen steigender Fallzahlen ein zweites Mal herun- ders schwer. Gleichzeitig spürt gerade die CDU rechterhalten. Es ist aber auch zu hören, dass das
Bude schrieb Bücher über Angst terfahren muss. »Wenn wir die Einschränkungen den enormen Druck aus der Wirtschaft, die Land erst zum 1. Mai wieder schrittweise in die
und Solidarität, als die meisten aufheben, müssen wir sicher sein können, dass wir strengen Corona-Regeln so früh wie möglich Normalität zurückkehren könnte. Dann wäre Prepper
Bürger noch ziemlich sorglos auf das auch durchhalten. Eine erneute Kehrtwende zu lockern. der Tag der Arbeit in diesem Jahr so etwas wie
die nächsten Jahre schauten. Bude ist Soziologe, wäre für die Wirtschaft fatal und würde das Ver- In der Telefonschalte des CDU-Präsidiums der Tag der Rückkehr zur Arbeit. Impfgegner
thesenstark, sendungsbewusst. Aber eben auch trauen in die Politik beschädigen«, sagt Christoph am Montag ging es Teilnehmern zufolge sehr
Homeschooler
einer, der sich auf Neues einlässt und nicht darauf Schmidt. Deshalb sei es so wichtig, dass die Epi- lange um ein mögliches Datum. Offiziell will Mitarbeit: Mark Schieritz
beharrt, aus den Erfahrungen der Vergangenheit demie wirklich unter Kontrolle sei und in den
alles über die Zukunft zu wissen. Krankenhäusern genug Betten und Personal für die ANZEIGE
Am 19. März bekommt dieser Mann einen An- Versorgung zur Verfügung stünden.
ruf aus dem Innenministerium, von Staatssekretär Parvo Virus B19 – das ist eine Antwort auf
Markus Kerber. Ob er Zeit habe, sich an einer Ex- die Frage, warum ausgerechnet das Innenminis-
pertengruppe zur Corona-Krise zu beteiligen? Bude terium derzeit so aktiv ist. Dieses Virus hätte
sagt zu. Horst Seehofer 2002 fast getötet. Herzmuskel-
Man muss sich Markus Kerber als die politische entzündung, Herzpumpleistung unter zehn Pro-
Ausgabe des Soziologen Bude vorstellen – mei- zent. Die erstbehandelnden Ärzte hatten den
nungsstark, umtriebig, vor allem aber: ähnlich Minister schon auf die Transplantationsliste ge-
neugierig. Kerber hat 2005 für den damaligen setzt. Es hat sein Leben verändert, das erzählt er
CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble die Islam- im kleinen Kreis immer wieder. Seehofer weiß,
konferenz organisiert. Er war Schäubles Abteilungs- wie bedrohlich Viren sein können. Er drang früh

DANKE
leiter im Finanzministerium während der Finanz- auf Grenzkontrollen, um das Eindringen von
krise. Seit März 2018 ist er als Seehofers Staatssekre- Corona nach Deutschland zu unterbinden. Und
tär für Heimat zuständig. Und das bedeutet in er forderte als erster Politiker eine Absage der
diesen Tagen vor allem: dem Land eine Antwort Tourismusbörse ITB.
darauf zu geben, wie es die Corona-Krise bewälti- Markus Kerber, sein Staatssekretär, kann all das
gen kann. gut nachvollziehen. Kurz vor Weihnachten 2006
Wie sagen wir es den Leuten? Das ist die große lag er in der Berliner Virchow-Klinik. Ebenfalls
Frage, die im Augenblick alle Regierungsmitglieder Herzmuskelentzündung. Beide, Seehofer wie Ker-
in Berlin umtreibt. Wie können wir ihnen Hoff- ber, wissen, dass die Krankheit ausgeheilt sein mag,
nung machen, während sich das Virus immer noch aber bleibende Spuren hinterlässt. Dazu gehört die
ausbreitet? Jeder merkt es ja an sich selbst: Nach fast Angst vor einer neuen Entzündung, die mit jeder
zwei Wochen Ausgangsbeschränkung sind viele kleinen Erkältung kommt. Ganz weg ist das Virus
Deutsche isolationsmüde, sie wollen wieder raus, nämlich nie. Es lauert.
wollen ihr altes Leben zurück. Und es ist nur allzu Blickt man in diesen Tagen auf die deutsche
verständlich, dass diese Menschen ein Licht am Krisenpolitik, dann sieht man zwei Geschwindig-
Horizont sehen wollen – und sei es auch nur in keiten. Da ist das sogenannte Corona-Kabinett mit

FÜR SO WENIG
Form eines technischen Begriffs wie »Exit-Szena- mehreren Ministern und Staatssekretären, in dem
rio«. Aber gleichzeitig steigt die Zahl der Infizierten es wie immer in großen Organisationen hierar-
im Land nahezu unvermindert an. Einen »Apollo- chisch und ein wenig langsamer vorangeht. Da sind
13-Moment« für die Regierung nennt das Markus auch die Zwänge des Föderalismus, die Rivalitäten
Kerber, in Anlehnung an die Beinahekatastrophe der Bundesländer, die vieles eher behindern. Um

KONTAKTE WIE
der Nasa-Raumfahrtmission 1970: Man hat ein den Ankauf der dringend notwendigen Schutz-
riesiges Problem – und muss gleichzeitig Zuversicht masken kümmert sich jedes Bundesland selbst,
ausstrahlen, es bald im Griff zu haben. anstatt gemeinsam die beste Versorgung zu organi-
Genau daran arbeitet das Expertenteam des sieren – zu einem günstigeren Preis. Aber gleich-
Innenministeriums. Vergangene Woche wurde ein zeitig arbeiten Teile der Regierung unbürokratischer

MÖGLICH.
Papier bekannt, das aus diesem Kreis kam: »Wie zusammen denn je. »Wenn wir Covid-19 besiegen
wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen«. Darin wollen, müssen wir schneller digitaler werden,
wird ein Wunschszenario (»Schnelle Kontrolle«) müssen wir Datenbanken aufbauen und vernetzen,
durchgespielt, in dem die Industrie nach sechs muss unser staatliches Handeln transparenter auf
Wochen Ausgangsbeschränkung und einem weite- Fakten und Empirie basieren«, heißt es in einer
ren Monat massiver Störungen durch geschlossene weiteren Studie des Expertenteams des Innenminis-
Grenzen langsam wieder hochgefahren werden teriums. Dieser Vorschlag – der Aufbau eines digi-
kann. Dazu aber müssten die Fallzahlen schon bis talen Pools, in den die Daten und Messungen aus
zum Ende der Osterferien deutlich sinken und die allen Krisenbereichen einfließen – wird jetzt kurz-
Testkapazitäten im Land »sehr schnell« ausgebaut fristig umgesetzt.
werden. Ende April, fordern die Experten, müssten Und doch funktioniert noch nicht alles. Eigent­
200.000 Tests täglich möglich sein. Im Augenblick lich hätte Ende dieser Woche die erste deutsche
sind es 300.000 pro Woche. Corona-App verfügbar sein sollen, mit der man per
In dem Papier steht noch mehr. So fordert die
Gruppe die staatliche Beteiligung an Unternehmen
Smart­phone Infektionswege und Infizierte zurück-
verfolgen kann. In Österreich hat das Rote Kreuz JETZT ZÄHLT DAS WIR.
durch einen Staatsfonds, ein größeres Engagement so eine App herausgebracht. Weil man die fertige
Deutschlands in der EU (»politische Schockwellen österreichische Variante nicht übernehmen, son-
kennen keine Grenzen«), aber auch eine entschlos- dern in nationalem Überehrgeiz lieber eine eigene
senere Krisenkommunikation seitens der Regie- deutsche herstellen will, dauert es hierzulande nun
rung, »um die gesellschaftlichen Durchhaltekräfte länger. Regierungsintern ist jetzt von Ende April
zu mobilisieren«. Das Motto, sagt Heinz Bude, die Rede. Manchmal versickern auch die besten
müsse jetzt sein: Wir sehen die Gefahr, aber ver- Ideen immer noch irgendwo zwischen den Mi-
lieren nicht den Stand. nisterien und dem Kanzleramt.
Mehr als ein Dutzend Frauen und Männer um- Wenn 2015 die Flüchtlingsfrage als »Rendez-
fasst die Gruppe, neben Bude unter anderem Chris- vous mit der Geschichte« (Wolfgang Schäuble) galt,
tian Schmidt, den früheren Chef der Wirtschafts- was ist 2020 dann erst Corona? Und wenn man
weisen, Michael Hüther vom Institut der deutschen damals erlebt hat, wie diese Flüchtlingsfrage die
Wirtschaft, den Präsidenten des Robert Koch-In- Gesellschaft entzweite – was wird dann in den kom-
stituts, Lothar Wieler, den Gesundheitsökonomen menden Wochen und Monaten passieren? Auch
Boris Augurzky vom RWI, die Wirtschaftsjuristin solche Fragen hört man in der Hauptstadt jetzt. Je
Denise Feldner und die Wissenschaftler Maximilian länger die Krise und die Beschränkungen andauern,
Mayer und Otto Kölbl, die beide zum chinesischen desto größer wird für den Einzelnen der Gegensatz
Gesundheitssystem geforscht haben. zwischen »noch mehr aushalten müssen« und »nicht Aktuelle Informationen unter www.bundesregierung.de/coronavirus
Eine Entwicklung fürchten die Regierungsbera- mehr länger aushalten können«.
ter noch mehr als einen langen Shutdown: ein Mittendrin in diesem Konflikt steht die Par-
Szenario, bei dem man die Beschränkungen­ tei der Kanzlerin, die CDU. Als christliche
6 POLITIK 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

M
New York als am 11. September, stoßen allerdings auch die besten
üde und verschwitzt streift Sigrid Katastrophenpläne an ihre Grenzen. Ohne weitere Hilfe
Wolfram die OP-Maske und das aus Washington werde es bereits am kommenden Wo-
Schutzvisier vom Kopf. Ihr Kampf chenende zu wenig Beatmungsmaschinen, zu wenig Per-
gegen das Virus ist für heute vorbei, sonal und zu wenig Betten geben, so schildert der Bürger-
jetzt übernehmen ihre Kollegen in meister die Si­tua­tion.
der Notaufnahme des Kings County Hospital in New Die Corona-Krise in den New Yorker Kranken-
York. Es ist kurz vor vier am Freitagnachmittag, als die häusern produziert keine fesselnden Dramen, wie
Oberärztin ihre Sachen zusammenpackt. Sie lehnt die man sie aus Fernsehserien kennt, in denen Ärzte hero-
Pizza ab, die ihr Kolleginnen anbieten. Zum Mittag- ische Operationen durchführen, um Leben zu retten.
essen hatte man keine Zeit gefunden. Wolfram streift Die Covid-19-Behandlung beschränkt sich derzeit auf
den gelben Schutzkittel ab und geht an zwölf Notfall- fiebersenkende Mittel und künstliche Beatmung. Die
betten vorbei, die provisorisch zu Intensivbetten um- Katastrophe, gegen die Sigrid Wolfram und ihre Kol-
funktioniert wurden. Sie sind mit einfachen Glas- legen ankämpfen, hat ganz banale und bürokratische
wänden von­ein­an­der abgetrennt. In jedem Bett liegt Gründe – sie ist eine Versorgungskrise. Leise, schlei-
ein intubierter Corona-Patient. chend gehen die Mittel aus. Spezielle Schutzkleidung
Längst hat das Virus fast alle anderen Krankheiten ist im Kings County Hospital mittlerweile Ärzten und
aus dem Krankenhaus vertrieben. Operationen wer- Pflegern vorbehalten, die im direkten Kontakt mit ei-
den, wenn möglich, aufgeschoben; wegen Schnitt- nem Patienten stehen, weil sie ihn zum Beispiel intu-
wunden oder eines verstauchten Knöchels kommt bieren müssen. Der Rest des Personals muss mit ein-
längst keiner mehr hierher. Neunzig Prozent der 634 fachen OP-Mundschutzmasken und Zellulosekitteln
Betten in ihrem Krankenhaus, schätzt Wolfram, sind über der Krankenhauskleidung auskommen. Sterile
schon mit Corona-Patienten belegt. Tücher sind nicht mehr frei zugänglich, sondern ein-
Das Wartezimmer der Notaufnahme ist so voll, dass geschlossen, damit sie keiner mit nach Hause nimmt.
es unmöglich ist, hier den medizinisch geratenen Min- Man überlegt, die zertifizierten Atemmasken mit Vi-
destabstand zu gewährleisten. Corona-Testkits sind renfilter jetzt über mehrere Tage zu verwenden. Es
dermaßen rar, dass Sigrid Wolfram bei der Dia­gno­se gibt eine bestimmte Falt- und Aufbewahrungstechnik,
ohne sie zurechtkommen muss: Wessen Lungenscan mit der die saubere Seite geschützt werden soll.
keine weißen Flecken aufweist und wer genügend Sauer- Unter solchen Arbeitsbedingungen kann ein falscher
stoff im Blut hat, der wird von ihr in die Heimquaran- Handgriff lebensgefährlich sein. Den vielen überarbei-
täne geschickt. Die anderen Patienten behält sie, auch teten Krankenschwestern in der Stadt macht das Angst.
wenn diese mittlerweile bis zu zwei Tage auf ein Bett Sie verschaffen sich Luft in Face­book-­Grup­pen: »Wir
warten müssen. Herzstillstände wegen Atemversagen sind erst am Anfang der Krise, und die Krankenhäuser
nehmen zu. Die Arbeit sei anstrengender geworden, sind jetzt schon überfordert. Gott, hilf uns, denn ich weiß
nicht nur körperlich, sagt die Oberärztin: »Es ist hart, so nicht, ob jemand auf Erden das kann ...«, schreibt Diana
viele Menschen sterben zu sehen.« Torres, Krankenschwester am Mount Sinai Hospital.
Wolfram drückt eine Tür mit links auf, greift mit Vergangene Woche starb der erste Krankenpfleger in New
der rechten Hand zum Desinfektionsmittelspender, York an Covid-19, 48 Jahre alt, Asthmatiker. Hätte er
pumpt, reibt das Mittel in die Hände. Es sind ge- besseren Schutz gehabt, schrieben seine Kolleginnen,
schmeidige Bewegungen, eine Art Viren-Tai-Chi, das wäre das nicht passiert.
sie sich antrainiert hat. Weil die Testkits so knapp In einer historischen Anstrengung versucht Washing-
sind, werden auch Ärzte erst getestet, wenn sie Symp- ton nun, mit einem Zwei-Billionen-Dollar-Hilfspaket
tome haben. Dass sie natürlich auch vorher schon an- die Probleme des amerikanischen Sozialsystems proviso-
steckend sein könnten, darauf können sie gerade kei- risch zu lösen. Im Rahmen dieses Programms soll der
ne Rücksicht nehmen. Bundesstaat New York für seine Krankenhäuser 3,9 Mil­
Draußen vor der Tür scheint die Sonne, der Him- liar­den Dollar erhalten. Zu wenig, sagt Gouverneur
mel ist strahlend blau, der Bus B12 fährt gut besetzt Cuomo, dessen Haushalt schon vor der Krise ein Sechs-
vorbei, ein obdachloser junger Mann schläft auf einer Milliarden-Dollar-Loch aufwies. Zugleich plant er pa-
Bank. Wolfram desinfiziert ihre Brille, das Handy, die radoxerweise, im Krankenhausbudget seines Bundesstaats
Wasserflasche, alles, was Kontakt mit dem Kranken- um die 200 Millionen Dollar einzusparen.
haus hatte. Zu Hause warten ihre beiden Kinder. Als Sigrid Wolfram sich eben auf den Heimweg
Dort kann sie endlich ein paar Stunden die Augen macht, wird sie von einem Mann angesprochen, der
verschließen vor dieser Stadt, die innerhalb weniger Krankenhauskleidung mit dem Aufnäher »General
Tage zum Epizentrum der Pandemie geworden ist. Hospital Tampa« trägt. Er sei Komiker und Kranken-
Knapp drei Monate nach dem Corona-Ausbruch pfleger, aus Florida. Da seine Auftritte wegen Corona
in Wuhan hat Amerika China als Land mit den meis- abgesagt worden seien, würde er gern in diesem Kran-

Fotos: CP Krenkler für DIE ZEIT


ten Infektionen abgelöst, ein Drittel davon wird in kenhaus helfen. Es hat sich herumgesprochen, dass
New York verzeichnet. Einer Stadt mit untypischer einige Krankenhäuser Pflegern und Schwestern bis zu
Verdichtung, mit lebendigen Stadtvierteln, notorisch 100 Dollar die Stunde zahlen. Wolfram schaut erst
vollen Bürgersteigen, Straßenverkäufern, überfüllten skeptisch, dann tut sie, was in normalen Zeiten unvor-
U-Bahnen und Bussen. Drei große Flughäfen sorgen stellbar gewesen wäre: Sie bringt den Mann in die Per-
für einen Austausch mit der Welt, wie ihn keine andere sonalabteilung.
Metropole kennt. Für ein Virus gibt es in den USA Corona hat New York verändert. Selbst den unge-
keinen besseren Ort. In der Krise ist New Yorks Stärke Nie war Manhatten so leer wie in diesen Tagen: Ein Blick in die 42nd Street, rechts das Chrysler Building liebten Gouverneur des Bundesstaates hat die Stadt
zur Schwäche geworden. ins Herz geschlossen. In normalen Zeiten stieß Cuo-
Der erste Fall wird am 1. März bekannt, eine mos patriarchaler Regierungsstil auf Abneigung. Man
Krankenschwester, 39 Jahre alt, die kurz zuvor im nannte ihn einen »menschlichen Bulldozer«. Jetzt ist
Iran gewesen ist. Leichte Symptome, Isolation zu einer wie Cuomo das, wonach sich die New Yorker
Hause. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in den USA kei- sehnen. Der Gouverneur hat früh den Notstand aus-
ne Möglichkeit, Patienten schnell und massenhaft auf gerufen, seitdem kann er per Dekret regieren. Er hat

»Gott,
das Coronavirus zu testen. Die Regierung in Wa- Ärzte für die Dauer der Pandemie von ihrer Haftungs-
shington spielt das Thema herunter. Der Test, den die pflicht entbunden und Krankenhäuser von vielen
zuständige Behörde entwickelt, funktioniert nicht. Auflagen befreit. Die New Yorker hat er angehalten,
Das Virus verbreitet sich wochenlang unbemerkt. ihre Wohnungen nur für die nötigsten Besorgungen
Gouverneur Andrew Cuomo beruhigt seine Bürger: zu verlassen. Cuomo hat 1100 Häftlinge, die wegen
»Es gibt keinen Grund, Angst zu haben, leben Sie Ihr geringfügiger Vergehen einsaßen, entlassen, weil das
Leben wie bisher.« Virus sich durch die Gefängnisse frisst. Das gläserne

hilf uns«
Zwei Tage später der zweite Fall, ein 50-jähriger Javits-Kongresszentrum hat Cuomo mithilfe des Mi-
Anwalt, Intensivstation. Weil das Krankenhaus die litärs zum Lazarett umgewandelt. Zusammen mit dem
Corona-Infektion bei dessen erstem Besuch nicht er- Lazarettschiff USNS Comfort, das seit Montag im
kannte, infizierte er 28 Menschen. Nun beginnt die Hudson ankert, sind das 2500 Betten für all jene
Politik zu reagieren: Ein ganzer Vorort wird unter Kranken, die nicht an Covid-19 leiden.
Quarantäne gestellt. Am selben Tag erhält New York Cuomo kämpft täglich um mehr Unterstützung
die Erlaubnis, einen selbst entwickelten Test zu be- aus Washington. Seit er jeden Morgen eine knappe,
nutzen. Bis zum 11. März steigt die Zahl der Infizier- klare Pressekonferenz abhält, kursiert auf Twitter der
ten auf 216. Bürgermeister Bill de Blasio sagt in einer Hash­tag #cuomo4president.
Pressekonferenz jedoch, gesunde Menschen sollten Während die Krankenhäuser rund um die Uhr wie
ihr Leben normal weiterführen und weiterhin in Res- In New York droht den USA die Corona-Katastrophe. Kraftwerke arbeiten, liegt der Rest der Stadt friedlich
taurants gehen. Am 16. März sind es dann 950 Infi- Unterwegs mit einer Ärztin im Kampf gegen da. Straßen und Bürgersteige haben sich geleert, der
zierte, Schulen und Restaurants werden geschlossen. Verkehr ist auf Amazon- und Fed-Ex-Lastwagen zu-
Knapp einen Monat nach dem ersten bekannt gewor- das Virus – und gegen das Versagen des Systems  sammengeschrumpft, die wie fleißige Bienen die Ein-
denen Fall, am Montag, dem 30. März, gibt es in der VON KERSTIN KOHLENBERG käufe in die Wohnungswaben liefern. Allein auf Bau-
Stadt 36.221 Corona-Infizierte und 790 Tote. Allein stellen wurde noch bis zuletzt gearbeitet, als gäbe es
am vergangenen Wochenende starben 161 Menschen das Virus nicht. Die Baubranche ist mächtig in New
an Covid-19. Die Hoffnung, alles werde schon nicht York. Dann jedoch wurden die ersten Bauarbeiter
so schlimm kommen, führte zu einem parteiüber- krank, und ihre Kollegen begannen zu protestieren.
greifenden Politikversagen, an dem sowohl New Yorks Nun hat Cuomo dem Virus auch die Baustellen ge-
demokratischer Bürgermeister als auch D ­onald nommen. Geöffnet sind jetzt nur noch Parks und
Trump Anteil hatten. Trump fürchtete schlechte Bör- Kinderspielplätze. Dorthin strömen nach wie vor die
senwerte, und Bill de Blasio glaubte, geschlossene Erholungssuchenden.
Schulen und Restaurants würden seine politische Ba- Abends um sieben, nachdem Sigrid Wolfram ge-
sis, die sozial Benachteiligten, besonders hart treffen. duscht und endlich etwas gegessen hat, öffnen sich in
Keiner von beiden wollte die politischen Kosten ent- New York Zehntausende Fenster. Menschen in der
schiedener Prävention zahlen. ganzen Stadt beginnen, zwei Minuten lang zu applau-
Unter New Yorks Krankenhäusern sind einige der dieren. Als Dank an das Pflegepersonal und die Ärzte.
besten der Welt. Wenn aber sehr viele Patienten be- Bereits zehn Kollegen von Wolfram sind mit Covid-
handelt werden müssen, offenbart das amerikanische 19-Symptomen zu Hause, es gibt eine Urlaubssperre,
Gesundheitssystem seine Schwächen. Wolfram ist jetzt auch an ihren freien Tagen auf Ab-
Kommen in Deutschland acht Krankenhausbetten ruf. Ein einziges Beatmungsgerät stand heute im
auf 1000 Einwohner, sind es in der Stadt New York nur Krankenhaus noch zur Verfügung, sagt sie. Selbst der
2,7. Das Kings County Hospital, in dem Sigrid Wolfram Wartebereich werde in der kommenden Woche zu­
arbeitet, ist eines der größten städtischen Krankenhäuser einer Krankenstation umgebaut, um Platz für mehr
New Yorks, angeschlossen an das auf der anderen Stra- Betten zu gewinnen.
ßenseite liegende Uni-Klinikum SUNY Down­state. In den kommenden zwei bis drei Wochen, erwartet
Nach dem 11. September 2001 begann man hier, sich sie, werde die Lage sich verschlimmern. Es würden noch
auf Katastrophen vorzubereiten. Es gibt eine eigene viele Menschen sterben. Irgendwann werde man wohl
Covid-Kommandostruktur und spezielle Einsatzpläne. ein Lazarett auf dem Parkplatz aufbauen müssen.
Lernschwestern arbeiten mit geschulten Intensivschwes- Ohne Hoffnung ist sie nicht: Sollten die New Yor-
tern zusammen, Kinderärzte mit Internisten. Werden ker noch einige Monate lang zu Hause bleiben, werde
die Beatmungsmaschinen knapp, können sie mit einem der Anstieg der Neuinfektionen sich verlangsamen,
Verbindungsstück so umfunktioniert werden, dass vier Oberärztin Sigrid Wolfram stagnieren, schließlich zurückgehen. Dann könnten
Patienten von ähnlicher Statur und vergleichbarem arbeitet in der Notaufnahme die Krankenhäuser die Lage wieder bewältigen. Und
Lungenvolumen damit gleichzeitig beatmet werden des Kings County irgendwann werde es einen Impfstoff geben. Sigrid
können. Mit täglich 9000 Notrufen in der Stadt, mehr Hospital in Brooklyn Wolfram hofft, dass sie bis dahin gesund bleibt.
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8 POLITIK 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

DIE WELT
JENSEITS DES VIRUS
Deutschland: EU: Und sie
Rechts räumt auf erweitert sich doch

Lange seien in der AfD keine wichtigen Ent- Als Ursula von der Leyen im September vergan-
scheidungen getroffen worden, denn immer genen Jahres ihre Mannschaft vorstellte, sagte sie:
habe man Rücksicht auf die nächste Wahl »Meine Kommission wird eine geopolitische
nehmen müssen. Zuletzt auf die in Thürin- Kommission sein.« Das klang ziemlich großspurig
gen, in Brandenburg, in Sachsen. Da habe für eine Institution, die weder über ein Außen-
man eben versucht, öffentlichen Streit zu ministerium noch über eine eigene Armee verfügt
vermeiden, um die Wähler nicht zu vergrau- und die in fast allen Fragen völlig abhängig ist
len. So ist es aus dem AfD-Bundesvorstand vom Goodwill der 27 Mitgliedsstaaten.
zu hören. Für eine Partei, die vorgibt, anders Wie stark diese Abhängigkeit ist, musste von
sein zu wollen als die vermeintlich stets der Leyen schnell erfahren. Beim EU-Gipfel im
Fotos: Simon Dawson/Bloomberg/Getty Images (gr.); kl. Fotos: imago (o. l.); Reiner Zensen/imago (o. r.); Artur Widak/NurPhoto/dpa (u. l.); Esam Omran Al-Fetori/Reuters (u. r.)

machttaktisch agierende Konkurrenz, ist das Oktober stand die Aufnahme von Beitritts­
ein bemerkenswertes Eingeständnis, ein be- gesprächen mit Nordmazedonien und Albanien
merkenswert peinliches. auf dem Programm. Doch der französische Prä-
Die nächste Wahl steht erst in einem sident Emmanuel Macron legte sein Veto ein.
Jahr an. Zeit also für den internen Früh- Das löste bei vielen einen Schock aus. Die EU
jahrsputz. Begonnen hat er mit der Auflö- schien sich ausgerechnet in dem Moment von
sung der rechtsextremen Flügel-Bewegung der Geopolitik zu verabschieden, in dem von der
von Björn Höcke – sofern man auflösen Leyen sich dazu bekannte. Und ausgerechnet der
kann, was nie fest verbunden war. An die- Mann, der die Welt gern daran teilnehmen lässt,
sem Dienstag folgten die nächsten Schritte. wie er immerzu in großen Zusammenhängen
Zunächst verkündete das Landesschieds­ Die Aktivistin Vanessa Nakate kämpft
denkt, hatte das zu verantworten. In der südöst-
gericht Baden-Württemberg den Rauswurf in Uganda für den Klimaschutz
lichen Nachbarschaft machen sich derweil die
des Landtagsabgeordneten Stefan Räpple, Konkurrenten der EU breit, in den Warteraum
der selbst im AfD-Kosmos als radikaler Europas vorzustoßen: China, Russland und die

Afrika: Die Gretas für das


Spinner gilt. Kurz darauf setzten die Par- Türkei. Die Chinesen bauen Autobahnen und
teichefs dann den Landesvorstand im Saar- treiben Länder in die Schuldknechtschaft, etwa
land ab. Wegen »schwerwiegender Verstöße Montenegro. Die Türkei ist im Bildungswesen
gegen die Grundsätze der Partei«, wie es im anderer Staaten sehr aktiv. Und Russland gibt
Beschlusspapier heißt. Landeschef Josef
Dörr und sein Vorstand sollen offenbar die
Aufnahme ihnen unliebsamer Antragsteller
Kongo-Becken Störfeuer mit allerlei Geheimdienstaktivitäten.
Auch wegen dieser Vorfälle drängte die Kom-
mission weiterhin auf Beitrittsgespräche. Doch
verzögert und einen Kreisverband gezielt Macron blieb eisern. Sein Argument: Die EU sei
benachteiligt haben. Alle kennen Greta, aber wer sind Vanessa und über die Klimakrise ins Netz gestellt. Muigai machte ein Fotograf der Nachrichtenagentur schon mit 27 Mitgliedern kaum handlungsfä-
Die AfD versucht offenbar, ihre Altlasten Makenna? Mit ihrem Schulstreik für das Klima mobilisiert gegen Plastikmüll und für den AP beim Weltwirtschaftsforum in Davos ein hig, wie sollte sie es mit 29 oder gar 32 Mit­
loszuwerden: Lange Zeit hat der Bundesvor- hatte die schwedische Schülerin Greta Thun- Schutz des Regenwalds im Kongo-Becken, Gruppenbild von Thunberg, Nakate und ande- gliedern sein? Der Westbalkan hat insgesamt
stand weggeschaut, sodass die Extremisten berg 2018 die Jugendbewegung Fridays for dem zweitgrößten nach dem Amazonas. Ne- ren Aktivistinnen der Klimabewegung. Veröf- sechs Beitrittskandidaten: Nordmazedonien, Al-
und Quertreiber in der Partei keine Konse- Future losgetreten – und ist zum Weltstar ge- benbei erklärt sie, warum Schulstreiks für das fentlich wurde ein Foto, das nur Thunberg und banien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo,
quenzen fürchten mussten. Ein Ausschluss- worden. Kaum bekannt sind dagegen Klima- Klima in afrikanischen Ländern nicht so popu- drei weiße Klimaschützerinnen zeigte. Nakate, Montenegro.
verfahren gegen Räpple ist seit Längerem Aktivistinnen in Afrika, dem Kontinent, der lär sind. »Weil Bildung hier so kostbar ist, dass die einzige Schwarze, war herausgeschnitten Doch die EU ist ein zähes Wesen, sie lässt sich
Thema, erst jetzt wurde es entschieden. Und am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen man nicht einfach den Unterricht schwänzt.« worden. Der folgende Proteststurm hatte sein nicht so schnell abbringen von ihrem Ziel. Ver-
auch die Probleme im Saarland sind nicht hat, aber schon jetzt am schlimmsten davon be- Aufklärung über die Klimakrise beginnt für Gutes: Mehr Aufmerksamkeit für Nakates »Rise gangene Woche einigten sich die Außenminister
neu. Die AfD hatte vor vier Jahren unter der troffen ist – durch Sturmkatastrophen, immer Muigai im Klassenzimmer, nicht auf der Stra- Up Movement«, eine Plattform für junge afri- darauf, nun doch mit Mazedonien und Albanien
damaligen Parteichefin Frauke Petry sogar längere Dürren und zunehmend unberechen- ße. Nur sind auch in Kenia die Schulen inzwi- kanische Umwelt-Aktivisten, und für ihre Pro- zu verhandeln. Und Macron? Der ist besänftigt,
den gesamten Landesverband aufgelöst. bare Regenzeiten: »Wir spüren die Folgen in schen wegen der Corona-Pandemie geschlos- jekte: Sonnenkollektoren für Schulen, Aufklä- weil die Aufnahmebedingungen noch mal ver-
Der neue AfD-Bundesvorstand, seit Kenia schon jetzt«, sagt Makenna Muigai, eine sen. Muigai setzt ihr Umweltengagement folg- rung über Abholzungen im Kongo-Becken. schärft wurden. Das dürfte beim französischen
Ende vergangenen Jahres im Amt, feiert 17-jährige Schülerin aus der kenianischen lich in den sozialen Medien fort – ebenso wie Sie hat jetzt einen Podcast gestartet und Präsidenten die Gewissheit nähren, dass die Bei-
sich jetzt als konsequenter Reinemacher. Hauptstadt Nairobi, in einem Interview der Vanessa Nakate. twittert ununterbrochen. Neben Hashtags wie trittsverhandlungen sich sehr, sehr lange hinzie-
Nur eines hört man kaum: eine Abgren- Nachrichtenagentur Reuters. »Mehr Armut, Die 23-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin #climatechange oder #KeepMamaAfricaGreen hen werden. Geopolitik ist zwar das Denken in
zung zu den inhaltlichen Positionen der Ex- mehr Krankheiten, mehr Konflikte.« Vor eini- aus Uganda erlangte unlängst internationale sind jetzt auch #StayAtHome und #COVID19 großen Räumen – oft aber auch in langen Zeit-
tremen.  PAU L MIDDE LHOFF gen Wochen hat sie ihr erstes YouTube-Video Bekanntheit – auf bittere Weise. Im Januar dazugekommen.  ANDREA BÖHM spannen.  U LRICH LADU RNE R

Israel: Macht teilen, Libyen: Mission


um Macht zu behalten »Bitte nicht retten!«
Was in Israel gerade los ist, bezeichnete ganz nebenbei Blau-Weiß zu spalten). Als Wer immer sich diesen Namen ausge- ten aufhalten, im östlichen Mittelmeer.
die Journalistin Noa Landau in Ab- ehemaliger Generalstabschef ist Gantz dacht hat, besitzt Galgenhumor. »Irini« »Von da kommen die Waffen auch her«,
wandlung eines legendären Fußball-Zi- mehr Soldat und Patriot als Politiker. – »Frieden« auf Griechisch – heißt die sagt der EU-Außenbeauftragte Josep
tats so: Politik ist ein Spiel, das 90 Mi- Netanjahu machte ihm ein Angebot, das neue Libyen-Mission der EU im Mit- Borrell.
nuten dauert – und am Ende gewinnt Patrioten nicht ablehnen können – Wahl- telmeer. Nur nimmt der Krieg in Li- Was stimmt, aber nur die halbe
immer Benjamin Netanjahu. versprechen hin oder her. In Zeiten von byen gerade so richtig Fahrt auf. Ope- Wahrheit ist. Im östlichen Mittelmeer
In drei Wahlen binnen eines Jahres Corona eine Regierung zu haben ist ration Irini soll zu Wasser und aus der kann Irini Nachschublieferungen der
haben nahezu alle Oppositionskräfte wichtiger, als selbst sofort Premier zu Luft das Waffenembargo überwachen, Türkei abfangen, die die Regierung in
versucht, den Premierminister, dem werden. Also willigte Gantz ein: Die ers- das seit 2011 mit Einschränkungen für Tripolis mit Panzerfahrzeugen, Haubit-
wegen Korruption und Bestechlichkeit Ergebnis, dass Bibi nun wieder Premier ten 18 Monate führt Netanjahu die Re- Libyen in Kraft ist und von den auslän- tionalen Unterstützer einen Stopp der zen und Drohnen versorgt – und mit
der Prozess gemacht werden soll, loszu- wird. Will man auf eine Formel brin- gierungsgeschäfte, danach übernimmt dischen Verbündeten der Kriegsparteien Rüstungslieferungen vereinbart – bei Kämpfern aus dem syrischen Bürger-
werden. Das ist vor allem deshalb be- gen, was passiert ist, so lautet die: Coro- Gantz. Dessen Partei bekommt zusätz- schamlos missachtet wird. Aufseiten der vielen, das kann man nun erkennen, krieg, die auf der Soldliste Ankaras ste-
merkenswert, weil die Parteien sonst na-Krise plus politisches Genius gleich lich Schlüsselministerien wie Verteidi- offiziell anerkannten Regierung in Tri- ohne die geringste Absicht, sich daran hen. Chalifa Haftar hingegen wird von
nicht viel eint. Wichtigste Kraft in die- Machterhalt. gung und Justiz (damit es auch wirklich polis ist das vor allem die Türkei, auf- zu halten. den VAE mit Militärgerät vor allem aus
sem Anti-Netanjahu-Projekt ist die Zunächst hat Netanjahu dafür ge- irgendwann zum Prozess gegen Netanja- seiten ihres Gegners, des Generals­ Dass sich die 27 EU-Staaten erst jetzt der Luft beliefert. Deren eklatante Brü-
Zentrumspartei »Blau-Weiß« mit ihrem sorgt, dass der alte Parlamentspräsident hu kommen kann) und womöglich auch Chalifa Haftar, sind es die Vereinigten auf die Mission einigen konnten, lag vor che des Embargos kann Operation Irini
Anführer Benny Gantz. Seinem Ver- die erste Sitzung der neuen Knesset vor- das nun wichtige Gesundheitsressort. Arabischen Emirate (VAE), Ägypten, allem an Österreich und Ungarn. Beide allenfalls dokumentieren, was weder
sprechen, »Bibi« Netanjahu abzulösen, zeitig beendete, sodass ein Gesetz nicht Warum Bibi das macht? Nun, 18 Russland. Länder wollen partout vermeiden, dass den starken Mann des Golfstaates, Mo-
kam Gantz nie so nah wie vor wenigen verabschiedet werden konnte, wonach Monate sind eine sehr lange Zeit in der Zur Überwachung des Embargos Irini-Schiffe Flüchtlinge in Seenot ret- hammed bin Sajed, noch seinen
Tagen, als die Mehrheit der Knesset- kein Angeklagter Premierminister wer- israelischen Politik. Zeit genug jeden- hatte sich die EU auf dem Berliner Li- ten müssen. Aus diesem Grund war die Schützling Chalifa Haftar beeindru-
Abgeordneten Präsident Reuven Rivlin den dürfe. Eine Lex Bibi. Dem Macht- falls für einen politischen Überlebens- byen-Gipfel im vergangenen Januar ver- vorherige Mission, Operation Sophia, cken wird. Haftar sieht nun offenbar
empfahl, ihn, Gantz, mit der Regie- taktiker Netanjahu verschaffte das Zeit, künstler wie Netanjahu, neue Pläne zu pflichtet. Dort hatten die Konfliktpar- gestoppt worden. Also sollen sich die die Gelegenheit, den Krieg für sich zu
rungsbildung zu beauftragen. Mit dem um Gantz mürbezuverhandeln (und schmieden.  ÖZLE M TOPÇU teien eine Waffenruhe und ihre interna- EU-Schiffe nun abseits der Fluchtrou- entscheiden.  ANDREA BÖHM
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 POLITIK 9

A
Nach neun Jahren wird Mosallam K. seinen mutmaßlichen Peiniger wiedersehen
ls die Autos der Geheimpolizei Sondergesandten der Vereinten Nationen, er trägt
heranpreschten, hatten sich die Anzug und Krawatte. Das Gefängnis an der Bag-
Demonstrantinnen im Stadt- dadstraße scheint jetzt sehr weit weg.
zentrum von Damaskus gerade Doch nicht alle glauben an die wundersame
auf den Weg gemacht. Mehrere Wandlung des Assad-Dieners zum Systemgegner.
Männer sprangen heraus und Der Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni etwa,
zerrten Mosallam K. in einen der zeitweilig selbst im Gefängnis an der Bagdad-
Bus. K. hatte die Mitglieder einer Frauenorganisa- straße misshandelt wurde, behauptet: »In ganz
tion gefilmt, die gegen Staatspräsident Baschar al- Damaskus war bekannt, dass Anwar R. der bru-
Assad protestierten, im Demozug lief auch die talste Folterer des Regimes ist.«
Frau von K. mit. Im Sommer 2014 zieht Anwar R. mit seiner
Die Agenten nahmen K. das Handy ab und Familie nach Deutschland, stellt einen Antrag auf
fuhren ihn und einige andere Gefangene in den Asyl und erhält eine Aufenthaltserlaubnis. Im
Nordwesten von Damaskus, zum Gefängnis des Nordosten Berlins finden er und seine Familie eine
Allgemeinen Syrischen Geheimdienstes, wo die Wohnung in einer ruhigen Neubausiedlung. Ein
Wärter sie schon erwarteten. Mosallam K. wusste, schneeweißer Plüschhund lächelt vom Fenster-
wohin man ihn verschleppt hatte: Der Gebäude- brett jeden Besucher freundlich an. Größer könnte
komplex in der Bagdadstraße befindet sich nur ein der Kontrast zum Bürgerkrieg kaum sein.
paar Häuser entfernt vom Haus seiner Eltern. Allerdings hat der Konflikt Spuren hinterlas-
Die Wärter brachten Mosallam K. in den Keller sen. R. leidet seit einigen Jahren unter Bluthoch-
des Gefängnisses, in den Tagen danach schlugen sie druck. Im Februar 2015 sucht er deshalb die Pra-
ihn mit Elektrokabeln auf den Rücken und auf die xis eines syrischen Arztes in Berlin-Tempelhof auf.
Füße, bis die so angeschwollen waren, dass er nicht Als Anwar R. im Wartezimmer sitzt, schaut er aus
mehr laufen konnte, so erzählt er es heute, Jahre dem Fenster. Auf der Straße glaubt er zwei Män-
später, der ZEIT. Am Ende der ersten Woche jagten ner zu erkennen, die auf- und abgehen und ver-
sie ihm Stromstöße durch den nackten Körper, über- dächtig oft in Richtung der Praxis starren. Als er
gossen ihn mit kaltem Wasser und schalteten den die Räume des Arztes verlässt, sind die Männer
Strom erneut ein, Wasser leitet Elektrizität besonders noch immer da, erst als R. sich ihnen nähert,
gut. Einmal führten ihn die Wärter in den ersten springen sie in ein Auto und fahren davon. Haben
Stock. Dort hatte der Mann sein Büro, der offenbar sie Anwar R. beobachtet?

E
all die Qualen verantwortete: Anwar R., der Kom-
mandant des Gefängnisses. Das war 2011. in paar Tage später besucht R. einen
Neun Jahre später werden Mosallam K. und Zahnarzt. Als er am späten Vormittag
Anwar R. erneut aufeinandertreffen. Aber diesmal aus der Praxis tritt, stehen erneut zwei
ist es Anwar R., 57, der im Gefängnis sitzt, in der arabisch aussehende Männer im Weg
Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit. Ende April und starren ihn an, so wird er es später
soll vor dem Oberlandesgericht Koblenz der Pro- zu Protokoll geben. R. ist jetzt überzeugt davon,
zess gegen ihn und einen weiteren ehemaligen dass der syrische Geheimdienst ihn observiert. Er
Geheimdienstmann beginnen. Die Bundesan- erstattet Anzeige bei der Polizei. Und beginnt zu
waltschaft wirft R. vor, für den Tod von 58 Men- erzählen, seine Aussage wird aufgenommen. Die
schen und die Folterung von mindestens 4000 Vernehmungsprotokolle lesen sich, als ob R. vor
Häftlingen verantwortlich zu sein. Mosallam K., allem deshalb mit den Polizisten spricht, um deut-
der zu rund einem Dutzend Betroffener zählt, mit lich zu machen, warum das syrische Regime ihn
denen die ZEIT sprechen konnte, wird als Zeuge nun sucht. Er erzählt von seiner Zeit in Syrien.
auftreten. Vom Geheimdienst. Und von der Abteilung 251.
Der Prozess soll den Opfern Gerechtigkeit Was R. nicht weiß: Für Ermittlungen wegen
bringen. Aber er ist auch ein Signal an den syri- des Verdachts der Spionage ist in Deutschland der
schen Machthaber Baschar al-Assad und an andere Generalbundesanwalt zuständig. Und für Ermitt-
Diktatoren, dass die Welt nicht vergisst. Und dass lungen gegen Kriegsverbrecher auch.
der deutsche Rechtsstaat nicht ohnmächtig ist, Die Bundesanwälte in Karlsruhe prüfen die
wenn er von Taten wie jenen im Foltergefängnis Anzeige, die ihnen das Landeskriminalamt Berlin
von Damaskus erfährt. weitergeleitet hat. Eine Übernahme der Ermitt-
Seit 2002 können Verbrechen gegen die lungen wegen des Spionageverdachts lehnen sie
Menschlichkeit von der deutschen Justiz auch ab: Der Verdacht ist zu vage.
dann verfolgt werden, wenn sie weder in Deutsch- Aber als Anwar R. in einer zweiten Befragung
Foto: Dominik Asbach für DIE ZEIT

land begangen wurden noch Deutsche unter den erneut detailliert über seine Zeit in Syrien berich-
Tätern oder Opfern sind. »Gerade dieses Verfah- tet, leitet der Generalbundesanwalt ein anderes
ren gegen Mitglieder des Assad-Regimes zeigt, dass Ermittlungsverfahren ein – gegen Anwar R.
wir in Deutschland gewillt sind, solche Straftaten selbst, wegen möglicher Verbrechen gegen die
auch künftig konsequent zu verfolgen«, sagt Ge- Menschlichkeit.
neralbundesanwalt Peter Frank der ZEIT. »Wir Nach monatelangen Ermittlungen wird er am
dürfen kein sicherer Hafen für Kriegsverbrecher 12. Februar 2019 festgenommen. Der Mann, der
oder Völkermörder werden.« so lange dem syrischen Geheimdienst diente, der
Die Ermittlungen gegen Anwar R. führen in Ab- sein Büro in einem Foltergefängnis hatte und sich
gründe menschlichen Verhaltens. Sie führen aber nun von Assads Männern bedroht fühlt, hat

Höllenqualen
auch in den zwielichtigen Alltag einer Diktatur, in Schutz bei der deutschen Polizei gesucht – und
dem es nicht immer nur richtig oder falsch gibt. landet selbst im Gefängnis.
Denn Anwar R., 57, geboren in Homs, sieben Auf den Fotos, die die deutschen Ermittler von
Kinder, ist nicht nur ein mutmaßlicher Täter. Ob- ihm nach der Festnahme gemacht haben, guckt
wohl er dem Assad-Regime jahrelang treu gedient Anwar R. nicht unfreundlich, eher etwas über-
hatte, war er auch der erste prominente Deserteur, rascht. War er nicht nach Deutschland geflohen,
der sich aus Syrien absetzte und zur Opposition um sich vom Regime abzusetzen? Anfangs hat er
überlief. Er verfolgte nicht nur, er wurde auch ver- sich noch zu erklären versucht. Hunderte Verneh-
folgt. Als er im Sommer 2014 nach Deutschland mungen hätten in seinem Gefängnis täglich statt-
kam, beantragte er politisches Asyl; auf die Frage, gefunden, sagte Anwar R. den deutschen Ermitt-
was ihm in Syrien drohe, fuhr er sich mit der fla- Mosallam K. wurde wie Tausende Syrer im Auftrag des Assad-Regimes gefoltert. lern, da habe man »nicht immer höflich« bleiben
chen Hand über den Hals und sagte: »Tod.« Aber Jetzt könnte er Gerechtigkeit erfahren, sein mutmaßlicher Peiniger kommt vor Gericht – in Koblenz  können. Wenn jemand einer bewaffneten Opposi-
lässt das seine mutmaßliche Verwicklung in Ver- tionsgruppe angehört habe, seien »strenge Ver-
brechen in anderem Licht erscheinen? VON MOHAMED AMJAHID UND HOLGER STARK nehmungen« durchgeführt worden. Aber es habe
Anwar R. durchlief in Syrien die Bilderbuch- keinen Befehl gegeben, Gewalt anzuwenden. Seine
karriere eines linientreuen Beamten, Ausbildung Leute hätten friedlich bleiben wollen.
an der Universität Damaskus, Polizeiakademie, Wenn Anwar R. über sich und das Gefängnis an
Schichtdienst im Passamt von Aleppo, Streifen- Assads Cousin, der in der Abteilung 251 eine eige­ Schmerz brüllen. Und dann war da noch der Mindestens 58 Menschen seien zwischen dem der Bagdadstraße redet, klingt er kaum anders als sein
gänge an der Grenze zur Türkei. Schließlich rekru- ne Truppe anführte, die berüchtigt für ihre Bruta- »Deutsche Stuhl«, bei dem die Hände hinter einem Beginn des Arabischen Frühlings und Anwar R.s einstiger Präsident. Als Baschar al-Assad von einem
tierte ihn der Allgemeine Geheimdienst, einer von lität war. In der Hand hatte er eine Maschinenpis- beweglichen Metallstuhl gefesselt sind und die Flucht im September 2012 im Gefängnis von Al- Reporter eines russischen Fernsehsenders im Novem-
rund einem Dutzend syrischer Nachrichtendiens- tole oder eine halb automatische Waffe, so genau Wirbelsäule so weit nach hinten überstreckt wird, Chatib umgebracht worden, heißt es in der Anklage­ ber 2019 auf Anwar R.s Festnahme angesprochen
te. Russische Ausbilder trainierten ihn, bevor er in weiß Ejad A. das nicht mehr, jedenfalls feuerte bis die Wirbel herausspringen – oder das Rück- schrift der Bundesanwaltschaft. Die Staatsanwälte und nach den Ermittlungen der deutschen Justiz
die »Abteilung 251« des Dienstes in Damaskus Assads Cousin in die Menge und rief: »Wer den grat bricht. haben bei ihren Ermittlungen in ganz Europa gefragt wird, sagt der Diktator: »Wir praktizieren
eintrat, die zuständig ist für die innere Sicherheit Präsidenten liebt, soll auf die Verräter schießen.« Dem Gefangenen Mosallam K., der die Frauen­ rund hundert Zeugen befragt, ehemalige Bürger- keine Folter. Warum sollten wir die Menschen fol-
des Landes und die das Gefängnis an der Bagdad- Panik brach aus. Fünf der Demonstranten demonstration in Damaskus gefilmt hatte, widme- rechtler und Folteropfer ebenso wie Überläufer. tern? Das ist nicht unsere Politik.«
straße betreibt. Zwischendurch wechselte er inner- sackten tödlich getroffen zusammen, Assads Hä- ten die Wärter besondere Aufmerksamkeit: K. Sie stützen sich zudem auf die gerichtsmedizini- Der ehemalige Häftling Mossallam K. schreckt
halb des Dienstes, ehe er im Jahr 2008 die Unter- scher jagten die Menschen durch die Straßen und stammt aus einer berühmten Familie, sein Groß- sche Untersuchung von rund 28.000 Aufnahmen bis heute nachts hoch und wähnt sich im Folter-
abteilung »Ermittlungen« der Abteilung 251 über- nahmen diejenigen fest, die nicht rechtzeitig ent- vater war in den 1940er- und 1950er-Jahren Teil eines ehemaligen syrischen Militärfotografen mit knast von Damaskus. Nach einiger Zeit wurde er
nahm. Er war jetzt für die Ausforschung der syri- kommen konnten. Die Gefangenen wurden in der syrischen Regierung. K. selbst führte im Um- dem Decknamen »Caesar«, dessen Aufgabe es war, damals in ein anderes Gefängnis verlegt und einige
schen Opposition zuständig, ein Rad im Getriebe Busse gescheucht und in das Gefängnis an der land von Damaskus bis zu seiner Verhaftung ein die Leichen zu fotografieren, und der die Bilder Tage später entlassen, 2013 floh er über den Liba-
von Assads Unterdrückungsmaschinerie. Bagdadstraße gefahren. Kosmetikunternehmen, seine Handcremes wur- außer Landes schmuggelte – darunter auch viele non nach Deutschland; heute lebt er in Nord-

D
In jedem totalitären Staat gibt es Männer wie den in viele arabische Länder exportiert. Fotos von Toten aus Anwar R.s Gefängnis. rhein-Westfalen. Er lernt Deutsch und macht sei-
Anwar R., die Befehle von oben bekommen und ie Haftanstalt besteht aus mehreren Als die Wärter K. zur Vernehmung abholten, Über Jahrzehnte hatte R. den Assads treu ge- nen Führerschein, er hofft, bald wieder arbeiten zu
doch selbst genug Macht haben, um über Leben Gebäuden, die hinter einer hohen gab ihm ein älterer Mithäftling einen Rat: »In die- dient, doch nach dem Beginn des Aufstands im können. Sein Haus und sein Unternehmen haben
und Tod zu entscheiden. Männer, ohne die kein Mauer liegen und miteinander ver- ser Situation hat man nur zwei Möglichkeiten: Frühling 2011 hatte sich die Lage verändert. Er sei Assads Männer zerstört. »Ich habe im Krieg alles
totalitäres System überleben kann. Männer, die für bunden sind. Das Büro von Anwar Entweder die Zähne zusammenzubeißen und von zwei Seiten unter Druck geraten, erzählte er verloren«, sagt er.
ihre Treue belohnt werden. Anfang 2011 wurde R. befand sich im ersten Stock, im Stärke zeigen. Oder die ganze Zeit schreien.« Mos- später den deutschen Behörden, von seinen Ver- Anders als viele der Folteropfer, mit denen die
Anwar R. zum Oberst befördert, jetzt war er einer Erdgeschoss schoben rund 30 Wärter Dienst, eine sallam K. sagt: »Ich habe geschrien wie nie zuvor in wandten, die teilweise im Widerstand aktiv gewe- ZEIT gesprochen hat, sagt Mossallam K., er sei
von jenen Männern. Treppe führt ins Untergeschoss, wo die Zellen lie- meinem Leben.« sen seien – und vom Regime selbst. froh darüber, persönlich an dem Prozess teilneh-
Kurz darauf begann der syrische Aufstand. gen, so schildern es ehemalige Gefangene. Ausge- Im Gefängnis gab es zwei Arten von Geheim- Mehrfach habe er das Gespräch mit seinen Vor- men zu dürfen. Vor der Begegnung mit Anwar R.
Im März 2011 zogen die Syrer zu Tausenden legt ist der Komplex für hundert Insassen. Aber dienstmitarbeitern. Die Wärter, die auf die Gefange- gesetzten gesucht, behauptet R., er habe argumen- habe er keine Furcht. »Dass dieses Verfahren über-
auf die Straßen, zunächst nur in der Kleinstadt nach dem Beginn des Arabischen Frühlings schos- nen aufpassten und sie auf Anweisung misshandelten. tiert, der Staat dürfe kein Interesse daran haben, haupt stattfinden kann, ist für mich eine Form von
Dara, dann überall, ein Hauch von Freiheit wehte sen die Häftlingszahlen in die Höhe, sodass sich im Und die Vernehmer, die mit den Folterwerkzeugen willkürlich Menschen zu verhaften. Aber niemand Gerechtigkeit, für die ich Deutschland danke«,
durch das unterdrückte Land. Verlies im Untergeschoss zeitweise mehr als 400 hantierten wie ein Fleischermeister mit seinen Haken. habe ihm geantwortet. sagt Mossallam K. Die Anwälte von Anwar R. und
In Damaskus rief Staatspräsident Baschar al- Menschen drängten. Manche der Zellen waren »Sie haben dabei oft gelacht«, sagt Mossallam K., »sie Kurz vor Weihnachten 2012 setzt sich Anwar Ejad A. wollen sich zu der Anklage der Bundes­
Assad die Chefs der Geheimdienste, der Polizei derart überfüllt, dass die Häftlinge im Stehen haben es genossen.« Es habe nichts gegeben, was man R. mit seiner Frau und fünf seiner Kinder nach anwaltschaft nicht äußern.
und der Armee zusammen. Am 20. April 2011 schlafen mussten, Toilettengänge waren nur ein- nicht mit den Gefangenen gemacht habe, sagt Ma- Jordanien ab – und vollzieht eine erstaunliche Generalbundesanwalt Peter Frank, der auch
entschied die Runde, den Aufstand mit Gewalt mal am Tag erlaubt, die hygienischen Bedingun- hamad A., 37, der als Wachmann im Gefängnis Wende: Er berät jetzt den syrischen Widerstand Haftbefehle gegen mehrere weitere hochrangige
niederzuschlagen. gen katastrophal. In der Abteilung 251 habe es diente und irgendwann desertierte, weil er die Grau- gegen Assad. Anwar R. sei sogar zum militärischen syrische Geheimdienstler erlassen hat, wirft Anwar
Kurz darauf versammelten sich in Duma, nord- praktisch kein Verhör gegeben, bei dem nicht ge- samkeiten nicht mehr aushielt. Sprecher der Exilopposition ernannt worden, sagt R. vor, sich aus »niederen Beweggründen« des
östlich von Damaskus, Schätzungen zufolge zwischen foltert wurde, heißt es in der Anklageschrift. Die Folter sei erst beendet worden, wenn der Kefa Ali Deeb, die in jener Zeit der Führung des Mordes und der Folter schuldig gemacht zu ha-
3000 und 6000 Menschen zu einer Demonstration Manchmal wendeten die Vernehmer eine Me- Gefangene in Ohnmacht gefallen sei, erinnert sich Widerstands angehörte. Auch das Auswärtige Amt ben. Folgt das Gericht der Anklage, droht R. eine
an der großen Moschee, Menschen, sie tanzten auf thode namens »Dulab« an, bei der die Häftlinge Ejad A., 43, der zweite Angeklagte, der 16 Jahre in Berlin bestätigt »eine aktive und sichtbare Rolle lebenslange Freiheitsstrafe, womöglich sogar mit
der Straße und riefen »Baschar, hau ab!«, so haben es in einen Autoreifen gezwängt und geschlagen und lang in verschiedenen Geheimdienst-Abteilungen des Herrn R. innerhalb der syrischen Opposition«. anschließender Sicherungsverwahrung. Er müsste
die deutschen Ermittler rekonstruiert. getreten werden. Bei einer anderen Foltermetho- diente, ehe er nach Deutschland floh. Der Bundesnachrichtendienst attestiert, R. habe dann den Rest seines Lebens in einem deutschen
Irgendwann fuhr ein dunkler Mercedes vor, er- de, dem »Fliegenden Teppich«, werden die Ge- Die Leichen ließen die Wärter nachts abtrans- sein Insiderwissen aus seinen 18 Jahren beim Ge- Gefängnis verbringen.
zählt der zweite Angeklagte in diesem Verfahren, fangenen an ein Brett gebunden und malträtiert; portieren, eingehüllt in Decken; sie wurden zu einer heimdienst der Opposition preisgegeben. Im Gefängnis an der Bagdadstraße, berichten
Anwar R.s ehemaliger Kollege Ejad A., der damals ein Scharnier erlaubt es, den Unterkörper nach Deponie 40 Kilometer südlich von Damaskus ge- Anwar R. fliegt nach Genf und nach Istanbul, Menschenrechtsorganisationen, wird derweil ge-
dabei war. Dem Mercedes entstieg Hafis Machluf, hinten abzuspreizen, bis die Gefangenen vor bracht und in ausgeschachtete Gräber geworfen. zu den internationalen Friedensgesprächen des foltert wie eh und je.
10 STREIT
»Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.« HELMUT SCHMIDT
2. A P R I L 2020 D I E Z E I T N o 1 5

DIE ZEIT: Seit dem Ausbruch des Coronavirus hilft maßen ein Fiasko. Jeder vernünftige Mensch sollte
die Bundeswehr im Inland – sie liefert etwa Schutz- dafür eintreten, dass wir Militär überall abbauen.
kleidung aus oder geht für Senioren einkaufen. Sind Hammouti: Und ich bin Soldatin geworden, weil
Sie stolz auf die Truppe, Herr Riexinger? ich etwas Sinnvolles für mein Land tun wollte.
Bernd Riexinger: Ich bin grundsätzlich nicht stolz Weil ich Kameradschaft und Engagement für un-
auf das Militärische. Es ist jetzt natürlich sinnvoll, sere Demokratie schätze. Ich sehe in Afghanistan,
wenn die Bundeswehr etwa Kapazitäten in ihren wie Menschen unterdrückt werden, ihre Meinung
Krankenhäusern zur Verfügung stellt. Ich bin aller- nicht frei äußern können, und für ihr Recht dazu
dings dagegen, dass die Armee im Inneren eingesetzt stehe ich ein. Dieses Recht verteidige ich für alle
wird, also praktisch Polizeigewalt bekommt. Die Menschen. Auch für Sie, Herr Riexinger.
klare Trennung hat ja gute historische Gründe. ZEIT: Seit der Aussetzung der Wehrpflicht hat die
Nariman Hammouti: Also, ich bin sehr stolz auf Bundeswehr allerdings ein Nachwuchsproblem,
meine Kameradinnen und Kameraden. Es haben und womöglich nicht nur ein zahlenmäßiges.
sich jetzt unter anderem Tausende Reservisten frei- 2019 wurden laut Wehrbericht 45 Soldaten wegen
willig zum Dienst gemeldet. Sie alle gehen das Risi- Rechtsextremismus vorzeitig aus dem Dienst ent-
ko ein zu erkranken. Hier bei der Marine in Wil- lassen. Rekrutiert sich die Bundeswehr wirklich
helmshaven gehen wir für ältere Bürger einkaufen. noch aus der Mitte der Gesellschaft?
Das ist gelebte Kameradschaft. Sobald wir in diesem Hammouti: Ja. Der Militärische Abschirmdienst
Land gebraucht werden, melden wir uns. und Vorgesetzte sind bestrebt, Radikale herauszu-
Riexinger: Es gibt gerade viel Alltagssolidarität. filtern. Seit dem 1. Juli 2017 wird jeder Soldat si-
Man muss dazu keinen besonderen patriotischen cherheitsüberprüft. Leider erwischen wir noch
Stolz haben. Auch Mitglieder der Linkspartei hel- nicht jeden. Und leider ist die Truppe seit der Aus-
fen älteren Menschen beim Einkaufen. setzung der Wehrpflicht von der Bildfläche ver-
ZEIT: Unionspolitiker wollen den Artikel 35 des schwunden. Dabei wäre es wichtig, hervorzuhe-
Grundgesetzes ändern, damit die Bundeswehr im ben, wie vielfältig und bunt sie ist. Ich denke, das
Inneren nicht nur bei Naturkatastrophen und gro- war ein Motiv unserer Ministerin: zu zeigen, es

Soll die
ßen Unglücken eingesetzt werden könnte, sondern gibt auch schwarze Soldaten, oder Soldatinnen mit
auch bei einer Pandemie. Wäre das richtig? einem arabischen Migrationshintergrund wie
Riexinger: In der CDU wollen manche schon im- mich. In 15 Jahren Bundeswehr habe ich übrigens
mer die Trennung zwischen Polizei und Bundes- deutlich mehr Diskriminierung und Rassismus
wehr aufweichen und nutzen jetzt die Lage. Das ist außerhalb der Truppe erlebt als innerhalb.
weder nötig, noch richtig. Wer den Einsatz der Bun- Riexinger: Natürlich gibt Rechtsextremisten über-
deswehr im Inneren fordert, ist geschichtsvergessen. all in der Gesellschaft. Aber die Bundeswehr zieht
Wir haben die schlimmsten Erfahrungen gemacht durch ihre autoritären Strukturen vermehrt Leute

Bundeswehr
mit dem Einsatz der Reichswehr im Inneren. an, die dafür anfällig sind. 550 laufende Verdachts-
Hammouti: Wir sind die Bundeswehr, nicht die fälle wegen Rechtsextremismus sind eine Menge.
Reichswehr oder gar die Wehrmacht! Wir haben ge- Die Bundeswehr muss sich fragen, ob sie durch
schworen, das Recht und die Freiheit des deutschen ihre Strukturen solches Gedankengut fördert. Sie
Volkes zu verteidigen. Wir wurden auf unser Grund- muss, was das angeht, ihr Immunsystem stärken!
gesetz vereidigt. Das hat nichts mit Nazitum zu tun. ZEIT: Hier sind Sie zwei sich womöglich mal einig.
Riexinger: Deshalb sollten Sie auch nicht in die Hammouti: Beim Kampf gegen Extremismus si-
Lage geraten, im Land eingesetzt zu werden, son- cherlich. Von diesen Leuten darf niemand Zugang
dern eben das Grundgesetz beachten. zu Waffen haben.

in den
Hammouti: Wir achten alle unsere Geschichte. ZEIT: Herr Riexinger, müssten dann nicht gerade
Auch als Vorsitzende des Vereins »Deutscher.Sol- Sie als Militärskeptiker daran interessiert sein, dass
dat.« gehöre ich zu den vielen, die sich gegen Ras- die Armee wieder enger mit der Zivilgesellschaft in
sismus und jegliche Diskriminierung einsetzen. Berührung kommt?
Und ich bin stolzer deutscher Marineoffizier. Die- Riexinger: Ich erwarte, dass die Bundeswehr das
ses Klischeebild vom 1,85 Meter großen Soldaten leistet, ja. Solange es sie gibt, müssen wir darauf
mit kurz geschorenen blonden Haaren, der rechts- achten, dass sie Bestandteil der Demokratie bleibt.
radikal ist – das gibt es in der Realität so gut wie gar Genau das spricht allerdings dagegen, das Militä-
Foto: Philotheus Nisch für DIE ZEIIT; kl. Fotos: Janine Schmitz/Photothek; Michael Löwa/laif

Kasernen
nicht. Klar, auch die Truppe hat schwarze Schafe. rische hervorzuheben, zum Beispiel auch durch
Die gibt es aber auch im Bundestag und überall öffentliche Gelöbnisse.
sonst. Das ist kein Grund, eine Verbindung zwi- Hammouti: Was haben Sie dagegen? Ich war kürz-
schen Wehrmacht und Bundeswehr herstellen. lich Gast beim Gelöbnis vor dem Bundestag. Meine
Riexinger: Ich rede nicht von Vergleichen, sondern Kameradinnen und Kameraden waren stolz darauf,
von historischen Schlussfolgerungen. dort zu stehen und zu schwören, »das Recht und die
ZEIT: Reden wir mal von kleinen Veränderungen. Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen«.
Die Verteidigungsministerin möchte die Streitkräfte Wir sollen also für dieses Land den Kopf riskieren –
öffentlich sichtbarer machen, auch durch Gratis- aber man soll uns nicht sehen? Das regt mich auf!

bleiben?
Bahnfahrten für Bundeswehrangehörige in Uni- Riexinger: Das muss nicht öffentlich passieren.
form. Herr Riexinger, wie fänden Sie es, Frau Ham- Die Bundeswehr kann in ihren Kasernen bleiben,
mouti in Uniform in der Bahn zu treffen? wenn Eide geleistet werden.
Riexinger: Ich hätte gar nichts dagegen. Ich halte Hammouti: Sie wollen ausschließen, was Sie nicht
diese Regelung allerdings für eigenartig. Wenn sehen wollen!
man will, dass bestimmte Leute umsonst Bahn Riexinger: Ich bin gegen die Zurschaustellung von
fahren – und wir als Linke wollen das perspekti- Uniformen, gegen dieses ganze Tamtam, etwa auch
visch für alle –, dann hätte ich eher mit Pflegerin- mit Militärmusik. Die Bundeswehr gerät nicht nä-
nen oder anderen sozialen Berufen angefangen. Es her an die Gesellschaft, indem sie vor dem Bundes-
gibt keinen Grund, Berufssoldaten zu bevorzugen. tag eine Parade abhält. Das ist eine Inszenierung.
Hammouti: Also ich kenne keine Pflegerin, die Hammouti: Es geht um mehr Normalität. Wir
wechselnde Dienstorte vorgeschrieben bekommt sind ja schon froh, wenn wir vom Dienst kommen
und zum Beispiel von Bayern nach Flensburg und nicht angestarrt werden. Bei mir war das in
pendeln muss. Natürlich kann man sagen, dann Corona-Krise hin oder her, Soldaten gehören nicht in den öffentlichen Raum, findet der meiner Nachbarschaft anfangs auch so, wenn ich
müssen Soldaten eben umziehen, aber das geht etwa nach Dienstschluss noch in Uniform in den
vielleicht wegen der Familie nicht. Außerdem ge- Linkspartei-Chef Bernd Riexinger. Oh doch!, entgegnet die Offizierin Nariman Hammouti Laden um die Ecke einkaufen gegangen bin.
hören wir in die Mitte der Gesellschaft, Unifor- ZEIT: Auch Polizisten oder Feuerwehrleute riskie-
men sind ja nichts Schlimmes. Und wenn Pfleger ren ihre Gesundheit für die Allgemeinheit, kom-
und Krankenschwestern auch kostenlos mit der men aber ohne Gelöbnisfeiern aus. Warum
Bahn fahren wollen, na, vielleicht setzt sich dann braucht die Bundeswehr sie?
mal das Gesundheitsministerium dafür ein? Zug einen Notfall gibt, wen rufen Sie? Wenn Sie gegen die Mandate sind. Offen gesagt, reiße ich ter anstrengenden und gefährlichen Bedingungen. Hammouti: Polizisten oder Feuerwehrleute setzt
Riexinger: Die Verteidigungsministerin hat hier wissen, da sitzt ein Offizier, dann doch vielleicht mich nicht darum, in solchen Einsätzen meinen Verdienen sie dafür nicht mindestens genauso viel niemand pauschal mit Mördern gleich.
doch bewusst ein Exempel statuiert und gesagt, wir ihn. Wir sind schließlich alle ausgebildet und müs- Kopf hinzuhalten. Ich war zweimal in Afghanistan Anerkennung wie Polizisten oder Feuerwehrleute? Riexinger: Eines beunruhigt mich sehr, Frau­
wollen ausdrücklich Leute in Uniform in der Bahn sen jedes Jahr unter anderem zum Sanitätstraining. und habe Sachen gesehen, die ich lieber nicht gese- Riexinger: Der Soldatenberuf ist kein Beruf wie Hammouti: dass Sie so ein unkritisches Bild von
sehen. Das war kein sozialer Akt. Es geht darum, im Riexinger: Was nutzt es, wenn Berufsgruppen, die hen hätte. Aber die Soldaten sind nun mal im Aus- jeder andere. Man wird zum Kämpfen und zum der Bundeswehr haben. Von Ihnen als Offizierin
öffentlichen Raum das Militärische zur Selbstver- nicht für die öffentliche Sicherheit zuständig sind, land, Herr Riexinger. Wie andere war auch ich mit Töten ausgebildet. Dieses Berufsbild erfordert kei- erwarte ich mehr kritische Distanz zu Ihrer Arbeit,
ständlichkeit zu machen. Dagegen bin ich. öffentlich Uniform zeigen? Für die Sicherheit der schlechter Ausrüstung unterwegs. Mit einer Schutz- nen besonderen Respekt. Meinen vollen Respekt zu Ihrem Dienst an der Waffe. Es geht mir zu viel
Hammouti: Warum? Wollen Sie eine ganze Berufs- Bürgerinnen und Bürger hat die Polizei zu sorgen. weste, die mir nicht passte, weil es nicht genügend haben die Menschen, die bei der Bundeswehr ar- um Stolz bei Ihnen.
gruppe ausklammern? Bei ihr ist lange zu viel Personal eingespart wor- in meiner Größe gibt. Ich saß in Fahrzeugen, die beiten. Ich habe so viel Respekt vor ihrem Leben Hammouti: Ich bin aber nun mal stolz auf meinen
Riexinger: Nein, ich wende mich gegen eine Be- den, sie muss vernünftig ausgestattet sein. ungenügend gepanzert waren. Wenn ich deswegen und ihrer Gesundheit, dass ich sie davor schützen Beruf und auf mein Land. Gleichzeitig sehe ich
vorzugung. Für eine Gruppe, die nicht zu den so- Hammouti: Schön, dass Sie das sagen. Wenn Sol- ums Leben komme, was sollen dann meine Ange- möchte, in Auslandseinsätze gehen zu müssen. durchaus vieles in der Bundeswehr kritisch. Bei uns
zial Schwächsten gehört, hat man mit Steuermit- daten vom Bundestag in einen Einsatz geschickt hörigen vom Bundestag denken, der mich in den Hammouti: Das verstehe ich nicht. Wenn Sie­ läuft wirklich auch einiges schief.
teln ein Privileg geschaffen, um ein politisches werden, scheinen Sie das anders zu sehen. Im Mo- Einsatz geschickt hat? diese Menschen respektieren und sich um ihr ZEIT: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee
Signal zu senden. Der Verteidigungsministerin ment müssen wir mit teils 30 Jahre altem Equip- Riexinger: Ich sage doch nicht, dass Sie schlecht Wohlergehen sorgen, müssten Sie dafür sein, sie und Herr Riexinger als Abgeordneter einer ihrer
geht es um Aufrüstung. Die Bundeswehr soll in ment klarkommen. Haben Soldaten weniger An- ausgerüstet werden sollten. Die Bundeswehr be- möglichst gut auszustatten. Haben Sie mal einen Auftraggeber. Haben Sie einen konkreten Wunsch
noch mehr Ländern eingesetzt, mi- recht auf eine gute Ausstattung? kommt dieses Jahr 50 Milliarden Euro. Allein die Truppenbesuch gemacht und sich an ihn, Frau Hammouti?
litärische Lösungen sollen nach Riexinger: Die Linke hat bisher ge- Etat-Erhöhung ist mehr als alle Mittel für Klima- ein Bild davon verschafft, wie mei- Hammouti: Nächstes Jahr gehe ich
vorn gerückt werden. gen alle Auslandseinsätze der Bun- schutz zusammen. Es läuft in der Beschaffung viel ne Kameradinnen und Kameraden wahrscheinlich in den Einsatz nach
ZEIT: Frau Hammouti, Polizisten deswehr gestimmt ... schief: Da arbeiten 11.000 Leute, trotzdem brau- in Mali oder in Afghanistan leben Mali. Besuchen Sie mich dort! Da-
dürfen schon länger kostenlos Bahn Hammouti: Ja, weiß ich! chen sie noch Berater, die viele Millionen kosten. und arbeiten? mit Sie ein besseres Bild von uns
fahren, auch weil sie das Sicher- Riexinger: ... das heißt, es ist nicht Die Verteidigungsministerin will sogar zwei Prozent Riexinger: Ich habe den Wehrdienst haben, wenn es im Bundestag um
heitsgefühl der Passagiere steigern. gerade unsere Aufgabe, zu fordern, des Bruttoinlandsproduktes für die Bundeswehr verweigert, und ich war noch nie uns Soldaten geht.
Würden Sie das von Soldatinnen dass die Truppe besser ausgestattet ausgeben, das wären 85 Milliarden Euro – mehr als beim Militär, aus guten Gründen. Riexinger: Danke, ich werde drüber
und Soldaten auch behaupten? sein muss. Wir sagen vielmehr, die das, was die Atommacht Russland ausgibt. Ich habe keinen besonderen Respekt nachdenken.
Hammouti: Ich weiß nicht, ob ich Bundeswehr hat im Ausland nichts ZEIT: Frau Hammouti geht es wohl nicht allein um vor Leuten, die in den Auslandsein-
in Uniform Sicherheitsgefühle aus- verloren. Geld, sondern auch um Respekt. Soldatinnen und satz gehen. Diese Einsätze, vor allem Das Gespräch moderierten
löse, aber wieso nicht? Wenn es im Hammouti: Ich respektiere, dass Sie Soldaten leben und arbeiten in Krisenregionen un- der in Afghanistan, sind erwiesener- Jochen Bittner und Stefan Schirmer

Bernd Riexinger, 64, Nariman Hammouti, 40,


ist seit 2012 Co-Vorsitzender der Linkspartei. Der Bankkaufmann und langjährige nahe Hannover als Kind marokkanischer Eltern geboren, kam 2005 zur Bundeswehr
Gewerkschaftssekretär aus Stuttgart sitzt seit 2017 im Bundestag. Im vergangenen und ist heute Leutnant zur See. Sie leitet den Verein »Deutscher.Soldat.«, der
Jahr rief er zu Protesten gegen öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr auf für »Vielfalt als Normalität« eintritt. 2019 erschien ihr Buch »Ich diene Deutschland«
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 STREIT 11
TITELTH EM A: WI E SCHÜTZ EN WI R D I E S C H W A C H E N ?

Eingeschlossen
mit dem Peiniger
Wenn die häusliche Gewalt in den kommenden Wochen explodiert,
wird die Bestürzung groß sein. Was für eine Heuchelei  VON ANTJE JOEL

etzt also sorgen sie sich, die Politiker. Und strampeln. geliefert sind, könnte ja jemand auf die Idee kommen, Männergewalt gegen die Partnerin (beziehungsweise die Die Fallzahlen sind nahezu unverändert, seit 40

Illustration: Karsten Petrat für DIE ZEIT; kl. Fotos: Marta Faye; Urban Zintel für DIE ZEIT (u.)
Plötzlich wollen sie alles daransetzen, Frauen zu hel- die Politiker seien mit schuld. Form der Gewalt, die der Begriff »häusliche Gewalt« Jahren. Laut Bundeskriminalamt sind sie in den ver-
fen, deren Männer eine Bedrohung für sie sind. Leer Es sterben mehr Männer als Frauen an den unmit- gemeinhin umschreibt) hingegen ist systematisch. Ihr gangenen drei Jahren um zehn Prozent gewachsen.
stehende Hotels könnten angemietet werden, um telbaren Folgen des Virus, so viel ist wahr. In jeder an- Ziel ist Kontrolle, ist Macht. An dem akuten Anstieg, so liest man, sei die Corona-
temporär mehr Frauenhausplätze zu schaffen, schla- deren Hinsicht stehen Frauen auch hier weltweit an der Der englische Begriff coercive control, »Zwangskon- Krise schuld. Als sei es das Virus, das zuschlägt. Als
gen die einen vor. Von einer »Ausnahmesituation« Front. Sie stellen in deutschen Krankenhäusern gut 70 trolle«, beschreibt die systematische Unterwerfung eines seien es nicht Männer. Keine Frage: Mehr Frauen-
sprechen einige Medien. Die durch die Corona-Pan- Prozent des Pflegepersonals. Sie übernehmen die häus- anderen. Anfänglich oft mittels langsam gesteigerter hausplätze werden dringend gebraucht. Deutschland
demie verursachte Unsicherheit, die Isolation und der liche Pflege alter oder kranker Familienmitglieder – da psychischer Gewalt, wie Erniedrigungen, Demütigun- hat sich verpflichtet, sie zur Verfügung zu stellen.
damit verbundene Druck führen zu vermehrter Ge- sie meist eh weniger verdienen als die Männer. Sie gen und finanzieller oder sozialer Isolation. Social Dis- Laut Istanbuler Konvention, jenem Vertrag, mit dem
walt in den Familien. Plötzlich gibt es nicht einmal kümmern sich nach Schließung der Schulen und Kitas tancing beispielsweise gehörte schon vor der Corona- sich die Unterzeichnenden zum Kampf gegen Ge-
mehr stundenweises Entkommen für die Frauen, öfter um die Betreuung der Kinder. Die Behauptung, Krise zum Regelwerk des Gewalttäters. Und das Sich- walt gegen Frauen verpflichten, muss die Bundesre-
plötzlich können ihre Peiniger permanent kontrollie- dass die Pandemie Männer schlimmer treffe als Frauen, zurechtbiegen und Sichzunutzemachen bestehender gierung umgerechnet auf ihre Gesamtbürgerzahl
ren, ob sie am Telefon um Hilfe bitten. In Frankreich ist so falsch wie die immer wiedergekäute Behauptung, Sitten, Regeln und Umstände. Bei einer Notrufstelle in 21.400 Plätze anbieten. Es gibt, auch zwei Jahre nach
haben Frauenrechtlerinnen schon ein Codewort ent- dass Männer auf dieselbe Art Opfer von häuslicher Ge- New York meldete sich eine Frau, deren Partner ihr Deutschlands später, sehr später Ratifizierung des
wickelt: Wenn Frauen in Apotheken nach »Maske walt werden (oder werden könnten) wie Frauen. wiederholt drohte, sie auf die Straße zu setzen, damit Vertrages, gerade mal 6800 Plätze.

D
Nummer 19« fragen, soll die Polizei alarmiert werden. Es geht nicht darum, männlichen Gewaltopfern Hilfe sie sich mit dem Coronavirus infiziere.
In China stieg die Gewalt in der Isolation um das zu versagen. Aber der oft fast reflexhafte Verweis aus Evan Stark sagt auch, dass er in seinen mehr als 30 ie Bundesfamilienministerin hat
Dreifache. Spanien meldet ähnliche Zahlen. In Eng- Gerichten, Presse, Politik, dass Männern »so etwas auch Forschungsjahren auf dem Gebiet nie einem Fall be- jüngst 120 Millionen Euro für neue
land gingen bei den Frauennotrufen schon in den passiert«, entschuldigt und fördert damit Gewalt gegen gegnet sei, in dem die Frau auf die gleiche Art, mit dem Frauenhäuser und Beratungsstellen
Wochen vor der Isolation »deutlich mehr« Hilferufe Frauen. Sie ist nicht zu entschuldigen. Nicht mit der gleichen persönlichkeitsvernichtenden Effekt Gewalt versprochen. Bevor jemand das für
ein als an normalen Tagen. Hier ein Maßstab, was Arbeitslosigkeit der Täter, nicht mit Stress und auch über ihren Mann ausgeübt habe. Eine britische Studie, den Durchbruch hält: Den 120 Mil-
»deutlich mehr« ungefähr bedeutet: An normalen nicht mit der Angst davor, dass Corona Männern die die Männer befragte, die sich als Opfer häuslicher Ge- lionen gegenüber stehen 3,8 Mil­liar­den Euro, die
Tagen fährt die britische Polizei alle 30 Sekunden zu wirtschaftliche Existenz rauben könnte. Und nicht mit walt erlebt hatten, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: häusliche Gewalt und ihre Folgen Jahr für Jahr
einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt. Ausgangssperren und steigendem Alkoholkonsum. In maximal ein bis zwei Prozent der untersuchten Fälle unsere Gesellschaft kosten. Mit einem Mangel an

F
Ausnahmesituation? Die ist für Millionen Frauen könne man von Zwangskontrolle sprechen. Die For- Geld lässt sich die offenkundige Trägheit nicht­
in Deutschland Alltag. rauen grundsätzlich die Fähigkeit zur Ge- scher machten noch eine Entdeckung: So zurückhaltend begründen.
Ich nenne sie hier noch mal schnell, die langweiligen walt abzusprechen ist falsch. Frauen brül- die Männer waren, ihre eigenen Übergriffe als Gewalt Die Weltgesundheitsorganisation hat die Ursache
Fakten: Jede dritte Frau auf der Welt erfährt wenigstens len. Beleidigen. Sie werfen mit Tassen und zu werten, so schnell fühlten sie sich selbst als Opfer. für die Gewalt schon vor Jahren benannt: Gewalt gegen
einmal in ihrem Leben Gewalt von ihrem Partner oder Tellern. Sie schlagen. Das bestätigen meh- In England wurde Zwangskontrolle als »zielgerich- Frauen sei Ausdruck der historisch ungleichen Macht-
Ex-Partner. Das sind in Deutschland zwölf Millionen rere Studien. Teilweise ziehen diese – Kri- tetes Muster von Vorfällen über den Lauf der Zeit, damit verhältnisse zwischen den Geschlechtern, die zur Vor-
Die Autorin Frauen. Jeden Tag versucht hier ein Mann, seine Ex- minalstatistiken zum Trotz (laut Bundeskriminalamt eine Person Macht, Kontrolle oder Zwang über einen herrschaft von Männern und Diskriminierung von
Antje Joel oder aktuelle Partnerin zu ermorden. Jeden dritten Tag waren im vergangenen Jahr 81 Prozent der Opfer anderen ausüben kann«, 2015 unter Strafe gestellt. Frauen durch Männer und zur Verhinderung des vollen
absolviert an der ist einer erfolgreich. Das haben wir mittlerweile tausend- häuslicher Gewalt Frauen) – daraus den Schluss, die Zweieinhalb Jahre später offenbarte sich dieses Gesetz Fortschritts von Frauen geführt haben.
Universität in undeinmal gelesen und gehört. Und trotzdem scheint Gewalt in Beziehungen sei gleichwertig verteilt. Un- als leere Geste. Von 7034 Festnahmen in England und Häusliche Gewalt ist nur eine Form dieser Ge-
Worcester, UK, die Mehrheit noch nicht alarmiert zu sein. Nachdem populär, aber wahr ist: Es gibt eine Hierarchie der ­Wales waren nur 1157 Täter vor Gericht gestellt und walt. Experten nennen sie ein staatliches Verbrechen.
den Masterstu- die ZEIT im Dezember jede der 122 im Vorjahr von Gewalt. Es gibt einen Unterschied zwischen einer 235 verurteilt worden. In den USA schaffte die Trump- Darüber hätte ich gern mit Frau Giffey gesprochen.
diengang »Under- ihrem Ex- oder Lebenspartner ermordeten Frauen do- Ohrfeige und dem Auf-die-Intensivstation-Prügeln. Regierung den Straftatbestand der Zwangskontrolle Oder mit sonst einem Verantwortlichen. Die ZEIT
standing Domestic kumentiert hatte, kommentierte ein Leser unter dem Es gibt einen Unterschied zwischen Beleidigungen 2018 ab. In Deutschland war diese niemals strafbar. hatte gleich ein paar von ihnen zum Gespräch ein-
Violence and ­ Artikel: »Wir reden hier über 122 Taten bei 80 Mio. und systematischen Erniedrigungen, die zum Ziel Ich hätte die Bundesministerin für Familie und geladen, zum Beispiel auch die Bundesjustizministe-
Sexual Assault« Einwohnern. Das ist eine absolute Nischenzahl, die haben, den anderen zunichtezumachen. Frauen Franziska Giffey (SPD) – oder irgendeinen rin. Alle antworteten sinngemäß: Ist nicht unser Bier.
keinerlei Aussagekraft über das männliche Geschlecht Wer die Gewalt in Beziehungen messen will, muss anderen verantwortlichen Politiker – gern gefragt: Wa- Fragen Sie anderswo. Auch Frau Giffey ließ ausrich-
hat. (...) Warum so ein Männerhass?« Ungleiches unterscheiden, sagt der US-Forensiker Evan rum sehen Sie dem tatenlos zu? Warum tun Politiker ten, dass sie so einem Gespräch »leider nicht zusagen
Ich denke: Besser bringt man die dominierende Stark. Er forscht seit mehr als 30 Jahren dazu, wie Män- auch hierzulande so, als sei häusliche Gewalt in erster kann«. Sie bat um Verständnis. Auch das noch.
Haltung in Gesellschaft und Politik nicht auf den ner im täglichen Leben Frauen als Geiseln nehmen. Die Linie ein privates Problem, eine Kabbelei zwischen zwei
Punkt. Und wenn es nun »die paar mehr« Frauen durch Beziehungsgewalt, die von Frauen ausgeht, ist dem­ Menschen, die es halt nicht gebacken kriegen? Als Von Antje Joel erschien im Januar bei Rowohlt
die Ausgangsbeschränkungen in der Corona-Krise er- gegen­über vor allem situativ. Sie ist meist ein auf den könnten wir alle, wenn überhaupt, nur die Symptome das Buch »Prügel. Eine ganz normale Geschichte
wischen wird, wird Politiker wohl vor allem die Sorge Augenblick bezogener, fehlgeleiteter Versuch der »Pro- der Gewalt bekämpfen: Frauenhäuser bauen, Notrufe häuslicher Gewalt« (336 S., 12,– €), in dem
um sich selbst treiben: Jetzt, wo die Frauen auf staatliche blemlösung«. Beispielsweise, wenn ein Mann sagt: »Ich einrichten, ein bisschen Tätertherapie betreiben. Warum die Autorin unter anderem über die Gewalt schreibt,
Anweisung ihrem Peiniger in heimischer Isolation aus- habe dich betrogen«, und die Frau schlägt im Affekt zu. interessieren sich die Politiker nicht für die Ursachen? die sie selbst über Jahre in zwei Ehen erlebt hat

60
ZEILEN

LIEBE
Schluss mit »Bleiben Sie gesund«: Was wir den letzten Verteidigern der Normalität verdanken  VON PETER DAUSEND

Ach, was waren das doch für Zeiten, als die Men- Konventionalisten in meinem An­sehen. Als die letz- der beim ersten Husten regelmäßig kollabiert; wieso kann – schnuppe. Ob der Deutsche Sachbuchpreis
schen zur Begrüßung noch beherzt »Guten Tag« ten Verteidiger der Normalität. die USA, das wirtschaftlich stärkste Land der Erde, nicht doch vergeben werden sollte, ob Videochats nun
sagten und nicht ein besorgt-verzagtes »Wie geht’s Mit den Guten-Tag-Sagern und Auf-­Wie­der­sehen-­ sich nun als gesundheitspolitisches Burkina Faso er- das Lagerfeuer der Moderne sind, ob D ­ onald Trump
dir denn?« herauswimmerten. Und beim Abschied Be­wah­rern, so meine Erfahrung, muss man auch weisen; weshalb Südkorea, Taiwan, Japan so viel bes- oder Jair Bolsonaro nun der größte Corona-Trottel ist,
ein hoffnungsfrohes »Auf Wiedersehen!« erklingen nicht schon wieder über das reden, worüber nun alle ser klarkommen mit dem Virus als Italien, Spanien, den Sars-CoV-2 je ge­sehen hat – einerlei.
ließen und kein verzagt-besorgtes »Bleiben Sie ge- reden. Ob die Kontaktsperre verlängert wird, wie Frankreich – egal. Wann die Bundesliga wieder­ Den Verteidigern der Normalität ist nichts der Rede
Peter Dausend sund!« wünschten. Sie fangen an, mir auf die Nerven lange die Wirtschaft den Shutdown aushalten kann, startet, ob Ursula von der Leyen ihren Krisenhaushalt wert, worüber alle reden. Telefonate mit ihnen – per-
ist Politischer zu gehen, diese Wie-geht’s-denn-Bemutterer und warum man nicht genügend Schutzkleidung für hinbekommt, wann Jürgen Drews endlich wieder sönlich treffen darf man sie in diesen Tagen und Wo-
Korrespondent Bleiben-Sie-gesund-Beter. Mit jedem Tag, an dem Ärzte, nicht genügend Beatmungsgeräte für Patienten nach Mallorca darf – piepenhagen. Ob Dax-­ chen, womöglich Monaten nicht – erweisen sich als
im Hauptstadt- Corona-Sondersendungen und -Brennpunkte ein und nicht genügend Testmaterial für verunsicherte Konzerne ihren Aktionären noch Dividende auszah- Oasen der Erholung. Sie sagen »Guten Tag« und nach
büro der ZEIT bisschen mehr zum ARD-ZDF-Standardprogramm Bürger herstellen kann – kein Wort darüber. Warum len, warum man keine Adidas-Schuhe mehr kaufen etwa einer Viertel-, manchmal auch nach einer halben
mutieren, steigen die Guten-Tag-/Auf-Wiedersehen- die Briten ihren National H
­ ealth Service so verehren, sollte, wann Eric Clapton wieder Konzerte geben Stunde »Auf Wiedersehen«. Der Rest ist Schweigen.

Online mitdiskutieren: Mehr Streit finden Sie unter zeit.de/streit


12 IN DER ZEIT 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

TITELTHEMA
Corona-Krise: Wie schützen wir die Schwachen?

ZEITNAH
POLITIK Handel  Viele Einzelhändler und kleine Reportage  Ein Besuch in Israel

INHALT
Unternehmen kämpfen ums Überleben  bei Jeff Wilbusch, dem Star aus der
Italien  Ein Aufruf von Ministerpräsident
VON ANN - K ATRHIN NEZIK A 21 Netflix-Serie »Unorthodox« 
Giuseppe Conte an die Europäer  2
VON S E BASTIAN KE MPKE N S 47
Wirtschaftspolitik  Wie wird die Welt
Gerechtigkeit  In der Krise offenbart
nach Corona aussehen?  Roman  Frank Witzel »Inniger
sich die soziale Spaltung Deutschlands 
VON FRIE DRICH ME RZ 22 Schiffbruch«  VON MORITZ BAS S LE R 48
VON ROBE RT PAU SCH ,
E LI SABETH R AETHE R U ND Führung  Der Psychologe Niels Van ­ Memoiren  Markus Meckel
BE RND U LRICH A3 Quaquebeke erklärt im Interview, was »Zu wandeln die Zeiten« 
Chefs im Moment leisten müssen  23
Desinformation  Wie russische Staats- VON CHRI STOPH DIECKMANN 48
medien versuchen, Europa in den Zeiten Krisenhilfe  Arbeitsagenturen,
Banken und Behörden müssen einen Interview  Ein Gespräch mit Hetty Berg,
von Corona zu verunsichern  der neuen Direktorin des Jüdischen
VON CHRI STIAN FUCH S , riesigen Ansturm bewältigen 
Museums Berlin  49
LU I SA HOMME RICH U ND VON VIOLA DIEM UND KOLJA RUDZIO 23
PAU L MIDDE LHOFF 4 Mieten  Welche Hilfen der Staat Replik  Warum man Uwe Tellkamp
nun gewährt und wie das funktioniert  unrecht tut 
Armin Laschet  Für den nordrhein-­
VON J E N S TÖNNES MANN 24 VON MARTIN MACHOWECZ 50
westfälischen Minister­präsidenten wurde
Foto: CP Krenkler für DIE ZEIT

der Landkreis Heinsberg in der Corona- Europa  Die Finanzierung der Krise Kolumne  Über den Linden 
Pandemie zum Demokratie-Labor  spaltet den Kontinent  VON GEORG BLUME VON MA XIM BILLE R 50
VON MARIAM L AU A4 U ND MARK SCHIE RITZ 25
Kunst  Eine Ausstellung und ein Buch
Regierung  Das Innenministerium Serie: Die Erste (11)  Judit Polgár war zum 500. Todestag von Raffael 
ist zur treibenden Kraft bei der Krisen­ die erste Schachspielerin, die nur gegen VON ALE X ANDE R CAMMANN 51
bewältigung geworden  Männer antrat 
VON MARC BROST 5 VON MICHAE L ALLMAIE R 26 Pop  Das neue Werk der Elektro-

Arbeiten im Katastrophengebiet New York  Unterwegs mit einer Ärztin,


die in Brooklyn gegen die Epidemie
Musikerin Arca  VON J E N S BALZE R
Film  »Norte, the End of History« von
51

kämpft  VON KE RSTIN KOHLE NBE RG 6


WISSEN
Wie weit kann, darf man zurzeit gehen bei einer Recherche? Vor dieser Frage stand Kerstin Lav Diaz  VON K ATJA NICODE M U S A 51
Eingesperrt  Wie geht es den Kindern
Kohlenberg (li.), Amerika-Korrespondentin der ZEIT, als sie über die Corona-Pandemie in Jenseits der Seuche  Was sonst noch
dysfunktionaler Familien in Zeiten des
auf der Welt geschieht  8
New York schreiben sollte. Zunächst wollte sie alles telefonisch erledigen, traf sich dann aber Corona-Lockdowns?  KINDER- & JUGENDBUCH
Justiz  Ein syrischer Folterknecht
doch persönlich mit ihren Gesprächspartnern. Zu den Treffen radelte sie, um die U-Bahn zu VON J EANNETTE OTTO U ND
LUCHS des Monats  Das Bilderbuch
kommt in Deutschland vor Gericht  JOHANNA SCHOE NE R 27
vermeiden. Schließlich begleitete sie die Ärztin Sigrid Wolfram (re.) sogar in die Notaufnahme VON MOHAME D AMJAHID U ND
»Der Koffer« erzählt die Geschichte einer
des Kings County Hospital in Brooklyn – dort trug sie natürlich Mundschutz  POLITIK , SEITE 6 Ethik  Der Vorsitzende des Ethikrats Flucht und ist ein anrührender Appell an
HOLG E R STARK 9
Peter Dabrock und der Jesuit Klaus Mertes Mitgefühl und Menschlichkeit 
streiten über die Abwägung zwischen VON K ATRIN HÖRNLE IN 53
STREIT Seuchenschutz und Nächstenliebe  29
Gegen den Corona-Lagerkoller: 
Bundeswehr  Sollen Soldaten im Gesundheit  Sollen Gesunde Die LUCHS-Juroren empfehlen
öffentlichen Raum sichtbarer werden? Atemmasken tragen? An dieser Frage zeigt fünf Neuerscheinungen zur gemeinsamen
Ein Streitgespräch zwischen dem Politiker sich die Spannung zwischen politischem Lektüre für Eltern und Kinder 53
Bernd Riexinger und der Offizierin Kalkül und wissenschaftlicher Beweislage 
Nariman Hammouti  10 VON MA XIMILIAN PROBST A 31

Hoffen auf Heilung  Die Suche GLAUBEN & ZWEIFELN 


Häusliche Gewalt  Wenn die Fallzahlen
in den kommenden Wochen explodieren, nach einem Impfstoff geht weiter  Seelsorge  Spanische und italienische
wird die Bestürzung groß sein. Was für VON HARRO ALBRECHT 31 Ärzte leiden, weil sie so vielen Corona-
eine Heuchelei!  Patienten nicht mehr helfen können.
Infografik  Vor 150 Jahren begann
VON ANTJ E JOE L 11 Heinrich Schliemann mit den Die Deutschen bereiten sich auf den
Foto: Dominik Asbach für DIE ZEIT
Foto: Philipp Horak/Anzenberger

60 Zeilen Liebe  Ausgrabungen in Troja. Eine Gegenüber- Ernstfall vor 


VON PETE R DAU S E ND 11 stellung von Mythos und Realität  32 VON K ARIN CE BALLOS BETANCU R ,
EVE LYN FING E R U ND
Anthropologie  Von der Vorstellung
eines übersichtlichen Stammbaums des U LRICH L ADU RNE R 54
DOSSIER Menschen müssen wir uns verabschieden 
Wie geht es den Alten?  Ein Senioren- VON U LRICH BAHN S E N U ND
Z – ZEIT ZUM ENTDECKEN
heim bei Tübingen. Die Bewohner sind U RS WILLMANN A 33
von der Welt abgeschnitten, allein mit Singles  Normalerweise macht man über
Internat  100 Jahre Schule Schloss Salem 
Immer auf Angriff Gerechtigkeit für Syrien – in Koblenz den Pflegern, die nun versuchen, ihnen
noch mehr Nähe zu geben als sonst – VON MAN U E L STARK 34
Tinder Dates klar. In den Zeiten der
Kontaktsperre lässt sich dort mit Frauen
in ständiger Sorge, dass die Seuche schon Politischer Fragebogen  über die Einsamkeit chatten 
Judit Polgár ist die erste Frau, Weil er gegen das Assad-Regime protestierte, wurde Mosal- da ist  VON MORITZ AI S S LING E R U ND Diese Woche mit dem Arzt und Fernseh- VON ALARD VON KITTLITZ 55
die nur gegen Männer Schach lam K. in Damaskus gefoltert. Nun steht sein mutmaßlicher CATE RINA LOBE N STE IN 13 moderator Eckart von Hirschhausen  35
spielte – und das ganz anders Peiniger in Deutschland vor Gericht. Eine Geschichte aus TV-Serien  Moritz Sachs hat 34 Jahre
lang Klaus Beimer gespielt – bis zum Ende
als erwartet  WIRTSCHAFT, S . 26 dem zwielichtigen Alltag in einer Diktatur  POLITIK , SEITE 9 GESCHICHTE LEO – DIE SEITE FÜR KINDER der »Lindenstraße«. Was kommt jetzt? 
Seuchen  Die Pocken wurden als bisher Bücher-Spiele  Türme stapeln, Möbel VON MORITZ HE RRMANN 57
einzige Virus-Erkrankung weltweit besiegt. bauen, Rennparcours anlegen – sechs Ideen, Das Dekameron-Projekt (2)  Als im
Wie ist das gelungen?  was man mit Büchern tun kann, außer sie
14. Jahrhundert in Europa die Pest wütete,
IN DEN REGIONALAUSGABEN A ZUM HÖREN VON MANFRE D VASOLD 17 zu lesen  VON MARIA ROS S BAU E R 44
schrieb Giovanni Boccaccio seine
ZEIT im Osten Die Journalistin S AB I N E LU BOW Die so gekennzeichneten Bestsellerliste  Die meistverkauften Novellensammlung »Das Dekameron«.
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einem Boot  VO N JANA H E N S E L 17 scheint ihre erste Biografie  Linktipps (Seite 14), Patagonien, Marokko und Lemurien 
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stellerin Juli Zeh über wahre ZEIT Österreich China  Wie das Coronavirus das weltweite
(Seite 52), Bildungsange- Wirtschaftskrise  Wie sich mit Wie es wirklich ist ... 
Mordgelüste, mystische Momente Vizekanzler Werner Kogler im Machtgefüge verändert 
bote und Stellenmarkt Macht, Geld und Big Data die Folgen Gold zu vergraben 
Gespräch über Staatshilfen und
Ein Designheft von und mit und über schreckliche Familien­ (ab Seite 38) VON ADAM SOBOCZYN S KI A 45
Ungarn  VO N CO R I N NA M I LBO R N 16 der ­Pandemie eindämmen lassen  VON ROBE RT VE LTE N 62
der serbischen Künstlerin geheimnisse  18
FRÜHER VON UWE J EAN HEU S E R U ND Aufruf  Intellektuelle, Künstler,
und Designerin Ana Kraš Die Befreiung Wiens von der
ZEIT Schweiz INFORMIERT! FE LIX LILL A 19 Politiker und Ökonomen fordern
NS-Herrschaft vor 75 Jahren  einen Corona-Fonds  45 RUBRIKEN
In der Schweiz und in Die aktuellen Themen
Wo sagt man »zu Hause« VO N J OAC H I M R I E D L 18 Prognose  Der Ökonom Clemens Fuest
Österreich fürchten Spitäler, dass der ZEIT schon am und der Virologe Alexander Kekulé im Zeitenwende  »Alternativlose« Politik? Leserbriefe 16
und wo »daheim«? Unsere ihre ­Pflegerinnen und Ärzte Wie hält es die Informatikerin Mittwoch im ZEIT- Gespräch über die Kosten der Krise – und Die Pandemie macht Schluss mit diesem Stimmt’s? A 34
Deutschlandkarte zeigt es nicht mehr über die Grenze Martina Lindorfer mit dem Brief, dem kostenlosen darüber, wie man aus ihr herauskommt  20 Märchen  VON RICHARD D. PRECHT 46 Die Position 38
kommen VO N Datenschutz während der Krise?  Newsletter
B . AC H E R MAN N U N D R . E I S E N R E I C H 16 VO N FLO R IAN GAS S E R 26 www.zeit.de/brief Medikamente  Der Wettbewerb Klassik  Musiker streamen ihre Konzerte Taschenbuch 48
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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 DOSSIER
TITELTH EM A : WI E SCH ÜTZ EN WI R DI E SCH WACH EN ?
13

Besuch verboten: Aushang am


Eingang des Altenheims

Einsam

Bedroht
Die Bewohner dürfen das
Haus Raichberg nicht mehr verlassen –

Alt
zu ihrem eigenen Schutz

Corinna Sauter, die Heimleiterin,


trägt so viel Verantwortung
wie nie zuvor

Theresia Steinbinder, 94, hat vor Kurzem


zum ersten Mal per Video telefoniert

Ein Seniorenheim auf der Schwäbischen Alb. Das Virus hat die Bewohner von der Welt abgeschnitten. Nähe geben ihnen nur noch die Pflegerinnen, während die Angehörigen
draußen kaum etwas tun können. Alle quält die Frage: Ist die Seuche vielleicht schon da?  VON MORITZ AISSLINGER UND CATERINA LOBENSTEIN; FOTOS: EVELYN DR AGAN

A
m zehnten Tag des Besuchsver- 46.000 Einwohner, mitten auf der Schwäbischen wohner und zwei Hunde, Käthe und Max. Sie ist eine ten vorhalte für all die Leichen, die womöglich bald sind, die Bürden des Alters erträglich zu machen.
bots sackt Corinna Sauter er- Alb, eine Autostunde südlich von Stuttgart. Es ist große Frau, schlank, das Haar trägt sie kurz und rot zu beerdigen sind. Und in den Nachrichten hat Sau- Wer schwach ist, dem kocht sie Hühnersuppe.
schöpft auf einem Stuhl zu- ruhig, der große Raum ist leer, ganz anders als gefärbt, ihre Hände sind trocken und rissig vom vielen ter von dem Pflegeheim in Würzburg gehört, in dem Wer Schmerzen hat, dem reibt sie den Rücken
sammen, sie streift ihren Mund- sonst. Nur wir Reporter sind für einen kurzen Be- Desinfizieren. Sie hat selten so viel gearbeitet wie in zu dem Zeitpunkt, als wir mit ihr in dem verwaisten mit Salbe oder Franzbranntwein ein. Seit ein
schutz ab und wischt sich Trä- such da, damit wir uns einen Eindruck von Co- den vergangenen Wochen. Draußen dämmert es. Gemeinschaftsraum sitzen, 44 Bewohner und 32 Mit- paar Wochen aber, seitdem das Coronavirus um
nen aus den Augen. Sie sagt: rinna Sauters Heim verschaffen können. Wir sind Corinna Sauters Heim liegt in einer der Re- arbeiter positiv auf Corona getestet wurden. Eine sich greift und die Alten und Kranken bedroht,
»Ich kann nicht mehr.« in Schutzanzüge gehüllt. gionen Deutschlands, in denen bisher die meisten Woche später werden 16 der Bewohner gestorben sein. kann plötzlich fast alles, was Sauter tut, den
Unten im Erdgeschoss ist vor wenigen Stunden Das Dachgeschoss dient eigentlich als Gemein- Corona-Infizierten gezählt wurden. Auf den Kar- Schon seit Langem kommt es Sauter so vor, als Heimbewohnern schaden – und sie im Zweifel
eine Bewohnerin gestorben. Eine schwere Bron- schaftsraum, aber schon seit Tagen findet hier nichts ten des Robert Koch-Instituts ist Sauters Land- ob das Virus ihrem Heim näher und näher rückt. das Leben kosten.
chitis. Das war die Dia­gno­se, die der Hausarzt vor mehr statt. Nicht das gemeinsame Singen und nicht kreis, der Zollernalbkreis, ein dunkelroter Fleck. Nun fragt sie sich, ob es womöglich längst zuge- Schirmt Sauter sie von der Außenwelt ab, sind sie
einigen Wochen stellte. Jetzt ist sich Corinna Sau- die gemeinsame Stuhlgymnastik. Nicht der gemein- Vor dem örtlichen Krankenhaus wurde neulich schlagen hat. Ob die Frau, die gerade gestorben ist, zwar vor dem Virus geschützt, aber der Einsamkeit
ter nicht mehr so sicher. same Kinoabend, den die Bewohner so lieben, keine ein riesiges Zelt aufgestellt, für die Behandlung der vielleicht doch keine Bronchitis hatte. ausgesetzt, die alte Menschen krank machen kann.
Es ist der Dienstagabend der vergangenen­ Sissi-Filme, keine Heimatfilme von Luis Trenker. Corona-Patienten. Der Bestatter von Albstadt hat Sie sagt: »Was, wenn das die Seuche war?« Und bei denen, die dem Ende schon sehr nahe sind,
Woche. Corinna Sauter sitzt im Dachgeschoss des Corinna Sauter ist 46 Jahre alt und Altenpflegerin. Corinna Sauter erzählt, die Klinik habe bei ihm an- Normalerweise versteht es Corinna Sauter als
Altenheimes »Haus Raichberg« in Albstadt, Sie leitet das Haus Raichberg. 84 Mitarbeiter, 78 Be- gerufen. Sie wollte wissen, ob er genügend Kapazitä- ihre Aufgabe, den Menschen, die ihr anvertraut Fortsetzung auf S. 14
14 DOSSIER 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Einsam, alt, bedroht  Fortsetzung von S. 13 und denen der regelmäßige Besuch der Verwand­ Elisabeth Spörmann ruft jetzt immer wieder im Lebensmut. Und um die, denen der Ausnahme­ Später bekommt Corinna Sauter einen Anruf.
ten so sehr hilft im Kampf gegen das Vergessen. Heim an und fragt die Pflegerinnen, wie es ihm geht. zustand zusetzt, weil er den Kummer der Vergan­ Man teilt ihr mit, dass morgen Sanitäter des Roten
riskiert sie, dass sie ihre Liebsten nicht mehr wieder­ Corinna Sauter weiß, was das Besuchsverbot mit Sie bittet sie, ihm liebe Grüße auszurichten. Näher genheit in die Gegenwart zerrt. Kreuzes ins Heim kommen und alle Bewohner und
sehen, bevor sie sterben. den Pflegekräften macht, die schon vor dem Aus­ kommt sie ihm nicht, selbst ein Skype-­Tele­fo­nat Ein dementer Bewohner, erzählt sie, weine seit Mitarbeiter auf ­Covid-19 testen werden.
Gewährt sie den Bewohnern dagegen Kontakt bruch des Virus oft an die Grenzen der Erschöpfung hätte bei seinem Zustand wenig Sinn. Sie glaubt: »Er zwei Wochen jeden Tag. Er weine, wenn er die In einer Woche, so hofft Sauter, wird sie Ge­
nach draußen, laufen sie Gefahr, sich mit dem gerieten und nun noch länger arbeiten müssen. fühlt sich jetzt von mir bestimmt im Stich gelassen.« Atemschutzmasken der Pflegerinnen sehe und wissheit haben.
Coronavirus zu infizieren. Dann ließe Sauter zu, Und sie weiß, was es für die Angehörigen bedeu­ Neben ihr auf dem Terrassentisch hat sie ein wenn er im Radio von Ausgangssperren und
dass sich womöglich das ganze Heim ansteckt und tet, von denen viele jeden Tag kamen, zum mor­ Körbchen abgelegt, darin ihr Festnetztelefon und Hamsterkäufen höre. Er weine, wenn im Fern­ Brigitte Rominger und Hans-Joachim Falz,
Dutzende alte Menschen einen Tod durch Er­ gendlichen Spaziergang, zum Mittagessen, zum Feier­ ihr Handy. Man hat ihr gesagt, dass das Heim sie sehen die Bilder der Militärkonvois liefen, die in Distanz: Acht Kilometer
sticken erleiden. abend­bier. Für jene Frau etwa, die nur 400 Meter anrufen werde für den Fall, dass sich der Gesund­ Norditalien die Leichen abtransportieren. Er wei­
Die Menschen, um die sich Corinna Sauter vom Heim entfernt verzweifelt darauf wartet, endlich heitszustand ihres Mannes dramatisch ver­ ne und lasse sich nicht trösten, weil er glaube, es sei Heute, hat ihr Vater gestern angekündigt, werde er
kümmert, sind 70, 80, 90 Jahre alt, die älteste Be­ wieder ihren Mann in die Arme schließen zu dürfen. schlechtert. Dann dürfe sie kommen und sich wieder Krieg. um neun Uhr anrufen. Um 8.54 Uhr klingelt ihr
wohnerin feiert demnächst ihren 101. Geburtstag. verabschieden. Man könnte meinen, er habe recht. In der ver­ Telefon.
»Wir brauchen einen verdammten Test«, sagt Elisabeth und Heinz Spörmann, gangenen Woche, sagt Corinna Sauter, sei in ih­ »Hallihallo!«, ruft der Vater aus der Leitung.
Sauter. Distanz: 400 Meter Früh am Morgen, am Tag nachdem Corinna Sauter rem Heim täglich ein Bewohner gestorben, »Alles klaro?«
Sollte die Frau nicht an einer Bronchitis gestorben die erste Station unter Quarantäne gestellt hat, schal­ manchmal waren es sogar zwei. Dass es am Ende »Alles klaro«, sagt die Tochter laut. »Bei dir?«
sein, sondern am Coronavirus, würde das alles än­ Um Viertel vor zwölf war sie da, jeden Tag. Denn um tet sie ihr Handy ein und winkt in die Kamera. Wir des Winters, wenn die Grippesaison ihren Höhe­ Sie sitzt auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer in
dern. Doch die Kapazitäten der Labore sind knapp, zwölf Uhr gibt es Mittagessen im Haus Raichberg. Reporter werden das Heim nun nicht mehr betreten. punkt erreicht, mehr Todesfälle gebe als sonst, sei dem Dorf Bitz unweit von Albstadt, im Kamin lo­
und in Baden-Württemberg dauert es manchmal Elisabeth Spörmann setzte sich dann zu ihrem Mann Deshalb nimmt uns Corinna Sauter in den nächsten normal. Aber derart viele Bewohner, denen inner­ dern Holzscheite, an den Wänden hängen Er­inne­
sechs Tage, bis das Ergebnis kommt. So bleiben Co­ an den Tisch und reichte ihm das Essen. Löffel für Tagen per Videoanruf mit ins Haus. Sie schwenkt halb derart kurzer Zeit die Lebenskraft schwindet, run­gen an vergangene Reisen, ein Gewehr aus Af­
rinna Sauter vorerst nur Vorsichtsmaßnahmen. Löffel, Schluck für Schluck. Nach dem Essen stand mit der Kamera durch den leeren Gemeinschafts­ das habe sie noch nie erlebt. ghanistan, eine Geige aus Indien, ein Säbel aus Nepal.
Sie steht auf, geht den Gang entlang zum Aufzug sie auf und schob ihn, wenn das Wetter es zuließ, in raum. Auf jedem Tisch steht, noch von der letzten Die Bewohner sind, soweit sie es überblicken Sie hat auf laut gestellt und hält das Telefon nah an
und fährt hinunter ins Erdgeschoss. Dort wird sie seinem Rollstuhl nach draußen an die frische Luft. Veranstaltung, eine Vase mit Tulpen. Blumen, sagt kann, nicht an Covid-19 gestorben. Doch was ihrem Mund. Der Vater hört schlecht. Er ist 92.
gleich die Station betreten, auf der die verstorbene Dann drehte sie mit ihm eine Runde durch die Stadt, Sauter, seien wichtig, jetzt, da der Frühling vor der kann man in diesen Tagen schon überblicken? Co­ »Bei mir alles Klarschiff«, sagt der Vater. Er er­
Frau gewohnt hat und auf der noch elf weitere Men­ danach brachte sie ihn zurück. Sie ging kurz nach Tür stehe, aber die Bewohner das Heimgelände nicht rinna Sauter denkt immer wieder an die verstorbe­ zählt von dem 90. Geburtstag einer Mitbewohne­
schen leben. Sauter wird die Station unter Quaran­ Hause, erledigte, was zu erledigen war, und um halb mehr verlassen dürften. ne Frau, die laut Hausarzt unter einer Bronchitis rin, auf den sie gestern Nachmittag angestoßen
täne stellen. Von nun an dürfen die Bewohner die vier war sie wieder bei ihm. Sie tranken Kaffee und Sie stellt die Vasen auf einen Rollwagen und litt. Mit wem hatte sie vor ihrem Tod Kontakt? haben. Er sagt: »Wir haben gefeiert wie Sau.«
Station nicht mehr verlassen. Die Tür bleibt geschlos­ aßen Kuchen, schauten fern. Um 19 Uhr brachte sie zieht los, um sie an die Bewohner zu verteilen. So Vielleicht mit einem der Bewohner, die in den Hans-Joachim Falz war Lagerist und hat sich zum
sen. Die übrigen Bewohner können sich weiterhin ihn ins Bett, jeden Tag. ein Rundgang, sagt Sauter, sei für sie eine gute Tagen danach starben? Und sind die Pflegerinnen kaufmännischen Angestellten hochgearbeitet. Er
im Haus bewegen. Aber sie dürfen nicht mehr raus, Er ist 84, sie 73. Sie sind seit 48 Jahren verheiratet. Gelegenheit, die Stimmung im Haus zu erspüren. wirklich alle gesund? liebt Orchideen. Als er ins Heim zog, trug er ein
außer in den Garten. Elisabeth Spörmann lässt sich auf einen Stuhl auf Sie versuche, die Ängstlichen zu beruhigen und die Sauter und ihre Kolleginnen müssen nun die ganzes Aquarium voller Orchideen in sein neues Zu­
Es ist nicht die erste Entscheidung, die Corin­ ihrer Terrasse sinken. Sie zieht ihren grauen Schal fest Betrübten aufzumuntern. »Einzelaktivierung« Nähe ersetzen, die die Angehörigen nicht mehr hause. Doch die Orchideen mochten das Heim
na Sauter getroffen hat, um die Menschen im um den Hals, die strahlende Sonne kommt gegen die nennt sie das. geben können. Sie sind die einzigen Bezugsper­ nicht, es war ihnen zu warm. Er hat sie dann draußen
Haus Raichberg zu schützen. Vor drei Wochen eisige Luft nicht an. Ihre Wohnung liegt gleich in der Corinna Sauter richtet ihren Mundschutz und sonen, die den Bewohnern geblieben sind. Sau­ ins Beet gesetzt.
wies sie ihre Kollegen an, einen Mundschutz zu Nähe des Altenheims. Ihr Bruder lebt im selben Haus schiebt den Rollwagen durch die Gänge, vorbei an ter hat zwei Söhne, 18 und 21 Jahre alt, sie woh­ Das Haus Raichberg war seine Idee. Er wollte
tragen. Sie verfügte, dass niemand mehr, wie sonst wie sie. Er ist geistig behindert und kann kaum sehen. grünen Ohrensesseln und alten Bauernschränken. nen beide noch bei ihr. Seit Wochen haben sie dorthin, nachdem seine Frau, Brigittes Mutter, vor
üblich, seine Arbeitskleidung mit nach Hause Elisabeth Spörmann, die ihren echten Namen auf­ Im Café des Heimes, wo die Bewohner sonst mit ihr zuliebe keine Freunde mehr getroffen. Sie vier Jahren gestorben war. Er hatte es nicht ausge­
nimmt. Sie sagte alle Veranstaltungen mit Gästen grund der Umstände verborgen halten will, kümmert ihren Kindern und Enkeln plaudern, trifft sie auf wollen verhindern, dass die Mutter sich und halten, ohne sie, allein im Haus. »Meine Eltern
von draußen ab, verhängte für die Bewohner eine sich auch um ihn. einen einsamen Mann im Karo-Hemd. »Na, Herr dann wiederum die alten Menschen ansteckt. hatten kaum Bekanntschaften, sie genügten sich
Ausgangs- und für die Mitarbeiter eine Urlaubs­ Sie spricht leise, sie ist erschöpft. »Am Freitag Bürkle, alles klar?« Auch zu Hause, sagt Sauter, lebten sie nun »im selbst, sie waren immer ganz eng, immer nur zu
sperre. Am schwersten aber fiel es ihr, eine Maß­ vor knapp zwei Wochen habe ich meinen Mann Sauter setzt sich zu ihm und richtet die Handy­ Notfallmodus«. zweit«, sagt sie. Die einzigen Freunde, die er außer­
nahme umzusetzen, die der Betreiber des Heimes wie immer ins Bett gelegt.« Sie habe ihn zugedeckt kamera auf Herrn Bürkle. Als es noch keine Aus­ Corinna Sauter lässt Herrn Bürkle, dem Mann halb der Familie noch hat, sind seine ehemaligen
Mitte März angeordnet hatte. Da musste sie, qua­ und sich von ihm verabschiedet. gangssperre gab, sagt er, habe er alle paar Tage die mit dem Elektrorollstuhl, eine Blume da und schiebt Nachbarn. Er siezt sie bis heute.
si über Nacht, einen Zettel an die Eingangsschei­ Ihr Mann hat sein Leben lang auf dem Bau ge­ Bestellungen seiner Mitbewohner aufgenommen den Wagen weiter. Sie geht von Zimmer zu Zimmer, »Ich habe eben in den Nachrichten gehört, dass
be ihres Heimes kleben. Auf dem Zettel steht, in arbeitet, er war Hochbaupolier und Schachtmeis­ und sei dann mit den Einkaufszetteln in der Ta­ spricht mit den Bewohnern, verteilt die Tulpen. es in Italien jetzt wegen dem Corona fünf Jahre Knast
dicken schwarzen Buchstaben: Besuchsverbot. ter. Jetzt hat er Pflegegrad 5. Ein Schlaganfall. sche mit seinem Elektrorollstuhl zum Supermarkt Als sie die Tür eines älteren Herrn öffnet, be­ gibt, wenn man rausgeht«, sagt die Tochter durchs
Corinna Sauter hatte nicht einmal genug Zeit, »Als ich am nächsten Tag wiedergekommen bin, gefahren. Er sagt, jetzt sitze er im Café und frage kommt sie einen Schreck. Der Mann liegt mit of­ Telefon.
um die Angehörigen zu informieren. war die Eingangstür verschlossen.« Sie habe den sich, was er bis zum Abend machen solle. fenem Mund im Bett, apathisch, er regt sich nicht, »Aha«, sagt der Vater. »Haben die überhaupt so
Das Besuchsverbot soll das Leben der Bewoh­ Zettel erst gar nicht bemerkt und gewartet. Irgend­ Es gibt die rüstigen Bewohner, die noch die atmet aber noch. Corinna Sauter spricht ihn an. viele Knäste?«
ner schützen. Aber Corinna Sauter weiß, dass es wann sei Corinna Sauter herausgekommen und habe Kraft haben, der Einsamkeit zu trotzen. Sie schrei­ Keine Antwort. Sie desinfiziert sich die Hände, Seit sie sich nicht mehr sehen können, telefo­
das Leben der Bewohner zugleich unerträglich ihr erklärt: Besuchsverbot. Auf unbestimmte Zeit. ben Briefe, sie telefonieren, sie wissen mittlerweile, legt ihre Hand auf seine hohle Wange, fühlt seine nieren sie täglich für ein paar Minuten. Sie plau­
macht. Zum Beispiel das Leben derer, die kaum »Ich hätte meinen Mann so gerne noch darauf wie man S­ kype benutzt. Sie kommen mit der Si­ Stirn. Sie steckt ihm ein Fieberthermometer ins dern. Über Bekannte. Über den Zahnarzt. »Ich
noch sehen und hören können und für die die vorbereitet«, sagt Elisabeth Spörmann. tuation halbwegs zurecht. Sorgen macht sich Co­ Ohr, wartet kurz, liest die Anzeige ab. »Puh«, sagt soll dir Grüße ausrichten von der Zahnarzthelfe­
Berührungen ihrer Kinder und Enkel die wichtigs­ Er kann nicht mehr sprechen, nicht mehr lau­ rinna Sauter um die, denen das Besuchsverbot sie. »Alles gut.« Er hat kein Fieber. Offenbar schläft rin«, sagt die Tochter.
te Form der Zuwendung sind. Oder das Leben je­ fen. Manchmal nickt er oder schüttelt den Kopf, nicht nur die eingespielten Routinen und die Nähe er nur. Aber auch diesem Mann, das merkt Sauter, Ihr Vater sei nie jemand gewesen, der über Ge­
ner, in deren Köpfen sich die Demenz ausbreitet wenn sie mit ihm spricht. Das ist alles. zu ihren Angehörigen nimmt, sondern auch den schwinden die Kräfte. fühle gesprochen habe. Deshalb wisse sie auch

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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 DOSSIER 15

nicht, ob ihn das, was gerade geschehe, belaste. Was nen Kleinwagens, den Motor hat er ausgeschaltet. Im
sie weiß: Vergangene Woche ging es ihm ganz Fach in der Beifahrertür reihen sich CDs, Herzblatt,
schlecht. Er war zu schwach, um aus seinem Sessel Hitparade, Die Herzen der Volksmusik. Er ist ein kleiner
hochzukommen. Da habe sie ihn zum ersten Mal Mann, eingepackt in einen dicken Strickpullover, auf
überhaupt vom Tod reden hören. »Na ja, für jeden ist dem Kopf trägt er eine Schildmütze. Herbert Weiss ist
halt mal Schluss«, habe er gesagt. Dabei sei es immer 88 Jahre alt und Optimist. Er steigt aus seinem Auto und
sein erklärtes Ziel gewesen, hundert zu werden. stellt sich unter Margaretes Fenster. »Margareti!«, ruft er
»Na gut«, sagt der Vater. »Ruf mal an, wenn’s wie- nach oben. »Margareti!«
der was Neues gibt.« Er sieht, wie sich hinter dem Vorhang etwas tut,
»Mach ich.« 
Um 8.59 Uhr legt Brigitte Rominger sieht ihre weißen Haare, ihre Hände, ihr Zittern. Par-
auf. Sie sagt, sie verdränge den Gedanken, ihren Vater kinson. Margarete Lindner ist 85 Jahre alt und meist
vielleicht nie wiederzusehen. nicht ganz so zuversichtlich wie ihr Freund.
»Kommst runter?«, fragt er.
Ein paar Stunden nach dem Telefonat zwischen Toch- Drinnen: Es klopft im Zimmer von Margarete
ter und Vater klopft Corinna Sauter an die Tür von Lindner. Die Tür geht auf, und Corinna Sauter tritt
Hans-Joachim Falz. Sie hat ein Paket unter den Arm ein. Sie hat die Kamera ihres Mobiltelefons einge-
geklemmt, in der Hand hält sie wieder ihr Handy, da- schaltet. »Hallo, Frau Lindner«, sagt sie. »Kommen
mit wir dabei sein können. Hans-Joachim Falz sitzt in Sie, ich bringe Sie runter zu Ihrem Freund.«
seinem Fernsehsessel, mit Kissen und Decken gepols- Margarete Lindner hat sich schick gemacht. Sie
tert, die Füße hochgelegt. Der Fernseher läuft. Der hat sich ihre geblümte Bluse angezogen, rote Rosen
Ton ist bis zum Anschlag aufgedreht. Das schlechte auf schwarzem Stoff, ihr kurzes weißes Haar ist sorg-
Gehör. Die SWR-Nachrichten schreien ins Zimmer: sam frisiert.
Zahl der Corona-Toten in Italien auf neuen Rekord Sie lernten sich im Reisebüro kennen, Frühjahr
gestiegen. 1998, beide verwitwet. Sie wollte in die Dominikani-
Europol geht gegen Handel mit gefälschten Atem- sche Republik, er nach Caorle, Italien. Es sei Sym-
schutzmasken vor. pathie auf den ersten Blick gewesen, sagt er. Deshalb
Die europäische Wirtschaft wird in diesem Jahr auf- sprach er sie in tiefstem Schwäbisch an: »Wo gange
grund des Coronavirus-Ausbruchs um acht Prozent oder Sie nach?« Sie antwortete. Er staunte: »Mensch, das
mehr schrumpfen. ist aber weit weg von daheim.« Und er fragte nach
Der Hausmeister spielt jetzt
»Ich hab Ihnen was mitgebracht, Herr Falz!«, ruft ihrer Nummer.
besonders oft für die Bewohner
Corinna Sauter durch den Lärm. Er nimmt das Päck- Draußen: Herbert Weiss wartet. Er steht jetzt
auf dem Akkordeon
chen, reißt es auf und wühlt sich durch mehrere La- vor dem Eingang und schaut durch die gläserne
gen Luftpolsterfolie, bis ein Kopfhörer zum Vorschein Tür. Er wohnt zwei Kilometer entfernt, in einem
kommt. »Aha«, sagt er. Häuschen am Waldrand, er hat es selbst gebaut,
Die Nachbarn aus den Zimmern nebenan haben
sich über die Lautstärke des Fernsehers beschwert.
Deshalb haben ihm die Pflegerinnen die Kopfhörer
Drinnen 1970, da war er noch im Außendienst tätig, als Ver-
treter für »Meica macht das Würstchen«. In dem
Haus hat er sie gepflegt, bis es nicht mehr ging.
bestellt. Am liebsten, sagt Falz in Sauters Handy, Für sie, glaubt er, sei die derzeitige Situation viel
schaue er Tiersendungen. »Keine Krimis, kein Mord schwieriger als für ihn. Sie habe Angst vor Corona, er
und Totschlag.« Seit Wochen drehe sich ja alles nur nicht. »Ich habe zu ihr gesagt: Ich habe mein Leben
noch um Krankheit und Tod, Corona hier, Corona gelebt.« Margarete habe geantwortet: »Ich würde­
dort. Egal, wohin er schalte, das Virus sei immer eigentlich schon noch gerne ein bisschen da sein.«
schon da. In den Abendnachrichten hat er gehört, Drinnen: Margarete Lindner stützt sich auf ih-
dass es in Deutschland nicht genug Beatmungsgeräte ren Rollator. Corinna Sauter führt sie zum Aufzug.
gibt. Dass bald Tausende alte Menschen ersticken Gemeinsam fahren sie hinunter ins Erdgeschoss.
könnten. Menschen wie er.
Hans-Joachim Falz leidet seit Längerem unter star-
ken Schluckbeschwerden, eine Erkrankung der Speise-
Draußen Bevor sie das Virus getrennt habe, sagt Margarete
Lindner, habe ihr Lebensgefährte sie jeden Morgen
abgeholt und sie zu einem Spaziergang ausgeführt.
röhre. Manchmal konnte er deswegen kaum essen. Sein »Das fehlt mir.«
Kreislauf schwächelte, und Corinna Sauter musste ihn Bernadette Sauter, die Tochter von Die Tür des Fahrstuhls öffnet sich. Unsicher setzt
mehrmals mit einem Notarzt ins Krankenhaus schi- Theresia Steinbinder, die auf der ersten Margarete Lindner einen Fuß vor den anderen. Vor
cken, wo er eine Infusion erhielt. Kam er nach Tagen Seite zu sehen ist der Eingangstür bleibt sie stehen und sinkt auf die
wieder zurück ins Heim, ging es ihm meist viel besser. Sitzfläche ihres Rollators. Hinter der Scheibe, im Ge-
Seitdem sich auch das Krankenhaus von Albstadt genlicht, sieht sie ihn. Er sagt etwas, aber seine Stim-
auf den Ansturm der Corona-Kranken vorbereitet, me dringt nicht durch.
müssen sich Sauter und ihre Kolleginnen ohne die Draußen: »Ach, Margareti!«, ruft Herbert Weiss
Hilfe der Krankenhausmedizin um Hans-Joachim nach drinnen. »Komm doch her!«
Falz kümmern, vor allem müssen sie aufpassen, dass Sie darf nicht. Sie sitzt auf ihrem Rollator und
er trotz der Schluckbeschwerden genug zu sich schaut zu ihm. Er tätschelt mit der Hand gegen die
nimmt. Das Krankenhaus versorgt nur noch die drin- Der Verband für häusliche Betreuung und und dunklen Augenbrauen. Es ist das erste Mal Der Sanitäter schiebt schnell ein Wattestäbchen Scheibe, tritt unsicher zurück und wieder vor. »Das ist
gendsten Fälle. Die anderen versucht es schnellstmög- Pflege hat gerade verkündet, man schätze, dass etwa seit Wochen, dass Mutter und Tochter sich se- in den Mund der Frau und lässt es in einer doch blöd, so ohne Anfassen«, sagt er.
lich loszuwerden. 200.000 alte und kranke Menschen, die bisher zu hen. Die meisten Menschen erkennt die Mutter durchsichtigen Röhre verschwinden. Sie ist nur zwei Meter von ihm entfernt, und doch
Am nächsten Morgen biegt ein Rettungswagen in Hause versorgt wurden, um Ostern herum keine nicht mehr, ihre Tochter schon, auch jetzt, bei »Alles gut«, sagt Corinna Sauter zu der Be- ist sie viel zu weit weg.
die Einfahrt des Altenheimes ein. Zwei Sanitäterin- Pflegekraft mehr haben werden. dem ersten Videoanruf ihres Lebens. wohnerin. Kurz zuvor hat sie die Angehörigen Drinnen: Corinna Sauter hilft Margarete Lindner
nen mit Atemschutzmasken öffnen die Hecktür und Damit der Betrieb in den Heimen nicht kol- Am Bildschirmrand sieht Bernadette Sauter abtelefoniert und sich von jedem Einzelnen die wieder auf die Beine. »Gehen wir zurück aufs Zim-
ziehen eine Trage aus dem Wagen. Auf der Trage liegt labiert, hat Gesundheitsminister Jens Spahn von nun auch Corinna Sauter, die in die Kamera ih- Erlaubnis eingeholt, den Test auch gegen Wi- mer, ja?« Sie winken Herbert Weiss zu und sehen, wie
eine dünne Frau, sie ist eingewickelt in eine dicke der CDU bestimmt, die ohnehin niedrigen Be- res Smart­phones winkt. Sie hat ihr Mobiltelefon derstand durchzuführen. Alle Angehörigen ha- er zurückwinkt. Ganz langsam entfernen sie sich wie-
Decke. Nur ihr schmaler Kopf schaut heraus. treuungsschlüssel weiter herunterzusetzen. Noch zur Verfügung gestellt, damit die beiden sich se- ben ihr Okay gegeben. der vom Eingang.
Am Eingang nimmt Corinna Sauter die Frau in Emp- weniger Pfleger sollen sich nun also um noch hen können. Bald sollen generell Skype-­An­ru­fe Während in Albstadt die Bewohner von Draußen: Als sie im Fahrstuhl verschwunden
fang. Sie war wegen eines Oberschenkelhalsbruches im mehr alte und kranke Menschen kümmern. im Heim möglich sein, aber dafür muss noch Haus Raichberg auf das Coronavirus getestet sind, sagt Herbert Weiss, er habe keine Angst, seine
Krankenhaus. Normalerweise wäre sie noch länger ge- Und es könnten weitere hinzukommen. Der einiges organisiert werden – bisher gibt es nicht werden, entbrennt gut 700 Kilometer entfernt, Margarete nie mehr berühren zu können. Er sei ja,
blieben, damit der Knochen weiter heilen kann, doch Präsident der Bundesärztekammer hat gerade in einmal WLAN. »So, Frau Steinbinder, jetzt kön- im Regierungsviertel von Berlin, eine Debatte wie gesagt, Optimist. Und sollte das Virus seine
man musste die Betten leeren. Die Klinik rief Sauter an einem Zeitungsinterview gefordert, Senioren nen Sie mit Ihrer Tochter reden«, sagt Corinna über die Frage, was in den kommenden Mona- Margarete doch treffen, würde er dafür sorgen, dass
und fragte, ob sie noch freie Zimmer habe. abzuschotten und sie statt in ihren Wohnungen Sauter. Die Heimleiterin tritt beiseite, hält nur ten mit den alten Menschen im Land geschehen er sich auch anstecke. »Denn dann legen sie uns in
Wenn ein Bewohner stirbt im Haus Raichberg, zün- in Altenheimen unterzubringen. Niedersachsen noch das Handy und lässt Mutter und Tochter soll. Dass man sie schützen müsse, darin sind ein Doppelgrab. Und dann sind wir wenigstens wie-
den die Pflegerinnen eine Kerze an und stellen sie ins wiederum hat für Pflegeheime einen weitgehen- mit­ein­an­der sprechen. sich alle einig. Einige Politiker aber werfen ein, der zusammen.«
Zimmer des Toten. Die Angehörigen kommen, nehmen den Aufnahmestopp verhängt. »Hallo, Bernadette.« dass die ökonomischen Kosten des Shutdowns
die Bilder von der Wand und holen die Möbel und an- Am Abend, kurz bevor Corinna Sauter nach »Hallo, Mama. Bist du gut versorgt?« die gesundheitlichen Schäden der Seuche weit Am Dienstag, kurz vor Redaktionsschluss, ruft uns
dere Habseligkeiten ab. Der Hausmeister streicht die Hause fährt, läuft ihr eine Pflegerin über den »Ja, alles gut.« übersteigen könnten. Corinna Sauter noch einmal an. Sie steht in ihrem
Wände frisch und tauscht die Vorhänge aus. Die anderen Weg. »Geh mal nach Hause«, sagt Sauter zu ihr. Die Stimmen stocken. Mutter und Tochter Der FDP-Chef Christian Lindner fordert, Büro und schaut in die Kamera, sie hat die Atem­
Bewohner setzen sich zusammen, um gemeinsam Ab- »Kümmer dich um deine Kids.« Die Frau hat fangen fast zeitgleich an zu weinen. eine »Exit-Strategie« zu entwickeln, um mög- maske unters Kinn geschoben. Sie sagt, die letzten
schied zu nehmen, sie beten, trinken Kaffee, erzählen zwei kleine Kinder. Ihr Mann ist Lkw-Fahrer, »Bernadette, es ist so schwer!«, ruft die Mutter. lichst schnell zum normalen Alltag zurückkeh- Tage seien die Hölle gewesen. Sie hat erfahren, dass
sich Geschichten über den Verstorbenen. Erst dann zieht auch er macht angesichts der Krise unzählige »Ja, Mama, ich weiß«, sagt die Tochter und ren zu können. die Bewohnerin, die in der vergangenen Woche ge-
ein neuer Bewohner ein. Eigentlich. Überstunden. Obwohl beide als systemrelevant schnieft. Der Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann storben war, keine Bronchitis hatte. Die Frau hatte
Nun aber muss alles ganz schnell gehen. Für Ab- gelten, haben sie die vom Staat versprochene »Ich fühle mich so allein, Bernadette.« schlägt vor, die Wirtschaft »spätestens nach Os- sich mit dem Coronavirus infiziert.
schiedsgespräche ist keine Zeit mehr. Hilfe bei der Kinderbetreuung bislang nicht be- Die Tochter bekommt kaum mehr ein Wort tern« schrittweise wieder hochzufahren. Danach war im Haus Raichberg nichts wie zu-
Corinna Sauter muss dafür sorgen, dass die Frau kommen. Die Großeltern, Risikopatienten auch raus, starrt mit nassen Augen auf den kleinen Und der Kanzleramtsminister Helge Braun vor. Corinna Sauter musste nicht mehr nur die
aus dem Krankenhaus für die nächsten 14 Tage unter sie, müssen nun tagsüber die Enkel versorgen. Bildschirm. Sie sagt mit zitternder Stimme:­ von der CDU sagt dem Spiegel: »Irgendwann Heimbewohner beruhigen, sondern auch ihre Mit-
Einzelquarantäne gestellt wird. Es gab in der Klinik So oder so ähnlich, sagt Sauter, sei es bei fast »Alles wird gut, Mama.« kommt dann der Zeitpunkt, an dem man zur arbeiter. Viele von ihnen haben Angst vor dem­
von Albstadt zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 60 all ihren Mitarbeitern. Bislang hätten sie es im- sogenannten Umkehrisolation übergeht. Die Virus. Heute aber sei ein guter Tag, sagt sie. »Heute
Corona-Fälle, und Sauter weiß nicht, ob sich die Frau mer geschafft, sich gegenseitig zu helfen und für­ Am Donnerstagmorgen kann man von draußen jüngere, gesunde Bevölkerung kann dann wie- ist niemand gestorben.« Und noch etwas: Von den
dort mit dem Virus angesteckt hat. ein­an­der einzuspringen. Jetzt fragt sie sich, wie beobachten, wie drei vermummte Gestalten vor der zu einem tendenziell normalen Leben 147 Tests, die bei den Bewohnern und Mitarbeitern
Für die Pflegerinnen bedeutet Einzelquarantäne lange ihre Kollegen noch durchhalten. der Eingangstür von Haus Raichberg stehen. übergehen. Aber die älteren und vorerkrank- vorgenommen wurden, seien bisher 135 ausgewer-
Extraarbeit. Sie dürfen das Zimmer nur mit Schutz- Ein Mann und zwei Frauen. Sie tragen Mund- ten Patienten werden auch dann weiter mit tet. Corinna Sauter kann es kaum glauben: Alle 135
kleidung betreten. Alles, was sie aus dem Raum tra- Bernadette Sauter und Theresia Steinbinder, schutz und Gummihandschuhe, die Handschuhe Einschränkungen leben müssen.« sind negativ.
gen, müssen sie gründlich desinfizieren und in einem Distanz: 208 Kilometer haben sie mit grauem Klebeband an ihren wei- Fragt man Corinna Sauter, wie sie diesen
Spezialbehälter aufbewahren, jede Kaffeetasse, jede ßen Schutzanzügen befestigt. Ihre Haare stecken Vorschlag findet, sagt sie nur ein Wort:
Sprudelflasche, jedes benutzte Handtuch. Normaler- Anfangs sei sie sich vorgekommen wie eine Ver- unter grünen Plastikhauben. Sie kommen vom »Schrecklich.« Dann stellt sie Fragen: Ab
weise dauert die Grundpflege eines Bewohners, wa- räterin, sagt Bernadette Sauter, die mit Corinna Roten Kreuz und schieben auf einem Rollwagen wann ist man alt? Wie lange soll das gehen? HINTER DER GESCHICHTE
schen, Zähne putzen, Wäsche wechseln, rund 30 Mi- Sauter nicht verwandt ist. Die eigene Mutter ins einen großen Karton ins Heim. In dem Karton Und ist es mit der Würde der Alten und Kran-
nuten. Für die Frau in Einzelquarantäne werden sie Heim stecken. Sie versuchte, es so lange wie mög- sind die Corona-Testkits. ken vereinbar, diese Gruppe als einzige einfach Ausgangsfrage: Ein Altenheim in der
nun jedes Mal über zwei Stunden brauchen. lich hinauszuzögern. Sie stellte eine private Pflege- Corinna Sauter begrüßt die drei Sanitäter wegzuschließen? »Dieser Vorschlag entspricht Corona-Krise – was bedeutet das konkret für
Kurz danach, so erzählt es Corinna Sauter später, rin nach der anderen ein. Aber irgendwann ging es und verschwindet mit ihnen in Richtung des total dem Klischee, das wir von alten Men- die Pflegekräfte, die Bewohner und deren
ruft wieder das Krankenhaus an. Man müsse morgen nicht mehr. Die Mutter ist 94, und Demenz ist oberen Stockwerks, wo die Mitarbeiter getestet schen haben: Die sitzen im Pflegeheim und Angehörige?
drei weitere Patienten im Heim unterbringen. unaufhaltsam. werden sollen. Als die Bewohner dran sind, sabbern vor sich hin.« Natürlich sei es wichtig,
Sauter hat in den vergangenen Wochen mitbe- Vor vier Wochen brachte Bernadette Sauter schaltet sie uns über ihr Handy dazu. Sie geht dass die Wirtschaft irgendwann wieder in die Bedingungen der Recherche: Eigentlich ist
kommen, dass in vielen deutschen Städten die Leute ihre Mutter ins Haus Raichberg. Es fiel ihr mit den Sanitätern auf die Station, die unter Gänge komme, sagt sie. »Aber die Leute, die das Betreten der meisten Altenheime derzeit
jeden Abend auf ihre Balkone heraustreten und klat- wahnsinnig schwer. Mittlerweile ist sie froh über Quarantäne steht. Manche der Bewohner sind wir jetzt wegsperren wollen, die haben diese strikt verboten. Das örtliche Gesundheitsamt
schen für Menschen wie sie. Der Bundespräsident hat die Entscheidung. »Das Heim, die Mitarbeiter, erleichtert. Einige haben Angst vor den ver- Wirtschaft aufgebaut.« und der private Heimbetreiber fanden eine
ihr und ihren Kolleginnen seine »Hochachtung« ge- das ist alles ganz fantastisch«, sagt sie. mummten Fremden. Viele Heime, erzählt sie, hätten schon vor Wo- Bericht­erstattung aber so wichtig, dass sie der
zollt. Die Kanzlerin sprach ihnen in ihrer Rede an die Am Samstag, dem 14. März, wollte sie ihre Corinna Sauter steht neben einer Bewohne- chen begonnen, die Bewohner vorsorglich in ihren ZEIT erlaubten, das Haus Raichberg für ein
Nation »von ganzem Herzen« ihren Dank aus. Co- Mutter besuchen. Sie wollte bei ihr sein, damit sich rin, die den Kopf störrisch zur Seite dreht. »Den Zimmern zu isolieren. »Einzelhaft« nennt Corinna paar Stunden zu besuchen. Den beiden
rinna Sauter gilt jetzt als systemrelevant. die Mutter leichter an die neue Umgebung ge- Mund auf, ja?«, sagt Sauter. »Nein!«, schreit die Sauter das. »Jemanden in sein Zimmer zu sperren, Autoren wurde vor Betreten des Heimes
Doch Sauter hat vorher genauso mitbekommen, wöhnt. Bernadette Sauter wohnt in Hofheim, alte Dame. Sie ist dement. das ist eine freiheitsentziehende Maßnahme.« So Fieber ­gemessen. Dann durften sie sich, in
wie ebenjenes System kaputtgespart wurde. Die Löh- Hessen, nach Albstadt dauert es mit dem Auto drei Sauter streichelt der Frau über die Hand. etwas sei nur vertretbar, wenn jemand wirklich Schutzkleidung gehüllt und unter strenger
ne, die den meisten Pflegern in Deutschland gezahlt Stunden. Als sie mittags dort angekommen war, »Was man jetzt alles aushalten muss«, sagt sie infiziert sei oder wenn man einen begründeten Ver- Einhaltung des Sicherheitsabstandes, einen
werden, sind schlecht, die Arbeitsbedingungen oft im Ort ihrer Kindheit, steuerte sie ihren Wagen mit ruhiger Stimme zu ihr. dacht habe, dass er es sein könnte. kurzen Eindruck vom Heim machen. In den
noch schlechter. Zehntausende Fachkräfte fehlen. Es direkt zum Heim. Sie hatte Blumen dabei. Einer der Sanitäter beugt sich in seinem darauffolgenden Tagen ließ die Heimleiterin ­
ist eine gewaltige und lebensbedrohliche Lücke, die Am Eingang erfuhr sie, den Strauß in der Hand, weißen Schutzanzug über die Dame und ver- Herbert Weiss und Margarete Lindner, Corinna Sauter sie über Videoanrufe an ihrer
die Bundesregierung zuletzt mit Anwerbekampagnen vom gerade ausgesprochenen Besuchsverbot. sucht, ihr ein Wattestäbchen in den Mund zu Distanz: Zwei Meter Arbeit teilhaben. Das Geschehen vor dem
im Ausland zu füllen versuchte. Nun haben viele Pfle- Zwölf Tage später, abends um kurz nach schieben. Die Frau schreit. Sie verschluckt Heim, etwa die Einlieferung der Patientin mit
ger aus Polen und Rumänien aus Angst vor einer In- sechs, hält sich Bernadette Sauter in ihrer Praxis sich, sie hustet. Draußen: Sein Auto hat er so geparkt, dass er direkt der Oberschenkelfraktur, haben sie von
fektion und der Sorge, ihre Familien nicht mehr zu für Naturheilkunde ein Handy vors Gesicht. Es Sauter nickt einer Pflegerin zu, die dabeisteht auf Margaretes Fenster blicken kann. Ihr Fenster draußen verfolgt. Die Reporter haben alle ­
sehen, das Land verlassen. Das System droht zusam- klingelt lange. Dann erscheint auf dem Bild- und sich nun der Dame von hinten nähert und ist gekippt, erster Stock, das dritte von links. Her- Angehörigen persönlich besucht.
menzubrechen. schirm das Bild einer Frau mit weißen Haaren ihr mit festem Griff das Kinn nach unten zieht. bert Weiss sitzt hinter dem Lenkrad seines silber-
16 LESERBRIEFE 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

DAS LESERZITAT ZUM THEMA CORONA-KRISE: Zur Ausgabe No 13 IM NETZ


»Wenn wir nach Corona nicht alle mit Fußfesseln zu Hause festgesetzt sind Weitere Leserbriefe
und statt des Fernsehers den Kopf wieder eingeschaltet haben, gibt es einiges finden Sie unter
aufzuarbeiten.« Von Rainer Carsten Gerdes blog.zeit.de/leserbriefe

Wie einfältig
von dem Poeten Enttäuscht von Gauck Die Menschheit hat
noch mehr zu tun
Gespräch mit dem Hölderlin- Zur Titelgeschichte: »Die Mensch-
Experten Karl-Heinz Ott  ZEIT NR . 13 Alice Bota/Khuê Pham/Özlem Topçu: »Der Präsident und wir«  ZEIT NR . 13 heitsaufgabe«  ZEIT NR . 13

I
»Hölderlin hatte schon einen an der Waffel, ch war von Joachim Gauck in seiner Vietnam oder die Türkei ausgewandert sind, ge- gibt auch andere. Es passiert dann, dass man sich Wieso ist Corona plötzlich »Die Mensch-
oder?« Ein Interview mit einer derartigen Funktion als Bundespräsident angetan. macht haben. Werden sie dort als Türken, Polen solcher Migranten annimmt und ihnen Ratschläge heitsaufgabe«? Bisher war es doch »Größer,
Frage zu beginnen – das muss man sich erst Nun lese ich den Artikel »Der Präsident oder Vietnamesen wahrgenommen? zur kulturellen Anpassung gibt (Sprache, Stellung schneller, mehr, und noch mehr«.
mal trauen. Ich fand den Einstieg köstlich und wir«, geschrieben von drei Frauen, Ich kann verstehen, dass all das frustrierend ist, der Frau ...) und dann erlebt, dass davon nichts an- Wolfgang Burkhardt, Norderstedt
und habe lange geschmunzelt. Abgesehen da- deren Eltern ihre Heimat Polen, Türkei mich ärgert aber, dass es so geschildert wird, als kommt. Dann darf die Tochter, ausgebildet in un-
von war das Gespräch mit Karl-Heinz Ott, und Vietnam verlassen und ihr Glück in sei dies ein deutsches Problem. serem Schulsystem, nicht hier studieren, sondern Eine »Menschheitsaufgabe« ist der Kampf gegen
dem profunden Kenner der Hölderlinschen Deutschland gesucht haben. Die drei Tobias Böhm, per E-Mail wird in die Verwandtschaft nach Anatolien verhei- den Klimawandel. Corona legt nur die Schwä-
Biografie, ausgesprochen gut. Töchter, allesamt in Deutschland überdurch- ratet, um Kinder zu kriegen. Meine Toleranz solcher chen eines Wirtschaftssystems bloß, das von
Hagen Treutmann, Wüstenrot schnittlich ausgebildet, schildern in einem Buch Wenn es allen Bürgern gleich gut geht und sie Einwanderung gegenüber ist begrenzt. permanentem Wachstum abhängig ist. Nutzen
die Problematik von Migrationskindern. Das kam – auch mit den politischen Verhältnissen – zufrieden Prof. Werner Koetz, per E-Mail wir Einschränkungen durch Corona dafür,
Wie einfältig von dem Poeten, sich eine ideali- bei Joachim Gauck so gut an, dass er 2014 die drei sind, kann man darauf bauen, dass Andersartigkeit darüber nachzudenken, wie wir den klimapoli-
sierte Welt zu erschaffen, die es ja so gar nicht Damen ins Schloss Bellevue einlud. Die Jahre da- toleriert wird. Andersartigkeit heißt etwa Betonung Schon mir (ohne Einwanderungshintergrund) ge- tisch sowieso notwendigen Umbau unseres
gibt. Und auch das Frauenbild, das sich Höl- nach: Rechtsextremisten und Neonazis begehen der eigenen Identität durch äußerlich erkennbare hen die Sprüche und Ansprüche, die neuerdings an Wirtschaftssystems energischer als bisher voran-
derlin mit seiner vergötterten Diotima gemalt Morde, die AfD mit ihrem rechtsextremistischen Merkmale wie das Kopftuch der islamischen Frau- Menschen mit Wurzeln in anderen Kulturen ge- treiben können. Nach Corona sind wir (wieder)
hat, entspricht nicht der Diotima aus Platons Flügel gewinnt im Osten an Stimmen. Alle ver- en oder die Kippa der jüdischen Männer. richtet werden, gewaltig auf die Nerven. Ich habe mitten in der Klimakrise.
Gastmahl! Da hat sich aber einer nicht an die suchen, Ursachen zu ergründen. Wenn aber die Menschen unzufrieden sind, können den Eindruck, dass die Forderung nach Deutsch- Gisela von Mutius, Bonn
Vorgaben gehalten! Nun, im Februar 2020, sieht sich der während Populisten den Unmut aufnehmen und ihn gegen kenntnissen vor allem von Menschen kommt, die
Franz Bergmann, Köln seiner Präsidentschaft so Demokratie stärkend einen vermeintlichen Feind in Stellung bringen. Sie nie selbst in einem Land gelebt haben, dessen Spra- Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll,
redende Gauck bemüßigt, auf eine Partei zuzu­ lenken damit von den eigentlichen Problemen ab. che sie nicht schon auf der Schule gelernt haben. wenn ich höre, dass Wirtschaftsverbände, die
Es scheint mir zu kurz gegriffen, Hölderlin gehen, die völkische Gedanken frei äußert. Das Damit beschreibe ich die in Thüringen und anderen Und ich weiß von ausländischen Kolleginnen, dass bisher den Staat als Störenfried beim Gewinne-
allein aus seiner Rezeptionsgeschichte oder lässt ihn in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Teilen Deutschlands eingetretene Situation.Joachim ihnen Deutsch auch deshalb nach Jahren noch machen beschimpften, nun plötzlich nach
seinem Griechenlandideal verstehen zu wol- Ulrich Schuberth, Fürth Gauck war zur Wendezeit Pfarrer in Rostock. Wer, schwerfällt, weil hilfsbereite Mitbürger gleich ins ebendiesem Staat rufen, auf dass er die durch
len. Hölderlin wurde gebrochen – das zeigen wenn nicht er, kann sich einfühlen in die Mentalität Englische wechseln. Ein spanischer Softwareent- die Corona-Krise verursachten Verluste gefälligst
seine späten Gedichte aus dem Turm in Tü- Man hat den Eindruck, dass die drei ZEIT-Jour- der sich vernachlässigt fühlenden Ostdeutschen? wickler gibt mittlerweile einfach vor, kein Englisch möglichst zügig ausgleichen möge. So sind sie
bingen, die als ein Rückgriff auf konventio- nalistinnen mit Migrationshintergrund auf dem Wenn er bei seinem Gesprächsversuch nicht mit zu können. es ja auch seit Jahrzehnten gewohnt: Gewinne
nelle, manchmal fast kindliche Formen ver- Sofa sitzen und übel nehmen. Man sollte aber unerfüllbaren Forderungen an das Deutschsein der Sabine Moehler, per E-Mail privatisieren, Verluste sozialisieren. Und wirt-
standen werden können. Die Sehnsucht nach Menschen, denen Multikulti und Globalisierung ZEIT-Autorinnen für die Politik der Bundesregie- schaftsliberale Politiker, die stets lauthals Steuer-
einer idealen, besseren Welt begleitet uns al- etwas zu schnell und etwas zu weit gehen, nicht rung wirbt, sollten wir seine Initiative begrüßen. Schade, Joachim Gauck wird wortreich zu Unrecht senkungen und den Abbau der im Haushalt
lerdings bis heute. gleich in die Ecke der Rassisten stellen. Man er- Jürgen Kirschning, Berlin in eine Position gebracht, die seinem Anliegen nicht gebildeten Rücklagen zugunsten der »Leistungs-
Dr. Friedrich Koch, Stadtbergen zeugt da eher einen Trotzeffekt. Genau so sind die gerecht wird. Er hat sich keinesfalls »von der Panik träger« (sprich Unternehmer) gefordert haben,
Äußerungen von Joachim Gauck zu verstehen. Es gibt Migranten wie die Autorinnen, deren Eltern anstecken lassen«. Er versucht in seinem Buch stoßen nun ins selbe Horn, ohne sich zu fragen,
Brigitte Schellnhuber, Ingolstadt sich wohl bewusst für ein Leben in einem liberalen lediglich, einen Teil unserer Gesellschaft aus der wie ein Staat ohne Steuereinahmen und in guten
Land entschieden haben und dafür auch kulturelle Sprachlosigkeit zu holen und konservativ eingestellte­ Zeiten gebildete Rücklagen die geforderten
Altherrengedöns Ich frage mich, welche Erfahrungen Deutsche,
deren Eltern in ein anderes Land wie etwa Polen,
Anpassungen in Kauf zu nehmen bereit sind. Solche
sehe ich uneingeschränkt als Bereicherung an. Es
Menschen wieder in den Dialog einzubeziehen.
Ulrich Wasner, per E-Mail
Wohltaten überhaupt finanzieren könnte. Der
Staat sollte sicherlich versuchen, unverschuldet
in Schwierigkeiten Gekommenen zu helfen,
Martenstein: Ȇber das Perioden- aber auch darauf bestehen, dass es zur guten
produktegesetz ...«  ZEITMAGAZIN NR. 13 Unternehmensführung gehört, selbst für Krisen-

Verführt von Kohl


zeiten vorzusorgen.
Dr. Wolfgang E. Fischer, Prem
Ich bin fassungslos, dass ihr die Kolumne von
Harald Martenstein Ȇber das Periodenpro- Wo sind die liberalen Stimmen, die die Ein-
dukte-Gesetz in Schottland und ein paar Ideen Matthias Geis: »Wir waren so frei«  ZEIT NR . 12 schränkung unserer Grundrechte infrage
für andere staatliche Subventionen« abge- stellen? Warum lese ich nichts über die unter

Z
druckt habt. Was war das Ziel? Klicks und Juristen kontrovers diskutierte Frage der Legi-
Kommentare in den sozialen Medien? Oder um 30. Jubiläum der ersten freien verdrossenheit im Osten kann man bedauern, nicht die Übernahme aller Westgesetze, die im Vergleich timität dieser Maßnahmen? Wenn wir nach
fandet ihr sie originell? Letztes Jahr sind hier Volkskammerwahlen versucht der Au- jedoch verurteilen. zu anderen Transformationsländern radikalere Pri- Corona nicht alle mit Fußfesseln zu Hause
in der Schweiz eine halbe Million Menschen tor, uns glauben zu machen, die Ost- Heidrun Wehnert, per E-Mail vatisierung sowie der Grundsatz »Rückgabe vor Ent- festgesetzt sind und statt des Fernsehers den
auf die Straße gegangen, um sich gegen sol- deutschen seien selbst schuld an der schädigung«, der Investitionen behinderte. Kopf wieder eingeschaltet haben, gibt es eini-
ches Altherrengedöns zu wehren, und ganz Art, wie die Wiedervereinigung er- Ich habe in den Jahren der Wende Supervision in Trotz seiner weitgehend richtigen Erfassung der Aus- ges aufzuarbeiten.
offensichtlich ist das einfach immer noch folgte. Sie hätten wählen können, ob sie dem An- den Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen der gangslage stellt der Autor einige sehr steile – und Rainer Carsten Gerdes, per E-Mail
dringend notwendig. Menstruierende Frauen schluss an den Westen oder einer Föderation mit katholischen Kirche in Meiningen und Erfurt geben historisch nicht haltbare – Thesen auf. Das geht
und inkontinente Haustiere in einem Atem- ihm den Vorzug geben. dürfen. So konnte ich miterleben, wie tief die poli­ schon damit los, 75 Prozent der Ostdeutschen hät- Es ist so schade: Wieder ist für diese »Mensch-
zug zu nennen ist dann doch etwas dicke. Seltsam. Auf den Wahlzetteln stand davon nichts. tischen Veränderungen in das Leben eingriffen: Von ten diesen Weg gewählt. Das unterschlägt, dass die heitsaufgabe« nur ein Mann zuständig ... Ich
Nina Hüppi, Zürich Bundeskanzler Helmut Kohl versprach dem Osten einem Tag auf den anderen wurde Frauen und SPD – welche in den Umfragen vorn lag – einen weiß, dass Sisyphos ein Mann war, aber
»blühende Landschaften«, was auch immer er dafür Männern, die wichtige Aufgaben übernommen deutlich vorsichtigeren Weg vorgeschlagen hatte. kann man denn nicht ein bisschen Fantasie
Wussten Sie, dass Hygieneprodukte für Frauen hielt. Dass er insgeheim einer Kon­fö­de­ra­tion den hatten, zum Teil auch überzeugt waren vom poli­ Das Versprechen eines schnellen Beitritts zur BRD walten lassen bei einem Titelbild im Jahr
in Deutschland bis vor Kurzem in die Vorzug gegeben hätte, war nicht wahrnehmbar. Und tischen System der DDR, der Boden unter den war allein der Wahlkampfschlager der CDU. Mit 2020, wo die Aufgabe nicht unerheblich
Be­steuerungskategorie »Luxusartikel« fielen? es ist auch nicht glaubwürdig, denn die CDU als Füßen weggezogen. Das Ausmaß all dessen hatte diesem Versprechen gelang es Helmut Kohl, den Krankenschwestern, Verkäuferinnen, alleiner-
Das heißt, dass ich als Frau für Menstrua­ Sieger dieser Wahlen hat ja wählen können zwischen man im Westen nur wenig im Blick. Wahlkampf im Osten kurz vor Ende zu drehen. ziehende Mütter betrifft?
tions­ar­tikel 19 Prozent Mehrwertsteuer be- den beiden Optionen – und hat sich für den schnel- Erhard Scholl, Gernach Kohl, der zu diesem Zeitpunkt innenpolitisch­ Ulrike Spies, Marburg
zahlen musste. Seit Januar werden sie als­ len Anschluss entschieden. eigentlich schon abgeschrieben war, setzte dabei
»Artikel des täglichen Bedarfs« (mit sieben Weshalb wurden die beiden Varianten nicht aus- Als Ostdeutschen, der Ende 1990 in den Norden alles auf eine Karte. Es ist davon auszugehen, dass
Prozent Mehrwertsteuer) eingestuft. führlich diskutiert? Schon gar nicht mit Blick auf der Republik zog, beeindruckt mich vor allem ihm die ökonomischen – und in der Folge auch poli­
Ich erwarte keine Gratisangebote vom Staat, den wirtschaftlichen Aspekt? Weil für die Ost- die Formulierung: »Als die Dominanz des Wes- tischen – Risiken dieser Strategie durchaus bekannt
aber ich betrachte meine Periode auch nur­ deutschen »das neue Leben im Westen schon so tens in allen Kapillaren der eigenen Lebenswelt waren. Unter anderen der damalige Bundesbank- IHRE POST
bedingt als »Luxus« ... lange zu besichtigen gewesen war«, wie Matthias spürbar und für viele ehemalige DDR-Bürger zu präsident Karl Otto Pöhl sowie der Rat der Wirt-
Carlotta Schlosser, per E-Mail Geis glauben machen will? Das ist angesichts der einer permanenten Zumutung wurde, geriet die schaftsweisen warnten eindringlich vor den verhee- erreicht uns am schnellsten unter der
vierzigjährigen Reise- und Informationsbeschrän- Tatsache, dass man diese Entwicklung selbst er- renden Folgen der schnellen Währungsunion. Auch E-Mail-­Adresse leserbriefe@zeit.de
kungen im Osten grotesk! zwungen hatte, in Vergessenheit. Je verstörender Oskar Lafontaine hatte früh gewarnt und wurde von Leserbriefe werden von uns nach eigenem
Wie hätten sie ahnen sollen, was da auf sie zu- der Einbruch der neuen Realität erlebt wurde, der CDU als vaterlandsloser Geselle verunglimpft. Ermessen in der ZEIT und/oder auf ZEIT
BEILAGENHINWEIS kommt: der Ausverkauf oder die Schließung der desto grotesker erschien einem Teil der DDR- Zu schreiben, die drängenden Ostdeutschen hätten ONLINE veröffentlicht. Für den Inhalt der
Betriebe und eine bis dahin unbekannte Massen- Bürger von einst die Vorstellung, sie hätten es Kohl keine Wahl gelassen, ist nicht plausibel. Wel- Leserbriefe sind die Einsender verantwort-
Die heutige Ausgabe enthält folgende Publikationen arbeitslosigkeit. All dies kam einer Vertreibung selbst so gewollt haben können.« Chapeau! ches Druckmittel hätten die Ostdeutschen denn lich, die sich im Übrigen mit der Nennung
in einer Teilauflage: Baden-Württemberg Stiftung gleich: Wer konnte, suchte sich im Westen Arbeit. Kai Seyffarth, Bremen haben sollen, um den 1 : 1-Umtausch und die ihres Namens und ihres Wohnorts
GmbH, 70174 Stuttgart; Gemeinschaftswerk der Die Masse der Daheimgebliebenen jedoch hatte schnelle Einheit zu erzwingen? Die Abstimmung einverstanden erklären.
Evang. Publizistik (GEP) gGmbH, 60439 Frank- außer Häme keine Unterstützung. Jammer-Ossis! Der Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft mit den Füßen? Die fand als Folge des Zusammen- Zusätzlich können Sie die Texte der ZEIT
furt am Main; Gladigau Immobilien GmbH, Das hat mitunter für Verbitterung gesorgt. Man- war nicht (nur) eine Folge von 40 Jahren Misswirt- bruchs sowieso statt. Vielmehr sind die Ostdeut- auf Twitter (@DIEZEIT) diskutieren und
20457 Hamburg; In pact media GmbH, 10178 chem ist bis heute nicht klar, wie das Vertrauen der schaft, sondern resultierte auch aus den (Fehl-)Ent- schen – und diesen Vorwurf müssen sie sich gefallen uns auf Face­book folgen.
Berlin; Walbusch Walter Busch GmbH, 42655 So- Ostdeutschen in staatliches Handeln vollmundig scheidungen auf dem Weg zur Einheit. Da wäre der lassen – einem Verführer aufgesessen.
lingen. agierender Politiker enttäuscht wurde. Die Politik- Währungsumtausch im Verhältnis 1 : 1 zu nennen, Stephan Rudolph, Chemnitz/Düsseldorf

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Der Regierende Bürgermeister
von Berlin
Senatskanzlei
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 GESCHICHTE 17

Abb.:[M]: akg-images
und 1866 nur lose organisiert: Der Deutsche
Bund bestand zeitweise aus 40 Gliedstaaten, von
denen jeder in Gesundheitsdingen allein bestim-
men konnte. Diese Staaten entschieden über die
Impfung unterschiedlich, und sie wachten kaum
über die Einhaltung dieses Gesetzes, dazu fehlte
ihnen das Personal. Das Gros der Menschen ver-
hielt sich denn auch eher nachlässig, was das­
Impfen betraf. In der Folge kam es immer wieder
zu größeren und kleineren Epidemien.
In den frühen 1840er-Jahren ließen die Pocken
zwar in Deutschland etwas nach; schon in den
1850er-Jahren aber verdichteten sich da und dort
iese Krankheit verschonte kaum einen: Mozart,­ einzelne Fälle zu Epidemien. Nach 1860 nahm die
Beethoven und Goethe waren von ihr ebenso gezeich- Zahl der Infektionen wieder zu. Die meisten
net wie die Fürsten ihrer Zeit. Ihre Gesichter waren Deutschen waren damals vermutlich nicht gegen
übersät von kleinen Narben und Kerben – eine die Pocken geschützt.
Folge der Pocken, die während des 18. Jahrhunderts Umso schneller war man mit Vorurteilen bei der
so weit verbreitet waren, dass in einigen Steckbriefen Hand, wie es in der langen Geschichte der Seuchen
ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, wenn der immer wieder zu beobachten ist. Insbesondere
Gesuchte keine Pockennarben trug. während der letzten großen Epidemie von 1871 bis
Vom Mittelalter an trat die Krankheit hierzu­lande 1873 meinte man schon bald einen Schuldigen
periodisch auf. Bis sie aus ­Asien nach Europa ­gelangt gefunden zu haben: Französische Gefangene, hieß
war, hatte es aber, anders als im Fall von Covid-19, es damals, hätten die Pocken eingeschleppt. Tatsäch-
Jahrhunderte gedauert. Seuchenzüge, die in A ­ sien lich ­bestanden kleine Pockenherde Ende der 1860er-
ihren Ursprung hatten – wie Pest, Fleckfieber oder Jahre zu beiden Seiten des Rheins.
Cholera –, haben Europa in vormoderner Zeit, als Erst im weiteren Verlauf der Epidemie zeigte sich,
die Menschen noch nicht in Massen mobil waren, dass einmalig Geimpfte weniger stark befallen wur-
oft mit großer Verzögerung erreicht. den als Ungeimpfte. So erlitten Staaten ohne Impf-
Die Pockenerkrankung beginnt mit Schüttel- pflicht besonders hohe Verluste, allen voran das
frost, hohem Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Kopf-, Königreich Preußen: 1871 starben dort an die 60.000
Glieder- und Kreuzschmerzen. Am zweiten oder Der britische Arzt Menschen an den Pocken, im Jahr darauf weitere
dritten Krankheitstag zeigt sich ein Ausschlag, vor Edward Jenner 66.000. Preußen büßte so zwischen 1871 und 1873
allem an Kopf und Rumpf. Die blassroten Haut- impft seinen Sohn. mehr als 0,5 Prozent seiner Bevölkerung ein – das
veränderungen werden am folgenden Tag zu linsen- Kupferstich nach Königreich Bayern nicht einmal ein Drittel davon,
großen spitzen Knötchen und weitere drei Tage einer Skulptur für obwohl auch hier nur etwa sieben von zehn Personen
später zu erbsengroßen, flüssigkeitsgefüllten, hoch- die Weltausstellung geimpft waren. In den alten »Impfstaaten« – vor­
infektiösen schmerzhaften Blasen mit einer cha- in Paris 1878 allem in Baden, Bayern und Württemberg – verlief
rakteristischen Delle und einem roten Hof, der rasch die ­Pockenepidemie also längst nicht so dramatisch
ver­eitert. Der Ausschlag hält etwa zwei Wochen an. wie in den notorisch impf­unwil­li­gen Staaten und
In den ersten zehn Tagen der Erkrankung sind­ Städten im Norden. In der seit 1815 preußischen
gelegentlich akute toxische Psychosen zu beobach- Stadt Duisburg etwa war die Pockensterblichkeit fast
ten als Folge von Reiz­erschei­nun­gen an den Hirn­ zehnmal so hoch wie im bayerischen Nürnberg.
häuten. Einige der Erkrankten leiden später unter Generell traf die Seuche eher Stadt- als Landbewoh-
Lähmungen, Taubheit oder Erblindung. Sofern eine ner und die Armen stärker als die Wohlhabenden.
Pockenerkrankung tödlich endet, tritt der Tod zu-
meist am achten oder neunten Tag ein. Wobei man Nur einzelne Labore lagern den
diesen gesamten Absatz in die Vergangenheitsform Pockenerreger noch in ihren Giftschränken
setzen darf: Die Pocken sind bislang die einzige­
Infektionskrankheit von historischer Bedeutung, Die Abgeordneten des Deutschen Reichstages­
die vom Erdboden verschwunden ist. zogen aus der Epidemie die Lehre, dass alle Deut-
schen zu einer mindestens zweimaligen Pocken-
Sapere aude! Der große Aufklärer Kant schutzimpfung verpflichtet werden müssten. Im
war ein vehementer Impfgegner Februar 1874 wurde im Reichstag eine ent­
sprechende Gesetzesvorlage eingebracht. Am
Der Weg dorthin war weit. Und er war voller Rück- 8. April setzte Kaiser Wilhelm I. seine Unterschrift
schläge. Einer der letzten großen fiel hierzulande mit darunter. Dieses neue Gesetz sah eine Impfung­
der Gründung des Kaiserreichs zusammen: So wurde aller Neugeborenen innerhalb des ersten Lebens-
just am 18. Januar 1871, als in Ver­sailles nach dem jahres vor; spätestens im Alter von zwölf Jahren
Sieg über Frankreich das Deutsche Reich aus der musste die Impfung erneuert werden. Wer sich

Das besiegte Virus


Taufe gehoben wurde, in einem heruntergekom- weigerte, sich und seine »Schutzbefohlenen« imp-
menen alten Gemäuer an der Pegnitz vor den Toren fen zu lassen, also Frau und Kinder, dem drohte
Nürnbergs ein Notspital für Pockenkranke eröffnet. eine Geldstrafe von 50 Mark – für viele ein halber
Eine schwere Pockenepidemie, die letzte große in Monatslohn – oder drei Tage Haft.
Deutschland, begann sich in dem »mit Blut und Nicht alle modernen Staaten Westeuropas be-
Eisen« geschaffenen Kaiserreich auszubreiten. Sie schritten diesen Weg der Zwangsimpfung. Groß­
forderte rund 180.000 Men­schen­leben, etwa viermal britannien etwa verzichtete darauf. Trotzdem
so viele wie der Krieg gegen Frankreich, der im Som- nahm die Pockensterblichkeit in England und­
mer 1870 begonnen hatte. Wales nach 1904 deutlich ab. Vermutlich lag dies
Das war nichts Ungewöhnliches. Seuchen ver- Die Pocken wüteten in Europa über Jahrhunderte. Um sie niederzuringen, mussten Ärzte und daran, dass seitdem kaum mehr Fälle von Pocken
ursachten im 19. Jahrhundert weitaus mehr Todes- Politiker gegen Ängste und Vorurteile ankämpfen, die bis heute ansteckend sind  vom Kontinent auf die Insel kamen. Die Briten
fälle als die Kriege; die Sterblichkeit lag selbst in­ profitierten also von der sich dort durchsetzenden
Friedenszeiten in der Regel deutlich höher als im VON MANFRED VASOLD Impfpflicht.
20. Jahrhundert während der Weltkriege. Noch die In Deutschland traten die Pocken im 20. Jahr-
Spanische Grippe, die vor hundert Jahren wütete, hundert nur noch selten auf. Einige Einzelfälle ver-
brachte mehr Menschen um als der Erste Weltkrieg: zeichnete man während der Weltkriege. E ­ inen un-
Weltweit ­waren es bis zu 50 Millionen. erwartet heftigen Alarm gab es dann in der Bundes-
Wenn die Pocken oder Blattern, wie sie damals der Sitten. Den Seefahrer, der sich zum Zwecke des Die Impfung mit Kuhlymphe war bedeutend Die gängigen zeitgenössischen Argumente gegen republik, als sich um die Jahreswende 1958/59 he-
auch genannt wurden, in einer Region epidemisch Brot­erwerbs auf das stürmische Meer begebe, könne weniger gefährlich als die mit Menschenpocken und das Impfen finden sich in der von Johann Georg rum in Heidelberg einige Fälle zu einer kleinen­
auftraten, lag der Anteil der Pockentoten dort in der er verstehen, denn der mache den Sturm nicht selbst, setzte sich in einigen deutschen Ländern rasch durch. Krünitz seit 1773 herausgegebenen Oeconomischen Epidemie verdichteten. Ausgelöst hatte sie ein Arzt,
Regel bei 15 oder 20 Prozent aller Verstorbenen. der ihn am Ende vielleicht verschlinge. Wer sich aber Das junge Königreich Bayern erhob die einmalige Encyclopädie trefflich zusammengefasst. Unter dem der kurz zuvor von einer Reise aus Indien zurück-
Medizinische Lehrbücher geben die Höhe der Sterb- freiwillig die Pocken einimpfen lasse, der bringe sich Impfung im Kleinkindalter bereits im August 1807 Stichwort ­»Pocken« heißt es darin unter anderem, gekehrt war und dessen letzte Pockenschutzimpfung
lichkeit unter den Erkrankten mit 30 oder 40 Pro- aus freien Stücken in Todesgefahr. zur Pflicht. Württemberg und andere süddeutsche dass »die absolute Unmöglichkeit an den Kuhpo- lange zurücklag. In Windeseile infizierte er Men-
zent an. Besonders hoch war die Letalität, wenn eine Andere deutsche Gelehrte machten sich für die Staaten folgten. Im Norden konnte sich die Vakzina- cken zu ­sterben« keineswegs erwiesen sei. Zu be- schen aus seiner Umgebung, bevor man die Krank-
Bevölkerung keinerlei Immunität besaß, wie etwa Impfung stark, etwa der Prediger Johann Peter Süß- tion dagegen so gut wie gar nicht durchsetzen. In fürchten sei ferner, dass »mit dem Kuhpockengift heit erkannte und eine strenge Quarantäne verhäng-
die indigenen Einwohner Amerikas im 16. Jahr- milch (1707–1767). Die Pocken, schrieb er, würden Hamburg, vermutet der britische Historiker Richard zugleich auch andere Krankheitsstoffe eingeimpft te. Trotzdem kam es zu zwei Todesfällen: Die eine
hundert. Zu Abertausenden wurden sie von den Po- »durch die Einpfropfung fast ganz unschädlich ge- Evans, trug die kaufmännische Gesinnung des Rates werden«. Nicht zuletzt könne, »da die Kuhpocken Tote war eine ungeimpfte Ärztin, bei der anderen lag
cken hinweggerafft, die die europäischen Konquis- macht«. Von 300 »Eingepfropften« sterbe kaum zur Skepsis bei: Eine flächendeckende Impfung war ursprünglich eine Viehkrankheit sind, durch Mitt- die ­letzte Impfung 50 Jahre zurück. In den frühen
tadoren in die Neue Welt eingeschleppt hatten. einer. Dass ein gewisses Impfrisiko bestand, leug- den Verantwortlichen wohl zu kostspielig, zudem heilung derselben der menschliche Körper gleichsam Sechzigerjahren zählte man noch einzelne Infektio-
Ein Heilmittel gegen diese Krankheit gab es auch nete Süßmilch nicht, wog es aber gegen den Nutzen bedrohte die Krankheit in erster Linie die Armen, die degradirt, und durch die Bey­mischung thierischer nen im Rheinland. Dann war Schluss.
im späten 19. Jahrhundert noch nicht, wohl aber ab: »Ich will zugeben, daß Eltern ihre Kinder nicht in beengten Verhältnissen lebten. Säfte [...] verschlechtert werden«. In Somalia im Osten Afrikas brachen die P ­ ocken
– und das seit langer Zeit – eine vorbeugende Maß- dürfen in Gefahr setzen. Man wird mir aber auch Auf Ablehnung stieß das Impfen vor allem in 1977 noch einmal heftig aus. Seither gab es weltweit
nahme: die Impfung. dagegen müssen zugeben, daß Eltern aus zweyen ANZEIGE den bäuerlichen und unterbürgerlichen Schichten, keinen einzigen Fall mehr. Schon einige Jahre zuvor
So praktizierten englische Ärzte im 17. und Übeln und Gefährlichkeiten das kleinste wählen die kaum des Lesens kundig waren und daher die hatte man die strenge Einhaltung des Pocken-Impf-

JETZT NEU
18. Jahrhundert eine im Osmanischen Reich üb- müssen, wenn beide unvermeidlich sind.« Argumente in den aufgeklärten Intelligenzblättern schutzes in der Bundesrepublik gelockert. Viele, die
liche Methode, die sogenannte Va­rio­la­tion (von Widerstände gegen die Variolation gab es in ganz nicht zur Kenntnis nahmen. Einige Eltern verwei- hierzulande vor 40 oder mehr Jahren geboren wur-

AM KIOSK
lateinisch variola, die Pocken): Sie verwendeten Europa. In Frankreich ließ erst der Tod König Lud- gerten die Impfung, weil sie glaubten, das Schick- den, tragen die leibhaftige Erinnerung an die Imp-
dazu den ­Inhalt von Pusteln, um einen – im Ideal­fall wigs XV. – er starb 1774 an den Pocken – die Zeit- sal ihrer Kinder sei vorgezeichnet, ja sie fürchteten fung allerdings noch auf ihrem Körper: in Form
– kontrollierten, leichten Pockenfall herbeiführen. genossen umdenken. Nicht wenige Fürsten wurden sogar, Gott könne ihnen dies als einen Eingriff in einer kleinen Narbe, zumeist auf dem Oberarm.
Erprobt wurde diese Impftechnik angeblich zuerst seinerzeit Opfer der Krankheit. 1711 starb der Habs- seine Zuständigkeit übel nehmen. Manche hielten Dank der Immunisierung durch Impfung wurden
an zum Tode verurteilten Verbrechern und an burger Kaiser Joseph I. an ihr, 1777 der bayerische einen Ausbruch von Masern oder Scharlach, die die Pocken vollständig besiegt. Nur einzelne Insti-
Waisen­ kindern. Englischen Berechnungen von Kurfürst Max III. Joseph. Von Kaiser Josephs II. kaum weniger schlimm waren als die Pocken, irr- tute und La­bore lagern das Pockenvirus noch in
1727 zufolge lag die Wahrscheinlichkeit, sich die Mutter, Maria Theresia, ist bekannt, dass sie sich die tümlicherweise für eine Folge der Impfung. Ande- ihren Giftschränken – zu Forschungszwecken.
Krankheit zuzuziehen und daran zu sterben, bei Pocken bei der Pflege ihrer Schwiegertöchter zuzog; re hofften, dass die durch Pockennarben gezeich- Wie lange es dauern wird, bis ein Impfstoff gegen
1 : 8,5. Wer geimpft sei, hieß es, habe hingegen ein sie soll danach die Spiegel in ihrer Residenz verhängt ODER neten Kinder nicht zum Militär mussten. das Coronavirus verfügbar ist, kann derzeit niemand
mehr als zehnmal geringeres Risiko – sofern er sich haben, damit sie sich nicht mehr anschauen musste. GRATIS Hinzu kam, dass die Impfung teuer war, viele genau sagen. Das Interesse an vielen anderen Imp-
nicht durch die Impfung selbst schwer infizierte, Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bemerkte der LESEN! kostete sie einen halben bis einen ganzen Tageslohn. fungen, von den Masern bis zur Grippe, ist indes
was durchaus passieren konnte. englische Landarzt Edward Jenner (1749–1823), Gerade in Krisenzeiten war der Widerstand daher nicht allzu groß. Ob die Covid-19-­Epidemie zu­
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dieses dass Melkerinnen, welche die Kuhpocken – eine stark. Wenn überhaupt, gingen die Ärmeren lieber einem Bewusstseinswandel führen wird? Zu hoffen
nicht ganz ungefährliche Verfahren auch in Mittel- den Pocken ähnliche Erkrankung der Kühe – durch- zu einem Bader zur Impfung als zu einem akade­ wäre es. Denn Geschichte wie Gegenwart zeigen:
europa angewandt. Johann Wolfgang von Goethe gemacht hatten, nicht mehr oder nur noch sehr mischen Arzt, denn der Bader war billiger. Krankheiten lassen sich nur dann erfolgreich­
berichtet darüber in seinem autobiogra­ fischen schwach an den Menschenpocken erkrankten.­ Zusätzliche Zweifel machten sich breit, als man bekämpfen, wenn medizi­nische Forschung, Politik
Werk Dichtung und Wahrheit – und erwähnt auch Daraus entwickelte er eine neue Impfmethode, die bemerkte, dass die Pocken trotz Impfung nicht zu und Bevölkerung ­gemeinsam handeln – und über­
die weitverbreitete Skepsis. Vak­zi­na­tion (von lateinisch vacca, die Kuh). Jenner grassieren aufhörten – was mehrere Ursachen hatte. Staatsgrenzen hinausdenken.
Ein vehementer Impfgegner war etwa der­ veröffentlichte seine Einsichten in einem Buch, das Zum einen bot eine einmalige Impfung noch
Königsberger Philosoph Immanuel Kant: »Wer sich 1799 auch in deutscher Übersetzung erschien: Hier testen: www.zeit.de/zg-heft keinen lückenlosen Immunschutz. Die Impfung Manfred Vasold ist Historiker und hat zahlreiche
die Pocken einimpfen zu lassen beschließt, wagt sein Untersuchungen über die Ursachen und Wirkungen musste wiederholt werden. Zum anderen war Bücher zur Medizin- und Sozialgeschichte der
Leben aufs Ungewisse«, schrieb er in der Metaphysik der Kuhpocken. Deutschland in den Jahrzehnten zwischen 1815 Seuchen verfasst

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2. A P R I L 2020 D I E Z E I T N o 15

RECHT & UNRECHT 18

DIE ZEIT: Liebe Frau Zeh, ich habe den Ein­ ZEIT: Man traut sich nicht, dem Mordversuch

Foto: Gene Glover/Agentur Focus


druck, dass es in Ihren Büchern von Verbrechen diesen Namen zu geben.

»Ich weiß, wie


wimmelt, sie werden bloß nicht als solche bezeich­ Zeh: Richtig, solange man es nicht ausspricht, ist
net. Sie werden auch nicht aufgeklärt und abge­ ja nichts passiert. Da kann man wieder sehen, wie
urteilt – sie finden einfach statt. Würden Sie sich eng Recht und Sprache zusammenhängen. Es
als Kriminalschriftstellerin bezeichnen? kommt immer darauf an, welcher Begriff verwen­
Juli Zeh: Wenn es keine so krasse Gattungstrenn­ det wird. Das hat damit zu tun, dass ein Einzel­
wand gäbe, würde ich einfach sagen: ja. Aber es mensch nicht in der Lage ist, zwischen Recht und

sich das anfühlt«


gibt in Deutschland die Krimis und die »Nicht­ Unrecht zu unterscheiden, denn Sprache braucht
krimis«, und man erwartet bei einem Krimi stets immer mindestens zwei Personen und eigentlich
einen Kommissar. Nach diesen Maßstäben bin ich noch viel mehr. So geschieht es tragischerweise oft
keine Krimi-Autorin. in Familien; da passieren schlimme Dinge, und die
ZEIT: Aber in jedem Ihrer Bücher passieren Beteiligten haben sich sozusagen darauf geeinigt,
schlimme Dinge. Auf manche davon steht»lebens­ diese Dinge nicht als Verbrechen zu betrachten. Es
länglich«. Etwa auf den Mordversuch in Nullzeit. bleibt unter den Familienmitgliedern, die Sprache
Zeh: Nullzeit würde ich wirklich als Krimi oder Ein Gespräch mit der Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh dringt in das Dickicht gar nicht erst vor, es folgt
jedenfalls als Thriller bezeichnen. keine Sanktion, kein Prozess, nichts.
ZEIT: Unterleuten in gewisser Weise auch. über wahre Mordgelüste, mystische Augenblicke und über ZEIT: Jahre später fällt dann der Vorhang.
Zeh: Zumindest passieren auch da Dinge, die kri­ schreckliche Familiengeheimnisse Zeh: Vielleicht. Das ist häufig erst der Fall, wenn
minalistisch relevant wären. ein Betroffener herausgetreten ist aus dem Fami­
ZEIT: Ich frage mich, warum Sie als Volljuristin lienkosmos und das Ganze nun in einem gesell­
und kriminalistisch Interessierte keine Strafrichte­ schaftlichen Licht sieht. Plötzlich sind da andere
rin sind, sondern Romane schreiben. Weil Sie als Leute, die sagen: Was da passiert ist, das ist straf­
Richterin das Millimeterpapier der Strafjustiz über bar! Und mit einem Mal ist das Familiengeheimnis
dieses ganze menschliche ­ Chaos legen müssten oder das »normale« Geschehen am Arbeitsplatz ein
und keine Gelegenheit mehr hätten, sich auf die Verbrechen. Davor hat es in einer anderen Welt
andere Seite, die der Täter, zu stellen? stattgefunden. Darum geht es doch: Etwas wird
Zeh: Ich hatte zunächst vor, Strafrichterin zu wer­ erst in dem Moment zum Verbrechen, wo es aus­
den, und traute es mir auch zu. Was ich nicht ge­ gesprochen wird.
wollt hätte: Rechtsanwalt sein oder Staatsanwalt. ZEIT: Kennen Sie den bayerischen Schriftsteller
Da steht man schon qua Beruf auf einer Seite. Der Ludwig Thoma? Letztlich war er ein Kind, das
Richter und der Autor haben ja etwas gemeinsam, heute in der Jugendpsychiatrie sitzen würde, hoch­
sie sind neutral und sehen alles »von oben«. Der gradig gewaltbesessen, tierquälerisch – aber seine
Richter bekommt alles, was den Fall ausmacht, Lausbubengeschichten sind trotzdem supergute Er­
vorgelegt. Und der Autor steckt sein Gelände zählungen. Das gilt auch für Till Eulenspiegel –
selbst ab: Hier spielt meine Geschichte, und ich der ja menschlich das Allerletzte ist.
stehe in gewisser Weise darüber. Zeh: Ja, harter Tobak.
ZEIT: Warum sind Sie keine Strafrichterin gewor­ ZEIT: Wie versetzen Sie sich in Ihre Figuren? In
den? einen vierjährigen Jungen bei Neujahr, in einen
Zeh: Weil sich das aus Zeitgründen nicht machen impotenten Jüngling bei Spieltrieb? Da frage ich
ließ. Es war eine ganz normale biografische Ent­ mich: How ­dare you?
scheidung. Ich hatte, als ich mit der juristischen Zeh: Das How dare you ist der Knackpunkt – traut
Ausbildung fertig war, schon so viel mit der man sich oder eben nicht. Ich finde das extrem
Schriftstellerei zu tun, dass ich mich zu sehr hätte einfach. Ich versetze mich ja nicht in andere h­ inein,
umstellen müssen, um wirklich ins Richteramt zu sondern nehme bloß Anteile aus meinem eigenen
gehen. Ich weiß auch nicht, ob ich mit dem Druck Empfinden heraus und schreibe sie den Figuren
zurechtgekommen wäre, der sich aus der Überlas­ zu. Dadurch haben meine Empfindungen größere
tung dieses Berufs ergibt. Ich kenne viele Richter, Entfaltungsmöglichkeiten als in meinem eigenen
und ich muss sagen, ich bewundere sie alle aus Leben. Wenn ich – um beim Verbrechen zu blei­
tiefstem Herzen. ben – den Impuls verspüre, jemanden umzubrin­
ZEIT: Sie sagen, Sie seien keine Staatsanwältin gen, dann würde ich diesen Impuls in der Realität
und auch keine Verteidigerin, aber das stimmt sofort einhegen, analysieren, auflösen, eine andere
nicht. Sie sind Staatsanwalt und Verteidiger all Lösung finden, weil ich natürlich keinen umbrin­
Ihrer Figuren gleichzeitig. Die Beschreibungen gen will, darf, soll. Der Impuls würde sofort sub­
sind wie aus einem Schriftsatz: Auf das »Zwar« limiert werden. Wenn ich Hass und Mordlust aber
(und dann wird alles ausgebreitet, was für die in eine literarische Figur hineinlege, ist das immer
Person spricht) folgt ein »Aber« (und es folgt die noch ein ehrlicher Impuls: Ich habe ihn mir nicht
Gegenposition). ausgedacht, ich weiß, wie sich das anfühlt, ich
Zeh: Ich glaube fest daran, dass wir Menschen weiß, warum ich ihn hatte und wie ich in dem
moralisch vorgeprägte Wesen sind, also dass wir Moment gerochen habe. Also das ist ein sinnliches
mit einem Sinn für Moral auf die Welt kommen, Erlebnis meiner selbst. Wenn ich das in eine Figur
der Fähigkeit, zwischen richtig und falsch zu­ hineinlege, kann ich den ganzen Sublimierungs­
unterscheiden. Das kann man schon bei kleinen quatsch weglassen und beobachten, was passiert,
Kindern beobachten. Natürlich wird das kulturell wenn ich dem Impuls freie Hand lasse.
geformt, aber ich bin ganz sicher, dass uns das aus­ ZEIT: Die Sporen gebe.
macht. Wenn man davon ausgeht, dass wir grund­ Zeh: Genau. Dann hat mein Tötungsverlangen ein
sätzlich moralfähig sind, bleibt die Frage: Woher neues Gefäß, in dem kann es sich entwickeln. Mei­
beziehen wir unsere Kriterien für gut und böse? ne anderen Anteile – das brave Mädchen, die­
Das ist eine Grundfrage, die mich umtreibt, seit Juristin – kriegt die Figur nicht mit, sondern nur
ich angefangen habe, Jura zu studieren. Meine diesen vitalen Teil. Ich finde das spannend. Das
Figu­ ren geraten immer wieder ins moralische Juli Zeh lebt in einem Dorf in Brandenburg. Das Milieu, das sie im Roman »Unterleuten« beschrieben hat, dürfte sie gut kennen kann man mit allem machen, auch mit Impotenz.
Dilem­ma, sie müssen schwierige Entscheidungen Ich glaube, wir alle kennen ein bisschen von allem.
treffen nach »Richtig oder falsch?«. Und schon das Man ist ja nicht nur eine Person, jeder von uns ist
Heranziehen eines falschen Parameters kann zu tausend Personen und hat jeden Tag unzählige ver­
einer schlechten Entscheidung führen. Meine Ge­ schiedene Gefühle. Und aus alldem könnte was
schichten sind also kleine Versuchsanordnungen ... lage verschwindet, was bleibt? Nur das Indivi­ scheint unter den Rädern des eigenen Autos der werden. Es wird bloß meistens nichts draus, weil
ZEIT: ... Gesellschaftsspiele, man zieht quasi Über­ duum, das – auf sich allein gestellt – aus meiner Satz »Alles ist Wille« auf der Straße. Das geschieht wir uns immer artig in der Bahn halten, was ja gut
raschungs- und Ereigniskarten ... Sicht absolut unfähig ist, moralische Entscheidun­ Juli Zeh einer Romanfigur in Nullzeit dann auch. ist. Wir wollen ja eine friedliche Gesellschaft sein!
Zeh: ... genau, und ich beobachte den Fortgang gen zu treffen. ZEIT: Klingt wie das Bekehrungserlebnis des Kir­ ZEIT: Hat Ihre Fähigkeit, einen Sachverhalt aus
selber mit Neugier, weil ich in vielen Fällen – bei ZEIT: Und dann kommt das Recht ins Spiel. chenvaters Augustinus. Der hörte ein Kind singen: zwei, manchmal drei Perspektiven zu schildern,
Unterleuten war es definitiv so – den Ausgang Zeh: Wenn wir von den Grundregeln des Zusam­ wurde 1974 in Bonn ­geboren. »Heb auf, und lies«. Er hob ein Buch zu seinen mit Ihrer juristischen Ausbildung zu tun?
selbst nicht kenne. Ich überlege mir vorher nicht, menlebens die Religion subtrahieren, bleibt ja nur Schon früh hatte sie ein beruf­liches Füßen auf – und es war die Bibel. Zeh: Was mich dahin gebracht hat, Strafrichterin
wie es ausgeht, sondern ich folge dem Geschehen. noch das Recht übrig. Deshalb wurde das Recht in Doppelleben: Sie machte ihren Zeh: Genau. sein zu wollen, war dieses Faszinosum, vor Gericht
ZEIT: Fiebern Sie mit? der Wahrnehmung der Leute von heute eine Art Doktor in Jura und arbeitete erfolg­ ZEIT: So wurde Augustinus vom Lustmolch zum mitzuerleben, was passiert, wenn zehn oder zwan­
Zeh: Ich folge voll Spannung, weil sich die Dinge moralische Instanz. Ich halte das für sehr proble­ reich als Schriftstellerin mit Romanen Bischof. zig Leute denselben Fall erzählen. Egal ob als Zeu­
wie im echten Leben aus­ein­an­der ergeben, und matisch, weil die Menschen dadurch ständig frus­ wie »Unterleuten« oder »Neujahr«. Zeh: Mystische Augenblicke, wo das Universum gen, Opfer, Täter – sie wollen eigentlich alle diesel­
wenn man sich offenhält und ein bisschen ziehen triert werden. Die erwarten Gerechtigkeit als­ Ihr literarisches Werk wurde in mehr oder Gott oder wer auch immer einen anfunkt – be Geschichte erzählen. In einem ganz einfachen
lässt, dann kann man die Reise auch als Verfasser Ergebnis eines juristischen Prozesses. Früher war als 30 Sprachen übersetzt. Seit 2019 es ist bestimmt kein Zufall, dass so was in den Fall sind es vielleicht die Minuten von 10.03 Uhr
miterleben. Bei Unterleuten wusste ich am Anfang Gerechtigkeit der Gott im Himmel, aber nicht die ist sie auf Vorschlag der SPD als großen Menschheitserzählungen vorkommt, sol­ bis 10.05 Uhr am 14. Februar. Was ist passiert in
nur, wie die Figuren so drauf sind, aber ich wusste Justiz. Jetzt richtet sich dieser Anspruch eben dort­ ehrenamtliche Verfassungsrichterin in che Sekunden gibt es tatsächlich. Sie sind so auf­ diesen zwei Minuten? Mal angenommen, das ha­
nicht, was sie anstellen werden. hin. Ein Grund für viel Verdrossenheit und Bitter­ Brandenburg tätig. geladen mit Bedeutung, dass für diesen Moment ben jetzt zehn Leute auf verschiedene Art und
ZEIT: Zuletzt kommt in Unterleuten kein Einziger keit, weil die Leute ein falsches Bedürfnis an diese großer Klarheit die eigene Existenz, das Dasein Weise mitgekriegt, der eine war betroffen, der an­
gut weg. In­sti­tu­tion richten. und die Frage »Wie bin ich verortet in diesem un­ dere hat es von Weitem gesehen, der Nächste hat
Zeh: Das muss man sagen. Aber das hat Literatur ZEIT: Zu große Erwartungen an die Gerichte? ANZEIGE glaub­lichen Kosmos?« in einem anderen Licht­ zufällig am Telefon was gehört – alle haben irgend­
meist so an sich, dass es den Protagonisten nicht Zeh: Falsche Erwartungen. Viele Leute, mit de­ erscheinen. Diese Augenblicke bilde ich ab in den etwas wahrgenommen und erzählen es. Und was
allzu gut ergeht. Bücher, worin alle glücklich sind, nen ich rede, die durchaus hochgebildet sind, Büchern. Der Gärtner mit dem Wasserschlauch, kommt dabei raus? Unter Umständen zehn kom­
sind nicht sehr interessant.
ZEIT: Aber Bücher, in denen am Schluss jemand
haben große Schwierigkeiten, einzusehen, warum
Gerechtigkeit im Rahmen von Rechtsprechung
DIE FASZINATION wo der Wind falsch herum weht – das sind kleine plett verschiedene Storys, wo man denkt: Hat das
Botschaften von mir an den Leser. Ich führe ihn überhaupt etwas mit­ein­an­der zu tun? Das erlebt
glücklich ist – das passiert manchmal auch bei­ keine Kategorie sein kann. Sondern nur Rechts­ DES BÖSEN mal kurz an den Spielfeldrand der Geschichte und man ja immer wieder, gerade vor Gericht.
Ihnen, wenn auch auf sehr ungewöhnliche Weise. friede. Halbwegs. sage ihm: Hallo, es ist alles nur eine Erzählung – ZEIT: Verstehen Sie es, wenn jemand Selbstjustiz
In Spieltrieb ist das Ende politisch überhaupt ZEIT: Sie liefern in jedem Buch eine kleine Ir­ri­ta­ nicht nur dieses Buch, das du gerade liest, sondern betreibt und eine Sache in die eigene Hand nimmt?
nicht korrekt: Eine 15-jährige brennt mit ihrem tion, wie man das in modernen Filmen jetzt auch dein ganzes Leben und die Welt, in der wir sind. Zeh: Oh, Rache kann ich mir gut vorstellen. Also
Lehrer durch. manchmal hat, dass irgendetwas physikalisch nicht Alles eine riesige Erzählung. Die Irritationen sind den Impuls dazu, wenn mich persönlich etwas­
Zeh: Ja, und sie fahren in den Sonnenuntergang. stimmt, also etwas eingebautes Irreales. Machen mein Metakommentar: Was ist das Dasein eigent­ getroffen hat, das so unsäglich ist, dass mir quasi
ZEIT: Haben Sie da Ärger bekommen? Sie das absichtlich? Im Roman Neujahr etwa fährt lich für ein krasser Scheiß?! nichts anderes mehr übrig bleibt als Rache. Was
Zeh: Komischerweise nicht. Man weiß bei Spiel­ Ihr Protagonist den Berg hoch, da sprengt jemand ZEIT: Und das von einer Juristin! ich mir nicht vorstellen kann, ist eine Selbstjustiz,
trieb am Ende ohnehin nicht so richtig, ob alles seinen Rasen, doch das Wasser fällt in die falsche Zeh: Ich halte die Rechtswissenschaft für eine nar­ die behauptet, es gebe ein Staatsversagen und des­
ernst gemeint ist. Der Schluss hat einen Stich ins Richtung. Es gibt in jedem Buch irgendwas, wo NEU AM rative Wissenschaft. Die Frage, ob etwas ein Ver­ wegen müssten wir das jetzt mal selber anpacken.
Surreale. Lehrer und Schülerin reisen glücklich sich der Leser sagt: Das kann ja wohl nicht wahr KIOSK! brechen ist oder nicht, hängt doch immer davon Manchmal denke ich, wir sind schon kurz davor in
vereint durchs Verbrechen gen Osten. Trotzdem: sein. Auch die Aura der jungen Linda in Unter­ ab, wie die Geschichte erzählt wird. Das fasziniert unserer Republikwelt, wenn die Leute schreien:
Spieltrieb war das erste Buch, in dem ich mich mit leuten ist so etwas Übernatürliches. und schockiert mich gleichermaßen. Wieder ein »Kinderschänder« nicht abgeurteilt!
der Großfrage beschäftigt habe, was mit einer Ge­ Zeh: Ich erlebe selber im Alltag solche Irritationen, ZEIT: Gehen Sie tatsächlich davon aus, dass die Wieder viel zu wenig Strafe! Das ist eine Art Volks­
sellschaft passiert, die ihre kollektivmoralische mir passieren manchmal Dinge, wo ich ein Gefühl meisten Verbrechen niemals zu den Strafverfol­ zorn, der ist ekelhaft. Das akzeptiere ich nicht.
Grundlage, die Religion, komplett verloren hat, kriege, als hätte sich gerade ein Wurmloch geöff­ gungsbehörden gelangen?
weil dieser keine staatstragende oder gesellschafts­ net und ich wäre in eine andere Realität abge­ Zeh: Die Frage ist doch: Ab wann nennen wir­ Das Gespräch führte Sabine Rückert.
tragende Funktion mehr zukommt. Die Gesell­ taucht. Ganz intensive Momente der Irritation. etwas »Verbrechen«? Viele schlimme Dinge passie­ Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews, das ­
schaft landet dann zwangsläufig beim Rechts­ ZEIT: Wann denn zum Beispiel? Hier direkt bestellen: ren und kriegen niemals das Etikett »Verbrechen«. gerade in der neuen Ausgabe von ZEIT Verbrechen ­
system, weil der religiös autorisierte Überbau weg Zeh: Man fährt auf einer Landstraße mit etwa www.shop.zeit.de/verbrechen ZEIT: Bei Nullzeit geschieht genau das. erschienen ist. Das Magazin ist am Kiosk erhältlich ­
ist. Was ist gut, und was böse? Wenn diese Grund­ 80 Stundenkilometern, und mit einem Mal er­ Zeh: Richtig. sowie unter www.shop.zeit.de/verbrechen

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WIRTSCHAFT
2. A P R I L 2020 D I E Z E I T N o 15

19

AFP/Getty Images
Wo ist hier
der Ausgang?
Wenn die Nationen ihre Macht und ihr Geld geschickt einsetzen, halten sie den Corona-Schrecken in Grenzen  VON UWE JEAN HEUSER UND FELIX LILL

Seoul Passanten in Seoul in der vergangenen Woche – die Bevölkerung Südkoreas ging schon vor den offiziellen Warnungen auf Abstand

R
SÜDKOREA
aus aus dem Lockdown! men der Exporte fiel in den ersten 20 Märztagen Wochen ist die Aussätzigkeit vorbei. Das trägt dazu zu retten, sondern auch, jetzt die Verwaltung zu eine Entscheidung verlangen, ob sie global oder na-
Die Wirtschaft nicht op- nicht etwa, es stieg gegenüber dem Vorjahr um rund bei, dass die Bürger – trotz überwundener Militär- digitalisieren, Planungen und Genehmigungen zu tionalistisch sein will«, sagt Farrar bedrohlich.
fern! Gefährdete isolieren! zehn Prozent an. diktatur und einer gewissen Renitenz gegenüber beschleunigen, Leitungen und Netze zu verbessern. Der Brite weiß, die Pandemie kommt zur Unzeit,
Wieder arbeiten gehen, Südkorea hat dafür niemanden zusätzlich dem dem Staat – ihre Gesundheit und das Wohlergehen Krisenjahre sind eben Hundejahre; aus einem wer- in der sich große Teile der Erde polarisiert und na-
wenn man nicht zu den Corona-Tod überantwortet – genauso wenig wie der Wirtschaft hoch gewichten. den sieben. tionalisiert haben. Dem stemmt er sich entgegen,
Gefährdeten gehört!! An die Taiwaner oder Singapurer. Sie haben früh auf Der Stolz auf den wirtschaftlichen Erfolg in­ Auf diese Weise kann man die Krise vielleicht sucht Hilfe bei den Staatenzusammenschlüssen G7
Wortmeldungen zum »Exit« intelligente Abwehr geschaltet, auch weil sie aus einem Land, das in den 1950er-Jahren noch zu den managen und sich für die Zeit danach stärken. und G20, bei Weltbank und Internationalem Wäh-
aus dem wegen der Coro- Erfahrungen mit tödlichen Viren klüger geworden ärmsten der Welt gehörte, ist riesig. Die meisten Gelöst ist sie damit nicht. Die Suche nach einem rungsfonds – und erlebt doch, wie die Zeit verrinnt.
na-Krise verordneten Still- sind. Das Ergebnis: Vergangenen Sonntag, dem 29. Bürgerinnen und Bürger kennen die aktuellen echten »Exit« orchestriert ein Mann, der fest über- Beim Wellcome Trust hofft man auf die EU samt
stand ist kein Mangel. Das Problem: All diese März, meldeten die koreanischen Behörden nur Wachstumsraten. Rajiv Biswas, leitender Ökonom zeugt ist, dass dieser nur in der Wissenschaft gefun- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen,
Forderungen spielen an auf einen angeblichen noch 105 neue Fälle – und das in dem Land, das beim Analystenbüro IHS Markit, berichtet sogar den wird. Der Brite Jeremy Farrar, gelernter Medi- einer gelernten Ärztin. Sie soll zusammen mit Deut-
Gegensatz zwischen Menschenleben und Wohl- Anfang März nach China die am zweitstärksten von einer Art Korpsgeist der Verbraucher angesichts ziner und Virenforscher, leitet eine in Corona-Zei- schen, Briten und anderen auf eine internationale
stand. Dieser Konflikt kann aber eine Gesellschaft betroffene Na­tion weltweit war. der Herausforderung durch das Virus: »Die Men- ten extrem wichtige Organisation: den Wellcome Geberkonferenz hinwirken. Acht Milliarden Dollar
sprengen und so am Ende auch der Wirtschaft die Das Krisenmanagement ist wirksam. Die Be- schen bemühen sich, noch relativ viel zu konsumie- Trust in London. Gegründet vor mehr als 80 Jahren sind das erste Ziel, um die Entwicklung und die Tests
Grundlage entziehen. völkerung macht mit. Wenn die Regierung bit- ren, ob im Einzelhandel, in Restaurants oder in vom Pharmamagnaten Henry Wellcome und mit der möglichen Anti-Corona-Mittel zu unterstützen.
Die wahrhaft ökonomische Frage ist daher tet, Ansammlungen zu meiden, bleiben Men- anderen Geschäften.« Weil das nicht reichen wird, rund 30 Milliarden Euro Kapital eine der reichsten Zwar wirkt es so, als sei die Welt schnell. So
eine andere. Es ist die nach mehr Effizienz im schenmassen aus. Statt Hamsterkäufen gibt es wenn die westlichen Kunden der Handelsnation Stiftungen überhaupt, finanziert sie Durchbrüche knackten Chinesen den Gencode des Virus schon
Umgang mit Corona. Sie lautet: Wie lässt sich private Spendenaktionen, um Atemmasken für länger ausbleiben, will die Regierung künftig Ge- in der weltweiten Gesundheitsforschung. Zusam- im Januar, und gut zwei Monate später bekam die
dieser angebliche Gegensatz zwischen Menschen- Bedürftige zu finanzieren. schenkgutscheine an Bürger verteilen und weitere men mit der bekannteren Gates-Stiftung versuchen erste Testperson in Seattle einen Impfstoff. Doch
leben und Wohlstand lindern, wenn nicht gar Konjunkturmilliarden mobilisieren. Farrar und seine Leute die Forschung gegen Corona alles in allem sei die Welt zu langsam, sagt Farrar.
heilen? Kontrollieren, isolieren, Big Data nutzen: Ja, Südkorea ist eine Halbinsel, das erleichtert zu beschleunigen und zu globalisieren, damit alle Corona verbreite sich in Stunden und Tagen, wäh-
Nimmt man die Frage ernst, muss man nach So antworten Länder mit Erfahrung die Abschottung. Der größte Corona-Ausbruch Nationen an möglichen Erfolgen teilhaben können. rend die Nationen sich mit Antworten wochenlang
»Best Prac­tice« suchen, wie Wirtschaftsleute sagen, fand lokal begrenzt bei einer Sekte statt, deren Mit- Zeit ließen. »Wir müssen schneller sein als das Virus,
und herausfinden: Wer beschützt die Menschen und Das liegt auch an einem Vorbeben. Als im Jahr 2015 glieder gut zu identifizieren waren. Billionen für die Wirtschaft und Millionen nicht langsamer«, so der Antreiber der Welt.
sichert zugleich den Wohlstand am ehesten? ein früheres Coronavirus namens Mers grassierte, Doch das Land steht auch für den Erfolg meh- für Forschung? Das passt nicht zusammen Am Ende steht für Farrar eine banale Investiti-
Die erste Antwort findet sich in einem fernöst- starben in Südkorea von nur 186 Infizierten 38 Per- rerer asiatischer Nationen, die gelernt haben, beides onsrechnung: 15 Impfstoffentwicklungen rund um
lichen Industrieland mit fast so vielen Einwohnern sonen an der Atemwegserkrankung. Angesichts des zu schützen: Gesundheit und Wirtschaft. Ihre Ant- Farrars Analyse geht so: Bisher haben die Staaten den Planeten werden schon heute von einer Anti-
wie Italien. Es ist Südkorea. tödlichen Virus waren knapp 17.000 Menschen für wort: kontrollieren, isolieren und Big Data nutzen, Corona ein ums andere Mal unterschätzt. »Jedes Epidemie-Koalition gefördert. Viele weitere sind in
In dieses Land können derzeit weder Touris- zwei Wochen in Quarantäne versetzt worden. Beim wo es geht! Je früher ein Land damit anfängt, desto Land«, sagt er beim Telefongespräch mit der ZEIT Arbeit. Dazu kommen die Medikamente. Doch die
ten noch Reporter einreisen, ohne sich in Qua- zweiten Mal sind solch gravierende Maßnahmen weniger tief stürzt es anscheinend in eine Krise. am Dienstag, »ist übermäßig optimistisch gewesen.« Staaten gäben bisher keine Milliarden, sondern nur
rantäne zu begeben. Aber man kann Unterneh- fast schon Routine, und das System der Infektions- Kann das Virus nicht zurückkehren? Natürlich! Die Mächtigen hätten geglaubt, so schlimm wie in Millionen. Das sei »frustrierend«, sagt der Brite. Es
mer wie Shin Sung Hee anrufen. Um 25 Prozent bekämpfung steht bereit. Öffentliche Plätze werden Samt neuen Beschränkungen für Bürger und Wirt- China könne es nicht werden – bis es schlimmer fällt schwer, ihm zu widersprechen. Billionen für
seien seine Erlöse im vergangenen Monat einge- desinfiziert, jede Person mit Symptomen sowie schaft. Auch dann gilt: Wer das früh erkennt und wurde. Jetzt gingen viele einfach davon aus, dass die die Rettung der Wirtschaft, aber nur Millionen für
brochen, berichtet der Gastronom. »Mein Café deren enge Kontaktpersonen werden getestet, an entschlossen alle Messmöglichkeiten einsetzt, der Infizierten nach überstandener Krankheit lange und die Exit-Option Medizin – es passt nicht zusammen.
liegt genau neben der Stadtbibliothek von Seoul. Grenzen und Kontrollpunkten wird Fieber gemes- schont die Volksgesundheit und die Konjunktur vollständig immun gegen das Virus seien, obwohl Wer auf der Suche nach dem Ausweg Kosten
Seit die zur Verhinderung von Menschenan- sen. Hinzu kommt, dass die Menschen darüber gleichermaßen. Der Lockdown ist dann eher ein das bei der normalen Erkältung nicht so sei und es und Nutzen vergleicht, der müsste auf die globale
sammlungen geschlossen wurde, kommen zu mir informiert sind, wo sich das Virus gerade aufhält. Ausdruck des nationalen Scheiterns als der Tatkraft. bei Corona keine Garantie dafür gebe. Ganz abge- Forschung setzen. Jeremy Farrar hat die Hoffnung,
deutlich weniger Kunden.« Und schon bevor Tracking-Apps zur Lokalisierung der Kranken, Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle. sehen davon, dass unklar sei, ob weniger betroffene dass dabei schnell etwas herauskommt. Nicht so
Südkoreas Regierung den Bewohnern des Landes Überwachungskameras und Kreditkartentransaktio- Wenn die Internetverbindung überall steht, wenn Regionen die Ausbreitung nur verzögert oder tat- sehr bei den schon vorhandenen Medikamenten,
riet, sich voneinander fernzuhalten, blieben sie nen speisen anonymisierte Daten in ein System ein, der Umgang mit großen Datenmengen in der Ge- sächlich verhindert hätten, wie der Experte warnt. die eigentlich gegen andere Krankheiten gerichtet
auf Distanz: »Seit Anfang März setzt sich kaum durch das die Nutzer lernen, ob sich in ihrer Nähe sellschaft geübt ist, dann hält man das Virus eher Außerdem könne das Virus nach einer überstande- sind und nun auf ihre Wirksamkeit gegen Corona
einer mehr hin, alle kaufen ihren Kaffee zum eine mit Covid-19 infizierte Person befindet. in Schach – auch in Deutschland. Außerdem ist nen ersten Welle zurückkehren. Solange sich nur getestet werden. Wohl aber bei der Entwicklung
Mitnehmen. Für mein Geschäft ist das eher Niemand muss die Apps nutzen, doch nur damit die Digitalisierung ein strategisches Rezept. Die ein kleiner Teil der Menschheit infiziert und Anti- von Antikörpern für Medikamente, die Covid-19
schlecht«, sagt Shin. könne man sich über Gefahren in der Nachbarschaft Corona-­Krise ist wie alle großen Krisen eine Raserei körper gebildet habe, »ist eine zweite Welle sogar per Hightech lindern sollen. Und schließlich auch
Gemessen an den Gastronomen des Westens, informieren und auch andere schützen, sagt die im Stillstand, Veränderungen kommen im Zeitraf- unvermeidlich«, so Farrar. Die Welt brauche »Dia­ bei Impfstoffen, von denen einer oder mehrere sich
klagt Shin Sung Hee auf hohem Niveau. Weil es Regierung. Also nutzen die meisten diese Smart- fer. Ob Arbeit und Schule übers Netz, Banking gno­se, Medikamente, Impfstoffe«. als wirksam erweisen und ab Sommer in größerem
keine Ausgangssperre gibt, dürfen die Gäste kom- phone-Programme, sogar rund die Hälfte der Men- online, vernetzte Roboter in heimischen Fabriken Bei den Schnelltests macht sie Fortschritte. Aber Umfang getestet werden könnten.
men. Und sie tun es. Shin erzielt noch drei Viertel schen in Quarantäne. oder eben der Umgang mit Big Data – vieles davon zugleich müssten vorbeugende Medikamente und Zeit für Mensch und Wirtschaft können die
seiner üblichen Einnahmen. Den Cafébetreiber Shin Sung Hee besorgt diese kommt nun schneller und geht nie wieder ganz weg. Impfstoffe gefunden werden, es »muss alles parallel Nationen auf zwei Arten gewinnen: Sie können
Auch insgesamt ist Südkoreas Wirtschaft bisher Datensammlung so wenig wie die meisten seiner Der deutsche Wirtschaftsminister hat das ver- geschehen«, erklärt Farrar – und das in einer Art radikal testen und digitalisieren wie die Südkorea-
glimpflich davongekommen. Zwar bieten Schulen Landsleute. »Ich kriege eher Angst, wenn jemand standen und will die heimische Wirtschaft jenseits Menschheitsprojekt, das er mitorganisiert. Seine ner – und die medizinische Entwicklung mit aller
derzeit nur Online-Unterricht an, und Bürojobs mit dem Virus meinen Laden betritt«, sagt er. Dann von Konjunkturprogrammen »revitalisieren«. Dafür, Logik: Kein Land bleibt verschont, und keiner weiß, Macht vorantreiben wie der Wellcome Trust. Eine
werden möglichst aus dem Homeoffice erledigt. nämlich droht ihm vorerst tatsächlich die Schlie- so Peter Altmaier in der Frankfurter Allgemeinen wo wirksame Mittel entstehen. Es sei im aufgeklär- Erfolgsgarantie gibt es nicht. Aber wer beides tut,
Aber die allermeisten Geschäfte sind offen. Ebenso ßung. Die Angst vor Datenmissbrauch ist zudem Sonntagszeitung, müsse Europa bei der Digitalisie- ten Eigeninteresse aller Nationen, bei einer globalen schafft echte Hoffnung.
laufen die Bänder der Fabriken weiter, Halbleiter, gering, weil es kein Kainsmal fürs Leben ist, wenn rung aufholen und bei Pharma und Biotech vorn Forschungsallianz mitzumachen. »Nationalismus
Handys und Autos werden produziert. Das Volu- doch bekannt wird, dass man infiziert ist. Nach zwei dabei sein. Demnach gilt es nicht nur, Bestehendes wäre hier ein Desaster. Corona wird von der Welt AA www.zeit.de/audi

Mehr zum Thema in der Wirtschaft: Ein Ökonom und ein Virologe diskutieren über den Weg aus dem Lockdown (S. 20) / Einzelhändler kämpfen ums wirtschaftliche Überleben (S. 21) / Grundstoffe für Medikamente
werden teurer (S. 21) / Die staatliche Hilfe läuft an (S. 23) / Was gute Chefs jetzt tun (S. 23) / Was Mietern nun hilft (S. 24) / In Europa brechen alte Konflikte ums Geld wieder auf (S. 25)
20 WIRTSCHAFT 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

»Wir können nicht Wuhan kopieren«


Deutschland steckt im Lockdown, die Wirtschaft in der Rezession. Müssen wir uns jetzt entscheiden, was wichtiger ist:
Wohlstand oder Gesundheit? Ein Virologe und ein Ökonom haben bessere Ideen
DIE ZEIT: Herr Fuest, Herr Kekulé, der Bundes- ZEIT: Sie sind also beide der Ansicht, dass man zielt geschützt und schnell getestet werden, damit
finanzminister hat am Sonntag gesagt: »Ich wende nicht im Lockdown ausharren kann, bis der Impf- keine Infektionswelle unter Lehrern und Kinder-
mich gegen jede dieser zynischen Erwägungen, stoff da ist? gärtnern losgeht. Und dann müssen wir das nach
dass man den Tod von Menschen in Kauf nehmen Fuest: Definitiv. Risikogruppen stufenweise hochfahren.
muss, damit die Wirtschaft läuft.« Hat er recht? Alexander Kekulé, Virologe, Kekulé: Das sehe ich genauso. Selbst im absoluten ZEIT: Das heißt, die meist älteren Chefs dürften als
Clemens Fuest: Besonders hilfreich finde ich die- will zuerst die Schulen öffnen Super-Erfolgsfall hätten wir den Impfstoff erst in Letztes zurück, als Erstes die Azubis?
sen Satz nicht. Es besteht doch kein unauflösbarer einem Jahr. Es ist aber keine Option, Europa ein Kekulé: Vielleicht wäre es auch interessant, zu über-
Widerspruch zwischen der Stabilisierung der Jahr lang oder auch nur sechs Monate im Lockdown legen, in welchen Sektoren die Hochrisikogruppen
Wirtschaft und der Stabilisierung der Gesundheit. zu halten. Wir müssen eine langsame Immunität vertreten sind. Menschen über 70 sind ja normaler-
Wir müssen in dieser Krise beides schützen: Ge- ohne Impfstoff hinbekommen. Das ist die unange- weise in Rente, das ist für die Wirtschaft unproblema-
sundheit und unsere wirtschaftliche Existenz. nehme Wahrheit. tisch. Aber darunter wird es Unterschiede geben.
Alexander Kekulé: Ja, der Widerspruch ist künst- ZEIT: Also keine Herdenimmunität, sondern eine ZEIT: Ihr Gemeinschaftsszenario wäre also: Wir las-
lich aufgebaut. Allerdings erzeugen wir tatsächlich Teilimmunität? sen erst die Jüngeren in die Schule, dann öffnen wir
Kollateralschäden in der Wirtschaft während einer Kekulé: Ja. Ich schätze mal, wenn man 50 Prozent Bereiche, in denen die Wertschöpfung hoch ist, etwa
Pandemie. Man muss sich fragen: Wie viele Tote Immune hat, dann ist die Epidemie auf so niedrigem die Industrie, vielleicht noch nach Alter gestaffelt.
nehmen wir in Kauf durch die Pandemie? Schließ- Niveau, dass man die Risikogruppen mit Maßnah- Kekulé: Da müssten wir uns noch mal zusammen-
lich sterben durch die Influenza auch 10.000 oder men schützen kann, die ihre Freiheit nicht zu sehr setzen, um das sauber auszuarbeiten. Aus virologi-
20.000 Menschen in manchem Jahr in Deutsch- einschränken. Natürlich muss man dazu flächen­ scher Sicht ist wichtig: Wir müssen diesen Lock-
land. Und wie viele Tote werden durch die Schäden deckend testen. Wir bräuchten eine ganze Weile ver- down aussitzen, bis das exponentielle Wachstum der
erzeugt, die unsere Gegenmaßnahmen auslösen? stärkte Kapazitäten in der Intensivmedizin. Wir Fälle durchbrochen ist. Dann kommen wir wieder
ZEIT: Dann müsste man die Toten durch das Vi- müssten Mundschutz tragen, wenn wir anderen nä- zurück in die Phase, in der wir in der Lage sind,
rus und die Krise aufrechnen. Das ist kompliziert. her als zwei Meter kommen – einzelne Infektionsketten nach-
Kekulé: Es geht mir nicht nur um die Toten. Wenn dazu habe ich mit einem be- zuverfolgen. Und bis wir an
die Leute jetzt beispielsweise alle zu Hause sind, freundeten Filmproduzenten diesem Punkt sind, der frühes-
dann bewegen sie sich weniger, sie essen mehr, De- gerade eine Kampagne gestartet. »Wir dürfen nicht in tens in drei Wochen erreicht
pressionen nehmen zu. Das müsste man insgesamt Massenveranstaltungen blieben sein wird, müssen wir wahn-
in Wohlergehen bemessen und dann abwägen. verboten. Industriebereiche, in einer Regierung der sinnig viel tun: Wir müssen
ZEIT: Das wollen viele nicht. Sie sagen: Gesund- denen viele Menschen nah zu- erstens die Risikogruppen si-
heit geht immer vor. Können Sie das verstehen? sammenkommen, brauchen be- Virologen enden« chern. Wir müssen zweitens
Kekulé: Nein. Es ist dringend notwendig, wirt- sondere Regelungen. Aber das die Testkapazitäten hochfah-
schaftliche und medizinische Folgen abzuwägen. ist mir lieber, als alle einzusper- Alexander Kekulé, Virologe ren. Und wir müssen drittens
Das ist zu wenig passiert, wir wachen gerade erst ren. Sonst haben wir irgend- Smart Distancing für verschie-
auf. Wir dürfen nicht in einer Regierung durch wann eine Revolution auf den dene Risikogruppen und Be-
Virologen und Epidemiologen enden. Straßen – dann werden alle gleichzeitig krank. reiche betreiben. Wenn wir das in den nächsten drei
ZEIT: Sollte man aus virologischer Sicht nicht im ZEIT: In drei Wochen können wir dann über die Wochen organisieren, dann sind wir am Tag, an
Lockdown abwarten, bis ein Impfstoff da ist? Öffnung nachdenken? dem wir die Türen wieder öffnen können, gut vor-
Kekulé: Das kann ein Jahr dauern, zwei Jahre oder Kekulé: Nein. Darüber nachdenken sollte man jetzt. bereitet. Ich würde dann in vier, fünf Wochen an-
auch fünf Jahre. Bei einem Virus, an dem ganz In drei bis vier Wochen könnte man beginnen zu fangen, die Schulen wieder aufzusperren.
viele sterben, hätte man vielleicht nur diese Opti- öffnen. Bis dahin brauchen wir eine Strategie. Es ist ZEIT: Und wenn dann ein Kind an Covid-19 stirbt?
on. Aber wir haben eine Krankheit, die in vielen wie beim Schachspiel. Sie müssen mindestens drei Kekulé: Das wird vereinzelt passieren, es ist auch
Fällen milde verläuft, gerade bei jungen Leuten – Züge vorausdenken. schon passiert, etwa in Frankreich. Es klingt brutal,
und deshalb haben wir andere Möglichkeiten. Wir ZEIT: Herr Fuest, kann ein langsamer Ausstieg in aber ich glaube, wir haben keine andere Option.
Ärzte wägen immer Gesundheit gegen Gesundheit drei bis vier Wochen beginnen? Auch an der Grippe sterben Kinder.
oder Wohlergehen gegen Wohlergehen ab. Wenn Fuest: Ich bin skeptisch, was dieses Öffnungsdatum ZEIT: Nur die Risikogruppen zu verpflichten, zu
wir die Gesellschaft noch drei Monate oder mehr angeht. Mir sagen Virologen, dass diese Epidemie in Hause zu bleiben, ist ethisch ebenfalls heikel.
im Lockdown halten, dann opfern wir alles, was Deutschland aktuell noch eher eine Skifahrer-Epi- Kekulé: Ja. Ich kenne ältere Menschen, die sagen:
wir unter unserer Identität und Kultur verstehen, demie ist. Das mittlere Alter der Infizierten ist nied- »Jetzt geht mir nicht auf die Nerven. Ich bin schon
dafür, dass wir nicht bereit sind zu akzeptieren, rig, vielleicht haben wir deshalb relativ wenig Todes- so alt. Das Risiko trage ich, bevor ich mich einsper-
dass einzelne Menschen sterben, damit am Ende opfer. Wenn die Epidemie in drei Wochen in den ren lasse.« Wir brauchen darauf eine westliche Ant-
die Mehrheit immun ist. Das finde ich falsch. Pflege- und Altersheimen ankäme, dann wären viel wort. Wir können nicht Wuhan kopieren, nur weil
ZEIT: Sie wollen den Stillstand schnell beenden? mehr Tote zu befürchten. Ist es dann sinnvoll und es dort funktioniert hat. Es kommt darauf an, wel-
Kekulé: Ich will nicht, dass er abgekürzt wird, aber politisch möglich, Lockerungsmaßnahmen zu er- ches Angebot wir den Menschen machen. Da geht
in drei Wochen sollten wir anfangen, den Lock- greifen? Ich habe Zweifel. Gleichzeitig werden im- es nicht um Tracking-Apps, die lehne ich ab. Aber
down langsam wieder zu verlassen. mer mehr Unternehmen in die Insolvenz rutschen, wieso entwickeln wir nicht Apps, mit denen die
ZEIT: Schauen wir auf die ökonomischen Folgen, der wirtschaftliche Druck wird steigen. Menschen automatisch das Essen nach Hause gelie-
Herr Fuest. Wie schlimm ist der Stillstand für die ZEIT: Beim richtigen Zeitpunkt vertrauen Sie aber fert bekommen und medizinische Atemschutzmas-
deutsche Wirtschaft? den Virologen? ken, die diese Risikogruppen ja brauchen?
Fuest: Die ifo-Unternehmensbefragungen zeigen, Fuest: Na ja, wir haben derzeit ja keinen komplett ZEIT: Nehmen wir mal an, Deutschland bekommt
dass wir einen Einbruch der Konjunktur erleben – gesetzlich vorgeschriebenen Lockdown. Viele Fir- die Lage halbwegs unter Kontrolle. Wie sorgen wir
so stark, wie wir es in den letzten 70 Jahren noch nie Clemens Fuest, Ökonom, rät, nach men haben beschlossen, ihre Produktion zu schlie- dafür, dass das Virus nicht wieder eingeschleppt wird?
beobachtet haben. Es ist eine außerordentliche Re- Sektoren vorzugehen ßen, weil es keine Zwischenprodukte gibt oder weil Kekulé: Darüber wird zu wenig gesprochen. Wenn es
zession. Es ist auch eine Art von Krise, über die wir die Mitarbeiter Angst vor Ansteckung haben. Der uns gelingt, diese Epidemie in den Griff zu bekom-
wenig wissen. Es gibt Erfahrungen mit Pandemien, Staat kann deshalb nicht einfach den Schalter um- men, dann müssen wir danach konsequent die Gren-
aber nicht in einer global vernetzten Wirtschaft. legen und sagen: Jetzt ist der Lockdown zu Ende. zen geschlossen lassen, auch zu unseren EU-Nach-
Wir wissen, dass die Krise sich ausbreitet, aber wir VW wird nicht öffnen, wenn die Lieferketten nicht barn, wenn die das noch nicht hingekriegt haben.
kennen nicht die Ansteckungswege und Folgen. stehen. Und es braucht etwas, damit Menschen wie- ZEIT: Geschlossene Grenzen, das ist wirtschaftlich
Kekulé: Ich lerne gerade, dass die Ausbreitung der der bereit sind, zur Arbeit zu gehen. Masken könn- eher schädlich. Oder, Herr Fuest?
Krise in der Wirtschaft einen ebenso epidemischen ten so etwas sein. Wenn man vorschreibt, dass flä- Fuest: Natürlich sollten sie nicht die Regel werden.
Charakter hat wie die Verbreitung des Virus selbst. chendeckend einfache Masken zu tragen sind, das Wenn wir die Industrieproduktion hochfahren wol-
Gibt es bei Ihnen auch einen Kipppunkt, an dem wäre nicht nur medizinisch ein Schutz, sondern len, dann brauchen wir Zwischenprodukte aus Italien
die Folgen aus dem Ruder laufen? auch ein Signal, sich wieder rauszutrauen. oder Frankreich. Wir müssen lernen, die Arbeitstei-
Fuest: Es gibt eine Reihe von Gründen, aus denen ZEIT: Herr Kekulé, was halten Sie davon, einfache lung in Europa wieder in Gang zu bringen trotz einer
wir annehmen müssen, dass die Kosten der Krise im Masken verpflichtend zu machen? gefährlichen Seuche. Dazu bräuchten wir zum Bei-
Zeitablauf überproportional steigen: Den Lock- Kekulé: Das ist absolut sinnvoll. Die sogenannte OP- spiel smarte Grenzschließungen: Verfahren, die Güter
down nach einem Monat um eine Woche zu ver- Maske ist nichts anderes als ein über die Grenze lassen, aber
längern, ist schon teuer, aber wenn das nach drei Stück Stoff, das vor das Gesicht nicht zu viele Menschen. Auch
Monaten kommt, ist es ungleich teurer. Es gibt gebunden wird, um Tröpfchen da muss man die Virologen fra-
auch plötzliche Destabilisierungsentwicklungen, abzuhalten. Das funktioniert »Es ist eine gen: Wie geht das?
etwa wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät. auch, wenn man sich ein Stück Kekulé: Ich würde das so ma-
ZEIT: Könnte der Kipppunkt erreicht sein, wenn von einem alten T-Shirt um außerordentliche chen: Alle Personen, die im Zu-
aus der Krise eine Finanzkrise wird? Nase und Mund bindet. Ich sammenhang mit dem Güter-
Fuest: Der Punkt, an dem ein ganzes System kolla- finde es ganz fürchterlich, dass Rezession« verkehr stehen, dürften einrei-
biert, ist nicht leicht zu bestimmen. Wir haben in das Robert-Koch-Institut im- sen, aber sie würden besonders
Deutschland die Erfahrung der Finanzkrise: Im mer noch daran festhält, dass Clemens Fuest, Ökonom kontrolliert. Das funktioniert
Jahr 2009 schrumpfte die Wirtschaft um mehr als diese Masken nichts brächten. wie bei Flugreisenden aus den
fünf Prozent – hart, aber auszuhalten. Das war al- Das stimmt nicht: Erst einmal Risikogebieten: Da werden Ein-
lerdings eine Krise, die vor allem die Starken traf: schützt man andere. Zum anderen schützt man sich reisekarten ausgefüllt, unter Umständen wird Fieber
Nach den Banken waren das Daimler, BMW, Sie- selbst: nicht zu 100 Prozent, aber zu einem gewissen gemessen, man muss wissen, wo sie sich im Land auf-
mens, die großen Konzerne. Jetzt haben wir eine Grad. Wenn Sie eine Brille haben, ist es noch besser. halten. Das ist unangenehm, aber es ist notwendig.
Krise, die zuerst die Schwachen trifft: Familien- ZEIT: Wie könnte ein Ausstieg sonst noch aussehen, Fuest: Auch da wäre es gut, wenn wir testen würden.
unternehmen, kleine Geschäfte, Soloselbstständige, der auch wirtschaftlich sinnvoll ist, Herr Fuest? Wenn wir wüssten, dass Menschen immun sind,
die wenig Reserven haben. Das ist anders. Fuest: Aus ökonomischer Sicht ist es naheliegend, dann dürften sie fahren. Das wäre auch ein Anreiz
ZEIT: Sie haben Szenarien berechnet, wie es aus- die Sektoren mit sehr hoher Wertschöpfung zuerst für die Beschäftigten, sich testen zu lassen.
gehen könnte. Im schlimmsten Fall kommen Sie zu öffnen. Das ist aber schwierig umzusetzen. Man- ZEIT: Das ist aber eine schöne Zweiklassengesell-
auf einen Wirtschaftseinbruch für das laufende che Sektoren mit hoher Wertschöpfung können gut schaft: die Immunen, die alles dürfen, und die ande-
Jahr um 20 Prozent. Was bedeutet das? digitale Techniken einsetzen, die arbeiten jetzt schon ren, die restriktiv kontrolliert werden.
Fuest: Wenn man ohne Krise ein Einkommen von einigermaßen gut weiter. Andere wie etwa die Auto- Fuest: Die gibt es ja jetzt schon.
100 hat, dann hat man durch die Krise nur noch ein produktion haben sehr hohe Wertschöpfung, funk- Kekulé: Ja, einzelne der Jungen haben heute sogar
Einkommen von 80. Würde sich das über uns alle tionieren aber nicht vom Homeoffice aus. Um dort schon die zynische Strategie: Ich hole mir lieber jetzt
gleich verteilen und hätten wir alle Ersparnisse, öffnen zu können, müsste der Epidemiologe sich das Virus, als dass ich es in einem halben Jahr be-
dann wäre das erträglich. Die Krise konzentriert vorher so eine Fabrik anschauen. komme, wenn die Intensivstationen überlastet sind.
sich aber auf bestimmte Bereiche der Wirtschaft, Kekulé: Aus epidemiologischer Sicht würde ich gar Das können Risikogruppen nicht machen.
und da fällt das Einkommen nicht um 20, sondern nicht in Sektoren denken, sondern in Risikogrup- ZEIT: Zum Schluss eine Einschätzung: Gerade ist
um 100 Prozent. Diese Einbrüche sind so massiv, pen. Ich würde immer sagen, wir müssen die Hoch- das Virus so dominant, dass wir täglich darüber
das kennen wir nur aus der Weltwirtschaftskrise der altrigen über 70 am längsten schützen und natürlich nachdenken. Wann ist das vorbei?
Fotos: Roderick Aichinger für DIE ZEIT

Dreißigerjahre. Die 20 Prozent gesamtwirtschaft­ die klassischen Risikogruppen, die Lungenkranken Kekulé: Aus virologischer Sicht: in einem Jahr.
licher Einbruch sind allerdings unser Worst-Case- und so weiter. Kinder haben das geringste Risiko, Fuest: Die Menschen werden damit zehn Jahre zu
Szenario, zu dem es hoffentlich nicht kommt. die 50-Jährigen schon deutlich mehr, bei den 60-, tun haben. Sie werden nicht jeden Tag daran den-
Überraschend ist, dass dafür viel weniger notwendig 70-Jährigen steigt es steil an. Ich würde also die jun- ken, aber die Schulden, die wir jetzt aufhäufen, die
ist, als man sich vorstellt: drei Monate lang etwa 48 gen Leute als Erstes wieder rauslassen. wirtschaftlichen Verluste werden wir wohl mindes-
Prozent Produktionsausfall und eine schrittweise ZEIT: Jung heißt bei Ihnen unter 50 Jahre? tens ein Jahrzehnt spüren.
Erholung über vier Monate, das hört sich nicht Kekulé: Nein, unter 20. Schulen und Kindergärten,
apokalyptisch an. Wir hätten aber zwei Millionen da würde ich anfangen. Die Menschen, die mit den Das Gespräch führte Lisa Nienhaus
Jobs weniger und sechs Millionen Kurzarbeiter. Kindern dort zu tun haben, müssten natürlich ge- Mitarbeit: Anna Gauto
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 WIRTSCHAFT 21
TITELTH EM A : WI E SCHÜTZ EN WI R DI E SCH WACH EN ?

Wer rettet Frau Büchert?


Während große Ketten Milliardenhilfen vom Staat beantragen, droht Tausenden Einzelhändlern die Pleite  VON ANN - K ATHRIN NEZIK

D
ie Buchhändlerin Jana Bü- genen Tage: Der Modehändler Esprit hat Insol- Buchladen führen die beiden seit 2013 die Bou- für März überweisen. Eigentlich sind Ladenfläche Das glaubt auch Daniel Terberger, Chef der
chert hat Amazon bisher venz angemeldet. Die Elektronikverkäufer Media- tique Angelo’s, einen Laden für hochwertige­ und Lager der Boutique voll mit frisch eingetroffe- Bielefelder Katag AG, eines Unternehmens, das
standgehalten. Sie hat über- Markt und Saturn sowie die Parfümeriekette­ Damen- und Herrenmode. Während Trends und ner Frühjahrsware im Wert von einer Vier­tel­mil­ 350 mittelständische Textilhändler in ganz
lebt, während um sie herum Douglas bemühen sich um Staatshilfe, sie hoffen Kollektionen immer schneller wechseln, ist das lion Euro. Eigentlich würden die Petersdorfs in Deutschland beliefert. Mode sei wie Obst, sagt
die Buchläden verschwan- auf Kredite in Millionen- oder sogar Milliarden- Geschäft der Petersdorfs ein Ort der Entschleuni- den kommenden Wochen auch so viel Umsatz Terberger, sie habe ein Verfallsdatum. Mit jedem
den und auch in ihrem Ge- höhe. Gleiches gilt Medienberichten zufolge für gung. Während Billigketten und Online-Händler machen wie in wenigen anderen Monaten des Jah- Tag, den die Schließungen andauerten, verliere die
schäft der Umsatz schrumpf- den gerade erst fusionierten Warenhauskonzern fast wöchentlich neue Waren anbieten, fährt das res, die Mode ist mehr noch als der Buchhandel oft noch langärmelige oder gefütterte Frühjahrs-
te. Aber nun legt dieses Virus ihren gesamten Kiez Galeria Karstadt Kaufhof, wozu sich das Unter- Ehepaar zweimal im Jahr in die europäischen ein Saisongeschäft. Ihre Angestellten haben die ware an Wert. Wenn die Geschäfte wieder öffnen,
lahm. Und Büchert weiß nicht, wie lange ihr klei- nehmen auf Anfrage nicht äußert. Mode-Metro­ po­
len, um das Sortiment für die Petersdorfs in Kurzarbeit geschickt, bei den Liefe- fürchtet Terberger ruinöse Rabattschlachten. Er
nes Unternehmen das aushält. Anders als viele Dax-Konzerne oder mittelstän- kommende Saison auszuwählen: handgefertigte ranten hoffen sie auf Entgegenkommen. Dennoch vergleicht das mit einem Wochenmarkt, auf dem
Bücherts Laden liegt im Souterrain eines Alt- dische Industrieunternehmen haben die meisten Strickjacken aus Italien, rahmengenähte Schuhe werden sie die Ware aller Voraussicht nach größ- kurz vor Schluss alle Stände alles zu Spottpreisen
baus im Hamburger Grindelvier- anbieten. »Wenn das plötzlich
tel, in einer Straße mit Restau- hundert Händler so machen, gibt
rants, Boutiquen und einem es ein Gemetzel«, sagt Terberger.
Theater. Vor 20 Jahren begann Die Einzelhändler versuchen
Büchert, 44, hier ihre Lehre zur deshalb nun mit aller Macht, ihre
Buchhändlerin. Sie blieb und Kosten herunterzufahren. Neben
übernahm den Laden 2018 von Kurzarbeit setzten die großen
ihren Vorgängern. Sie kam über Ketten fast flächendeckend auf
die Runden, trotz der seit Jahren Mietstundungen. Dutzende, viel-
schwelenden Krise der Buchbran- leicht Hunderte Vermieter dürf-
che. Dann kam Corona. ten davon betroffen sein, schätzt
Neben der Gastronomie und die Immobilienberatung Savills.
dem Tourismusgewerbe trifft der Schlimmstenfalls könne das zu
bundesweite Shutdown den Einzel- einer Kettenreaktion führen: Soll-
handel besonders hart. 300.000 ten die Immobilieneigentümer
Geschäfte erwirtschaften seit zwei ihre Kredite im großen Stil nicht
Wochen so gut wie keinen Umsatz, mehr bedienen können, könnte
hat der Handelsverband Deutsch- das auch die Banken ins Wanken
land (HDE) errechnet. 1,15 Milli- bringen. Vor allem Adidas muss
arden Euro Einnahmen gehen der sich wegen der Mietaussetzungen
Branche verloren. Nicht pro Monat harsche Kritik gefallen lassen.
oder pro Woche, sondern pro Tag. Oben wie unten geht es jetzt
»Die Lage ist desaströs«, sagt HDE- um Verteilungsfragen: Wer kann
Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. die Last alleine tragen? Wem soll
»Die Schließungen treffen uns zum die Bundesregierung helfen? »Es
maximal ungünstigen Zeitpunkt.« darf nicht sein, dass der Sozial-
In Jana Bücherts Regalen und staat von Unternehmen und Kon-
auf den Tischen stapeln sich zernen ausgeplündert wird«, sagt
druckfrische Titel, das Frühjahr ist Orhan Akman, der bei der Ge-
neben dem Herbst die Saison der werkschaft ver.di für den Einzel-
Neuerscheinungen. Eigentlich ist handel zuständig ist.
Büchert darauf angewiesen, dass Etliche Handelsunternehmen
die Menschen gerade jetzt durch sind schon seit Jahren Sanierungs-
den Laden streifen und Bücher fälle. Manche wurden schlecht ge-
entdecken. Das fällt nun weg. managt oder haben sich mit ihrer
Geblieben ist Jana Büchert nur Expansion übernommen. Andere
eines: die Loyalität ihrer Kunden. haben den Internetboom verschla-
Immer wieder klopft es an diesem fen oder kein Geld für einen On-
Vormittag an ihre Tür. Büchert Die Buchhändlerin Jana line-Shop gehabt. Dass sich gerade
eilt nach vorn und greift eine der Büchert muss improvisieren kleine Händler jetzt im Schnell-
Fotos: Charlotte Schreiber für DIE ZEIT

braunen Papiertüten, die am Ein- durchgang digitalisieren, indem sie


gang bereitstehen. Ihr Geschäft über Facebook oder Instagram ver-
funktioniert gerade ähnlich wie kaufen, kann ihre Einbußen abfe-
das einer Pizzeria. Die Kunden dern, aber nicht kompensieren.
geben ihre Bestellungen per Tele- Momentan ist den Deutschen
fon oder E-Mail auf und holen sie nicht nach Anschaffungen wie
im Laden ab. Gezahlt wird per Kleidung zumute, das merken
Überweisung. Etwa zwei Drittel auch Internetkonzerne wie Zalan-
ihres regulären Umsatzes hat Bü- do an der niedrigeren Nachfrage.
chert so in den letzten zwei Wo- Dennoch könnten die Online-
chen erwirtschaftet, schätzt sie. Händler zu den Profiteuren der
Ob das so bleibt, weiß sie nicht. Corona-Krise gehören. Ähnlich
Was, wenn selbst die treuesten Kunden genug Le- Einzelhändler im Aufschwung kaum Rücklagen aus Paris. Ihre Stammkunden wüssten diese Quali- tenteils bezahlen müssen, Vertrag ist Vertrag. Wo- wie 2003 in China. Während der Sars-Epidemie
sestoff für die Abende zu Hause haben? Was, wenn gebildet. Ihr Geschäftsmodell funktioniert wie tät zu schätzen, sagen die Petersdorfs. Die typische her sie das Geld nehmen sollen, wissen sie nicht. fanden die Chinesen Gefallen am Einkaufen im
sie die Rechnungen, die zwischen den Bestellun- eine Drehtür am Eingang eines Warenhauses: Ein- Kundin beschreibt Berit Petersdorf so: »Sie kommt Zusammen mit rund 20 Kleinunternehmern Netz – und blieben dabei. Internetplattformen wie
gen klemmen, nicht sofort bezahlen? nahmen, die hereinkommen, gehen wenig später in den Laden, weil sie eine Hose will, und geht mit haben die Petersdorfs Hamburgs Bürgermeister Alibaba erlebten damals eine Initialzündung, die
Tausende kleine und mittelständische Einzel- wieder raus, für Personal, für Waren, für Mieten. einem Rock und einer Tasche wieder raus.« Peter Tschen­tscher (SPD) einen Brief geschickt. ihr späteres Wachstum erst ermöglichte.
händler, Kioske und Friseure dürften die Krise Bricht der Umsatz plötzlich weg, fällt das Kon- Nun steht mit einem Mal alles infrage, was sich Darin fordern sie »zusätzliche Subventionen im Einen Gewinner gibt es schon: Amazon, der
wohl nicht überleben, schätzt der Ökonom und strukt in sich zusammen. Dann geraten selbst die beiden über Jahre aufgebaut haben. »Wir wis- Sinne eines Rettungsschirms.« Kredite von der weltgrößte Online-Händler, zementiert gerade
Handelsexperte Gerrit Heinemann. Aber auch die wirtschaftlich gesunde Unternehmen innerhalb sen nicht, ob wir es schaffen«, sagt Jan Petersdorf. KfW würden ihnen nur begrenzt helfen, fürchten seine Marktmacht. In den nächsten Monaten will
Großen sind bedroht. Wie ernst die Lage in der kurzer Zeit an den Rand der Insolvenz. Dafür gibt es im Leben der beiden gerade zu viele sie, schließlich müssten sie die irgendwann zurück- der Konzern 100.000 neue Stellen schaffen.
gesamten Branche ist, Supermärkte und Drogerien Berit und Jan Petersdorf erleben das gerade. Ungewissheiten. Eigentlich würde Jan Petersdorf zahlen: Die finanziellen Probleme würden so bloß
ausgenommen, zeigen die Meldungen der vergan- Keine zwei Kilometer Luftlinie von Jana Bücherts den zwölf Mitarbeitern in diesen Tagen ihr Gehalt »in die Zukunft verschoben«. AA www.zeit.de/audi

Am Tropf
Deutschlands Arzneimittelhersteller sind von Importen aus Indien und China abhängig. Das ließe sich ändern, wird aber teuer  VON INGO MALCHER

D
er Lastwagen war schon unterwegs quin im Monat. Es wird bei chronischen Haut- und nur Wirkstoffe. Sie brauchen auch Faltschachteln vertrag ausgeschrieben, der ab April nächsten Jahres Auch sein Parteifreund Bundeswirtschaftsminister
zum Flughafen in Mumbai. Gela- Gelenkerkrankungen verabreicht. Doch seit auch für Tabletten, Glas für Ampullen, Pumpen für die Versorgung der Patienten sicherstellen soll. Doch Peter Altmaier spricht sich hierfür aus. Aber wenn
den hatte er 48.000 Packungen des US-Präsident Donald Trump die Hoffnung genährt Nasensprays. Und bei manchen Produkten, so be- das sorgt für Unmut bei den Generika-Herstellern in in Deutschland mehr produziert würde, hieße das
Medikaments Hydroxychloroquin, hat, das Mittel könne gegen Covid-19 helfen, ist der richtet Stoller, sage der Lieferant: »Ich würde es dir Deutschland. In derart turbulenten Zeiten sei es un- auch, dass die Medikamente teurer würden.
produziert in Indien, bestellt von Absatz auf etwa 35.000 Packungen hierzulande hoch- gerne zum alten Preis geben, aber da stehen zehn möglich, einen Festpreis zu garantieren, noch dazu Warum das so ist, kann Dirk Jung erklären. Er ist
der Berliner Firma Aristo Pharma. Doch dann geschnellt. Und Koch bekommt immer wieder un- andere, die mehr bieten.« über zwei Jahre, heißt es aus der Branche. »Wir Geschäftsführer von Arevipharma in Radebeul bei
verbot die indische Regierung die Ausfuhr des seriöse Angebote: »Wir brauchen 10.000 Packungen, Die Patienten kriegen von alldem kaum etwas mit. möchten hiermit klarstellen, dass pharmazeutische Dresden. Jung schildert den Konkurrenzkampf mit
Präparats, das angeblich die Symptome der­ wir zahlen einen guten Preis«, habe ein Anrufer gesagt. Wer in Deutschland krankenversichert ist, dem kann Unternehmen auf absehbare Zeit (...) keine Pla- den indischen Wettbewerbern am Beispiel des Beta-
Lungenkrankheit Covid-19 mildert, so erzählt es Er lehne so etwas stets ab, da verschreibungspflichtige es egal sein, welchen Preis die Pharmaindustrie für nungssicherheit haben und dass wir Zeiten entgegen- blockers Metoprololsuccinat: Vor drei Jahren stopp-
Stefan Koch, Vorsitzender der Geschäftsführung Arzneimittel in Deutschland nur an Kliniken, Groß- sehen, in denen die Liefer- und Versorgungssicherheit te Arevipharma die Produktion des Stoffes, weil sie
von Aristo Pharma. »Wir versuchen alles, um die händler und Apotheken abgegeben werden dürfen. in Deutschland eingeschränkt sein können«, heißt es nicht mehr rentabel war. Hersteller aus Indien bieten
Ware nach Deutschland zu kriegen«, sagt er. »Bis- Sein Problem ist ohnehin die Beschaffung von in einem Brief des Branchenverbandes Pro-Generika den Stoff für 43 Dollar das Kilo an. »Das ist in etwa
lang vergeblich.« Wirkstoffen für die Eigenproduktion in Deutsch- Nicht nur die Preise an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der das, was mich die Ausgangsstoffe und die Entsorgung
In der Krise zeigt sich die Abhängigkeit Deutsch- land. Für viele Produkte aus Asien muss Koch der- der ZEIT vorliegt. der Produktionsabfälle kosten«, sagt Jung.
lands von Asien im Medizinbereich. Die dortigen zeit deutlich mehr bezahlen, die Preise mancher für Wirkstoffe steigen, Tim Steimle, Leiter des Arzneimittelbereiches Für Chemieabfälle gibt es in Deutschland strenge
Fabriken produzieren konkurrenzlos billig und haben Präparate seien infolge der Krise zum Teil massiv der Techniker Krankenkasse, wehrt sich gegen die Regeln. Arevipharma hat eine thermische Verbren-
viele hiesige Anbieter aus dem Markt gedrängt. Das gestiegen. auch ihr Transport Kritik. Verträge mit den Herstellern würden die nungsanlage, aber nicht jedes kontaminierte Lösungs-
rächt sich nun. Die Ausgangssperre in Indien und
eine schleppend anlaufende Produktion in China
Christoph Stoller, Deutschland-Chef des israe-
lischen Generika-Herstellers Teva, zu dem die wird schwieriger Versorgung von Patienten sichern. »Im Rahmen
der Verträge gibt es immer die Möglichkeit, dass
mittel kann verbrannt werden. Daher müssen man-
che Abfälle von Fachbetrieben abgeholt werden. All
führen dazu, dass viele aus diesen Ländern stammen- Marke Ratiopharm gehört, hat gerade eine Liefe- sich Unternehmen bei unvorhersehbaren Situatio- das kostet Geld. Jung hält die strengen Auflagen für
de Rohstoffe für Pharmazeutika teurer werden. rung von Schmerzmitteln aus China per Luft- nen an uns wenden. Um eine höhere Liefersicher- richtig. »Wir wissen, was passieren kann, wenn solche
Indien hat nicht nur den Export von Hydroxy- fracht einfliegen lassen, was rund ein Viertel teurer Wirkstoffe oder Vorprodukte bezahlt. In von den heit zu gewährleisten, sind wir dann bereit, höhere Stoffe in die Umwelt gelangen«, sagt er.
chloroquin verboten. Auch die Ausfuhr von Parace- war als die Seefracht. »Priorität hat die Sicherstel- Krankenkassen ausgeschriebenen Rabattverträgen Preise zu akzeptieren«, sagt er. Und trotzdem: Wenn es Länder gibt, in denen
tamol und einer Reihe anderer Präparate wurde ver- lung der Lieferversorgung«, sagt er. Eine gewaltige haben sich die Hersteller dazu verpflichtet, Medika- Angesichts steigender Preise und verwundbarer nicht so penibel auf Mülltrennung geachtet wird,
gangene Woche per Dekret gestoppt. Einer der Herausforderung, denn es verkehren zurzeit viel mente über einen bestimmten Zeitraum zu einem Lieferketten erscheint es logisch, die Produktion habe es keinen Sinn, einen Preiskampf loszutreten,
größten Produzenten des Landes warnte seine Kunden weniger Schiffe zwischen den Kontinenten und festgelegten Preis zu liefern. Die Ausschreibungen von Wirkstoffen und Medikamenten wieder nach sagt Jung. Aus seiner Sicht geht es darum, die rich-
in einem der ZEIT vorliegenden Brief: »Wir können nur ein Bruchteil der Flugzeuge. der Kassen gewinnt, wer die Lieferung garantieren Deutschland zu holen, so wie es Gesundheitsmi- tigen Lehren aus der Krise zu ziehen: »Wenn ich
die nahtlose Belieferung nicht immer garantieren.« Tag und Nacht versuchen die Einkäufer bei kann und möglichst preiswert anbietet. nister Jens Spahn (CDU) fordert. »Wir müssen die sage, ich will autark sein, dann muss ich den Her-
Normalerweise verkauft Aristo Pharma in Teva den Nachschub zu organisieren, damit keine Die Techniker Krankenkasse hat gerade, feder- starke Abhängigkeit Deutschlands von China dis- stellern helfen, diesen Weg zu gehen.« Das bedeu-
Deutschland etwa 7000 Packungen Hydroxychloro- Versorgungsengpässe entstehen. Sie kaufen nicht führend für alle Ersatzkassen, einen neuen Rabatt- kutieren«, sagte Spahn vor einem Monat in Berlin. tet: ihnen mehr bezahlen.
22 WIRTSCHAFT 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Fotos: Sebastian Wells/Ostkreuz; Tim Hoffmann (u.)


Geld allein hilft nicht
FRIEDRICH MERZ meldet sich zurück. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz beschreibt, wie man
nach der Corona-Krise die soziale Marktwirtschaft retten kann

Deutschland am Wochenende: Allein im Görlitzer Park von Berlin

Z
u Beginn dieses Jahres habe ich wichtig deren Hilfen sind. Selten war das Wort von auf ein Drittel der üblichen Leistung aus, fehlen pro viel härtere (partei)politische Diskussion, als wir sie Schocks zusammenfällt. Wir müssen mit den
meine Zuhörerinnen und Zuhö- Max Weber so richtig: Wer in der politischen Ver- Tag rund sechs Milliarden Euro. Wenn die Krise bisher kannten. Und darauf müssen wir uns vorzu- europäischen Institutionen dafür sorgen, dass die
rer in Reden und Vorträgen zu­ antwortung steht, macht sich schuldig, so oder so. »nur« bis Ende April andauern würde, wären das bereiten versuchen – so gut es heute geht! europäische Industrie gerade jetzt zusammen-
einem Gedankenexperiment auf- schon über 200 Milliarden Euro oder sechs Prozent wächst und ihre internationale Wettbewerbsfä-
gefordert: Wie würden wir in zehn Wie könnte das Leben nach Corona aussehen? unseres jährlichen BIP. Dauerte sie bis zur Mitte des Was muss vermutlich geschehen? higkeit bewahrt. Deshalb sollte das europäische
Jahren auf das Jahr 2020 schauen? Die realistische Erwartung an die Politik heute kann Jahres an, sprechen wir von 25 bis 30 Prozent unseres Worauf sollten wir uns also einstellen? Was bedeu- Kartellrecht kein Hindernis sein, die Unterneh-
Ich selbst war überzeugt, dass wir nur sein, ein Szenario zu beschreiben, wie wir mög- BIP. Und da am Tag nach der Krise nicht sofort wie- tet »historische Zäsur«? men in Europa entstehen zu lassen, die unsere
in einer Zeitenwende leben und erst in einigen lichst rasch zur Normalität zurückkehren könnten, der alles bei den alten Werten vor der Krise liegt, wird Corona beschleunigt eine Entwicklung, die wir strategische Souveränität in Zukunft wenigstens
Jahren richtig verstanden haben würden, wie tief in einzelnen Schritten, abhängig von der Eindäm- es weitere Verluste durch eine Anlaufphase geben, schon seit geraumer Zeit beobachten. Der Sozio­loge teilweise sichern.
greifend dieser Wandel in Wirklichkeit ist. mung der Pandemie, beginnend vermutlich mit der selbst wenn es zu diesem Zeitpunkt – was ebenfalls Andreas Reckwitz nennt es die »dreifache Krise des • Wir brauchen als Land mit der höchsten Indus-
Nun legt ein Virus fast die ganze Welt still. Und Wiederöffnung der Schulen. Denn den Schulen unwahrscheinlich ist – keine Einschränkungen im apertistischen Liberalismus«, eine soziokultu­relle triedichte Partner zur Aufrechterhaltung unse-
plötzlich ändert sich alles noch einmal grundlegend, kommt die Rolle der Schrittmacher zu, daran wird öffentlichen Leben mehr geben wird. Last, but not Krise, eine sozioökonomische Krise und eine Krise rer Exportwirtschaft. Wir müssen deshalb bereit
sich alles andere ausrichten.
viel weitreichender, als wir alle es für möglich ­gehalten least: Viele Industrien und Branchen werden die der politischen Institutionen. Mit Corona ist ein bleiben, den europäischen Nachbarn gemein­
hätten. Das Miteinander von Staat und Gesellschaft Und dann werden wir auf eine Volkswirtschaft Produktionszahlen von vor der Krise auf Jahre nicht »Schwarzer-Schwan-Augenblick« hinzugekommen, same Hilfen bereitzustellen. Das Prinzip »Hand-
steht vor einer harten Bewährungsprobe. blicken, die sich tief in der Rezession befindet. Auch wieder erreichen. Die verfügbaren Einkommen die Macht eines höchst unwahrscheinlichen, aber lung und Haftung in einer Hand« darf trotz-
dieses Mal wird es ein Leben danach geben. Allerdings werden sich deutlich reduziert haben, und das Kon- eben doch eingetretenen Ereignisses. Damit wird dem nicht aufgegeben werden. Eurobonds blei-
Wie wird unser Leben mit Corona aussehen? wird dieses »Danach« anders aussehen als etwa nach sumverhalten der Bevölkerung wird sich vermutlich das politische Führungspersonal vor allem in ­Europa ben auch in der Krise der falsche Weg. Es gibt
Haben wir eine Vorstellung, vielleicht einen his- der Finanzkrise. Der Grund dafür liegt in dem un- neu ausrichten. vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Corona andere Instrumente, besonders betroffenen
torischen Vergleich, wie unser Leben mit der Pan- terschiedlichen Charakter der beiden Krisen. Mit anderen Worten: Dieses Virus löst eine tiefe, ist der historische Augenblick der heutigen politi- Ländern zu helfen.
demie aussieht? Selbst die Spanische Grippe, die Die Finanzkrise war das Ergebnis einer Banken- historische Zäsur aus. Es verändert unsere Welt und schen Generation. • Alle Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden,
vor 100 Jahren weltweit mindestens 30 Millionen krise, die zu einer Staatsschuldenkrise wurde, die aber unser Leben in vielerlei Hinsicht, zum Guten wie zum Allein die ökonomischen Herausforderungen können eine hohe Zahl von Unternehmens­
Menschenleben gekostet hat, war nicht verbunden weitgehend begrenzt geblieben ist auf den Finanz- Schlechten, und viel tief greifender, als wir es zu­ sind gewaltig. An dieser Stelle müssen die Stich- insolvenzen und damit eine hohe Arbeitslosig-
mit einem so umfassenden Shutdown der Unter- sektor. Der Bankensektor musste damals mit großen Beginn des Jahres 2020 ohnehin angenommen haben. worte ­genügen: keit nicht vermeiden. Auch die meisten überle-
nehmen, nicht mit einem solchen Stillstand fast Rettungsschirmen vor dem Kollaps bewahrt werden. benden Unternehmen werden mehr oder weni-
des gesamten öffentlichen Lebens. Es gab nicht Ab 2009 kehrte die Wirtschaft sehr schnell auf den Welche neuen Gemeinsamkeiten entstehen? • Die Verstaatlichung von Aufgaben und von Un- ger große Teile ihres Eigenkapitals verloren­
diese enge Verflechtung der Weltwirtschaft, nicht Wachstumspfad zurück, es begann der längste Auf- Fangen wir erneut mit den guten Nachrichten an. ternehmen wird die Leistungsfähigkeit unseres haben. Die Stabilisierung der produzierenden
so viele Informationen in Echtzeit und vor allem schwung in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Unsere Gesellschaft erfindet sich neu, unser Sozial- Landes nicht stärken, sondern schwächen. Des- Industrie muss daher absoluten Vorrang haben.
nicht diese Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen Das wird nach Corona ganz anders. Diese Krise wesen zeigt sich von der besten Seite. Ich habe es selbst halb sind die jetzt nötigen Eingriffe nur zeitlich Eigentümer und Mitarbeiter müssen zu einem
auf die politische Willensbildung, im Guten wie erfasst die gesamte Realwirtschaft. Sie ist ein gleich- erfahren, aus der Nachbarschaft, dem Freundes- und eng begrenzt vertretbar. Wir müssen die sozial neuen sozialen Miteinander finden, um eine
im Schlechten. zeitiger Angebots- und Nachfrageschock für die Welt- Bekanntenkreis, zum Teil von Menschen, die ich gar verpflichtete und auf privatem Eigentum auf- Basis zu legen für Wohlstand und Arbeitsplätze
Die gute Nachricht lautet: Nicht nur in Deutsch- wirtschaft, und die Maßnahmen, die zum Gesund- nicht persönlich kenne. So wird es vielen gehen. bauende, die Soziale Marktwirtschaft erhalten. der nachfolgenden Generationen.
land, sondern weltweit hat die große Mehrheit die heitsschutz der Bevölkerung auf der ganzen Welt Plötzlich erkennen wir den Wert der sozialen Gemein- • Wir brauchen auch in Zukunft starke kleine, mitt-
von den Regierungen ergriffenen Maßnahmen als ergriffen werden müssen, führen geradewegs in die schaft wieder. Was im Kleinen gut funktioniert,­ lere und große Unternehmen. Niemand sollte die Damit sind wir an dem Punkt angekommen, der
notwendig und richtig anerkannt. Die schlechte weltweite Rezession. Die Bekämpfung der Infektion gelingt auch – vorläufig jedenfalls – im Großen. Wir Staatshilfen stigmatisieren, die er morgen vielleicht wichtiger werden wird als jede ökonomische Frage:
Nachricht ist: Das wird nicht so bleiben. Schon löst die Wirtschaftskrise überhaupt erst richtig aus. sehen ein großartiges Engagement der Ärzte und Pfle- doch braucht. Es war ein Fehler in der Finanzkrise, Wie sichern wir nach Corona den sozialen Frieden
werden die ersten Stimmen laut, das müsse jetzt alles Am Ende des zweiten Quartals 2020 wird die Welt- gekräfte, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den den Banken in Europa – anders als in den USA – und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft?
schnell ein Ende haben. Trotzdem müssen die­ wirtschaft gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 um Unternehmen und in den Behörden, der Bediensteten keine Rekapitalisierung aus staatlichen Mitteln an- Schaffen wir es gleichzeitig, die Offenheit, Liberalität,
Regierungen an dem eingeschlagenen Weg festhalten, mehrere Prozentpunkte geschrumpft sein. Wir kön- der Polizei, der Bundeswehr und der Hilfsorganisa- zubieten. Das wird jetzt in großem Umfang für die Toleranz und die demokratischen Prozesse zu­
jedenfalls so lange, bis die Zahl der Neuinfektionen nen von großem Glück sprechen, wenn es im ein- tionen. Wir erleben eine neue »Kultur der Erreich- Industrie notwendig werden. erhalten, an die wir uns so gern gewöhnt haben?
dauerhaft unter dem Niveau bleibt, das unser­ stelligen Prozentbereich bleibt. barkeit. Der Verbindlichkeit« (Matthias Horx). • Wir müssen auf Start-ups und junge Gründer Anders ausgedrückt: Ist unsere Demokratie reif genug
Gesundheitssystem verkraften kann. Anders als die Finanzkrise ist diese Krise daher mit Aber bleibt das so, wenn die Folgen der Krise erst achten. Es besteht die Gefahr, dass Unterneh- für harte Entscheidungen? Ich bin und bleibe zuver-
»Verkraften« ist dabei ein beschönigendes Wort. Geld allein nicht zu lösen. Schon am Beispiel offensichtlich werden? Wir wissen aus der Sozial- men gerettet werden, die ohne die Krise keine sichtlich, aber wirklich wissen werden wir auch dies
Wir werden an die Grenzen kommen und vielleicht Deutschlands wird dies schnell deutlich: Unser Land forschung, dass rund ein Drittel unserer Gesellschaft Überlebenschance gehabt hätten, und gleichzei- erst aus der Rückschau.
auch darüber hinaus. Und dennoch werden die For- erwirtschaftet (2019) ein jährliches Sozialprodukt von für soziale Appelle grundsätzlich nicht erreichbar ist. tig junge, innovative Unternehmen schließen
derungen immer lauter werden, die Betriebe müssten rund 3,4 Billionen Euro. Das sind knapp 10 Milliar- Dieses eine Drittel schweigt im Augenblick angesichts müssen, weil sie durch das Raster der Rettungs-
wieder »normal« arbeiten können. Die Abwägung den Euro am Tag und etwa 41.000 Euro pro Kopf der Dimension des Unbekannten, aber es wird wieder schirme fallen. Merkel-Gegner, Rechtsanwalt,
und die Entscheidung bleiben bei den politischen der Bevölkerung im Jahr. Geht man sehr grob ge- auftauchen, sobald aus der Krise neue Verteilungs- • Auch in der Krise bleibt richtig: So viel Europa Finanz­manager: Friedrich Merz, der
Foto:

Instanzen, nicht bei den Virologen, nicht bei den schätzt von einem Rückgang der volkswirtschaftli- konflikte entstehen. Dieses eine Drittel wird Für- wie eben möglich! Europa darf kein Schönwet- gerade Covid-19 hatte, kandidiert
Ökonomen und nicht beim Deutschen Ethikrat, so chen Leistung in den Tagen und Wochen der Krise sprecher in politischen Parteien finden. Es droht eine ter-Binnenmarkt sein, der unter der Last eines wieder für den CDU-Vorsitz

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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 WIRTSCHAFT 23
TIT E LT H EM A : WI E SCH Ü TZ EN WIR D I E S C H W A C H E N ?

Im Dauereinsatz
Die Politik verspricht, in dieser Krise den Betrieben
beizustehen – doch eine Flut von Anfragen droht viele
Helfer zu überfordern  VON VIOLA DIEM UND KOLJA RUDZIO

D
as Rettungsprogramm, das tung. Welche Regeln genau gelten, können sich Neben den KfW-Krediten des Bundes gibt es auch

ZEIT-Grafik: Sina Giesecke; Foto: KLU (u.)


die Bundesregierung gestar- Lorenz und ihre Kollegen über ein hauseigenes Darlehen einiger Bundesländer. In Berlin war ein
tet hat, ist gewaltig. Mehr als E-Learning-Portal selbst beibringen. »Das hilft sehr«, Hilfspaket mit zinslosen Überbrückungskrediten für
eine Billion Euro könnte all sagt sie. Und um das IT-System zu entlasten und im kleine und mittlere Unternehmen aber schon nach
das kosten, was der Bund Homeoffice flexibleres Arbeiten zu ermöglichen, einer Woche ausgeschöpft. Der Berliner Senat hatte
jetzt an Hilfen versprochen wurde der offizielle Rahmen für ihre Arbeitszeit auf zuerst 100 Millionen Euro dafür bereitgestellt, dann
hat: Kredite, Soforthilfen
und Kurzarbeitergeld für Unternehmen, die durch
die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Not gera-
ten. Doch kommt das viele Geld tatsächlich recht-
3,5 den Zeitraum zwischen 6 und 22 Uhr ausgedehnt.
Bisher war um 19.30 Uhr Schluss.
Die durch Corona ausgelöste Wirtschaftskrise
hat gerade erst begonnen, doch innerhalb von
200 Millionen, doch die Summe der angefragten
Kredite bei der Investitionsbank Berlin (IBB) über-
steigt bereits 300 Millionen. Vorerst nimmt die IBB
keine Anträge mehr an.
zeitig bei denjenigen an, die es brauchen? »Ent- Millionen Unterneh- rund zwei Wochen reichten fast eine halbe Million Bei den Krediten des Bundes soll das nicht pas-
scheidend ist, dass wir schnell und unbürokratisch men gibt es in Firmen einen Antrag auf Kurzarbeit ein. Das sind sieren. Die Mittel sind in der Höhe nicht begrenzt.
helfen«, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Deutschland etwa zwanzigmal so viele wie auf dem Höhepunkt Kerrin Haase rechnet aber damit, dass die große
Altmaier vorvorige Woche. Das dürfte in dieser der Finanzkrise. Damals, im März 2009, meldeten Welle an Anträgen erst kommt. »Dann könnte es
Krise schwieriger sein als etwa nach der Lehman- »nur« 25.000 Betriebe Kurzarbeit an. noch ein bisschen turbulenter werden.«
Pleite im Jahr 2008. Damals mussten Banken und Wie lange es derzeit dauert, bis ein Antrag be-
einige Industriebetriebe um ihre Existenz bangen. arbeitet ist, dazu gibt es keine Statistik. Man müsse Soforthilfen: »Corona sprengt alle
Heute hingegen bedroht der Stillstand der Wirt- schon mal mit 14 Tagen bis zu einer Entscheidung bisherigen Dimensionen«
schaft auch Millionen kleine und Kleinstbetriebe rechnen, heißt es bei der Hamburger Arbeitsagen- Auf die Frage, ob er jetzt auch von Zuhause aus ar-
nahezu aller Branchen – von der Pizzeria bis zum tur. Aber Franziska Lorenz betont: »Der Anspruch beite, sagt Peter Schmid: »Ich bin täglich zwölf Stun-
Taxiunternehmen. Dieser großen Zahl potenziell auf Kurzarbeitergeld gilt rückwirkend, wenn der den hier am Regierungssitz in Landshut, von zu
betroffener Firmen zu helfen, könnte viel schwieri- Antrag bis zum Monatsende bei uns eintrifft.« Hause aus arbeite ich nur am Wochenende.« Schmid
ger werden als die Rettung einiger Banken. Ge-
spräche mit denjenigen, die jetzt die staatlichen
Hilfen verteilen sollen, zeigen: Die Corona-Krise
ist nicht nur ein Belastungstest für das Gesund-
470.000 Kredite: Ein Topf ist schon leer
Seit zwei Wochen fährt Kerrin Haase nicht mehr
ins Büro, sondern arbeitet an ihrem großen Ess-
leitet die Taskforce »Soforthilfe Corona« bei der
Bezirksregierung Niederbayern. In seinem Team sind
knapp 70 Leute – »von denen haben 45 das vergan-
gene Wochenende freiwillig durchgearbeitet«. Bayern
Anträge auf Kurzarbeit sind im
heitssystem. März bei der Bundesagentur für tisch mit Blick auf die Dachterrasse, wo in Hoch- hat, wie andere Bundesländer auch, ein eigenes Pro-
Arbeit eingegangen beeten Kräuter und kleine Buchsbäume und Zy- gramm aufgelegt, über das Firmen in dieser Krise
Kurzarbeit: Eine halbe Million pressen wachsen. Das klingt idyllisch, dabei Soforthilfen bekommen können, keine Kredite,
Anträge in zwei Wochen ist ihr Arbeitsalltag turbulenter als sonst. sondern Zuschüsse, die sie nicht zurückzahlen müs-
»Ich darf Sie nicht hineinlassen«, sagt Franziska Kerrin Haase ist eine von 1000 Firmen- sen. Bis zu 50.000 Euro erhalten Betriebe mit nicht

50
Lorenz am Telefon. »Seit dem 16. März ist die kundenberaterinnen und -beratern, mehr als 250 Beschäftigten in Bayern. Verteilt wird
Arbeitsagentur in Hamburg für den Besucher­ die bei der Hamburger Sparkasse diese Soforthilfe über die Bezirksregierungen, also
verkehr geschlossen.« Dazu arbeiten viele von dafür sorgen sollen, dass die etwa über die Taskforce von Peter Schmid. Sein Team
Franziska Lorenz’ Kollegen von zu Hause aus – in Kredite, die die Bundesre- vergibt auch die Zuschüsse, die der Bund über sein
»Telearbeit«, wie das bei der Bundesagentur für Milliarden Euro will die Bundes- gierung den Unterneh- Soforthilfe-Programm zur Verfügung stellt.
Arbeit (BA) heißt. Ungewöhnlich ruhig sehe es jetzt regierung über Zuschüsse an men versprochen hat, »Wir haben schon Erfahrungen mit solchen So-
in den meisten Geschäftsstellen aus. Doch der Ein- Kleinunternehmen verteilen auch bei den Un- forthilfen«, sagt Schmid. Beim Hochwasser von 2016
druck trügt: Die Arbeitsagenturen erleben einen ternehmen lan- erhielten betroffene Bürger und Firmen in Nieder-
nie da gewesenen Ansturm. Anfang vergangener den. Eine Säule bayern eine ähnliche Unterstützung. »Aber das war
Woche registrierte die BA über zwei Millionen An- im von der Politik eine örtlich und zeitlich beschränkte Katastrophe«,
rufe an einem einzigen Tag. Unter dieser Last brach aufgesetzten Rettungs- sagt der 58-Jährige. »Das Sofortprogramm Corona

8,7
das Telefonnetz der Behörde zusammen. Inzwischen programm sind die Dar- sprengt alle bisherigen Dimensionen.« Allein in
sei es weitgehend stabil, heißt es, zur Entlastung habe lehen der staatlichen KfW Niederbayern lägen schon 23.000 Anträge vor. Täg-
man neue, lokale Telefonnummern freigeschaltet, Bankengruppe. Die Anträge lich kämen etwa 1500 neue dazu. Gut 900 Auszah-
unter denen die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen zu dafür stellen die Unternehmen lungen pro Tag schaffe sein Team, mehr sei nicht zu
erreichen sein sollen. bei Banken und Sparkassen. leisten. Am Dienstag ging eine neue Eingabemaske
Beraterinnen wie Franziska Lorenz. Normaler- Normalerweise vergibt Haase etwa für Anträge online, mit ihr, so hofft Schmid, werde
weise berät sie bei der Berufswahl, ist oft in Schu- Milliarden Euro hat Kredite für Marketingmaßnahmen oder man schneller sein. 
Wer die Soforthilfe beantragt,
len oder auf Berufsmessen unterwegs. Das ruht die KfW notleidenden Baufinanzierungen. Seit knapp zwei Wochen erklärt, dass er durch Corona in wirtschaftliche Not
jetzt alles. Nur zwei von 28 Kollegen in ihrem Be- Firmen schon als fragen Haases Kunden aber vor allem nach Un- geraten ist und dass er auf Anfrage dazu Unterlagen
reich beantworten noch Fragen von Schülerinnen Kredit bewilligt terstützung in Corona-Zeiten. 20 bis 30 Telefonate herausgeben wird. Die Anträge werden zunächst vor
und Schülern, alle anderen helfen, die Flut an An- führe sie am Tag, erzählt sie, doppelt so viele wie allem auf Formfehler geprüft, inhaltliche Angaben
fragen zur Kurzarbeit zu bearbeiten. Lorenz berät sonst, jedes 15 bis 30 Minuten lang. Manche wol- sollen später kontrolliert werden. Bei der Fluthilfe,
Unternehmer, die noch nie mit Kurzarbeitergeld len sich erst mal nur informieren, welche Möglich- sagt Schmid, habe das gut funktioniert.
zu tun hatten. »Das ist eine komplexe Angelegen- keiten es gibt. »Vielen ist die Verunsicherung an- Bayern ist mit seiner Soforthilfe dem Bund zwei
heit«, sagt sie. »Im Handel würde man sagen: Es ist zumerken«, sagt sie. Wochen voraus. Ein Bundesprogramm für Klein-
ein erklärungsbedürftiges Produkt.« Müssen alle Deutschlandweit hat die KfW bis Anfang dieser unternehmen startete Mitte dieser Woche, Zahlen
Überstunden abgebaut sein, bevor man Kurzarbeit Woche knapp 1200 geprüfte Kreditanfragen ver- zur Nutzung gibt es noch keine. Die Erfahrungen aus
anmelden kann? Braucht der Chef die Zustim- meldet, mit einem Volumen von insgesamt über 8,7 Bayern und anderen Bundesländern mit eigenen
mung der Arbeitnehmer? Hat jeder einen An- Milliarden Euro. Es werden noch viele folgen. Kerrin Programmen lassen aber erwarten, dass die Nach-
spruch auf Kurzarbeitergeld? Haase sagt, sie habe mit Dutzenden Unternehmen frage gewaltig sein wird. In Bayern gingen innerhalb
Lorenz erzählt von einem Taxiunternehmer, über einen Kreditbedarf gesprochen. Dass sie bisher von zwei Wochen 200.000 Anträge ein, in Nord-
dessen Fahrer seit Jahrzehnten für ihn arbeiten. »Die gerade mal vier ausgefüllte und positiv geprüfte An- rhein-Westfalen innerhalb von 44 Stunden 150.000.
sind inzwischen im Rentenalter, da musste ich ihm träge an die KfW weitergeleitet habe, liege daran, dass Ob alle diese angeforderten Hilfen so unbüro-
erklären, dass es für sie kein Kurzarbeitergeld gibt. sich die Unternehmen nach der Beratung oft ein paar kratisch und schnell diejenigen erreichen, die sie
Das ist bitter.« Wer nicht in die Arbeitslosenversiche- Tage Zeit nehmen, um sich auf die Kredithöhe fest- brauchen? Es wird von Menschen wie Franziska
rung einzahlt, hat keinen Anspruch auf diese Leis- zulegen und den Antrag gewissenhaft vorzubereiten. Lorenz, Kerrin Haase und Peter Schmid abhängen.

»Auch Chefs laufen zu Hause die Wände hoch«


Teams ziehen ins Homeoffice, Betriebe stehen still: Wie Führungskräfte auch in der Krise einen guten Job machen,
erklärt der Psychologe und Führungsberater Niels Van Quaquebeke

DIE ZEIT: Herr Van Quaquebeke, inwiefern ist ZEIT: In Nachrichten oder auf Social Media äu- Van Quaquebeke: Indem sie kommunizieren, dass Hobbys. In der sozialen Isolation ist es auch der und positiv. Und: Aufgaben verteilen, bei denen
diese Krise für Chefs eine besondere? ßerten sich Unternehmer verzweifelt, manche sie daran arbeiten. Es ist wichtig, dass sie nicht im Job der Führungskraft, zuzuhören. Fortschritte schnell sichtbar sind.
Niels Van Quaquebeke: Zu finanziellen Problemen weinten vor der Kamera. Ist das zu viel Gefühl? stillen Kämmerlein hocken, bis sie eine fertige ZEIT: Und wenn man dafür nicht der Typ ist? ZEIT: Aber viele können gerade nicht arbeiten ...
kommen praktische, etwa das Homeoffice für ein Van Quaquebeke: Wenn es schlecht für ein Unter- Lösung präsentieren können, sondern kleinteiliger Van Quaquebeke: In der Krise kommt man an Kom- Van Quaquebeke: Denen kann man den Auftrag
ganzes Unternehmen zu organisieren. Dann die nehmen aussieht, ist es authentisch, die Wahrheit informieren, was sie gerade machen, selbst wenn es munikation nicht vorbei. Noch viel stärker als off- geben: »Spinnt mal rum, wie es bei uns nach Coro-
soziale Isolation als psychische Belastung für die auszusprechen und Verletzlichkeit zu zeigen. Wer wenig Fortschritt gibt. Abwarten ist für viele Mit- line wird die Online-Welt zeigen, welche Chefs das na komplett anders organisiert werden könnte!«
Mitarbeitenden. Die stehen in viel höherem Maße aber spekuliert, alle könnten ihren Job verlieren, arbeitenden ein Horror, gerade wenn es um Job- nicht können. Sie müssen sich zwingen, sich auf Wenn man das als Führungskraft gut managt, kann
unter Stress; manche verspüren Panik, krank zu ohne es genau zu wissen, treibt es zu weit. Zu Füh- verlust oder Kurzarbeit geht. neue Technologien einzulassen und proaktiv zu man kreatives Potenzial abschöpfen, das sonst nie
werden oder ihren Job zu verlieren. rung gehört es, für Beruhigung zu sorgen. ZEIT: Wie erwirkt man Verbundenheitsgefühl? kommunizieren, sonst werden sie ihre Leute verlie- entdeckt worden wäre. Außerdem wären Weiterbil-
ZEIT: Vielen Chefs geht es wohl nicht anders. ZEIT: Bewähren sich bestimmte Führungsstile in Van Quaquebeke: Man muss Austausch schaffen. ren, und sie werden ihrer Fürsorgepflicht nicht ge- dungen eine Möglichkeit, für Mitarbeiter, aber auch
Van Quaquebeke: Genau. Sie müssen ihre neue Krisenzeiten besser? Für Teams im Homeoffice heißt das: statt dem recht. Niemand muss zum Ehe­berater werden. Aber für die Führungskräfte. Nach der Krise können
Arbeitsstruktur erst finden, vielleicht Kinder be- Van Quaquebeke: Die Forschung zeigt, dass in der Treffen in der Büroküche zum Beispiel einen ­»daily jeder kann nachfragen, wie sich die Leute die Zeit dann alle mehr als vorher.
treuen. Auch Chefs laufen zu Hause schon mal Krise das Bedürfnis nach Autorität zunimmt. Es coffee-chat« bei Zoom einrichten. Und, ganz wich- vertreiben.
die Wände hoch. Wir sind alle Menschen, die braucht einzelne Leute, die in koordinierter Art tig, ein Forum oder Chat, in dem auch über The- ZEIT: Wie gibt man Mitarbeitern in diesen Zeiten Das Gespräch führte Viola Diem
gemeinsam an dieser Krise leiden – das müssen und Weise voranschreiten; den Mitarbeitern muss men abseits von Arbeit gesprochen wird. Da sollte trotzdem noch Möglichkeiten, sich zu beweisen?
Führungskräfte erkennen und rüberbringen. Al- dabei das Gefühl von Kontrolle, Verbundenheit man sich übrigens auch selbst blicken lassen. Van Quaquebeke: Das fällt vielen schwer, aber ist Niels Van Quaquebeke forscht zu
lerdings erlebe ich gerade Unternehmen, die zu- und Kompetenz vermittelt werden. ZEIT: Zum Plauschen? unglaublich wertvoll. Auch in Krisen müssen Führungs- und Organisations-
allererst kühl die neuen Regeln diktieren. Das ist ZEIT: Wie können Führungskräfte Kontrolle ver- Van Quaquebeke: Ja. In einer normalen Arbeits- Menschen spüren, dass sie nützlich sind. Es hilft, psychologie und berät seit 17 Jahren
problematisch. mitteln, obwohl nichts unter Kontrolle ist? welt haben die Mitarbeiter ihre Freunde und häufig Feedback zu geben, vor allem konstruktiv Unternehmen auch in Krisen
24 WIRTSCHAFT 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Z E IT GE LD

Foto: Ramon Haindl für DIE ZEIT


Sandra Makboul arbeitet in einer Kantine. Jetzt ist ihr Einkommen weggebrochen

Wenn die Bleibe unbezahlbar wird


Wer von der Krise betroffen ist, hat jetzt Kündigungsschutz. Mieter und Vermieter fordern weitere Hilfen vom Staat  VON JENS TÖNNESMANN

S
andra Makboul fragt sich in diesen melden; und auch ein 450-Euro-Job in einem Hotel arbeit gehen müssen, ihren Job oder ihre Aufträge und dem 30. Juni 2020 vor Kündigungen schützt, schickt: Das Mietmoratorium differenziere zu
Tagen oft, wie es weitergehen soll. sei ausgesetzt, erzählt Makboul. verloren haben. Fast 30 Prozent ihres Netto-Einkom- wenn sie ihre Miete infolge der Corona-Krise nicht wenig, es sei »fahrlässig und kurzsichtig«.
Und sie erinnert sich an die Zeit Von einem Monat auf den nächsten sind Mak- mens geben die Menschen in Deutschland im Schnitt zahlen können; je nach Lage kann der Gesetzgeber Tatsächlich sehen sowohl Mietervertreter als auch
mitten in der Finanzkrise im Jahr bouls Einnahmen von 1400 Euro auf knapp die für ihre Kaltmieten aus; in Großstädten und in Ein- den Schutz auch noch mal verlängern. »Das ent- die Wohnungswirtschaft Nachbesserungsbedarf:
2009. Da hat ihr Arbeitgeber sie­ Hälfte zusammengeschmolzen. »Davon kann ich Personen-Haushalten liegt der Anteil noch höher. lastet die betroffenen Mieter erst einmal«, sagt Gemeinsam fordern der Mieterbund und der GdW
einige Wochen lang nicht mehr be- meine Miete und den Strom kaum noch bezahlen«, Schrumpft das Einkommen so deutlich wie bei Sandra Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin beim einen »solidarischen Sicher-Wohnen-Fonds«, dabei
zahlt – und sie musste abends heim- sagt sie. Für ihre Zweizimmerwohnung bezahlt sie Makboul, dann ist die Schmerzgrenze schnell erreicht. Deutschen Mieterbund. Allerdings müssen Mieter werden sie von einer Reihe anderer Verbände unter-
lich hinter einem Supermarkt nach Lebensmitteln monatlich 460 Euro: 46 Quadratmeter in einem Laut Google sind die Anfragen nach dem Suchbegriff die ausstehenden Schulden zuzüglich Zinsen spä- stützt. Dieser staatliche Fonds soll für die Mieter
suchen. »Das will ich nicht noch mal erleben«, sagt Mehrfamilienhaus, dazu ein Balkon. Sie hat ihrem »Miete aussetzen« seit Anfang März in die Höhe ge- testens bis 30. Juni 2022 nachzahlen, sonst kann unbürokratisch ab der zweiten Miete einspringen,
sie am Telefon und ist den Tränen nahe. »Aber ich Vermieter, der Bayerischen Versorgungskammer, schossen; in Facebook-Gruppen mehren sich Beiträge ihnen doch noch gekündigt werden. Sie verschulden die sie infolge der Corona-Krise nicht mehr selbst
habe Angst, dass es wieder so kommen könnte.« ihre Lage geschildert. »Ich kann ja nichts dafür, ich ratloser Mieter – und auch der Deutsche Mieterbund sich. Und sie müssen glaubhaft machen können, bezahlen können; das Geld solle dann später in ein
Gerade sind der 51-Jährigen aus Veitshöchheim in würde ja gern arbeiten und einen neuen 450-Euro- bemerkt eine wachsende Zahl von Anfragen, ohne dass sie von den Folgen der Corona-Pandemie be- zinsloses Darlehen oder einen Zuschuss umgewan-
Unterfranken wieder ihre Einnahmen weggebro- Job finden«, sagt sie. »Aber bei der Arbeitsagentur genaue Zahlen nennen zu können. troffen sind – etwa durch eine eidesstattliche Ver- delt werden, so die Idee. »Das Modell würde ver-
chen. Eigentlich hat sie einen Teilzeitjob in einer komme ich im Moment gar nicht durch.« Nun gibt es erste Abhilfe: Im Eiltempo haben sicherung oder Dokumente, die einen Jobverlust hindern, dass Mieter zahlungsunfähig werden, und
Kantine. Doch ihr Arbeitgeber musste wegen der Wie Sandra Makboul dürfte es derzeit vielen Men- Bundestag und Bundesrat vergangene Woche ein oder Kurzarbeit belegen. Beim Mieterbund glaubt es würde Vermieter und damit Handwerker und
Corona-Pandemie schließen und Kurzarbeit an- schen gehen, die wegen der Corona-Pandemie in Kurz- Gesetz verabschiedet, das Mieter zwischen dem 1. April man, dass die Immobilieneigentümer das in der Baufirmen davor schützen, dass ihnen das Geld aus-
Regel akzeptieren und Konflikte eher die Ausnahme geht«, sagt GdW-Präsident Gedaschko.
ANZEIGE bleiben dürften. »Wir beobachten, dass viele Mieter Auch beim Mieterbund ist Präsident Lukas
und Vermieter im Moment aufeinander zugehen Siebenkotten überzeugt, dass der Fonds besser
und gemeinsam Lösungen suchen«, sagt dessen Prä- wirken würde als bereits existierende Sozialleis-
sident Lukas Siebenkotten. tungen, die vor einer Bewilligung aufwendig ge-
Tatsächlich zeigen sich gerade größere und ka- prüft werden müssten. »Der Fonds hingegen könn-
pitalstarke Vermieter in der Krise entgegenkom- te schnell auszahlen und dann im Nachhinein
mend. So listet der Spitzenverband der Wohnungs- prüfen, ob ein Mieter von der Corona-Krise be-
wirtschaft GdW eine ganze Reihe von Firmen auf, troffen ist«, sagt Siebenkotten. Mietern mit nied-
die schon vor dem neuen Gesetz angekündigt ha- rigen Einkommen und wenigen Ersparnissen
ben, in diesen Zeiten auf Mieterhöhungen, Kün- würde der Fonds außerdem einen Schuldenberg
digungen und Zwangsräumungen zu verzichten. ersparen, den sie vielleicht bis 2022 gar nicht ab-
»Niemand sollte sich in dieser Situation Sorgen zahlen können.
machen müssen, dass er seine Wohnung verliert«,
sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko, »das be- Mietervertreter und Vermieter fordern
schlossene Moratorium für tatsächlich betroffene einen Fonds, der unbürokratisch hilft
Mieter ist deswegen richtig.« Allerdings würde das
allein noch nicht reichen. »Wenn viele Mieter auf Beim Bundesjustizministerium stößt die Idee

S
p reche nS ie
einmal ihre Mieten nicht mehr bezahlen können, bisher nicht auf Gegenliebe. Auf Anfrage zitiert
dann fehlt den Eigentümern Geld, etwa um Hand- das Ministerium die Justizministerin Christine
werker zu bezahlen oder auch ihre Kredite zu be- Lambrecht (SPD) mit den Worten, dass ein
dienen«, sagt Gedaschko und warnt: »Das könnte Fonds »neben den bestehenden Systemen der
eine Kettenreaktion auslösen.« sozialen Sicherung nicht erforderlich« sei. Wer

mitd e
nR ichtig
en
infolge der Krise seine Miete nicht mehr zahlen
Auch für manche Vermieter kann die könne, habe in aller Regel Anspruch auf Sozial-
Krise schnell existenzbedrohend werden leistungen wie Grundsicherung oder Wohngeld.
Für Selbstständige und kleine Unternehmen
Es gibt bereits Vermieter, die fürchten, jetzt in Be- stelle man darüber hinaus Soforthilfen bereit

überG eld.
drängnis zu geraten. So berichtet der Chef einer und helfe unbürokratisch.
Genossenschaft mit mehr als 2000 Wohnungen aus GdW und Mieterbund wollen das nicht akzep-
Sachsen-Anhalt, dass etwa 20 Prozent seiner Mieter tieren. Sie geben sich kämpferisch und berichten
im Niedriglohnsektor beschäftigt seien und ver- von einem wachsenden Rückhalt in der Politik für
mutlich keine Reserven hätten, sollten sie in Kurz- den Fonds; der GdW sieht zudem eine Bereitschaft
arbeit gehen müssen. Deswegen habe man bis auf in der Digitalwirtschaft, bei der technologischen
Notfallreparaturen alle Sanierungen und Bauarbei- Umsetzung zu helfen. Allerdings sei Eile geboten,
ten vorsorglich gestoppt. Ähnliches berichtet der und der Bundestag müsse Mitte April ein entspre-
Vorstand einer Genossenschaft mit 3000 Wohnun- chendes Gesetz auf den Weg bringen, damit der
gen aus dem Raum Stuttgart: Weil es im Moment Fonds ab Mai einspringen könne.
kaum Neuvermietungen gebe, habe er seine Mit- Sandra Makboul wird dann womöglich ihre
arbeiter in Kurzarbeit geschickt und aus Angst vor zweite Monatsmiete aussetzen müssen. Sie trägt
einem finanziellen Engpass einen Neubau vertagt, an ihrem linken Arm den Schriftzug »Hope« als
der eigentlich dieses Jahr begonnen werden sollte. Tattoo. Sie hofft, dass sie ihre Miete schrittweise
»Wenn 20 Prozent unserer Mieter nicht mehr be- abbezahlen kann, wenn sie wieder arbeiten geht.
zahlen können, dann fehlen uns pro Monat Die 51-Jährige kann wohl davon ausgehen, dass
500.000 Euro«, sagt der Chef. sie trotz der angespannten Lage ihre Wohnung
Existenzbedrohend könnte solch ein Engpass nicht verlieren wird. Zwar wartet sie noch auf
W eildieSparkas
s enahist für Privatvermieter werden, die ihre Immobilien eine Antwort ihres Vermieters; doch schon in der
per Darlehen finanziert haben und sonst gerade Krise vor zehn Jahren hatte sich die Versorgungs-
u nda ufGe
ldfra
g endie wenig Einnahmen erzielen. So wie Alexandra Sigg, kammer laut Makboul auf eine Ratenzahlung
richtigenAntwortenhat. die im Raum Freiburg drei Wohnungen und eine
Gewerbeeinheit besitzt, das sei ihre einzige Alters-
eingelassen. Und gegenüber der ZEIT hat die
Behörde angekündigt, man werde bei Notlagen
vorsorge. Der Gastronom im Erdgeschoss habe der Mieter »jeden Einzelfall prüfen und im Rah-
bereits angekündigt, dass er seine Miete nun nicht men unseres treuhänderischen Auftrags Lösun-
mehr zahlen könne, berichtet Sigg, die alleinerzie- gen anbieten, um das jeweilige Mietverhältnis
hend ist und einen 13-jährigen Sohn hat. Jeden fortführen zu können«. Bisher hat die Versor-
Monat müsse sie nun 1500 Euro auf die verbliebe- gungskammer mit ihren 10.500 Wohneinheiten
nen Mieteinnahmen drauflegen, um das Darlehen zwar nur vereinzelte Anfragen von Mietern er-
der Immobilie zu bedienen. Zugleich verdiene sie halten, werde aber von Kündigungen wegen
selbst weniger, weil sie im Moment als Coach und Zahlungsverzug infolge der Corona-Pandemie
Beraterin kaum arbeiten könne und stattdessen absehen; man sei finanziell »solide aufgestellt«
ihren Sohn zu Hause beschule. »Wenn alle Mieten und fürchte keine Liquiditätsengpässe, man stor-
wegfallen, dann würden meine Rücklagen vielleicht niere auch keine Handwerksleistungen oder
sechs Wochen reichen«, sagt Sigg, die jetzt mit ihrer Bau- und Renovierungsaufträge. Ziel sei es,
s
p a
rka
sse.d
e Bank darüber verhandelt, ob sie die Tilgung ihres »Mietverhältnisse in vorübergehenden Krisen-
Darlehens aussetzen kann. Außerdem hat sie eine zeiten stabil zu halten.« Für Sandra Makboul ist
wütende Mail ans Bundesjustizministerium ge- das endlich mal eine gute Nachricht.
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 WIRTSCHAFT 25
Z E IT GE LD
Fotos: dpa; Hans Lucas/imago (2); ddp (v. l.)

Wochen der Ansprachen: Spaniens Regierungschef Frankreichs Präsident Mark Rutte, Ministerpräsident
Kanzlerin Angela Merkel Pedro Sánchez Emmanuel Macron der Niederlande

Neues Programm, alte Konflikte


Der Streit um die Verteilung der Krisenkosten spaltet Europa. Jetzt schauen alle auf Deutschland  VON GEORG BLUME UND MARK SCHIERITZ

W
enn Jacques Delors sich Zweck der Krisenbekämpfung eingerichtet wer- den Kampf gegen die deutsche »Zurückhaltung« nicht sich ebenfalls dafür aus. Die Kölner Ökonomen haben sätzlichen Kredite leichter zu schultern. Schließlich
zu Wort meldet, dann den. Dieser Forderung haben sich inzwischen aufgeben werde. Man habe der Bundesregierung noch die drei derzeit diskutierten Hilfsinstrumente – neue wird erwogen, die an die Darlehen gekoppelten
kann man davon ausge- neun Länder angeschlossen, darunter Irland, nicht nahebringen können, dass die Einheit Europas Liquiditätsprogramme der EZB, Kredite des ESM und wirtschaftspolitischen Zwangsmaßnahmen zu lo-
hen, dass die Lage ernst Belgien, Spanien und Italien (siehe Seiten 2 und auf dem Spiel stehe und deshalb neue Wege beschrit- Corona-Bonds – verglichen und kommen zu dem ckern. Deren Philosophie ist ein Produkt der Euro-
ist. Der langjährige Prä- 45). Macron will den Beweis erbringen, dass ten werden müssten, heißt es in Paris. Und auch der Ergebnis, dass Letztere am »besten« abschneiden. Ihr Krise. Damals gab es wirtschaftspolitische Fehlent-
sident der Europäischen Europa in der Krise zusammenhält – und so die grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold hält es für Hauptargument: Wenn Staaten die Milliardenhilfen wicklungen in den Mitgliedsstaaten, die durch An-
Kommission in Brüssel euroskeptischen Kräfte schwächen. »grundfalsch«, die französischen Vorstöße rundweg annehmen, dürfe das nicht mit einem Stigma ver- passungsprogramme korrigiert werden sollten. Die
und Wegbereiter des einheitlichen Binnenmarkts An den Details wird noch gearbeitet, aber in abzulehnen. bunden sein. Und es müsse sichergestellt werden, dass Corona-Krise aber gleicht einer Naturkatastrophe,
ist 94 Jahre alt und hat sich aus dem politischen der Diskussion ist ein Modell, bei dem über eine Was die Sache so kompliziert macht: Die Ausei- das Geld auch tatsächlich für den Kampf gegen die sie ist nicht die Folge überhöhter Etatdefizite oder
Geschäft weitgehend zurückgezogen. Bis vergange- solche Anleihe einmalig Finanzmittel in Höhe von nandersetzung verläuft entlang der Konfliktlinien, die Krise verwendet werde. Die Programme der Euro- eines zu großen Sozialstaats.
ne Woche. Da sagte Delors, der Mangel an »euro- tausend Milliarden, also einer Billion Euro auf- schon in der Euro-Krise den Kontinent gespalten päischen Zentralbank aber erlaubten keine Zweck- Denkbar ist, dass die an einem Kredit interessierten
päischer Solidarität« in der Corona-Krise sei eine genommen werden, die dann je nach Bedarf in hatten. Und das löst alte Abwehrreflexe aus. Im Nor- bindung, und an den ESM wendet man sich normaler- Staaten Geld für den Kampf gegen das Virus bekom-
»tödliche Gefahr für die Europäische Union«. die Mitgliedsstaaten fließen. Für die Rückzahlung den wird gern unterstellt, dem Süden gehe es nur um weise nur, wenn die Staatspleite kurz bevorsteht. men und dabei nur die allgemeinen Haushaltsregeln
Tatsächlich kehrt in dieser Krise mit Wucht würden die teilnehmenden Staaten dann gemein- Zugang zu billigem Geld. Und im Süden glauben der EU einhalten müssen. Die sind derzeit krisen­
eine Frage zurück, die Europa bislang mehr oder sam haften. Auf diese Weise würden Länder mit viele, dass der Norden einzig nach Wegen suche, um Bundesbankpräsident Weidmann kann sich bedingt ohnehin ausgesetzt. Bundesbankpräsident
weniger erfolgreich verdrängte: Wie viel finanzielle hohen Schulden von den günstigen Finanzie- seine Sparvorstellungen überall durchzusetzen. gelockerte Kreditauflagen vorstellen Weidmann kann sich solche Modelle vorstellen.
Unterstützung ist in der EU nötig? Und wie kann rungskosten der soliden Länder profitieren. Allerdings bringt die Krise auch neue Allianzen »Eurobonds sehe ich weiterhin skeptisch. Ein Weg
sie organisiert werden? Die deutsche Bundesregierung lehnt solche hervor. Ein Zusammenbruch der Währungsunion So werden jetzt in Berlin und Paris mögliche Kom- könnte aber eine Kreditlinie des ESM sein. Die wirt-
Es stehen sich gegenüber: die von der Epidemie Anleihen bislang vehement ab. In Berlin fürchtet oder ein Ende des Binnenmarkts wäre auch wirt- promisslinien sondiert. Eine Variante läuft darauf schaftspolitischen Auflagen wären dabei nicht so streng
besonders betroffenen und teilweise hoch verschul- man vor allem, dass die zweckgebundene Gemein- schaftlich für Deutschland mit erheblichen Einbußen hinaus, dem ESM sein Stigma zu nehmen. Das ausgestaltet wie bei klassischen Hilfskrediten«, sagt er.
deten Länder des Südens unter der Führung Frank- schaftskasse im Laufe der Zeit in eine allgemeine verbunden. Volkswagen-Chef Herbert Diess fordert könnte erreicht werden, indem alle Euro-Länder Am Ende wird die Frage sein, ob es gelingt, eine Lö-
reichs. Und die finanzpolitisch eher konservativen Gemeinschaftskasse übergeführt wird. Konkret: daher, über die Einführung von Gemeinschaftsanlei- pro forma eine Kreditlinie beantragen, dann wäre sung zu finden, die sich für Italien rechnet und die
Nordländer um Deutschland und die Niederlande. dass durch die Hintertür die wegen ihrer Haf- hen zumindest zu diskutieren, und das arbeitgeber- Italien nicht allein. Auch die Rückzahlungsfristen zugleich in Deutschland politisch vermittelbar ist.
Im Kern geht es in der Auseinandersetzung um tungsrisiken umstrittenen gemeinsamen Euro- nahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln spricht zu strecken ist im Gespräch, dadurch wären die zu- Sicher ist das nicht.
die Verteilung der enormen Kosten, die Corona den bonds eingeführt werden.
Mitgliedsländern der EU aufbürdet. Allein die deut- In der Berliner Koalition hält man es für mög- ANZEIGE
sche Bundesregierung hat mehr als eine Billion Euro lich, dass genau das die radikalen Kräfte stärken
an Zuschüssen, Krediten und Bürgschaften bereit- könne. Das Argument: Das Wirtschaftswachstum
gestellt, um das Gesundheitssystem aufzurüsten und wird zurückgehen, die Arbeitslosigkeit steigen. In
die wirtschaftlichen Folgen des Lockdown abzufe- einer solchen Situation will man sich nicht dem
dern. Deutschland kann sich das leisten, die Staats- Vorwurf aussetzen, deutsches Steuergeld im Aus-
schuldenquote ist vergleichsweise niedrig, Finanz- land zu verteilen. Schließlich wurde die AfD ur-
minister Olaf Scholz kann sich günstig frisches Geld sprünglich als Anti-Euro-Partei gegründet. Des-
borgen. Andere Länder stehen nicht so gut da. halb soll Ländern in Not über ein anderes Ge-
Das gilt zuerst für Italien, wo besonders viele meinschaftsinstrument geholfen werden, das in
Menschen erkrankt sind und die Schuldenquote der Euro-Krise etabliert wurde. Der Rettungs-
schon vor dem Ausbruch der Krise rund 130 Prozent fonds ESM. Der Vorteil: Es gibt diesen Fonds
der jährlichen Wirtschaftsleistung betrug. Sie könn- bereits, und er verfügt über freie Mittel in Höhe
te Schätzungen zufolge auf 150 bis 170 Prozent von 410 Milliarden Euro, die als Kredite an klam-
steigen – was das Land erdrücken könnte, wie rö- me Staaten vergeben werden können.
mische Experten glauben, zumal die Regierung ihren

50 Jahre
Geldgebern wahrscheinlich irgendwann deutlich Frankreichs Präsident will gegen die
höhere Zinsen bezahlen müsste als heute, wenn sie deutsche Zurückhaltung kämpfen
sich wieder Geld leihen will. Tatsächlich beträgt das
italienische Hilfspaket gemessen an der Wirtschafts- Das Problem ist: In Italien und in anderen Süd-
leistung nach Berechnung der Genfer Vermögens- staaten gilt ein Engagement des ESM als politisch
verwaltung Pictet nur 7,3 Prozent, das deutsche je- nicht vermittelbar, weil der Fonds seine Kredit- Erfahrung, 4 gemeisterte
doch 32,2 Prozent – und das obwohl die Krise Italien programme traditionell an strenge Auflagen
härter trifft als Deutschland.
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knüpft. Conte steht dabei unter einem enormen
Druck durch die Rechtspopulisten der Lega, die Wirtschaftskrisen,
1 Partner,
einen solchen Kredit schon jetzt als ökonomische
Kapitulationserklärung brandmarken. In einer
Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs
am vergangenen Donnerstag eskalierte der Streit.
Nach stundenlangen Diskussionen musste Ange-
la Merkel einräumen, dass man sich nicht auf eine
der auch in der Krise
gemeinsame Linie verständigen konnte.
Im Moment besteht zwar kein akuter Hand-
lungsbedarf, weil die Europäische Zentralbank
für Sie da ist.
Liebe Leserinnen und Leser, ebenfalls ein neues Hilfsprogramm aufgelegt hat, Zeit, Geld
in dessen Rahmen sie die Anleihen der Euro- neu zu
bitte beachten Sie, dass die Länder aufkauft. Das verschafft vor allem den bewerten.
Presseverkaufsstellen von den hoch verschuldeten Ländern des Südens zusätzli-
Ladenschließungen ausge- chen Spielraum für das Krisenmanagement der
nächsten Wochen und Monate.
nommen und geöffnet sind.
Doch die meisten Ökonomen gehen davon
Ihre nächstgelegene Verkaufs- aus, dass diese Krise noch viel Geld verschlingen Gerade in Stressphasen haben Sie den Kopf voll mit wichtigen Dingen.
stelle finden Sie unter: wird – und eine dauerhafte Staatsfinanzierung Wir von Fidelity verstehen das nur zu gut. Denn als familiengeführtes Unternehmen
durch die Notenpresse will man vor allem im
mykiosk.com Norden Europas vermeiden, zumal die europäi-
betreuen wir das Geld unserer Anleger mit langjähriger Erfahrung. Rund um die
schen Verträge das nicht erlauben. So sieht man Uhr und rund um die Welt bewerten wir Finanzmärkte jeden Tag aufs Neue.
das auch bei der Bundesbank. »Solidarität ist Wir schauen stets nach den besten Ergebnissen für Sie als Kunden.
wichtig, auch auf europäischer Ebene. Die Noten- Und das machen wir auch in Krisenzeiten bereits seit 50 Jahren.
banken können einen wichtigen Beitrag leisten,
die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern.
Sie haben aber ein spezielles, geldpolitisches Man-
Frankreich fordert deshalb einen »europäischen dat, und die Politik sollte dadurch nicht aus der
Marshallplan« für den Wiederaufbau des Kontinents. Verantwortung entlassen werden«, sagte Bundes-
Herzstück ist die Ausgabe sogenannter Corona- bankpräsident Jens Weidmann der ZEIT. Risikohinweise: Die Vermögensanlage in Kapitalmärkte ist mit Risiken verbunden. Der Wert Ihrer Vermögensanlage kann fallen oder steigen. Es kann zum Verlust des einge-
Bonds. Das wären spezielle Anleihen, die die Mit- Deshalb soll nun bis nächste Woche eine Lö- setzten Vermögens kommen. Bitte beachten Sie hierzu die Risikohinweise auf unserer Website unter wealthexpert.fidelity.de/risikohinweise. Herausgeber: FIL Fondsbank GmbH,
Kastanienhöhe 1, 61476 Kronberg im Taunus, Tel. 069/77060-220, wealthexpert.fidelity.de Stand: März 2020 MK10864.
gliedsstaaten zusammen herausgeben. Es würde also sung gefunden werden. Der französische Staats-
eine Art europäische Gemeinschaftskasse für den chef Emmanuel Macron hat klargemacht, dass er
26 WIRTSCHAFT 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

SER I E: DI E E RST E (11 )

»Du blutest nicht, wenn du verlierst«


Frauen fehle es an Ausdauer und Willensstärke, darum kämen sie nicht an die Spitze im Schach, hieß es einst. Dann kam Judit Polgár
und wurde die erste Frau, die nur noch gegen Männer spielte. Teil 11 der ZEIT-Serie über Pionierinnen VON MICHAEL ALLMAIER

L
ondon im Herbst 2018. Die Zur Wendezeit, sie ist erst 15, steht Judit die
Schachweltmeisterschaft läuft. Man Welt offen. Sie kann genügend Turniererfolge vor-
sollte sich das nicht zu glamourös weisen, um den Titel Großmeister zu führen. Das
vorstellen. Eine frühere Kunst- hat so jung noch niemand geschafft, nicht einmal
schule im Stadtteil Holborn, darin der legendäre Bobby Fischer. Und sie fällt eine
ein paar Hundert Männer, die Entscheidung: nicht länger an Frauenturnieren
schweigend oder höchstens flüs- teilzunehmen. Das hat es in der Geschichte dieses
ternd auf irgendetwas starren. Auf der Bühne, Sports noch nicht gegeben – dass eine Frau, ein
hinter Schallschutzglas, sitzen der Weltmeister und Mädchen, den ihr zugedachten Schutzraum ver-
sein Herausforderer. Sie starren auf ihr Brett. Vor lässt und die Tür hinter sich zuknallt. Polgár sagt:
ihnen sitzen die Fans; sie starren auf die Spieler. Im »Es war logisch. Ich wollte von den Besten lernen,
Presseraum sitzen die Fachleute und starren auf und das waren nun mal keine Frauen.«
ihre Computer. Männer in Cordhosen und Hoo- Sexismus im Schach? »Ja, gibt es, immer wieder
dies, Männer mit Zauselbärten. »Komm mit«, sagt einmal.« Aber dann fällt ihr doch wenig ein. Geg-
ein Journalist zum anderen, »nebenan kommen- ner, die nach einer Niederlage wütend aus dem
tiert Judit«. Er muss nicht sagen, welche Judit. Es Saal stürmten oder sonderbare Erklärungen dafür
gibt nur eine Judit: die bis heute erfolgreichste Frau fanden, wie eine Frau sie übertölpeln konnte.
der Schachgeschichte, die einzige, die es je in die Und was ist mit Anatoli Karpow, dem Welt-
Top Ten der Weltrangliste geschafft hat. meister vor Kasparow? Der hat sie mal während
Im Analyseraum hat Judit Polgár gerade ihr Mi- einer Partie gerügt, weil sie in scheinbar hoff-
krofon angesteckt. Eine lebhafte Frau Anfang vier- nungsloser Stellung einfach nicht aufgeben wollte:
zig mit großen Ohrringen und langem Haar, das »Du weißt schon, dass das sehr unhöflich ist?« In
auf die Schultern ihrer Lederjacke fällt. Polgár er- der Klosterstille eines Schachturniers ist das ein
klärt hier, was in der letzten, entscheidenden Partie bizarrer Übergriff. Man darf seinen Gegner nicht
der Weltmeisterschaft vorgeht, was die zwei Männer anquatschen, schon gar nicht bedrängen.
im Glaskasten wohl gerade denken. Polgár winkt ab: »Ach, der ist so. Zu einem
Sie spricht ein melodisches, schnelles Englisch. jungen Mann hätte er wahrscheinlich das Gleiche
Und noch schneller zeigt sie auf dem Großbild- gesagt.« Sie hat die Partie dann noch gewonnen.
schirm Varianten – die Züge hinter den Zügen. Auf diese Art antwortet sie am liebsten.
Das, was nicht aufs Brett kam, weil es schlecht In den Neunzigern wird sie bei Schachfans zum
gewesen wäre. Oder das, was vielleicht noch Superstar – nicht nur wegen ihres Geschlechts und
kommt. Sie lässt die Figuren fliegen: Kombina- ihrer Rekorde, sondern auch wegen ihrer Art zu
tionen, Figurenopfer, Zwischenzüge und Matt-­ spielen. Prä-Polgár sagte man Frauen nach, es
Angriffe. Großes Kino für Nerds. Zeitweilig hat sie mangele ihnen an Biss. Sie beschützten ihre Figu-
mehr Publikum als die Spieler selbst. ren wie die eigenen Kinder und willigten aus an-
In einer spannenden Angriffsstellung bietet der geborener Friedfertigkeit gerne ins Remis ein.
Weltmeister seinem Gegner Remis an. Der nimmt Judit Polgár nicht. Sie kämpft am Brett, immer
an, verblüfft und erleichtert. Judit Polgár gerät fast aggressiv, immer bereit, den spannendsten Zug zu
in Rage. So viele Ideen, so viel Schönheit – mit machen. »Schach ist letztlich nur ein Spiel«, sagt
einem Handschlag begraben. sie. »Du blutest nicht, wenn du verlierst.« Doch die
Budapest im Frühjahr 1989, wenige Monate vor Profis von heute suchen am Brett nicht Schönheit,
der Öffnung der Grenze. Die Abordnung eines sondern Kontrolle. Judit Polgár lernt auch das, um
deutschen Provinzclubs (darunter der Autor dieser ihr Ziel zu erreichen: einen Platz in den Top Ten.
Zeilen) besucht den MTK Budapest, einen der »Wenn ich am Brett sitze«, sagt sie heute, »wer-
stärksten Schachvereine der Welt. Schach ist eine de ich ein anderer Mensch. Dann sieht man mich
große Sache im Ostblock – ein propagandataugliches nicht mehr lächeln. Ich habe mal in einem indi-
und preiswertes Mittel, den Klassenfeind intellek- schen Waisenhaus gegen mehrere Gegner gespielt.
tuell in seine Schranken zu weisen. Was hier auch Eine Wohltätigkeitsveranstaltung, es gingt um
geschieht. Für den Freundschaftskampf haben die überhaupt nichts, aber ich wollte unbedingt ge-
Budapester ihre Großmeister aufgestellt. Nur die drei winnen. Die Leute sagten hinterher, sie hätten
neuen Stars fehlen: die Polgár-Schwestern, drei mich nicht wiedererkannt.«
Mädchen im Alter von 19, 14 und 12 Jahren. Ihre 2003, mit 26, hat Polgár ihr Lebensziel erreicht:
Teilnahme hätte Geld gekostet, die Rede war von Sie ist Nummer acht der Weltrangliste, Sphären
zehntausend D-Mark. Aber ihr Vater ist gekommen; entfernt von der nächsten Frau und auch von ih-
für sich selbst berechnet er nichts. Ein unscheinbarer ren Schwestern. Sie schlägt einmal sogar Kasparow,
Mann, bis er ins Reden kommt. Dann entwickelt er den Muhammad Ali des Schachs. Es gratuliert
die Aura eines Sektenpredigers. Zwischen Rosetten Yoko Ono – für die Künstlerin ist mit diesem Sieg
und Wimpeln in Grün-Weiß-Rot erzählt er von eine Schlacht geschlagen: Das war’s mit dem My-
seinem »Experiment«. thos vom überlegenen männlichen Verstand.
Genie, erklärt er den Besuchern, sei reine Erzie- Judit Polgár erzählt auch heute noch gern von
hung. Mit der richtigen, seiner Methode, könne dieser unverhofften Fanpost. Aber letztlich prallt das
man alles aus jedem Kind machen. Darum hat er Lob ebenso ab wie Kasparows Pöbelei mit dem dres-
seine Töchter selbst unterrichtet, daheim. Keine sierten Hund. Sie weiß ja, wie es weiterging: Die
Freunde, keine Puppen und nur ein einziges Spiel. nächsten Partien gewann wieder er.
Dabei liegt Schach László Polgár nicht einmal be- Ihr Vater gab sich nicht zufrieden. Er sah seine
sonders am Herzen. Er hat es bloß gewählt, weil jüngste Tochter als kommende Weltmeisterin. »Aber
hier der Genius messbar ist. Ein Mozart am Brett auch zu meiner besten Zeit war ich nicht mal in der
braucht keine Gönner, kein empfängliches Publi- Nähe. Die letzten paar Meter an die Spitze können
kum. Er setzt so lange Gegner matt, bis man ihn zur unheimlich weit sein.«
Kenntnis nimmt. Im Jahr 2000 heiratet sie ihren Freund, einen
Nun kennt die Schachwelt 1989 ein paar Mo- Tierarzt (»Nichts gegen Schachspieler, manche
zarts, aber keine einzige Clara Schumann. Eine Frau sind nett, aber irgendwo ist es genug«), und be-
im Schachclub ist eine Kuriosität. Es gibt ein paar kommt zwei Kinder, 2005 und 2007. Die beiden
weibliche Profis, aber gegen die besten Männer ha- gehen heute auf eine internationale Schule in
ben sie kaum eine Chance. Die meisten Erklärun- Budapest. Kein Schach, kein Privatunterricht.
gen dafür klingen im Rückblick krude und sexis- Das Experiment ist abgeschlossen.
tisch. Nicht nur die von Männern übrigens: Auch
die Damen-Weltmeisterin Nona Gaprindaschwili
Judit Polgár 2014 zieht sich Judit Polgár aus dem Turnier-
schach zurück. »Es fiel mir schwer; ich dachte im-
zum Beispiel war sicher, dass Frauen nie gleichzie- mer, ich würde mein Leben lang spielen. Aber ich
hen könnten – es fehle ihnen einfach an Ausdauer merkte immer mehr, wie viele andere Dinge man
und Willensstärke. 1976 1992 2003 2014 im Leben machen kann.« Sie leitet heute eine Stif-
Vielleicht spornt das den Vater und Versuchslei- Polgár wird in Budapest Im Alter von 15 Jahren wird Sie erreicht Platz 8 der Sie zieht sich aus dem tung, wirbt für Schach an Schulen, trainiert die un-
ter Polgár zusätzlich an: diesen ganzen Unfug über geboren sie Schachgroßmeisterin Weltrangliste Turnierschach zurück garische Nationalmannschaft, lauter Männer.
die Natur des Menschen beiseitezuwischen. Tat- Ein Opfer bringen, das heißt in der Schachwelt
sächlich wurden alle drei Polgár-Schwestern sehr nichts Schlechtes. Man tut das, weil man es will.
starke Spielerinnen. Doch nur Judit, die jüngste, Trennt sich von dem, was verzichtbar ist, um schnel-
schaffte den Durchbruch. seine Figuren hinwegblickt. Schon damals trainierte tigten sie nicht den sozialistischen Glauben an die ler voranzukommen. Judit Polgár hat in ihrem Leben
Dreißig Jahre später lebt Judit Polgár noch immer sie sieben Stunden am Tag. Fühlt sie sich selber als beinahe grenzenlose Erziehbarkeit des Menschen? eine Menge geopfert – Türme, Damen, Tausende
in Budapest; ihr kleines Büro auf dem Gellértberg ein gemachtes Genie, als geglücktes Experiment? Der Vergleich Aber László Polgár war kein Mustersozialist, son- Bauern. Ihre Kindheit für die Karriere, die Karriere
blickt auf die Stadt herab. Es ist vollgestopft mit »Mein Vater liebt große Worte«, sagt Polgár. dern ein Einzelgänger mit jüdischen Wurzeln und für ihre Kinder und ein normales Familienleben.
Trophäen, Urkunden, gläsernen Figuren in Vitrinen, »Sein ›Experiment‹ – ich würde eher von einer Le- 99 gewaltigem Sendungsbewusstsein. Das ließ man Ohne das Coronavirus wäre sie aktuell in Sibi-
Männer sind unter den
Foto: Philipp Horak/Anzenberger; ZEIT-GRAFIK/Quelle: FIDE

alten Fachzeitschriften. Wer Polgárs Lebenslauf bensweise sprechen – mag extrem gewesen sein. Mir die Polgárs spüren, wie seine Tochter erzählt: Mal rien, in Jekaterinburg. Dort lief das Kandidaten-
hundert besten aktiven
kennt, rechnet damit, hier auf einen speziellen Men- kam sie nicht so vor. Du wunderst dich nicht, wa- zogen Behörden ihre Pässe ein, mal wurde Zsuzsa, turnier, aus dem der nächste Herausforderer des
Schachspielern der Welt
schen zu treffen. Eigentlich, das sagt sie selber, besitzt rum du Schach lernen sollst, wenn deine zwei gro- die Älteste, von bewaffneten Polizisten in die Weltmeisters hervorgehen sollte, bis es vergange-
sie ja nicht mal einen: keine Schule, kein Studium, ßen Schwestern kaum etwas anderes tun. Es kam so Schule eskortiert. ne Woche unterbrochen wurde. Sie hätte das
kein Beruf, keine Hobbys jenseits vom Schach. Doch selbstverständlich zu mir, wie man laufen lernt.« Das schweißte die Familie zusammen. In ihrer Gleiche gemacht wie in London – kommentieren,
die Frau, die eine Strickjacke vom Sofa räumt und Schon als Kind besiegt Judit erwachsene Meis- 2012 erschienen Autobiografie beschreibt Polgár, kombinieren, Amateure fürs Schachspielen be-
Masala-Tee kocht, wirkt auf sympathische Weise terspieler auf Turnieren in Brüssel, New York, wie die Enge des kommunistischen Staats die klei- geistern. Stattdessen twitterte sie von daheim –
normal. Nur dass jede Antwort von ihr kommt, Adelaide. Sie bringt ein Maskottchen mit ans ne Welt auf dem Schachbrett größer und gerechter Applaus für die besten Züge.
kaum dass man die Frage beendet hat – a tempo, Brett, einen Löwen, »den drehte ich immer zum erscheinen ließ. Hier ging es trotzdem nicht um Was ist Schönheit im Schach, Frau Polgár? Die
wie Schachspieler sagen. Gegner«. Wenn sie verliert, weint sie oft. Danach 1 Frau Eskapismus, sondern um ganz reale Freiheit – zu erste Antwort, die nicht ganz a tempo kommt.
Einen dressierten Hund hat der Ex-Weltmeister spielt sie alles noch einmal durch, bis sie weiß, was (Yifan Hou, Rang 86) reisen, sein Leben zu leben, Devisen zu verdienen. »Schön ist das Unerwartete. Das, was nicht den
Garri Kasparow sie einmal genannt. Die ersten ver- sie falsch gemacht hat. Die Voraussetzung dafür: Siege. Was wäre passiert, Mustern entspricht und trotzdem funktioniert.«
öffentlichten Fotos zeigen ein fünfjähriges Pummel- Man sollte meinen, dass die Volksrepublik Un- wenn sie keinen Erfolg gehabt hätte? Judit Polgár In diesem Sinne könnte man sagen: Sie führt ein
chen im Strickpullover, das mit eiserner Miene über garn auf ihre drei Wunderkinder stolz war. Bestä- muss lachen: »Das war keine Option.« schönes Leben.

Nächste Woche Teil 12 der Serie: Die erste Fernsehsender-Chefin Deutschlands Zuletzt erschienen: Die Darts-Spielerin Fallon Sherrock
2. A P R I L 2 0 2 0 D I E Z E I T N o 1 5 WISSEN
TITELTH EM A : WI E SCH ÜTZ EN WI R DI E SCH WACH EN ?
27

Kein Kontakt,
geschlossene Türen
und Fenster:
Wer hört da noch
die Hilferufe von
Kindern und
Jugendlichen in Not?
Foto: Olivia Bee/Trunk Archive

Die Unsichtbaren
Kinder aus belasteten Familien sind ihren Eltern in der Zeit der Isolation oft schutzlos ausgeliefert. Das kann zur Gefahr werden. Wer schaut jetzt nach ihnen?
Eine Spurensuche bei Pädagogen, Sozialarbeitern, Medizinern und Forschern  VON JEANNETTE OTTO UND JOHANNA SCHOENER

W
o sind die Kinder geblie- stürzt schließen mussten, die dritte Woche ohne Platz, ihre Hausaufgaben zu machen, sie haben oft betroffen. Pro Jahr werden in Deutschland 4500 Bernd Siggelkow von einem Mädchen, das sein
ben? Seit Wochen sind Hortbetreuung, Chor und Fußballverein. Zurück- nicht einmal ein eigenes Bett. Es gibt keine Struktur Kinder so stark misshandelt, dass ihre Verletzun- Zimmer nicht mehr verließ und Kommunikation
sie aus dem öffentlichen gezogen hocken die Kinder in ihren Wohnungen – in ihrem Leben. Die Schule ist für diese Kinder ein gen zum Beispiel von einem Arzt diagnostiziert und Umgang mit der Mutter komplett verweiger-
Leben verschwunden. und langsam wachsen die Zweifel und Sorgen von geschützter Raum. Der fehlt ihnen nun.« und gemeldet werden. Das sind zehn bis zwölf te. Er fuhr hin, ignorierte die Kontaktsperre,
Auf den Spielplätzen Pädagogen, Erzieherinnen, Psychologen und­ (eine Lehrerin an einer Grundschule in einem­ Kinder pro Tag. An den Folgen von Gewalt und sprach mit allen und fand eine Lösung. Rund um
hängen die Schaukeln Ärzten: Welche Folgen werden die rigiden Maß- sozialen Brennpunkt in Nordrhein-Westfalen) Misshandlung sterben jede Woche drei Kinder die Uhr ist er auf seinem Handy für Eltern und
verwaist, im Sandkasten nahmen zur Abwehr der Corona-Pandemie für die unter 14 Jahren. Experten befürchten, dass diese Kinder erreichbar. Die ersten Nachrichten gehen
streitet niemand um Eimer und Schaufel, rot-­ Familien nach sich ziehen? Was erleben Kinder ge- Dass Arbeit und Schule, Lernen und Leben in Zahlen nun deutlich steigen werden. morgens um halb sechs ein, die letzten kurz vor
weißes Absperrband flattert im Wind, sonst regt rade in jenen hoch belasteten Haushalten, wo E ­ ltern vielen Familien nun auf engstem gemeinsamem Mitternacht. So nah wie er ist kaum noch einer
sich nichts. In den Bussen keine quatschenden nicht selten mit Existenznöten, Drogensucht und Raum zusammengeschrumpft sind, ist für alle­ »Langsam merken wir, dass es stressiger wird, je­ dran an den Schulkindern in Not.
Schülerinnen, vor der Supermarktkasse kein psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben und Eltern und Kinder ein Stresstest. Doch die einen länger die Eltern mit ihren Kindern auf sich gestellt Noch unsichtbarer als diese sind nur noch die
Knirps, der um Süßkram bettelt. Stattdessen über- auf Familienhelfer angewiesen sind? Was ereignet organisieren das neue Familienleben zwischen sind. Sie werden ungeduldig, zum Teil auch ungehal- Kleinsten, die keine Nachricht in ein Handy tip-
all Plexiglas, Sicherheitsabstand, gedämpfter All- sich hinter den Türen und Fenstern, in die es keinen Homeoffice und Homeschooling mit der Akribie ten. Eine Mutter ruft an und sagt: Ich bin kurz da- pen und keine Hotline anrufen können. Bei denen
tag. Ab und zu noch sieht man kleine Gestalten aus Einblick mehr gibt? eines Unternehmensberaters, erstellen Stunden- vor, dass mir die Hand ausrutscht. Wenn die Eltern niemand angehalten ist, Lernfutter zu schicken.
der Ferne, sie huschen über die leeren Plätze, Auch Kita-Erzieher und Lehrer sind nun im und Einkaufspläne, regeln Pausenzeiten und­ sich in solchen Situationen melden, ist es gut, dann Niemand ist so sehr aus dem Blick verschwunden
schnell frische Luft schnappen, eine Runde Lauf- Homeoffice, Jugendämter haben ihren Betrieb re- Medienkonsum. Andere sind gelähmt von Exis- wissen wir, dass sie nicht zuschlagen.« wie die Säuglinge und Kita-Kinder. Von vielen
rad fahren. Und schon verschwinden sie wieder duziert, ambulante Hilfen brechen weg. Jetzt wird tenzangst, überfordert von der Ausnahmesituation, (Bernd Siggelkow, Gründer und Leiter des K ­ inder­ Eltern haben die Einrichtungen das letzte Mal ge-
hinter verschlossenen Haustüren. der Blick frei für das Risiko, das die Selbstisolation deren Dauer niemand abschätzen kann. Viele hilfsprojektes »Die Arche«) hört, als man sie über die Schließung informierte.
Während im öffentlichen Raum eine fast un- der Gesellschaft für so manche Familie in schwieri- Kinder erleben nun nicht nur, dass die technische Andere versuchen über die Notbetreuung hinaus
heimliche Stille herrscht, schrillen an anderen­ ger Lebenslage bedeutet. Darf man Kinder abrupt Ausstattung in ihren Familien nicht reicht, um die Die Mitarbeiter des christlichen Kinder- und­ Kontakt zu ihren Sorgenkindern zu halten.
Orten die Telefone. Die »Nummer gegen Kum- in die alleinige Verantwortung ihrer Eltern über­ Anforderungen der Schule zu bewältigen, sie erle- Jugendwerks Arche waren sich sofort einig, als sie
mer«, das größte kostenfreie Beratungsangebot für geben – ohne zu prüfen, ob sie dort sicher sind? ben auch, dass die Eltern ihnen keinen Halt geben angewiesen wurden, ihre Standorte aufgrund der »Wenn unsere Mitarbeiter ein komisches Bauchgefühl
Kinder, Jugendliche und Eltern in Deutschland, Hundert Wissenschaftlerinnen und Wissen- können, keine Sicherheit. Corona-Pandemie zu schließen: Wir kümmern bei einem Kind haben, das sie aufgrund der ­Schließung
wird in diesen Tagen öfter gewählt als sonst. Beim schaftler aus den Erziehungs- und Sozialwissen- Jedes Kind einmal die Woche ans Telefon­ uns weiter, wir lassen die Kinder nicht im Stich. 50 gerade nicht sehen, sollen sie erst einmal mit uns­
»Elterntelefon« gibt es eine Steigerung zu den Vor- schaften haben sich Anfang dieser Woche mit­ bekommen – dazu hat man sich jetzt an der Brenn- bis 60 Familien beliefern sie allein in Berlin jeden Kinderschutzfachkräften sprechen. Wir überlegen
monaten um 21 Prozent, die Chat-Beratung für einem Appell für mehr Kinderschutz während der punkt-Grundschule in Nordrhein-Westfalen ver- Tag mit Lebensmitteln. Denn nicht nur körperliche dann gemeinsam, wie wir am besten Kontakt zu den
Kinder verzeichnet einen Zuwachs von 26 Prozent. Corona-Pandemie an Politik und Öffentlichkeit pflichtet. Die Lehrer rufen in den Familien an, fragen Übergriffe nehmen in der Isolation zu – auch die Eltern suchen, und schalten im Notfall das Jugendamt
Auch bei der vom Bundesfamilienministerium­ gewandt. Sie sind alarmiert, weil viele Kinder in unter einem Vorwand nach dem Schüler und fangen Armut wirkt sich jetzt dramatisch aus. An die drei ein. Was unsere Arbeit als deutschlandweiter Träger
geförderten medizinischen Kinderschutzhotline den Familien für die Öffentlichkeit unsichtbar an zu plaudern: Wie geht es dir? Was machst du? Millionen Kinder in Deutschland wachsen in pre- gerade so erschwert: Es herrschen überall andere Re-
melden sich jetzt vermehrt Jugendliche, die sich geworden sind und die Jugendhilfen ihre Stan- Und deine Eltern? Kocht die Mama was? Die Ge- kären Familiensituationen auf. Jeder fünfte Heran- geln, welche Kinder in die Notbetreuung dürfen. Wa-
eine Inobhutnahme durch das Jugendamt wün- dards ausgerechnet jetzt, in der Kri­se, senken. spräche werden protokolliert. Sollte der Verdacht wachsende gilt als armutsgefährdet. Mütter und rum verständigen wir uns nicht darauf, dass gefähr-
schen – weil sie es so abgeschottet in ihren Familien Sie sind mit ihrer Sorge nicht allein. Allmäh- aufkommen, dass das Kind vernachlässigt wird oder Väter, die von Hartz IV leben, haben für die Er- dete Kinder generell weiterhin in die Kitas kommen?«
nicht mehr aushalten. lich erwacht auch bei Lehrern, Erziehern und­ Gewalt droht, verständigen die Lehrer das Jugend- nährung eines Vorschulkindes nur 2,90 Euro am (Katrin Hentze, Kinderschutzbeauftragte des­
»Meine Mutter hat mich aus der Wohnung­ Sozialpädagogen das Bewusstsein, dass es nicht amt oder die Polizei. Für die Kinder gibt es auf der Tag zur Verfügung. Für ein Grundschulkind sind Kita-Trägers Fröbel)
geschmissen. Sie ist schizophren und hat ein­ ausreicht, Hausaufgaben per E-Mail zu verschi- Schul-Homepage eine neue Seite, die sich nur an sie es 4 Euro. Kein Wunder, dass sich Eltern nun­
Alkoholproblem. In der Quarantänezeit hat sie cken, Erklärvideos für Mathe und Chemie zu richtet. Auch hier die Aufforderung: Ruf uns an, fragen, wie sie ohne zusätzliche Unterstützung Dürfen die Kleinsten einer Gefahr ausgesetzt wer-
mich fast jeden Tag bedroht und schikaniert. Sie drehen und sich ausgerechnet im Homeoffice dem wenn du Kummer hast, wenn es dir nicht gut geht. über diese Wochen kommen sollen – jetzt, da­ den, um andere, Ältere und Risikopatienten, zu
wurde gewalttätig. Ich schlafe seit sechs Tagen in lange verschlafenen digitalen Unterricht zuzuwen- Schulen und Kitas sind seit je die Orte, an­ Kitas und Schulen auch als Orte wegfallen, an­ schonen? Diese Frage wurde vernachlässigt, als die
meinem Auto. Bitte um Rückruf!« So die Nach- den. Der Euphorie über eine neue moderne Form denen auffällt, wenn ein Kind nicht gewaschen ist, denen es verlässlich Frühstück und Mittagessen Kitas bundesweit schließen mussten. Es ging um
richt eines Jugendlichen an einen Streetworker der von Schule, die Begeisterung über Podcasts zur mit blauen Flecken übersät, hungrig, verzweifelt gibt; denn auch die Tafeln sind geschlossen. den Schutzanspruch eines ganzen Landes, um die
Organisation Off Road Kids. »Ich hab noch acht Verkehrserziehung und virtuelle Rundgänge durch oder dehydriert. Doch die Arche bringt nicht nur Nahrungs- Furcht vor einem Erreger, aber vor allem auch um
Euro. Was sollen wir jetzt essen?«, fragt eine Mut- Museen weicht der Ernüchterung: Pädagogen stel- »Die Wahrnehmung von Problemen ist zurzeit mittel bis direkt an die Wohnungstür, die Sozial- die Angst der Politiker, Fehler zu machen. Die
ter die Mitarbeiter des Berliner Hilfsprojektes­ len fest, dass der Kontakt zu manchen sich selbst deutlich herabgesenkt und das Risiko für die­ arbeiter bringen auch Abwechslung in die Lange- Maßnahmen waren wichtig – bis ins Detail über-
Arche am Telefon. »Es ist ganz schlimm, euch überlassenen Schülern kaum mehr zu halten ist, Kinder deutlich erhöht«, sagt Rainer Becker von weile. Vor einer Woche haben sie Backzutaten aus- legt waren sie nicht. Sonst hätte spätestens bei­
nicht zu sehen. So macht das Leben keinen Spaß«, dass Lernpakete keine Beziehung ersetzen. der Deutschen Kinderhilfe. »Wir wissen, dass die geteilt und Eltern und Kinder aufgefordert, einen Familien, die bereits unter Beobachtung des Ju-
schreibt eine Schülerin an ihre Sozialarbeiter. Fälle von häuslicher Gewalt vor allem zu Ostern Kuchen anzurühren. Wer das beste Foto davon gendamtes stehen, auffallen müssen, dass sie nicht
Drei von Hunderten Hilferufen, wie sie Orga- »Ich mache mir solche Sorgen um meine Schüler, ich und Weihnachten besonders ansteigen. Was wir schickte, bekam eine Gratis-Lieferung vom Pizza- von heute auf morgen ohne Hilfe für ihre Kinder
nisationen und Notrufnummern seit Tagen von kann kaum noch schlafen. Ich weiß ja, wie sie hier in jetzt haben, ist eine Form von ›Dauer-Ostern‹.« boten für die ganze Familie. Die Nähe auf­recht­ sorgen können. Dass man langzeitarbeitslose und
Kindern, Jugendlichen und Eltern erhalten. Es ist der Gegend oft leben, in viel zu kleinen Wohnungen Die Kriminalstatistik zeigt: Wenn es zu häuslicher erhal­ten, in Kontakt bleiben – das ist für die Arche
Woche drei, nachdem Kitas und Schulen über- in den Hochhäusern. Diese Kinder haben keinen Gewalt kommt, sind zu 50 Prozent auch Kinder entscheidend. Am Wochenende erfuhr der Leiter Fortsetzung auf S. 28
28 WISSEN 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

TIT E LT H E MA

Die Unsichtbaren  Fortsetzung von S. 27 Nicht nur Jugendämter haben ihre Arbeit auf »Ich mache mir Sorgen um unsere Mitarbeiter. Die Risiko für ihre eigene Gesundheit weiter. Und so »Das hängt vor allem davon ab, wie lange der Aus-
das Notwendigste reduziert, sind kaum oder erst arbeiten gerade weit über die Belastungsgrenze­ steht jeder Arbeitgeber vor dem fast unlösbaren nahmezustand noch dauert«, sagt Giffey der ZEIT.
kranke Eltern extremer Überforderung aussetzt, nach Tagen zu erreichen, wie man von Lehrern hinaus. Wir haben jetzt schon viele Krankheitsfälle. Dilemma: Was wiegt schwerer, der Schutz der »Derzeit haben wir eine Schließzeit von fünf ­
wenn man ihnen über Wochen die Betreuung­ und Erziehern erfährt. Auch die Arbeit der freien Das wird zunehmen. Überall fehlt Personal. Ge­ Mitarbeiter oder der Schutz der Kinder? Die meis- Wochen. Das ist so lange wie etwa die Sommerfe-
ihrer auf engem Wohnraum gefangenen Kinder Träger leidet unter der Krise. schützt war das Personal in unseren Einrichtungen ten fühlen sich mit dieser Frage alleingelassen. rien. Das ist noch vertretbar.«
allein überlässt. Es hätte auffallen müssen, dass der Gegenseitige Schuldzuweisungen bleiben jetzt bisher gar nicht. Wir standen als freier Träger nicht Maud Zitelmann, die Initiatorin des Appells In den nächsten Tagen wird man also weiter auf
Schutz der Jüngsten in einer abgeschotteten Ge- nicht aus. Vereine und Hilfsprojekte beklagen­ auf der Dringlichkeitsliste. Ich habe das jetzt selbst in aus der Wissenschaft, fordert jetzt, einen nationa- die Corona-Kurven starren, auf In­fek­tions­zah­len und
sellschaft nicht mehr gewährleistet ist. fehlende Klarheit über Zuständigkeiten und Finan- die Hand genommen und bei Amazon 30 Schutz­ len Krisenstab einzurichten, ein Gremium aus Todesfälle. Und während sich alle danach sehnen,
Manchen fiel es ja auch auf. zierungen. Neue Formen der Familienberatung über anzüge bestellt und bei der chinesischen Botschaft um Bund und Ländern, das klare Handlungsempfeh- dass die Kurven abflachen und das Leben wieder
In Dortmund hat man 75 Mädchen und Jungen Skype oder andere Online-Formate standen bisher Gesichtsmasken gebeten. Die wollen 3000 schicken. lungen setzt: »Wir brauchen bundesweit einheit- weniger angstbesetzt wird, steigt der Stresslevel in den
aus desolaten Lebensverhältnissen in die Notbetreu- nicht im Leistungskatalog und werden an vielen Was wird geschehen, wenn wir erste Corona-Fälle lich Standards, besonders in dieser Ausnahmesitua- Familien von Woche zu Woche an. Mit allen Neben-
ung der Kitas integriert und sich so hinweggesetzt Orten gar nicht bezahlt. Wie gut es den Kindern und unter den Kindern und Jugendlichen haben? Schickt tion«, sagt Zitelmann, Professorin für Jugendhilfe wirkungen, die solch eine Belastung mit sich bringt.
über das Gebot, die Plätze nur für den Nachwuchs Jugendlichen in einer Stadt oder Ge- und Kinderschutz an der Frankfurt »Alle größeren wirtschaftlichen Rezessionen der
von Eltern aus systemrelevanten Berufen zu öffnen. meinde geht, hängt davon ab, wie viel University of Applied Sciences, »Kin- letzten Jahrzehnte hatten einen deutlichen Anstieg
Auch die Stadt Recklinghausen hat kurzzeitig be- Geld einer Kommune zur Verfügung derschutz ist systemrelevant.« Nicht von körperlicher, emotionaler und sexualisierter­
sonders schutzbedürftige Kinder aufgenommen, steht und wie wichtig ihr der Kinder- nur Polizei, Feuerwehr, Lebensmit- Gewalt gegen Kinder zur Folge«, sagt Jörg Fegert,
denn die Kitas sind leer, und oft erscheinen in den schutz ist. tel-, Wasser- und Stromversorgung Kinder- und Jugendpsychiater am Universitätskli-
Notgruppen nur ein bis zwei Kinder. Das Landes- Rund eine Million Minderjährige hätten neben dem Gesundheitssektor nikum Ulm. »Wir müssen aufpassen, dass auf die
jugendamt untersagte es dann aber, dass diese Kinder sind bundesweit in Jugendhilfeein- verlässlich fortzubestehen, auch Hil- Covid-19-Pandemie keine soziale Pandemie folgt.«
während der Krise weiter betreut werden. Der Infek- richtungen untergebracht oder werden fesysteme zum Schutz der Kinder Doch während die warnenden Stimmen nicht
tionsschutz gehe vor. Bis hinauf zum Minister haben von ambulanten Diensten betreut. In- müssten aufrechterhalten bleiben. mehr zu überhören sind, ist es andernorts verdäch-
die fassungslosen Verantwortlichen den Streit getra- nerhalb der 559 Jugendämter von Darauf musste nun auch Bundes- tig still.
gen. Denn was, wenn Kinder nun zu Hause geprügelt Flensburg bis Freiburg wachen rund familienministerin Franziska Giffey
werden, weil man den Eltern keine Entlastung ver- 15.000 Mitarbeiter des Allgemeinen reagieren. Bisher hatte man eher ver- »Wir als Kinderschutzambulanz haben gerade auf­
Foto: Sascha Montag/Zeitenspiegel

schaffen konnte? Und wer trägt die Verantwortung, Sozialen Dienstes über den Schutz der geblich auf ein Bekenntnis der Politi- fallend wenige Anfragen. Unser ruhiges Telefon ist für
wenn nach der Krise unzählige Kinder in Obhut Kinder. Sie sind diejenigen, die Kinder kerin zum Kinderschutz gewartet. Zwar uns aber kein Anzeichen von weniger häuslicher Ge­
genommen werden müssen? aus Familien nehmen, wenn die Zu- hat das Familienministerium schnell walt, im Gegenteil, die Sorge ist groß, dass es in diesen
Der Schutz der Minderjährigen wird normaler- stände dort unhaltbar geworden sind, den Zugang zum Kinderzuschlag er- Tagen zu mehr Gewalt in den Familien kommt. Aber
weise vom Jugendamt organisiert. Das Amt holt die Hilfepläne entwickeln, nach Unter- leichtert. Doch als für die Wirtschaft im Moment gibt es wenig direkten Kontakt zu Kin­
sich dafür Unterstützung von Sozialpädagogen, bringungsmöglichkeiten für das Kind eifrig Rettungsschirme aufspannt wur- dern und Eltern. Deshalb fehlen uns die Hinweise.«
Psychologen und Therapeuten aus der freien­ suchen. Und auch wenn die meisten den, fuhr man die Angebote für gefähr- (Gabriele Komesker, Leiterin der Kinderschutz-
Jugendhilfe. Doch die Strukturen sind gestört. Es Fachkräfte mit hohem Einsatz in diesen dete Kinder vielerorts immer noch zu- ambulanz am Evangelischen Krankenhaus­
fehlen verbindliche Regelungen für den Not­ Tagen dabei sind, den Kindern in Not Sozialarbeiter der »Arche« besuchen eine Berliner Familie rück. »Das war schon fast unterlassene Düsseldorf )
betrieb in Corona-Zeiten. zu helfen, fällt es vielen schwer, ihrem Hilfeleistung der Politik«, sagt Rainer
Schutzauftrag nachzukommen. »Ich Rettinger, Geschäftsführer des Deut- Wo keiner hinsieht, fällt niemandem etwas auf. Auch
»Was mich gerade besonders ärgert, ist, dass Familien­ erlebe eine große Unsicherheit bei allen, die sich sie auf ihr Zimmer, heißt es dann. Aber wir machen schen Kindervereins. »Dabei sollte Giffey doch die Jugendämter berichten, dass die Fallmeldungen von
helfer ohne Rücksprache mit uns entscheiden, Haus­ gerade für Kinder in schwierigen Lebenslagen ein- hier zum Teil intensivtherapeutische Angebote. Die oberste deutsche Kinderschützerin sein.« Kindeswohlgefährdungen stark abgenommen haben.
besuche einfach einzustellen. Wenn ich nachfrage, setzen. Vieles ist unklar. In den stationären Einrich- Jugendlichen kann man nicht einfach auf ihrem Nun endlich rafft sie sich auf: Bund, Länder Die Berliner Polizei verzeichnet aktuell einen leich-
erfahre ich dann zum Beispiel, dass eine Familie, die tungen denken Mitarbeiter sogar darüber nach, Zimmer isolieren.« und Kommunen müssten alles tun, damit Kinder ten Rückgang bei den Strafanzeigen zu Misshand-
zur Vermüllung der Wohnung neigt und ein zweijäh­ Kinder mit zu sich nach Hause zu nehmen, sollte ein (Michael Wantschura von hpkj, einem freien und Jugendliche auch während der Krise vor­ lungen von Kindern und Jugendlichen. Eine­
riges Kind hat, schon seit zwei Wochen nicht mehr Corona-Fall auftreten. Weil die Vorgaben fehlen, Träger in München) Gewalt und Missbrauch geschützt seien. Die Ar- Sprecherin sagt, man erkläre sich das auch mit den
besucht wurde. Die Einschätzung der Notwendigkeit strickt sich jeder selbst ein Konzept für den Notfall«, beit von Mitarbeitern in Beratungsstellen, Kinder- geschlossenen Kitas und Schulen, die sonst wichtige
muss aber in Absprache mit uns erfolgen. Solche­ sagt Kathinka Beckmann, die an der Hochschule Die Krise überfordert alle, nicht nur die Familien, heimen, Jugend- und Frauenhäusern müsse als Kontrollinstanzen sind.
Regeln werden einfach übergangen.« Koblenz Kinderschutz lehrt und in ihren berufs­ auch die Verantwortlichen bei Ämtern und »systemrelevant eingestuft werden«, fordert jetzt Diese Ruhe, da sind sich alle einig, ist trüge-
(ein Mitarbeiter aus dem Jugendamt einer Klein- begleitenden Studiengängen viele Stimmen aus der Jugend­hilfediensten. Doch überall arbeiten Men- auch Giffey. Sollte die Notbetreuung der Kitas für risch. Hinter den verschlossenen Türen dürfte es
stadt) Praxis hört. schen unter widrigen Bedingungen und hohem die schutzbedürftigen Kinder geöffnet werden? lauter werden als jemals zuvor.

Ein Beitrag zum Kinderschutz in Corona- Eine Studie zur Arbeitsbelastung im Konkrete Forderungen von Wissenschaftlern Links zu diesen und weiteren Quellen des
Quellen Zeiten von Kinderpsychiater Jörg Fegert und Allgemeinen Sozialen Dienst der Jugendämter und Wissenschaftlerinnen sind in ihrem Artikels finden Sie bei ZEIT ONLINE
anderen erscheint im »Deutschen Ärzteblatt« wurde an der Hochschule Koblenz durchgeführt Appell für mehr Kinderschutz nachzulesen unter zeit.de/wq/2020-15

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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 WISSEN 29
WI E SCH Ü TZ EN WI R DI E SCH WACH EN ?

Die Hand halten oder nicht?


DIE ZEIT: Herr Dabrock, Herr Mertes, wann haben bestimmung am Lebensende. Wie dieses Recht unter Der Chef des Ermessensspielräume mehr sieht, später wieder das Dabrock: Ja, das ist doch selbstverständlich. Deutsch-
Sie zuletzt einen Kranken oder Alten besucht? Abschottung gewährleistet werden soll, gerade auch Wohl der Einzelnen in den Blick nimmt, bezweifle ich. land ist besser vorbereitet als Italien, aber wir müssen
Peter Dabrock: Ich würde das am liebsten jede Woche für sterbende Corona-Infizierte, ist uns absolut un-
Ethikrats und ZEIT: Es gibt Studien, wonach Einsamkeit ein größe- mit einem exponentiellen Anstieg der Fallzahlen
tun, weil meine Mutter im Altenheim lebt, in der klar. Wir wollen hier aber erst einmal bei dem Wunsch der bekannteste res Krankheitsrisiko birgt als zum Beispiel Alkoholis- rechnen. Um diesen zu managen, kommt es auf ­
Nähe von Dortmund. Aber ich wohne mit meiner nach Trost und Beistand bleiben. mus oder Fettleibigkeit. jeden Tag an. Sie müssen doch zugeben, dass, wenn
Familie weit entfernt, in Bayern, habe Kinder, und Dabrock: Ich glaube, wir müssen unterscheiden: Die Jesuit des Landes Mertes: Eine Frau rief mich an und klagte, ihre Mutter wir jetzt Härten nicht hinnehmen, wir bald hundert-
meine Frau und ich sind beide berufstätig. Meine Ge- allgemeine Regel zum Schutz der Menschen ist­ streiten, wie strikt müsse dringend ins Krankenhaus für eine Operation fache Härten haben werden.
schwister, die sie oft besuchen, kommen derzeit nicht sinnvoll. Aber auch gute Regeln können nicht alles – doch jetzt weigere sie sich, weil sie Angst hat, dass sie
Mertes: Sie können aber nicht ausgerechnet die Ver-
rein. Wir telefonieren noch mehr als sonst. erfassen. Wo der Einzelfall nicht gesehen und die­ Besuche bei Alten nach der OP nicht mehr besucht werden kann. Auch letzlichsten zum Martyrium auffordern. Und ganz
ZEIT: Derzeit hat jedes Bundesland eigene Regeln für Ausnahme nicht gewährt wird, werden Regeln un- und Sterbenden wenn das Einzelfälle sind: Sie zeigen, von welch dra- ohne Tapferkeit angesichts einer Todesgefahr gibt es
Besuche in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Für menschlich. Wenn die Regel derzeit fordert, das matisch wichtiger Bedeutung soziale Kontakte sind. keine Nächstenliebe. Für mich ist das Hauptproblem,
Ihre Mutter in Nordrhein-Westfalen gilt: Besuche Selbstbestimmungsrecht von Schwerkranken stärker begrenzt werden Dabrock: Wem blutet nicht das Herz, wenn er diese dass die Schutzlogik derzeit alle anderen Anliegen
sind untersagt. Ausnahmen unter Schutzmaßnahmen zu beschränken als das von anderen Menschen, dann Schicksale hört? Die Bekämpfung von Einsamkeit überlagert.
gibt es nur, »wenn es medizinisch oder ethisch-sozial sage ich nicht: Das finde ich toll.
dürfen ist ein wesentlicher Gesundheitsfaktor, das sehe ich ZEIT: Warum, Herr Mertes, bezweifeln Sie, dass
geboten« ist, etwa bei Kindern und Sterbenden. Bei Rechte, die jetzt beschnitten werden, bald wieder zur
Letzteren wird diese Regel in manchen Kranken­ Geltung kommen?
häusern bereits gebrochen. Finden Sie es richtig, dass Mertes: Ich bin skeptisch, weil ich nicht sehe, wie
Besuchsmöglichkeiten wegen des Coronavirus jetzt man die kategorische Überordnung des Infektions-
derart eng gefasst werden? schutzes wieder aufheben kann, solange es Corona-
Dabrock: Aus ethischer Sicht muss man eine Güter- Infektionen gibt. Die Virologen sagen, das kann zwei
abwägung treffen. Natürlich verlieren betreute­ Jahre dauern! Wir sind schon jetzt an einem Punkt,
Menschen ihren Anspruch auf Selbstbestimmung der unser Rechtsverständnis hart tangiert. Ich erlebe,
nicht. Aber wenn die akute Gefahr besteht, dass Be- dass sich viele Menschen in ihren Grundrechten ver-
sucher das Virus in die Einrichtung tragen, sodass die letzt fühlen. Das kann bald zu massiven ge­sell­schaft­
Einrichtung ihren Betrieb schließen müsste, weil es lichen Konflikten führen.
dort vermehrt zu Todesfällen kommt: dann ist im Dabrock: Wir sollten hier kein abstraktes Grund-
Sinne des Schutzes von Leib und Leben für eine ge- rechtspathos betreiben! Das dürfen doch auch viele
wisse Zeit eine Einschränkung der Selbstbestimmung einfache Gesetze: Grundrechte zum Schutz anderer
möglich und auch richtig. Güter einschränken. Oder was ist Ihre Alternative,
Klaus Mertes: Das sehe ich anders. Vor drei Wochen Herr Mertes? Dass wir das ursprüngliche Boris-­
hatte ein enger Freund von mir eine schwere Tumor- Johnson-Modell fahren und darauf setzen, dass die
operation. Sein Zustand ist immer noch sehr ernst. Die Stärkeren überleben? Das Infektionsschutzgesetz darf
Ärzte sagen, dass es für seine Genesung wichtig wäre, in dramatischen Sondersituationen im Sinne der Ver-
dass jeden Tag ein naher Mensch ihm die Hand hält. hältnismäßigkeit andere Logiken durchbrechen.
Das habe ich anfangs auch getan. Ich saß in der Klinik Mertes: Sie meinen andere Rechte.
einfach stundenlang neben ihm. Wenn er aufwachte, Dabrock: Ja. Aber nicht auf Dauer.
haben wir zusammen den Rosenkranz gebetet, dann ist Mertes: Dass man bestimmte Rechte in bestimmten
er wieder eingeschlafen. Ich blieb. Jetzt dürfen Schwer- Situationen aussetzt, das kenne und praktiziere ich als
kranke wie er eigentlich keinen Besuch mehr bekom- Schulleiter auch. Meine Alternative besteht darin, dass
men. Mit welchem Argument, Herr Dabrock, verwei- wir bei der Umsetzung von Regeln Spielräume lassen.
gern Sie ihm das? Ich bin erschüttert über die hohe gesellschaftliche Ak-
Dabrock: Ich kann gut nachvollziehen, was Sie sagen. zeptanz der Beschneidung von Grundrechten.
Aber: Es geht ja nicht um eine grundsätzliche Ein- Dabrock: Ich bin nicht erschüttert über die Bereit-
schränkung von Selbstbestimmung, sondern eine schaft, sich einschränken zu lassen. Ich deute das als
zeitliche. Auch die steht im Übrigen wie jeder Eingriff Zeichen der Solidarität.
in die Grundrechte in der Beweislast. Und dann ge- Mertes: Wehrlose einzuschränken hat nichts mit Soli-
hen Sie von der individualethischen Perspektive aus: darität zu tun. Ich bezweifle auch, dass es dabei immer
der andere und ich, ich und du. Ich meine, dass wir um den Schutz der Alten und Kranken geht. Genauso
ebenso den sozialen Kontext in Rechnung stellen geht es um den Selbstschutz der Jungen und Gesun-
müssen: den Schutz der anderen Patienten und der den. Es herrscht eine irrsinnige Angst vor der eigenen
Beschäftigten in der Einrichtung und das an der Verletzbarkeit. Wir haben kein vernünftiges Verhält-
Grenze arbeitende Gesundheitssystem. Dieses gerät nis zu unserer Sterblichkeit.
gerade aus den Fugen. Wir sind im Ausnahmezustand. Dabrock: Ich begreife nicht, warum Sie den Leuten so
ZEIT: Nein, es wurde bislang Gott sei Dank kein Aus- etwas Schlechtes unterstellen. Nach allen bekannten
nahmezustand verhängt. sozialwissenschaftlichen Studien ist die Solidarität im
Dabrock: Gerade darum muss der Staat Sorge tragen, Land extrem hoch! Für 95 Prozent der Bevölkerung
die Lage nicht zu eskalieren. Das gelingt nur, wenn wird eine Corona-Infektion milde verlaufen, für vier
der Gesundheitsschutz für Ärzte, Pflegepersonal und Prozent schwerwiegender, und nur für ein Prozent
die ganze Hochrisikogruppe in den Einrichtungen, wird es dramatisch. Die Todesgefahr ist also für sehr
die durch Außenkontakte angesteckt werden können, viele gering, und trotzdem machen alle bei den
gegenwärtig Vorrang hat. Ich wiederhole, dass dies Schutzmaßnahmen mit.
nur für einen begrenzten Zeitraum gelten soll. Mertes: Ich sehe nichts Böses darin, sich selbst schüt-
Mertes: Die Fürsorge für den einzelnen Kranken zählt zen zu wollen. Ich erlebe allerdings, dass Alte ange-
also nicht, weil die Fürsorge für die vielen Gesunden feindet werden, weil sie noch zum Bäcker gehen. Und
Fotos (v. o.): Stephan Vanfleteren; ullstein bild; Chris Reist

wichtiger ist? Ich finde, Sie dürfen das Wohl der In- ich sehe extreme Ängste, die sich in drastischen Maß-
stitution nicht so kategorisch über das Einzelschicksal nahmen gegen Schwächere aus­drücken.
setzen. Es ist ein fundamentales Recht jedes Menschen, ZEIT: Sie sind beide Theologen. Deshalb eine seelsor-
in der Not Beistand zu bekommen, selbst wenn sich gerliche Frage: Finden Sie, dass der Staat wie in Italien
für ihn ein Infektionsrisiko ergibt. Bei Ihnen, Herr auch bei uns die Corona-Infizierten so von ihren An-
Dabrock, darf ein alter Mensch schon jetzt nicht mehr gehörigen isolieren darf, dass sie allein sterben?
entscheiden, ob er ein Risiko für sich eingeht. Sein Mertes: Nein! Wir Starken müssen Rücksicht nehmen
Selbstbestimmungsrecht wird einfach aufgehoben. auf die Schwachen, auch wenn es uns selber schwächt.
Dabrock: Nein, es wird nicht grundsätzlich verwirkt, Wir können Schwächere nicht schützen, ohne uns
sondern vorübergehend eingeschränkt. Das ist mit- verletzlich zu machen. Der Hirte schützt das Schaf,
nichten eine Kleinigkeit – aber ein entscheidender indem er sich dem Wolf entgegenstellt.
Unterschied. Und noch eines ist mir wichtig: Ich Dabrock: Es hängt von der Dramatik der Situation
sehe den Punkt, dass auch eine zeitweilige Einschrän- ab. Wenn sich durch die Isolation der Sterbenden
kung von Freiheit und Grundrechten gravierende Die Künstlerin Ata Kandó Hunderte weitere Todesopfer verhindern lassen, muss
Nebenfolgen haben kann. Jedoch: Wir gewähren im Jahr 2017, in dem sie man sie vielleicht erwägen.
und schenken uns gegenseitig nicht nur Freiheit, starb, fotografiert von ZEIT: In Italien sind jetzt viele Priester gestorben,
sondern zur Freiheit gehört mitunter, zum Schutze Stephan Vanfleteren weil sie dem Aufruf des Papstes gefolgt sind, bei den
anderer eigene fundamentale Bedürfnisse zurückzu- Kranken zu bleiben. War dieser Aufruf falsch?
stellen. Das mag paradox klingen, ist aber in meinen Mertes: Nein, er war sogar geboten. Man kann zwar
Augen eine der Grundbedingungen von Freiheit und Mertes: Und ich unterstelle Ihnen nicht, das toll zu doch auch. Deswegen gilt: Alle Einschränkungen, niemandem, auch einem Priester nicht, Barmherzig-
Selbstbestimmung. finden. Mir geht es nur darum, dass jetzt eine bedenk- die wir gerade hinnehmen müssen, dürfen nur­ keit befehlen. Aber wer in der Nachfolge Jesu lebt,
ZEIT: Uns in der Redaktion erreichen bereits jetzt liche gesellschaftliche Stimmung herrscht, in der das vorübergehend sein. Wir müssen jetzt alles daran- der darf vor der Todesgefahr nicht zurückschrecken.
verzweifelte Berichte aus der ganzen Republik: Ange- Selbstbestimmungsrecht der Schwächsten nichts setzen, die Infektionskurve niedrig zu halten. Denn Jesus hat Aussätzige berührt um den Preis, selbst aus-
hörige beklagen, dass ihnen der Zugang zu kranken mehr gilt. Die Infektionsschutz-Logik wird gerade nur so werden wir unser Gesundheitssystem, das ja sätzig zu werden. Das ist der Präzedenzfall christ­
oder pflegebedürftigen Liebsten so strikt verwehrt prioritär gesetzt gegenüber dem Gebot der Mensch- auch für viele Menschen, über die wir hier sprechen, licher Barmherzigkeit: Bleibe denen nahe, die dir
wird, wie es der Infektionsschutz nicht zwingend ver- lichkeit. eine lebenswichtige Funktion erfüllt, leistungsfähig anvertraut sind, auch in der Todes­gefahr.
langt. Ein älterer Mann in Thüringen zum Beispiel, ZEIT: Und eine Ansteckung von Kranken mit dem halten. Ich sage aber auch: Beschränkungen auf un- Dabrock: Sie sind katholischer Ordenspriester. Das
der mit seiner dementen Frau in einer Einrichtung Coronavirus fürchten Sie nicht, Pater Mertes? Den bestimmte Zeit halte ich für ethisch und politisch mag nun der Vorteil des Zölibats sein, dass Sie das so
lebt und sie pflegt, wurde von ihr getrennt, weil ihr vielfachen Tod von Alten wie jetzt in Italien würden Peter Dabrock, 56, sitzt dem untragbar. sagen können. Zu meinem christlichen Lebensmodell
Zustand sich verschlechterte und sie auf eine andere Sie in Kauf nehmen? Deutschen Ethikrat vor, der Mertes: Und woher wissen Sie, dass die Lage besser gehört meine Familie mit Kindern. Von der Verant-
Station verlegt wurde – er drohte mit Selbstmord, um Mertes: Nein. Ich würde auch meine pflegebedürftige sich jüngst zu »Solidarität und nicht schlechter wird? wortung für sie kann und will ich nicht abstrahieren.
zu ihr zu dürfen. Eine Kinderklinik in Hamburg Mutter, die 91 Jahre alt ist, jetzt nicht anstecken wol- und Verantwortung in der Dabrock: Das weiß niemand. Aber Ungewissheit Mertes: Danke für dieses starke Argument für den
nimmt kranke Kleinstkinder, die älter als ein Jahr len. Das gilt ebenso für meine Mitbrüder: Ich lebe ja Corona-Krise« äußerte prägt grundlegend unser Handeln. Und in vielen, Zölibat.
sind, nur noch ohne elterliche Begleitung auf, biswei- in Sankt Blasien in einer Jesuiten-Gemeinschaft mit vielen Situationen kommen wir dennoch zu guten ZEIT: Das ist eine Frage nicht nur für Priester, nicht
len setzen Krankenhäuser schon Wachschutz gegen dreizehn Männern, vier davon sind um die 90 Jahre Entscheidungen. Ein Vorschlag: Es wäre doch mög- nur für Christen. Lassen wir andere Menschen um
Besuche ein. Ist das alles noch verhältnismäßig? alt. Natürlich muss ich da jetzt schmerzliche Distanz- lich, dass man Heime neu aufteilt. Also in Teile, in unserer selbst willen allein sterben, ja oder nein?
Dabrock: Wenn Krankenhäuser und Einrichtungen regeln einhalten. Unvorstellbar aber, sie völlig zu iso- denen Bewohner auf eigenen Wunsch abgeschottet Mertes: Nein. Wenn ich für mich das Recht bean-
die Regeln überziehen, ist das ein Rechtsbruch. Ethi- lieren, weil Ausnahmezustand herrscht ... leben, und in andere Teile, in denen Bewohner unter spruche, nicht allein zu sterben, darf ich es auch ande-
sche Entscheidungen müssen im Rechtsstaat auf der Dabrock: ... ich meine nicht den politischen Aus­ Inkaufnahme aller Risiken soziale Kontakte erleben ren nicht verweigern, selbst in Extremsituationen.
Grundlage des Rechtes getroffen werden. Und das nahmezustand, den sehe ich auch nicht. Es geht mir können. Ich nehme ja diejenigen ernst, die sagen: Was ZEIT: Sie zögern, Herr Dabrock?
Selbstbestimmungsrecht, so hat zuletzt auch das um den psychosozialen, gesellschaftlichen Ausnahme­ hilft es mir, wenn ich drei Monate länger lebe, aber Dabrock: Menschen sterben oft auch allein im­
Karlsruher Urteil zur Sterbehilfe gezeigt, ist ein zustand. das drei fürchterliche, einsame Monate sind? Operationssaal. Aber Sterbende zu begleiten bleibt
Grundpfeiler der Demokratie. Das Urteil garantiert Mertes: Ein Ausnahmezustand bedroht stets die Frei- Klaus Mertes, 65, ist Jesuit ZEIT: Und was ist mit denen, die trotz Isolation mit ein Werk der Barmherzigkeit. Wir müssen jetzt alles,
ausdrücklich auch das Recht auf Selbstschädigung, heit, schon deswegen, weil er sich so schwer wieder und noch bis zum Ende des Corona infiziert und sterbenskrank – sollen die allein alles versuchen, damit das gelingt.
bis hin zum frei gewählten Tod. aufheben lässt. Wir wissen, dass die Infektionen noch Schuljahres Direktor sterben, wie es jetzt in Italien geschieht?
ZEIT: Was Sie Recht auf Selbstschädigung nennen, zunehmen werden. Wir wissen nicht, wie gefährlich es des Kollegs St. Blasien Mertes: Nein! Der Wille der Sterbenden hätte in­ Das Gespräch führten
nennt das Bundesverfassungsgericht Recht auf Selbst- noch wird. Dass ein Heimleiter, der schon jetzt keine im Schwarzwald jedem Fall Priorität. Evelyn Finger und Charlotte Parnack
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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 WISSEN 31
GESU ND H EIT

Hoffen auf Heilung


Gegen Corona
statt Tuberkulose
Geflüchtete in Italien
haben die Firma Die Suche nach einem

Foto: Matteo de Mayda/Contrasto; Illustration: Matthias Schütte für DIE ZEIT


Talking Hands Impfstoff geht weiter – und
gegründet und
nähen selbst
bezieht Altbekannte mit ein
Masken. Ob und wie
solche Modelle
»Hoffen auf Heilung« hieß der Artikel, in dem
schützen, ist derzeit
wir in der ZEIT Nr. 13/20 die verschiedenen
noch unklar
Stränge der Suche nach Medikamenten und
Impfungen gegen Covid-19 dargestellt haben.
Unter demselben Motto verfolgen wir in den
kommenden Woche die Fortschritte:
Langfristig ruhen alle Hoffnungen auf ­
einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus.
Aber das kann ein Jahr und länger dauern. Per
Video warnte jüngst Gregory Poland, Direktor
der Vac­cine Re­search Group der Mayo Clinic
im amerikanischen Rochester, derzeit zielten
fast alle Impfstoffhersteller auf die charakteris-
tischen Stachel auf der Virushülle, die »­ Spikes«.
Mit ihrer Hilfe gelangen die Viren in die Zel-

Vermummungsgebot?
len, die sie befallen. Bildete ein geimpfter Kör-
per vorab Antikörper ­ gegen diese Stachel,
stünde das Virus ohne Schlüssel da. Doch
wahrscheinlich, so die Warnung, wirke eine
solche Vakzine nur sehr kurz: Weil nur eine
Klasse unter den Immunzellen, die Typ-2-T-
Helferzellen, trainiert wird, bildet der Körper
An der umstrittenen Frage, ob Gesunde Atemmasken tragen sollen, zeigt sich die Spannung zwischen kein langlebiges Immungedächtnis aus. Des-
politischem Kalkül und wissenschaftlicher Beweislage. Analyse einer Debatte  VON MA XIMILIAN PROBST halb fordert Poland, Impfstoffe gegen mehrere
Virusstrukturen zu entwickeln – was den Auf-

S
wand erheblich erhöhen würde. Kritisch ist
dabei die Sicherheit. Da 85 Prozent aller Infi-
ollen wir jetzt Masken tragen? dann nicht falsch verstanden? Erscheinen dann die Länder gemein: niedrige Infektionszahlen, trotz der Masken auf dem Weltmarkt ergattert zu haben, zierten nur leicht erkranken, wäre eine Massen­
Oder lieber nicht? Das ist auch des- Masken nicht erst recht als kostbares, lebensnot- Nähe zu China. Und die Praxis, dass ausnahmslos produziert das Land dieselbe Anzahl täglich. vakzinierung mit ungenügend getesteten
halb spannend, weil sie den Um- wendiges Gut, um das sich die Bevölkerung sogleich alle in der Öffentlichkeit Masken benutzen. Womit uns die ostasiatischen Länder konfron- Impfstoffen unverantwortlich, ein Schaden
gang mit Unsicherheit in unserer reißt? Besser wäre es gewesen, hätte man gleich auf Daraus folgt natürlich noch immer nicht, dass tieren, ist deshalb eher ein Indiz, eine Art weiches womöglich größer als der Nutzen.
Gesellschaft auf doppelte Weise be- ein allgemeines Maskentragen gesetzt, die Produk- sie eine entscheidende Zutat dieses Erfolgs waren Erfahrungswissen, keine harte Erkenntnis. Aber da Eine andere Vakzine ist in der Praxis bereits
leuchtet. Die Masken sind zum ei- tion angekurbelt und die Bevölkerung auf Solidari- oder das Beispiel auf die westlichen Länder so ein- die west­lichen Infektionszahlen nach wie vor durch gut getestet, die Tuberkulose-Impfung BCG.
nen das Symbol schlechthin für die tät eingeschworen, mit der Forderung, die gebun- fach übertragbar ist. Japan hat beispielsweise allge- die Decke gehen, während die ostasiatischen sta­ Womöglich stärkt sie das Immunsystem so, dass
Corona-Krise, sie bebildern, wie verletzlich, wie kerten Masken den Krankenhäusern zu spenden und mein sehr viel höhere Hygienestandards als wir. gnie­ren, scheint der Schritt, es ebenfalls mit Mas- es auch Sars-CoV-2-Viren besser abwehren
schutzbedürftig der Mensch angesichts der Virus- sich selbst vorerst mit selbst genähten zu behelfen. Hongkong und Singapur haben Erfahrungen mit ken zu versuchen, fast unausweichlich. Wohin er kann. Infizierte würden weniger schwer erkran-
Pandemie ist. Zum anderen bleibt es un­sicher, Unterdessen hatte sich auch der Fokus der De- Sars gesammelt, und niemand hat besser im Blick, führt, wird die Wissenschaft erst rückblickend ken. Das Max-Planck-Institut für Infektions-
welche Wirkung das Tragen von Atemschutzmas- batte verschoben. Die Bürger kauften anfangs den was in China passiert, und reagiert darauf schneller wissen. Oder anders gesagt: Wir haben in der Mas- biologie in Berlin arbeitet gerade an einer ak-
ken am Ende eigentlich genau entfaltet. Auf die- Mundschutz in der Hoffnung, sich damit selbst vor als Taiwan. Zudem haben alle Länder besseren Zu- kenfrage den spannendsten Punkt der Debatte er- tualisierten BCG-Version. Die Uni-Kliniken
sem schwankenden wissenschaftlichen Grund ist Ansteckung zu schützen. Das aber funktioniert nach griff auf Masken-Fabrikate und müssen nicht auf reicht, wo nach allem Abwägen der Argumente von Nijmegen und Utrecht wollen medizini-
zuletzt die Streitfrage neu bewertet worden. Hieß gängiger Lehrmeinung bei normalen Alltagsbegeg- selbst gebastelte zurückgreifen, zu denen es keine und Stu­dien der Bereich des Ge­sicher­ten aufhört sches Personal zum Schutz vor Corona mit BCG
es anfangs von der WHO und den Virologen in nungen nicht. Die Virologen und Gesundheitspoli- Studienergebnisse gibt. Darum hat Taiwan um­ und der des Glaubens beginnt. bald impfen – ein Versuch, um herauszufinden,
Deutschland: Masken nur für die­jeni­gen, die sie tiker mussten sich dementsprechend in der Kom- gehend seine Produktion hochgefahren: Während ob und wie stark die Vakzine auch gegen den
dringend brauchen, mehren sich nun die Befür- munikation besonders darauf konzentrieren, diesen man sich in Deutschland freut, zehn Millionen AA www.zeit.de/audi aktuellen Erreger hilft.  HARRO ALBRECHT
worter der Masken-für-alle-Linie. Irrglauben auszuräumen. In diesem Sinne stellte die
An der wissenschaftlichen Ausgangslage hat Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ANZEIGE
sich bei der Neubewertung nichts geändert. Die Anfang Februar auf ihrer Internetseite klar: »Um
WHO-Empfehlungen hatten zwar im Blick, dass sich vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu
es womöglich einen nicht einwandfrei geklärten schützen, brauchen Gesunde in Deutschland nach
positiven Schutz­effekt gibt, auch einfache chirur- derzeitigem Wissensstand keine Atemschutzmas-
gische Masken zu tragen, hielten aber diese Bot- ken.« Die Tatsache, dass ein Infizierter auch mit
schaft für das falsche Si­gnal zur falschen Zeit. einfachen Masken seine Mitbürger schützt, wurde
Schon zu Beginn der Krise war der einfache demgegenüber meist sekundär behandelt. Als sich
Mundschutz vergriffen, genauso wie die etwas aber zeigte, dass entgegen der anfänglichen Einschät-
aufwendiger hergestellten N95-Masken. Selbst zung die Übertragung des Virus auch vor oder
die hochwertigen FFP-Masken – die anders als gänzlich ohne Eintritt von Symptomen recht häufig
die simplen Varianten auch den Träger, nicht nur zu sein scheint, änderte das die Debatte. Nun wirkte­
dessen Gegenüber vor Ansteckung schützen – plausibel: Weil jeder potenziell das Virus unwissend
drohten knapp zu werden. Ein Aufruf, Masken zu übertragen kann, sollte jeder vorsorglich zum Schutz
tragen, hätte die Folge haben können, dass sie seiner Mitbürger den Schutz anlegen.
dort, wo sie am dringendsten benötigt wurden, Allerdings wirft diese glasklar erscheinende
nicht angekommen wären: im Gesundheits­ Schlussfolgerung ihrerseits eine ganze Reihe von
system. Womöglich auch von dieser Überlegung Fragen auf. Zwar betonen Befürworter, die Masken
geleitet, entschied sich die WHO, das Tragen von würden helfen, sich nicht unbewusst an die Nase
Masken außerhalb der Fachkreise nur den­jeni­gen oder den Mund zu fassen, aber beim Auf- und Ab-
zu empfeh­len, die entweder selbst bereits husteten setzen und wenn sie unangenehm sitzen, passiert
oder eine Person betreuten, bei der Verdacht auf womöglich gerade das. Zudem: Könnten nicht die
eine Corona-Erkrankung bestand. Masken ein Gefühl von falscher Sicherheit vor-
Diese Sicht wurde von den Medien übernom- gaukeln – mit der Folge, dass die Träger die­
men und dominierte zumindest in den westlichen Abstandsregeln laxer handhaben als gefordert?
Ländern die öffentliche Wahrnehmung. Masken Ziehen die Leute »Nebenluft« ein, wenn sie auf-
waren dort kaum zu sehen, fast nur Menschen mit grund der Masken tiefer atmen, und macht das die
Ostasien-Hintergrund trugen sie – um die alle an- Sache schlimmer? Was ist mit Tröpfchen, die auf der
deren, verunsichert, dann lieber einen großen Bogen Oberfläche des Gewebes landen? Und lässt sich­
machten. Dass sich diese Lage ändern würde, zeich- sicherstellen, dass die Masken regelmäßig gewechselt
nete sich aber spätestens ab, als die amerikanische oder desinfiziert werden? Weil, wenn nicht, dann ...
Soziologin Zeynep Tufekci Mitte März in einem Die wissenschaftliche Literatur gibt keine ein-
global zirkulierenden Leitartikel in der New York­ deutigen Antworten, viele Erkenntnisse stammen
Times die Schwächen des WHO-Standpunkts unter von Influenza-Epidemien, oder die Versuchsgrup-
ihr analytisches Mikroskop nahm. Sie argumen­tierte, pen waren sehr klein. Dass unter anderem der Prä-
dass die WHO und die meisten westlichen­ sident der Bun­des­ärzte­kam­mer jetzt diesen unge-
Virologen einer falschen, schlimmer noch: einer sicherten Weg trotzdem einschlagen will, hat wohl
kontraproduktiven Kommunikationsstrategie ge- vor allem mit dem Beispiel der ost­ asia­
ti­
schen
folgt seien und vielfältige gesellschaftliche Rück- Länder und Stadtstaaten zu tun. Dort hat man
kopplungseffekte nicht bedacht hätten. unterschiedlich auf den Ausbruch der Pandemie
Tufekci fragte: Wenn die Botschaft inmitten­ reagiert. Hongkong hat etwa die Schulen geschlos-
einer Pandemie lautet, Masken nur fürs Gesund- sen, Taiwan sie nach zwei Wochen wieder geöffnet,
heitssystem, nicht für die Bevölkerung, wird das Singapur sie nie zugemacht. Eins aber haben die

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Der Atem ist immer da, und er fällt uns meist versehen kann? Was können wir ihr Gutes tun?
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32 WISSEN 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

I NFO GR AF I K : ARCH ÄO LO G I E NR 562


zum Raustrennen

Echt jetzt?
Vor 150 Jahren begann Heinrich Schliemann mit den
Ausgrabungen in Troja. Was wir über die Stadt
Die Stadt
zu wissen glauben, stimmt nicht alles. Ein Faktencheck 
VON ANDREAS DEREBUCHA (ILLUSTR ATION)
UND URS WILLMANN (RECHERCHE)

Das Pferd
Mythos Realität
Den Trojanischen Krieg beende- Zwar steht heute ein riesiges Holz-
Mythos Realität
ten die Griechen mit einer List. Sie pferd unweit der Ruinen in der Bei Troja (oder der Troas) handelt Heinrich Schliemann setzte am
täuschten ihren Abzug vor und­ heutigen Türkei. Historisch ist ein es sich um eine von Homer im 9. April 1870 den Spaten auf dem
ließen vor den Toren der Stadt ein solches Objekt jedoch nicht belegt. 8. Jahrhundert v. Chr. beschriebe- Siedlungshügel Hisarlık an. Der
hölzernes Pferd stehen – in dessen Dennoch gibt es Bezüge zur Reali- ne Landschaft. In dieser Gegend lag Ort in der Türkei gilt seither den
Bauch Soldaten versteckt waren. tät. Denn die Umgebung der Stadt am Eingang der Dardanellen die meisten als das einstige Troja. Einen
Die Gegner fielen auf den Trick war ein Zentrum der Pferdezucht. Stadt Ilios, deren Eroberung im Hinweis lieferten die Hethiter in
herein, sie zogen das Vehikel durchs Großer Bedarf an den Tieren Trojanischen Krieg der Dichter Anatolien. Ihre Quellen erwähnen
Stadttor. Nachts krochen dann die herrschte, seit die Mesopotamier beschrieb. Dieser literarische Ort ein Wilusa (Ilios). Im »Troja-Streit«
Eindringlinge heraus und öffneten den zweirädrigen, von einem Pferd wurde in der Antike mit der real 2001/02 debattierten Experten, ob
die Tore. Das griechische Heer fiel gezogenen Streitwagen erfunden existierenden Stadt Ilion gleichge- es hier eine Unterstadt gab. Nach
ein, zerstörte die Stadt – und­ hatten: den Porsche des Altertums, setzt. Ihre genaue Lage geriet später heutigem Stand war Troja mit Tau-
gewann den Krieg. bekannt aus »Ben Hur«. in Vergessenheit. senden Bewohnern recht groß.

Der Krieg

Mythos Realität
In der griechischen Mythologie ist Kriege hinterlassen Spuren. Eine
es das Ereignis schlechthin: Ein entsprechende Brandschicht jedoch
Jahrzehnt lang wurde Troja (die fehlt. Es gibt immerhin Hinweise
Stadt Ilios) belagert. Entscheidende auf Wehrgräben, Funde erzählen,
Szenen schildert Homer in den dass Tore eilig verrammelt wurden.
26.000 Versen der »Ilias«. Eine Um 1200 v. Chr. veränderte sich die
der dramatischsten: Paris schießt Architektur – die Stadt wurde neu
dem griechischen Helden Achilles besiedelt. Hunderttausende Scher-
einen giftigen Pfeil in die Ferse – ben von Trinkgefäßen zeugen von
dessen einzige verwundbare Stelle. Besäufnissen danach: Wurde eines
Nach dem unterlegenen Helden ist identitätsstiftenden Sieges ge-
unsere kräftigste Sehne benannt. dacht, wie desjenigen in der »Ilias«?

Das Ensemble

Helena Achilles Hektor Paris Odysseus

Mythos Realität
Sie war die schönste Frau ihrer Zeit: Die Helden sind keine realen­
Helena, Tochter des Zeus. Und die Figuren – eher Versatzstücke aus
Göttin Aphrodite versprach dem Überlieferung, Zeitgeschehen und
trojanischen Königssohn Paris die Religion. Anhand von Odysseus­
Schönste zur Gattin. Da Helena­ erzählt Homer, wie die Griechen zur
bereits mit Spartas Herrscher ver- regionalen Großmacht wurden,
heiratet war, entführte Paris sie. Die die trotz des Sieges unterging. So
Griechen stellten ein Heldenheer schickt der Dichter den Helden der
zusammen (mit dabei: Achilles und »Odyssee« auf dem Rückweg von
Odysseus). Sie zogen gegen Troja, Troja durch Stürme und Gefahren.
wo sie auf Paris und dessen Bruder Die Schilderung birgt viel Wissen
Hektor trafen – und gewannen. über Geografie und Meteorologie.

Geschichte einer Stadt


Um 5000 v. Chr.: Um 2920 v. Chr.: Früheste 1700 bis 1200 v. Chr.: 13./Frühes 12. Jahrhundert v. Chr.: 85 v. Chr. bis 500 n. Chr.: Mittelalter/14. Jahrhundert: 9. April 1870: Der Deutsche Heinrich 2001/02: Im »Troja-
Erste Besiedlungsspuren Bauphase auf dem Hisarlık Trojanische Das homerische Troja endet mit Zeit des römischen Die letzten Bewohner Schliemann beginnt mit den ersten Streit« geht es um die
in der Umgebung Trojas Tepe an den Dardanellen Blütezeit der Zerstörung der Stadt Ilion/Ilium verlassen die Stadt Ausgrabungen auf dem Hisarlık Tepe Größe der Stadt

5000 v. Chr. 2000 v. Chr. Jahr 0 2000

Gespräche mir Prof. em. Ernst Pernicka von Wer Homers »Ilias« nicht ganz lesen möchte, »Troja – Traum und Wirklichkeit« hieß eine Links zu diesen und weiteren Quellen
Quellen der Universität Tübingen, der von 2006 bis ist mit Gustav Schwabs »Sagen des große Troja-Ausstellung in Stuttgart (2001). finden Sie bei ZEIT ONLINE
2012 die Ausgrabungen in Troja leitete klassischen Altertums« bestens bedient Der zugehörige Katalog ist eine Fundgrube unter zeit.de/wq/2020-15
2. A P R I L 2 0 2 0 D I E Z E I T N o 1 5

EVO LU TI ON
WISSEN • SCH U LE • P O LITI SCH E R F RAGE BO GEN
33

Es wird immer bunter


Von der Vorstellung eines übersichtlichen Stammbaums müssen
wir uns verabschieden. In der Frühgeschichte des Menschen ging es
wild durcheinander  VON ULRICH BAHNSEN UND URS WILLMANN
Abb.[M]: © 2020, John Gurche

So könnte der Mann


von Broken Hill
ausgesehen haben.
100 Jahre nach dem
Fund des Schädels
haben Forscher ihn
nun neu datiert

E
r war wohl ein junger erwachse- oder gar ein archaischer Homo sapiens? Und mit taler. Handelt es sich also um direkte Vorfahren Vergleich mit denen von Neandertalern und moder- Sauber getrennte Spezies, so lassen die Erkennt-
ner Mann. Groß und kräftig, wem wie eng verwandt? Mittlerweile wird Homo unserer Spezies? Frido Welker vom Max-Planck-­ nen Menschen: Homo antecessor war wohl nicht der nisse der Gelehrten immer deutlicher vermuten, hat
sein Gesicht riesig mit ausladen- rhodesiensis von den meisten Experten als Homo Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig­ gemeinsame Vorfahr der späten Vertreter unserer es in der Gattung Homo wohl nie gegeben – statt-
der Kieferpartie. Von der flachen heidelbergensis betrachtet. beantwortet diese Frage, ebenfalls in Nature. Aus dem Gattung – Neandertaler, Denisovaner und Homo dessen waren ihre Vertreter immer Promenaden­
Stirn erhoben sich gigantische Nun konnte Stringer das Alter des Schädels Zahnschmelz eines Backenzahns hatte er noch Reste sapiens. Aber er muss ein enger Verwandter jener mischungen der Evolution.
Augenbrauenwülste – »mit die und weiterer Knochen (etwa die kleiner Tiere) von Eiweißen sichern können. Und die Abfolge der Populationen gewesen sein, die uns schließlich her-
größten, die wir je an einem von derselben Fundstelle mithilfe unterschied­ Aminosäuren im Zahnschmelz-Protein verrät beim vorgebracht haben. AA www.zeit.de/audio
menschlichen Fossil gefunden haben«, sagt Chris licher Methoden neu bestimmen: Demnach ist
Stringer. Und Stringer hat einige gesehen. der Mann deutlich jünger, nur 299.000 Jahre alt. ANZEIGE
Nun muss der britische Paläoanthropologe Erst vor drei Jahren hatten Paläoanthropologen
feststellen, dass sein Fachgebiet ein ganzes Stück an Knochen von der Fundstelle Jebel Irhoud in
unübersichtlicher geworden ist – wieder. Und das Marokko gezeigt, dass frühe Homo sapiens min-
just wegen dieses wohl dunkelhäutigen jungen destens 300.000 Jahre alt sind (ZEIT Nr. 24/17).
Mannes mit dem Riesengesicht, der an heftiger­ Beides passt zur Vorstellung, wonach damals eine
Karies litt und unter Zahnabszessen. ­Gestorben bunte Vielfalt Afrika bevölkerte, mit Vertretern
ist er vermutlich an einer Infektion. verschiedener Arten der Gattung Homo, die­
Chris Stringer leitet am Natural History­ nebeneinander lebten: Homo sapiens, heidelber-
Museum in London die Abteilung für die Erfor- gensis/rhodesiensis und naledi. Das ähnelt dem
schung der Herkunft des Men- Bild der Forscher von Eura-
schen. Seit einem halben Jahr- Broken Hill, TAN sien, wo sich damals zeitgleich
SANIA
hundert ergründet der 72-Jäh- Kabwe Homo neanderthalensis, flore-
rige die evolutionäre Entwick- ANGOLA siensis, luzonensis, heidelber-
BI K

lung unserer Art. In dieser Zeit Lusaka gensis, erectus und der Denis-
AM

ist aus dem einst schlichten S ova-Mensch tummelten.


Stammbaum des Homo sapiens NAMIBIA SA MBIA MO Was all diese Gleichzeitig-
ein kaum durchschaubares Ge- BOTSWANA keit bedeutet? Einerseits weiß
büsch geworden. Indischer
man aus DNA-Analysen, dass
Zusammen mit Rainer Ozean sich der archaische Homo sa-
Grün von der australischen SÜD piens überraschend früh als­
AFRIK A
Griffith University publiziert 1000 km eigene Art herausgebildet hat.
ZEIT- GRAFIK
Stringer in der aktuellen Aus- Andererseits dürfte die Vielfalt,
gabe des Wissenschaftsmaga- wie sie wohl vor 300.000 Jah-
zins Nature einen Artikel über den Schädel von ren in Afrika herrschte, »zu einem ordentlichen
Broken Hill, wie die heute sambische Stadt Kabwe Genfluss« geführt haben, sagt Stringer. Genfluss?
bis 1964 hieß. Es geht nicht etwa um einen neuen Das ist die paläoanthropologische Umschreibung
Fund, sondern um eine Neudatierung. Die bringt von Sex. Und zwar, so der Londoner, »zwischen
einiges durcheinander. Populationen, die normalerweise als unterschied­
Im Jahr 1921 kam das gut erhaltene Fossil des liche Arten angesehen würden«.
»Broken Hill Man« (im Jargon der Forscher: Zu vermuten sei deshalb, dass Wesen wie jenes
»Kabwe 1«) beim Abbau von Metallerzen zum von Broken Hill (egal, ob man es nun Homo heidel-
Vorschein. Die Mine von Broken Hill lag damals bergensis oder rhodesiensis nennt) »zu unserer Ab-
in einem Teil des britischen Kolonialreichs, dem stammung zumindest beigetragen haben könnten«,
Protektorat Nordrhodesien. Der Schädel­knochen sagt Stringer. Das ist nicht das einzige Indiz, dass es
wurde zum sogenannten Typusexemplar, zum in der letzten Million Jahren zu Kreuzungen zwi-
Fund, der zur Beschreibung einer ganzen Spezies schen Vertretern unterschiedlicher sich entwickeln-
dient. In diesem Fall war das die Frühmenschen- den Arten der Gattung Homo gekommen ist.
art Homo rhodesiensis. Damals schätzte man Auch eine andere Sippe aus der Vorzeit findet
sein Alter auf 500.000 Jahre, brachte den Schä- diese Woche einen neuen Platz in unserer Evolu-
del nach London ins Museum und gab ihm die tionsgeschichte. Homo antecessor, von dem
Archivnummer E686. reichlich Gebeine aus der spanischen Gran Dolina,
Da der Bergbau den Fundort in Kabwe gründ- einem Höhlenkomplex in der Sierra de Atapuerca,
lich zerstört hatte, war die exakte zeitliche Zuord- geborgen wurden. Zwar war das Alter der Fossilien
nung (etwa anhand der Gesteinsschichten) von schon recht klar ermittelt. Zwischen 940.000 und
vornherein schwierig. Genauso spekulativ waren 770.000 Jahre vor unserer Zeit tummelten sie sich
die Versuche, dem Fund einen eindeutigen Platz in in Südeuropa. Aber wer waren diese frühen aus
der menschlichen Evolution zuzuordnen. War der Afrika stammenden Besiedler der Iberischen Halb-
Homo rhodesiensis nun eine eigene Art oder ein insel? Die frühen Menschen besaßen bereits ein
Vertreter von Homo erectus, Homo heidelbergensis­ sehr modernes Gesicht, ähnlich dem der Neander-

Links zu den Quellen dieses Artikels


Quelle finden Sie bei ZEIT ONLINE
unter zeit.de/wq/2020-15
34 WISSEN 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

SCH ULE

Stimmt’s?
Ist der Mensch
der einzige Affe,
Im Speisesaal von
Schloss Salem sind
weißes Hemd, dazu
bei dem man ein dunkler Pulli

Foto: Hervé Le Cunff; Illustration: Armando Veve für DIE ZEIT


oder ein dunkles

das Weiße im Sakko Pflicht

Auge sieht?
... fragt Walter Fertl aus
Klosterneuburg (Österreich)

Unsere Augen sind verräterisch. Weil


die Lederhaut (Sklera), die unseren
Aug­apfel umhüllt, weiß gefärbt ist,
hebt sich die Iris davon deutlich ab,

Das Internat als Staat


andere können sehen, wohin wir
schauen. Die gängige Erklärung da­
für ist, dass dies es uns ermöglicht,
mit den Augen zu kommunizieren
und anderen stille Si­gna­le zu geben.
Bei allen anderen Säugern ist der
größte Teil des Aug­apfels zwar eben­
falls weiß, aber der sichtbare Teil ist Die berühmte Schule Schloss Salem wird 100 Jahre alt. Welche Zukunft hat das Modell, für das es steht?  VON MANUEL STARK

E
fast immer pigmentiert. So ist die
Blickrichtung schwer zu erkennen.
Im Jahr 2001 erschien im Journal in Platz am Ort des Friedens kostet die Pläne. Der Festakt ist verschoben auf 2021, und eine wurde Königin, der andere eben Schuster.« Bis Vorreiter. 1951 forderten sie in der Tübinger Er­
of ­Human Evo­lu­tion eine Studie zwei­ mehr als 40.000 Euro im Jahr, pro wie es um die Abiturprüfungen steht, weiß niemand. zu ein Viertel jedes Salem-Jahrgangs sind Stipen­ klärung mehr Autonomie, um mit Pädagogik zu
er japanischer Forscher. Die hatten Kind. Salem, hebräisch für »Frie­ Statt zu feiern, managt Westermeyer eine »Heraus­ diaten, ins­ gesamt etwa 120 Schüler. Finanziell experimentieren und neue Bildungswege zu er­
die Augen von 88 Primatenarten un­ densort«, liegt etwa zehn Minuten forderung«. Es könnte die größte seiner zehnjähri­ bessergestellte­­ Eltern zahlen hingegen bis zu schließen. Dafür wollten sie selbst Lehrer auswäh­
tersucht und kamen zu dem Schluss, Autofahrt entfernt vom Bodensee. gen Amtszeit werden. Etwa 150 der 600 Salem- 3570 Euro zusätzlich im Monat. Die Schule ar­ len und sich beim Lehrplan an staatlichen Vorgaben
das menschliche Auge nehme eine Der Familiensitz der Markgrafen Schüler bleiben derzeit auf dem Internatsgelände beitet mit Partnern wie der Robert-Bosch-Stiftung, nur orientieren. Sie hatten Erfolg. Und mit dem
Ausnahmestellung ein: Wir sind die von Baden beherbergt seit 1920 zurück, da ihre Eltern in als »Krisenherd« eingestuf­ um auch Kinder aus Elternhäusern ohne akademi­ Erfolg Probleme. Zu Beginn der 1970er-Jahre be­
einzige Art mit einer gut sichtbaren das Internat Schule Schloss Salem. Prinzessinnen ten Gebieten leben. Die Schule muss sich abschot­ sche Tradition für eine Bewerbung zu motivieren. richteten Zeitungen von Drogen in Privatheimen.
weißen Lederhaut. oder Konzernerben absolvieren hier ihr Abitur, ten gegenüber Journalisten, Handwerkern und sogar Charlotte Hormann war Stipendiatin, die Dann klaute das öffentliche Schulsystem ihre I­ deen:
Doch wenn von einem Allein­ Medien nennen Salem »Elite-Internat«. Lehrern – Unterricht online. 23-Jährige machte 2015 als Erste ihrer Familie das die Vorschule, die bessere Verteilung von Lern­
stellungsmerkmal des Menschen die Salem nutzt diesen Begriff nie. »Was heißt über­ Im Normalbetrieb kommen hier 43 Nationen Abitur. »Meiner Mutter habe ich erzählt, ich fahre inhal­ten, eine gymnasiale Oberstufe mit Kurssys­
Rede ist, kommt immer jemand und haupt Elite?«, fragt Bernd Westermeyer, der Schul­ zusammen, inklusive Konflikten zwischen Ethnien zu einer Freundin. Stattdessen bin ich mit dem Zug tem. Sogar die Betreuung, lange eine Domäne der
findet Gegenbeispiele. Der Neuro­ leiter. »Was uns ausmacht, ist das Ziel, Leute heran­ oder Religionen. »Wir können hier fast alles ab­ nach Salem und habe meine Bewerbung abgege­ Privaten, wird heute von offenen Ganztagsschulen
forscher Juan-Carlos Gomez arbeitete zuziehen, die mündig und reflektiert handeln.« bilden, was draußen wartet«, sagt Westermeyer. »Un­ ben.« Sie habe sich keine Zweifel einreden lassen angeboten. Insbesondere seit den Missbrauchsfäl­
mit einem Gorillaweibchen namens Dieses Ziel stammt von Kurt Hahn, Spross einer sere Schule soll im Kleinen einen Staat spiegeln.« wollen. Als Hormann in der neunten Klasse nach len an der Odenwaldschule stellt sich für Internate
Nadia, das eindeutig »das Weiße« in jüdischen Industriellenfamilie und Ideengeber des Doch auch die Grenzen dieser Idee spiegeln sich im Salem kam, traf sie dort auf eine Schülerschaft, bei die Frage nach ihrer Existenzberechtigung. Viele
den Augen habe. Er stellte fest, dass Internats. Gemeinsam mit dem Prinz Max von Ba­ Kleinen. Absolventen, Schüler und Leitung sprechen der fast alle das neueste iPhone besaßen, »dazu iPads Erziehungsheime finanzieren sich heute durch
die japanischen Forscher nur vier Go­ den schuf er eine Ausbildungsstätte, in der Schüler von der Welt abseits der Schule immer als »draußen«. und MacBooks und Klamotten von Gucci, Prada Schüler, die das Jugendamt schickt. Ein Platz kostet
rillas in ihre Studie einbezogen hatten, mitgestalten. Zugleich etablierte Hahn starke Hie­ Private Schulen vermitteln Unterrichtsstoff nicht und Louis Vuitton«. bis zu 2500 Euro im Monat, die Behörde zahlt,
und begann, Fotos von Gorillas zu rarchien, Schüler konnten in Ämter aufsteigen, ein besser als öffentliche, das belegen Vergleiche auf Auch Bernd Westermeyer war der erste Abitu­ ganz oder teilweise. Im Durchschnitt machen diese
studieren. Sein Ergebnis: Bei 70 Pro­ Schulparlament gab es nicht. Der Historiker Golo Grundlage der Pisa-Ergebnisse. Den eigent­lichen rient seiner Familie. Als Kind fragte er seinen Vater Kinder 20 bis 30 Prozent der Schülerschaft aus.
zent der 60 ausgewählten Westlichen Mann schrieb, der Idee nach sei Salem eine »ideale Grund für die Investition benennt eine 2018 veröf­ nach Taschengeld, der verschaffte ihm einen Job in Für Internate wie Salem ist dieser Weg keine
Flachlandgorillas war Weiß zu erken­ Hitler-Schule«. Dagegen sprechen aus heutiger fentlichte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: »Klien­ der Buchhandlung. Diese Wirklichkeit will er den Lösung. Wollen sie überleben, müssen sie eine neue
nen, bei 7 Prozent war die Lederhaut Sicht nicht nur die Familiengeschichten der Grün­ tel von Privatschulen sind Eltern aus gehobenen Schülern spiegeln, »im Geiste Salems«. Seit Grün­ Sonderrolle finden. Salem setzt auf Erleben: Vogel­
komplett weiß. Mit der weißen Sklera der, sondern auch die Entwicklung im »Dritten Milieus. Sie suchen für ihre Kinder Vorteile durch dung der Schule gibt es dafür soziale Dienste, Schü­ beobachtung statt Arbeitsblätter, Unternehmens­
sind wir also einmal mehr nicht allein Reich«: Das NS-Regime unterstellte Salem zwar bewusste Abgrenzung zu anderen sozialen Gruppen.« ler engagieren sich etwa bei der örtlichen Feuerwehr. besuch statt Wirtschaftstheorie, politische Diskus­
im Tierreich.  CHRI STOPH DRÖS S E R sogar der SS, aber mehrere historische Abhandlun­ Kann jemand, der schon in jungen Jahren von In Ausnahmefällen schickt die Schulleitung allzu sionen, auch mit Schülern von außen.
gen urteilen, das Regime habe »den Kern Salems anderen Lebenswelten abgeschottet wird, diese spä­ selbstbewusste Jungen ins Altenheim. Zu Alten, die Charlotte Hormann, deren Abitur fünf Jahre
nicht treffen« können. ter überhaupt verstehen? Wie passt das zum Ziel weniger Geld haben und einsam sind. Salems Schü­ zurückliegt, studiert heute Wirtschaftsingenieur­
Die Adressen für Heute belegt die Schule immer noch einen von Salem? Zu der Idee, den Staat abzubilden? ler beteiligen sich an Sozialprojekten in anderen wesen in Aachen. Was ist ihr von Salem geblieben?
»Stimmt’s«-Fragen: großen­Teil des Familienschlosses. Die Pädagogik Westermeyer antwortet mit einer Anekdote: Bis Ländern, arbeiten in Flüchtlingscamps und Slums. »Die Art, wie die Leute mit Verantwortung umge­
hat sich aber geändert, Salem hat eine Verfassung, vor Kurzem habe es einen alten Schuster gegeben, Vom Sozialtourismus zurück in die Villa, spotten hen.« Die Studentin engagiert sich im Belegungs­
DIE ZEIT, Stimmt’s?, die Schulleitung trifft viele Beschlüsse zusammen der einen Laden auf dem Gelände betrieben habe. manche. Der Schulleiter sagt: »Selbst das privilegier­ ausschuss ihres Wohnheims, bestimmt mit, wer ein
20079 Hamburg, mit Schülerparlament und Schulsprechern. »Wür­ Als Spross einer Handwerkerfamilie sei er einst teste Kind wird anders auf Lebensmittelverschwen­ Zimmer bekommt. Bei einer Entscheidung seien
oder stimmts@zeit.de. den die Schüler ihre Aufgaben nicht annehmen, Stipendiat gewesen und befreundet mit der späte­ dung reagieren, nachdem es Menschen ­erlebt hat, ihr zwei Dinge wichtig: Rücksicht und Fairness.
Das »Stimmt’s?«-Archiv: wären wir nicht arbeitsfähig«, sagt Westermeyer. ren Königin Sophia von Spanien. Bei jedem Be­ die Essensreste in Mülltonnen suchen.«
www.zeit.de/stimmts Eigentlich wollten sie all dies in diesen Tagen such sei sie in den Laden gehuscht, um sich mit Eine Pädagogik, die über das Lernen hinaus­ Transparenz-Hinweis: Der frühere Chefredakteur
feiern. Ein Festakt war geplant, 100 Jahre Salem. ihrem Schulfreund zu unterhalten. »Sie saßen auf weist, ist typisch für Internate. Die sogenannten der ZEIT, Robert Leicht, war bis 2019 Vorsitzender
AA www.zeit.de/audi Doch das Coronavirus nimmt keine Rücksicht auf Hockern und plauderten«, sagt Westermeyer, »die Landeserziehungsheime galten einst als pädagogische des Trägervereins der Schule Schloss Salem

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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 WISSEN 35
D ER P O LITI SCH E F RAGE BO GEN

1 Welches Tier ist das politischste? der, die Flugpreise si­gni­fi­kant zu erhöhen,
Mit Aristoteles gesprochen: der Mensch. im Kampf gegen den Klimawandel ein
Acht von zehn sind an einem Tisch dafür, großer Fortschritt wäre. In globalen Kri-
Atemmasken zu bevorraten, um sie im sen blockieren Egos und Kleinstaaterei.
Notfall denen zu geben, die sie am drin-
gendsten brauchen. Und wenn das Virus 20 Welche politische Phrase
kommt, bunkern acht von zehn eine möchten Sie verbieten?
Atemmaske. Deshalb braucht es Politik: Alternativlos.
damit wir Menschen nicht unsere gemei-
ne Seite zeigen, sondern unsere andere: 21 Ist der Staat ein Mann oder eine Frau?
die des Gemeinwohls. Bitte begründen Sie.
Der Staat ist eine Familie. Er muss die In-
2 Welcher politische Moment hat Sie teressen höchst unterschiedlicher Akteure
geprägt – außer dem Kniefall von Willy ausgleichen. Was anderes macht Familie?
Brandt?
Tschernobyl. Ich war 17 und trampte ge- 22 Finden Sie es richtig, politische Entschei-
rade von West-Berlin nach München, als dungen zu treffen, auch wenn Sie wissen,
ich im Radio die Nachricht hörte. Wo dass die Mehrheit der Bürger dagegen ist?
fährst du jetzt hin? Was kannst du jetzt Unbedingt. Wenn wir darauf warten,
tun? Ich habe in Wackersdorf demons- dass jeder verstanden hat, warum ein ho-
triert, mich im Wendland an künstleri- her CO₂-Preis wichtig ist, brechen wir
schen Aktionen beteiligt. Doch dieses irgendwann im Frühling bei 45 Grad zu-
Engagement gegen globale Gesundheits- sammen. Wir dürfen nicht auf Straßen-
gefahren ging dann lange verschütt. Mit umfragen reagieren, die sind unerheblich.
der Klimakrise habe ich es aber wieder- Jeder hat das Recht auf eine eigene Mei-
entdeckt. Und jetzt bleibt es. Gesunde nung, aber nicht auf eigene Fakten. Und
Menschen auf einem gesunden Planeten meine stille Hoffnung ist, dass wir durch
– das ist mir zum Lebensthema geworden. die aktuelle Krise neu darüber nachden-
ken, in welcher Welt wir leben wollen.

3 Was ist Ihre erste Erinnerung an Politik? 23 Was fehlt unserer Gesellschaft?
Dieter Hallervorden. Mein Vater trat in Ein soziales Jahr für alle. Früher sind die
der sozialliberalen Ära in die FDP ein, unterschiedlichsten Menschen in der
Leute wie Gerhart Baum fand er gut. Als Bundeswehr oder dem Zivildienst zusam-
Schüler hat er mich mal zu einer Partei- mengekommen. Wenn wir uns nicht wei-
veranstaltung mitgenommen – und da ter zu einer Gesellschaft entwickeln wol-
trat Dieter Hallervorden auf, der ja bis len, wo jeder in seiner eigenen Echokam-
heute Parteimitglied ist. Das war das erste mer bleibt, brauchen wir Orte mit Gene-
Mal, dass ich einen Menschen, den ich rationen- und Weltenmix. Die Wehr-
aus dem Fernsehen kannte, im echten pflicht ist ausgesetzt, überall fehlen Pfle-
Leben gesehen habe. Und auch echte Po- gekräfte, die endlich als »systemrelevant«
litiker. Heute weiß ich: Politik braucht erkannt werden. Deshalb meine einfache
Humor. Nur weil man etwas mit ernstem Idee: Jeder halbwegs Geeignete macht
Gesicht sagt, ist es noch nicht vernünftig. nach der Schule den »Pflegehelfer«, eine
einjährige Ausbildung.
4 Wann und warum haben Sie wegen
Politik geweint? 24 Welches grundsätzliche Problem kann
Klar: beim Mauerfall – weil ich an dem Politik nie lösen?
Tag nicht in Berlin war! Dass es immer mehr natürliche Dumm-
heit gibt als künstliche Intelligenz.
5 Haben Sie eine Überzeugung, die sich

»Ich bin ein alter


mit den gesellschaftlichen Konventionen 25 Sind Sie Teil eines politischen Problems?
nicht verträgt? Na klar: Ich bin ein alter weißer Mann.
Ich bin notorisch unpünktlich, weil ich
mich spontan für vieles mehr begeistern 26 Nennen Sie ein politisches Buch, das
kann als dafür, Fahrzeiten mit einzukal- man gelesen haben muss.
kulieren. Sorry. Wir sind dran von Ernst Ulrich von Weiz-

weißer Mann«
säcker, das ist ein Update des berühmten
6 Wann hatten Sie zum ersten Mal Club-of-Rome-Berichts Die Grenzen des
das Gefühl, mächtig zu sein? Wachstums von 1972. Der Untertitel sagt
Am 20. September 2019 beim internatio- alles: Was wir ändern müssen, wenn wir
nalen Klimastreik. Gemeinsam mit Health bleiben wollen.
for Future, der Charité und vielen anderen
Ärztinnen und Ärzten sprach ich vor dem 27 Bitte auf einer Skala von eins bis zehn:
Brandenburger Tor zu Hunderttausenden. Wie verrückt ist die Welt gerade? Und
Plötzlich, mit weichen Knien, spürte ich:
Der Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen über die FDP, wie verrückt sind Sie?
Es gibt etwas, das uns alle verbindet. Wir die menschliche Dummheit – und das Geheimnis, wieso er bei Tempo 250 nie geblitzt wird Von wem stammt dieser Satz: »Wir brau-
haben noch eine historische ­Chance, die chen mehr Verrückte, denn schaut euch
Erde bewohnbar zu halten. Und ich kann an, wohin uns die Normalen gebracht
als Multiplikator vielleicht einen Teil dazu haben«? Wir reden viel zu viel über »Ver-
beitragen, dass wir unser Verhalten än- zicht« und meinen, ein Grundrecht zu
dern. Mächtig ist vielleicht das falsche haben auf industrielle Schweinenacken-
Wort dafür, besser passt: wirksam. gesagt, probiert mal, ein bisschen weniger 15 Welche politische Ansicht Ihrer ­Eltern steaks und SUVs. Davon steht nichts im
Haarspray zu benutzen, wäre das Ozon- war Ihnen als Kind peinlich? Grundgesetz. Da steht aber »körperliche
7 Und wann haben Sie sich besonders ohn- loch immer größer geworden. Sinnvolle Keine. Mein Vater wurde zu einer Zeit Unversehrtheit«. Dazu gehören so basale
mächtig gefühlt? Verbote sind besser als ihr Ruf. FDP-Mitglied, als einem das noch nicht Dinge wie sauberes Wasser und saubere
Als Arzt in der Kinderneurologie und peinlich sein musste. Luft. Wir müssen nicht das Klima retten,
-psychiatrie. Als ich ein Kleinkind mit 11 Könnten Sie jemanden küssen, der aus sondern uns. Weil dieser Perspektivwech-
Fetalem Alkoholsyndrom betreute. Da ist Ihrer Sicht falsch wählt? 16 Nennen Sie eine gute Beleidigung für ­ sel noch keine absolute Mehrheit hat,
dir klar, dass ein Schaden bleibt, ein Le- Meine Frau hat jahrelang falsch gewählt, einen bestimmten politischen Gegner. würde ich die Verrücktheit der Welt bei
ben lang, weil die Mutter in der Schwan- also anders als ich – und ich küsse sie »Ich würde mich gerne geistig mit Ihnen 9,5 ansiedeln. Und meine eigene? Meine
gerschaft getrunken hat. Das sind pro durchgängig gern. duellieren. Aber ich sehe, Sie sind unbe- Frau würde fragen: »Geht auch 12?«
Jahr rund 12.500 neue Fälle in Deutsch- waffnet.«
land. 12 Haben Sie mal einen Freund oder eine 28 Der beste politische Witz?
Freundin wegen Politik verloren? 17 Welche Politikerin, welcher Politiker Im Kalten Krieg treffen sich Willy Brandt
8 Wenn die Welt in einem Jahr untergeht – Und wenn ja – vermissen Sie ihn oder sie? hat Ihnen zuletzt leidgetan? und Walter Ulbricht. Um das Eis zu bre-
was wäre bis dahin Ihre Aufgabe? Sie Ich habe einen Verwandten, der AfD Klaus Töpfer. Ich durfte unlängst eine chen, sagt Brandt: »Herr Ulbricht, ich
dürfen allerdings keinen Apfelbaum wählt. Ich habe mal versucht, einige Ar- Laudatio auf ihn halten. Preise bekommt habe ein Hobby: Ich sammle Witze, die
pflanzen. gumente anzubringen, warum wir als Ein Sammelbild aus den 1950ern zeigt man immer dann, wenn man sie nicht die Leute über mich erzählen.« Darauf
Ich würde einen Apfelkuchen backen. Enkel von Geflüchteten keine Rassisten eine mittelalterliche Pest-Szene mehr braucht. Töpfer war ein echter Vi- Ulbricht: »Ist ja interessant, ich habe ein
Mit Schlagsahne. unterstützen sollten, habe aber leider ge- sionär und hat schon 1992 in Rio für die sehr ähnliches Hobby: Ich sammle Leute,
merkt, dass ich gegen Filterblasen-Logik Aufforstung des Amazonasgebietes ge- die Witze über mich erzählen.«
9 Sind Sie lieber dafür oder dagegen? nicht ankomme. kämpft. Pioniere erkennt man an den
Dafür. Und ich interessiere mich zuneh- Und wie gehen Sie auf Familientreffen Pfeilen im Rücken. Er musste mitansehen, 29 Was sagt Ihnen dieses Bild? (Pestbild;
mend auch nur noch für Leute, die für nun miteinander um? dass es 30 Jahre gedauert hat, bis eine Mittelalter)
etwas sind. Zur nächsten Einladung bin ich nicht Außenseitermeinung Allgemeingut wird. Dass die Leute im Mittelalter demütiger
Sind nicht Neinsager oft interessanter? mehr gegangen. Aber ich will das noch Und hoffentlich bald Gesetz. dem Geschenk des Lebens gegenüber wa-
Im Gegenteil, die sind öde, vorhersehbar. mal in Ruhe und direkt besprechen. ren als wir heute. Weil sie klar vor Augen
Den Schreihälsen und Neinsagern so viel Jede Woche stellen wir Politikern 18 Welche Politikerin, welcher Politiker hatten, wie schnell alles vorbei sein kann.
Platz einzuräumen, halte ich für eine 13 Welches Gesetz haben Sie mal und Prominenten die stets selben müsste Sie um Verzeihung bitten?
schreckliche mediale Verzerrung, in der gebrochen? Fragen, um zu erfahren, was sie als Niemand. Alle wünschen sich immer 30 Wovor haben Sie Angst – außer dem Tod?
Politik wie aktuell bei Corona. Auf jeden Das übliche. Aber seit ich mit Bahncard kantige und authentische Politiker. Und Dass ich später feststellen muss, ich habe
durchgeknallten Partygänger kommen 100 fahre, werde ich selbst bei Tempo 250 politische Menschen dann wird jeder fertiggemacht, dem mal zu viel Zeit mit falschen Dingen ver-
Tausende, die zu Hause bleiben. Diese ge- nicht mehr geblitzt. ausmacht – und wie sie dazu ein halbgarer Halbsatz rausrutscht – da- bracht.
hören in die Zeitung, ins Fernsehen, auch wurden. Und wo sich neue Fragen raus dann Skandale oder Kabarett zu ma- Was war falsch?
wenn es nicht so spektakulär ist. Nennt 14 Waren Sie als Schüler beliebt oder unbe- chen, fand ich nie besonders erhellend. Eine Menge. Analog wie online. Aber ein
sich Kommunikation sozialer Normen liebt, und was haben Sie daraus politisch ergeben, haken wir nach. Leben ohne Unsinn wäre erst recht sinn-
und hält den Laden zusammen. gelernt? Die Nachfragen setzen wir kursiv 19 Welche Politikerin, welcher Politiker los, sagt Viktor Frankl. Jeder Mensch hat
Ich war Klassensprecher und Mitglied der sollte mehr zu sagen haben? zwei Leben. Und das zweite beginnt,
10 Welche politischen Überzeugungen haben Schülervertretung. Wir haben damals Bundespolitiker und Europapolitiker. wenn man kapiert: Du hast nur eins.
Sie über Bord geworfen? eine Aluminiumsammelstelle eingerich- Bundespolitiker, weil man dann in der ak-
Dass man allein auf die Vernunft des In- tet. Politisch gelernt habe ich daraus: tuellen Corona-Krise viel schneller ein- 31 Was macht Ihnen Hoffnung?
dividuums setzen sollte. Seitdem ich mich Wenn man Joghurtdeckel sammelt und heitliche, wirksame Maßnahmen zur Ein- Dass viele junge bunte Menschen wissen,
mit Klima und Gesundheit beschäftige, sich niemand zuständig fühlt, sie zu rei- dämmung des Virus hätte ergreifen kön- was die richtig wichtigen Dinge sind.
bin ich ein großer Freund ordnungspoli­ nigen, werden aus Idealismus sehr schnell nen. Und Europapolitiker, weil zum Bei-
tischer Lösungen geworden. Hätte man Dinge, die zum Himmel stinken. spiel eine Vereinbarung aller EU-Mitglie- Die Fragen stellte Peter Dausend

Illustration: David de las Heras für DIE ZEIT; Kl. Bild: Interfoto
Eckart von Hirschhausen, 52, wuchs in Berlin auf. Er studierte Medizin und arbeitet heute als Journalist,
Kabarettist und Moderator. Mit Scientists for Future setzt er sich für politisches Handeln gegen die Klimakrise ein
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X | IT UND DIGITALISIERUNG | Ein Spezial des Zeitverlags Ein Spezial des Zeitverlags | FORSCHUNGSWELTEN | ANZEIGE1

Arbeiten im Homeoffice
PLÖTZLICH SIND
ALLE DIGITAL
UNTERWEGS
Eine der überraschendsten Erkenntnisse
dieser Tage: Das Coronavirus treibt die digitale
Transformation voran. Unternehmen erkennen,
wie überlebenswichtig digitale Prozesse sind
– und bauen Vorbehalte ab, auch wenn es um
Recruiting oder Lernen geht.

Jetzt digitalisieren. Oder untergehen


MICHAEL PRELLBERG Corona-Krise hatten sich gera- muss erprobte Abläufe ändern, Das ändert sich, seitdem das Co- zum langfristigen Erfolg sieht derAus dieser Zwickmühle gibt es mit elektronischen Elementen
de Mittelständler vor der digi- sich mit darob ergrimmten Mit- ronavirus den Büroangestellten Geschäftsführer der Digitalbera- zwei Auswege: das Outsourcen bestückt. Der gesamte Produkti-
Was hat sich geändert durch talen Transformation gedrückt. arbeitern arrangieren und zu- fast die Pflicht zum Homeoffice tung etventure in der Entwick- von IT-Aufgaben an spezialisier- onsablauf wird digital abgebildet,
das Coronavirus? Wenn wir Als das Beratungsunternehmen dem Geld investieren. Also zuck- aufbürdet – das Arbeiten am lung neuer digitaler Geschäfts- te Dienstleister und den Einsatz jeder einzelne Fertigungsschritt.
später auf diese turbulenten IDC im Herbst 2019 fragte, wie ten viele Unternehmen zurück: heimischen Schreibtisch funkti- modelle. Sich auf die digitalen von neuen Technologien, die das
Wochen zurückblicken, werden die Unternehmen vorankommen »Klappt doch auch so!« Es klappt oniert nur mit der entsprechen- Workflows zu konzentrieren, füh- bestehende IT-Team entlasten. Keine Fachkräfte?
wir feststellen: Wir arbeiten di- mit der Umstellung auf elektro- allerdings mäßig. Auf die Frage, den elektronischen Ausstattung. re »in die falsche Richtung«. Da- Diese Technologien haben einen Aufgaben einfach
gitaler. Weil es nicht ausreicht, nische Prozesse, antwortete ein wofür sie im Umgang mit Doku- Und auf einmal stellen Unterneh- rüber ließe sich streiten. Insbe- weiteren Vorteil: Sie sind mittler-
mal outsourcen!
Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Viertel: »Machen wir längst!« Der menten am meisten Zeit aufbrin- men fest, wie einfach der Einstieg sondere für Mittelständler ist dieweile so user-freundlich, dass die
ter ins Homeoffice zu schicken Rest arbeitete dran, plante oder gen, sagen zwei Drittel der Büro- in digitale Geschäftsprozesse ist. angeblich unzureichend qualifi- Gibt es Verzögerungen? Wie sieht
und anzuordnen: »Nun macht angestellten: fürs Suchen. Bis zu Längst gibt es Software-Lösun- zierten Mitarbeiter problemlos es mit dem Material aus? Werden
Zwei Stunden am Industrie 4.0? Erst
mal schön!« Um arbeitsfähig zu zwei Stunden verplempern sie »Es geht gen, die Dokumente elektronisch mit ihnen zurechtkommen.Tat- kritische Werte unter- oder über-
sein, braucht es die passende Tag werden mit damit jeden Tag. Doch »die größ- ordnen und archivieren und da- die Hausaufgaben sächlich sind derzeit weniger schritten, können die Mitarbeiter
Ausstattung: Zugang zu Daten te Barriere beim Einstieg in ein
darum, Hierar- rüber hinaus standardisierte Spezialisten für revolutionäre sofort reagieren und etwa Waren
Suchen vergeudet
und Dokumenten, Software für digital versiertes Unternehmen chien abzubauen Workflows anbieten. Damit ha- Umstellung auf elektronische Ge- »Industrie 4.0«-Konzepte gefragt nachbestellen?
Telefon- und Videokonferenzen dachte zumindest darüber nach. ist die Tatsache, dass der Trans- und Silos einzu- ben alle berechtigten Mitarbei- schäftsprozesse der Startschuss als Angestellte, die offen sind für Im westfälischen Delbrück
und Kollaborations-Tools für Und einige wenige planten, dar- formationsprozess einem kul- ter – egal von wo sie arbeiten – für die digitale Transformation. Aufgaben mit digitalem Kontext. verhindert der Verpackungsher-
reißen.«
den schnellen Austausch. Wo über nachzudenken. Nur 19 Pro- turellen Wandel gleichkommt«, jederzeit Zugriff. Und für alle ist Mit dem Wissen darüber, wie steller Josef Schulte GmbH, dass
das fehlt, heißt es: rasch nach- zent der Mittelständler sind laut sagt Niklas Mahrdt, Professor für transparent, wie weit beispiels- schnell dieser Umstieg gelingt Die Digitalisierung Gabelstapler in den Produkti-
rüsten und digitalisieren. Oder IDC darauf vorbereitet, Abläufe digitale Transformation. »Es geht weise eine Rechnung gerade be- und wie effizienter die Prozesse ist zugleich eine onshallen miteinander kolli-
untergehen. im Büro umfassend zu digitali- darum Hierarchien abzubauen arbeitet ist. anschließend laufen, wächst dieren: geht jetzt alles automa-
sieren. und Silos einzureißen.« Genau Optimierte Prozesse sind für auch die Zuversicht für weitere
Kulturrevolution tisch. »Unser Auslastungsgrad
Damit ist die Zeit des Zögerns Für das Zögern gibt es Grün- davor schrecken viele Unterneh- Philipp Depiereux allerdings nur Schritte in die digitale Welt. Andre Lipsmeier, Wissenschaft- ist seitdem höher, die Rüst- und
abgelaufen. Bis zum Start der de. Wer Prozesse digitalisiert, menslenker zurück. »Hausaufgaben«. Den Schlüssel Leider halten nur 28 Prozent ler am Fraunhofer IEM in Pader- Produktionszeiten kürzer und
der Unternehmen ihre Mitarbei- born, beobachtet einen Wandel unsere Lagerhaltung schlanker
ter für ausreichend qualifiziert, vom »Hype Industrie 4.0« hin zu geworden«, sagt Geschäftsführer
In der Industrie 4.0
sind die Maschi-
nen vernetzt und
   

   interagieren.
Viele Unternehmen
entdecken derzeit,
dass sie schleunigst
ihre Mitarbeiterin-
nen und Mitarbei-
ter miteinander
vernetzen sollten,
damit sie mobil und
flexibel arbeiten
können. So rückt
das digitale Büro
mit elektronischen
Workflows ganz
nach oben auf die
To-do-Liste.

die Digitalisierung voranzutrei- langfristigen Strategien: Erst ein- Dietmar Schulte. Die Produktion
ben. Und 76 Prozent der bei einer mal die Hausaufgaben erledigen konnte insgesamt um mehr als 15
etventure-Umfrage Befragten und die internen Prozesse digi- Prozent gesteigert werden.
nennen »fehlende qualifizierte talisieren. In Delbrück haben sie ihre
Mitarbeiter mit Digital-Know- Auf dieser gesunden Basis Hausaufgaben erledigt. Und



how« als größtes Hemmnis bei lässt sich aufbauen – dann ist »In- dann einfach weitergemacht.
der Umsetzung der digitalen dustrie 4.0« kein Hype, sondern Denn die digitale Transforma-
Transformation. Doch der Markt ein zukunftsfähiges Geschäfts- tion, einmal angestoßen, geht
ist leer gefegt. Wer IT-Kenntnisse modell. So wie bei der Helmut immer weiter und weiter. Auch
hat, kann sich seinen Arbeitgeber Beyers GmbH, die in Mönchen- wenn Corona längst vergessen
aussuchen. gladbach unter anderem Platinen sein wird.

Mehr IT wagen
  
  63 Prozent der Unternehmen
$    " % ! im deutschsprachigen Raum
 
!!! erhöhen laut Capgemini-
Umfrage ihre IT-Ausgaben
2020. Wichtigstes Ziel: Aus-
bau der Digitalisierung, um
die Effizienz zu erhöhen und
Kosten zu reduzieren.

IMPRESSUM
Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: ZEIT Verlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Helmut Schmidt Haus, Speersort 1, 20095
Hamburg Geschäftsführung: Dr. Rainer Esser Art Direktion: Kay Lübke, Dietke Steck Realisierung: TEMPUS CORPORATE GmbH
– Ein Unter nehmen des ZEIT Verlags Redaktion: Michael Prellberg Projektmanagement: Stefanie Eggers Grafik: Jan Paschetag
Lektorat: Egbert Scheunemann Illustrationen: iStockphoto Chief Sales Offi cer ZEIT Verlagsgruppe: Áki Hardarson Anzeigenpreise:
Preisliste Nr. 65 vom 1. Januar 2020
2 Ein Spezial des Zeitverlags | IT UND DIGITALISIERUNG | ANZEIGE

Unser digitales Netz


Natürlich könnten wir weitgehend non-digital leben.
Doch das Coronavirus zeigt uns eindrücklich, wie sehr wir
im Alltag davon profitieren, auf digitale Netzwerke zurück-
greifen und ausweichen zu können – beim Arbeiten, beim
Lernen und in unserem persönlichen Leben.

Wie IT-Fachkräfte Was Schulen beim E-Learning von


zu finden sind Unternehmen lernen können
MICHAEL PRELLBERG sozialen Medien immer wich- können sie Geschäftsprozes- MICHAEL PRELLBERG des Verbands Bildung und Erzie- der Personalabteilung der Otto didaktisch besser geworden und
tiger. Auf Instagram oder Face- se automatisieren und so die hung. Für Bewegung soll eigent- Group für den externen und den »ermöglichen flexibles, zeit- und
Der Markt für IT-Fachkräfte book posten Azubis, wie es bei gesamte Versicherungsbran- Seitdem die Schulen ge- lich der »DigitalPakt Schule« sor- internen Talentpool verantwort- ortsunabhängiges Lernen«, sagt
ist leer gefegt? Wer Talente ihrem Projekt vorangeht. Das che umkrempeln. Und wenn schlossen wurden, hat sich gen, der im Mai 2019 angelaufen lich ist. Das betreffe auch Sach- KfW-Chefvolkswirtin Köhler-
anziehen will, darf sich nicht Video über den neuen Digital- die Bundeswehr in Zeitungen die Diskussion um digitales ist: Fünf Milliarden Euro gibt der bearbeiter, die vorher nie etwas Geib. »Damit passt es besonders
allein auf Stellenanzeigen Hub gibt es auf YouTube. Und und auf Werbeplakaten fragt, Lernen verändert. Die »Sinn- Bund den Schulen bis 2024, da- mit Technik zu tun hatten. Des- gut zu den Anforderungen klei-
verlassen. Arbeitgeber müs- die Chefs zeigen mit Beiträgen voll oder nicht?«-Debatte mit die ihre IT-Infrastruktur in halb täte die Otto Group »alles, ner Unternehmen«.
sen sich auch dorthin wagen, auf sozialen Plattformen, dass wird ersetzt durch die Frage, die digitale Ära hieven. Doch in um unseren Mitarbeitern den
Vom Finden. Und Offen sein für
wo die jungen Frauen und sie längst in der digitalen Ära wie wir E-Learning in Schu- den Schulen ist davon bislang Weg in die Digitalisierung zu
Männer unterwegs sind: in angekommen sind. Gefunden-Werden len überhaupt ermöglichen. wenig angekommen. erleichtern«. die permanente
die sozialen Medien. Zum Es braucht allerdings an- Deutsche Unternehmen Im Vergleich zu den Schulen Veränderung
Erfolg führt der crossme- sprechende Inhalte, um die eige- »Wie ziehst du eine Firewall machen vor, wie es geht. stehen viele Unternehmen deut- Digitalkompetenz ist
diale Ansatz, der »analog« ne Präsenz direkt oder indirekt um ein Feldlager?«, hat sie et- lich besser da: Sie verfügen über überlebenswichtig Die großen Unternehmen nut-
und »digital« als Partner im zum Recruiting zu nutzen. An- was Grundsätzliches verstan- Mehr als zehn Millionen Schü- eine solide IT-Infrastruktur und zen E-Learning natürlich auch.
Austausch begreift. sagen wie »Wir sind der führen- den: Eine lockere Ansprache lerinnen und Schüler müssen tauschen sich täglich auf digi- »Weiterbildung ist die wich- Dennoch setzen weniger als 20
de Softwareentwickler im Sau- mit Augenzwinkern hilft beim wochenlang, vielleicht sogar talen Wegen aus. Das hilft auch tigste Lösungsstrategie«, sagt Prozent der multinationalen
Die klassische Stellenanzeige erland – bewirb dich bei uns!« Recruiting. monatelang zu Hause bleiben. bei der Weiterbildung: Virtu- die KfW-Chefvolkswirtin Frit- Konzerne primär auf digitale
verströmt nicht gerade Sex- werden als plumpe Anmache Nun hantiert nicht jedes Und sollen – müssen – trotz- elle Meetings und Webinare zi Köhler-Geib. Das haben die »Weiterbildung Formen der Weiterbildung, wie
appeal. »Viele Personalmana- ignoriert. Wer wahrgenommen Unternehmen mit einem so dem unterrichtet werden. Das sind den Mitarbeiterinnen und deutschen Unternehmen ver- ist die wichtigste eine Umfrage des Beratungsun-
ger geben sich einfach wenig werden will, muss interessant gewaltigen Werbeetat, doch geht nur digital. Mitarbeitern mehr oder minder standen: 54 Prozent erhöhten ternehmens KPMG ergeben hat.
Mühe mit dem attraktiven sein. Wobei: Was junge Men- für »Social Recruiting« müssen Damit beginnen die Prob- vertraut. im vergangenen Jahr ihr Budget
Lösungsstrategie Der Seminarraum mit Präsenz-
Texten von Stellenangeboten«, schen für interessant halten, nicht unbedingt Riesensum- leme. Schulen sind auf Präsenz für Weiterbildung, ergab eine gegen mangelnde pflicht setzt nach wie vor den
ausgerichtet, selbst der Einsatz Die Schulen sind auf Bitkom-Umfrage. Wer sich heu- Digitalkompetenz Standard. Dafür gibt es einen
IT-Fachkräfte
und -Talente digitaler Medien im Unterricht Präsenz ausgerichtet te beruflich weiterbilden will,
in den deutschen überzeugenden Grund: Unter-
werden hände- ist umstritten. Und wo sich kann sich dafür auch zu Hause nehmen wollen bei der Weiter-
ringend gesucht. Lehrer offen zeigen für Digita- Digitalkompetenz ist überle- mit Smartphone oder Laptop Unternehmen.« bildung zugleich den Austausch
Wenn Arbeitge-
ber vergeblich les, mangelt es häufig am Geld benswichtig, denn sie sichert die aufs Sofa setzen und ein Tuto- der Mitarbeiter fördern – und
fahnden, suchen – schon für die Grundausstat- Zukunft der Unternehmen. Eine rial anschauen. Etwa auf You- das geht am besten, wenn man
sie vielleicht
tung. Einige Schulen können Umfrage der KfW Bankengruppe Tube. Unter den Videos können sich persönlich begegnet. Um
nur falsch.
Soll sagen: »mangels IT-Infrastruktur«, wie förderte 2019 zutage, dass 38 Pro- Nutzer oft bereits ihre Fragen diesen Austausch nicht zu kap-
Die klassische es etwa aus Mecklenburg-Vor- zent der Mittelständler fehlende oder Kommentare posten und pen, favorisieren Unternehmen
Stellenanzeige
pommern heißt, keine Aufgaben Fachkräfte und mangelnde IT- mit Kollegen aus der Lerngrup- beim E-Learning hybride For-
hat weitgehend
ausgedient. per Internet übermitteln. Viele Kenntnisse bei den Mitarbeitern pe teilen. Das wichtigste Lern- men: teils digitale, teils persön-
Lehrer kommunizieren derzeit als größte Hürde bei ihrer digita- ziel sei eine neue Einstellung, liche Präsenz.
per E-Mail mit ihren Schülern. len Transformation werten. Das sagt Daniel Schütt, Gründer des Sie orientieren sich damit an
»Jetzt rächt sich, dass sich in sieht in den Großunternehmen E-Learning-Anbieters Master- einer Erkenntnis aus den Schu-
Deutschland bei der Digitalisie- ähnlich aus: »Auch klassische plan: »Man muss offen sein für len: E-Learning ist sinnvoll und
rung der Schulen so lange nichts Bereiche entwickeln auf einmal permanente Veränderung.« hilfreich, doch der persönliche
richtig bewegt hat«, sagt Udo einen Tech-Schwerpunkt«, hat Digitale Lernformate sind Austausch ist durch nichts zu
Beckmann, Bundesvorsitzender Svenja Müller festgestellt, die in inzwischen technisch und toppen.

kritisiert Monika Zehmisch, die deckt sich nicht unbedingt mit men eingesetzt werden. Eine
als Xing-Ambassadorin täglich dem, was Geschäftsführer oder preiswerte Option ist »Active
mit Job-Offerten zu tun hatte. Marketeers für interessant hal- Sourcing«: Über ein Jobmat-
Oft präsentieren sich die Stel- ten. Solche Missverständnisse ching-Tool finden Arbeitgeber
lenanzeigen als lange Liste mit sorgen für Image-Flops, die und potenzielle Kandidaten
Anforderungen, die Kandidaten entweder ohne Widerhall un- zusammen. Eine andere Mög-
erfüllen sollen, garniert mit dem tergehen oder gar Häme ein- lichkeit besteht darin, »Influen-
Versprechen auf »interessante bringen. Und wer heuert schon cer« für sich zu gewinnen, auf
Aufgaben«. Das geht besser. bei einem Arbeitgeber an, den deren Tipps und Empfehlungen
Das muss auch besser gehen, man peinlich findet? gehört wird.
denn die Zeiten haben sich ge- Solche »Influencer« gibt es
ändert. Fachkräfte und Talente Mitarbeiterinnen außer im Netz im ganz realen
– nicht nur im IT-Bereich – kön- Leben: Es sind die Mitarbeite-
nen sich ihren Arbeitgeber aus-
und Mitarbeiter rinnen und Mitarbeiter. Ihre
suchen. Und genau das machen werden zu Glaubwürdigkeit ist nicht zu
sie auch. Sie wollen spannende Influencern toppen. Und je positiver sie
Aufgaben, wollen gestalten, über ihren Arbeitgeber spre-
wollen tolle Kollegen – und Das eigene Wirken interessant chen, desto attraktiver wirkt er.
das Gehalt darf auch stimmen. darzustellen halten nicht nur Empfehlungsmarketing ist das
Fach- und Nachwuchskräfte Softwareentwickler im Sauer- beste Marketing.
schauen sich um, bei welchem land für arg ambitioniert – und Womit sich zeigt: Obwohl
Arbeitgeber ihre Erwartungen liegen falsch. Gerade weil Men- Stellenanzeigen und -portale
erfüllt werden. Das macht die schen eine Arbeit suchen, in der unverzichtbar bleiben, sind
Stellenanzeige nicht überflüs- sie etwas bewirken und bewe- sie nur die Pflicht. In der Kür
sig, doch wer auf dem Radar der gen können, eröffnen sich vie- zeigen sich Unternehmen und
lerlei Chancen für Arbeitgeber. andere Arbeitgeber auf analo-
Die Digitalisierung verändert gen wie auf digitalen Kanälen
Der Arbeitgeber
wird ausgesucht
viele Prozesse – und manchmal
sogar ganze Geschäftsmodelle.
nahbar und unterhaltsam, kre-
ativ und locker. Die passende ') " !, ")  -"*)
,),-% *-) "* # " ),&(
Damit entstehen reizvolle Auf- Tonalität und die stimmigen
Talente und Fachkräfte auftau- gaben. In Unternehmen wird Inhalte schüttelt niemand aus
chen möchte, muss Recruiting über Robotics und Künstliche dem Ärmel, deshalb ist es klug,
umfassender verstehen und Intelligenz diskutiert, und die sich einen externen Partner

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angehen. Cloud ist längst Alltag. Plötz- ins Haus zu holen. Denn in-
Es geht darum, auch in Kon- lich sind IT-Architekten gefragt, tern wird vieles für selbstver-
takt zu solchen Kandidaten zu und es wird bei Beratern ange- ständlich genommen, was in
kommen, die nur bedingt nach klopft, wie digitale Workflows der Außenperspektive als »un-
einem neuen Job suchen und optimiert werden können. gewöhnlich«, »spannend« oder
daher keine Stellenanzeigen le- Daraus ergeben sich viel- jedenfalls attraktiv gewertet
sen. Um diese wesentlich größe- fältige Chanen zum Jobeinstieg wird. Und damit Ansatzpunkte "  -" ,)"
 " ).")""" /#"   *"1)"
re Gruppe zu erreichen, müssen und -wechsel mitsamt glänzen- liefert, um künftige Mitarbeite-
" - /#" # ,)%%" !, ,&    !  
Arbeitgeber auf allen Kanälen den Karriereaussichten, selbst rinnen und Mitarbeiter zu inte-
vermitteln, dass die Aufgaben in scheinbar non-digitalen ressieren.          
  
bei ihnen tatsächlich interes- Branchen. In Banken können Vielleicht ist das die eigent-              
sant sind. Werbekampagnen in Frauen und Männer mit Inter- liche Revolution: Heute geht es
Zeitungen und Magazinen hel- esse an IT beispielsweise effizi- weniger darum, die richtigen
 "1 *, -",) ")0"&+-/*
fen dabei ebenso wie Werbe- entere Transaktionsketten oder Mitarbeiter zu finden, als da-
kampagnen, die für Sichtbarkeit gar digitalisierte Plattformen rum, von ihnen gefunden zu
sorgen. Und längst werden die aufbauen. In der Assekuranz werden.
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 DIEZEIT 38

STELLENMARKT
Die Position

Schule, du hast ein Problem!


Wer Krisen durch Bildung überwinden will, muss die Lehrpläne entrümpeln und das Lehramtsstudium ändern  VON KLAUS ZIERER

Krisen führen dazu, innezuhalten, doch um sie zu ver- worden sind und diese wiederum von Lehrplänen ­da­ dabei ist nicht, Schule leichter zu machen, sondern heraus- entwickeln auch Teamfähigkeit, durch die der Lehrer-
stehen und auch lebenspraktisch zu bewältigen, dafür vor, um ein Bonmot von Erich Kästner aufzugreifen.­ fordernder, weil sinnvoller. Wird nämlich neue Lernzeit beruf professioneller wird.
bedarf es vor allem einer Sache: Bildung. So beruhi- Musisches ist häufig nur Präambellyrik. Daran ändert auch frei, kann man mehr in die Tiefe gehen. Zweitens kann Zudem lohnt es sich, Prüfungsformate zu überdenken.
gend es anmuten mag, wenn die politischen Entschei- die viel beschworene »Kompetenzorientierung« wenig. man dann einen »Epochenunterricht« umsetzen: Über Seit Jahr und Tag fordern wir von angehenden Lehrern
dungsträger in Krisen besonnen agieren – die ganze Menschen lernen heute über immer weniger immer mehr mehrere Wochen hinweg arbeiten Lernende in allen­ perfekte Prüfungsstunden. Warum eigentlich? Man be-
Bevölkerung täte gut daran, eine solche Bildung vorzu- – und vergessen es in einem atemberaubenden Tempo. Fächern an aktuellen Themen wie Klima oder Corona; denke, dass eine Lehrerin im Lauf ihres Lebens 35.000
weisen. Denn so lässt es sich vermeiden, dass zu viele Natürlich, das deutsche Bildungssystem erzielt immer sie eignen sich dabei sowohl fachliches Wissen als auch Schulstunden zu unterrichten hat – und keine davon­
Menschen zum Spielball von Demagogen werden. wieder messbare Erfolge. Doch die für aktuelle Heraus- überfachliche Fähigkeiten an. Drittens kann man Musik, absolut perfekt sein wird. So gesehen ist doch nicht der-
Krisen wie die Klima- oder die Corona-Krise zeigen forderungen wesentlichen Facetten von Bildung lassen Kunst und Sport endlich mehr Aufmerksamkeit widmen. jenige professionell, der keine Fehler macht! Sondern
eindringlich: Die großen Herausforderungen der Zeit sind sich nicht so einfach messen. Sind es Verzicht und Demut, Schule lässt sich indes nur umgestalten, wenn man derjenige, der im Fehler den Motor der Entwicklung sieht.
im Sinne des Erziehungswissenschaftlers Wolfgang Klafki die bei der Klimakrise oben stehen, so ist aktuell Solida- auch die Lehrerbildung ändert: Hier sind ähnlich wie Die Erziehungswissenschaft, die für die Lehrerbil-
»epochaltypisch« – sie sind global, weil sie über die Welt rität gefordert. Es ist die Stunde der Werte. Bildung um- an Schulen »Epochenmodule« notwendig. In diesen dung den wissenschaftlichen Rahmen stellt, braucht
hinweg vernetzte Gesellschaft betreffen; interdisziplinär, fasst nicht nur Wissen und Können, sondern ebenso Herz setzen sich angehende Lehrpersonen mit aktuellen­ ein Selbst- und Weltverständnis, das nicht nur misst
weil sie nicht nur aus einem Fach heraus beleuchtet werden und Charakter, nicht nur das Wahre, sondern Herausforderungen auseinander, erschließen und alles, was sich nicht messen lässt, ausklammert.
Foto: Universität Augsburg

können; ethisch, weil sie immer einen moralischen Kern auch das Schöne und das Gute. Es geht also um diese aber nicht nur in ihren eigenen Fächern, Normative Fragen fallen sonst aus dem Fokus. Doch
in sich tragen. all das, was den Menschen zum Menschen sondern arbeiten interdisziplinär: eine ange- auch sie sind wissenschaftliche Fragen – sie brauchen
Global, interdisziplinär, ethisch – wenn man diesem macht. Kurzum: Es geht um Haltungen. hende Physiklehrerin mit einem Religions- aber andere Zugänge.
Anspruch die Bildung gegenüberstellt, die Schulen derzeit Wie lässt sich eine solche Bildung in Schulen lehrer und einem Deutsch-Studierenden zum Die Corona-Krise wird nicht die letzte Krise sein.
vermitteln, zeigt sich ein Problem: Das Kognitive domi- erreichen? Erstens ist eine umfassende Ent- Beispiel. Damit lernen sie selbst nicht nur, Damit wir auf die nächste bestens vorbereitet sind,
niert in Lehrplänen, die von Lehrplänen abgeschrieben rümpelung der Lehrpläne notwendig. Das Ziel über den Tellerrand zu blicken, sondern sie müssen wir anfangen, Bildung neu zu denken.

Klaus Zierer
ist Professor für Schulpädagogik
an der Universität Augsburg

Bei der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora ist zum nächstmöglichen Zeit-
punkt die Stelle eines

Leiters der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora (m/w/d)


Die Schöpflin Stiftung mit Sitz in Lörrach engagiert sich für kritische Bewusstseinsbildung, eine lebendige Demokratie sowie eine vielfältige zu besetzen.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst e. V. (DAAD) ist die
Gesellschaft. Mit unserer Arbeit wollen wir für die jüngeren und kommenden Generationen die Weichen für eine bessere Zukunft und ein Organisation der deutschen Hochschulen und ihrer Studierenden zur Mittelbau-Dora steht exemplarisch für die Geschichte der KZ-Zwangsarbeit und der Untertage-
verlagerung von Rüstungsfertigungen im Zweiten Weltkrieg. Mehr als 60.000 Menschen aus fast
selbstbestimmtes Leben stellen. Als Förderstiftung unterstützen wir überregional innovative Organisationen. Als operative Stiftung engagieren Internationalisierung des Wissenschaftssystems. Er schafft Zugänge zu allen Ländern Europas, vor allem aus der Sowjetunion, Polen und Frankreich, mussten zwischen
wir uns lokal in den Bereichen Prävention, Bildung und Partizipation. Dabei verstärken sich überregionale Förderungen gesellschaftlicher den besten Studien- und Forschungsmöglichkeiten für Studierende, For- 1943 und 1945 im KZ Mittelbau-Dora Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten.
Jeder dritte von ihnen starb. Heute ist Mittelbau-Dora ein europäischer Lern- und Gedächtnisort.
Innovationen und operativ tätige lokale Lörracher Angebote mit Laborcharakter wechselseitig. schende und Lehrende durch die Vergabe von 145.000 Stipendien jähr- Relikte im ehemaligen Lagergelände und im Stollen zeugen von den Verbrechen, aber auch vom
Um den Stiftungsvorstand für die Zukunft zu stärken, sind die Vorstands-Aufgabenbereiche weiter zu profilieren sowie eine anstehende lich rund um den Globus. Er fördert transnationale Kooperationen und wechselvollen Umgang mit der Geschichte. Dauer- und Wechselausstellungen regen zur kritischen

Verkleinerung von einem aus drei Personen bestehenden auf einen ausschließlich familienexternen zweiköpfigen Vorstand vorzubereiten. Am Partnerschaften zwischen Hochschulen und ist die Nationale Agentur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit an, insbesondere auch mit der engen Einbindung der
Konzentrationslager in die deutsche Gesellschaft. Von den mehr als 60.000 Besucher*innen der
Stiftungsstandort Lörrach suchen wir daher zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein für die europäische Hochschulzusammenarbeit. Der DAAD unterstützt KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora pro Jahr wird über die Hälfte in unterschiedlichen Formaten
damit die Ziele der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, der natio- pädagogisch begleitet.
nalen Wissenschaftspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit.
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands Zu den wesentlichen Aufgaben des Leiters der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, der dem
Stiftungsdirektor unmittelbar zugeordnet ist, gehören:
r ndete Erhaltu
- die wissenschaftlich begrü t ng und Weiterentw
t icklung der KZ
K -Gedenk
n stätte Mittelbau-

(m,w,d / 100%) Zum 1. Februar 2021 sucht der DAAD einen/eine Dora als einem exemplarischen Ort des KZ-Systems im „totalen Krieg“, der Untertagever-
lagerung der Rüstungsindustrie und der NS-Zwangsarbeit

IHRE AUFGABEN Generalsekretär/Generalsekretärin (m/w/d) - die Fach- und Dienstaufsicht über die Mitarbeiter*innen der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora
- die Mitentwicklung von zukunftsfä f higen wissenschaftlich fundierten museologischen Formaten
• Sie sind für alle operativen Einrichtungen und Projekte der Stiftung in der Region Lörrach verantwortlich. und entsprechenden Formaten der historisch-politischen Bildung in KZ-Gedenkstätten (Ausstel-
lungen, Publikationen, Betreuungsformate für Besuchergruppen, digitale Strategien)
• Sie übernehmen die Gesamtverantwortung für die Quartiersentwicklung „FABRIC“, bei der auf 15.000 m² das neue „Herz“ des Ortsteils Der/Die Generalsekretär/in wird vom Präsidenten des DAAD – nach - die Repräsentation der Arbeit der KZ
K -Gedenkstätte gegenüber den Medien, anderen Institutionen
Brombach (Lörrach) entsteht: mit Wohnangeboten, Kultur, Gastronomie, Räumen für Vereine und öffentliche Werkstätten zur Schaffung Bestätigung durch den Vorstand – berufen und in seiner/ihrer Geschäfts- und der Öffentlichkeit, auch in wissenschaftlichen und gedenkstättendidaktischen Belangen.
lebendiger Gemeinschaften. führung durch diesen beaufsichtigt. Der Generalsekretär/Die General- Wir bieten die Mitarbeit in einem kompetenten und hoch motivierten Team, ein vielfä f ltiges und
• Als Teil des Quartiers verantworten Sie auch die in Entstehung befindliche stiftungseigene Schule, die von einer Schulleitung operativ sekretärin leitet die Geschäftsstelle im Rahmen der Beschlüsse der Organe, praxisgerechtes Arbeitsumfeld mit hoher Eigenverantw
t ort
rtung, ein kollegiales Arbeitsklima, Möglich-
keiten zur Realisierung anspruchsvoller Projekte und zur umfassenden Weiterbildung.
geführt wird. der Vorgaben der Zuwendungsgeber und nach Maßgabe der jeweils
gültigen Geschäftsordnung. Der Präsident und der/die Generalsekretär/in Voraussetzungen für die Tätigkeit sind:
• Sie repräsentieren und vernetzen die Stiftung vor Ort in Lörrach und in der Region Südbaden sowie im Dreiländereck. - ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Magister, Master, Diplom, Staatsexamen oder ver-
• Sie verantworten als Teil des Geschäftsführenden Vorstands die strategische Gesamtentwicklung der Stiftung mit und stärken die bilden den Vorstand nach § 26 BGB. gleichbar), vorzugsweise der Neueren und Neuesten Geschichte
zentralen Strukturen für die Zukunftsfähigkeit der Organisation. - vertiefte, ausgewiesene Kenntnisse der Geschichte des Nationalsozialismus, insbesondere des
Für diese herausgehobene und verantwortungsvolle Position wird Systems der Konzentrationslager
• Sie bewirken gemeinsam mit dem jetzigen Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands eine wirkungsvolle Integration der lokalen und der
eine Persönlichkeit mit außerordentlicher fachlicher und persönlicher - praktische Erfahrungen in der Gedenkstätten- oder historischen Museumsarbeit
überregionalen Aktivitäten. - organisatorische Erfahrungen
Qualifikation gesucht. Der/Die Generalsekretär/in hat eine komplexe - Führungskraft und Verhandlungsfertigkeit
IHR PROFIL Organisation mit rund 1.100 engagierten Mitarbeitern/-innen – an - Flexibilität und Belastbarkeit
- sichere Beherrschung des Englischen in Sprache und Schrift und möglichst einer weiteren
• Sie sind eine begeisternde und begeisterungsfähige Persönlichkeit, die das Herz am richtigen Fleck hat. Sie sind gleichermaßen visionär seinem/ihrem Hauptsitz in Bonn, im Büro in Berlin sowie an den derzeit Fremdsprache
und anpackend, neugierig und umsetzungsorientiert. Sie haben die Gabe, Menschen miteinander zu verbinden und das Entstehen von 17 Auslandsbüros – und einer Vielzahl von Partnern zu führen. Vor dem - hohe kommunikative und interkulturelle Kompetenz
Gemeinschaften zu ermöglichen. Hintergrund eines dynamischen Umfelds sind die Aufgabenfelder des - die Fähigkeit, mit KZ
K -Überlebenden und deren Angehörigen sensibel und angemessen umzugehen.

• Sie besitzen mindestens acht Jahre Berufserfahrung, überwiegend in Führungspositionen, zum Beispiel im Bereich des Kultur- oder DAAD strategisch weiterzuentwickeln und die Leistungsfähigkeit sowie Erwünscht sind zudem:
die Bedeutung der Organisation zu stärken. Langjährige und einschlägige - Erfahrungen in der Einwerbung von Drittmitteln
Bildungsmanagements, der Sozialwirtschaft, des Aufbaus und der Entwicklung von sozialen oder kulturellen Initiativen und Orten, des - eine abgeschlossene, möglichst einschlägige Promotion.
Steuerns von Beteiligungsformaten. Leitungserfahrung, hohe Führungs- und Diversitätskompetenz sowie
Die Stelle ist unbefristet. Bei Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen wird eine Vergütung nach
• Sie sind kreativ, kommunikationsstark, empathisch und verfügen über eine starke Integrationsfähigkeit. internationale Erfahrung im akademisch-wissenschaftlichen Bereich Entgeltgruppe 14 TV-L gezahlt. Arbeitsorte sind Nordhausen und Weimar.
• Sie sprechen verhandlungssicher Deutsch und Englisch. sind daher ebenso unerlässlich wie die breite Vernetzung im Hochschul-
Schwerbehinderte Bewerber (m/w/d) werden bei gleicher Eignung und Befä f higung entsprechend
• Sie haben Geschick darin, Netzwerke aufzubauen, Menschen zusammenzubringen, Gremien zu steuern und mit Kooperationspartnern und Wissenschaftsbereich und ein vertieftes Verständnis für allgemein- den gesetzlichen Bestimmungen bevorzugt berü
r cksichtigt. Ein Nachweis ist beizufügen. Wir freuen
unterschiedlichster Hintergründe produktiv zusammenzuarbeiten. politische sowie außenwissenschaftspolitische Zusammenhänge. uns über Bewerbungen von People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte.
Die Stelle ist nicht teilzeitgeeignet.
• Sie wohnen idealerweise bereits im Raum Lörrach / Basel / Freiburg oder ziehen in die Region mit festem Wohnsitz um. Überzeugendes Auftreten und sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse
werden ebenso wie ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorausgesetzt. Wennn Sie diese Stelle interessiert
r , bewerben Sie sich bitte mit aussagekr
k äftigen Unterlagen (ink
n lusive
WIR BIETEN Anschreiben mit Motivation, Lebenslauf, Zeugniskopien, Nachweis über Praxiserfahrungen und
Erwünscht sind darüber hinaus die Promotion sowie weitere Fremd- einer Referenz) bis zum 15. Mai 2020 über das entsprechende Onlineform r ular im Bereich „Stellen-
Die Schöpflin Stiftung wird in den kommenden Jahren weiter wachsen – wir suchen Sie zur Ergänzung unseres Vorstandsteams und bieten sprachenkenntnisse. angebote“ auf www.buchenwald.de. Von postalischen Bewerbungen und Bewerbungen per E-Mail
bitten wir abzusehen.
• eine verantwortungsvolle, sinnstiftende Tätigkeit mit Gestaltungsspielraum und vielfältigen Aufgabenbereichen,
Die Position wird entsprechend ihrer Bedeutung im Rahmen der Vor-
• ein hoch motiviertes Team vor Ort, das sich auf die gemeinsame Weiterentwicklung mit Ihnen freut,
schriften des öffentlichen Dienstes dotiert. Der DAAD fördert die Gleich-
• eine regional verankerte, progressive Stiftung in einer der schönsten Regionen – dem Dreiländereck Deutschland / Frankreich / Schweiz,
stellung und begrüßt deshalb ausdrücklich Bewerbungen unabhängig
• eine attraktive Vergütung sowie eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
von ethnischer, kultureller oder sozialer Herkunft, Alter, Religion, Welt-
Bitte senden Sie Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen als PDF-Datei inklusive Ihrer Gehaltsvorstellung bis zum 30. April 2020 an die anschauung, Behinderung oder sexueller Identität der Kandidatinnen
Vorsitzende der Findungskommission, Frau Gudrun Heute-Bluhm, unter findungskommission@schoepflin-stiftung.de. und Kandidaten.
Bei Rückfragen können Sie sich an die Assistentin des Geschäftsführenden Vorstands, Anne Golderer (anne.golderer@schoepflin-stiftung.de), Ihre schriftliche Bewerbung richten Sie bitte mit den üblichen Unterlagen
wenden. bis spätestens 15. Mai 2020 an den Präsidenten des DAAD, Herrn Prof. Dr. LWL-Archäologie für Westfalen
Weitere Informationen finden Sie auf www.schoepflin-stiftung.de. Joybrato Mukherjee – persönlich – DAAD, Kennedyallee 50, 53175 Bonn.
Zur Koordinierung des Projekts „Museum als CoLabor –
Öffne die Blackbox Archäologie!“ ist in der LWL-Archäologie
für Westfalen zum nächstmöglichen Termin die Stelle eines*r

Projektleiters*in (w/m/d) für digitale Kultur


Freie Waldorfschule Kassel (EG 13 TVöD, Kenn-Nr. 21/20)
Bildung · Erziehung · Betreuung

Kultur ohne Grenzen. in Vollzeit, befristet bis zum 31.12.2023, zu besetzen.


Wir suchen für das kommende Schuljahr 2020/21 einen Kultura bez granic.
Hauptarbeitsplatz ist das LWL-Museum für Archäologie,
Zu besetzen ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die unbefristete
Stelle der Referentin bzw. des Referenten (m/w/d)
Oberstufenlehrer (m/w/d) Im Eigenbetrieb K der Stadt Frankfurt (Oder), Westfälisches Landesmuseum Herne.
Teilbetrieb Städtisches Museum Viadrina, ist zum
für das Fach Physik in Kombination mit
01. August 2020 die Stelle Den ausführlichen Ausschreibungstext der Stelle finden Sie
Museumspädagogik (Medienpädagogik) Mathematik unter
in Entgeltgruppe 13 TV-L.
oder ggf. einem anderen Schulfach für eine ¾ bis volle Stelle. Leiter (m/w/d) www.lwl.org/LWL/L Der_LWL/
L Jobs.
Nähere Angaben zu dem Stellenprofil und den Einstellungs- (Vollzeit, 40 Std.)
Im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen die Betreuung des neuen Schwer- voraussetzungen unter: Bitte senden Sie uns Ihre Bewerbung unter
zunächst befristet auf 2 Jahre, zu besetzen.
punktbereichs Medienpädagogik und Digitalität inkl. Ausstattungs- http://www.waldorfschule-kassel.de/stellenangebote Angabe der Kennnummer 21/20 bis
Nähere Informationen unter www.kultur-ffo.de
planung neuer Räumlichkeiten sowie Organisation der Medien, die zum 23.04.2020 (Eingangsstempel LWL)
Hunrodstraße 17 · 34131 Kassel · Telefon 0561 935130 an folgende Adresse:
Konzeption von entsprechenden Programmen und Materialien, die
ped@waldorfschule-kassel.de · www.waldorfschule-kassel.de
Schulung von Beschäftigten des TECHNOSEUM, Fachberatung für Landschaftsverband
Lehr- und pädagogische Fachkräfte, die Durchführung von Veran- Westfalen-Lippe (LWL)
staltungen und Projekten und die Mitarbeit an der Weiterentwicklung LWL-Haupt- und Personalabteilung
ZEIT STELLENMARKT 48133 Münster
der Digitalstrategie des TECHNOSEUM.
Eine ausführliche Stellenanzeige und weitere
Informationen zum TECHNOSEUM finden Sie unter:
Crossmedial gespielt: Ihre Ausschreibung
www.technoseum.de/Museum/Karriere/ Jede Stellenanzeige im ZEIT STELLENMARKT finden Sie auch digital auf jobs.zeit.de und bei academics.

TECHNOSEUM I Museumsstraße 1 I 68165 Mannheim


Klinikum rechts der Isar
Technische Universität München

Das Umweltbundesamt sucht für die Abteilung V 3 „Deutsche Emissions-


handelsstelle: Energieanlagen, Luftverkehr, Register und ökonomische
Grundsatzfragen“ mit Arbeits- bzw. Dienstort in Berlin eine*n

Abteilungsleiter*in (m/w/d)
Das Arbeits- bzw. Dienstverhältnis beginnt so bald wie möglich und ist in der
Regel zunächst für die Dauer von bis zu vierundzwanzig Monaten als Probe-
zeit in dieser Führungsposition befristet. Nach erfolgreicher Absolvierung der
Erprobungszeit ist eine unbefristete Einstellung vorgesehen. Im Beamten-
bereich wird die Funktion ebenfalls zunächst auf Probe übertragen.

Aufgaben:
• Bewertung und konzeptionelle Weiterentwicklung des EU ETS und seiner
Schnittstellen im Rahmen der internationalen und nationalen Klimapolitik
• Vollzug der EU-Versteigerungsverordnung und Auktionatorenschaft in
Deutschland, Aspekte der Finanzmarktregulierung, Strompreiskompensation
Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München ist eines der leistungsfähigsten und • Koordinierung der Zusammenarbeit mit europäischen Gremien und
innovativsten Universitätsklinika in Europa mit 1.160 Planbetten und rund 6.000 Beschäftigten. Die rund internationaler Austausch mit Emissionshandels- und Carbon-Pricing-
Initiativen außerhalb der EU sowie fachliche Begleitung des Linking und
30 Kliniken und 20 interdisziplinären Zentren decken das gesamte Spektrum moderner Medizin ab und
der Capacity-Building-Aktivitäten
behandeln jährlich ca. 330.000 Patienten ambulant, teilstationär und stationär. Das Klinikum wird als
• Vorbereitung und Mitarbeit beim Aufbau des nationalen Emissions-
rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts geführt. Dies eröffnet dem vierköpfigen Klinikumsvorstand handelssystems für Brennstoffemissionen (BEHG)
unternehmerischen Handlungsfreiraum in einem besonders wettbewerbsintensiven Umfeld. • fachliche und technische Weiterentwicklung des Unionsregisters, des
Kyoto-Registers im Unionsregister sowie des ESR-Registers und Mitarbeit
Am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München ist aufgrund des altersbedingten
bei der Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen
Ausscheidens des derzeitigen Stelleninhabers die Position des
• Pflege und Weiterentwicklung der Fachanwendungen und IT-Infastruktur
der DEHSt
• Vollzug des EU ETS und des Carbon Offsetting and Reduction Scheme
for International Aviation (CORSIA) gemäß TEHG für die diesen Systemen
unterliegenden und Deutschland zugeordneten Luftfahrzeugbetreiber

zum 01.07.2021 zu besetzen. Sie verfügen über:


• ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium (Master,
Der / Die Ärztliche Direktor/in ist Vorsitzende/r des Vorstands und Dienstvorgesetze/r des wissenschaft- Uni-Diplom), vorrangig der Wirtschaftswissenschaften oder der Ingenieur-
lichen und ärztlichen Personals mit Ausnahme der Professoren/-innen. oder Naturwissenschaften
• gute Kenntnisse der Aktivitäten und Rahmenbedingungen auf den Gebieten
Die zukunftsorientiert ausgerichtete Aufgabe des Ärztlichen Direktors / der Ärztlichen Direktorin umfasst – der internationalen, europäischen und nationalen Klimapolitiken
in Zusammenarbeit mit den Vorstandskollegen, den Direktionen der Medizinischen Kliniken, Institute und • eine mindestens zweijährige Erfahrung in Führungsfunktion, insbesondere
Abteilungen, der Medizinischen Fakultät, der Technischen Universität München und dem Aufsichtsrat – die in der Leitung von wissenschaftlichen oder wissenschaftsnahen Arbeits-
Positionierung und Entwicklung des Klinikums unter Berücksichtigung von Forschung und Lehre. Dazu einheiten und besitzen die Fähigkeit zur konzeptionellen, fachlichen
zählt auch die Herausarbeitung nationaler und internationaler Alleinstellungsmerkmale unter besonderer Anleitung von Mitarbeiterinnen*Mitarbeitern
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der speziellen Situation eines Universi- • einen ergebnis-, qualitäts- und teamorientierten Führungsstil, besitzen
Genderkompetenz und die Bereitschaft, im Sinne des Leitbildes des UBA
tätsklinikums am hoch kompetitiven Standort München. Von besonderer Bedeutung ist die strategische
verantwortungsbewusst und fachübergreifend zusammenzuarbeiten
Fortentwicklung des Klinikums im Münchener Umfeld.
• die Kompetenz zum Knüpfen von Netzwerken und haben umfangreiche
Für diese anspruchsvolle und vielseitige Aufgabe wird eine überzeugende und kreative Führungspersön- Kontakte in dem relevanten Wissenschaftsumfeld, in die einschlägige
lichkeit gesucht, die den besonderen Herausforderungen des Universitätsklinikums gerecht wird. Verbändelandschaft und zu den relevanten politischen und administrativen
Akteuren
Sie verfügen über • umfangreiche Erfahrung im Umgang mit Unternehmen und Wirtschafts-
• herausragende medizinische, wissenschaftliche und soziale Kompetenz, verbänden und im Umgang mit Medien
• unternehmerisches und wirtschaftliches Denken und Handeln, • eine hervorragende Kommunikationsfähigkeit nach innen und außen
und ein ausgeprägtes Planungs- und Organisationsvermögen
• Führungserfahrung mit Managementqualitäten, die Sie u.a. in der erfolgreichen Leitung einer größeren
• eine hohe Strategie-, Analyse- und Reflexionsfähigkeit, auch in hektischen
Organisationseinheit in der Hochschulmedizin erworben haben,
Situationen verlieren Sie nicht den Überblick und können auch unter
• natürliche Autorität und Durchsetzungsvermögen sowie gleichzeitig Integrationsfähigkeit und Motivations- Zeitdruck strukturiert und zielorientiert agieren
stärke und • Erfahrungen in der Bearbeitung internationaler Projekte und verhandlungs-
• Erfahrung im Umgang mit Partnern im Gesundheitswesen und in der Wissenschaft. sichere englische Sprachkenntnisse

Die Vergütung sowie die vertraglichen Bedingungen werden in einem außertariflichen Arbeitnehmer- Die Funktion erfordert eine Bereitschaft zu häufigen Dienstreisen und ein
verhältnis geregelt. sporadisches Arbeiten außerhalb der üblichen Servicezeiten.

Die Position wird für die Dauer von fünf Jahren durch den Aufsichtsrat besetzt, Wiederbestellung ist Dotierung: Bis Besoldungsgruppe B2 BBesO. Tarifbeschäftigte werden
möglich. außertariflich analog B2 BBesO vergütet.
Kenn.-Nr.: 42/V/19 • Bewerbungsfrist: 30.04.2020
Es handelt sich um eine Vollzeitstelle. Die Position ist nicht für Teilzeit geeignet.
Wir würden uns freuen, wenn wir Ihr Interesse
Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München fördert die berufliche Gleichstellung von geweckt haben. Nähere Informationen und den
Frauen und Männern. Schwerbehinderte Bewerber/innen werden bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Volltext zu dieser und anderen Stellenausschrei-
Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt. bungen des Umweltbundesamtes finden Sie
unter www.umweltbundesamt.de
Ihre aussagekräftige Bewerbung mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte unter Angabe Ihrer
Gehaltsvorstellung bis 24.04.2020 an den Umweltbundesamt | Postfach 1406 | 06813 Dessau-Roßlau
Vorsitzenden des Aufsichtsrats des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München
z. Hd. MR Dr. Burkhard v. Urff
Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst
Salvatorstraße 2 · 80333 München

WISSEN3
Nachrichten
aus Hochschule
Wissenschaft,
An der Fakultät für Architektur und Landschaft ist eine
Universitätsprofessur
der BesGr. W2 NBesO mit Tenure-Track nach Scientific
W2 NBesO für Didaktik technischer Berufe Community
mit Schwerpunkt im Bauwesen
zum 01.10.2020 zu besetzen. Die Stelle ist zunächst auf fünf Jahre
Professur für Wissenschaft Jetzt kostenlos abonnieren:
www.zzeit.d
de/wissendrei
befristet. Nach positiver Evaluierung erfolgt die Berufung auf eine der Sozialen Arbeit
Lebenszeitprofessur der Besoldungsgruppe W2.
mit dem Schwerpunkt quantitative Sozialforschung 1 montags & donnerstags
Diese neu eingerichtete Professur vertritt das Fach in Lehre und
Forschung. Die Lehraufgaben der zukünftigen Stelleninhaberin oder W 2 | unbefristet | Vollzeit | Fakultät für Young, modern and The University of Potsdam, Faculty of
des zukünftigen Stelleninhabers umfassen die fachdidaktischen Angewandte Sozialwissenschaften | Campus Südstadt research-oriented: Economics and Social Sciences, invites
Grundlagen im Bauwesen in den beruflichen Fachrichtungen
Bautechnik, Farbtechnik und Raumgestaltung sowie Holztechnik The University of Potsdam applications for the following position to
und deren Vertiefung in der beruflichen Fachrichtung Bautechnik in Professur für (UP) was founded in 1991 be filled as soon as possible:
der Lehre für das Lehramt an berufsbildenden Schulen. Hierzu gehören
insbesondere experimentelle Lehrveranstaltungen und Lehraufgaben Wasserstoff-Systemtechnik and has firmly established
itself in the landscape of
zur Fertigungstechnik in den Bauberufen.
W 2 | unbefristet | Vollzeit | Fakultät für scholarship and science. It
Die Bewerberin oder der Bewerber ist erfahren und wissenschaftlich
Anlagen, Energie- und Maschinensysteme | Campus Deutz has also become an out- Professorship (W 2) for Business Adminis-
ausgewiesen in der Entwicklung und Anwendung von didaktischen
Methoden. Die fachliche Fundierung in den gewerblich-technischen standing factor in regional tration, especially Innovation Management
Fachrichtungen mit Schwerpunkt im Bauwesen ist nachzuweisen.
Neben der didaktischen und wissenschaftlichen Qualifikation wird
Professur für Energiesysteme economics and development.
The University is highly The professorship includes research and teaching
eine dreijährige schulpraktische Erfahrung erwartet, die im Einzelfall und Simulation Im November 2019 habe ich an der Univer-
successful in the acquisition responsibilities in the business area of Innovation
auch durch ausgewiesene curriculare oder schulische Projekte
sität des Saarlandes meine Promotion mit
of external funding, has
ersetzt werden kann. W 2 | unbefristet | Vollzeit | Fakultät für received multiple awards for Management. Candidates are expected to have a track
der Veröffentlichung meiner Dissertation
Die Aufgaben im Allgemeinen und die Einstellungsvoraussetzungen Anlagen, Energie- und Maschinensysteme | Campus Deutz erfolgreich abgeschlossen und bin nun auf its teaching, and offers a service- record of excellent research in this field in accordance
der Suche nach einer Vollzeitstelle als
ergeben sich aus dem Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG). wissenschaftlicher Mitarbeiter, wissen- oriented administration. About with internationally recognized methodological standards,
Einzelheiten werden auf Anfrage erläutert.
Den vollständigen Text der Ausschreibung und die Datenschutz-
Professur für Baubetrieb schaftlicher Referent o.ä. in Südwest-
deutschland.
Ich arbeite sehr gründlich und gewissen-
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employees work at three
as evidenced by regular publications in reputable inter-
bestimmungen entnehmen Sie bitte dem Internet unter:
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und Bauprojektmanagement haft und verfüge nicht nur über sehr gute
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literatur, sondern auch über fundierte Griebnitzsee and Golm – at
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(including a research and The University of Potsdam is a member of the “Berlin
Bitte beachten Sie die jeweilige Bewerbungsfrist.
teaching concept for this Doctoral Program in Economics and Management
professorship, curriculum vitae,
KONTAKT FÜR ANZEIGENKUNDEN copies of academic certificates Science” (BSE/BDPEMS, https://bdpems.wiwi.hu-berlin.de/
Sie möchten Ihre Anzeige and documents, list of publi- portal/). Applicants should be willing to actively
elektronisch übermitteln und cations, list of courses taught, participate in this program. With the “Potsdam
haben noch Fragen? list of externally funded projects Center for Quantitative Research” (PCQR, https://
Dann rufen Sie uns gerne an as well as the three publications
oder schreiben uns: most relevant to this position www.uni-potsdam.de/en/pcqr/) and the “Center for
and teaching evaluations for Economic Policy Analysis” (CEPA, https://www.uni-
An der Hochschule Merseburg sind im Fachbereich Ingenieur- und Naturw
schaften folgende Professuren zu besetzen:
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0931 / 6001758 the three courses taught that potsdam.de/cepa/), the Faculty of Economics and So-
Zum 01.10.2020:
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1 zeit@anzeigeneingang.de position) via e-mail to
Konstruktionstechnik (W2) Informationen zum Daten- ausschreibungen@ facilities. There are plans to create another focus in the
Die Bewerberin/Der Bewerber soll umfassende Kenntnisse und berufliche Erfahrungen auf versand per Upload finden uni-potsdam.de field of sustainable development.
dem Gebiet der Konstruktionstechnik, der Auslegung und Berechnung von Maschinenele-
menten und anderen industriellen Produkten aufweisen und das Lehrgebiet praxisorientiert Sie unter: (in a single PDF file) within
vert
r reten können.
Westsächsische Hochschule Zwickau four weeks of the publication For further information, please contact Prof. Dr. Uta
Zum 01.10.2021:
5 www.anzeigeneingang.de
University of Applied Sciences of this advertisement. Herbst (uta_herbst@uni-potsdam.de).
Fertigungstechnik (W2)
Die Bewerberin/Der Bewerber soll umfassende Kenntnisse und berufliche Erfahrungen
auf dem Gebiet der Fertigungstechnik für alle Verfahrenshauptgruppen, insbesondere
WHZ - Wissen hat Zukunft
bearbeitende Verfahren, Werkzeugmaschinen/Vorrichtungen/Werkzeuge sowie Additive
Fertigung aufweisen und das Lehrgebiet praxisorientiert vertreten können. Die Fakultät Elektrotechnik sucht einen The hiring process is subject to the requirements set forth in Section
Ausführliche Informationen zu diesen Ausschreibungen finden Sie auf der Homepage der 41 and 45 of the Brandenburg Higher Education Act (BbgHG).
Hochschule Merseburg:
www.hs-merseburg.de/hochschule/information/stellenausschreibungen/
ww Professor (m/w/d) für The appointment procedure shall be conducted in accorance with Section 40 BbgHG.
Bewerbungen mit erforderlichen Nachweisen nach § 35 (2) HSG LSA Automatisierungstechnik und
(u. a. Lebenslauf, Nachweise über den beruflichen und wissenschaft-
lichen Werdegang, Publikationsverz r eichnis und Verz
r eichnis der bisherigen Mikroprozessor-Systeme W2
Lehrt
r ätigkeiten) senden Sie bitte bis zum 28.04.2020 in digitaler Form
(PDF-Datei) an dekan.inw@hs-merseburg.de oder postalisch an:
Hochschule Merseburg, Dekan des Fachbereichs Ingenieur- Kenn-Nr.: Zw ET 53 For more informatio
und Naturw r issenschaften, Herr Prof. Dr. V. Cepus, Eberhard- Detailliertere Informationen unter
Leibnitz-Str. 2, 06217 Merseburg
https://www.fh-zwickau.de/service/stellen/
IN DER THEORIE GANZ VORNE.
IN DER PRAXIS UNSCHLAGBAR!

An der Universität Kassel ist zum 01.01.2021 folgende Stelle zu


besetzen:
Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) ist die Die Studierenden sind zugleich Mitarbeiter der Partnerunterneh-
erste duale, praxisintegrierende Hochschule in Deutschland. men und durchlaufen im Wechsel Theorie- und Praxisphasen. Leitende*r Bibliotheksdirektor*in (m/w/d) der
Hervorgegangen aus dem Zusammenschluss der acht ehe- Das praxisintegrierte Konzept der DHBW zieht leistungsfähige
Universitätsbibliothek – Landesbibliothek und
maligen Berufsakademien in Baden-Württemberg zählt die und -bereite Studierende an. Die Lehre wird teilweise von ex- Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel
DHBW mit derzeit rund 34.000 Studierenden zu den größten ternen nebenberuflichen Lehrbeauftragten durchgeführt. A 16 HBesG / EG 15 TV-H, unbefristet, Vollzeit
Hochschulen des Landes. Ihr Markenzeichen ist das duale Stu-
Insgesamt bietet die DHBW Mannheim in Kooperation mit
dienkonzept in enger Zusammenarbeit mit rund 9.000 koope- Kennziff
f er Die Besetzung der Stelle erfolgt bei Vorliegen der Voraussetzungen
rd. 2.000 Dualen Partnern in den drei Studienbereichen 33077
rierenden Unternehmen und sozialen Einrichtungen. im Beamtenverhältnis.
Gesundheit, Wirtschaft und Technik über 45 national und
Am Standort Mannheim sind derzeit 6.300 Studierende imma- international anerkannte, berufsintegrierte Bachelor-Studi- Die Bibliothek ist eine zentrale Einrichtung der Universität Kassel
trikuliert. Die DHBW Mannheim führt die Studierenden gemein- enrichtungen an. mit ca. 105 Personalstellen. Sie versorgt Studierende, Lehrende
sam mit den Partnerunternehmen zum Bachelorabschluss. und andere Beschäft f igte der Universität sowie die Bevölkerung
von Stadt und Region mit wissenschaft f licher Literatur und Infor-
AN DER DHBW MANNHEIM SIND FOLGENDE PROFESSUREN ZU BESETZEN:
mation und bietet umfassende Services im Bereich der Medien-
und Informationsversorgung. Sie engagiert sich auf den Feldern
Fakultät Wirtschaft forschungsnaher Dienstleistungen wie Forschungsdatenmanage-
ment, wissenschaftf lichen Publizierens, Open Access und Repositorien.
Professur für BWL – Digital Business Management Als Landesbibliothek verfügt sie über bedeutende Sondersamm-
Besoldung: W2 | Kennziffer: MA 5/AP-27 lungen und ist Pflichtexemplarbibliothek für Nordhessen. Die
Murhardsche Bibliothek ist wissenschaft f liche Stadtbibliothek mit
entsprechendem Sammlungsprofil und kulturellem Auft f rag.
Im Studiengang Betriebswirtschaftslehre ist in der Studi- Lehre und Forschung vertritt. Neben exzellenten Kenntnissen
enrichtung Digital Business Management eine Professur zu in Data Science-Methoden und -Anwendungen erwarten wir Ihre Aufgaben:
besetzen. Die Studienrichtung wurde neu in das Studienan- die Übernahme von Lehrveranstaltungen in den technologi- Mit der Leitungsposition übernehmen Sie die personelle, fach-
gebot der DHBW Mannheim aufgenommen und stößt so- schen Grundlagen, wie Datenmodellierung, Quantitative Me- liche und organisatorische Verantwortung für die erfolgreiche
wohl bei den Studierenden als auch bei den Dualen Partne- thoden, Maschinelles Lernen und Neuronale Netze. Weiterentwicklung einer dienstleistungs- und zukunft
f sorientiert
r en
runternehmen auf ein sehr großes Interesse. BWL – Digital wissenschaftf lichen Informationseinrichtung. Insbesondere gestal-
Sie haben ein Studium der Wirtschaftsinformatik oder einem
Business Management ist ein BWL Studiengang mit einem ten Sie denTransformationsprozess, der die Entwicklung der Biblio-
vergleichbaren Fach absolviert und in diesem Fachgebiet pro-
digitalen/informationstechnischen Schwerpunkt. Ziel ist es thek im Kontext des digitalen Wandels und sich stets ändernder
moviert. Weiterhin verfügen Sie über berufliche Erfahrungen in
Absolventen*Absolventinnen (m/w/d) in die Lage zu versetzen, Anforderungen prägt. Sie beraten das Präsidium in Fragen einer
den genannten Bereichen. Zu Ihren Tätigkeiten gehören neben
die digitale Transformation der Unternehmen aktiv zu beglei- effizienten Informationsversorgung für Forschung und Lehre. Sie
den Lehraufgaben die Weiterentwicklung der Studienrichtung
ten. Wir suchen eine Persönlichkeit, die auf den Gebieten der berücksichtigen die Bedarfe der Fachbereiche und arbeiten mit den
sowie die Forschung. Abteilungen und zentralen Einrichtungen der Universität vert
r rauens-
Digitalen Analysemethoden und der Digitalen Technologien
voll zusammen. Zudem wirken Sie in den für die Universitätsbiblio-
thek relevanten Gremien auf Landes- und ggf. Bundesebene mit.
Fakultät Wirtschaft
Ihr Profil:
Professur für BWL – Marketing Management Sie haben ein wissenschaftf liches Hochschulstudium erfolgreich
absolviert - idealerweise mit Promotion. Zudem verfügen Sie über
Besoldung: W2 | Kennziffer: MA 5/62 die Laufbahnprüfung für den höheren wissenschaft f lichen Biblio-
theksdienst oder eine vergleichbare Qualifikation. Im Rahmen Ihres
Im Studiengang Betriebswirtschaftslehre ist in der Studien- den erwartet. Zu den Tätigkeiten gehört neben den Lehrauf-
bisherigen beruflichen Werdegangs konnten Sie bereits Führungs-
richtung Marketing Management eine Professur zu besetzen. gaben insbesondere die permanente curriculare Weiterent-
erfahrungen in einer wissenschaft f lichen Bibliothek sammeln und
Gesucht wird eine Persönlichkeit mit fundierten Kenntnissen wicklung des Studienangebots.
verfügen über entsprechende Personalführungskompetenzen.
und Erfahrungen im Marketing Management, insbesondere
Dem*Der zukünftigen Stelleninhaber*in (m/w/d) sollten Ein- Moderne Entwicklungen der digitalen Informationsversorgung
in den Bereichen Digitales Marketing, Data Science und Big sind Ihnen vertraut. Ihr Selbstverständnis ist von einer hohen
satzflexibilität in der Lehre sowie die Bereitschaft zur Mitwir-
Data. Vertiefte Kenntnisse in der Anwendung von Erhebungs- Dienstleistungsorientierung geprägt.
kung in Gremien der Hochschule und zur Kontaktpflege zur
verfahren der qualitativen und quantitativen Marketing- Sie verfügen über fundierte bibliothekarische Kenntnisse, Erfah-
Unternehmenspraxis aufweisen.
forschung sowie von modernen Verfahren der Datenanalyse rungen bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen, Kenntnisse
werden vorausgesetzt. Kenntnisse in den Bereichen Interna- Neben der Lehre sollte die Bereitschaft vorhanden sein, im Verlags- und Urheberrecht sowie bei der Einwerbung und
tionales Marketing und Sales Management sind von Vorteil. perspektivisch auch Leitungsaufgaben im Studiengang zu Umsetzung von Drittmittelprojekten. Sie sind mit aktuellenTrends
übernehmen. im Bibliotheksbereich sehr gut vertraut, insbesondere auch mit
Besondere didaktische Fähigkeiten und Lehrerfahrungen wer-
modernen Entwicklungen der digitalen Informationsversorgung.
Idealerweise können Sie praxisgereiftf e Digitalisierungskompetenzen
Fakultä nachweisen.

Zudem besitzen Sie ein ausgeprägtes analytisches und strategisches


Denkvermögen und zeichnen sich durch Ihr mündliches und schrift f-
liches Ausdrucksvermögen aus. Ihre Arbeitsweise ist von einem
hohen Grad an Stringenz, Verantwort
r ungsbewusstsein und Engage-
Im Studiengang Betriebswirtschaftslehre ist in der Studien- traut. Gute Kenntnisse der Allgemeinen Betriebswirtschafts-
ment bestimmt. Moderations- und Konfliktlösungskompetenz sowie
richtung Öffentliche Wirtschaft eine Professur mit den Schwer- lehre runden das Profil ab. verhandlungssichere Englischkenntnisse werden vorausgesetzt.
punkten auf dem Gebiet der Öffentlichen Betriebswirt- Ein überzeugendes und verbindliches Auft
f reten runden Ihr Profil ab.
Zu den Aufgaben zählen die Vertretung der genannten Inhal-
schaftslehre zu besetzen. Wir suchen eine Persönlichkeit mit
te in der Lehre, die Durchführung von Seminaren sowie die
ausgeprägten Erfahrungen in der Energie- und Versorgungs- Unser Angebot:
Betreuung von Projekt- und Bachelorarbeiten. Darüber hinaus l Eine verantwortungsvolle Aufgabe mit Gestaltungsräumen und
wirtschaft. Idealerweise sind dem*der Bewerber*in (m/w/d)
erwarten wir Engagement in der Weiterentwicklung des Stu- attraktiver Bezahlung
die relevanten betriebswirtschaftlichen Fragestellungen des
dienangebots BWL – Öffentliche Wirtschaft sowie die Bereit- l Die Möglichkeit zurTeilnahme an fachlichen und überfachlichen
öffentlichen Sektors, insbesondere von Stadtwerken (Beschaf-
schaft, sich in Projekte einzubringen. Weiterbildungsmaßnahmen
fung, Digitalisierung, Rechnungswesen, Strategie usw.) ver-
l Ein Arbeitsplatz in zentraler Lage in der Stadt Kassel mit guter

Anbindung an den öff f entlichen Personennahverkehr


Fakultät Wirtschaft l Sie profitieren darüber hinaus von den vielfältigen Vorteilen

eines Beschäftf igungsverhältnisses im öfff entlichen Dienst.


Professur für Wirtschaftsinformatik Für Fragen steht Ihnen gerne der Kanzler der Universität Kassel,
Besoldung: W Herr Dr. Oliver Fromm (Tel.: 0561 804 2191, E-Mail: kanzler@uni-
kassel.de) zur Verfügung.
Der Bereich Wirtschaftsinformatik ist einer der größten Studi- Informatik übernommen werden. Sie haben ein Studium der
Der Schutz Ihrer personenbezogenen Daten ist uns ein wichtiges
engänge an der DHBW Mannheim, dementsprechend bieten Wirtschaftsinformatik, Informatik oder einem vergleichbaren

Architektur. Holz. Bau.


Anliegen, daher werden wir mit Ihren persönlichen Daten sorgfältig
wir ein sehr breites Themenspektrum für unsere Studierenden Fach absolviert und in einem dieser Fachgebiete promoviert.
umgehen. Wenn Sie uns Ihre Daten geben, gestatten Sie uns damit
an. Wir suchen eine Persönlichkeit, die das Fachgebiet der mo-
Weiterhin verfügen Sie über berufliche Erfahrung in einem der die Speicherung und Nutzung im Sinne des Hessischen Daten-
bilen Applikationen oder des Data Science/Machine Learning
genannten Fachgebiete. Zu Ihren Tätigkeiten gehören neben schutz- und Informationsfreiheitsgesetzes. Hiergegen können Sie
im Studiengang Wirtschaftsinformatik in Lehre und Forschung
den Lehraufgaben auch die Weiterentwicklung des Studien- jederzeit Widerspruch einlegen. Ihre personenbezogenen Daten
vertritt. Darüber hinaus soll in der Lehre mindestens eines
Ihre Passion? der Gebiete Big Data, Internet of Things, Virtualisierung oder
gangs und die Forschung. Wir erwarten eine aktive Mitarbeit werden dann gelöscht. Informationen gemäß Art. 13 DSGVO für
in der Forschung im Rahmen des Enterprise Data Science Cen- das Bewerbungsverfahren bei der Universität Kassel finden Sie
Wir suchen eine Direktorin oder einen Direktor für das Departement Architektur, Holz Cloud-Computing sowie Grundlagenfächer der (Wirtschafts-)
ters (EDSC) der DHBW Mannheim. unter: www.uni-kassel.de/go/ausschreibung-datenschutz
und Bau (AHB).
Bewerbungsfrist: 13.05.2020
Einstellungsvoraussetzungen: Bewerbung sind per Post oder E-Mail (vorzugsweise eine PDF-
Alle Details unter www.bfh.ch/jobs Vorausgesetzt werden gemäß § 47 LHG ein abgeschlossenes Datei) möglich, Tel.: (0621) 4105-1502. Die Universität Kassel ist in hohem Maße an der beruflichen Zufriedenheit ihrer Bediensteten interessiert
r.
Hochschulstudium, besondere wissenschaftliche Befähigung Sie ist ausgezeichnet als familiengerechte Hochschule und im Sinne der Chancengleichheit bestrebt,
Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Verwaltungs- und Kos- allen die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und bestehenden Nachteilen entgegenzuwirken.
(in der Regel herausragende Promotion), pädagogische Eignung
tengründen Ihre Bewerbungsunterlagen nicht zurücksenden Sie fördert den Family Welcome Service und bei wissenschaft
f lich und akademisch zu besetzenden
sowie mindestens fünf Jahre berufspraktische Erfahrung, da-
können. Die Unterlagen nicht berücksichtigter Bewerberinnen Stellen auch den Dual Career Service. Es gehört zu den strategischen Zielen der Universität Kassel, den
von mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereichs. Anteil von Frauen in Forschung und Lehre deutlich zu steigern. Bewerbungen von Frauen sind deshalb
und Bewerber werden nach Abschluss des Auswahlverfahrens
In der Regel erfolgt die Einstellung in ein Beamtenverhältnis besonders erwünscht. Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Bewerber*innen erhalten bei gleicher
vernichtet.
(W2). Bei Erfüllung der Voraussetzungen ist die Übernahme in Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den Vorzug. Vollzeitstellen sind (außer bei der Besetzung

das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Professor*in nach Bitte richten Sie Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen von Beamtenstellen) grundsätzlich teilbar. Weitere Informationen zu der ausgeschriebenen Stelle und
den rechtlichen Rahmenbedingungen finden Sie unter: stellen.uni-kassel.de
einer dreijährigen Bewährung im Beamtenverhältnis auf Probe unter Angabe der jeweiligen Kennziffer bis zum 04.05.2020 an:
möglich, falls das Lebensalter bei Einstellung 47 Jahre, in Aus- Duale Hochschule
nahmefällen das 52. Lebensjahr, nicht übersteigt. Baden-Württemberg Mannheim
Die DHBW Mannheim strebt eine Erhöhung des Professorin- Prorektor
Die Hochschule München ist eine der größten Hochschulen für angewandte Wissen-
schaften in Deutschland. Wir sehen unsere Herausforderung und Verpflichtung in einer nenanteils an und fordert daher qualifizierte Frauen nach- Prof. Dr.- Ing. Jörg Baumgart
aktiven und innovativen Zukunftsgestaltung durch Lehre, Forschung und Transfer. Die drücklich zur Bewerbung auf. Coblitzallee 1-9
Zusammenarbeit mit Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft ist für uns von zentraler 68163 Mannheim An der Justus-Liebig-Universität Gießen, Fachbereich Biologie und Chemie, Physi-
Bedeutung. Bei gleicher fachlicher Eignung werden schwerbehinderte www.dhbw-mannheim.de kalisch-Chemisches Institut (Prof. Dr. Jürgen Janek), sind folgende Stellen zu
Bewerber*innen vorrangig berücksichtigt. besetzen:
Für die nachstehend aufgeführt r e Professur in der Fakultät für Versorgungs- und
Die DHBW Mannheim bemüht sich in besonderem Maße um 1. Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten
Gebäudetechnik, Verf r ahrenstechnik Papier und Verpackung, Druck- und Medien- Exzellenzclusters „Energiespeicherung jenseits von Lithium“ ab dem nächstmög-
technik, die zum Sommersemester 2021 oder später zu besetzen ist, wird eine wissen- die Vereinbarkeit von Beruf und Familie; sie erhielt im Jahr lichen Zeitpunkt
schaftlich ausgewiesene Persönlichkeit gesucht, die umfassende praktische Erf r ahrungen 2009 das Zertifikat als „familiengerechte Hochschule“. a) befristet auf zwei Jahre eine Vollzeitstelle mit einer/einem
in verantwort
r licher Position außerhalb einer Hochschule erw
r orben hat und diese nun in
Lehre und angewandter Forschung an unsere Studierenden weitergeben möchte. Weitere Informationen können unserer Homepage Wissenschaftlichen Mitarbeiter/-in
www.dhbw-mannheim.de entnommen werden. Vergütung E 13 TV-H
W2-Professur für Angewandte Informatik (m/w/d) Referenznummer: 241/08; Bewerbungsende: 23.04.2020
Kennziffer: 0557
Bei Fragen zu den Ausschreibungen wenden Sie sich bitte an
Frau Höllich (bewerbungen-wirtschaft@dhbw-mannheim.de). b) befristet auf drei Jahre eine Teilzeitstelle im Umfang von 67 % einer Vollbeschäf-
tigung mit einer/einem
r ahren Sie mehr in der detaillierten Stellenausschreibung
Erf
unter: https://stellen.hm.edu/oe16v Wissenschaftlichen Mitarbeiter/-in
Vergütung E 13 TV-H
Bewerben Sie sich über unser Online-Portal bis zum 04.05.2020.
Referenznummer: 242/08; Bewerbungsende: 23.04.2020
Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen!
2. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ge-
förderten Kompetenzclusters „Feststoffbatterien (FestBatt)“ ab dem nächstmög-
lichen Zeitpunkt
a) befristet bis zum 31.08.2021 eine Vollzeitstelle innerhalb des Teilprojekts „FestBatt-
Die Hochschule für Musik Nürnberg ist die jüngste staatliche Institu- Charakterisierung – Methodenplattform ‚Charakterisierung‘ im Rahmen des Kom-
tion ihrer Art in Deutschland. Sie steht für exzellente Ausbildung im petenzclusters für Festkörperbatterien“ mit einer/einem
künstlerischen und künstlerisch-pädagogischen Bereich. Studie-
rende aus vielen Nationen werden in einem breiten Fächerangebot
optimal auf das spätere Berufsleben vorbereitet.
Wissenschaftlichen Mitarbeiter/-in
Vergütung E 13 TV-H
An der Hochschule für Musik Nürnberg ist zum nächstmöglichen
Zeitpunkt eine Referenznummer: 243/08; Bewerbungsende: 23.04.2020
Halbe Professur W2 An der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden ist zum
b) befristet bis zum 31.12.2021 eine Teilzeitstelle im Umfang von 67 % einer Vollbe-
schäftigung innerhalb des Teilprojekts „Veredelung und Prozessierung von Lithium-
Die Fakultät Mechatronik und Elektrotechnik für das Fach Gesang 01.03.2021 die Stelle folien und -elektroden für Feststoffbatterien“ mit einer/einem
mit Schwerpunkt Alte Musik/
k
am Campus Göppingen sucht eine*n Historische Aufführungspraxis der Kanzlerin/des Kanzlers (m/w/d) Wissenschaftlichen Mitarbeiter/-in
Vergütung E 13 TV-H
im privatrechtlichen Dienstverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von
derzeit 20 Stunden zu besetzen. Darin beinhaltet ist eine Lehrverpflichtung von derzeit 9,5
(Besoldungsgruppe A16 SächsBesG) zu besetzen.
Referenznummer: 244/08; Bewerbungsende: 23.04.2020
Professor*in (W 2) Semesterwochenstunden.
Detaillierte Informationen zur Stelle und den Bewerbungsmodalitäten finden Sie auf unserer
Die ausführliche Stellenausschreibung finden Sie im
Homepage unter: www.hfm-nuernberg.de/service/stellenanzeigen Internet unter: Weitere Informationen zur Karriere an der Justus-Liebig-Universität Gießen
für das Lehrgebiet Bewerbungsschluss ist der 29.04.2020. https://www.htw-dresden.de/jobs erhalten Sie auf unserer Internetseite: https://www.uni-giessen.de/karriere

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Wir sind eine der jüngsten Universitäten


Deutschlands und denken in Möglichkeiten statt Die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe gehört zu den
in Grenzen. Mitten in der Ruhrmetropole entwickeln forschungsstarken Hochschulen für angewandte Wissenschaften in
wir an 11 Fakultäten Ideen mit Zukunftf . Wir sind
stark in Forschung und Lehre, leben Vielfalt, fördern Deutschland. Mit mehr als 6.700 Studierenden und 700 Beschäftigten
Potenziale und engagieren uns für eine Bildungs- in Lemgo, Detmold u
gerechtigkeit, die diesen Namen verdient.

An der Universität Duisburg-Essen ist in der


Abteilung Maschinenbau und Verfahrenstechnik
f en zum
der Fakultät für Ingenieurwissenschaft
nächstmöglichen Zeitpunkt eine

verbunden mit der

zu besetzen.
Gesucht wird eine herausragende Persönlichkeit mit nachweisbaren
Erfolgen in eigenständiger, international sichtbarer Forschung auf dem
Gebiet der Energietechnik. Schwerpunkte sollen im Bereich der „Elektro-
chemischen Energiewandlung und -speicherung“ liegen, z. B. Brennstoff-
f echnologie, Batterien, Systemintegration.
zellen, Elektrolyse, Wasserstofft
Erfahrung im Bereich „Sektorenkopplung in energietechnischen Systemen“
ist wünschenswert.
Leitungserfahrung im Bereich der Forschung und/oder Entwicklung wird
vorausgesetzt.
r et werden Veröff
Erwart f entlichungen in hochrangigen, referiert
r en Publikations-
organen sowie der ausgeschriebenen Position angemessene Erfahrungen
bei der Durchführung selbst eingeworbener, kompetitiver Drittmittel-
projekte. Erfahrung in der industriellen Forschung oder in entsprechenden
Kooperationen zur technologischen Umsetzung von Forschungsergebnissen
mit der Industrie sind erforderlich.
f lichen Leitung des Zentrums für Brenn-
Die Professur ist mit der wissenschaft
stoff
f zellenTechnik – ZBT gGmbH – (www.zbt-duisburg.de), An-Institut der
Universität Duisburg-Essen, verbunden. Die ZBT gGmbH ist mit ca. 100
Beschäftf igten eine 100%ige Tochter der Universität Duisburg-Essen und
verfügt über einzigartig ausgestattete Labore und Forschungseinrichtungen.
Die ZBT gGmbH ist Mitglied der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft f e. V.
des Landes NRW.
f zu intensiver Zusammenarbeit innerhalb der Fakultät für
Die Bereitschaft
Ingenieurwissenschaftf en und mit anderen Fakultäten, z. B. im Rahmen
des Profilschwerpunkts Center for Nanointegration (www.cenide.de) der
Universität oder des Kompetenzfeldes „Energie-System-Transformation“
im Rahmen der Universitäts-Allianz Ruhr (www.ua-ruhr.de), wird erwartet.
f zur Akquirierung, Initiierung und Durch-
Ebenfalls wird die Bereitschaft
führung von lehrstuhlübergreifenden Drittmittelprojekten sowie zum
Aufbau und zur Pflege internationaler Kontakte vorausgesetzt.
In der Lehre spiegelt sich das didaktische Engagement in Veranstaltungen
zu grundlegenden und aktuellen Gebieten der Energietechnik in voller
Breite wider, u. a. im Bereich der Pflichtvorlesungen der Energietechnik in
den deutsch- und englischsprachigen Bachelor- und Masterstudiengängen
der Abteilung Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Darüber hinaus bringt
sie/er sich in die Lehre interdisziplinärer Studiengänge ein.
Die Universität Duisburg-Essen legt auf die Qualität der Lehre besonderen
Wert. Didaktische Vorstellungen zur Lehre – auch unter Berücksichtigung
des Profils der Universität Duisburg-Essen – sind darzulegen.
f en mit den vier Abteilungen
Die Fakultät für Ingenieurwissenschaft
Bauwissenschaftf en, Elektrotechnik und Informationstechnik, Informatik
und Angewandte Kognitionswissenschaft f en sowie Maschinenbau und
Verfahrenstechnik betreibt Grundlagen- und Anwendungsforschung auf
hohem, international angesehenem Niveau. Mit ca. 80 Professuren und
über 10.000 Studierenden gehört die Fakultät zu den größten
Deutschlands.
Die Einstellungsvoraussetzungen richten sich nach § 36 Hochschulgesetz
NRW.
Die Universität Duisburg-Essen verfolgt das Ziel, die Vielfalt ihrer
Mitglieder zu fördern (https://www.uni-due.de/diversity). Sie strebt die
Erhöhung des Anteils der Frauen am wissenschaft f lichen Personal an und
fordert deshalb einschlägig qualifizierte Frauen nachdrücklich auf, sich
zu bewerben. Bei gleicher Qualifikation werden Frauen nach Maßgabe des
Landesgleichstellungsgesetzes bevorzugt berücksichtigt. Bewerbungen
geeigneter Schwerbehinderter und Gleichgestellter i. S. des § 2 Abs. 3
SGB IX sind erwünscht.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf mit Angaben zum
f lichen und beruflichen Werdegang, Liste der wissenschaft
wissenschaft f lichen
Veröffentlichungen, Zeugniskopien, Darstellung des eigenen Forschungs-
profils und der sich daraus ergebenden Perspektiven an der Universität
Duisburg-Essen, Lehr-Lernkonzept unter Berücksichtigung des Profils der
Universität Duisburg-Essen, Angaben über bisherige Lehrtätigkeit, zur Mit-
wirkung in der akademischen Selbstverwaltung sowie zu den eingeworbenen
Drittmitteln) sind bis zum 15.05.2020 zu richten an
den Dekan der Fakultät für Ingenieurwissenschaften
der Universität Duisburg-Essen,
Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dieter Schramm,
Forsthausweg 2, 47057 Duisburg.
Weitere Informationen zur Stelle, deren Einbettung in
die Universität Duisburg-Essen sowie in die Fakultät
f en finden Sie unter
für Ingenieurwissenschaft Die Berufsakademie Sachsen ist eine Einrichtung des tertiären Bildungsbereiches. Sie führt Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und die Wirtschaftswissenschaftliche
https://www.uni-due.de/iw/de/stellen.shtml. Studierende in dreijährigen praxisintegrierten dualen Studiengängen zum Abschluss Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena besetzen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
Bachelor of Arts, Bachelor of Science, Bachelor of Engineering oder Diplomingenieur (BA).
Die wissenschaftlich-theoretischen Studienabschnitte werden an der Berufsakademie Sachsen W2-Professur Mikroökonomik, insb. Produktivitätsforschung
und die praktischen Studienabschnitte bei einem anerkannten Praxispartner realisiert. im Rahmen eines gemeinsamen Berufungsverfahrens.
An der Staatlichen Studienakademie Dresden ist folgende Stelle zum nächstmöglichen Gesucht wird eine Kandidatin / ein Kandidat (m/w/d), die/der im Bereich Produktivitätsforschung
Zeitpunkt, frühestens zum 01.10.2020, zu besetzen: ausgewiesen ist und den hierzu am IWH vorhandenen Schwerpunkt weiterentwickelt und dabei
auf umfangreichen Vorarbeiten und exzellenten Netzwerken (wie etwa www.microprod.eu und
Professor für Wirtschaftsinformatik (m/w/d) www.comp-net.org) aufb fbauen kann. Erwartet wird ein exzellentes Forschungsprofil in der mikro-
basierten Produktivitätsforschung. Insbesondere eine Profilierung in den Bereichen Allokation von
(Entgeltgruppe E 15 TV-L)
Produktionsfaktoren und Mikrofundierung von Produktivitätswachstum ist von besonderem Inte-
vorrangig im Studienbereich Wirtschaft, Studiengang Wirtschaftsinformatik resse. Ein theoretischer und/oder quantitativer Forschungsansatz, die Bereitschaft zur Anwen-
(Kennziff
f er DD 01/2020) dung ökonomischer Methoden auf wirtschaftspolitische Fragen sowie der Transfer theoretischer
Aufgabenprofil: Erkenntnisse in empirische Anwendungsgebiete sind ebenso erwünscht wie eine enge Koopera-
Im Studiengang Wirt r schaftsinformatik werden Wirtr schaftsinformatiker (Bachelor of Science) tion mit der von Prof. Ufuk Akcigit aufgebauten Forschungsgruppe am IWH. Die Kandidatin / Der
für alle Bereiche der Volkswirtschaft qualifiziert. Die Durchdringung aller Informations- und Kandidat hat akademische Exzellenz durch Publikationen in international führenden Fachzeit-
Kommunikationssysteme stellt die Absolventen vor breitgefächerte Aufgaben. Deshalb schriften demonstriert und verfügt über internationale Forschungskooperationen und Führungs-
stehen Lehrvr eranstaltungen zur Analyse von betrieblichen und überbetrieblichen Geschäfts- kompetenz. Eine erfolgreiche Einwerbung kompetitiver Drittmittel sowie Erfahrungen in der (Ko-)
prozessen, deren Modellierung im Hinblick auf den Einsatz von Informations- und Kommu- Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses sind von Vorteil.
nikationstechnologien sowie die Konzipierung, Implementierung und der Betrieb innovativer Das IWH ist eines von sieben wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten der Leibniz-
komplexer soziotechnischer Systeme im Vordergrund der Lehrtätigkeit. Gemeinschaft in Deutschland (www.iwh-halle.de). Es beschäftigt sich mit Strukturwandel und
Am Universitätsklinikum Jena (UKJ) ist in der Klinik und Poliklinik für Frauen- Produktivität, Finanzmarktforschung und Makroökonomie. Das IWH verfügt unter anderem über
Die Bewerber_innen sollten eine fundierte Qualifikation auf dem Gebiet der Wirtschaftsinfor-
heilkunde und Fortpflanzungsmedizin (Direktor: Prof. Dr. Ingo B. Runnebaum) eine matik besitzen. Darüber hinaus sind fachspezifische Kenntnisse in einer der nachfolgenden die Abteilung Strukturwandel und Produktivität, die sich mit Faktorallokation am Arbeitsmarkt
Kombinationen wünschenswert: und Produktivitätsforschung beschäftigt. Mit der Professur ist die stellvertretende Leitung dieser
Abteilung am IWH verbunden.
W2-Professur für Gynäkologische Onkologie • Unternehmenskommunikation und Management Support Systeme
• Data Analytics und Wissensbasierte Systeme Die Professur wird der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der FSU Jena zugeordnet
(www.wiwi.uni-jena.de). Eine Beteiligung an den Forschungsschwerpunkten der Fakultät sowie
In der inhaltlichen und organisatorischen Abstimmung sowie zur effizienten Gestaltung der
eine Integration im fakultätsübergreifenden Schumpeter-Zentrum und Engagement in den struk-
in der Funktion einer Leitenden Oberärztin/eines Leitenden Oberarztes zu besetzen. wissenschaftlichen und praktischen Studienphasen sind ausgeprägtes fachdidaktisches
turierten Doktorandenprogrammen zum „Innovativen Wandel“ und zu den „Wirtschaftlichen Aus-
Geschick, fachpraktische Erf r ahrungen als kompetenter Gesprächspartner für die dualen
wirkungen des digitalen Wandels“ wird erwartet.
Die zu berufende Persönlichkeit (m/w/d) soll das Fachgebiet in Forschung, Praxispartner sowie Erfr ahrungen und Kenntnisse bei der Betreuung von Studierenden und
in der Organisation von Studienabläufen erfr orderlich. Engagement und Einsatzfähigkeit für Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen für Professorinnen und Professoren gemäß Thüringer
Lehre und Krankenversorgung vertreten. Die Professur verstärkt den Gynäko- die Weiterentwicklung des Studienganges „Wirt r schaftsinformatik“ werden vorausgesetzt. Hochschulgesetz. Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, kann eine Ernennung
logisch-Onkologischen Schwerpunkt der Klinik mit ihren national und interna- als Professorin oder Professor der FSU Jena im Beamtenverhältnis, in der Regel auf Lebenszeit,
Alle Bewerber_innen müssen folgende Einstellungsvoraussetzungen erfüllen: erfolgen. Alternativ kann die künftige Stelleninhaberin oder der künftige Stelleninhaber in die mit-
tional zertifizierten Organkrebs-Zentren. Im Vordergrund der Tätigkeit stehen 1. abgeschlossenes Hochschulstudium des entsprechenden Wissenschaftsgebietes gliedschaftliche Stellung einer Hochschullehrerin oder eines Hochschullehrers berufen werden
(Wirtschaftsinformatik oder angewandte Informatik),
innovative operative Therapiestrategien und klinisch-wissenschaftliche/trans- An der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin sind am Fach- 2. pädagogische Eignung, die in der Regel durch Erf r ahrungen in der Lehre, hochschul-
(Thüringer Modell). An der FSU Jena besteht eine Lehrverpfl flichtung in Höhe von zwei Semester-
bereich 4 „Rechtspflege“ folgende 2 Stellen für Gastdozentinnen oder wochenstunden. Arbeitsort ist Halle (Saale).
lationale Studien. Dabei wird die Integration in die Forschungsschwerpunkte der Gastdozenten mit je 50 % der regelmäßigen Wochenarbeitszeit und einem
didaktische Qualifikationen und durch eine Probeveranstaltung (Probevortr rag, Probelehr-
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena und das IWH streben eine Erhöhung des Anteils von Frauen
veranstaltung) nachgewiesen wird,
Klinik mit ihrem Funktionsbereich „Gynäkologische Molekularbiologie“ sowie Lehrdeputat von 9 Semesterwochenstunden ab sofort befristet bis zum 3. besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die Qualität in Forschung und Lehre an und bitten deshalb qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich
der Medizinischen Fakultät (Onkologie im Rahmen der Alternsforschung, Optik 31.03.2022 zu besetzen: einer Promotion nachgewiesen wird, um ihre Bewerbung. Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berück-
4. besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftf licher Kenntnisse sichtigt.
und Photonik) und die Beteiligung an der Antragstellung des UniversitätsTu- Gastdozentin/Gastdozent und Methoden in einer mindestens fünfjährigen einschlägigen beruflichen Praxis, von Bewerbungen mit Lebenslauf, Schriftenverzeichnis, Dokumentation der Lehrtätigkeit und -evalua-
morCentrums als Onkologisches Spitzenzentrum erwartet.
„Internationales Privatrecht“ der mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereiches ausgeübt worden sein sollen. tionen und Listen zu Vortrags- und Drittmittelaktivitäten werden bis zum 24. Mai 2020 elektro-
nisch (als PDF < 2MB) erbeten an:
Kennziffer: 37/2020 Der Arbeitsort
r ist die Staatliche Studienakademie in Dresden. Bei Bedarf
r ist der Einsatz
Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium der auch an einer anderen Staatlichen Studienakademie der Berufsakademie Sachsen möglich. Friedrich-Schiller-Universität Jena
Medizin, die Facharztanerkennung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die Gastdozentin/Gastdozent Die Art
r und der Umfang der dienstlichen Aufgaben der Lehrpersonen an der Berufsakademie
Dekanin der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Professorin Dr. Silke Übelmesser
Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena, dekanat@wiwi.uni-jena.de
Schwerpunkt-/Teilgebietsanerkennung Gynäkologische Onkologie oder gleich-
wertige Qualifikationen, die pädagogische Eignung, die besondere Befähigung
„Familienrecht“ Sachsen ergeben sich aus der Sächsischen Berufsakademie-Dienstaufgabenverordnung
(SächsBADAVO) vom 26. Juli 2019 (SächsGVBl S. 602). Bei Fragen zur Position können die Dekanin der Wirt-
Kennziffer: 38/2020 schaftswissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Silke Übel-
zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch eine qualifizierte Promotion Die Vergütung dieser Stelle erf
r olgt nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) in der Entgelt- messer (dekanat@wiwi.uni-jena.de), oder der Leiter der
Bewerbungen auf die Gastdozenturen sind per E-Mail bis zum 03.05.2020 mit gruppe E 15. Berufungen bzw. Einstellungen erfr olgen im Angestelltenverhältnis. Abteilung Strukturwandel und Produktivität am IWH,
nachgewiesen wird, sowie die Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche aussagekräftigen Nachweisen – soweit vorhanden auch Ergebnissen von Lehr-
Die Staatliche Studienakademie Dresden begrüßt ausdrücklich auch die Bewerbung von Prof. Dr. Steffen Müller (steffen.mueller@iwh-halle.de),
Leistungen. Der/Die zukünftige Stelleninhaber/-in soll wissenschaftlich aufgrund evaluationen – und Zeugnissen zur Erf r üllung der Einstellungsvoraussetzungen Frauen. Bewerbungen Schwerbehinderter werden bei gleicher Eignung bevorzugt berück- kontaktiert werden.
sowie unter Angabe der Kennziff f er an die Hochschule für Wirt r schaft
f und Recht sichtigt.
von Publikationen und Drittmitteleinwerbungen hervorragend ausgewiesen sein. Berlin, Prof. Ulrich Keller – Dekan Fachbereich 4, Alt-Friedrichsfelde 60,
10315 Berlin an ulrich.keller@hwr-berlin.de zu richten. Die Bewerbungs- Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (tabellarischer Lebenslauf, Darstellung des wissen-
Das UKJ und die Friedrich-Schiller-Universität Jena streben eine Erhöhung des daten werden nach Abschluss des Auswahlverf r ahrens vernichtet. schaftlichen Werdegangs, der fachpraktischen Berufserfahrungen und Lehrtätigkeit)
sowie beglaubigte Kopien von Urkunden über akademische Vorbildung und Abschlüsse,
Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an und bitten deshalb entsprechend Das detailliert
r e Stellenprofil, die Einstellungsanforderungen für Gastdozenturen Prüfungs- und Arbeitszeugnisse, lückenloser Tätigkeitsnachweis sowie Nachweise wissen-
qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwer- sowie weitere Informationen finden Sie unter: schaftlicher Leistungen und Veröff
f entlichungen und zu Fort
r - und Weiterbildungsmaßnahmen
behinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. http://www.hwr-berlin.de/aktuelles/stellenmarkt-stipendien-wettbewerbe/ sind mit Angabe der Kennziffer DD 01/2020 innerhalb von 4 Wochen nach Erscheinen oder
stellenangebote/ bis zum 15.05.2020 an folgende Anschrift zu richten:
Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen (CV, Schriftenverzeichnis, Lehr- Berufsakademie Sachsen
Staatliche Studienakademie Dresden
erfahrung, Drittmitteleinwerbungen, OP-Katalog, Zeugnisse und Urkunden) web- Sekretariat der Direktion www.ba-dresden.de/karriere
basiert unter https://berufungsportal.uniklinikum-jena.de bis zum 08.05.2020 Hans-Grundig-Str. 25, 01307 Dresden
erwünscht, adressiert an den Vertreter des Dekans der Medizinischen Fakultät,
Herrn Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius. Für Fragen und weitere Informationen BITTE BEACHTEN:
stehen wir unter berufungen@med.uni-jena.de sehr gerne zur Verfügung.
Vorgezogene Termine für Anzeigen-
und Druckunterlagenschlüsse: Das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. sucht zum An der Technischen Universität Chemnitz ist zum
nächstmöglichen Zeitpunkt bis Dezember 2024 in Frankfurt a.M.
wissenschaftliche Mitarbeitende (w/m/d) im Bereich
01.04.2021 die
6 ZEIT vom 08.04.2020: Freitag, 03.04.2020 – 12 Uhr W1-Juniorprofessur
Die Hochschule für Musik Nürnberg ist die jüngste staatliche Institu-
tion ihrer Art in Deutschland. Sie steht für exzellente Ausbildung im
6 ZEIT vom 16.04.2020: Donnerstag, 09.04.2020 – 12 Uhr Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention
künstlerischen und künstlerisch-pädagogischen Bereich. Studie- “Grenzflächenchemie” mit Tenure-Track
rende aus vielen Nationen werden in einem breiten Fächerangebot
6 ZEIT vom 29.04.2020: Freitag, 24.04.2020 – 12 Uhr – In Vollzeit, Teilzeit ist möglich.
optimal auf das spätere Berufsleben vorbereitet. nach W2 (m/w/d)
An der Hochschule für Musik Nürnberg ist zum Wintersemester – Vorerst befristet auf zwei Jahre mit der Absicht einer
2021/22 eine 6 ZEIT vom 20.05.2020: Freitag, 15.05.2020 – 12 Uhr Verlängerung bis Ende Dezember 2024. W1-Professorship in Interfacial
Halbe Professur W3 6 ZEIT vom 04.06.2020: Freitag, 29.05.2020 – 12 Uhr – Besoldung nach TVöD Bund E 13 bzw. E 14. Chemistry with Tenure-Track to W2 (m/f/d)
im Fach Gesang 6 ZEIT vom 10.06.2020: Freitag, 05.06.2020 – 12 Uhr Voraussetzungen und weitere Informationen finden Sie in den zu besetzen.
(vorrangig zur Ausbildung von Männerstimmen) vollständigen Stellenausschreibungen unter: www.iss-ffm.de
im privatrechtlichen Dienstverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Weitere Informationen unter:
derzeit 20 Stunden zu besetzen. Darin beinhaltet ist eine Lehrverpflichtung von derzeit 9,5 Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung, die Sie bitte an
Semesterwochenstunden.
Detaillierte Informationen zur Stelle und den Bewerbungsmodalitäten finden Sie auf unserer bewerbungen@iss-ffm.de senden.
Homepage unter: www.hfm-nuernberg.de/service/stellenanzeigen www.tu-chemnitz.de/stellen
Bewerbungsschluss ist der 29.04.2020. ISS e.V., Zeilweg 42, 60439 Frankfurt a.M.
Die Fachhochschule Kiel hat gegenwärtig rund 7.800 Studierende und hat
ihre Vision und Leitsätze formuliert (www.fh-kiel.de/leitsaetze). Wir haben
Die Naturw
r issenschaftliche Fakultät besetzt zum frühestmöglichen Zeitpunkt fol- uns auf den Weg gemacht, die Exzellenz-Hochschule für Lehre im Norden zu
Im Fachbereich Physik, Mathematik und Informatik der Johannes gende Professuren: werden. Am Fachbereich Maschinenwesen ist zum nächstmöglichen Termin
Die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft ist mit rund 8.000 Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist am Institut für Physik im Rahmen
die folgende Professur zu besetzen:
1. im Department Chemie und Pharmazie eine
Studierenden eine der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften einer gemeinsamen Berufung mit dem Max-Planck-Institut für Polymerf
r orschung
Baden-Württembergs und hat neben der Lehre einen deutlichen (MPI-P) zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine W2-Heisenberg-Professur für Organische Chemie W2-Professur
Schwerpunkt in der angewandten Forschung. Die Hochschule verfügt „Maschinendynamik und Konstruieren
über die Fakultäten Architektur und Bauwesen, Elektro- und Informa- Juniorprofessur (m/w/d) für im Beamtenverhältnis auf Zeit.
r erbundwerkstoffen“ (m/w/d)
mit Faserv
Zu den Aufgaben gehört, das Fachgebiet Organische Chemie in Forschung und
tionstechnik, Informatik und Wirtschaftsinformatik, Informationsma-
nagement und Medien, Maschinenbau und Mechatronik sowie Wirt- Experimentalphysik - Röntgenstreuung Lehre angemessen zu vertreten. Bewerber (m/w/d) sollen in der Forschung auf
Die Tätigkeit umfasst insbesondere:
schaftswissenschaften. Die Studienangebote zeichnen sich durch an weicher Materie dem Gebiet der Supramolekularen Chemie und der Molekularen Schalter inter-
national ausgewiesen sein. Ein zukunftsweisendes Forschungsprojekt soll die
• Aufbau und Durchführung von deutsch- und englischsprachigen Lehr-
veranstaltungen in Bachelor- und Masterstudiengängen des Fach-
hohe praxisorientierte Lehrinhalte und herausragende Studienbedin- Profilbildung der Erlanger Chemie auf dem Gebiet von Molekularen Materialien
gungen aus. Die Hochschule weist sehr gute Rankingergebnisse auf Bes.Gr. W 1 LBesG (Beamtenverhältnis auf Zeit) mit Funktionseigenschaften wie Energieumwandlung und Organische Elektronik
bereichs Maschinenwesen aus dem Fachgebiet Maschinendynamik
und arbeitet eng mit der regionalen und überregionalen Wirtschaft zu- mit Tenure-Track nach W 2 LBesG (Beamtenverhältnis auf stärken. Die aktive Mitarbeit in interdisziplinären Forschungs- und Lehrverbünden,
sowie Konstruktion mit Faserverbundwerkstoffen
• Durchführung von Lehrveranstaltungen in weiteren Fächern auf dem
sammen. Lebenszeit) wie dem SFB 953, dem Interdisciplinary Center for Molecular Materials (ICMM)
Gebiet der Technischen Mechanik (Statik, Festigkeitslehre, Kinematik/
und der Graduate School Molecular Science (GSMS), wird erw r artet.
An der Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik (IWI) ist zum zu besetzen. Kinetik)
Die Professur soll im Rahmen des Heisenberg-Programms der Deutschen For- • Mitwirkung bei anwendungsorientierten Forschungs- und Technologie-
nächstmöglichen Zeitpunkt eine Gesucht ist eine Persönlichkeit mit besonderem Interesse an der Nutzung schungsgemeinschaft eingerichtet werden. Voraussetzung für die Einrichtung der transferaktivitäten
moderner Methoden und Röntgenquellen zur Aufklärung molekularer struktur- Professur und Ruferteilung ist, dass ein von der zu berufenden Person nach • Aktive Beteiligung an der Profilierung der Studiengänge und an der
und funktionsbildender Prozesse in der weichen Materie. Sie sollte bereits
W2-Professur für das Fachgebiet „Grundlagen wissenschaftliche Leistungen und die Befähigung zu eigenständiger Forschung
Abschluss des universitätsinternen Verf
r ahrens bei der DFG eingereichter Antrag
auf Aufnahme in das Heisenberg-Programm positiv beschieden wird und eine
akademischen Selbstverwaltung
Die Bewerberin oder der Bewerber soll über einschlägige Berufserfahrung
der Informatik“ im Studiengang Data Science auf höchstem internationalem Niveau unter Beweis gestellt haben. Die Förderung im Rahmen der Variante Heisenberg-Professur durch die DFG erf
Nähere Informationen zu den Bedingungen des Heisenberg-Programms und der
r olgt.
in mindestens zwei der folgenden Bereiche aufweisen:
Kennzahl 1411 Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den bestehenden Arbeitsgruppen in der
weichen Materie an der JGU (Physik und Chemie) und am MPI-P wird voraus- Variante Heisenberg-Professuren finden Sie unter http://www.dfg.de. Maschinendynamik, Schwingungstechnik, Experimentelle Modalanalyse,
gesetzt. Eine Mitwirkung bei den Profilbereichen Mainz Institute for Multiscale Gemäß den Vorgaben der DFG ist das Dienstverhältnis zunächst als W2-Profes- Konstruktion mit Faserverbundwerkstoffen, Numerische Berechnung von
zu besetzen. Modeling (M3ODEL) und TopDyn - Topology and Dynamics sowie dem kürzlich sur auf drei Jahre befristet und wird – nach positiver Zwischenevaluation nach Faserverbundstrukturen.
Die Fakultät startet zum Wintersemester 2020/2021 den neuen Studi- eingerichteten Graduiertenkolleg GRK 2516 Control of structure formation in drei Jahren – in eine unbefristete W2-Professur umgewandelt. In diesem Fall Es wird erwartet, dass zukünftig ein besonderer Schwerpunkt im Bereich
engang Data Science. Die ausgeschriebene Stelle ist sowohl der Grund- r aces ist erw
soft matter at and through interf r ünscht. Die Mitarbeit in weiteren r es nicht der erneuten Durchführung eines Berufungsverf
bedarf r ahrens. des ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Umgangs mit Faser-
koordinierten Forschungsaktivitäten wie z. B. dem Max Planck Graduate Center verbundmaterialien aufgebaut wird. Die Professur beinhaltet die Leitung
ausbildung der Informatik als auch vertiefenden Veranstaltungen in 2. im Department Physik am Institut für Theoretische Physik eine des Labors für Maschinendynamik mit Unterstützung durch Labor-
diesem Studiengang gewidmet. Letztere stammen wahlweise aus den mit der Johannes Gutenberg-Universität (MPGC) ist möglich.
personal.
Bereichen Data Analytics, Data Engineering oder Machine Learning. Der Stelleninhaber / die Stelleninhaberin wird zunächst am MPI-P Mainz für die W2-Professur für Theoretische Physik
Die Bereitschaft zur Einwerbung von Drittmitteln ist erwünscht. Dabei
Röntgenstreuung verantwortlich sein und ein eigenständiges Forschungs- im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.
Der zukünftige Stelleninhaber bzw. die Stelleninhaberin besitzt einen werden Forschungsaktivitäten und die Mitwirkung im Bereich Technolo-
programm in der experimentellen weichen Materie am MPI-P und der JGU
Studienabschluss vorzugsweise in Informatik oder einem verwand- Zu den Aufgaben gehört, das Fachgebiet in Forschung und Lehre angemessen gietransfer im Rahmen gesetzlicher Regelungen unterstützt. Für die
entwickeln. Die Verdauerung nach erf r olgreicher Tenure-Evaluation ist an der zu vertreten. Forschungsschwerpunkte der zu besetzenden Professur können im Durchführung und Betreuung von Projekten steht ein fachbereichs-
ten Studienfach und verfügt über praktische Erfahrungen auf dem
JGU vorgesehen. Bereich der Quantenoptik, der kooperativen Quantenphänomene in der Licht- übergreifendes interdisziplinäres kollegiales Arbeitsumfeld und Labor-
Gebiet der Data Science, etwa im Bereich Datenmodellierung, Daten- infrastruktur zur Verfügung.
Zu den Aufgaben gehört die Teilnahme an den allgemeinen Lehraufgaben des Materie-Wechselwirkung, der Quantenvielteilchensysteme oder der Quanten-
management, Datenanalyse oder Maschinelles Lernen. Zusätzliche information liegen. Eine Beteiligung an der Lehre in Theoretischer Physik in den
Instituts für Physik, insbesondere auf dem Gebiet der Experimentalphysik. Von Bewerberinnen und Bewerber müssen neben den allgemeinen beamtenrecht-
Forschungserfahrung in einem dieser Gebiete ist von Vorteil. Auch ein- Bachelor-, Master- und Lehramtsstudiengängen wird erw r artet. Das Department
den Bewerberinnen und Bewerbern wird erw r artet, dass sie die dazu notwendigen lichen Voraussetzungen die Voraussetzungen des § 61 HSG erfüllen. Danach
schlägige Erfahrungen in einer wirtschaftlichen oder technischen An- didaktischen Fähigkeiten sowie das entsprechende Engagement mitbringen. Das für Physik ist durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaftlern sind mindestens ein zum Zugang für die Laufbahn der Laufbahngruppe 2,
wendungsdomäne sind erwünscht. Land Rheinland-Pfalz und die JGU vertr reten ein Konzept der intensiven Betreuung
(m/w/d), mit dem Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und mit anderen zweites Einstiegsamt, berechtigendes, abgeschlossenes Hochschulstudium,
Departments und Fakultäten gekennzeichnet, zu der die Kandidaten (m/w/d) pädagogische und didaktische Eignung und besondere Befähigung zu
Die Hochschule Karlsruhe ist eine der drittmittelstärksten Hochschulen der Studierenden und erw r arten deshalb eine hohe Präsenz der Lehrenden an der aktiv beitragen sollen.
Universität, darüber hinaus eine kooperative, teamorientierte und gestaltende wissenschaft
f licher Arbeit, die in der Regel durch die gute Qualität einer
für angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg. Der weitere Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen (CV, Schriftenverzeichnis, Lehrer- Promotion nachgewiesen wird, erforderlich. Des Weiteren sind besondere
Ausbau der angewandten Forschung ist deshalb anerkanntes Ziel der Arbeitsweise, ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit und die Bereitschaft,
Verantwortung im Sinne der Führungsleitlinien der JGU zu übernehmen und sich fahrung, Drittmitteleinwerbungen, Zeugnisse und Urkunden) webbasiert unter Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaft f licher
Hochschule. Sie geht davon aus, dass der/die Stelleninhaber/-in sich https://berufungen.fau.de Erkenntnisse und Methoden in einer mindestens fünfjährigen beruflichen
aktiv an der angewandten Forschung beteiligt und Drittmittel einwirbt. entsprechend aktiv weiterzuentwickeln. Praxis, von der mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereichs
zu 1. für die Heisenberg-Professur bis zum 19.04.2020
Ferner wird eine engagierte Mitwirkung im Rahmen des Technologie- Bewerberinnen und Bewerber müssen neben den allgemeinen dienstrechtlichen zu 2. für die Professur für Theoretische Physik bis zum 31.05.2020 ausgeübt worden sind, Voraussetzung.
und Wissenstransfers zwischen Hochschule und Wirtschaft erwartet. Voraussetzungen die in § 54 Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz geforderten r ünscht, adressiert an den Dekan der Naturw
erw r issenschaftlichen Fakultät. Für Die Fachhochschule Kiel bietet didaktische Aus- und Fortbildung während
Einstellungsvoraussetzungen erf r üllen. Die Stelleninhaberin bzw. der Stelleninhaber Fragen und weitere Informationen steht der Dekan unter nat-dekanat@fau.de sehr der ersten beiden Beschäft
f igungsjahre an. Es wird erwartet, dass dieses
Der/Die Stelleninhaber/-in muss bereit sein, auch Vorlesungen in fach- wird zunächst für die Dauer von drei Jahren zur Beamtin oder zum Beamten auf gerne zur Verfr ügung. Angebot genutzt wird.
lich benachbarten Gebieten zu übernehmen. Die Fähigkeit und Bereit- Zeit an der JGU ernannt und dann zur Wahrnehmung der Aufgaben am MPI-P
schaft, Lehrveranstaltungen in englischer Sprache durchzuführen, sind Die Hochschule setzt sich für die Beschäft f igung von Menschen mit
beurlaubt. Nach erf r olgreicher Zwischenevaluation erf r olgt in der Regel eine Die Technische Fakultät besetzt im Department Informatik zum frühestmöglichen Behinderung ein. Daher werden schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte
mit dieser Professur verbindlich verknüpft. Neben den Aufgaben in Verlängerung des Dienstverhältnisses sowie der Beurlaubung um weitere drei Zeitpunkt eine Bewerberinnen oder Bewerber bei entsprechender Eignung bevorzugt
Lehre, Weiterbildung, Forschung und Entwicklung wird erwartet, dass Jahre. Im Anschluss daran ist eine dauerhafte Übertragung einer Professur berücksichtigt.
sich Professorinnen und Professoren in den Selbstverwaltungsgremien (Bes.Gr. W 2 LBesG) an der JGU vorgesehen, wenn sich die Stelleninhaberin W3-Professur für Informatik (Systemsoftware)
oder der Stelleninhaber nach Maßgabe der einschlägigen hochschulrechtlichen Die Hochschule ist bestrebt, den Anteil der Wissenschaft f lerinnen zu
der Fakultät und der Hochschule engagieren. im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. erhöhen. Sie fordert deshalb geeignete Frauen auf, sich zu bewerben. Frauen
Regelungen (Evaluationsverf r ahren) bewährt hat und die allgemeinen dienst-
Die Einstellungsvoraussetzungen für Professorinnen und Professoren Gesucht wird eine international herausragende Persönlichkeit, die die am Depart- werden bei gleichwertiger Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
rechtlichen Voraussetzungen erf r üllt sind.
sind geregelt in §§ 47, 49, 50 des Gesetzes über die Hochschulen in ment Informatik vorhandene Expertise durch ein eigenständiges Forschungs- und vorrangig berücksichtigt.
Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist bestrebt, den Anteil der Frauen im Lehrprofil im Themenkomplex Systemsoftware ergänzt, beispielsweise im Kontext
Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz – LHG) in der Fassung ab wissenschaftlichen Bereich zu erhöhen und hat daher ein besonderes Interesse
Ausdrücklich begrüßen wir es, wenn sich Menschen mit Migrations-
Betriebssysteme, Echtzeitsysteme oder Verteilte Systeme. Erw r artet wird zudem hintergrund bei uns bewerben. Auf die Vorlage von Licht-
30.03.2018. Einzelheiten finden Sie in der ausführlichen Stellenaus- an der Bewerbung von Frauen. eine Beteiligung an den Studiengängen Informatik, Mechatronik sowie Informations- bildern/Bewerbungsfotos verzichten wir ausdrücklich und
schreibung unter: www.hs-karlsruhe.de >Hochschule >Stellenangebote und Kommunikationstechnik, insbesondere die Übernahme von Lehrveranstaltun- bitten daher, hiervon abzusehen.
r e werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Schwerbehindert
Die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft strebt eine Erhö- gen im Bereich Systemprogrammierung.
Ihre Bewerbung mit den als Nachweis der Einstellungsvoraussetzungen Bewerbungen mit vollständigen Unterlagen sind
hung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Sie bittet daher Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen (CV, Schriftenverzeichnis, Lehr- schrift
f lich bis zum 30.04.2020 zu richten an den
r orderlichen Angaben und Unterlagen (Lebenslauf mit mindestens drei Namen
erf r ahrung, Drittmitteleinwerbungen, Zeugnisse und Urkunden) webbasiert unter
erf
qualifizierte Interessentinnen nachdrücklich um ihre Bewerbung. für Referenzschreiben, Zeugnisse und Urkunden, Aufstellung der bisherigen Dekan des Fachbereichs Maschinenwesen, Herrn Prof.
https://berufungen.fau.de bis zum 01.05.2020 erw
r ünscht, adressiert an den Dekan Dr. Rainer Geisler, Grenzstr. 3, 24149 Kiel.
Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei entspre- Lehrtätigkeiten und Lehrkonzept, Forschungskonzept, Liste von Vorträgen und der Technischen Fakultät. Für Fragen und weitere Informationen steht der Dekan
chender Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt be- Publikationen und ein Empfehlungsschreiben) und bis zu drei zentralen r ügung.
unter tf-dekanat@fau.de sehr gerne zur Verf
rücksichtigt. Publikationen (mit Spezifikation des eigenen Beitrages zu diesen) richten Sie
bitte bis zum 15.05.2020 in ausschließlich elektronischer Form (in einer PDF- Ausführliche Stellenbeschreibungen finden Sie online unter https://www.fau.de/
Bewerbungen werden erbeten – unter Angabe der Kennzahl bis Datei) an den: universitaet/stellen-praktika-und-jobs/ausgeschriebene-professuren/.
24.04.2020 – bevorzugt elektronisch (PDF-Format, eine Datei) an die Dekan des Fachbereichs Physik, Mathematik und Informatik
Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Personalabteilung Staudingerw r eg 7 Fakultät 9
Postfach 2440, 76012 Karlsruhe 55128 Mainz Philosophisch-Historische Fakultät
Telefon (0721) 925-1030 E-Mail: info@phmi.uni-mainz.de
http://www.phmi.uni-mainz.de
bewerbung.professoren@hs-karlsruhe.de DIVERSITY-AUDIT
DES STIFTERVERBANDES
Für Fragen und weitere Informationen stehen Ihnen Herr Professor Hans-Jürgen
Mit Ihrer Bewerbung stimmen Sie der internen ZERTIFIKAT 2019 www.fau.de
Butt (butt@mpip-mainz.mpg.de) und Frau Professorin Friederike Schmid
Verarbeitung Ihrer Daten zu Zwecken der (friederike.schmid@uni-mainz.de) zur Verf
r ügung. Juniorprofessur (W1)
Durchführung des Bewerbungsprozesses gemäß
der Europäischen Datenschutzgrundverordnung Die Hinweise zum Datenschutz im Umgang mit Ihrer Bewerbung finden Sie unter: „Philosophie der Technik und Information“
(DSGVO) und des Gesetzes zum Schutz perso- https://www.verwaltung.personal.uni-mainz.de/files/2020/03/Datenschutz-
nenbezogener Daten (Landesdatenschutzgesetz Bewerber-1.pdf
PHILOSOPHISCHES INSTITUT I ZUM NÄCHSTMÖGLICHEN ZEITPUNKT
– LDSG) zu. Bitte beachten Sie, dass die Unter- Stellenangebote und weitere Informationen auch im Internet:
lagen nicht berücksichtigter Bewerberinnen r altung.personal.uni-mainz.de/stellenausschreibungen/
https://www.verw Die Inhaberin/Der Inhaber dieser Professur soll systematische
und Bewerber nach Abschluss des Auswahl- Forschungsschwerpunkte in der theoretischen und/oder normativen
verfahrens datenschutzgerecht vernichtet wer- Analyse der technischen Herausforderungen des Informationszeit-
den. Eine Rücksendung ist aus Verwaltungs- und The Institute of Environmental Planning at the Faculty of alters vorweisen. Mögliche Schwerpunkte wären die Philosophie
Kostengründen nicht möglich. Architecture and Landscape Science invites applications for a der Information, die Philosophie der künstlichen Intelligenz, die
Besuchen Sie die Homepage der Fakultät für
Informatik und Wirtschaftsinformatik unter: Online-Stellen-
University Professorship (m/f/d) Datenethik, die normativen Aspekte der Technikfolgenabschätzung

https://www.hs-karlsruhe.de/fk-iwi/ ausschreibung of Salary Scale W2 NBesO with Tenure Track oder die technikphilosophische Analyse der Veränderungen des
Verhältnisses von Gesellschaft und Natur. Erwartet wird weiter die
leading to a W2 NBesO in Behavioural interdisziplinäre Kooperation innerhalb der Fakultät und mit anderen
Die Hochschule Furtwangen (HFU) ist eine innovative und sich stetig Aspects of Environmental Planning Fakultäten, insbesondere mit den technik- und naturwissenschaftf lichen
weiterentwickelnde Hochschule, die regional verankert und internati- starting October 1, 2020. The initial appointment will be limited to Fächern, u. a. im Rahmen des Exzellenzclusters SimTech, dem Stuttgart r
Die Universität des Saarlandes onal ausgerichtet ist. Unsere Schwerpunkte liegen in den Bereichen five years. After positive evaluation, the candidate will receive a
Research Center Text Studies, Sonderforschungsbereichen der
ist eine Campus-Universität mit Informatik, Technik, Wirtschaft, Medien und Gesundheit. Wir sind tenured professorship (salary scale W2).
Universität sowie mit dem Internationalen Zentrum für Kultur- und
internationaler Ausrichtung und
ausgeprägtem Forschungsprofil. eine der forschungsstärksten Hochschulen für angewandte Wissen- The job announcement is part of the Joint Federal Government-
Technikforschung (IZKT).
schaften in Baden-Württemberg mit über 6.000 Studierenden, über Länder Tenure-Track Programme to promote junior researchers. It is
450 Beschäftigten und über 190 Professuren an den drei Standorten aimed at young researchers with outstanding potential for a
successful academic career. Es gelten die Einstellungsvoraussetzungen des § 51 Landeshoch-
An der Universität des Saarlandes ist zum 01.03.2021 die Stelle der/des Furtwangen, Villingen-Schwenningen und Tuttlingen. Sie haben schulgesetz Baden-Württemberg.
Behavioural Environmental Planning is a highly innovative and
r ahrung an junge
Freude daran, Ihr Fachwissen und Ihre Praxiserf
Präsidentin/Präsidenten (m/w/d) Menschen weiterzugeben?
interdisciplinary field of research at the intersection of psychology,
economics and planning. The professorship encompasses research of Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (einschließlich Darstellung
neu zu besetzen.
Die Universität des Saarlandes ist eine international ausgerichtete Campus-Universität,
Die Fakultät Wirtschaftsinformatik der Hochschule Furtwangen star- the behaviour-oriented mechanisms that are employed by groups of des wissenschaftlichen Werdegangs, Schriften- und Lehrveran-
actors involved in important environmental planning decisions. We
deren wissenschaftliches Profil besonders durch die Schwerpunktbereiche Informatik, tet im Jahr 2020 mit dem englischsprachigen Bachelorstudiengang staltungsverzeichnis, Auflistung der eingeworbenen Drittmittel,
are seeking a scientist in the field of Behavioural Science with the
NanoBioMed und Europa geprägt ist. Mit einem Drittmittelertrag von rund 75 Mio. „Business Information Systems“. Neben der internationalen Ausrich- potential to obtain third-party funding and the willingness to initiate
Forschungs- und Lehrkonzept, Sprachkenntnisse) werden bis zum
Euro bei 17.000 Studierenden und mehr als 4.000 Beschäftigten zählt sie zu den
forschungsstarken Universitäten mittlerer Größe in Deutschland. Charakteristisch ist
tung hat sowohl ein zeitgemäßes Lehrangebot als auch eine anwen- research programmes. The successful candidate will be expected to 17.05.2020 erbeten an das Dekanat der Philosophisch-Historischen
die enge Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten, unter anderem der Fraunhofer- dungsnahe Forschung für uns eine besondere Bedeutung. Für die hold lectures and seminars as well as to supervise student projects Fakultät, Keplerstraße 17, 70174 Stuttgart, möglichst als PDF-file per
Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck- Verstärkung unseres Kollegiums suchen wir engagierte Kolleginnen that address environmental (planning) decisions. E-Mail an management@f09.uni-stutt r .de. Bitte seien Sie sich bei
t gart
Gesellschaft, im unmittelbaren Umfeld der Universität.
und Kollegen, die Freude an einer innovativen, interdisziplinären und The successful candidate will be expected to hold selected courses der Übersendung ihrer Bewerbung per unverschlüsselter E-Mail der
Innovative Studienangebote und hohe Qualität der Lehre haben besonderes Gewicht; internationalen Zusammenarbeit und an einer zukunftsweisenden in German and English. Risiken der Vertraulichkeit und Integrität ihrer Bewerbungsinhalte
die Universität des Saarlandes wurde als eine der ersten Universitäten Deutschlands
systemakkreditiert und hat ihr Qualitätsmanagementsystem Lehre und Studium seither Hochschularbeit haben. General responsibilities and conditions of appointment apply, in bewusst.
systematisch weiterentwickelt. accordance with the Lower Saxony Higher Education Act
Zum nächstmöglichen Zeitpunkt ist eine (Niedersächsisches Hochschulgesetz – NHG). Die Universität Stuttgart verfügt über ein Dual Career Programm zur
Die geographische Lage ihrer Standorte Saarbrücken und Homburg an den Grenzen zu
Frankreich und Luxemburg unterstützt die starke internationale Orientierung der Uni-
versität des Saarlandes, die sich u. a. in einem überdurchschnittlich hohen Anteil an
Professur (W 2) For the full job advertisement and to view our privacy statement,
please visit: http://www.uni-hannover.de/jobs
Unterstützung der Partnerinnen und Partner berufener Personen.
Nähere Informationen unter:
internationalen Studierenden und Lehrenden ausdrückt. für Please submit your full application until April 30, 2020 exclusively https://www.uni-stuttgart.de/universitaet/arbeitgeber/dualcareer/
Für die Region ist die Universität des Saarlandes ein maßgeblicher Innovationsmotor
in wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Sie trägt als EXIST-
Wirtschaftsinformatik, Schwerpunkt ERP-Systeme via the Appointment Portal of the Leibniz University Hannover at:
https://berufungen.uni-hannover.de Die Informationen zur Erhebung von personenbezogenen Daten
Gründeruniversität dazu bei, das Potenzial an technologieorientierten und wissens- zu besetzen. nach Artikel 13 DS-GVO können Sie unter dem nachstehenden Link
basierten Gründungen am Hochschulstandort nachhaltig zu erschließen. Als Mitglied
der grenzüberschreitenden „Universität der Großregion“ (www.uni-gr.de) ist sie in Gesucht wird eine Persönlichkeit mit einschlägigem Hochschulab- einsehen: https://www.uni-stuttgart.de/datenschutz/bewerbung/
besonderem Maße im regionalen und internationalen Umfeld vernetzt.
schluss und vertieften betriebswirtschaftlichen Kenntnissen im Um-
Die Universität des Saarlandes wird über einen Globalhaushalt geführt und verfügt daher
feld der Wirtschaftsinformatik, guten didaktischen Fähigkeiten sowie
über ein hohes Maß an Autonomie in der Ausgestaltung ihres Forschungs- und Lehr-
Profils. vertieften Kenntnissen und praktischen Erf r ahrungen in Server- und
Die Universität Stuttgart möchte den Anteil der Frauen im wissenschaft
f lichen Be-
Die Universität des Saarlandes verfolgt eine gleichstellungsfördernde, familienfreundliche Cloud-basierten ERP-Systemen sowie in mehreren der folgenden reich erhöhen und ist deshalb an Bewerbungen von Frauen besonders interessiert
r.
Personalpolitik. Sie ist Mitglied in regionalen und überregionalen Dual-Career-Netzwerken Gebiete: Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung vorrangig eingestellt
und bietet bei Bedarf Unterstützung bei der beruflichen und familiären Integration.
l Rechnungswesen oder Controlling
Für die Position der Präsidentin/des Präsidenten wird eine wissenschaftlich ausgewie- Für den Verantwortungsbereich der Vizepräsidentin für Wissenschaftlichen
sene Persönlichkeit gesucht, die Teamfähigkeit in überzeugender Weise mit Füh-
l Geschäftsprozessmanagement Nachwuchs und Gleichstellung ist im Referat Forschung und Transfer ab dem
rungsverantwortung und Gestaltungswillen verbindet und die weitreichende Erfahrungen l Perf
r ormance Management 01.08.2020 die Stelle einer/eines
in hervorgehobenen Ämtern der akademischen Selbstverwaltung mitbringt. Erwartet
Die Übernahme von Lehrverpflichtungen und die Betreuung von
wird eine integrative Persönlichkeit, die es versteht, die Mitglieder der Universität
in die Weiterentwicklung der Bereiche Forschung, Lehre und Technologietransfer Praktika auch im Grundstudium, die Weiterentwicklung des Fach- Referentin/Referenten (w/m/d)
Wissenschaftlicher Nachwuchs
einzubinden, und die mit strategischer Kompetenz, kommunikativer Überzeugungskraft
gebiets mit innovativen Ansätzen und die Wahrnehmung von For-
und internationaler Erfahrung die Universität des Saarlandes im kompetitiven Wissen-
schaftsumfeld und im Dialog mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft vertritt. schungsaufgaben werden erw r artet. Die Bewerber/-innen müssen
bereit sein, Vorlesungen und/oder Praktika in fachlich benachbarten (Entgeltgruppe 13 TV-L, 75% der regelmäßigen Arbeitszeit)
Die Bewerbungsvoraussetzungen richten sich nach § 20 (1) des Saarländischen Hoch-
schulgesetzes. Eine erfolgreich abgeschlossene Promotion wird erwartet. Gebieten zu halten und müssen in der Lage sein, Lehrveranstaltun- befristet für die Dauer des Mutterschutzes und einer ggf. anschließenden Eltern- Zentraleinrichtung Sprachenzentrum
Die Wahl der Präsidentin/des Präsidenten erfolgt aufgrund des Vorschlags der Findungs- gen auch in englischer Sprache durchzuführen. Die Mitwirkung bei zeit von voraussichtlich bis zu 14 Monaten zu besetzen.
kommission durch Senat und Hochschulrat. Die Bestellung oder Ernennung erfolgt durch der Weiterentwicklung der Fakultät Wirtschaftsinformatik wird eben- Tätigkeiten: Lehrkraft für besondere Aufgaben
den Ministerpräsidenten. Die Amtszeit beträgt zwischen vier und sechs Jahren und wird
so erw
r artet wie die Mitarbeit in der akademischen Selbstverw
r altung. Die/Der Stelleninhaberin/Stelleninhaber ist in enger Abstimmung mit der Vize- mit 67 %-Teilzeitbeschäftigung, unbefristet, Entgeltgruppe 13 TV-L FU
von der zur Wahl stehenden Person vor der Wahl festgelegt. Die Wiederwahl ist zulässig. Kennung: 54/2020/Lkfb f A_ DaF
Die Besoldung erfolgt nach der Besoldungsgruppe W3 zuzüglich Funktionsleistungs- Wir wünschen uns eine Persönlichkeit, die bei der Entwicklung von präsidentin für Wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung zuständig für
die Weiterentwicklung von Konzepten zur Förderung des wissenschaftlichen
bezüge. Der aktuelle Amtsinhaber wird sich für eine zweite Amtszeit bewerben. Konzepten zur Erhöhung der Attraktivität des Studiums für Frauen Nachwuchses mit besonderem Schwerpunkt im Bereich der Doktorandinnen Aufgabengebiet: Durchführung und Weiterentwicklung von sprachpraktischen
Die Universität des Saarlandes strebt nach Maßgabe ihres Gleichstellungsplans eine mitwirkt. und Doktoranden. Dabei gestaltet sie/er auch die Entwicklung und Umsetzung Lehrveranstaltungen in Deutsch als Fremdsprache (DaF): Kurse für Studierende
Erhöhung des Anteils von Frauen in Leitungspositionen an. Sie fordert daher Frauen von internen und externen Rahmenvorgaben und Ordnungen zur Qualitäts- in Mobilitäts- und Austauschprogrammen und für Studierende in Studiengängen
nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Die Hochschule strebt eine Erhöhung ihres Frauenanteils in Lehre sicherung im Bereich von Promotionen inhaltlich und koordinierend mit. Die/Der der Freien Universität Berlin; Mitwirkung bei der Erstellung, Durchführung und
Bewerbungen von Schwerbehinderten werden bei gleicher Eignung im Auswahlverfahren und Forschung an und fordert qualifizierte Frauen deshalb ausdrück- Stelleninhaberin/Stelleninhaber konzipiert, organisiert und evaluiert Qualifizie- Korrektur von Tests und Prüfungen, u.a. der Deutschen Sprachprüfung für den
bevorzugt. lich auf, sich zu bewerben. Schwerbehinderte Menschen werden bei rungsangebote für Doktorandinnen und Doktoranden, die an der Universität Hochschulzugang (DSH); Mitwirkung in Organisation und Verwaltung des
Bereichs.
Im Rahmen Ihrer Bewerbung um eine Stelle an der Universität des Saarlandes (UdS) entsprechender Eignung bevorzugt eingestellt. Oldenburg in einer fakultätsübergreifenden Graduiertenakademie angesiedelt
Einstellungsvoraussetzungen: Magister-, Master- oder Diplomabschluss in einem
sind. In enger Abstimmung mit den weiteren für Internationalisierung zuständi-
übermitteln Sie personenbezogene Daten. Beachten Sie bitte hierzu unsere Datenschutz-
www.uni-saarland.de

hinweise gemäß Art. 13 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zur Erhebung und Einstellungsvoraussetzungen (§ 47 LHG) und Informationen zur gen Organisationseinheiten der Universität Oldenburg wirkt sie/er an der Ent- für die Wahrnehmung der Lehraufgaben geeigneten Fach; Nachweis einer nach
wicklung und Implementierung von Maßnahmen zur Förderung der internatio- dem Hochschulabschluss ausgeübten, mindestens dreijährigen Tätigkeit im
Verarbeitung von personenbezogenen Daten (www.uni-saarland.de/datenschutz). Durch Hochschule erhalten Sie unter www.hs-furtwangen.de sowie bei universitären DaF-Unterricht oder einer vergleichbaren Tätigkeit, in der Regel in
nalen Mobilität von Doktorandinnen und Doktoranden (incoming und outgoing)
die Übermittlung Ihrer Bewerbung bestätigen Sie, dass Sie die Datenschutzhinweise der Prof. Dr. Guido Siestrup unter sig@hs-furtwangen.de. verantwortlich mit. einem hauptamtlichen Dienstverhältnis; pädagogische Eignung.
UdS zur Kenntnis genommen haben.
Bewerbungen sind bis zum 30.04.2020 schriftlich (Poststempel) und digital an Wir freuen uns über Ihre Bewerbung an den Rektor der Hochschule, Weitere Informationen zur Stellenausschreibung entnehmen Sie bitte der
die Vorsitzende der Findungskommission, Frau Prof. Dr. Margret Wintermantel, zu Herrn Prof. Dr. Schofer, die Sie bitte mit den üblichen Unterlagen bis folgenden Internetseite: www.uol.de/stellen/67242. Den ausführlichen Ausschreibungstext finden Sie ab dem
richten an die Universität des Saarlandes, Vorsitzende der Findungskommission, zum 03.05.2020, unter Kennz. 13-2020-WI-P, über unser Online- 30.03.2020 unter www.fu-berlin.de/universitaet/beruf-karriere/jobs
Prof. Dr. Margret Wintermantel, Präsidialbüro, Gebäude A2 3, 66123 Saarbrücken,
findungskommission@uni-saarland.de. Bewerbungsportal unter www.jobs.hs-furtwangen.de einreichen. unter der angegebenen Kennung.
www.uni-oldenburg.de
Die Universitätsmedizin Tübingen ist Bestandteil der Exzellenzuniversität Tübingen. Sie bietet
medizinische Leistungen auf höchstem Niveau und deckt das gesamte Spektrum moderner
Die Hochschule Pforzheim zählt mit rund 6.200 Studierenden und 500
An der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Medizin, Forschung, Lehre und Krankenversorgung ab.
Personen in Lehre, Forschung und Administration zu den größten
ist eine
Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Baden-Württembergs. In ihren An der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen ist im Institut für Pathologie und Neu- Die Hochschule RheinMain als Hochschule für ange-
drei Fakultäten – Gestaltung, Wirtschaft und Recht sowie Technik – verbindet
die Hochschule Pforzheim Kreativität mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung
Universitätsprofessur (W3) ropathologie (Department), Abteilung für Allgemeine und Molekulare Pathologie und Patho-
logische Anatomie eine
wandte Wissenschaften mit ihren Studienorten Wiesbaden
und Rüsselsheim versteht sich als weltoffene, vielfältige
und technischer Präzision. Interdisziplinarität, Internationalität, Technologie für Translationale und Experimentelle Hochschule. Sie ist anerkannt für ihre wissenschaftlich
und Know-how-Transfer sind wesentliche Elemente unseres Erfolges.
Immundermatologie W3-Professur für Advanced Tissue Imaging
fundierte und berufsqualifizierende Lehre sowie für ihre
Unseren Mitarbeitern und Studierenden wird nicht nur eine Fachausbildung
an der Klinik für Hautkrankheiten (Direktorin Univ.-Prof. Dr. K. Steinbrink) des and Digital Pathology (w/m/d) anwendungsbezogene Forschung, die eng mit der Lehre
geboten, sondern eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung.
Universitätsklinikums Münster zu besetzen. zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen. Der Stelleninhaber/Die Stelleninhaberin soll das verzahnt ist. Insgesamt studieren an der Hochschule
An der Fakultät Wirtschaft und Recht ist im Studiengang Betriebswirtschaft/ Die Stelleninhaberin/Der Stelleninhaber soll den Bereich der Translationalen und Gebiet des Gewebe-Imaging und der digitalen Pathologie in Forschung, Lehre und Krankenver- RheinMain rund 14.000 Studierende. Die Hochschule
Experimentellen Immundermatologie als Teil der Dermatologie in Forschung, Lehre sorgung vertreten. Der Forschungsschwerpunkt des/der zukünftigen Stelleninhabers/Stellen-
Einkauf und Logistik (B. Sc.) zum Wintersemester 2020/2021 folgende und Krankenversorgung mit nationaler und internationaler Sichtbarkeit ausbauen RheinMain beschäftigt rund 900 Mitarbeiter*innen, davon
Professur zu besetzen: inhaberin liegt in einem oder mehreren der folgenden Gebiete:
und vertreten. Die Bewerberin/Der Bewerber soll eine hohe international ausge-
Multiparametrische, Gewebe-basierte molekulare Imagingtechnologien
ca. 250 Professor*innen.
wiesene wissenschaftliche Qualifikation und Exzellenz in immunologisch-
dermatologischen und translationalen Fragestellungen aufweisen. Der besondere Entwicklung und Einsatz auf künstlicher Intelligenz-basiert
r er Expert
r ensysteme zur Bildanalyse
Der Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen
Professur (m/w/d) (W2) Schwerpunkt der Professur soll in der laborwr issenschaft
f lichen und translationalen
Forschung auf dem Gebiet der entzündlichen Hauterkrankungen liegen. Die Be-
und Biomarkerquantifizierung
(Studienort Wiesbaden) der Hochschule RheinMain
Bioinformatische Integration von Morphologie-/Phänotyp-basierten Daten
Logistics Operations Management reitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb der Medizinischen
Fakultät und dem Universitätsklinikum wird erwartet.
Etablierung der digitalen Pathologie als universelle Plattform für translationale Forschung schreibt zur Verstärkung des Lehrteams folgende Stelle
und Diagnostik aus:
Die Stelle ist bei entsprechender Qualifikation mit der Funktion als Oberärztin/
Kennziffer: 201013 Vergütung: W2
Oberarzt verknüpft. Die Stelleninhaberin/der Stelleninhaber muss als Fachärztin/
Facharzt das Fach Dermatologie in voller Breite beherrschen. Sie/Er muss einge-
r olgreiche Drittmitteleinwerbung, ein aktives Mitarbeiten an Forschungsschwerpunkten der
Erf
Medizinischen Fakultät und eine Beteiligung an bestehenden und geplanten Initiativen für Professur
hende Erfahrungen in der Lehre nachweisen und sollte sich intensiv an der Weiter-
„Mobilitätsmanagement und
Arbeitszeit: Vollzeit Bewerbungsfrist: 04.05.2020 SFBs, Graduiertenkollegs (insbesondere dem GRK2534 „Intraoperative multisensorische
entwicklung innovativer Lehrkonzepte in diesem Bereich beteiligen. Die Kandi- Gewebediff f erenzierung in der Onkologie“) und ähnlichen Forschungsverbünden werden erw
r art
r et.
datin/Der Kandidat soll über Erfahrungen in der erfolgreichen Einwerbung von
Radverkehr“
Der Studiengang ist Teil des BWL-Bachelorprogramms mit einer breiten Aufgrund des Querschnittcharakters der Professur ist eine enge Zusammenarbeit im Rahmen
Drittmitteln und in der Leitung einer eigenen Arbeitsgruppe verfügen.
betriebswirtschaftf lichen Grundausbildung und einer funktionsspezifischen des Comprehensive Cancer Center (CCC) Tübingen-Stuttgart, des Deutschen Konsortiums
Die Medizinische Fakultät erwartet eine aktive Zusammenarbeit mit den am Ort für Translationale Krebsforschung (DKTK) und des Exzellenzclusters „Individualisierung von
Ausprägung in Einkauf und Logistik, für die diese Stelle vorgesehen ist. Wir bestehenden Forschungsschwerpunkten der Fakultät, den Forschungsverbünden, Tumortherapien durch molekulare Bildgebung und funktionelle Identifizierung therapeutischer
(Bes. Gr. W2 HBesG)
legen in der Ausbildung großen Wert auf interaktionsbasierte Lehrf r ormen und wie zum Beispiel dem „Cells in Motion Interfaculty Center“, den ortsansässigen
integrieren die betriebliche Praxis in unsere curricularen Konzepte, zum Beispiel Sonderforschungsbereichen, dem Interdisziplinären Zentrum für Klinische For- Zielstrukturen“ (iFIT) sowie innerhalb des Departments für Diagnostische Labormedizin von Kennziffer: AB-P-34/20
durch Semesterprojekte mit studentischen Teams direkt in Unternehmen. schung (IZKF), dem Zentrum für Klinische Studien (ZKS), dem Zentrum für Mole- zentraler Bedeutung.
kularbiologie der Entzündung (ZMBE), dem Max-Planck-Institut für molekulare Nähere Informationen erhalten Sie unter:
Biomedizin und den immunologisch ausgerichteten Arbeitsgruppen des Univer- Im Bereich der Lehre werden umfangreiche und herausragend evaluierte Lehrerf r ahrungen und
http://www.hs-rm.de/stellen-prof

Präsidenten der Hochschule RheinMain


f iges Aufgabengebiet:
Ihr zukünft sitätsklinikums Münster sowie substantielle Beiträge zu zukünftigen Verbundfor- Engagement insbesondere im Hinblick auf innovative Curricula der Studiengänge der Medizi-
• Sie vertreten das Fachgebiet Logistics Operations Management und schungsaktivitäten. nischen Fakultät, der Weiterentwicklung digitaler Lehrmethoden sowie die aktive Mitgestaltung
halten deutsch- und englischsprachige Lehrveranstaltungen im Bachelor- Ihre schriftliche Bewerbung mit aussagefähigen Unter-
Voraussetzungen für die Bewerbung sind wissenschaftliche Leistungen, die im von Vorlesungen und anderen Lehrf r ormaten erwr artet.
und Masterprogramm zu den Logistikgrundfunktionen Transport, Lager lagen (aufgrund der aktuellen Situation können wir
Rahmen einer Junior-Professur, einer Habilitation oder einer Tätigkeit als wis-
und Kommissionierung sowie angrenzenden Dienstleistungen. senschaftliche Mitarbeiterin/wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule Einstellungsvoraussetzungen sind die Habilitation oder eine gleichwertige Qualifikation, auf- z. Z. nur Bewerbungen per E-Mail entgegennehmen)
• Sie integrieren relevante Entwicklungen in Ihre Veranstaltungskonzepte oder außeruniversitären Einrichtung erbracht wurden. Auf die weiteren im § 36 grund der erf
r orderlichen engen Beziehung zur Pathomorphologie eine Qualifikation als Fach- richten Sie bitte unter Angabe der o. a. Kennziffer bis
des Hochschulgesetzes genannten Voraussetzungen wird verwiesen. arzt/Fachärztin für Pathologie sowie nachgewiesene didaktische Eignung.
wie die Systemautomatisierung und Prozessdigitalisierung oder Nach- zum 30.04.2020 (ausschließlich in einer PDF-Datei) an
haltigkeit als Bewertungsdimension. Die WWU tritt für die Geschlechtergerechtigkeit ein und strebt eine Erhöhung des Die Universität Tübingen strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen in Forschung und Lehre bewerbung2@hs-rm.de.
• Sie entwickeln eigene Ideen für studiengangübergreifende Veranstaltungen Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Bewerbungen von Frauen sind da- an und bittet deshalb entsprechend qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich um eine

65022 Wiesbaden
her ausdrücklich erwünscht; Frauen werden bei gleicher Eignung, Befähigung und
und arbeiten aktiv an der Internationalisierung.
fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mit- Bewerbung. Qualifizierte internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind aus- Mit dem Absenden Ihrer Bewerbung willigen Sie ein, dass

Postfach 3251
• Sie tragen zu den Forschungsaktivitäten der Fakultät in Ihrem Fachgebiet bewerbers liegende Gründe überwiegen. Schwerbehinderte werden bei gleicher drücklich aufgefordert, sich zu bewerben. Ihre Daten zum Zwecke des Stellenbesetzungsverfahrens
bei und binden Unternehmen in Projekte der angewandten Forschung mit ein. Qualifikation bevorzugt eingestellt. gespeichert und verarbeitet werden. Ihre Daten werden
Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Entsprechend dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 19. November nach Abschluss des Stellenbesetzungsverfahrens gemäß
Das erwarten wir: 1999 zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssys- Bitte reichen Sie Ihre kompletten Bewerbungsunterlagen über das Berufungsportal der Medizi-
• Sie haben im Bereich Logistics Operations gearbeitet, international tems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ nischen Fakultät unter https://berufungsportal.medizin.uni-tuebingen.de bis zum
der geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen
Erfahrungen gesammelt und Führungskompetenz erworben. werden Professorinnen/Professoren mit Aufgaben in der Krankenversorgung 14.05.2020 ein. wieder gelöscht.
• Sie haben Freude an der Lehre und Ihre didaktischen Fähigkeiten bereits grundsätzlich in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt (Ausnah-
men sind möglich, wenn die Bewerberin/der Bewerber bereits eine Lebenszeit- Rückfragen können an den stellvertretenden Dekan gerichtet werden.
nachgewiesen. professur der Besoldungsgruppe C4/C3/W3/W2 inne hatte). Die der Professur
• Sie verfügen über ein breites nationales/internationales Netzwerk. zugeordneten Aufgaben in der Krankenversorgung werden in einem gesonderten Stellvertretender Dekan der Medizinischen Fakultät der
• Sie haben ein ausgeprägtes Interesse am Wissenstransfer in die Vertrag mit dem Universitätsklinikum geregelt. Eberhard Karls Universität Tübingen
Wirtschaft. Bewerbungen erfolgen zum 01.05.2020 ausschließlich über das Online-Portal der Herrn Professor Dr. med. Diethelm Wallwiener
• Idealerweise verfügen Sie über Erfahrungen in der Drittmitteleinwerbung. Medizinischen Fakultät: https://berufungsportal.uni-muenster.de Geissweg 5/1
• Sie sind bereit, in der Selbstverwaltung der Hochschule aktiv mitzuwirken Sie können dort die üblichen Unterlagen (Lebenslauf, wissenschaftlicher Werde- 72076 Tübingen
und organisatorische Aufgaben im Studiengang zu übernehmen. gang, gegliedertes Schriftenverzeichnis, eingeworbene Drittmittel) sowie eine Zu-
sammenstellung der erbrachten Lehrleistungen und ein ausführliches, zukunfts-
Berufungsvoraussetzungen sind u. a. ein abgeschlossenes Hochschulstudium, orientiertes Lehrkonzept einreichen.
wissenschaftf liche Qualifikation, die i. d. R. durch Promotion nachgewiesen Für Fragen wenden Sie sich an den Dekan der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Am Universitätsklinikum Jena (UKJ) ist im Institut für Arbeits-, Sozial- und
wird, und mindestens fünf Jahre Berufserf r ahrung, davon mindestens drei Wilhelms-Universität Münster, E-Mail-Adresse: dekanmed@ukmuenster.de
Umweltmedizin (Direktorin: Prof. Dr. Astrid Heutelbeck) eine
Jahre außerhalb des Hochschulbereichs. Weitere Einzelheiten (vgl. § 47
Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg) sind einem Merkblatt zu
entnehmen, das über die Homepage der Hochschule heruntergeladen werden W2-Stiftungsprofessur für Epidemiologie
Die Universität Siegen ist mit knapp 20.000 Studierenden, ca. 1.300 Wissenschaftlerinnen und
kann. Die Hochschule Pforzheim strebt die Erhöhung ihres Frauenanteils an
Wissenschaftlern sowie 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Technik und Verw r altung eine in der Arbeitsmedizin
und fordert qualifizierte Interessentinnen deshalb nachdrücklich auf, sich zu innovative und interdisziplinär ausgerichtete Universität. Sie bietet mit einem breiten Fächer-
bewerben. Bei gleicher Qualifikation haben behinderte Bewerber/-innen spektrum von den Geistes- und Sozialwissenschaften über die Wirtschaftswissenschaften bis zu zu besetzen.
Vorrang. den Natur- und Ingenieurw r issenschaften ein hervorragendes Lehr- und Forschungsumfeld mit
zahlreichen inter- und transdisziplinären Forschungsprojekten. Die Universität Siegen bietet viel- Die zu berufende Persönlichkeit (m/w/d) soll das Fachgebiet in Forschung und
Bitte richten Sie Ihre Bewerbung an den Rektor Herrn Prof. Dr. Ulrich Jautz und fältige Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Sie ist deswegen seit 2006 als familienge-
rechte Hochschule zertifiziert und bietet einen Dual Career-Service an. Lehre vertreten. Es wird erwartet, dass sie insbesondere auf dem epidemio-
bewerben sich unter Angabe der Kennziffer über unser Onlinebewerberportal: An der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster logischen Gebiet der medizinischen Prävention und Rehabilitation im Arbeits-
https://stellen.hs-pforzheim.de/poen8 ist eine In der Fakultät V – Lebenswissenschaftliche Fakultät – der Universität Siegen ist zum nächstmög-
lichen Zeitpunkt eine prozess zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit (Employability) und den
Ihr Ansprechpartner Universitätsprofessur Universitätsprofessur
die Beschäftigungsfähigkeit beeinflussenden Kontextfaktoren ausgewiesen
Professor Thomas Cleff
thomas.cleff@hs-pforzheim.de
(W3 mit Leitungsfunktion) (Bes.Gr. W2/W3 LBesG NRW)
ist und sich in wissenschaftlicher Hinsicht mit quantitativen Methoden in
die Forschungsschwerpunkte der Medizinischen Fakultät „Altern und alters-
+49 7231 28 6101 für Frauenheilkunde und Geburtshilfe für Digital Public Health assoziierte Erkrankungen“ sowie „Sepsis- und Infektionsmedizin“ integriert.
zu besetzen. Mit der Stelle ist die Leitung der Klinik für Frauenheilkunde und Ge- zunächst befristet auf 5 Jahre zu besetzen. Es besteht die Möglichkeit der Entfristung bei Vorliegen
burtshilfe des Universitätsklinikums Münster verbunden. Die zukünftige Stellen- der haushalterischen und strukturellen Gegebenheiten. Die Besoldung der Stelle erf r olgt je nach Einstellungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Hochschulstudium
inhaberin/Der zukünftige Stelleninhaber muss in der Lage sein, das Fach in For- Qualifikation und Erfrahrung entweder nach Besoldungsgruppe W2 LBesG NRW oder nach Besol- der Humanmedizin (mit einschlägiger Facharztanerkennung), Psychologie, in den
schung, Lehre und Krankenversorgung in vollem Umfang zu vertreten. dungsgruppe W3 LBesG NRW. Naturwissenschaften oder vergleichbaren Disziplinen, pädagogische Eignung,
Gesucht wird eine Persönlichkeit mit hervorragender wissenschaftlicher Ausge- Die/Der zukünftige Stelleinhaberin/Stelleninhaber soll das Fach Digital Public Health in Forschung die besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch
wiesenheit in einem oder mehreren Schwerpunkten im Bereich Frauenheilkunde und Lehre vertreten. Es wird erw r artet, dass die/der zukünftige Stelleninhaberin/Stelleninhaber
und Geburtshilfe. Zudem sollte die Bewerberin/der Bewerber langjährige Erfah- maßgeblich zur strategischen Weiterentwicklung der Forschung an der Fakultät V sowie der Uni- eine qualifizierte Promotion nachgewiesen wird, sowie die Habilitation oder
rungen im Bereich der Lehre, insbesondere der Implementierung neuer Lehr- versität beiträgt. Wesentlicher Bestandteil der Tätigkeit soll die aktive Teilnahme am und die ver- gleichwertige wissenschaftliche Leistungen und Führungskompetenz. Der/Die
methoden, aufweisen. antwortliche Mitgestaltung des Projekts „Medizin neu denken“ der Universität Siegen zur Erf r or- zukünftige Stelleninhaber/-in soll wissenschaftlich aufgrund von Publikationen
Die wissenschaftliche Vernetzung und die enge Kooperation mit den benach- schung innovativer regionaler, digitaler und mobiler Public Health-Konzepte sein.
Die Universität Paderborn ist eine leistungsstarke und international orientierte und Drittmitteleinwerbungen hervorragend ausgewiesen sein.
barten Fachgebieten werden erwartet. Ebenso ist die Zusammenarbeit mit den In der Forschung soll die/der Stelleninhaberin/Stelleninhaber das Thema Digital Public Health
Campus-Universität mit rund 20.000 Studierenden. In interdisziplinären Teams bestehenden Forschungsschwerpunkten der Medizinischen Fakultät, den For- vertreten. Die Professur wird zunächst von Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung
gestalten wir zukunft ftsweisende Forschung, innovative Lehre sowie den schungsverbünden wie zum Beispiel dem „Cells in Motion Interfaculty Center“,
dem Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF), dem Zentrum für In der Lehre soll sich die Professur maßgeblich am Bachelor-Studiengang Digital Biomedical and gestiftet. Nach 5-jähriger Tätigkeit und einer positiven Evaluation ist eine Ent-
aktiven Wissenstransfer in die Gesellschaft f . Als wichtiger Forschungs- und Health Sciences der Lebenswissenschaftlichen Fakultät sowie den drei im Aufbau befindlichen
Kooperationspartner prägt g die Universität auch regionale Entw t icklungs- Klinische Studien (ZKS), mit bestehenden Sonderforschungsbereichen und dem
Master-Studiengängen (Master Digital Medical Technology, Master Digital Public Health und Master scheidung über die Verstetigung der Professur durch das UKJ vorgesehen.
Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin erwünscht.
strategien. Unseren über 2.300 Beschäft f igt
g en in Forschung, Lehre, Technik Biomedical Technology) sowie dem fakultätsübergreifenden Export grundlegender gesundheitsbe-
Für die Leitung der Klinik wünschen wir uns eine kooperative, interdisziplinär zogener Lehrangebote beteiligen. Das Lehrdeputat beträgt 9 SWS. Das UKJ und die Friedrich-Schiller-Universität Jena streben eine Erhöhung des
und Verwaltung bieten wir ein lebendiges, familienfreundliches und
chancengerechtes Arbeits t umfeld mit kurzen Ents t cheidungswegen und viel- denkende und handelnde Persönlichkeit mit der Kompetenz zur erfolgreichen Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an und bitten deshalb entsprechend
Führung einer umfangreichen Mitarbeiterschaft und zur Integration eines eigen- Die Einstellungsvoraussetzungen sind neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraussetzungen
fältigen Möglichkeiten. ein abgeschlossenes Hochschulstudium in den Gesundheitswissenschaften, Public Health, Epi- qualifizierte Wissenschaftlerinnen nachdrücklich um ihre Bewerbung. Schwer-
verantwortlich geleiteten Bereichs „Senologie“.
demiologie, Sozialwissenschaften oder einem angrenzenden Fachgebiet, pädagogische Eignung, behinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt.
f!
Gestalten Sie mit uns die Zukunft Kommunikationsstärke im Innen- und Außenverhältnis, Organisationsgeschick die besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die Qualität einer
sowie ein konstruktiver Umgang mit den sich wandelnden wettbewerblichen einschlägigen Promotion nachgewiesen wird, und zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, die Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen (CV, Schriftenverzeichnis, Lehr-
f lichen Seminar der Fakultät für Kulturwissenschaft
Am Musikwissenschaft f en ist Anforderungen an ein Universitätsklinikum in einem kompetitiven klinischen ausschließlich und umfassend im Berufungsverf r ahren bewertet werden. Die zusätzlichen wissen- erfahrung, Drittmitteleinwerbungen, Zeugnisse und Urkunden) webbasiert unter
zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Umfeld werden erwartet, um neben einer qualitativ hochwertigen Krankenver- schaftlichen Leistungen werden im Rahmen einer Juniorprofessur, einer Habilitation oder einer
sorgung auch den ökonomischen Erfolg der Klinik nachhaltig sicherstellen zu Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hoch- https://berufungsportal.uniklinikum-jena.de bis zum 08.05.2020 erwünscht,
können. schule oder außeruniversitären Forschungseinrichtung oder im Rahmen einer sonstigen wissen-
W2-Universitätsprofessur (w/m/d) Voraussetzungen für die Bewerbung sind wissenschaftliche Leistungen, die im schaftlichen Tätigkeit erbracht.
adressiert an den Vertreter des Dekans der Medizinischen Fakultät, Herrn Prof.
Dr. Orlando Guntinas-Lichius. Für Fragen und weitere Informationen stehen wir
für Musikwissenschaft Rahmen einer Juniorprofessur, einer Habilitation oder einer Tätigkeit als wissen-
schaftliche Mitarbeiterin/als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule
Im Speziellen erw r arten wir hervorragende Forschungsleistungen, die in international renommierten
Fachzeitschriftfen publiziertr wurden, Erfrahrungen in der Einwerbung von Drittmitteln, eine einschlägige
unter berufungen@med.uni-jena.de sehr gerne zur Verfügung.
zu besetzen. oder außeruniversitären Einrichtung erbracht worden sind. Auf die weiteren in Promotion von überdurchschnittlicher Qualität, die Bereitschaft zur Mitwirkung in der akademischen
Gesucht wird eine wissenschaft f liche Persönlichkeit, die das Fach Musik- § 36 des Hochschulgesetzes genannten Voraussetzungen wird verwiesen. Selbstverwr altung sowie Lehrerf r ahrung und Nachweis didaktischer Kompetenz. Erf r ahrung in inter-
wissenschaftf in großer Breite in Forschung und Lehre vertritt. Erwünscht sind Die WWU Münster tritt für die Geschlechtergerechtigkeit ein und strebt eine Erhö- disziplinärer Forschung auf dem Gebiet „Digital Public Health“ sind erw r ünscht.
dabei Forschungsschwerpunkte, welche die im Musikwissenschaft f lichen hung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Bewerbungen von Frauen Die Universität Siegen strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an.
Seminar Detmold/Paderborn vorhandenen Arbeitsgebiete sinnvoll ergänzen sind daher ausdrücklich erwünscht; Frauen werden bei gleicher Eignung, Befähi- Entsprechend qualifizierte Frauen werden um ihre Bewerbung gebeten. Bewerbungen geeigneter
f /Digital Humanities,
(wie z. B. Ältere Musikgeschichte, Digitale Musikwissenschaft
gung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person Schwerbehinderter sind erw r ünscht. Sofern die allgemeinen beamtenrechtlichen Voraussetzungen
eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Schwerbehinderte werden bei nicht erf
r üllt werden, kommt eine Beschäftigung im Angestelltenverhältnis in Betracht.
populäre Musik, systematische Musikwissenschaft f ). gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt.
Für Fragen und nähere Information wenden Sie sich bitte an den Gründungsdekan der Lebens-
Als gemeinsame Einrichtung der Universität Paderborn und der Hochschule für Entsprechend dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 19. November wissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Christoph Strünck, unter christoph.strünck@uni-siegen.de.
Musik Detmold bietet das Musikwissenschaft f liche Seminar universitäre Studien- 1999 zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssys- Die Hochschule Koblenz mit ihren Standort r en in Koblenz, Remagen und Höhr-Grenzhausen bietet
tems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugniskopien, Darstellung der bisherigen
gänge im Fach Musikwissenschaft f an und ist darüber hinaus für die musik- Forschungs- und Lehrträtigkeit, ggf. Referenzen etc.) richten Sie bitte bis zum 12.05.2020 per E-Mail Lehre, Weiterbildung und angewandte Forschung mit einem umfangreichen Präsenz- und Fern-
f lichen Lehranteile in verschiedenen Studiengängen der Universität
wissenschaft werden Professorinnen/Professoren mit Aufgaben in der Krankenversorgung studienangebot in den Bereichen Wirt r schaft
f swissenschaft
f en, Technik, Bauwesen, Sozialwissen-
grundsätzlich in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt (Ausnah- als PDF-Datei an dekan@lwf.de oder an den Gründungsdekan der Fakultät V, Universität Siegen,
Paderborn sowie der Hochschule für Musik Detmold verantwortlich. Am Am Eichenhang 50, 57076 Siegen. schaftfen und Freie Kunst. Derzeit studieren an der Hochschule Koblenz mehr als 9.800 Studierende,
men sind möglich, wenn die Bewerberin/der Bewerber bereits eine Lebenszeit-
Musikwissenschaftf lichen Seminar ist zudem das interdisziplinäre Zentrum professur der Besoldungsgruppe C3/C4/W2/W3 inne hatte). Die der Professur Informationen über die Universität Siegen finden Sie auf unserer Homepage: www.uni-siegen.de die von 170 Professorinnen und Professoren sowie mehr als 400 Beschäft f igten betreut werden.
Musik – Edition – Medien (ZenMEM) angesiedelt. zugeordneten Aufgaben in der Krankenversorgung werden in einem gesonderten Im Fachbereich Ingenieurwesen ist am Standort r Koblenz (RheinMoselCampus) zum nächstmög-
f zur
Von der Stelleninhaberin/dem Stelleninhaber werden eine hohe Bereitschaft Vertrag mit dem Universitätsklinikum geregelt.
lichen Zeitpunkt folgende Stelle zu besetzen:
Kooperation und die Mitarbeit an der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Bewerbungen erfolgen zum 01.05.2020 ausschließlich über das Online-Portal der
Musikwissenschaftf lichen Seminars erwartet. Erwartet wird ebenfalls die Medizinischen Fakultät: https://berufungsportal.uni-muenster.de
Mitarbeit in den Gremien der universitären Selbstverwaltung sowie aktives
Engagement bei der Einwerbung von Drittmitteln. Bitte fügen Sie Ihrer
Sie können dort die üblichen Unterlagen (Lebenslauf, wissenschaftlicher Werde- Professur für das Fachgebiet
gang, gegliedertes Schriftenverzeichnis, eingeworbene Drittmittel) sowie eine Zu-
Bewerbung neben den üblichen Unterlagen ein auf den Standort Detmold/ sammenstellung der erbrachten Lehrleistungen und ein ausführliches, zukunfts-
orientiertes Lehrkonzept einreichen.
Digitale Regelungstechnik
Paderborn bezogenes Lehr- und Forschungskonzept von 3–5 Seiten Umfang bei. (Bes.-Gr. W2)
Einstellungsvoraussetzt ungen: Einstellungsvoraussetzungen sind gemäß § 36 Für Fragen wenden Sie sich an den Dekan der Medizinischen Fakultät der Westfälischen
Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 HG NW (abgeschlossenes Hochschulstudium, pädagogische Wilhelms-Universität Münster, E-Mail-Adresse: dekanmed@ukmuenster.de Wir suchen eine herausragende Persönlichkeit, die über einen ingenieurwissenschaftlichen
Eignung, Promotion und zusätzliche wissenschaft f liche Leistungen) sowie In der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster r ügt und sich in den bezeichneten Gebieten durch eine
Hochschulabschluss (Elektrotechnik) verf
Forschungs- und Lehrerfahrung in dem benannten Gebiet. ist eine anschließende mindestens fünfjährige berufliche Praxis sowie wissenschaft
f liche Tätigkeiten aus-
gewiesen hat.
Die Universität Paderborn strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen als
Hochschullehrerinnen an und fordert daher qualifizierte Wissenschaftf lerinnen
Universitätsprofessur (W3) Die Bewerberin oder der Bewerber soll die Bereiche der Digitalen Regelungstechnik und System-
nachdrücklich zur Bewerbung auf. Frauen werden gem. LGG bei gleicher für Experimentelle Kardiologie r reten und kann auch wesentliche Beiträge im Bereich von Elekt
theorie vert k ronik, Machine Learning
Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern zu besetzen. Mit der Besetzung der Professur ist die Leitung eines einzurichtenden oder Datenbanken nachweisen.
nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Ebenso ist „Institutes für Experimentelle Kardiologie“ verbunden. Es wird eine nachhaltige
die Bewerbung geeigneter Schwerbehinderter und Gleichgestellter im Sinne Verstärkung der Herz- und Kreislaufforschung innerhalb des Forschungsschwer- Zusätzlich sollen Grundlagenfächer in den Bachelor- und Masterstudiengängen vert
r reten werden.
des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) erwünscht. punktes „Vaskuläres System“, aber auch anderer Schwerpunkte (z. B. „Entzün- Die Mitarbeit bei der Betreuung der Studiengänge und in der Selbstverwaltung ist selbstver-
dung und Infektion“) der Medizinischen Fakultät angestrebt. Die Professur und ständlich.
Auskünftf e ert
r eilt Prof. Dr. Andreas Münzmay, Geschäft
f sführender Leiter Musikwissen- das Institut sollen im Universitären Herzzentrum Münster (u. a. bestehend aus
schaft
f liches Seminar, Tel. 05231 975-672, andreas.muenzmay@uni-paderborn.de. den Kliniken für Kardiologie I-III, dem Institut für Genetik von Herzerkrankungen Das Land Rheinland-Pfalz und die Hochschule Koblenz vert
r reten ein Betreuungskonzept, bei dem
Ihre Bewerbung senden Sie bitte unter Angabe der Kennziffer 4245 bis zum sowie der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Münster) eine hohe Präsenz der Lehrenden am Hochschulstandort r erwartr et wird. Weitere Einstellungs-
14.05.2020 als PDF-Datei (in einem Dokument) per E-Mail an: angesiedelt sein. voraussetzungen für Professuren ergeben sich aus § 49 Hochschulgesetz des Landes Rheinland-
Mit der Universitätsprofessur „Experimentelle Kardiologie“ ist die Leitung eines Pfalz (HochSchG).
r issenschaften
Dekan der Fakultät für Kulturw grundlagenwissenschaftlich ausgerichteten Instituts verbunden. Die Ausschrei-
Universität Paderborn bung richtet sich sowohl an Naturwissenschaftlerinnen/Naturwissenschaftler als f seinrichtung, die in ihrer Organisation
Die Hochschule Koblenz gilt als vorbildliche Wissenschaft
Warburger Str. 100 auch an Humanmedizinerinnen/Humanmediziner. Wir suchen eine international für Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie eintrittt. Bewerbungen von qualifi-
33098 Paderborn Die Technische Hochschule Deggendorf oder einer ihrer ausgewiesene Persönlichkeit, die über eine umfassende und exzellente, experi- r en Wissenschaft
ziert f lerinnen sind ausdrücklich erwünscht. Schwerbehindert r e Bewerberinnen
weiteren Standorte bietet zum Wintersemester 2020/2021 mentelle Expertise in Bezug auf kardiovaskuläre Erkrankungen verfügt und somit und Bewerber werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.
auf dem Gebiet der translationalen, molekularen Kardiologie zu einer signifikanten
Stellen als Professor oder Professorin (m/w/d) Verstärkung und strategischen Erweiterung der Forschungsschwerpunkte der Fa- t e Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen incl. eines kurzen Konzepts über
Senden Sie bitt
entsprechend der BesGr. W2 für folgende Lehrgebiete: kultät beiträgt. Eine enge Zusammenarbeit mit den klinischen Einrichtungen des r retenden Lehrgebiete sowie eine Publikationsliste an den Dekan des Fachbereichs
die zu vert
Forschungsschwerpunktes „Vaskuläres System“ ist ausdrücklich erwünscht. Ingenieurw
r esen, Herrn Professor Dr. Thomas Schnick, Hochschule Koblenz, Konrad-Zuse-Straße 1,
Organisationspsychologie, Diagnostik Voraussetzungen für die Bewerbung sind wissenschaftliche Leistungen, die im 56075 Koblenz. Der Dekan steht auch für die Beantwort
r ung von Fragen zur Verf
r ügung (schnick@
Rahmen einer Juniorprofessur, einer Habilitation oder einer Tätigkeit als wissen- hs-koblenz.de). Die Bewerbungsfrist endet am 15. Mai 2020. Von online-Bewerbungen bitt t en
und Organisationsentwicklung schaftliche Mitarbeiterin/wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule wir abzusehen.
Fakultät Angewandte Wirtschaftswissenschaften oder außeruniversitären Einrichtung erbracht worden sind. Auf die weiteren in §
36 des Hochschulgesetzes genannten Voraussetzungen wird verwiesen.
Deggendorf Die Hochschule Koblenz verfr ügt über eine hochschulnahe
Die Medizinische Fakultät erwartet eine aktive Zusammenarbeit mit den am Ort
bestehenden Forschungsschwerpunkten der Fakultät, den Forschungsverbünden, Kindert
r agesstätt
t e. Darüber hinaus bieten wir Ferienfreizeit-
wie zum Beispiel dem „Cells in Motion Interfaculty Center“, den ortsansässigen angebote für Kinder von Hochschulangehörigen.
Sonderforschungsbereichen, dem Interdisziplinären Zentrum für Klinische For-
Unternehmensführung und schung (IZKF), dem Zentrum für Klinische Studien (ZKS), dem Zentrum für Mole-
An der Hochschule Hannover ist an der Fakultät I – Elektro- und Informationstechnik Technologiemanagement kularbiologie der Entzündung (ZMBE), dem Max-Planck-Institut für molekulare
Biomedizin und den immunologisch ausgerichteten Arbeitsgruppen des Univer-
zum nächstmöglichen Zeitpunkt folgende W2-Professur dauerhaft zu besetzen:
Fakultät European Campus Rottal-Inn sitätsklinikums Münster sowie substantielle Beiträge zu zukünftigen Verbund-
Pfarrkirchen forschungsaktivitäten.
An der Pädagogischen Hochschule
Bildverarbeitung, Algorithmen und Graphen Die WWU tritt für die Geschlechtergerechtigkeit ein und strebt eine Erhöhung des
Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Bewerbungen von Frauen sind daher
Weingarten ist folgende Stelle zu
sowie Grundlagen der Informatik ausdrücklich erwünscht. Frauen werden bei gleicher Eignung, Befähigung und besetzen:
Nähere Informationen finden Sie auf unserer Homepage. fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mit-
– Kennziffer W2 2/2019 –
bewerbers liegende Gründe überwiegen. Schwerbehinderte werden bei gleicher Akad. Mitarbeiter als Referent für
Bitte bewerben Sie sich dort unter folgendem Link: Qualifikation bevorzugt eingestellt.
Weitere Einzelheiten zu der Professur entnehmen Sie bitte der Website der Hoch- www.th-deg.de/stellenangebote
Qualitätsmanagement in Studium und Lehre (w/m/d)
Bewerbungen erfolgen zum 01.05.2020 ausschließlich über das Online-Portal der Teilzeit 50 %, Kennziffer R434
schule Hannover unter www.hs-hannover.de/professuren. Medizinischen Fakultät: https://berufungsportal.uni-muenster.de
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte bis vier Wochen nach Sie können dort die üblichen Unterlagen (Lebenslauf, wissenschaftlicher Werde- Den vollständigen Ausschreibungstext finden Sie
Erscheinen dieser Anzeige unter Angabe des Fachgebiets und der Kennziffer an den
gang, gegliedertes Schriftenverzeichnis, eingeworbene Drittmittel) sowie eine Zu- unter www.ph-weingarten.de
sammenstellung der erbrachten Lehrleistungen und ein ausführliches, zukunfts- (Die PH/Stellenausschreibungen)
Dekan Prof. Dr. Freund der Fakultät I – Elektro- und Informationstechnik der Hoch- orientiertes Lehrkonzept einreichen.
schule Hannover, Postfach 920251, 30441 Hannover. innovativ & lebendig Für Fragen wenden Sie sich an den Dekan der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Pädagogische Hochschule
Wilhelms-Universität Münster, E-Mail-Adresse: dekanmed@ukmuenster.de Kirchplatz 2, 88250 Weingarten
H I E R AU S R E I S S E N!

2. A P R I L 2020 D I E Z E I T N o 15

Für die schulfreie Zeit gibt es


jeden Morgen Rätsel,
Comics und Spiele gegen die
Corona-Langeweile.
Kostenlos anmelden:
www.zeit.de/postvonzeitleo 44
D I E S E I T E F Ü R K I N D E R

Möbel bauen Rennparcours anlegen


Rechteckig, glatte Oberfläche, stabil: Bücher sind Aufgestellt sind Bücher prima Leitplanken: Eine
perfekte Bausteine! Staple dicke Wälzer zu einem Reihe links, eine rechts, der Raum dazwischen
Quader, und leg ein Tablett obendrauf – fertig ist wird die Rennstrecke für Autos – einmal
der Tisch. Bau dir aus verschiedenen Büchern anschubsen und messen, wie weit man kommt.
einen Sessel mit Sitzfläche und Armlehnen oder Du kannst auch Murmeln mit dem Finger
ein Regal auf mehreren Taschenbuch-Säulen mit durchschnipsen oder Münzen auf der Kante
großen Bildbänden oder Atlanten als Ablage. durchrollen lassen. Zu langweilig? Dann bau
Einmal angefangen, ist es wie beim Legospielen: Kurven in die Strecke, leg Bücherrampen an, und
Es fallen einem immer mehr Sachen ein. spiel mit einer getrockneten Kastanie Minigolf –
Pluspunkt: Am nächsten Tag alles einreißen, neu eine Sandkasten-Schaufel oder ein langer
bauen und wieder was zu tun haben – dann wird Kochlöffel machen sich super als Schläger.
es im Corona-Camp so schnell nicht öde.

Sport mit Köpfchen


Blumige Grüße basteln Kaum rauszudürfen ist blöd, heißt aber nicht,
dass man nur noch rumhocken muss. Statt
Frische Luft ist noch erlaubt – nutz den zu rennen und zu toben, kannst du drinnen deine
Spaziergang und pflück ein paar Blumen für Geschicklichkeit trainieren. Buch mit hartem
Kartengrüße an Oma und Opa. Dafür musst du Einband auf den Kopf, zwei Linien auf den
die Pflanzen pressen. Schlag ein besonders dickes Boden – eine als Start, eine als Ziel – und los!
Buch weit hinten auf, und leg ein Stück Schaffst du die Strecke, ohne das Buch zu ver­
Pergamentpapier (es geht auch Löschpapier, lieren? Dann Tempo erhöhen, am Ziel eine Dre-

»Nimm dir
Backpapier oder ein Kaffeefilter) zwischen die hung machen, bei jedem Schritt Bein nach vorn
Seiten. Pflanze drauf, ein zweites Papier drüber und und nach hinten strecken. Wenn alles klappt:
Buch schließen. Zwei Wochen warten, dann sollte zwei Bücher auf den Kopf, dann drei, dann ...
alles Wasser aus den Pflanzen gepresst ein.
Vorsichtig lösen, Blume auf eine Karte kleben, und
ab in die Post!

Turmbau zu Hause
doch ein Buch!« Agentenmäßiges Versteck
Eine Warnung vorweg: Wenn du das nachmachst,
So viele Stunden wie gerade verbringst du nie mit Dieser Elternsatz hat bisher genervt? Jetzt, wo alle zu Hause bleiben, kannst ist das Buch hinüber. Überleg also gut, welches du
deinen Eltern? Spitze – viel Zeit für gemeinsame opfern willst. Du brauchst eins mit hartem
Spiele! Unser Vorschlag: Bücherturm- du wenigstens lesend noch Abenteuer erleben. Und danach mit den Büchern Einband, ein Lineal, ein Cuttermesser, einen Stift,
Bau-Wettkämpfe. Wer schafft es, am schnellsten allerhand andere Dinge anstellen. Sechs Vorschläge  VON MARIA ROSSBAUER einen Pinsel und Kleister. Innen auf eine rechte
Bücher bis oben in den Türrahmen zu stapeln? Seite ein Rechteck zeichnen, rundherum zwei
Wer hat die ruhigste Hand für den höchsten Zentimeter Abstand zum Rand lassen. Das Lineal
T-Turm (immer abwechselnd ein Buch hochkant, an die Linien legen, mit dem Cuttermesser durch
eins flach aufeinanderlegen)? Wer baut den die Seiten schneiden, Rechtecke lösen und wieder
schönsten Turm – mit Fenstern, Vorsprüngen und schneiden. Ist das Fach tief genug, die Innenkanten
einer Spitze? Kann man in Teams spielen, genauso Du hast den besten Turm gestapelt, den längsten Rennparcours gebaut, mit zehn Büchern balanciert? mit Kleister bepinseln, einen Tag geöffnet trocknen
gut eins gegen eins. Schick uns Fotos, und schreib dazu, wie du die Tage gerade erlebst! Mail an: kinderseite@zeit.de lassen – und rein mit den Geheimnissen.

Illustrationen: Matthias Schütte

Die -Bestsellerliste April


DIESE KINDERBÜCHER KAUFEN GERADE VIELE MEIN BUCH – DEIN BUCH

1 6
Jeff Kinney: Gregs Tagebuch (14) – Margit Auer: Die Schule der magischen
Voll daneben! Tiere (2) – Voller Löcher!
Baumhaus 2019; 224 S., 14,99 €; Carlsen 2013; 224 S., 12,– €;
ab 10 Jahren ab 8 Jahren
Vormonat: 2. Platz Vormonat: 4. Platz

2 7
Anna Ruhe: Die Duftapotheke (4) –
Zweierlei Zeitreise
Das Turnier der tausend Talente Magnus Myst: Das kleine Böse Buch
Arena 2020; 288 S., 14,– €; Ueberreuter 2017; 128 S., 12,95 €; Ich hatte früher ein besonderes Lieblingsbuch: Es Ja, unsere Sofaecke ist toll, vor allem wenn die Son-
ab 10 Jahren ab 8 Jahren war nämlich eins, das meine Mutter mir von einem ne reinscheint. Ich lese aber auch gerne abends auf
Neu in den Top Ten Vormonat: 6. Platz Besuch in der DDR mitgebracht hatte. Als ich klein dem Sitzsack in meinem Zimmer oder im Bett. Am
war, gab es noch zwei Deutschlands. Im Westen, liebsten mag ich gerade das Buch Nacht über Frost
wo ich aufwuchs, die BRD, im Osten die DDR. Hollow Hall – auch eine Geschichte, die in einer

3 8
Das war ein eigener Staat, dort gab es andere Kin- längst vergangenen Zeit spielt, im Jahr 1871 auf
Katja Brandis: Seawalkers (2) – Emily Skye: Die geheime Drachenschule (3) derbücher. Moritz in der Litfaßsäule fand ich richtig einem fürstlichen Anwesen. Das Mädchen Tilly ist
Rettung für Shari – Die Rückkehr des siebten Clans toll. Moritz hat drei Schwestern allerdings sehr arm und kommt
Arena 2020; 312 S., 14,– €; Baumhaus 2020; 272 S., 12,– €; und wird zu Hause oft übersehen, als Dienstmädchen in das geheim-
ab 10 Jahren ab 8 Jahren weil es einfach zu wuselig ist. Also nisvolle Herrenhaus Frost Hollow
Vormonat: 1. Platz Neu in den Top Ten zieht er mit der sprechenden, Hall. Es heißt, dass es dort spukt,
biertrinkenden Katze Kiki in eine aber Tilly findet heraus, dass et-

4 9
Litfaßsäule – eins dieser großen was anderes dahintersteckt.
Otfried Preußler: Krabat Ulf Blanck/Boris Pfeiffer:
klorollenförmigen Dinger, an Tilly ist mir sehr sympathisch,
Thienemann, Neuauflage 2016; Die drei ??? Kids – Ungeheuer in Sicht! denen Poster kleben. weil sie oft genauso denkt wie ich.
256 S., 8,95 €; Kosmos 2020; 64 S., 8,– €; Ich konnte mir damals beim Aber manchmal möchte ich auch
ab 12 Jahren ab 7 Jahren Lesen gut vorstellen, wie es wäre, Christa Kožik: Emma Carroll: rufen: Nein, tu das lieber nicht!
Vormonat: 10. Platz Neu in den Top Ten von zu Hause abzuhauen, gleich- Moritz in der Nacht über So sehr fiebere ich dann mit.
zeitig ist die Geschichte witzig. Litfaßsäule Frost Hollow Meine Lieblingsstellen sind die
Kindern heute würde ich mein LeiV Verlag Hall Träume von Tilly, die sind in ganz

5 10
Lieblingsbuch auch deshalb sehr 2011; 91 S., nur Thienemann kurzen Sätzen geschrieben und
antiquarisch 2017; 400 S.,
Oliver Scherz/Barbara Scholz (Ill.): empfehlen, weil man damit in erhältlich;
irgendwie total eindrucksvoll.
Ein Freund wie kein anderer (2) Guinness World Records 2020 15,– €;
eine andere Welt eintauchen und ab 8 Jahren ab 10 Jahren
Das Buch ist spannend,
Thienemann 2020; 128 S., 14,– €; Ravensburger 2019; 256 S., 19,99 €; sozusagen auf Zeitreise gehen manchmal sogar richtig unheim-
ab 6 Jahren ab 8 Jahren kann. Es gibt zum Beispiel noch lich. Ich glaube, es könnte auch
Vormonat: 7. Platz Vormonat: 3. Platz
keine Handys. Spannend ist aber vor allem, dass meinem Papa gefallen. Wir rätseln beide gern mit
Protokolle und Foto: Jana Magdanz

Moritz in einem Land lebt, das es seit 30 Jahren und mögen es, wenn man lange nicht weiß, wie eine
nicht mehr gibt. Heute macht das Buch Kindern Geschichte ausgeht. Bei Tilly passiert ständig was
vielleicht Lust, mehr über die DDR zu erfahren. Neues, und man wird immer wieder überrascht.
Die monatliche ZEIT LEO-Bestsellerliste basiert auf Daten von media control. Über einen Zeitraum von jeweils vier Wochen werden deutschlandweit an mehr als Selma könnte ich davon erzählen, wenn wir uns auf Jetzt, wo wir alle zu Hause bleiben müssen, könnten
6500 Verkaufsstellen die abverkauften Titel ermittelt. Bezogen auf das Umsatzvolumen bilden diese Daten knapp 90 Prozent des deutschen Buchmarktes ab. Die dem Sofa in unserer Kuschelecke einmummeln. Da Papa und ich eigentlich abwechselnd mit Moritz
Titel werden nach Warengruppen sortiert. Die ZEIT LEO-Bestsellerliste setzt sich zusammen aus den Warengruppen Erstlesealter/Vorschulalter, Kinderbücher, lesen wir beide nämlich am liebsten. und Tilly vom Sofa aus auf Zeireise gehen.
Jugendbücher, Biografien und Sachbücher/Sachbilderbücher. Berücksichtigt werden die Titel, die von den Verlagen für Leser zwischen 5 und 13 Jahren ausgewiesen
sind. Bei Serien/Reihen wird nur der aktuell höchstplatzierte Band abgebildet. Die Bestsellerliste erhalten Sie monatlich per E-Mail hier: www.zeitleo.de/newsletter Selmas Vater Arne, 48 Jahre Selma, 11 Jahre
FEUILLETON
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15

45

Intellektuelle, Künstler, Politiker


und Ökonomen fordern
einen Corona-Fonds

Europa kann
nur weiterleben,
wenn die Europäer
jetzt füreinander
einstehen

I
n den vergangenen Tagen sind allein in
Italien und Spanien Tausende am Co­
ronavirus gestorben, in Italien waren es
1000 in 24 Stunden, in Spanien 800.
Diese Meldungen kommen nicht von einem
anderen Planeten oder von einem weit ent­
fernten Kontinent. Sie erreichen uns aus
unseren Nachbarländern, denen wir ver­
bunden sind. Wir, die Verfasser, gehören zu
den Liebhabern der mediterranen Kultur.
Aber man muss kein Liebhaber sein, um
über das ungeheure Ausmaß der Zerstörung
zu erschrecken, das das Coronavirus in die­
sen Ländern jetzt schon angerichtet hat.
Die Pandemie hat überall in Europa beein­
druckende Beispiele von Nachbarschaftshilfe
und Solidarität hervorgebracht. Tausende von
jungen Leuten melden sich freiwillig, um allein
lebende ältere Menschen in ihren Wohnungen
zu versorgen; das Land Sachsen nimmt schwer
kranke Patienten aus Italien auf, das Saarland
bietet unversorgten französischen Patienten
Hilfe an, andere Bundesländer sowie der Bund
engagieren sich ebenfalls. Ein neues Klima ist
Die Arbeitswelt in Corona-Zeiten: Werktätige einer Autofabrik im chinesischen Wuhan in der Mittagspause zu spüren: Es ist geradezu populär, Hilfsbereit­
schaft, Empathie und Hoffnung zu zeigen.

Made in China
Aber in der entscheidenden Frage bleiben die
Nordländer gegenüber den Brüdern und
Schwestern aus dem Süden zurückhaltend: Sie
weigern sich strikt, einem von allen EU-Mit­
gliedern garantierten Fonds zuzustimmen,
durch den es möglich wäre, die riesigen finan­
ziellen Lasten der Krise gemeinsam zu schul­
tern. Ein solcher Fonds würde vermeiden, dass
ein Schock, der im Prinzip alle Mitglieds­
staaten trifft, jene Länder überfordert, die
Wie von nun an der digitale Leninismus die Welt steuert, und warum der Westen schon vor der Krise mit einer sehr hohen
dieser Demütigung wenig entgegenzusetzen hat  VON ADAM SOBOCZYNSKI Staatsverschuldung zu kämpfen hatten.

M
Die Europäische Kommission sollte daher
einen Corona-Fonds einrichten, der in der
itte und Maß, von denen das Leben des Individuums in bislang unvorstellbarer ein tolerantes Antlitz des Sozialismus zu präsentieren, studies – als abgrundtief verlogen gebrandmarkt. Foto: Stringer/AFP/Getty Images Lage ist, sich auf den internationalen Kapital­
hierzulande immer so viel Lückenlosigkeit kontrolliert wird und die Kranken was in Europa, das von der Abneigung gegen Trump Wenn dieser vom Universalismus spreche, meine er märkten möglichst sehr langfristig zu ver­
und gerne zu hören ist, von den Gesunden separiert werden. Es verwirklicht blind beseelt ist, auch durchgeht. in Wahrheit nur westliche Prinzipien, um sich die schulden. Aus diesem Fonds sollten die Mittel
haben ausgedient. Wer sich ein albtraumhafter, biopolitischer Überwa­ Aus der Ausrichtung ausnahmslos aller Glieder Welt untertan zu machen. Repression ist, so besehen, als Transfers an die Mitgliedsstaaten fließen.
sich frei mit Freunden chungsstaat. Aber wie wird man der chinesischen des Staates, die wirtschaftlichen Akteure eingeschlos­ Befreiung und westliche Freiheit totalitäres Gehabe. Mit dieser Konstruktion würde verhindert,
oder Verwandten im Land Politik noch Repression vorwerfen können, wenn sen, auf die Kommunistische Partei wird in China Die neueste chinesische Adaption des postmodernen dass sich die Verschuldung der einzelnen Mit­
bewegt, dem rückt neu­ hierzulande die Polizei Parks daraufhin abkämmt, ob übrigens kein Geheimnis gemacht. Es lohnt ein Relativismus ist das Werk Alles unter dem Himmel gliedsstaaten erhöht. Der Fonds würde aus
erdings die Polizei zu Leibe. Die Amerikaner, sich mehr als zwei Leute im Busch lümmeln? Wie flüchtiger Blick in die Werke des großen Führers Xi von Zhao Ting­yang (ZEIT Nr. 12/20), einem Phi­ dem EU-Haushalt Mittel für die Zinszah­
über lange Zeit Statthalter des Liberalismus wird man den Chinesen Brutalität vorwerfen können, Jinping (zum Beispiel in den aufschlussreichen Auf­ losophen der von der Partei kontrollierten Chinesi­ lungen erhalten.
schlechthin, greifen zu ähnlichen Mitteln, sind wenn dort – im Gegensatz zur westlichen Welt – zu­ satzband China regieren): Wie Lenin geht auch Xi schen Akademie der Sozialwissenschaften in Peking. Der von uns vorgeschlagene Fonds sollte
aber womöglich auf das Coronavirus noch weni­ mindest wieder ein öffentliches Leben existiert? davon aus, dass die Massen von einer Avant­garde Es erschien gerade in deutscher Übersetzung im nicht mit dem Modell der Eurobonds ver­
ger vorbereitet als die Europäer – angesichts eines Es steckte von Anfang an eine gehörige Portion erzogen und gelenkt werden müssen, und das gelingt Suhrkamp Verlag, und wenn ein Buch von Uwe Tell­ wechselt werden, die als Lösung für die Euro-
Gesundheitssystems für die happy few, ausgehen­ Hybris im Sprechen und Schreiben über die chine­ mit einer raffinierten Dosis von Zuckerbrot und kamp ein Skandal sein soll, dann ist es erst recht Krise der Jahre 2010 bis 2012 vorgeschlagen
der Atemmasken und über viele Wochen fehlen­ sische Strategie, das Virus zu bekämpfen. Offenbar Peitsche leider derzeit wunderbar. Denn neben den diese Feier eines chinesischen Albtraums, der als worden waren. Bei den Eurobonds ging es
der Tests. Es deutet sich bereits an: Ausgerechnet verhinderte dies eine realistische Gefahrenbewertung. klassischen rohen und doch eher unbeliebten Me­ Utopie vorgestellt wird. Neben der Universalismus­ darum, eine gemeinsame Haftung für einen
China könnte gestärkt aus dieser Krise hervor­ Man hat die chinesischen Maßnahmen reflexartig als thoden wie Verhaftungen, Folter und Denunziatio­ kritik, der große Teile der westlichen Intellektuellen erheblichen Teil der in der Vergangenheit ent­
gehen, und die jeden und alles segnende Partei autoritäre Strategie der Unter­ nen vermag das Reich mit sei­ zustimmen dürften, ist die Rede von einer postlibe­ standenen nationalen Verschuldung zu etab­
hat schon die Systemfrage gestellt. Ist der digitale drückung gedeutet. Diese nem digitalen Leninismus die ralen Welt namens Tianxia aus der alten Zhou-­ lieren. Bei den Corona-Bonds sollen die ak­
Staatskapitalismus nicht in Wahrheit fortschritt­ Deutung aber überzeugt nicht. Knebelung mit biopolitischen Dynastie, in der sich alle zum Zwecke eines Welt­ tuell und in den kommenden Monaten ent­
licher als der marode Westen? Denn bei aller Knechtungslust Hat sich Anreizen und kleinen Beloh­ friedens freiwillig und mit Glücksgefühlen unter­ stehenden Schulden gemeinschaftlich getragen
Man darf die Frage versuchsweise ernst neh­ der Kommunistischen Partei: nungen für das kollektive werfen, und man ahnt schon, welche Nation der werden. Es geht also um eine zeitlich begrenz­
men – mit Blick auf den irrlichternden US-Präsi­ Die Machthaber hatten mit der Liberalismus Wohlverhalten anzureichern: heimliche Anführer dieser himmlischen Harmonie te Maßnahme, die es Italien und anderen in
denten, die zahlreichen Toten in New York, die
Ärztinnen, Pfleger, Kassiererinnen und Polizisten,
Sicherheit keine Neigung, ihre
Wirtschaft über Monate kom­
schon historisch Wer hat sich brav an die Qua­
rantäne-Vorschriften gehalten?
sein könnte. Ein Tipp: Trumps Amerika ist es nicht.
Der Westen ist in lebenserhaltende Abhängigkeit
ihrer Existenz bedrohten Ländern erlauben
würde, die Krise und die Zeit danach politisch
die sich tagtäglich infizieren, weil sie über keine
angemessene Schutzkleidung verfügen. Was das
plett lahmzulegen. Sie haben
dies offenkundig getan, um als
überholt? Wer ist rechtschaffen? Wo
wohnt der nächste Infizierte,
von der größten und mächtigsten Diktatur auf Erden
geraten. Manager und Politiker nennen diese zweifel­
und ökonomisch zu überleben. Hier nichts zu
tun käme unterlassener Hilfeleistung gleich.
bedeutet, ließ sich bereits in Italien, Spanien und Staat nicht zu zerfallen. Dass den ich geschickt meiden soll­ hafte Entwicklung seit Jahrzehnten feierlich Globa­ Es ist für uns nur schwer nachvollzieh­
in Frankreich besichtigen, wo die Krise noch lan­ ihnen durch die Seuchenbe­ te? Das zeigen Apps an. Und lisierung, weil sie uns als Handelsnation über lange bar, warum die Bundeskanzlerin und der
ge nicht ausgestanden ist. China und einige ande­ kämpfung nun Instrumente zur Verfügung stehen, das Volk, derart motiviert, macht mit. Es gibt, sagte Zeit so herrlich genutzt hat und man die tollen Vizekanzler so große Vorbehalte gegenüber
re asiatische Staaten haben das Virus hingegen das Volk an der ganz besonders kurzen Leine zu Heiner Müller einmal, einen Grad an Unterdrü­ deutschen SUVs exportieren konnte – wenn auch diesem für die europäische Solidarität und
durch kybernetisch-totalitäre Menschenführung, führen, ist ein schrecklicher Nebeneffekt. ckung, der als Freiheit empfunden wird. Und es er­ mit dem kleinen Nachteil massiver Klimaschäden Stabilität notwendigen Schritt an den Tag
die ­Absperrung von Millionenstädten, die flä­ Gewiss, mittlerweile zeigt sich in dieser Krise über­ staunt vielleicht nur auf den ersten Blick, dass auch und nun, mit Corona, der Aussicht auf wirtschafts- legen. Bei dieser Solidarität geht es auch um
chendeckende Versorgung mit Mundschutz und deutlich, auf welches Abenteuer sich der Westen mit in westlichen Ländern Ausgehverbote durchaus als und machtpolitische Unterlegenheit, mindestens aber ein gemeinsames Bewusstsein von der Krise.
zahlreiche Tests erst einmal, wenn nicht alles der angeblich alternativlos voranschreitenden Glo­ befriedigende Gemeinschaftsleistung gerühmt wer­ eine schwere Demütigung. Es ist schon eine beson­ Es gilt gerade jetzt, Wege zu finden, mit
täuscht, in den Griff gekriegt. Den Europäern balisierung eingelassen hat. Zur »Werkbank der Welt« den, fast so, als sei der neue Gehorsam insgeheim dere Pointe: 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des denen wir verdeutlichen können, dass wir
und Amerikanern gelang das bisher nicht. hat sich ausgerechnet die gelenkte Wirtschaft eines schon lange herbeigesehnt worden. Ostblocks droht der Leninismus über den Liberalis­ zusammengehören, dass wir vom gleichen
Eine Naturkatastrophe ist diese Epidemie in leninistischen Re­gimes gemausert, die uns nicht nur Das chinesische Belohnungsprinzip kennt man mus zu triumphieren. Und wer meint, mit dieser »Zauber gebunden sind«, wie es in unserer
Amerika und Europa übrigens nicht. Eine Natur­ mit netter Technik und billigen Konsumgütern noch aus den alten Ostblockstaaten, wo der Mit­ finsteren Pro­gno­se sei man einer Propagandalüge Hymne heißt. Wozu soll die EU denn gut
katastrophe haben letztlich nur die Chinesen er­ massenhaft versorgt, sondern eben auch mit system­ arbeiter der Woche aber ziemlich willkürlich aus­ Chinas aufgesessen, kann nicht zugleich devot um sein, wenn sie in Zeiten von Corona nicht
lebt. Die Amerikaner und die Europäer hätten relevanten Produkten, mit Medikamenten, mit gewählt und zur Belustigung der Kollegen mit lebensrettende Lieferungen von banalen Schutz­ zeigt, dass Europäer zusammenstehen und
bereits viele Wochen vor Ausbruch der Krankheit Atemmasken, mit Schutzkleidung, um die sich Foto auf einer Urkunde im Betrieb präsentiert masken aus China bangen. für eine gemeinsame Zukunft kämpfen?
in ihren Ländern einigermaßen genau wissen kön­ Amerikaner und Europäer bis aufs Blut streiten. Es wurde. Im allerneuesten Sozialismus ist der Erfolg Der weltumspannende Liberalismus hatte viel­ Das ist nicht nur ein Gebot der Solidarität,
nen, in welcher Gefahr sie sich durch das Corona­ ist offenkundig noch nicht ausreichend ins kollekti­ des Einzelnen quantifizierbar, und mit Ausgangs­ leicht nur einen sehr kurzen Auftritt in der­ sondern auch eines Eigeninteresses. In die­
virus befinden, und Vorbereitungen treffen kön­ ve Bewusstsein gerückt, mit wem man es eigentlich erlaubnis wird belohnt, wer tatsächlich im Sinne Geschichte, vielleicht wird er im Rückblick ledig­ ser Krise sitzen wir Europäer alle in einem
nen. Das Robert Koch-Institut aber, ausgerechnet zu tun hat: mit einer kleptokratischen Partei nämlich, des Staates, in dem er widerstandslos aufgeht, ech­ lich zwischen 1989 und 2020 existiert haben. Wir Boot. Wenn der Norden dem Süden nicht
die Beratungsstelle der Bundesregierung, sprach der alles, auch der Staat, untergeordnet ist; mit dem ten Kollektivgeist zeigt. Wie unelegant und aus der befinden uns in den chaotischen Zwanzigerjahren, hilft, dann verliert er nicht nur sich selbst,
von einer Grippewelle, die sich vermutlich nicht allmächtigen Parteiführer auf Lebenszeit Xi Jinping, Zeit gefallen wirken da irgendwelche Polizisten, und sie haben ein ganz anderes Gesicht, als wir es sondern auch Europa.
sehr stark verbreiten werde. Hatte man angenom­ einem Anhänger russischer Literatur (Turgenjew, die Menschenansammlungen auf den europäi­ uns noch vor sehr wenigen Wochen gedacht haben.
men, dass das Virus auf dem Luftweg schlapp­ Dostojewski, Tolstoi) und großen Eishockeyfan, der schen Marktplätzen verscheuchen, weil irgendwer Es wird seit Langem mit guten Gründen ver­ Peter Bofinger, Dany Cohn-Bendit,
macht? Oder glaubte man im Westen, dass der die gesellschaftliche Liberalisierung, die sich nach irgendwie infiziert sein könnte. mutet: Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert Joschka Fischer, Rainer Forst,
Liberalismus im Umgang mit einer Seuche, die 1989 in Maßen entfaltete, mittlerweile völlig zurück­ Der Journalist Kai Strittmatter hat in seinem fak­ der Europäer, das 20. das der Amerikaner, das 21. Marcel Fratzscher, Ulrike Guérot,
sich doch ziemlich wenig um Regierungssysteme gedrängt hat; mit einer autoritären Kaste, die Mana­ tensatten Buch Die Neu­erfin­dung der Diktatur jüngst gehört dem Fernen Osten. Wenn die Chinesen Jürgen Habermas, Axel Honneth, Eva Menasse,
schert, den Chinesen irgendwie von Natur aus ger, Intellektuelle, Blogger und Künstler über Nacht minutiös aufgezeigt, wie im neuen China Staat, Volk weise sind, werden sie uns Europäer nach der­ Julian Nida-Rümelin, Volker Schlöndorff,
überlegen ist? verschwinden oder im Staatsfernsehen Selbstanklagen und Partei verschmelzen und dieser Zusammen­ Corona-Krise mit einem Marshallplan in hoffent­ Peter Schneider, Simon Strauß,
Das Gegenteil scheint derzeit naheliegender: zelebrieren lässt wie zur Blütezeit der Sow­jet­union; schluss von den Staatsmedien, im staatlich kon­ lich gütige Abhängigkeit bringen. Am Ende, wer Margarethe von Trotta
Während die Europäer und Amerikaner mit hilflosen, mit einem Re­gime, das die Internetzensur meisterhaft trollierten Netz, aber auch in der Öffentlichkeit weiß, werden wir es noch als himmlisches Glück
ja regelrecht mittelalterlichen Methoden die Bewe­ beherrscht, das digitale Sozialpunkte an seine Bürger hysterisch gefeiert wird. Der Westen hingegen wur­ empfinden, uns zu unterwerfen. Der Aufruf erscheint zeitgleich in »Le Monde«
gungsfreiheit des Bürgers einschränken, setzt die verteilt und so die Reisefreiheit reguliert. Die Macht­ de bereits vor sieben Jahren von den Chefdenkern
asiatische Lösung auf Gesundheits-Apps, mit denen haber sind klug genug, nach außen ein menschliches, der Partei – übrigens ganz im Sinne der postcolonial AA www.zeit.de/audi
46 FEUILLETON 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Das große
Erwachen
M
it wem auch immer man Lange hat man so getan, als seien viele politische Entscheidungen Klimakatastrophe ist gefühlt noch immer weit weg, Die digitalen Spiegelwelten des menschlichen
derzeit telefoniert – fast und sie kostet keinen das Leben – jedenfalls nicht in Narzissmus treten zurück. Menschen sind nicht das
alle erleben die Zeit gerade alternativlos. Die Pandemie macht Schluss mit diesem Märchen  Deutschland, sondern nur in den verdorrenden Re- »Andere der Natur«, sondern das »Andere der künst-
wie einen Film. Ein Gefühl gionen südlich der Sahara. Corona bedroht den eige­ lichen Intelligenz«. Sie sind verletzliche, emotionale,
VON RICHARD DAVID PRECHT
wirklicher Unwirklichkeit nen Vater oder die eigene Großmutter, die Klima- resonanzbedürftige Wesen, die sich ihr Leben er-
liegt in der Luft. Ob man katastrophe den Enkel. In der Corona-Krise setzt die zählen, um es mit Sinn auszustatten, der wichtigsten
durch verlassene Straßen Regierung konsequent das um, was die Experten aus Requisite ihres eigenen Films. Wenn die gewohnte
geht oder den pastoralen Ansprachen von Spitzen- der Wissenschaft sagen, beim Klima nimmt man es Resonanz ausbleibt, beginnt die Unruhe irritierter
politikern lauscht, ob man die Militärfahrzeuge gelassen als nicht umsetzbare Empfehlung. Bei Co- Instinkte. Zu den Ängsten um Geld und Beruf kom-
mit Särgen in Bergamo sieht oder die Talkshows rona ist der Notstand konkret und unmittelbar, beim men philosophische Gedanken. Werde ich morgen
mit Sicherheitsabständen, als wäre die Hälfte der Klima abstrakt und diffus. Vor Covid-19 fürchten noch tun, was ich heute tue? Es ist nicht nur eine
Studiogäste nicht gekommen oder schon tot – man sich auch die Bornierten, vor der Klimakatastrophe Frage jener, die befürchten, sich ihr bisheriges Leben
meint, in einer Serie mitzuspielen, erzeugt von nur die Vorausschauenden und Vernünftigen. nicht mehr leisten zu können. Stillstand und Untätig-
durchgeknallten Drehbuchschreibern, denen wer Corona ist irgendwie anders. Aber was ist anders? keit treiben die Sinnfrage in nächtliche Kopfkissen,
weiß was als Nächstes einfällt, um alles noch ir- Ist es eine Synkope? Eine Phase? Eine Apokalypse? die ­Illusion der beruflichen Unverzichtbarkeit er-
realer und verrückter zu machen. Die messbare Seite der Krise ist, frei nach Martin Seel, lischt, das Zusammensein mit Ehepartnern und
Aber vielleicht trügt uns unser Gefühl. Vielleicht nur die messbare Seite der Krise. Auch der Zahlen- Kindern schmeckt süßer und säuerlicher als sonst.
ist das, was wir derzeit erleben, dieser Stillstand, gar glaube, die Religion unserer Zeit, liefert keine Gewiss- Lässt sich aus alledem ein Sinn ablauschen? Nein,
kein gefühlter Film, sondern gerade das Gegenteil: heit mehr. Sind hundert oder tausend am Corona­ das Virus ist keine Rache der geschundenen Natur
das große Erwachen aus unserem imaginären Le- virus gestorbene Menschen jetzt viel oder wenig im am Parasiten Mensch. Und es ist auch nicht die lo­
bensfilm? Die Geschmeidigkeit, mit der wir uns an Vergleich zu mutmaßlich 25.000 Influenza-Toten gische Folge des brutal globalisierten Kapitalismus,
unser tägliches Leben anpassen, verhärtet plötzlich. im Winter 2017/18 in Deutschland? Sicher, jeder wie viele Linke meinen. Pandemien gab es schon
Unsere Anpassungsfähigkeit weiß nicht mehr, woran Corona-Tod ist eine persönliche Tragödie, jeder lange vor der modernen Globalisierung, auch das
sie sich anpassen soll. Unsere Wohlfühlmatrix hat Grippe-Tod allerdings auch. Nein, Corona ist nicht Zeitalter der Karawanen und Segelschiffe kannte die
plötzlich einen Riss, unsere unhinterfragten Alltags- die Grippe, es gibt wichtige Unterschiede. Vergleiche Pest und die Pocken, die Cholera, Hämorrhagisches
routinen, unsere übertriebenen Sorgen und über- greifen nicht, und Todeszahlen und Mortalitätsraten Fieber und Englischen Schweiß. Sicher, die Aus-
zogenen Wünsche werden sichtbar. neutralisieren Schicksale in der Illusion eines regel- breitung der Seuchen war langsamer, die Welt rückt
Nicht jeder will daraus erwachen. Man kann sich haften Geschehens. Auch die astronomischen Sum- näher zusammen und damit zugleich die Verantwort-
auch in die ständig wechselnde Gegenwart immer men zur Rettung der Wirtschaft teilen dieses Schick- lichkeit. Das Virus ist nicht das Ende der Globalisie-
neuer Bilder des Schreckens und der Gefahr stürzen, sal. Doch je größer die Zahlen, umso kleiner die Si- rung, auch wenn es die Augen dafür öffnet, wie fragil
erhitzt mitfiebern mit der Gegenwart. Man kann cherheit, dass alles bleibt, wie es war. sie ist. Ohne ein regionales und analoges Back-up
noch einmal trotzig seine Routinen steigern. Die Die Nachdenklichkeit, die aus dem vielen Leid sind die Risiken der globalen Ökonomie nicht ab­zu­
ewigen Rechthaber verharmlosen oder dramatisieren hervortritt, findet keinen Halt. Die Menschen, die sichern. Globalisierte Ökonomie ist per se weder
die Krise maßlos und generieren damit schamlos Auf- Albert Camus in seinem Roman Die Pest beschreibt, schlecht noch gut, einzelne Abhängigkeiten sind es
merksamkeitskapital; die Hobby-Virologen ver- kannten noch keine Zahlen der Johns Hopkins Uni- schon. Corona zerstört auch nicht die EU, so viel
breiten Fake-­News; die Stinkstiefel streuen noch versity und keine Todeskurven. Sie fühlten sich als Anteilnahme für die Italiener war selten und die
ungenierter ihre Hass­viren in den asozialen Netz- biologische Wesen, und die Frage, die sich ihnen Phrase von der Krise als Chance nie so zutreffend.
werken; die Verschwörungstheoretiker fahnden nach stellte, war die nach einer existenziellen Haltung. Was wird anders sein, wenn die plötzliche Klar-
den Corona-Erzeugern und finden sie in den übli- Es ging nicht um Klopapier. Apropos biologische heit wieder dem »Weiter so« weicht? Was werden wir
chen Verdächtigen, der chinesischen Regierung oder Wesen! Vielleicht wird ja gerade das wieder spürbar. gelernt haben? Wir werden uns weigern, zu verste-
den Bilderbergern. Wo die Dissozialen in ihren Wie viele Menschen fühlen sich heute näher mit hen, wenn Politiker wieder zu Gegnern und Feinden
Klopapierbunkern dissozialer werden, werden die ihren Smart­phones verwandt als mit Tieren und werden. Man wird sich nicht völlig frei machen von
Netten netter. Selten war so viel Freundlichkeit, und Pflanzen? Qua Technik schien der Mensch aus der den Bildern des Frühjahrs, dem Sechzigerjahre-
Krankenschwestern und Verkäuferinnen werden Natur wie aus der Geschichte herausgetreten zu sein. Straßenverkehr in den Städten, dem flugzeuglosen
flüchtige Stars für einen allzu flüchtigen Moment. Fürchten wir uns nicht schon eine gefühlte Ewigkeit Himmel und den Tagen, an denen man sich nichts
Doch man bleibt, wie man ist, nur unter neuer mehr vor Computerviren als vor Viren? Welcher kauft. Das Alternativempfinden wird eine Weile
Selbstbeobachtung. Und natürlich sieht in der Krise Jugendliche dachte bei Viren noch an seine Ge- nachhallen, während Politiker uns darauf einschwö-
weiterhin jeder die Welt so, wie er sie bereits vorher sundheit? Dass Viren, die das menschliche Immun- ren, zu konsumieren, was das Zeug hält, um die
gesehen hat. Die Linken besinnen sich auf das kaputt- system abstürzen lassen, andere sind als jene, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Vielleicht fällt ihnen
gesparte Gesundheitssystem und die chronisch un- einen Computer abstürzen lassen, muss erst wieder dabei ein, wie man den Einzelhandel retten, die
terbezahlten Pflegekräfte und Verkäuferinnen. Die gelernt werden. Und auch, dass sich nicht jeder Kultur in den Städten erhalten kann? Vielleicht wird
Rechten sehen die offenen Grenzen und das Unheil menschliche Organismus wieder »hochfahren« lässt. ein Fußball denkbar ohne ständig steigende Millio-
aus dem Ausland. Die Realität ist stärker als die Metapher. nengehälter und mit echtem Wettbewerb? Vielleicht
Man möchte nicht regieren in dieser Zeit. Ande- Das Virus weckt die Welt aus ihrem techno­ werden Pflegekräfte endlich anständig bezahlt? Das
rerseits: Noch nie war es so einfach, die Mehrheit topischen Schlummer. In den Visionen des Silicon Homeoffice nimmt zu, Videokonferenzen ersetzen
hinter sich zu bringen! Die klarsten Ansagen ernten Valley, Bill ­Gates einmal ausgenommen, gibt es keine Flugreisen. Kreuzfahrtschiffe werden wir noch lange
Foto: KangHee Kim (»Wired«, 2017, aus der Serie »Street Errands«)

den größten Zuspruch, und die Freiheitsfreunde ent- unberechenbare Natur, nur eine permanent fort- als Corona-Schleudern meiden; nicht schwer, sich
decken ihre Liebe zu Verboten. Rechte fühlen sich schreitende Technisierung von allem. Jede Kurve geht an den Gedanken zu gewöhnen, dass es sie über-
beim Wort »Ausgangssperre« endlich zu Hause im exponentiell nach oben: schneller, höher, weiter und haupt nicht mehr gibt. Das Schneller-Höher-Weiter-
richtigen Staat; die AfD verliert Wähler. Die CDU mehr! Beschleunigung, die Droge der Gelangweilten, Mehr verliert seine rücksichtslose Dynamik. Das
sonnt sich in einem frühlingshaften Zwischenhoch. ist alternativlos, bedingungslose Expansion, die Mit­ein­an­der gewinnt mehr Raum.
Linke und Grüne ergeben sich nickend der Staats- Droge der Wertfreien, ebenso. Die Rückkehr der Bio- Wird es so kommen? Wohl nicht. Aber ein nach-
räson. Politiker reißen Schutzzäune der Individua- logie im Zeichen des Virus dagegen zeigt: Kurven, haltiger Wiederaufbau, warum sollte er nicht möglich
lität ein und stellen Schutzzäune der Seuchen­ die nach unten gehen, können Hoffnung geben, sein? Die jetzigen Maßnahmen sind alter­nativlos; die
bekämpfung auf, wo man beim Anblick der drohen- fallende Raten Zuversicht. Expansion ist kein Wert Rückkehr zur genau gleichen alten Normalität ist es
den Klimakatastrophe nicht mal ein Löchlein für an sich, Entschleunigung kann die Sicherheit erhö- nicht. Das Fenster, in Alternativen zu denken, steht
einen Pfosten graben würde. hen, künstliche Intelligenz sagt in der Krise nieman- sperrangelweit offen.
Wahrscheinlich muss das sein: die Ausgangsbe- dem, was zu tun ist, und digitales Gerät schützt nicht
schränkungen, der Sicherheitsabstand, die verord- vor existenziellen Lebensrisiken. Wer jetzt noch seine Richard David Precht, 55, ist Philosoph und Autor.
nete Einsamkeit. Und ja, gewiss, es gibt Unterschie- Keine Flugzeuge mehr am Himmel, das Unmögliche scheint plötzlich Schritte zählt, wird nicht glücklicher; wer jetzt vor Zuletzt erschien von ihm das Buch »Sei du selbst«, der
de zwischen Klimadebatte und Seuchenschutz. Die möglich zu sein – ein Bild der Künstlerin KangHee Kim seinem Bildschirm allein ist, wird es lange bleiben. dritte Band seiner Geschichte der Philosophie

Fleißige Ameisen, sorglose Grillen


Die aktuelle Not der Kulturschaffenden wird gern auf die leichte Schulter genommen. Dabei muss Kunst gerade in Zeiten der Krise etwas kosten VON CHRISTINE LEMKE- MATWEY

I
m Showgeschäft gilt die Regel »Pay or play«: rechnen ­allein die Verbände der deutschen Musik- Winter über genug zu essen haben«, triumphiert die den oder Gagen kassieren, und seien diese derzeit nicht die populärsten, mit dem südkoreanischen­
Musiker, Schauspieler, Tänzer werden nicht wirtschaft mit Umsatzeinbußen von fünfeinhalb Ameise am Ende – »du aber hast die ganze Zeit ge- noch so klein. Pianisten und Shootingstar Seong-Jin Cho. 1063
nur so lange für ihre Arbeit bezahlt, wie diese Milliarden Euro. Gewiss, in Deutschland geht es den zirpt und gesungen. Jetzt bleibt dir nur noch zu Es geht um Präsenz, es geht darum, aus der öf- Zuschauer waren bereit, dafür 7,90 Euro »Eintritt«
tatsächlich stattfindet, sondern in einigen Fällen freiberuflichen Gewerken vergleichsweise gut. Auf tanzen.« Makaber. fentlichen Wahrnehmung nicht ganz zu verschwin- zu bezahlen. Kein schlechter Schnitt für ein erstes
auch, wenn sie das nicht tut. Wird die Show durch Bundes- wie auf Länderebene wurden Soforthilfen Goerne ist einer der wenigen, die den Corona- den. Doch wäre das nicht die Aufgabe aller und
höhere Gewalt verhindert (die Force majeure), er- aufgesetzt (die Summen sind beträchtlich, die büro- Reflexen der Branche offen misstrauen. »Warum somit eine Frage der Solidarität? Was bedeutet es, ANZEIGE

hält das nicht angestellte künstlerische Personal kratischen Hürden auch), und wenn ein Theater wie soll Kunst ausgerechnet in der Krise nichts kos- wenn in Zeiten der Krise hauptsächlich die Neben-
trotzdem sein Geld (oftmals nicht zu 100 Prozent, die Berliner Schaubühne ihr Ensemble in Kurzarbeit ten?«, fragt er. Der Vorwurf richtet sich nicht nur wirkungen von Musik beschworen werden (Trost,
aber nicht nichts). Warum sollten Freischaffende schickt, dann ist das eine Maßnahme zur sozialen an die staatlich subventionierten Häuser, die mit Hoffnung, mal was Schönes)? Im Gegensatz zu
das Geschäftsrisiko allein tragen, zumal wenn die Absicherung, für die man dankbar sein muss. dem »Pay or play«-Kodex brechen (meist ohne da- frischem Spargel oder einer neuen Frisur scheint sie
Institutionen in ihrem Rücken ein starkes Interesse
daran haben, die Zusammenarbeit fortzusetzen,
Der Gesellschaft indes ist die Not der Künstler
oft nur ein Achselzucken wert: Geht es der Friseur-
rüber mit den Betroffenen ins Gespräch zu treten
oder Kompensation anzubieten), sondern auch an
keinen Wert an sich darzustellen. »Es ist von Rele-
vanz, was wir machen«, betont Goerne mit einem
Filmkritiken
von ZEIT-Autoren können Sie auch hören, donnerstags 7.20 Uhr.
sobald sich die Verhältnisse normalisiert haben? meisterin um die Ecke nicht genauso, sind Spargel- das schrankenlose Streamen von Musik im Netz. Seitenblick auf die Flut der (oft herzlich unprofes-
Alle wollen schließlich überleben. bauern und Start-ups nicht ärger dran? Hier Damit berührt Goerne einen wunden Punkt. Dass sionellen) Netz-Aktivitäten. Berühmte Künstler
Die Corona-Krise ist ein Fall von Force majeure, schwingt ein eigentümlich spießiger, altbundesrepu- Rundfunkanstalten ihre Archive lüften, dass Big generieren so Aufmerksamkeit; weniger berühmte Mal, aber bei Weitem nicht kostendeckend und, was
und ihre Folgen für die internationale Kunst- und blikanischer Unterton mit: Selbst schuld, suggeriert Player wie die Berliner Philharmoniker ihre­ beuten sich selbst aus. Selten engagieren sich die die Präsentation betrifft, sicher ausbaufähig. Die
Kulturlandschaft sind dramatisch: Privaten Veran- dieser, dass ihr nichts Ordentliches gelernt habt. Die Datenbanken öffnen, dass die Bayerische Staats- einen für die anderen wie unter Saengerhilfe.de. Stille im Raum ist gewöhnungsbedürftig, die Nähe
staltern und Agenturen droht die Insolvenz, Festivals, Situation erinnere ihn an die Fabel von der Ameise oper Montagskonzerte gratis in virusfreien Kleinst- Persönlich geht Matthias Goerne einen anderen, des Kamera-Auges zu den Interpreten auch. Man
Clubs, Galerien, Verlage und Plattenfirmen stehen und der Grille, sagt der Bariton Matthias Goerne am besetzungen abhält und live streamt – gegen all das vielleicht zukunftsträchtigen Weg. Letzten Samstag zählt Schweißperlen und Bart­haare und beginnt zu
buchstäblich am Abgrund. Sollte die Krise sechs Telefon. Die eine legt fleißig Vorräte an, die andere ist nichts einzuwenden. Jedenfalls so lange nicht, streamte er aus dem Berliner Teldex Studio ein Live- begreifen, dass nach der Krise wirklich kaum etwas
Monate lang dauern, was mindestens realistisch ist, sorgt für gute Stimmung. »Wir werden auch den wie die Ausführenden ohnehin weiter bezahlt wer- konzert (weitere sollen folgen) – Schubert-Lieder, so sein wird, wie es war. Auch im guten Sinn.
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15
Der Schauspieler Jeff Wilbusch
FEUILLETON 47
lebt heute in Berlin

Fotos: Vera Tammen für DIE ZEIT; Anika Molnar/Netflix (u.)


W
as braucht ein Mensch, Wilbusch hatte keinerlei Schau­spiel­erfah­rung,
um alles hinter sich zu er konnte nicht einmal wirklich Deutsch, wahr-
lassen? Braucht er Mut? scheinlich, sagt er, verstanden die Prüfer gar nicht,
Größenwahn? Jeff Wil- was er da erzählte – aber er wurde genommen.
busch sagt, ihm reichte Ab hier ging es steil aufwärts für Wilbusch.
Verzweiflung. Wilbusch Noch als Student wurde er Ensemblemitglied der
war 13 Jahre alt und hat- Münchner Kammerspiele. Er spielte in Inszenie-
te gerade erst seine Bar-Mizwa hinter sich, als er an rungen von Frank Castorf und Johan Simons.
einem Samstag im Jahr 2001 mit zitternden Hän- Erste Filmrollen folgten: im Polizeiruf und in der
den ein paar Schekel aus einer Schachtel im Schlaf- Serie Bad Banks. Dann spielte er in der britischen
zimmer seiner Eltern fingerte, die Treppen aus dem Serie Die Libelle einen deutschen Terroristen,
obersten Stock des Hauses hinunterhastete und die der gegen den Mossad kämpft, neben ­Michael
Tür aufstieß. Wilbusch erinnert sich, dass ihm der Shannon. Wilbusch weiß, wie übermächtig seine
Wind ins Gesicht blies, dass er seine Kippa festhielt Biografie wirkt, und er hat Sorge, dass sie ihn­
und so schnell rannte, wie er konnte. definieren könnte. Immer wieder sagt er während
Wilbusch hat diese Erinnerung einst aufgeschrie- der Reise, dass er als Schauspieler gesehen werden
ben als eine Art Tagebucheintrag. Es ist die Szene, in möchte, nicht als Aussteiger.

V
der seine Flucht kulminiert: raus aus der ultraortho-
doxen jüdischen Familie, rein in ein neues Leben. ielleicht ist es deshalb gerade gut, dass
Obwohl, wirklich nur eins? Die Mutter seiner Freun- seine Rolle in Unorthodox die des An-
din, erzählt der heute 32-jährige Schauspieler in­ tagonisten, eines Täters, ist: Wilbusch
einem Café in Berlin-Neukölln, sage manchmal: Du spielt Moi­ she Levkovitch, einen ra-
hast nicht ein Leben, Jeff, du hast tausend. biaten, ketterauchenden und glücks-
Sein Leben klingt wie aus einem Drehbuch. spielsüchtigen Draufgänger, der vom Rabbi ge-
Einem allerdings, das Wilbusch lange Zeit mög- meinsam mit dem verlassenen Ehemann beauf-
lichst fern von sich hielt. Erst jetzt wagt er sich an tragt wird, die flüchtige junge Frau zurück in die
seine Vergangenheit heran. Gemeinde zu holen. Wilbusch kennt diese Cha-
An einem regnerischen Vormittag im Januar steht raktere aus seiner eigenen Vergangenheit, und er
er vor ebenjener Tür in Jerusalem, aus der er als klei- spielt seinen Part grandios.
ner Junge abgehauen ist. Auf dieser Reise begleiten Es ist an jenem verregneten Januartag schon
ihn seine Freundin, die Schauspielerin Anna Platen, später Nachmittag, als Wilbusch samt seiner Be-
und der ZEIT-Reporter. Wilbusch will zeigen, wo er gleitung vor einer Synagoge in Afula im Norden
aufgewachsen ist, erklären, warum er damals floh und Israels vorfährt. Es ist die Gemeinde seines Bruders
warum er jetzt immer häufiger zurückkehrt. Moi­sche. Der 25-Jährige steht schon am Eingang
Letzteres liegt auch an Wilbuschs bislang wohl der Synagoge und wartet, er trägt einen weiten
wichtigster Rolle, sicher seiner persönlichsten. Seit Mantel, Kippa und Schläfenlocken. Moi­sche ist es
vergangener Woche läuft auf Netflix die Verfilmung zu verdanken, dass sein Bruder langsam wieder
des autobiografischen Weltbestsellers Unorthodox von Teil der Familie wird.
Deborah Feldman (Regie: Maria Schrader). Feldman Es hat Jahre gebraucht, bis Wilbusch sich mit
wuchs Tausende Kilometer von Wilbusch entfernt seiner Vergangenheit aus­ein­an­der­set­zen konnte.
auf, aber die Lebensgeschichten der beiden ähneln Das Buch von Deborah Feldman zu lesen fiel ihm
sich, als kämen sie aus demselben Dorf. schwer, es war zu nah. »Da ist eine große Zerris-
Feldman lebte im New Yorker Stadtteil Wil- senheit«, sagt er. »Wut über das, was mir als Kind
liamsburg, Wilbusch im Jerusalemer Stadtteil angetan wurde, einerseits. Andererseits Liebe, Ver-
Me’a Sche’arim. Beide Viertel sind ein Zentrum bundenheit mit meiner Familie und auch mit der
ultraorthodoxen Lebens mit ganz eigenen Geset- Kultur.« Wilbusch wollte sich immer wieder an­
zen. Feldman hatte wie Wilbusch das Gefühl, in nähern, aber er konnte nicht.
dieser Welt zu ersticken. Über Monate bereitete sie Dann kam die Anfrage für Unorthodox. Die
ihren Ausstieg vor. Als junge Frau schließlich floh Showrunnerin Anna Winger erinnert sich, wie
sie mit ihrem Kind aus einer arrangierten Ehe, erst verdutzt sie beim ersten Casting war. Ein Schau-
nach Manhattan, dann ausgerechnet nach Berlin. spieler mit Jiddisch-Kenntnissen war angekün-

Nur weg hier


Vor Wilbuschs altem Elternhaus ist es an die- digt, aber plötzlich saß da Wilbusch und sagte:
sem Januarmorgen ungewöhnlich leer, es nieselt. »Das ist meine Geschichte. Ich bin so aufgewach-
Nur ein paar junge Männer schlendern vorbei, sie sen, ich habe das alles durchgemacht.« Die Dreh-
tragen lange dunkle Mäntel über weißen Strumpf- arbeiten wurden zu einer Art Therapiesitzung.
hosen, zauselige Bärte, Schläfenlocken und mäch- Wilbusch traf andere Aussteiger, überhaupt ar-
tige runde Hüte aus Zobel. Me’a Sche’arim ist ein beiteten vor und hinter der Kamera lauter Juden
Ort wie aus einer anderen Zeit. Die Anwohner und Israelis mit. Es war, sagt Wilbusch, als hätte
lehnen Technologie ab, egal ob Handy, PC oder ihn jemand an der Hand genommen und langsam
Fernseher. Wer hier mit seinem Smart­phone he- zurückgeführt.
rumfuchtelt, bekommt ein Problem. Informatio- Jeff Wilbusch ist einer der Stars der Netflix-Serie »Unorthodox«. Auch er selbst entkam einer In der Synagoge in Afula führt Moi­sche in einen
nen werden plakatiert oder per Megafon verkün- zugestellten Hinterraum. Ein Gemeindemitglied
det. Irgendwann zwängt sich ein Auto durch eine
ultraorthodoxen Familie. Ein Treffen mit ihm dort, wo seine Flucht begann  VON SEBASTIAN KEMPKENS hat hier ein kleines improvisiertes Restaurant auf-
enge Gasse, auf dem Dach ein Megafon: Eine gebaut. In wuchtigen Töpfen köchelt Suppe, dazu
krächzende Stimme informiert über eine anste- gibt es Kugel, einen jüdischen Nudelauflauf, und
hende Beerdigung. In Wilbuschs Kindheit basierte alles auf der­ stimmte. Der Mann hatte einen dicken Bauch und Schnell bekam Wilbusch zu spüren, welche Fol- Tscholent, einen Kartoffel-Bohnen-Eintopf, dazu
Wilbusch wurde in Haifa geboren, später zog die Religion. Doch was, wenn du in dieser Welt lebst, eine gelb getönte Brille, erinnert sich Wilbusch, er gen seine Flucht hatte: Er war nun ein Aussätziger. saure Gurken und eingelegten Hering. Immer mal
Familie nach Jerusalem. Die Eltern, selbst säkular aber nicht daran glaubst? Wenn du zweifelst? schaute das Kind an und sagte: »Ich weiß, was du Als ältester Sohn der Familie war er noch ein Kind, wieder kommt eine Gruppe Männer vom Beten
aufgewachsen, waren gekommen, um ihren Platz in Von Me’a Sche’arim aus führt Wilbusch durch willst, mein Junge! Du willst a Weberle!« Aber aber er durfte auf keine Familienfeier mehr, durfte und Thora-Lesen aus dem ersten Stock herunter
der orthodoxen Welt zu finden. Sie bezogen eine verwinkelte Gassen und über Plätze und steigt schließ­ Wilbusch wollte kein Weib, er wollte weg. keinen Kontakt zu seinen Geschwistern haben. Zu- und isst etwas.
Dreizimmerwohnung im obersten Stock eines Mehr- lich durch ein Loch in einem Baustellenzaun. Ein Nur, was kommt nach der Flucht? Wilbusch gleich wurde er über Mittelsmänner bedrängt, zu- Wilbusch und sein Bruder setzen sich an einen
familienhauses. Schnell wurde es dort immer enger, matschiger Hinterhof. Überall liegt Müll, und es stinkt und Feldman lernten beide: Erst mal kommt die rückzukommen. Selbst die Sozialarbeiter im Jugend- der Plastiktische. Die Leben der beiden könnten
heute hat Wilbusch 14 Geschwister. Seine Familie nach vergorenem Gemüse, aber Wilbusch atmet tief Leere, die Einsamkeit. In der Serie Unorthodox amt, erinnert sich Wilbusch, waren Ultraorthodoxe. unterschiedlicher kaum sein. Moi­sche ist den tra-
gehörte damals zu Neturei Karta, einer extremen ein und aus, andächtig. Vor ihm liegt ein sandstein- (anders als in Feldmans Buch) irrt die Protagonis- Sie schrien ihn an: »Du Lügner, du bist eine Schande, ditionellen Weg gegangen, er ist Thora-Lehrer,
Strömung des ultraorthodoxen Judentums, deren farbenes Gebäude: sein alter Cheder, die traditionelle tin Esther (großartig gespielt von Shira Haas) al- geh gefälligst zu deinen Eltern zurück!« widmet sein Leben der Religion, seine drei Kinder
Vertreter den Staat Israel ablehnen. Bei Wilbuschs zu Schule, auf der er die Thora lesen lernte. Die Fenster- lein durch Berlin. Irgendwann ruft sie von einem Aber Wilbusch ging nicht zurück, sondern hol- wuseln um ihn herum. Wilbusch lebt in einer Alt-
Hause sprach man ausschließlich Jiddisch. Hebräisch scheiben sind ausgeschlagen, die Tür ist verriegelt. Münztelefon aus in Williamsburg an. Ihre geliebte te die Schule nach. Dann ging er in die Nieder- bauwohnung in Neukölln. Jetzt hat er den ganzen
war die Sprache der Zionisten. Bald wird das Gebäude abgerissen. Er sei ein hervor- Großmutter geht ran. »Bubby? Hier ist Esty, ich lande, das Herkunftsland seiner Mutter. Dort be- Tag nichts gegessen, weil er gerade Intervallfasten
Heute gehört Wilbuschs Familie wie die von ragender Schüler ge­wesen, erzählt er, und dennoch weiß nicht, was ich tun soll ...«, fängt sie an, aber gann er Musik zu machen. Nach seinem ersten macht und außerdem auf Kohlenhydrate verzich-
Deborah Feldman zu den Satmar-Chassidim, einer habe der Rabbi ihn ständig geprügelt, allein schon, da hat die Großmutter schon aufgelegt. Auch Wil- Auftritt war ihm klar: Das will ich wieder. Den tet. Schon ganz zittrig, bestellt er sechs gekochte
Strömung des chassidischen Judentums, deren An- weil er das Kind von »Gewordenen« war, also nicht busch hat so etwas erlebt, er rief bei Hillel an, einer Applaus, die Bühne, das Adrenalin. Als er hörte, Eier. »Das kommt mir aber nicht besonders ge-
hänger eine alles umfassende Religiosität leben. ursprünglich ultraorthodoxen Juden. »Hat hier alles Organisation, die in Israel Menschen hilft, die ul- dass die renommierte Münchner Otto-Falcken- sund vor«, murmelt sein Bruder.
Satmar ist eine religiöse Gemeinschaft, die 1905 in angefangen?«, fragt Wilbusch und schaut herum. traorthodoxe Gemeinden verlassen. »Mit Minder- berg-Schauspielschule noch männliche Kandida- Moische lebt seinen Glauben großzügiger als

G
der heute rumänischen Stadt Satu Mare begründet jährigen dürfen wir nicht zusammenarbeiten, tut ten suchte, bewarb er sich. die Eltern der beiden, er nahm den Kontakt zu Jeff
wurde. Chassidismus ist ein Sammelbegriff für ver- leich neben der Schule liegt der Ma- mir leid«, sagte die Stimme am Telefon. Wilbusch Er hat den selbst geschriebenen Monolog, den wieder auf und führte ihn behutsam zurück in die
schiedene orthodoxe Bewegungen. Gemeinsam ist hane Yehuda Market. Täglich laufen war allein. Er lebte bei Verwandten, heuerte bei er damals vortrug, noch auf dem Handy. Es ist ein Familie. Bald heiratet eine der Schwestern, und
allen, dass der Alltag ihrer Anhänger radikal auf Re- hier Zehntausende Touristen an den einem Gemüsehändler an, wohnte in einem klei- Brief an seinen Vater, der nach Wilbuschs Flucht Jeff ist eingeladen. Für ihren Vater, erzählt Moi­
ligion ausgerichtet ist, auf das Studium von Thora Gemüseständen entlang. Wilbusch nen Verschlag hinter dessen Laden. mit der Familie nach England gezogen war. Wil- sche beim Essen, bedeute Liebe vor allem eins: für
und Talmud. Wilbuschs Vater arbeitete nicht, son- wuchs in den engen Grenzen des busch sitzt in einem ungemütlichen Café neben ihn zu beten. Als Jeff weggelaufen war, verteilte
dern verbrachte seine Tage in der Synagoge. Glaubens auf, aber zugleich flanierte vor seinen dem Mahane Yehuda Market, draußen schüttet es, der Vater in der Synagoge Gebetszettel an die Ge-
Das Leben der Chassidim wird von den 613 Mitz­ Augen die Welt. Wenn er von der Schule nach und liest Auszüge daraus vor: »Hallo, wie ist Man- meindemitglieder. Er sehe das anders, sagt Moi­
wot bestimmt, Gesetzen, die jede Phase des Tages wie Hause ging, bestaunte er die Touristen. Wie viel chester? Wie viele Geschwister sind wir nun? Vier- sche: »Liebe heißt doch auch: jemanden umarmen
des Lebens regeln. In ihnen ist festgeschrieben, wann Baklava sie aßen, was für Klamotten sie trugen, zehn? Weißt du, Papa, ich habe nie verstanden, und willkommen heißen.«
und wie gebetet wird, welche Kleidung zu wählen ist, welche Fotoapparate über ihren Schultern baumel- warum ihr mir das angetan habt. Ich habe gewar- So lange hatten die Brüder keinen Kontakt,
wie geliebt und gehasst werden darf. Wilbuschs Vater ten. Heimlich streifte er umher, stöberte durch die tet, als Mami mir die Tür nicht geöffnet hat, ich dass sie anfangs nicht wussten, in welcher Spra-
lebte diese Regeln besonders streng. Wenn die ande- Geschäfte, starrte auf die flimmernden Fernseher hatte doch nur nach Kleidung gefragt. Warum che sie sich unterhalten sollten. Hebräisch? Eng-
ren Kinder schon spielen gehen durften, musste Jeff wie auf Fenster in ein anderes Universum. habt ihr mich nicht ins Haus gelassen? Ich war ein lisch? In der Synagoge sprechen die Brüder auf
– damals hieß er noch Isroel Iftach – in der Synagoge Wilbusch versuchte immer wieder, auszubre- gutes Kind. Ich lebe jetzt in einer großen Woh- Jiddisch mit­ein­an­der, stundenlang. Sie lachen, sie
bleiben und weiterbeten. An Filme oder nichtjüdische chen. »Ich hatte das Gefühl: Das hier ist ein Miss- nung in Amsterdam, zusammen mit meinen foppen sich, und irgendwann muss Moi­sche los,
Musik war nicht zu denken, selbst Sport verachteten verständnis, ich gehöre hier nicht hin.« Aber nach Freunden aus der Uni. Ich gehe viermal im Jahr einem Thora-Schüler Nachhilfe geben. Die bei-
die Eltern. Wilbusch erinnert sich an den Ärger seiner jedem Ausbruch brachte ihn jemand zurück. Der snow­boar­den, im schönen Lech. Warst du schon den um­armen sich lange. »Komm bald wieder«,
Mutter, als sie bei ihm einen Modekalender entdeck- ratlose Vater schickte ihn zu einem Vertrauten, der In der Serie spielt Jeff Wilbusch (li.) mal in Tirol? Fahr mal hin, fahr mal hin! Der sagt Moi­sche. Jeff Wilbusch nickt. Er hat Tränen
te, in dem auch Frauen abgebildet waren. herausfinden sollte, was mit dem Kleinen nicht den strenggläubigen Moishe Schnee, die Berge, es wird dir guttun.« in den Augen.
48 FEUILLETON 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

LIT E RAT UR

Sitzung ohne Analytiker


TASCHENBUCH

Lieber Zuspruch
als Lob
Ein interessanter Sonderfall von Autofiktion: In seinem Roman »Inniger Schiffbruch« wird Handke-Lektüre als Urlaub
Frank Witzel zum ­Archivar eines Lebens, das er eigentlich überwinden wollte  VON MORITZ BASSLER vom Meinungsstress

V Ü
ater ist tot – Anlass, das eigene Leben, Eltern, liches und zugleich symbolisch Verweisendes, Im Spektrum gegenwärtiger Autofiktion »Traum, Leben und Text verliefen, ähnlich ber Deutschland und Österreich
Kindheit, Familie, noch mal Revue passieren das ihm Bedeutsamkeit verleihen soll über stellt Inniger Schiffbruch durchaus einen Sonder- wie die orthometrischen Straßen Wiesbadens, wehte der Sturm. Aber noch bevor
zu lassen. Frank Witzels neues Buch nennt sich den biografischen Einzelfall hinaus. Proust, fall dar. Weder lädt das Buch, wie das Modell parallel ne­ben­ein­an­der, ohne sich zu berüh- in Thüringen der Sturm auch poli-
Roman, doch schnell ist klar, dass all die Träu- Benjamins Berliner Kindheit, auch Adornos Knausgård, dazu ein, sich in einer autobiogra- ren«, heißt es einmal. Solche Formulierungen tisch losging, weilte der österreichische
me, Erinnerungen und Anekdoten sowie die Minima Moralia werden benannt, und wie fischen Serienwelt einzurichten, noch findet hier haben, ebenso wie die Präsenz von Traum Kanzler Kurz in Deutschland. Es war, nach-
ausführlich zitierten Briefe und Aufzeichnun- diese Vorbilder strebt Witzels Prosa immer ein munterer Boomer sein Leben etwas zu in- und Psychoanalyse, unterschwellig den Effekt, dem er eine Zeit lang in einer Koalition mit
gen der Eltern nur funktionieren können, wieder ins Sentenziöse, wobei die Sentenzen teressant. Nein, schon das traumatisierte Präte- einen (wie auch immer vagen) analogischen der österreichischen Schwesterpartei der
wenn wir den autobiografischen Pakt schlie- jedoch regelmäßig im Präteritum stehen blei- ritum si­gna­li­siert an jeder Stelle Beschwernis, Sinn zu suggerieren, ein Je ne sais quoi, das AfD, der FPÖ, regiert hatte. Jetzt regierte er
ROMAN

ßen. Nur als reale Dokumente können sie ben, als werde ihnen der Sprung ins Objektiv- und auf ein Umlegen des Schalters im Sinne von auf ein verborgenes Reales verweisen möch- mit den Grünen.
beitragen zu einer Psychopathologie der alten Allgemeine denn doch nicht recht zugetraut. »Lange nichts – und dann kam Pop« wartet man te. Da ist von »Ursprungskoordinaten« die In Deutschland erklärte Kurz, er könne
Bundesrepublik, die zugleich eine der erzähl- Dabei verlässt sich der Erinnernde keines- vergebens. Dabei war die Abwehr populärer Rede, von Gefühlen, die unnennbar bleiben, sich auch für die CDU eine Zukunft mit
ten Leben und, wenn man so will, des Buches wegs auf sein Inneres. In der Erzählgegenwart Musik (Schlager, Jazz) ja schon Symptom der obwohl sie quasi »auf der Zunge« liegen – bei den Grünen vorstellen – »eine österreichi-
selbst ist, mit dem der Autor (Jahrgang 1955) wird recherchiert, werden alte TV-Sendungen Verkrampfung des Vaters, der, aus kleinem allem ausgestellten Scheitern bleiben solche sche Lösung«. Deutsche Denker investier-
sehenden Auges einen Schiffbruch mit Zu- geschaut, Bücher nachgelesen, Dias und Super- Hause stammend, nach dem Krieg zu einer Anmutungen von deepness allgegenwärtig. ten nicht wenig soziologische Fantasie in
schauer (so der Titel von Hans Blumenbergs 8-Filme gesichtet. So entsteht das Bild einer Karriere als Pianist und Komponist ansetzt, die Im Zusammenspiel mit den biografischen das neue Wesen dieses Kompromisses:
berühmtem Buch, auf das Witzel anspielt) an- aufwendigen familiären Medientechnik, die das er dann »der Familie opfert«. Die Gespenster und zeitgeschichtlichen Details machen sie Schwarz-Grün in Österreich wahre die op-
steuert; und dieser Zuschauer sind wir. gelingende Leben dokumentieren sollte und von Witzels Leben sind offenkundig nicht die das Angebot einer innigen Lektüre, die sich positionelle Diversität, keiner verschwinde
»Am besten schien eine Geschichte dann dabei, so die These, doch nur die Nachkriegs- der Postmoderne und verhandeln keine Proble- vom Gespinst des Textes anrühren lässt. Der im anderen.
erzählt, wenn sich ungeheure Dinge zutrugen, leere kaschieren half. Einzelnotizen treten an me des 21. Jahrhunderts wie beim Kulturphi- titelgebende Schiffbruch aber besteht darin, In der österreichischen Regierung ist eine
die Erzählstimme jedoch, auch wenn sie selbst die Stelle der Lebensgeschichte, eines Narrativs, losophen Mark Fisher; die Zeitebenen – Jugend dass dieser autofiktionale Versuch, der ein- gestandene Grünen-Politikerin, Ulrike Luna-
davon betroffen war, eine kühle Distanz be- das unmöglich oder wenigstens sinnlos gewor- der Eltern, eigene Kindheit, Demenz und Tod mal auch mit einer Couchsitzung ohne Ana- cek, für die Kulturpolitik verantwortlich. Sie
wahrte«, weiß Witzel – und tut genau das den ist, wo nichts mehr von Bedeutung ge- der Eltern, Erzählgegenwart – verschwimmen lytiker verglichen wird, nicht ins Offene warf sich mit einer echt grünen Äußerung
Gegenteil. Denn zum einen trägt sich in der schieht. »Und war nicht genau das eine Analo- im Textverlauf nicht zu einer »breiten Gegen- führt und der Text das weiß: »Es war eine gleich ins Zeug: »Die Entscheidung für den
Ehe der Eltern, in Franks Jugend, im Wies­ gie zu unserem Leben, das in einer Geschwin- wart«, sondern zu einer breiten Vergangenheit. Form der Wahrheit, die mich nicht ›frei Nobelpreis an Peter
Frank Witzel: baden der frühen BRD geradezu ostentativ digkeit vorbeizog, die uns das Begreifen dessen, Das Text-Ich muss sich selbst vorwerfen, »zum machte‹, sondern im Gegenteil die ohnehin Handke konnte ich nicht
Inniger nichts mehr zu: Alles, was Schicksal heißen was geschah, nicht möglich machte, sodass wir unfreiwilligen Archivar dessen geworden zu sein, schon vorhandene Skepsis mir selbst und wirklich nachvollziehen.
Schiffbruch. könnte, Krieg, Vertreibung, Flucht, liegt his- uns an Bilder, Erinnerungen, I­ deen, Ideologien was ich doch zu überwinden versucht hatte«. meinem Leben gegenüber noch vergrößerte.« Ich habe früher einiges
Roman; torisch davor. Zum andern aber wird dieses klammerten, um die Bewegung einzufrieren Fast hat es den Anschein, als ob diese Prosa sich Witzel macht es sich nicht leicht mit dieser von ihm gelesen, hat mir
Matthes & Seitz, alltägliche Nichts zwischen Klavierstunde und auf eine Erkenntnis zu hoffen, die sich gewissermaßen an ihrem Gegenstand ansteckt Wahrheit, und doch – wäre nicht eine Aus­ auch sehr gut gefallen,
Berlin 2020; und Märchenplatten, Fernsehprogramm und gerade auf diese Weise nicht erlangen ließ?« War und mit dem Nachsinnen über die Figurationen ein­an­der­set­zung mit der frühen BRD und aber diese Art, sich zu
360 S., 25,– €, mütterlichem Wortschatz keineswegs distan- es? Solche Fragen, auf die das Buch immer der Fünf­ziger­jah­re auch deren obsolete Ver- der Generation unserer Väter und Großväter poli­ti­schen Themen zu
als E-Book ziert erzählt, sondern eben »innig«, mit stän- wieder hinausläuft, sind weder rein rhetorisch fahren zur Stiftung von Bedeutsamkeit, Innig- denkbar, die ein wenig mehr in die Zukunft äußern, wo Zigtausenden
16,99 € diger Bewegung hin auf ein In­tim-­Wesent­ gestellt, noch lassen sie sich recht beantworten. keit und Tiefe wieder hochspült. weist? Menschen großes Leid zu-
Peter Handke: gefügt wurde – das habe
Am Felsfenster ich nicht verstanden.«
morgens. Wer diese Äußerung

Höflichst weggebügelt
Suhrkamp, kritisierte, konnte sich
Berlin 2019; anhören, dass er ein über-
626 S., 16,– €,
hochmetzter Ästhet sei,
als E-Book
14,99 € ein Gescheiterl in Kunst-
fragen, dem die übrige
Markus Meckel, der letzte Außenminister der DDR, erzählt in seiner Autobiografie von Widerstand und Weltpolitik  VON CHRISTOPH DIECKMANN Welt wurscht sei. Bei

I
Handke lese ich: »›Zuspruch‹ (wieder: wunder-
m Revolutionsherbst 1989 organisierte der schaftsengagements. Recht ausführlich liest ten den Druck nicht verringern, sondern er- Am 17. Juni 1990 wird im Berliner Schauspiel- bare deutsche Sprache); Lob brauche ich keins,
protestantische Pfarrer Markus Meckel die man von jenen Friedens-, Menschenrechts- höhen.« Der Druck entweicht mit dem Mau- haus des Aufstands von 1953 gedacht. Markus wohl aber den Zuspruch.« Diese Zeilen stehen
konspirative Gründung der Sozialdemokra­ und Ökologie-Aktivisten, die sich in den Acht- erfall, der emanzipatorische Volksaufstand Meckel unterhält sich mit Willy Brandt, als in Am Felsfenster m ­ orgens (und andere Orts-
tischen Partei in der DDR (SDP). 1990 war zigerjahren landesweit vernetzen. Friedenswan- schwächt sich ab. Meckel beschreibt den Run- Helmut Kohl eintrifft. »Er hatte mich damals zeiten 1982–1987) von ­Peter Handke.
er für vier Monate Außenminister der sterben- derungen, Seminare, Referate, Strategie­papiere, den Tisch, G ­ or­ba­tschows Preisgabe der DDR, normalerweise schlicht ignoriert, doch in dieser Das Buch ist in hochzeitlichem Weiß
den Republik. Nach der deutsch-deutschen Beschlussvorlagen in arteigener Diktion: »Der das Bekenntnis der Regierung Modrow zur Kon­stel­la­tion konnte er nicht anders und gab gehalten und hat auf der Umschlagseite
MEMOIREN

Vereinigung saß er bis 2009 für die SPD im intensive Kontakt zu den anderen Gruppierun- deutschen Einheit. Am 18. März 1990 gibt es mir die Hand. Es blieb das einzige Mal.« Bis einen roten Punkt, in dem steht: »Nobel-
Bundestag. 2016 scheiterte er als Reform-­ gen war gerade in den kommenden Wochen freie Wahlen, zunächst Wahlkampf mit West- zuletzt spielt Kanzler Kohl mit dem Feuer: der preis für Literatur 2019«. Der Band enthält
Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegs- somit von zentraler Wichtigkeit.« Auch in Prominenz. Meckels Lichtgestalt Willy Brandt polnischen Westgrenze. Er buhlt um Wähler, »Notizen, Wahrnehmungen, Bedenklich-
gräberfürsorge. Aus diesem kurvigen Lebens- Polen, Ungarn und Rumänien knüpft Meckel hält geschichtsgetränkte Reden, doch nichts »die noch immer nicht die Oder-Neiße-Grenze keiten, Fragen«, und er gehört zusammen
lauf machte Meckel das Beste: eine unge- systemkritische Bande. Alltagsbelange und die stoppt Helmut Kohl. Das Volk will einen star- anerkennen wollten«. Die deutsche Einheit ge- mit den Büchern Das Gewicht der Welt und
schönte Bilanz. drei Kinder obliegen ­seiner Frau Christina, ken reichen Paten und dessen Währung, mög- schieht als bloßer Anschluss der DDR, als Ost- Die Geschichte des Bleistifts und einigen
Zu wandeln die Zeiten ist eine politische Keramikerin, der vom Gatten manches zuge- lichst schnell. Die christdemokratische »Allianz Erweiterung der BRD und der Nato. anderen Aufzeichnungsbänden zu einer­
Auto­bio­gra­fie. Der Vater Ernst-Eugen Meckel, mutet wird. »Am Nachmittag erhielt ich die für Deutschland« gewinnt haushoch, mit Des Bitteren ist nicht wenig in diesem offen- literarischen Gattung, die Handke im We-
ehedem Wehrmachtoffizier, kehrt 1949 als Nachricht, dass ich wieder ­Vater geworden 48,1 Prozent der Stimmen. Meckels inzwischen herzigen Lebensbuch. Dazu gehört, wie die Ost- sentlichen selbst erfunden hat: Es ist ein
Pazifist aus sowjetischer Gefangenschaft zu- war« – nicht von Christina. umbenannte SPD bekommt 21,9 Prozent. Das SPD ihre Gründer Meckel und Gutzeit erst Gedankenfluss, dem der Leser zuschauen
rück. Er wird Pfarrer in Hermersdorf/­ Es wird 1989. Die Fluchtbewegung erschüt- bürgerrechtliche Bündnis 90 verendet bei degradierte, dann »in die Wüste schickte«. kann. Einzelne Sätze, die sich im Leser ver-
Märkische Schweiz, 1959 wechselt er ans tert die DDR. Die Sammlungsbewegung Neu- 2,9 Prozent. Jens Reich: »Das Bonner Nilpferd Ibrahim Böhme, »der Liebling der Partei«, »ein ankern, zwingen dazu, innezuhalten. Zum
Berliner Missionswerk. Markus, 1952 geboren, es Forum entsteht, gefolgt von weiteren Bürger- ist in einer Massivität gekommen, dass man ein- Blender ohnegleichen«, erwies sich als Stasi- Beispiel die Utopie: »Noch mal: Die Er-
wächst mit vier jüngeren Geschwistern in einer rechts-Bünden. Meckel und Gutzeit denken fach hilflos war.« Charge, wie mancher Weggefährte. Aus den rungenschaft der Kunst bleibt wohl, dass
Zitadelle des geistlichen Bürgertums auf, die bereits macht-, also parteipolitisch. Gutzeit er- Lothar de Maizière (CDU) bildet eine große Akten des MfS erfuhr Markus Meckel, dass auch sie von all den Meinungen erlöst und zu-
der SED-Staat nicht erobern, aber isolieren klärt: »Wir brauchen Leute, die sich auch er- Koa­li­tion. Markus Meckel wird Außenminister, sein Vater dem Geheimdienst berichtet hatte. rückführt ins Offene«
kann, etwa durch Verweigerung von Abitur schießen lassen würden!« Am 7. Oktober, dem kauft sich einen Anzug, jettet nach Moskau, Er wurde erpresst, wegen einer homosexuellen Schön wär’s, denke ich an dieser Stelle, die
und Universität. Markus studiert Theologie an 40. Jahrestag der DDR, ersteht im Pfarrhaus von Washington, London, Paris und verhandelt den Beziehung, deren Offenbarung damals »eine in am Ende wie jede Bedenklichkeit dieses Buchs
Markus Meckel:
kirchlichen Hochschulen in Naumburg und Schwante jene sozialdemokratische Partei, deren einheitsvorbereitenden Zwei-plus-Vier-Vertrag. allen Dimensionen seines Lebens zerstörende, ohne Punkt auskommt.  FR ANZ SCH U H
Zu wandeln die
Zeiten.
Berlin. Dort wird frei gedacht und debattiert. Ost-Ahnin sich 1946 mit der KPD vereinigte Ein ostdeutscher Wehrdienstverweigerer streitet existenzielle Katastrophe gewesen« wäre. Der
Erinnerungen; Dort reifen Geister, in denen sich der 89er- und dann im SED-System unterging. wider Nato-Allmacht und Atomwaffen-­Logik Rezensent dankt seinem alten Kommilitonen Hier lesen Sie im Wechsel die Kolumnen von
Evangelische Umbruch vorbereitet. Dort trifft Meckel Mar- Egon Krenz folgt Erich Honecker als Partei- und wird von den Profis der Weltpolitik­ Markus für den Mut zur Ambivalenz. Europas Alexander Cammann über Hörbücher, von
Verlagsanstalt, tin Gutzeit, seinen Lebensfreund. und Staatschef. Verzweifelt sucht er nach Sta- höflichst weggebügelt. Hans-Dietrich Gen- Gegenwart und Zukunft bedenkend, schließt Tobias Gohlis über Kriminal- und von Ursula
Leipzig 2020; Meckels erste Pfarrstelle Vipperow/Müritz bilitätspartnern, auch bei der evangelischen schers selbstherrliche Arroganz durfte man Meckel dann doch mit ein wenig Pathos:­ März über Unterhaltungsliteratur sowie von
492 S., 29,80 € wird zum Stützpunkt staatsfernen Gesell- Kirche. »Wir dagegen«, schreibt Meckel, »woll- schon 1995 in dessen Erinnerungen erspüren. »Demokraten aller Länder, ver­einigt euch!« Franz Schuh über Taschenbücher

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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 FEUILLETON 49

DIE ZEIT: Ist es ein Wagnis für Sie, nun von Ams­ Europa, nicht nach Deutschland eingeladen wer­

Foto: Jüdisches Museum Berlin


terdam nach Berlin zu ziehen? Nicht wenige Mit­ den sollten. So kommt man in der Diskussion
glieder der jüdischen Gemeinde erwägen ja wegen nicht weiter.
der vielen anti­semi­ti­schen Angriffe, Deutschland ZEIT: Was ist aber mit Mitgliedern der jüdischen
zu verlassen. Gemeinde, die BDS unterstützen? Davon gibt es ja
Hetty Berg: Die Lebenswirklichkeit für viele Jüdin­ einige. Warum dürfen diese Juden im Jüdischen
nen und Juden hat sich in der Tat sehr verändert – Museum nicht ihre Meinung sagen?
in einem Ausmaß, das ich niemals für möglich ge­ Berg: In einem Museum unter meiner Leitung
halten hätte. Und da kommt für mich das Museum gebe ich nur solchen Stimmen ein Forum, die
ins Spiel: Es sollte gerade jetzt eine enorm wichtige sich von Ausgrenzung und Gewalt distanzieren
Rolle spielen, es muss vom großen Reichtum der und mit Respekt auf andere zugehen. Nur das­
jüdischen Geschichte und Kultur erzählen und sie erlaubt eine differenzierte Beschäftigung mit­
lebendig werden lassen. Damit hilft es gegen Vor­ sensiblen Themen.
urteile und Hass. ZEIT: Gelegentlich kann man den Eindruck ge­
ZEIT: Nun gibt es das Jüdische Museum Berlin winnen, manche Mitglieder der jüdischen Ge­
(JMB) in seiner jetzigen Form seit 20 Jahren, und meinde glaubten, das Museum sei vor allem für sie
es wirkt nicht gerade so, als hätte es gegen den bestimmt. Deshalb hat der Gründungsdirektor W.
Anti­semi­tis­mus viel ausrichten können. Michael Blumenthal schon bedauert, das Haus
Berg: Auch Museen können ausgemachte Anti­ habe den falschen Namen. Besser wäre »Museum
semi­ten und Rassisten nicht zu anderen Menschen der Geschichte der deutschsprachigen Juden«.
machen. Aber es gibt noch viele andere, die anzu­ Berg: Das ist bemerkenswert, denn in Amsterdam
sprechen sich lohnt – angefangen bei den Schul­ hatten wir auch diese Diskussion, nur unter umge­
klassen, die zu uns kommen. Viele Menschen lau­ kehrten Vorzeichen. Dort trägt das Haus den Na­
fen einfach mit bestimmten Vorurteilen durch die men »Jüdisches Historisches Museum«, und es
Welt, weil ihnen das nötige Wissen und die Begeg­ wäre manchen lieb gewesen, wären wir einfach ein
nung fehlen. Sie nehmen das jüdische Leben als »Jüdisches Museum«, um nicht so stark auf die
»unbekannte Welt nebenan« wahr. Und gerade de­ Geschichte reduziert zu werden. Wie immer man
nen können wir davon erzählen, wie vielfältig die es also nennt, beides hat seine Nach- und Vorteile.
jüdische Kultur ist. Sie sehen, ich bin da immer ZEIT: Wenn aber der Zentralrat der Juden wäh­
auch Optimistin. rend der Kontroversen des letzten Sommers twit­
ZEIT: Ich vermute, Sie werden einigen Optimis­ terte, das Museum sei nicht mehr jüdisch, habe also
mus brauchen, schon deshalb, weil derzeit kein seinen Namen verwirkt, dann kommt es einem so
anderer Posten in der deutschen Museumsland­ vor, als glaube dieser Zentralrat, dass hier vor allem
schaft so heikel ist wie Ihrer. Ihr Vorgänger sah sich seine Interessen gewahrt werden müssten.
im vorigen Sommer gezwungen zu gehen, seither Berg: Das Museum ist für alle da, die sich ernst­
ist viel von der Krise des JMB die Rede. Können haft mit jüdischer Geschichte und Kultur be­
Sie erklären, worin genau diese Krise besteht? schäftigen wollen. Denn die Geschichte der Ju­
Berg: Es ist ein Bundesmuseum, ein nationales den in Deutschland ist immer auch die Ge­
Haus mit hoher symbolischer Bedeutung, und da­ schichte der deutschen Nichtjuden, es ist eine
mit ist die Arbeit eines solchen Museums immer gemeinsame Geschichte. Außerdem kommen
politisch. Das heißt allerdings nicht – und diese rund 75 Prozent der Besucher aus dem Ausland.
Unterscheidung ist mir wichtig –, dass es sich aktiv Ich möchte daran arbeiten, dass mehr Menschen
in die Tagespolitik einmischen sollte. aus Deutschland, aus Berlin ins Museum kom­
ZEIT: Wollen Sie sagen, Ihr Vorgänger Peter Schä­ men, jüdisch oder nicht jüdisch.
fer hat sich zu sehr in die Politik gedrängt und Die niederländische Kulturhistorikerin Hetty Berg, geboren 1961, war bislang Direktorin des Jüdischen ZEIT: Wenn Sie mehr Berliner ins Museum ziehen
musste deshalb gehen? Historischen Museums in Amsterdam. Ihren neuen Job tritt sie diese Woche an wollen, heißt das, Sie werden auch stärker auf die
Berg: Ich kann die Beweggründe für seinen Rück­ muslimisch geprägte Community zugehen, die ja

»Ich bin da Optimistin«


tritt nicht beurteilen. Es ist nur sehr bedauerlich hier sehr groß ist?
für das Museum und für Herrn Schäfer, dass es so Berg: Natürlich, gerade im Umfeld des Museums,
gekommen ist. im Kreuzberger Kiez, leben viele Muslime. Und
ZEIT: Es gab ja große internationale Proteste ge­ ich kann mir vorstellen, dass auch die neue Kin­
gen seinen Rückzug. Hätten auch Sie sich ge­ derwelt des Museums, Anoha, für viele aus der
wünscht, Schäfer wäre geblieben? Umgebung attraktiv sein wird. Alle sind willkom­
Berg: Ich habe einen offenen Brief unterzeichnet, men, egal welcher Religion oder Zugehörigkeit.
aus Solidarität mit einem Kollegen. Was aber da­ ZEIT: Es gibt allerdings auch Jüdinnen und Ju­
mals im Detail vorgefallen ist, kann und möchte den, die sagen, dass vieles in ihrer Kultur für
ich nicht bewerten. Die wichtigere Frage ist, wie es
Sie übernimmt den schwierigsten Posten, den es in der deutschen Nichtjuden unzugänglich bleibe. Vor allem die
nun weitergeht. Museumslandschaft gibt: Hetty Berg, die neue Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, über ihre Schoah in ihrer ganzen Grausamkeit sei für diese
ZEIT: Aber weiter geht es am besten, wenn man nicht zu begreifen.
versteht, was eigentlich los war. Der zentrale Vor­ Hoffnung im Kampf gegen den Antisemitismus und die Grenzen ihrer Toleranz Berg: Die Schoah, fürchte ich, kann letztlich nie­
wurf der Kritiker lautet: Das Museum ist nicht mand begreifen – Juden nicht, Nachkommen der
unabhängig und kein Ort der Meinungsfreiheit. Täter nicht und auch keine Dritten. Und das gilt
Wie berechtigt ist die Kritik? offener Diskussionen, an dem unterschiedliche ZEIT: Und was heißt das für Ihr Ausstellungs­ sein, oder darf es Kritik üben, etwa an der Sied­ in gewisser Weise auch für weitere schreckliche Er­
Berg: Diese Kritik ist aus meiner Sicht überzogen. Stimmen gehört werden. Doch damit solche Dis­ programm? lungspolitik? fahrungen, die für andere in ihrer Bedeutung im­
Das JMB ist ganz klar eine unabhängige In­sti­tu­ kussionen möglich sind, muss es wieder zu einem Berg: Ich finde Ausstellungen reizvoll, die ein ge­ Berg: Es ist nicht die Aufgabe des JMB, die Politik mer nur zu erahnen sind. Dennoch muss man na­
tion, denn das Museum ist eine Stiftung der Bun­ geschützten Raum werden. Damit meine ich einen nuin jüdisches Thema verhandeln und es gleichzei­ der israelischen Regierung zu kritisieren. Selbstver­ türlich versuchen, sich in das Geschehene hinein­
desrepublik und ist deshalb autonom. Schauen Sie Raum, in dem eine produktive, auch kontroverse tig für größere, universelle Fragen öffnen. Für die ständlich werden in der Zukunft aber auch Stim­ zudenken und die Kultur der anderen zu begreifen.
nach Ungarn, nach Polen, dort mischen sich die Aus­ein­an­der­set­zung mit Themen möglich ist, die Zukunft denke ich zum Beispiel an eine Ausstellung men, die die israelische Politik kritisch sehen, ne­ Sonst blieben wir ja mit unseren Erfahrungen al­
Regierungen in das kulturelle Leben ein und un­ nicht sofort überhitzt und instrumentalisiert wird. über Juden und Sexualität. Wie hat das Judentum ben vielen anderen Stimmen am Jüdischen Mu­ lein – wie schrecklich wäre das!
terwerfen die Museen und Theater ihren nationa­ ZEIT: Was sind denn die zentralen Kontroversen, die Fortpflanzung immer wieder neu verstanden? seum Berlin zu hören sein. Allerdings nicht solche ZEIT: Wird es denn für Sie von Vorteil sein, dass
listischen Interessen. Eingriffe in diesem Ausmaß die Sie in Zukunft ausfechten wollen? Wie fügt sich das in die ethischen Vorstellungen Stimmen, die verlangen, dass andere nicht mehr Sie als neue Direktorin selbst einen jüdischen Hin­
in deutsche Kultureinrichtungen – von egal wel­ Berg: Mir gefällt das Wort »ausfechten« nicht. Im dieser Kultur ein? Vom Heiratsvermittler bis zur jü­ zu hören sind und dass Andersdenkenden das tergrund haben?
cher Seite – kann ich mir beim besten Willen Zentrum unserer Botschaft steht das Zusammen­ dischen Dating-App. Auch da verbindet sich die Rede- oder Auftrittsrecht verweigert wird. Berg: Die Religion sollte bei der Besetzung eines
nicht vorstellen. leben unterschiedlicher Gruppen in Deutschland. Reflexion über die Geschichte einer Kultur mit ZEIT: Jetzt spielen Sie auf BDS an, eine umstrittene Postens keine Rolle spielen. Für mich persönlich
ZEIT: Hinzu kommt der Druck von außen: So Diversität und Identität, Integration und Ausgren­ Fragen der Gegenwart. Bewegung, die zu »Boykott, Desinvestitionen und ist meine jüdische Identität wichtig, sie prägt
verlangte Israels Ministerpräsident Benjamin Ne­ zung, Mi­gra­tion, all das sind zentrale Themen der ZEIT: Klingt so, als wollten Sie ziemlich genau das Sanktionen« aufruft, um so Israel unter Druck zu meine Perspektive und ist Ausgangspunkt mei­
tanjahu von der Kanzlerin, sie solle das Jüdische deutsch-jüdischen Vergangenheit, aber auch der machen, was auch Ihr Vorgänger gemacht hat. setzen. Sie würden, wenn ich Sie richtig verstehe, ner Offenheit für andere Meinungen und Kul­
Museum nicht länger finanziell fördern, weil ihm deutschen Gegenwart. Das Museum kann ein Fo­ Berg: Sie könnten auch sagen: Ich setze das fort, keine Mitglieder der BDS-Bewegung in Ihr Mu­ turen. Für die Aufgabe ist es jedoch am wichtigs­
eine bestimmte Ausstellung missfiel. rum dafür sein, dass sich Deutschland ein bisschen was ich in Amsterdam begonnen habe. Diversität, seum einladen. ten, dass man sich mit der jüdischen Geschichte
Berg: Es wäre völlig inakzeptabel gewesen, die besser selbst versteht, denn wer vom jüdischen Ausgrenzung, Integration, das sind im Moment Berg: Das verstehen Sie richtig. BDS ruft ja nicht und Kultur gut auskennt, dass man weiß, wie ein
Ausstellung Wel­come to Jerusalem abzusetzen, kein Leben erzählt, wie wir das tun, spricht immer auch die Themen, die alle jüdischen Museen in Europa nur zum Boykott Israels auf, sondern auch zum Museum funktioniert und dass man die richtige
Land sollte sich in die kulturelle Politik eines ande­ über ganz aktuelle Fragen. Immer geht es darum, aufgreifen, weil sie die Gesellschaft beschäftigen. Boykott der Teilnahme von Israelis an öffentlichen Mischung aus Offenheit und Klarheit findet. Ich
ren Landes einmischen. Ich werde auch nicht zu­ wie die Mehrheit in einer Gesellschaft mit Min­ ZEIT: Gehört zu diesen Themen auch die heutige Diskursen in der ganzen Welt. Die Bewegung ver­ freue mich auf diese Aufgabe!
lassen, dass politische Kräfte das Museum instru­ derheiten umgeht und wie diese un­ ter­
ein­
an­
der Politik der israelischen Regierung? Das war ja weigert das Gespräch, wenn sie fordert, dass Wis­
mentalisieren. Das Museum ist für mich ein Ort auskommen. immer ein Streitpunkt: Muss Ihr Haus neutral senschaftler oder Künstler aus Israel nicht nach Das Gespräch führte Hanno Rauterberg

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50 FEUILLETON 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Was in Dresden brodelt


ÜBER DEN LINDEN

Baberowski
lacht
Wie ich bei einem sehr interessanten Mittagessen versucht habe, Ist Uwe Tellkamp verbittert, und verachtet er die kritische Öffentlichkeit?
herauszufinden, was ein bekannter Berliner Historiker wirklich denkt Nein, so einfach ist die Sache nicht. Eine Erwiderung  VON MARTIN MACHOWECZ

E
ine Reaktion aus Trotz führt selten zu ganze Republik, vielleicht der Vesuv von Dresden nur tig und süffig und genau so wie im Turm. Damals, als

Foto: Sebastian Kahnert/dpa; Illustration: Rachel Levit für DZ (l.)


intellektueller Schärfe. Trotz speist sich ein gerade offener Schlot, einer von vielen im ganzen er noch als politisch unverdächtig galt, wurde dieser
nicht allein aus der eigenen Haltung, er scheinbar so beruhigten Land, doch anderswo wo- Stil imWesten bejubelt als Sprache eines untergegan-
speist sich aus der Ablehnung des an- möglich das Deckgebirge über den Schloten stärker, genen Bürgertums, das so wunderbar angestaubt nur
deren. Deshalb ist er manchmal nicht der Unmut als Magma weniger druckvoll.« in der DDR habe überleben können. Man kann auch
viel klüger als das, was er kritisiert. Abgesehen von den naheliegenden Hinweisen wie sagen: Tellkamp schreibt, wie Neo Rauch malt, alt-
Schon ziemlich trotzig wirkt die Reaktion einiger jenem, dass hier doppelte Distanzierung betrieben wird meisterlich und zugleich verspielt, mal Comic und
Rezensenten auf Uwe Tellkamps neuen Essayband Das – denn ein literarischer Ich-Erzähler gibt an jener Stel- mal Epos, nicht immer leicht zugänglich, aber doch
Atelier. Es beschleicht einen das Gefühl, dieses Werk le die Meinung einer dritten Figur wieder –, muss man so, dass man das Gefühl hat, kein Wort sei unüberlegt.
sei verdammt gewesen, ehe die erste Seite gelesen war. die Passage schon mit Vorsatz deuten, um sie als Hetze Schwulstig, sogar kitschig mitunter, aber als Methode.
Wer das ausspricht, nimmt damit noch nicht auto- zu verstehen: Erst einmal beschreibt Tellkamp nur ver- Ist denn allein das Altmeisterliche schon reaktionär?
matisch Uwe Tellkamp gegen alle Kritik in Schutz. gangene Ereignisse. Ja, 2015 hat es »gerumst«, die Ist das Schwulstige schon böse? Es gab auch Leute, die
Man muss kein Fan des Dresdner Bürgertumsschrift- Flüchtlingskrise hat Deutschland erschüttert und zer- das der Neuen Leipziger Schule, also Rauch und seinen
VON MA XIM BILLER
stellers sein, vor allem kein Befürworter mancher seiner rissen. Ja, in Dresden flogen die Funken danach am Malerkollegen, vorwarfen, ohne es ausreichend zu
Äußerungen – und kann dennoch den begründen. Und der Unterschied zwischen

D
Impuls entwickeln, einiges einzuordnen. dem Bühnen-Tellkamp und dem Essay-
as Lieblingssachbuch von Profes- Borchardt in der Französischen Straße, hin- Zunächst: Tellkamp, 51, hat sich ange- Tellkamp ist dieser: Letzterer wägt Worte
sor Baberowski ist Martin Hei­ ten an der Wand, an einem der besten, ru- wöhnt, mit der Kon­sti­tu­tion der Demo- und Gedanken ab, Ersterer oft nicht. Tell-
deg­gers Sein und Zeit. Das weiß higsten Tische. Wir aßen Rinderbrühe, kratie, wie sie ist, sehr harsch ins Gericht kamps Essayband ist ein Herumdenken
ich, weil er letzten November­ Schnitzel und Gurkensalat, wir lächelten und zu gehen. Manchmal wirkt er heute eher auf der Kunst, manchmal kunstmarkt-
einen Vortrag darüber gehalten hat, in einem lachten viel, wir fanden die Ansichten und wie ein Wutbürgertumsschriftsteller. Er und kunstbetriebskritisch auf eine Weise,
großen, kalten Hörsaal der Humboldt-Uni- Erfahrungen des anderen sehr interessant hat Pegida verteidigt, er hat das Wort vom wie man es eher von Linken erwarten
versität am preußisch trostlosen Hegelplatz. und diskutierten wie zwei altmodische Intel- »Gesinnungskorridor« geprägt, er hat sich würde. Und so präzise, wie Tellkamp
Ich saß, so wie früher, in München, wo ich vor lektuelle aus dem vergangenen Jahrhundert in ein intellektuelles und gedankliches Rauchs Art zu malen beschreibt, hat es
ungefähr hundert Jahren studiert habe, in­ über Stalin und Trotzki, über Professor Babe- Umfeld manövriert, in dem sich auch noch keiner geschafft. Da haben sich zwei
einer der hinteren Reihen, ganz am Rand, da- rowskis seltsame Jugendliebe Pol Pot und Leute wie der neurechte Umsturzfantast gefunden.
mit ich schnell wieder gehen konnte. Draußen über seine schöne, schreckliche Zeit beim Götz Kubitschek herumtreiben – was Uwe Tellkamp ist übrigens überhaupt
war es schon dunkel, obwohl es noch gar nicht Maoistenclub KBW. Irgendwann sagte der viele Leser, die Tellkamps Bestseller Der kein »DDR-Autor«, 1989 war er 20 Jahre
Abend war, und drinnen sahen in dem­ Professor plötzlich: »Und wo waren Sie in Turm gemocht haben, durchaus bedauern. alt. Genauso ist Neo Rauch kein DDR-
künstlichen weißen Neon­licht die Gesichter den Siebzigerjahren organisiert?« Es ist trotzdem nicht redlich, wenn jetzt Maler – viel zu jung. Wenn überhaupt,
seiner Zuhörer – müde Studenten mit aufge- »Ich war noch nie in meinem Leben orga- Thomas Assheuer in der ZEIT (Nr. 13/20) sind dies Nachwendekünstler, geprägt von
klappten Laptops, noch müdere Greise mit nisiert, Herr Baberowski«, sagte ich und lachte behauptet: Die »Systemverachtung« von Umbruch und vielleicht auch einem Ge-
modernen Coffee-to-go-Bechern aus Stahl – besonders laut. »Ich habe damals Leute wie Sie »ehemaligen DDR-Künstlern« wie Tell- fühl, das viele Ostdeutsche teilen. Das
so entsetzlich ungesund aus, dass ich sie alle erstens nicht verstanden – und zweitens nicht kamp erkläre sich aus der »Verbitterung Gefühl ist: Wir hatten die Revolution, der
am liebsten gleich wieder nach Hause ge- gemocht.« Er schwieg und dachte nach, und darüber, dass ostdeutsche Künstler nicht Westen hatte die Diskursmacht.
schickt hätte. bevor er anfangen konnte, sich zu verteidigen, mehr den gesellschaftlichen Einfluss be- Es gibt Ostdeutsche, die leiteten aus
Professor Baberowski sah auch nicht so fragte ich ihn, warum er immer nur über den sitzen, von dem sie glauben, dass er ihren diesem Gefühl das Falsche ab und gingen
aus, als hätte er gerade vier Wochen in ­Miami Stalinismus schreibe, forsche, rede, wieso er von Werken zusteht«. Ja, »ehemalige DDR- auch deshalb zu Pegida oder wählen AfD.
­Beach oder auf Mallorca verbracht, aber es den Bolschewiki und ihren Verbrechen so be- Autoren« wie Tellkamp würden die »kri­ Damit haben sie es, leider, tatsächlich ge-
war trotzdem sehr viel Leben in diesem klei- sessen sei und noch keine Zeile über die NS- tische Öffentlichkeit verachten«. schafft, enorme Aufmerksamkeit auf sich
nen, drahtigen Mann. Er sprach – schnell, be- Zeit veröffentlicht habe. »Ja, das ist eine sehr Denn das tut, erstens, den vielen ost- zu ziehen. Und ohne Pegida damit ent-
geistert, wie gedruckt – über Hei­deg­gers Ver- gute Frage«, sagte er, »ich glaube, ich will so deutschen Künstlern unrecht, die sehr schuldigen zu wollen, muss man schon
achtung für alles, was nach Vernunft und herausfinden, warum ich früher selbst ein ver- anders denken als Tellkamp. sagen: Ein bisschen mehr diskursive Ost-
Sinn klang, er zitierte genauso euphorisch wirrter Links­extre­mer war. Außerdem, das Das tut, zweitens, aber auch Uwe Tell- West-Offenheit hätte auch manche ver-
Ernst Jünger und Carl Schmitt, er erzählte, schreckliche, spießige Holzminden, wo ich kamp unrecht: Wer ihm unterstellt, künst- bale Radikalisierung in Sachsen oder
dass er als Jugend­licher ein fanatischer Karl- aufgewachsen bin, war voll mit alten Nazis. lerisch verbittert zu sein, muss sich dann Thüringen möglicherweise verhindert.
Marx-Leser gewesen sei und sich heute dafür Was diese Leute angeht, bin ich zu voreinge- ja gar nicht mehr aus­ein­an­der­set­zen mit dem, was er höchsten aus dem Vulkan, und ja, auch anderswo gab Wenn es in der ZEIT-Kritik heißt, Tellkamps Essay
schäme. Kein Wunder, dachte ich, dass einer nommen und zu emotional.« Jetzt dachte ich sagt. Und ist es nicht, drittens, eher so, dass der Osten es Wut und Zorn, nur nicht so sichtbar. Was Tellkamp wandle durch »die rechte sächsische Kulturszene«, dann
wie er ständig Ärger mit linken Studenten kurz nach. »Das überzeugt mich nicht, Herr in den vergangenen Jahren politisch und kulturell so hier beschreibt, ist nicht das Parteiprogramm der AfD, wird die sächsische Kulturszene nicht nur den Vorwurf
hat. Sie erkennen sich eben jetzt schon in ihm Baberowski«, sagte ich schließlich ernst. »Ja, viel Einfluss erlangt hat wie nie zuvor nach 1990, weil sondern Nachrichtenlage. Rechtfertigt das den Furor? herauslesen, dass sie insgesamt »rechts« sei. Nein: Auch
wieder, deutsche Kommunisten, Trotzkisten, Sie haben recht« – er nickte –, »ganz logisch ist sich im Grunde sämtliche Debatten der Republik nach Eigentlich ist Das Atelier das, was man sich von ein Maler wie Neo Rauch muss sich, ohne dass der
Maoisten, die sich später, als alte Männer und es nicht.« – »Warum schreiben Sie nicht genau der Wut der Ostdeutschen gerichtet haben? Und ist Tellkamp wünschen musste: Er wirft nicht mehr in Nachweis geführt würde, als »rechts« etikettiert sehen.
Frauen, vermutlich auch ganz automatisch darüber einmal einen Essay?«, sagte ich. »Sie es nicht eigentlich das, was die (zumeist) westdeutschen Interviews mit Worten um sich, die er besser nicht So einfach sollte es sich niemand machen.
den besonders autoritären Denkern ihres Vol- meinen, über die Frage, warum ich bisher als Rezensenten stört? verwendet hätte. Nein: Er tut, was seine eigentliche In verschiedenen Texten wurde anfangs behaup-
kes zuwenden werden. Guess why, dachte ich Historiker einen Bogen um den National­ Mit dem Atelier hat Tellkamp ein Büchlein vor­ Dis­zi­plin ist – und schreibt. Man mag das Weltbild tet, Tellkamp habe Das Atelier in Götz Kubitscheks
auch noch, und dann stand ich auf, gelang- sozialismus gemacht habe?« – »Ja, genau.« – gelegt, das kaum mehr als 100 Seiten umfasst; eine Art seiner Protagonisten altmännisch, die Haltung des Verlag Antaios veröffentlicht. Auch das war ein
weilt von der ewigen deutschen Links-rechts- »Ach, das ist ja eine großartige Idee«, sagte er literarische Skizze der sächsischen Kunstszene. Es geht Ich-Erzählers stockkonservativ finden – all das kann Zeichen von Trotz: Man kann sozusagen gar nicht
Melodie, und verließ vor allen anderen den und lachte endlich auch wieder, »das mache um den Maler Martin Rahe, leicht zu identifizieren als jeder selbst entscheiden. Aber es kann doch nicht genug des Übels unterstellen. Das Buch erscheint
traurigen, kalten Hörsaal der Humboldt-Uni- ich!« – »Ich hoffe, Hei­deg­ger, Schmitt und Figur, die Neo Rauch nachempfunden ist, und allein schlecht sein, wenn der Schriftsteller Tellkamp in die im Selbstverlag der Dresden-Loschwitzer Buch-
versität zu Berlin. Jünger kommen in dem Text auch vor«, sagte da beschleunigt sich bei vielen der Puls: Es war ja literarische Selbstdeutung einsteigt. Wenn er zu seinem händlerin Susanne Dagen, Antaios bewirbt und
Und warum habe ich mich mit Professor ich. Aber diesen Satz, glaube ich, überhörte er. Rauch, der Tellkamp als »Wiedergänger Stauffenbergs« Mittel greift, um an der Debatte teilzuhaben: Sollte verkauft den Band – schlimm genug. Wäre man
Baberowski trotzdem ein paar Monate später »Sie werden der Erste sein, der den Essay liest«, bezeichnet hatte (was Rauch später übrigens wieder man das nicht anerkennen, statt ihn dafür als verbit- präzise und ohne Furor, könnte man an dieser S­ telle
zum Mit­tag­essen getroffen? Weil er es wollte. rief er begeistert aus, »das verspreche ich!« relativierte). Am deftigsten fällt eine Re­zen­sion des terten Ossi abzukanzeln? Die literarische Verarbeitung die entscheidenden Details diskutieren: Dagens
Weil er mir, obwohl wir uns gar nicht kann- Als ich am Nachmittag wieder zu Hause Bayerischen Rundfunks aus, vom 6. März. »Rechte der Dresdner Wut, wenn sie Teil von Tellkamps lange Buchreihe heißt »Exil« – wieso spielen Menschen in
ten, am Tag nach seiner Heidegger-Vorlesung war, machte ich den Fernseher an, Live-Über- Künstler und Hetzer in Uwe Tellkamps neuem Buch« angekündigter Turm-Fortsetzung Lava würde, könnte Deutschland 2020 mit Begriffen, die den Eindruck
eine herrlich gewundene, halb entschuldi- tragung der zweiten Ministerpräsidenten­wahl lautet der Titel, der Vorwurf: Tellkamps Band sei eine einen echten Erkenntnisfortschritt bringen, für die erwecken, man müsse ernsthaft Exilantenliteratur
gende Nachricht geschrieben hat. Dann ha- in Thüringen. Hoffentlich wird diesmal der »poetische Verklärung von Pegida und rechter Propa- ganze Republik. Schließlich hat Tellkamp in einem betreiben? Tellkamp und andere tun so, als sei die
ben wir telefoniert, dann haben wir uns ver- Linke gewählt, dachte ich. Und dann dachte ganda«. Als zentrale Belegstelle wird dieser Absatz an- recht: Was in Dresden brodelte, brodelt vielerorts. Meinungsfreiheit gefährdet, was sie nicht ist. Aber
abredet – und dann saßen wir an einem kla- ich auch noch: Das Leben ist wirklich ver- geführt: »Im Jahr Fünfzehn habe es gerumst, das Dabei hat sich Tellkamp handwerklich gar nicht man sollte es ihnen auch nicht zu leicht machen mit
ren, weißen Februartag mittags um zwölf im dammt kompliziert. Dunkelding sei ausgebrochen, mit Folgen für die so verändert. Er schreibt im Atelier immer noch wuch- dem Finden immer neuer, scheinbarer Belege.

An dieser Stelle erscheinen im Wechsel vier Kolumnen. »Das Atelier« heißt das neue, kaum
Lesen Sie nächstes Mal Antonia Baums mehr als 100 Seiten umfassende
»Mein Leben als Frau« Büchlein von Uwe Tellkamp

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Streit: Dr. Jochen Bittner/Charlotte Parnack (verantwortlich), Rutenberg (ZEITmagazin); Art-Direktion: Haika Hinze, Jasmin E-Mail: florian.gasser@zeit.de; Venohr; Ressort X: Philip Faigle (Leitung), David Hugendick, Anzeigen-Preisliste Nr. 65 vom 1. Januar 2020 is published weekly
Stefan Schirmer Müller-Stoy (ZEITmagazin); Betreiber: ZEIT Online GmbH Geschäftsführer: Dr. Rainer Esser Annabelle Seubert, Vanessa Vu; by Zeitverlag;
Magazine und Neue Geschäftsfelder: Sandra Kreft ISSN: 0044-2070
Dossier: Tanja Stelzer/Wolfgang Uchatius (verantwortlich), Verantwortlicher Redakteur Reportage: Wolfgang ­U cha­t ius ZEIT:Schweiz: Matthias Daum (Büroleitung), Barbara Acher- Magazine (ZEITmagazin Online, ZEIT Campus Online, Arbeit, K.O.P.: Data Media (A division of Cover-
Malte Henk (stellv.), N­ adine Ahr, Moritz Aisslinger, Reporter: Wolfgang Bauer, Cathrin Gilbert, Christiane Grefe, mann, Sarah Jäggi, Dreikönigstraße 7, CH-8002 Zürich, Tel.: Entdecken, Die Antwort): Leonie Seifert (Leitung), Carmen Projektreisen: Christopher Alexander All Computer Services Corp.),
Bastian Berbner, Amrai Coen Ulrich Stock, Henning Sußebach 0041-79/361 53 10, E-Mail: matthias.daum@zeit.de Böker (stellv.), Amna Franzke (verantwortl. Red. ZEIT Börsenpflichtblatt: An allen acht deutschen Wertpapierbörsen 660 Howard Street, Buffalo, NY 14206.
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 FEUILLETON 51

Sie hustet Bröckchen


aus Knirschkrach
Der Musikerin Arca gelingt,
woran andere Pop-Avantgardisten
meist scheitern  VON JENS BALZER

D Raffael,
ie neue Komposition von Arca trägt
den Namen »@@@@@« und führt
uns in die fremde und zugleich ver-
traute Welt musizierender Organmaschinen.
Obwohl die Beats mit elektronischen Mitteln

verhüllt in Rom
produziert wurden, klingen sie so unscharf,
zitternd, zerbeult und menschlich, als dräng-
ten sie aus einem lebenden Körper an unser
Ohr; als drängten sie aus einem mit konvulsi-
vischen Zuckungen zum Tanz einladenden
Körper, dessen biologische Rhythmen sich in
Musik verwandeln und dann wieder in Geräu-
sche, in denen die Musik kollabiert – aber nur, Die fulminante Ausstellung zum 500. Todestag des Künstlers ist
um sich aus dem Kollaps stets in neuer Form
zu Melodien und Harmonien zu erheben. Und
geschlossen. Doch es gibt eine Alternative  VON ALEX ANDER CAMMANN
die Gesänge? Stammen von der Stimme eines

E
einzelnen Menschen, aber klingen so vielfältig, nde März erkrankt der Star der römi- Die tragisch verhüllte Jahrhundertausstel-
fremd, manipuliert und in den sonderbarsten schen Kunstszene an einem Fieber, lung wird den ewigen Raffael-Mythos weiter
Momenten auch wieder so nah, intim und Gerüchte durchziehen die Stadt, und befeuern. Etwas trösten kann da der reich be-
wahrhaftig, als höre man ­einer Maschine zu, am Karfreitag, dem 6. April 1520 um 22 Uhr, bilderte Band des Kunsthistorikers Ulrich
die sich in den verschiedensten Erscheinungs- stirbt Raffaello Sanzio an seinem 37. Geburts- Pfisterer: Mit einem unbestechlichen Röntgen-
formen in einen Menschen zu verwandeln ver- tag. Das Lästermaul Giorgio Vasari behaupte- blick durchdringt er in Raffael. Glaube – Liebe –
sucht. Und das wiederum nur, um dieses te später, die »maßlosen Liebesfreuden« Raf- Ruhm Leben und Werk des Malers, kein Detail
Menschsein abzustreifen, sobald die Maschine faels hätten das Fieber ausgelöst. Eher war es dieser sagenhaften Karriere bleibt ihm verbor-
sich als solche wohler fühlt mit sich selbst. jedoch die Malaria, die in Roms Sümpfen als gen (C. H. Beck; 384 S., 58,– €). Raffaels Weg
Seit Anfang der Nullerjahre hat der venezo- sehr gefährlich galt. ist ja voller Rätsel, vom elfjährigen Vollwaisen
lanische, in New York lebende Transgender- Aufgebettet liegt Raffael momentan in Rom, zum 25-jährigen Newcomer, der 1508 plötzlich
Künstler Alejandro Ghersi alias Arca zu den in einer Ausstellung gegenüber vom Quirinals- die Stanzen, die Papstgemächer im Vatikan-
prägenden Beatbastlern des Pop gehört. Arca, palast des italienischen Präsidenten: Auf einem palast, mit heute weltberühmten Fresken aus-
der sich neuerdings als »sie« anreden lässt, war Gemälde von 1806 nehmen Papst Leo X. und statten darf. Über Nacht hat Raffael Rom er-
an Kanye Wests Yeezus beteiligt und wesentlich viele Trauernde Abschied, man sieht hinter dem obert, malt Päpste, Kardinäle, Humanisten, die
an den letzten beiden Alben von Björk. Seit Paradebett Raffaels letztes Meisterwerk, die Galatea in der Villa Farnesina und die Sixtinische
dem Debüt »&&&&&« von 2013 bestand ihre Transfiguration. Hunderttausende wären in Madonna; 1514 wird er sogar Chefbaumeister
eigene Musik die längste Zeit aus dunkel­ diesem Frühling an diesem und vielen weiteren des Petersdoms. Neben dem versponnenen In-
unterwühlten, metallisch-scharfsplittrigen und Gemälden vorbeidefiliert. Doch die sensatio- tellektuellen Leonardo und dem depressiven
zugleich sonderbar fließenden Beats – auf ihrem nelle Schau zum 500. Todestag Raffaels (50.000 Grübler Michelangelo wird der Schönheitsregis-
epochalen Album Arca aus dem Jahr 2017 be- Tickets wurden vorab verkauft) – sie schloss seur Raffael zum dritten Großmeister der Re-
gann sie erstmals dazu zu singen, mit einer ver- Anfang März nach zwei Tagen, erzwungen vom naissance; in einer letzten, genialen Inszenie-
letzlichen und verletzten, von Schmerz und Coronavirus. Lauter legendäre Meisterwerke rung wählt er sich das antike Pantheon zur
Versagung und erfülltem Begehren gleicher­ dämmern jetzt in stillen Hallen: die barbusige Grabstätte. Was für ein solidarisches Zeichen
maßen kündenden Stimme. So changierte ihr Fornarina oder die elegant verhüllte Velata, all wäre es, wenn man diese großartige Ausstellung
Schaffen schon immer zwischen dem Tech­ die Madonnen und die heilige Cäcilie, die ge- im Frühjahr 2021 noch einmal wiederholen
nischen und dem Menschlichen, zwischen der rade Abschied nimmt von der irdischen Musik, würde – als römisches Symbol für den alles
Virtuosität des elektronisch vermittelten Pro- Eine irdische Visionärin: Raffael malte die heilige Cäcilie um 1514 für eine Kapelle in Bologna um dem Gesang der Engel zu lauschen. überlebenden Triumph der Kunst.
duzierens und dem Wunsch nach unmittel-
barer Entblößung des Selbst und der Nacktheit.
In »@@@@@« sind diese beiden Stränge des
Schaffens in beglückender Weise ineinander
verschränkt. In den 62 Minuten dieser über-
gangslos dahinfließenden Komposition hört
Wie begegnet man dem großen Schlamassel?
man einer Künstlerin zu, für die es keinen
Unterschied mehr gibt zwischen dem »tech- Streaming ist mehr als nur Netflix: Ein vierstündiges Meisterwerk des philippinischen Regisseurs Lav Diaz ist jetzt online zu sehen  VON K ATJA NICODEMUS
nischen« und dem »natürlichen« Ausdruck der

I
künstlerischen Subjektivität. mmer wieder hat der philippinische Regisseur Lav wart, zeigt den kleinstädtischen und ländlichen Alltag, hat sich schwer am Bein verletzt und fällt für schaft. Die neureiche Villa von Fabians Groß-
Man muss dieses Werk in einem Rutsch Diaz die Mythen, den Alltag und die Gewaltge- eine Gesellschaft, in der die Brutalität der Kolonialherr- mehrere Monate als Ernährer aus. Seine Frau grundbesitzerfamilie wirkt wie ein Bunker
hören, damit es sich einem erschließt. Schon schichte seines Landes in große Kino-Erzählungen schaft und der Marcos-Diktatur immer noch bis in die Eliza verpfändet nach und nach den Haushalt inmitten von Tabakplantagen.
dies ist ja ein Kraftakt im Spotify-zerschredder- gefasst. In dem vierstündigen Film The Woman Who Left feinsten sozialen Verästelungen spürbar ist. Wie in Dosto- an die Pfandleiherin Magda. Das Geschirr, ein In dem Film erlebt man die sich über vier
ten Pop unserer Tage mit seinen Hau-drauf- aus dem Jahr 2016 folgte er einer Frau, die dreißig Jah- jewskijs Roman ist seine Hauptfigur ein Student mit ab­ gemästetes Schwein, ein Ring – je mehr Fami- Jahre erstreckende Handlung auf fast physi-
und-Schluss-Formaten. Doch wer sich darauf re lang unschuldig im Gefängnis saß und nach dem gebrochenem Jurastudium: Fabian, hochbegabter Sohn lienbesitz zur korpulenten Madga hinüber- sche Weise mit, gerade weil er seine Geschichte
Abb.: Polo Museale dell’Emilia Romagna/Pinacoteca Nazionale Bologna

einlässt, wird mit einer Schönheit belohnt, die Geständnis der wahren Mörderin entlassen wird – mit einer Grundbesitzerfamilie. In Bars und bei Treffen mit wandert, desto dicker scheint diese Figur zu stringent, man könnte auch sagen: straight,
aus unablässigen Mutationen des Klangs ent- dem Film gewann er den Goldenen Löwen in Venedig. seiner Clique doziert er über ökonomische und revolutio- werden. Nach dem Mord lässt das so korrupte erzählt. Auch über dieses – vierstündige – Lav-
steht, aus plötzlichen Brüchen und Irritationen; In dem achtstündigen Wiegenlied für ein trauriges Ge- näre Theorien, suhlt sich aber immer mehr in existenziel- wie willkürliche Justizsystem Joaquin keine Diaz-Werk lässt sich sagen, dass keine Sekunde
etwa wenn Arca über scheinbar aus rostigem heimnis (2016 im Wettbewerb der Berlinale) erkundete ler Verzweiflung und Menschheitsekel. Die Philippinen, Chance, seine Unschuld zu beweisen. Wie daran überflüssig ist. Es zeigt Menschen, die
Eisen herausgeschlagenen Rhythmen ihre Stim- er das Schicksal eines im 19. Jahrhundert ermordeten so seine Ausführungen, seien verdammt, genauso wie der seine Frau Eliza versucht er vor allem eines: dem großen Schlamassel auf völlig gegensätz-
me in die höchsten Höhen des Countertenors philippinischen Revolutionärs und führte vor Augen, Kapitalismus – was ihn nicht daran hindert, sich von sei- Würde und Anstand zu bewahren. liche Weise begegnen: Die einen leben, über-
hebt, um sie dann sogleich wieder in verzerrten wie Bilder das Bollwerk der vermeintlich vorgeschriebe- nen Freunden Geld zu leihen und seine Kreditkarte bei Norte, the End of History besteht aus lan- leben und lassen leben. Der andere versucht,
Fragmenten im Mix versinken zu lassen. Zu nen Geschichte einreißen. Dafür erfindet er eine fra- der abgebrühten Pfandleiherin und Wucherin Magda zu gen, meist in einer einzigen fortlaufenden Ka- durch Verbrechen zum Un- und Übermen-
leiernden Spinettklängen hustet sie nun Bröck- gende, offene, den Legenden folgende Erzählung. verpfänden. »Wir sind alle nur Heuchler, bis wir wirklich meraeinstellung gedrehten Szenen. Jede von schen zu werden. Große Themen – Klassen-
chen aus knirschendem Krach – und singt einen Nun bringt der ohnehin auf Festivalentdeckungen etwas gegen die Misere dieses Landes tun«, sagt Fabian. In ihnen ist ein Ort, eine Geschichte, eine Welt gegensätze, Schuld und Sühne, Erlösung –
Moment später in einem elektronisch gefälsch- spezialisierte Verleih Grandfilm Lav Diaz’ 2013 ent- einem vermeintlich klassenkämpferischen Akt ermordet er für sich. Die ärmliche Behausung von Eliza ziehen beiläufig in die Einstellungen ein.
ten Sopran darüber, dass sie gefälschte Gefühle standenen Film Norte, the End of History auf seinem Magda und deren Tochter. Für die Tat wandert Joaquin, und ihren Kindern: eine Bretterbude in einem Auch dieser Diaz-Film öffnet sich und
verabscheut. »@@@@@« handelt von Echtheit Online-Portal heraus (www.grandfilm.de, die Ein- ein Familienvater, unschuldig ins Gefängnis. Fischerdorf am Fluss. Das Gefängnis, in dem teilt seine Zeit mit uns. Auf kurzweilige,
und Falschheit und davon, dass der Wider- nahmen werden mit unabhängigen Kinos geteilt). In einem weiteren Handlungsstrang wird Joaquins Ge- Joaquin in einer überbelegten Zelle lebt, ist atem­beraubende Weise.
spruch zwischen diesen Begriffen an sich ein Angelehnt an Motive aus Dostojewskijs Roman Schuld schichte erzählt. Sie beginnt im Häuschen seiner Familie, ein Biotop mit mafiösen Despoten, Zwangs-
falscher ist. und Sühne öffnet er sich für die philippinische Gegen- die in einer Stadt im Norden der Philippinen lebt. Joaquin arbeit und verhaltenen Gesten der Freund- AA www.zeit.de/audi

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Mitte 1600-1700 Große Landesausstellung 09.02. bis 12.04.2020: Peter Riek - VOYAGE
www.landesmuseum.de, Tel. 0721/926-6514, Di-So, Feiertag 10-18 Uhr info@kvsha.de, Am Markt 7/8, 74523 Schwäbisch Hall, Mi-Fr 15-18, Sa, So 11-17

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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 KINDER- & JUGENDBUCH 53

Illustration: aus »Der Koffer« von


Chris Naylor-Ballesteros/Fischer
Kinder- und Jugendbuch Verlag,
2020

Bitte, darf ich bleiben?


Ein Bilderbuch über Verlust und Heimatsuche – und zugleich ein anrührender Appell für Menschlichkeit und Mitgefühl  VON K ATRIN HÖRNLEIN

M
it dem Typen stimmt was nicht, sage, erklärt der Fuchs. In der festen Überzeugung, Mit Der Koffer findet Naylor-Ballesteros ein so fast ausschließlich Dialoge, sind knapp und poin-
da sind sich Hahn, Hase und ihn sogleich der Lüge zu überführen. naheliegendes wie geniales Bild für das, was die mehr tiert. Der viele Weißraum auf den Seiten wird zur
Fuchs einig. Dass eine Teetasse in Darf jemand einfach so kommen und bleiben? LUCHS Nº 399 als 70 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf Bühne für die bunten Tiere. Vollflächig, in gedeck-
seinen großen Koffer passt, glau- Warum löst das Fremde so schnell Misstrauen, Angst der Flucht sind, an Erlebnissen und Entbehrungen, ten Farben sind nur die Seiten, auf denen man in
ben die drei dem fremden Tier ja und ein Gefühl der Bedrohung aus? Während man Verlusten und Ängsten mit sich herumtragen.­ die Erinnerung des Grünen an sein Zuhause und
noch. Aber dass es frech behauptet, darin auch ei- die Nachrichtenbilder des Flüchtlingslagers Moria Ursprünglich wollte der Illustrator eine leichte, hu- die Flucht eintaucht, wodurch schon Vierjährige
nen Tisch, einen Stuhl, eine Holzhütte, ja gleich auf der Insel Lesbos sieht, erzählt der britische Künst- morvolle Geschichte übers Zuhause-Gefühl zeichnen die Idee des Zeitsprungs erfassen können.
einen ganzen Berghang mit Bäumen durch die ler Chris Naylor-Ballesteros eine Flucht-Geschichte – als Abschluss einer losen Bilderbuch-Trilogie, in der Und am Schluss? Da steht ein neues, buntes
Gegend zu zerren – das ist doch eine dreiste Lüge. für die ganz Kleinen, mit der er versucht, bei seinen er schon die menschlichen Grundbedürfnisse Nah- Heim für den Grünen, zusammengezimmert von
Er komme von weit her, sei schon lange unterwegs Lesern Menschlichkeit und Mitgefühl zu wecken. Jeden Monat vergeben die ZEIT und Radio rung und Liebe behandelt hatte. Doch dann sei beim Hase, Hahn und Fuchs. Für jeden Neuankömm-
und furchtbar müde – sagt der Grüne, rollt sich am Denn der schlaue Fuchs steht ziemlich blöd da, Bremen den LUCHS-Preis für Scribbeln eines Tages dieses verschreckte Tierchen, ling gleich ein Haus bauen, so etwas geht natürlich
Boden ein und schließt die Augen. »Ich trau dem als der in Stücke geschlagene Koffer vor ihnen Kinder- und Jugendliteratur. Aus den zwölf das etwas Schweres hinter sich herzieht, auf seinem nur im Bilderbuch. Im echten Leben könnte es ein
nicht«, sagt der Fuchs. »Komisches Tier«, sagt der liegt. Darin: eine zerbrochene Tasse und ein Foto. Monatspreisträgern wird der Skizzenblatt erschienen. Gebeugt, gebeutelt, müde. Anfang sein, die Menschen erst einmal ihr Gepäck
Hahn. »Wir sollten ihn wirklich ein bisschen schlafen Darauf zu sehen: ein Tisch und ein Stuhl vor einer Jahres-LUCHS gekürt. Mehr zum Der Zeichner fragte sich, was es erlebt haben moch- abstellen zu lassen, statt ihnen zusätzlich Steine in
lassen«, sagt der Hase, der als Einziger von Beginn an Holzhütte an einem Berghang mit Bäumen. Foto Gewinnerbuch des Monats auch unter te – und die Geschichte nahm ihre eigene Wendung. die Koffer zu packen.
freundlich ist. Doch gegen Hahn und Fuchs kommt und Tasse sind alles, was dem müden Wesen von www.radiobremen.de/luchs Habt Mitgefühl! So wie es Naylor-Ballesteros
er nicht an. Die schwingen schon einen schweren seinem Zuhause geblieben ist. Und Fuchs, Hahn um diese ganz simple Botschaft geht, so wählt er Chris Naylor-Ballesteros: Der Koffer.
Stein und brechen den Koffer auf. Man müsse und Hase fragen sich beschämt: »Was soll er von auch in Text und Bild das Weniger-ist-mehr-Prin- Deutsch von Uwe-Michael Gutzschhahn
schließlich herausfinden, ob der Grüne die Wahrheit uns denken?« zip. Jeder Strich und jeder Satz sitzen: Die Worte, Sauerländer 2020; 32 S., 14,99 €; ab 4 Jahren

Was tun gegen den Familien-Lagerkoller? Lesen! Fünf Extra-Empfehlungen der LUCHS-Juroren

Mitte? Ist so mittel Die Senioren-Retter Granatapfel-Lächeln Sei ein Frosch! Jennifer mit Penis
Lulu findet ihre Familie doof. Weil sie kein Baby In jeder Krise ist es das Beste, gemeinsam mit an- Die ersten Tage des neuen Schuljahres verlaufen für Die Kleinsten und Schwächsten sind von jeher be- Eigentlich mag ich keine Kinderbücher, die mich von
mehr sein darf – sagen Mama und Papa. Leonor ist deren etwas auf die Beine zu stellen. Nicht einfach Alexa wie immer: Der Klassenschläger Brendan nervt. liebte Helden, erst recht im Bilderbuch, das sich ja einer guten Sache überzeugen wollen. Ob es um den
das Baby, und alles, was sie macht, ist süß – finden in Zeiten von Corona, wo allen soziale Distanz Die Coolen bleiben unter sich. Doch dann, in der an die Kleinsten und Schwächsten der Gesellschaft Verzicht auf Plastik geht oder um das Ablegen von
die Erwachsenen. Kaspar, Lulus großer Bruder, ist auferlegt ist. Als Ausgleich empfiehlt sich die Lek- dritten Woche, kommt ein neuer Junge in die Klasse: richtet. Quappi, die Kaulquappe des gleichnamigen Vorurteilen – meistens leidet unter einer guten Ab-
das Gegenteil von Baby. Er kann alles, nobelpreis- türe von Stepha Quitterers erstem Jugendroman Ahmet, kurze dunkle Haare, blasse Haut, sehr scheu. Bilderbuchs von Benji Davies, ist somit eine vortreff- sicht die Geschichte. Bei Der Katze ist es ganz egal ist
verdächtig – meint Oma. Und Lulu? Ist in der Mitte. Weltverbessern für Anfänger. Das Buch zur Stunde: Alexa weiß sofort, dass sie mit diesem Jungen befreun- liche Heldin: der »kleinste Fast-schon-ein-Frosch im es anders. Das Buch erzählt von einem besonderen
Sie arbeitet leise. Schnipselt Papier. Wischt den Tisch Denn hier trifft man nicht nur auf engagierte­ det sein will. Sie lächelt ihn an, zwinkert ihm zu, gesamten großen Teich«. Immer hechelt sie ihren Tag im Leben des zehnjährigen Leo aus Wien. Dem
ab. Hilft, tröstet. Und möchte doch selber gerne Jugendliche, hier geht es auch um die Einsamkeit schenkt ihm ihre Lieblingsdrops. Ohne Erfolg. Kaulquappenbrüdern und -schwestern hinterher; Tag, an dem er aufwacht und feststellt, dass er kein
getröstet werden. Mitte, das ist mittelgut – findet all der alten Menschen, die uns momentan so Der Junge aus der letzten Reihe ist die Geschichte muss schneller mit dem Schwanz wackeln, um nicht Leo, sondern eine Jennifer ist. Wobei das Neue nur
Lulu. Bis Mama sagt: »Du bist das Gelbe im Ei. Die schmerzlich vor Augen geführt wird. eines syrischen Kindes, das auf der Flucht von den den Anschluss zu verlieren. Schnell zu sein, das ist der Name ist. Jennifer wusste schon lange: »Ich hab
­Creme in der Schnitte. Du bist unsere goldene Mit- Im Roman bringt gleich eine ganze Schulklasse Eltern getrennt wurde. Ob es angebracht ist, zurzeit nicht unwichtig in diesem großen Teich. Denn wer einen Penis und bin ein Mädchen.«
te.« Lulu schnipselt weiter Papier, glücklich. Sie hat ein Pflegeheim zum Brummen, die 8 b, angeführt ein Buch zu empfehlen, das ein so »schwieriges« trödelt, wird von Großmaul geholt, einem dicken, Die gute Absicht ist in diesem Fall also ein bes-
ihren Platz gefunden. von Minna. Sie und ihre Mitschüler gehen – an- Thema aufgreift, kann in diesem Fall eindeutig bejaht bösen Fisch, der irgendwo in den sumpfigen Tiefen seres Verständnis für Transidentität. Das fällt Jenni-
Die Illustratorin Jacky Gleich hat einen unver- gestoßen durch den »Weltverbessern für Anfän- werden. Denn die englische Autorin Onjali Q. Raúf herumdümpelt. Quappi glaubt nicht an das Untier, fers Eltern unterschiedlich schwer; nur der Katze, die
wechselbaren Strich: Immer ist Bewegung in den ger«-Wettbewerb an ihrer Schule – mit den Herren erzählt ihre Geschichte mit Munterkeit und Verve, bis ein Geschwister nach dem nächsten verschwindet dem Kind auf dem Schulweg um die Beine streicht,
Bildern, mit speed l­ines wie im Comic. Dazu setzt sie spazieren, hören Musik mit den Damen, gründen ohne heikle Fragen unter den Tisch zu kehren. und sie schließlich allein zurückbleibt ... ist die Gender-Frage wurscht. Weil der Tag aber kom-
sparsame Farben, hier ein mattes Grün und ein kräf- eine Garten-AG und nehmen bei der dementen Unbeirrbar setzt Alexa ihr Werben um Ahmet Wunderbar fängt Davies in Text und Bild ein, wie pliziert weitergeht, muss Jennifer leider die Schule
tiges ­Orange, und einen ebenso sparsamen Strich, Lateinlehrerin Nachhilfe. Das tun die Jugendlichen fort, lockt ihn mit Orangen, Granatäpfeln und sich in das kindliche Allmachtsgefühl der Zweifel schwänzen und einige Abenteuer erleben, Schwarz-
der kraftvoll das Sehnen, Bangen, Grummeln des mit so viel Herz, Eifer und Witz, dass man glatt erntet ein erstes strahlendes Lächeln. Als sie er- einschleicht. Auf flächige Hintergründe setzt er fahren und Cross-Dressing inklusive. Am Ende löst
Kindes zeigt. Dieser Wechsel zwischen zartfühlend beginnt, die Schulzeit zu vermissen. fährt, dass die Grenzen für Flüchtlinge geschlossen leuchtende Farbpunkte, verleiht Großmaul gekonnt sich alles dank guter Freunde auf, was sich viel weni-
und dynamisch und das genaue Gespür für Zwi- Fast visionär mutet Quitterers Buch heute an, wo werden sollen, schmiedet sie mit ihren drei besten seinen Grimm und Quappi ihre Gewitztheit. Die ger hölzern liest, als es klingt, und wohl vor allem an
schentöne zeichnen auch den Text aus. die Schulen geschlossen sind und die Pflegeheime Freunden einen Plan – und die Ereignisse über- darf am Ende mit elegantem Sprung zum Frosch dem Hauch Wiener Schmäh liegt: Mit seiner leicht
Familien allein zu Haus: Wohl selten haben Eltern abgeschirmt. »Weltverbessern fängt im Kopf an«, sagt schlagen sich: ein Brief an die Queen, der nicht werden – und an Land alte Bekannte treffen. abgeranzten Lässigkeit geht sich am Ende alles ir-
und Kinder so viel Zeit mit­ein­an­der und in den hei- Minna. Vielleicht bewegt dieses Buch in vielen Le- beantwortet wird; ein gescheiterter Besuch im Dieses Verpuppungs-Naturspektakel könnte man gendwie aus. So kompliziert ist das Ganze auch
mischen vier Wänden verbracht wie in diesen Wo- serköpfen etwas. In der Krise sind alle gerade gefragt, Buckingham Palace; Berichte in Zeitung und eigentlich derzeit draußen an den Teichen und Tüm- wieder nicht, meint Jennifer: »Ich bin niemand an-
chen. Gut, wenn jeder seinen Platz im Familien­gefüge solidarisch zu sein. Noch besser wäre, das nach der Fernsehen. Am glücklichen Ende reibt man sich peln ausgiebig beobachten. Aber wenn man nur zum derer als früher – außer dass ich einer Verwechslung
kennt. Wer noch sucht, dem sei dieses Bilderbuch Krise nicht zu vergessen – und wie die 8 b ins Pfle- die Augen über dieses moderne Märchen, das man kurzen Kinderlüften vor die Tür geht, ist Quappi der auf die Spur gekommen bin.« ANJA ROBE RT
ans Herz gelegt.  KL AU S H U MANN geheim zu stürmen.  BE NNO HE NNIG VON LANGE unbedingt glauben will. BRIG ITTE JAKOBE IT denkbar beste Trost.  K ATRIN HÖRNLE IN
Franz Orghandl/Theresa Strozyk (Ill.): Der Katze ist
Micha Friemel/Jacky Gleich (Ill.): Lulu in der Mitte. Stepha Quitterer: Weltverbessern für Anfänger. Onjali Q. Raúf: Der Junge aus der letzten Reihe. Benji Davies: Quappi. es ganz egal. Klett Kinderbuch 2020; 104 S., 13,– €;
Hanser 2020; 32 S., 14,– €; ab 3 Jahren Gerstenberg 2020; 288 S., 16,– €; ab 12 Jahren Atrium 2020; 288 S., 15,– €; ab 8 Jahren Aladin 2020; 32 S., 15,– €; ab 4 Jahren ab 9 Jahren
54 GLAUBEN & ZWEIFELN 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15

Michael Rohde, 46, ist


Militärdekan am
Bundeswehrkrankenhaus
in Hamburg. Der
Protestant leistet ­Seelsorge
für die Helfer, damit
sie die Krise bestehen­

Maurizio Malvestiti, 66, ist


Bischof von Lodi in Italien.
Sein Bistum hat bereits
450 Tote zu beklagen.
Der Katholik hört von den
Ärzten, worunter
sie besonders leiden

An der Grenze zwischen Leben und Tod


Spanische und italienische Ärzte sind verzweifelt, weil sie so vielen Corona-Patienten nicht mehr helfen können. Die Deutschen
trainieren derweil für den Ernstfall  VON K ARIN CEBALLOS BETANCUR , EVELYN FINGER UND ULRICH LADURNER

D
as Fenster, das am vergange- nicht erst her.« Seine Kollegen prüfen den Einzelfall, fall wohl auch hierzulande kommen wird. Die statt, wie in Spanien geschehen, Transporte von auf halbmast setzen, um die Opfer der Corona-

Fotos (Ausschnitte): Jewgeni Roppel für DIE ZEIT (l.); Isabella Balena für DIE ZEIT
nen Wochenende Einblicke er selbst müsse nicht entscheiden. Aber auch die Ent- gute Nachricht ist, dass man sich wappnen kann, Corona-Infizierten mit Steinen zu bewerfen. Epidemie zu ehren. 214 Tote hatte die 45.000-Ein-
in die Krankenhäuser Spa- scheidung hinzunehmen falle schwer. »Wir haben zumal Unfallmediziner, Soldaten, Seelsorger damit Oberstarzt Helge Höllmer, der wie Rohde am wohner-Stadt bis dahin zu beklagen. Lodi gehört
niens erlaubt hatte, schließt 1000 Infizierte im Krankenhaus, und täglich werden Erfahrung haben. Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Dienst tut, sagt: zu den ersten Städten, die von der Regierung unter
sich immer mehr, je näher nur drei, vier Betten auf der Intensivstation frei.« Militärdekan Michael Rohde, 46, arbeitet am »Wir gehen davon aus, dass wir alle hier irgendwann Quarantäne gestellt wurden. Maurizio Malvestiti,
der Redaktionsschluss rückt. Es ist erstaunlich, wie ruhig eine spanische Haus- Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg, wo soeben positiv getestet sein werden. Um arbeitsfähig zu 66, Bischof von Lodi, erinnert sich, wie es losging:
Krankenschwestern, die vor- ärztin, die anonym bleiben will, ins Telefon spricht, zwei schwerstkranke Patienten aus Italien eingeflogen bleiben, bereiten wir uns nicht auf den besten, son- »Ich hielt eine Messe in der Kathedrale, da durften
her zu Interviews bereit waren, fordern die ZEIT während sie vom Chaos berichtet, das sie seit einer wurden. Der evangelische Militärpfarrer gehört hier dern den schlimmsten Fall vor.« Dazu gehört ein nur Anwohner kommen, weil wir schon Teil der
plötzlich auf, ihnen schriftlich zu versichern, dass Woche im Notlazarett IFEMA umgibt. Innerhalb seit zwei Wochen zu einer »Seelenrunde«, in der Verfahrensplan zum Umgang mit knappen Ressour- Roten Zone waren.« Die Epidemie breitete sich
ihre Zitate nicht verwendet werden. Anweisung weniger Tage hat das Militär in den zehn Meter ho- Psychologen, Psychiater, Seelsorger und Sozialdienst cen und eine »Triagierungskarte« für jeden Patienten, dann trotz der Quarantäne schnell aus.
von oben. Anfragen nur noch über die Pressestelle. hen Messehallen Betten aufgeschlagen und Sauer- versuchen, der Einlieferung so vieler Schwerstkranker um Behandlungsplätze in einer »dynamischen« Si- »In unserer Diözese leben rund 300.000 Men-
Eine Ärztin, die seit einer Woche im provisorischen stoffleitungen verlegt. Die Patienten liegen neben- standzuhalten. Gestützt werden müssen dann ja nicht tuation gut zu nutzen. Höllmer, 54, ist klinischer schen. Wir haben bisher 450 Tote zu beklagen. In
Lazarett IFEMA, auf dem Messegelände von Ma- einander, Trennwände gibt es keine. Behandelt nur Kranke, Sterbende, Angehörige, sondern auch Direktor des Zentrums für seelische Gesundheit, und manchen Pfarreien sind das in einem Monat so viel
drid, im Einsatz ist, schickt Sprachnachricht um werden hier bisher nur die mittelschweren Fälle. das medizinische Personal. Rohde sagt: »Die Triage, er gehört bei der Nato einer Expertengruppe von Tote wie sonst in einem Jahr.« Bischof Malvestiti
Sprachnachricht, um Aussagen zu korrigieren und Verschlechtert sich der Zustand eines Patienten, wird also dass Ärzte entscheiden, wem sie zuerst helfen und Psychiatern an. Viermal war er im Einsatz in Af- feiert nun mit wenigen Ministranten Messen, die im
schließlich um Anonymisierung zu bitten. Seit in er ins Krankenhaus eingeliefert. wen sie nicht mehr retten können, ist ja keineswegs ghanistan. Er sagt, es gelte jetzt, Kräfte zu bewahren, Fernsehen übertragen werden. »Das ist auch für mich
Spanien immer mehr Ärzte dazu gezwungen sind, Die meisten der 180 Ärzte seien Hausärzte oder neu. Neu ist, dass diese Lage andauern könnte.« Ent- auch psychische. »Beim Militär heißt das: Wir müs- ein Trost. Ich habe in unserer leeren Kathedrale ge-
über Leben und Tod ihrer Corona-Patienten zu angehende Mediziner. Angeleitet werden sie von In- scheidend sei dann die Durchhaltefähigkeit der sen die Operation aufrechterhalten und durchhalte- sagt: Hier sind alle anwesend, die uns verlassen ha-
entscheiden, liegen die Nerven blank. ternisten und Lungenärzten, aber auch Dermatolo- Helfer. Auch seine? Ja! fähig bleiben.« Dazu gehöre, Ressourcenknappheit ben!« Dass so viele Infizierte starben, weil die Kran-
Das Bild, das sich aus verschiedenen Aussagen gen und Allergologen. Zuständigkeiten seien unklar, Rohde hat deutsche Soldaten beim Einsatz in zu antizipieren, so wie der Soldat im Gefecht nicht kenhäuser überfordert waren, darüber redet er
zusammensetzt, ist erschütternd. Patienten sterben es gebe Gerangel um Kompetenzen. Die Hausärztin Mali, Liberia und Afghanistan begleitet. Er erlebte unbedacht alle Munition verschießen kann. ständig mit Ärzten: »Sie leiden sehr, weil es nicht
allein auf den Intensivstationen, ohne von ihren An- hat vergeblich um Schichtpläne gekämpft und dann die Ebola-Epidemie und wie man einen medizini- genügend Beatmungsgeräte gab. Viele Nichtchristen
gehörigen Abschied nehmen zu dürfen. Erschöpfte kurzerhand selbst welche erstellt. Am Montagmorgen schen Stützpunkt errichtet, unter der Gefahr, Ein Dilemma bedeutet: Egal wie man fragen mich, wie sie Sterbende trösten können. Ich
Pflegekräfte können sich kaum noch vor Ansteckung reichten die Schutzausrüstungen nur noch für drei überrannt zu werden. »Die Selbstgefährdung run- sich entscheidet, man wird schuldig habe ihnen geraten, den Trostsuchenden das Kreuz
schützen. Ärztinnen berichten von Plastikkitteln, so Ärzte. In der Halle warteten 120 Patienten. Die an- terfahren, das kann man trainieren. Noch in der auf der Stirn zu machen, als Zeichen, dass es ein
dünn wie Regencapes für Festivals. Pfleger sollen ihre deren Ärzte wurden aufgefordert, das Lazarett mit Heimat haben wir das An- und Ausziehen von Dass sterbende Corona-Patienten völlig abgeschottet Leben nach dem Tod gibt.«
FFP2-Masken mehrere Tage verwenden, um mit den nur einem einfachen Mundschutz zu betreten. Das, Schutzanzügen geübt, bei den Schutzbrillen muss- bleiben, hält Höllmer für unnötig. »Ich werde dafür Auch der junge Arzt Ferdinando Loiacano, 30,
schwindenden Vorräten zu haushalten. Zahllose sagt die Hausärztin, hätten sie abgelehnt. »Ich mache ten wir improvisieren, die besorgten sie uns aus kämpfen, dass Menschen auch zu Hause sterben ein Kardiologe in einem großen Mailänder Kranken-
Ärzte und Krankenschwestern sind infiziert, befinden mir keine Sorgen um mich selbst, aber um meinen dem Baumarkt.« Rohde hat auch erlebt, wie vorm dürfen. Solange sie transportfähig sind, dürfen sie haus, schuftet seit Wochen in der Covid-19-Station.
sich in Quarantäne oder müssen selbst behandelt Mann und meine drei Kinder.« Viele Hilfskräfte Militärcamp in Afghanistan verletzte Einheimi- auch wieder raus.« Das entlaste zudem das Kranken- »Es war von Anfang an schwer, weil uns die Krankheit
werden. Einige sind gestorben. seien älter als 50, hätten Bluthochdruck, Diabetes. sche »abgekippt« wurden, und dass Soldaten dann haus. »Gerade weil die Furcht vor dem Massensterben praktisch unbekannt war. Wir mussten erst lernen,
Obwohl in Madrid inzwischen rund 1200 In- »Wir können da nicht einfach so reingehen.« nicht als heroische Lebensretter losstürmen dür- verständlich ist, hoffen wir, dass Verwandte bereit wenigstens die Symptome zu lindern. Schwieriger
tensivstationsbetten zur Verfügung stehen, über- fen, sondern erst sich selbst absichern müssen, sind, Sterbende nach Hause zu holen oder weniger noch ist die emotionale Seite. Die erste Welle von
steigt der Bedarf die Kapazitäten bei Weitem. Die Militärärzte wenden die Erfahrung während Schwerstverletzte vielleicht sterben. Und schwer Erkrankte selber zu pflegen.« Er selbst meide Patienten, von denen viele am Tag ihrer Einlieferung
Wird doch ein Platz frei, stehen die Ärzte vor einer aus dem Einsatz auf Corona an Rohde hat erlebt, wie es ist, wenn Soldaten nicht jetzt alle familiären Kontakte, um einsatzfähig zu starben. Manchmal sterben Eheleute kurz hinterei-
bitteren Wahl. Bekommt ihn der 50-Jährige mit einschreiten dürfen bei einer Steinigung, weil das bleiben. Seine Kraftquelle: »Die Arbeit selbst. Es nander.« Schlimm sei die Isolation in den letzten
der Krebserkrankung? Oder der 77-Jährige, der Was ihr Kraft gebe, seien die Patienten. »Einige den ganzen Konvoi gefährden würde. Rohde sagt: belebt mich, Schwierigkeiten zu meistern.« Stunden des Lebens. »Wir haben immer versucht,
vor seiner Infektion bei bester Gesundheit war? Es haben drei Tage im Wartezimmer eines Kranken- »Nicht helfen zu können belastet Helfer schwer.« Ob das im Ernstfall für die Mehrheit der Deut- dass Sterbende noch mit der Familie, den Kindern
ist für Mediziner nicht ungewöhnlich, so zu ent- hauses verbracht, für sie ist es ein Geschenk, end- Auch bei Corona wird das so sein. Dann müssen schen gilt? Der Militärbischof Sigurd Rink ist sprechen konnten, zum Beispiel per Facetime. Aber
scheiden – wobei meist der Patient mit der höchs- lich einen Arzt zu haben, der morgens und abends Ärzte, wie jetzt in Italien, vielleicht Patienten extu- skeptisch. »Unsere Gesellschaft schaut, wenn es so Nähe herzustellen, das ist furchtbar schwer.«
ten Überlebenschance Vorrang hat. Ungewöhnlich nach ihnen sieht, ein Bett.« Sie erlebe Fälle, bei bieren, also die Notfallbeatmung beenden. Auch ans Sterben geht, gern weg. Wir sind hochreflek- Wie geht Loiacano mit der Entscheidung um,
ist, mehrmals täglich dazu gezwungen zu sein. denen die ganze Familie im Krankenhaus liegt. Ein deshalb adaptieren sie am Bundeswehrkrankenhaus tiert, aber mit ethischen Güterabwägungen tun wer noch behandelt werden kann? »Das Schlimms-
Bei Redaktionsschluss am Dienstagabend lag älterer Mann habe ihr erzählt, seine Frau sei eben- ihre Einsatzerfahrung für die Corona-Lage. Sie rich- wir uns schwer.« Von der Bundeswehr könnten wir te sind nicht die fehlenden Mittel, sondern dass
die Zahl der Corona-Infizierten in Spanien bei falls im Krankenhaus, sein Sohn auf der Intensiv- ten Hotlines ein, Angehörigenbetreuung, einen Ort lernen, ein Dilemma nicht zugunsten des Einzel- wir die Standards der Mitmenschlichkeit nicht
94.417 Fällen. Am stärksten betroffen ist neben station. Am Sonntag hat die Hausärztin einen Pa- der Trauer. Sie haben vorsorglich Soldaten als Helfer nen oder der Gemeinschaft auflösen zu wollen, mehr garantieren können. Eine meiner Patientin-
der Hauptstadt Madrid die Region Katalonien. tienten geheilt entlassen. Bevor er ging, bat er sie, angefordert. Haben das Haus weitestgehend leer sondern auszubalancieren. Was ist ein Dilemma? nen, der es relativ gut ging, musste erfahren, dass
Täglich sterben mehr als 800 Menschen. Bestat- ihn zu besuchen, wenn alles vorbei ist. Er stammt gemacht und OPs verschoben. Die Kooperation, sagt Dass man, egal wie man sich entscheidet, schuldig ihr Mann im selben Krankenhaus gestorben war.
tungen dürfen von maximal drei Hinterbliebenen aus einem Dorf in den Bergen der Umgebung. Rohde, sei genial. Zwar, gesteht er, beunruhige ihn wird. Es kommt also nicht auf Schuldvermeidung, Sie bat mich, ob sie ihn noch sehen könnte. Sie
begleitet werden. Trauerfeiern sind verboten. Die »Ich würde Sie so gern einmal ohne diese Maske als Familienvater das Infektionsrisiko: »Aber je höher sondern auf mutiges Handeln an. waren getrennt gewesen, seit er einige Wochen zu-
Ausgangssperre wurde abermals verschärft. sehen. Bitte kommen Sie.« Dann habe er geweint. ich den Selbstschutz setze, desto länger bleibe ich Rink hat über 20 Auslandseinsätze besucht und vor eingeliefert worden war, sie erst später.« Wegen
Alex Herrero, Neurologe am Hospital 12 de Oc- Am Dienstagabend meldet sich die Hausärztin auch für andere einsatzfähig.« festgestellt: Auch wenn Soldaten im Gefecht mili- der Ansteckungsgefahr ist ja alles abgeschottet,
tubre in Madrid, darf noch reden. Während er mit ein letztes Mal per WhatsApp. Einige Kollegen Letzte Woche erschienen im deutschsprachigen tärisch, moralisch, rechtlich völlig korrekt gehan- nicht einmal die Kleider der Ärzte dürfen zum
der ZEIT telefoniert, sind im Hintergrund die beiden und sie wollen sich vom Dienst im IFEMA befreien Raum verschiedene Empfehlungen für den medizi- delt haben, geschehe es, dass sie unter Schuldge- Waschen nach draußen. Es gelang ihm trotzdem,
Kinder zu hören. In seiner Klinik, erklärt er, küm- lassen. Das Chaos sei immens, sagt sie, man könne nischen Überforderungsfall. Im Papier des Deutschen fühlen leiden. So wie jetzt Mediziner, die helden- die Witwe in das Leichenschauhaus zu bringen.
merten sich mittlerweile sämtliche Ärzte nahezu aus- dort nicht richtig helfen. Sie will sich jetzt bei Ethikrates heißt es: »Wesentlicher Orientierungs- haft um ihre Patienten kämpfen und doch immer »Da ich als Einziger Schutzkleidung trug, musste
schließlich um Corona-Patienten. Die Lage habe sich Ärzte ohne Grenzen melden. punkt für die nahe Zukunft ist die weitgehende Ver- mehr verlieren. Da helfe, sagt Rink, bei Christen ich das Tuch, das den Toten bedeckte, lüften. So
so zugespitzt, dass nur noch selten Kranke auf die Es ist der ethische Ernstfall, den sie in Spanien meidung von Triage-Situationen.« Kurzfristig könn- wie Nichtchristen oft nur noch der Zuspruch des wurde ich Zeuge der Verzweiflung der Frau.« Der
Intensivstation verlegt würden, die älter als 65 sind. und Italien jetzt durchleiden. Deutsche Politiker te das gelingen. Mittelfristig wird es sich wohl als Pfarrers: »Deine Schuld ist dir vergeben!« junge Arzt, dem das Leid der vielen Sterbenden
»Das ist keine Norm. Wir geben hier nicht die Devi- nennen es: Überforderung des Gesundheitssys- frommer Wunsch erweisen. Darauf müssen sich nicht In Italien spüren sie das auch. Anfang der Wo- und die Trauer der Überlebenden aufgebürdet
se aus: Sie sind älter als 70? Dann kommen Sie gar tems. Die schlechte Nachricht ist, dass der Ernst- nur Mediziner einstellen, sondern innerlich jeder – che ließ der Bürgermeister von Lodi die Fahnen sind, sagt: »Ich werde das niemals vergessen.«
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15

So basteln Sie sich einen Mundschutz selbst:

ZEIT ZUM ENTDECKEN

Schnittmusterbogen in Originalgröße (20 x 20 Zentimeter) zum Nachzeichnen

Und so geht’s:

A B

C D
Illustration: Doreen Borsutzki für DIE ZEIT

A: Nehmen Sie zwei Lagen Stoff und eine Lage Filtermaterial (wie Hepa-Filter, trockene Feuchttücher oder Küchenpapier) mit den Maßen 20 mal 20
Zentimeter. Nähen Sie diese so übereinander, dass sich das Filtermaterial in der Mitte befindet. B: Klappen Sie das Stoffquadrat an zwei Seiten nach innen.
C: Legen Sie Bänder in den Knick, und nähen Sie diese dann ein. D: Raffen Sie die Seiten zusammen, und binden Sie die Maske hinter den Ohren fest.

SI E, AT T R A KT I V, ISOL I E RT
In Zeiten von Mundschutz und Kontaktsperre fragt ALARD VON KITTLITZ Singles auf der Dating-Plattform Tinder: Wie geht es euch?
56 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15
ENTDECKEN
Sie, attraktiv, isoliert

»Corona potenziert die Ungebundenheit zur


Haltlosigkeit: Ich bin allein, allein, allein«

I
VON ALARD VON KITTLITZ

ch bin, stelle ich zunehmend fest, kein Fan des Wochenzeitung mit diesem Experiment in eine leer. Nirgends lernt man neue Menschen kennen. eher ein zeitlich begrenztes Problem. Ein paar der mehr arbeiten gehen, und keiner kann absehen,
Coronavirus. Die Sache geht mir insgesamt auf ziemlich heikle Lage gebracht hatte. Es war nicht Niemand berührt einen. Es besteht absehbar keine Frauen auf Tinder schreiben mir auch, dass sie ver- wie lange es andauert. Die Isolation schlägt auf die
die Nerven. Neulich las ich auf Twitter: Habt ganz klar, wen ich als »DIE ZEIT« beziehungsweise­ Aussicht auf Sex, und jede Romanze, die man in suchen, den Vorteil ihrer Lage zu sehen. Stimmung. Niemanden mehr treffen zu können
Ihr die auch, diese fünf Sekunden nach dem deren Autor denn nun liken oder nopen durfte, dieser Zeit anfängt, bleibt auf oberstes Geheiß »Vielleicht gehen sich die Paare gerade an die und die Abende nur noch alleine zu verbringen ist
Aufwachen, in denen Ihr noch denkt, es sei alles ohne Gefühle zu verletzen oder Ärger mit Abon- keusch wie bei den Mennoniten. Gurgel«, schreibt Zoé und dürfte damit recht nicht sehr angenehm. Ich erlebe diese Zeit schon
in Ordnung? Ja, habe ich auch. Lieblingssekun- nentinnen zu kriegen. Irgendwann wischte ich stur Paula, 30, kein Text im Profil, schreibt: »Ich haben. Die vielen Ratgeberartikel von Paarthera- als beängstigend ...« Kerstin geht es schlecht. Sie
den. Dann kehrt stückweise, unwillkommen, nach rechts, like, like, like, »DIE ZEIT« likt alle, kann keine Dates haben, bin viel alleine und sehne peuten, die in den Medien veröffentlicht werden, kann nicht arbeiten, sie ist unsicher, sie fühlt sich
die Erinnerung zurück. und siehe, meine schöne Wochenzeitung wurde mich dadurch nur noch mehr nach Nähe. Beim lassen jedenfalls ahnen, dass die Scheidungsrate isoliert, sie hat Angst.
Als das mit der Corona-Geschichte noch bloß bald auch von einigen Swiperinnen zurückgelikt. Telefonieren mit Freunden, die Partner oder Kin- post Quarantäne kein exklusiv chinesisches Pro- Ich erfahre von ihr, dass sie wegen einer
so eine Art Witz war für Trottel wie mich, als ich Leider war ich bis kurz vor Redaktionsschluss zu der haben, frage ich mich manchmal, warum ich blem bleiben wird. Und doch habe ich beim Grunderkrankung, Morbus Bechterew, zur Risi-
Memes über Social Distancing noch lustig fand, dumm, um zu merken, dass ich auf Tinder theo- das nicht hinbekommen habe.« Sie hat mit keinem Schreiben mit den Frauen den Eindruck, dass kogruppe gehört. Mit guten Gründen vermutet
entdeckte ich eine Schlagzeile, die ich gleich an retisch auch Männer hätte matchen können. Ich Menschen Körperkontakt. Es gibt niemanden, der Corona die Ungebundenheit potenziert zur sie also, dass die Corona-Sondersituation für sie
meine Frau weiterleitete: Scheidungsrate in den bitte also um Entschuldigung für die unnötige sie umarmt. Das Bindungshormon Oxytocin Haltlosigkeit: Ich bin allein, allein, allein. noch länger dauern wird als für die meisten, dass
Quarantäne-Provinzen von China durch die Decke Heteronormativität dieses Artikels. (macht glücklich, beruhigt, wird bei der Berührung Es möchten sich, vielleicht auch deswegen, sie erst mit einer Impfung wieder ins normale
gegangen. Hahaha. Inzwischen weiß man, dass es Ich bekam 22 Matches, vielleicht hätte ich noch durch einen anderen Menschen ausgelöst): Fehl- offenbar nicht alle auf Tinder an die geltenden Leben zurückkehren kann. In der Zwischenzeit
in unserem Teil der Welt zu einem deutlichen An- mehr schaffen können, wenn ich mehr gewischt anzeige. Paula schreibt mir von einem Treffen zu Regeln halten. Natalia, 38, schreibt mir: »Ich be- macht sie sich Sorgen um ihren Sohn. Was wür-
stieg der häuslichen Gewalt und seelischen Erkran- hätte, aber 22 schien mir ausreichend. Beginn der Corona-Zeit, bei dem sie ihrem Date obachte, wie viele hier weniger Distanz bewah- de mit ihm passieren, wenn sie sich infizierte?
kungen gekommen ist. Stresstest Corona: Durch Nicht alle antworteten mir dann auf meine den Fuß hingehalten habe zur Berührung, der habe ren wollen. Laden zu Partys zu Hause ein oder »Eines der schwersten Dinge momentan ist wohl,
die Pandemie lernt gerade jede Familie, jedes Paar, ersten Zeilen. Aber ich kam in Kontakt zum Bei- sie daraufhin umarmt, und sie habe das mit sich schlagen vor, Netflix-Abende zusammen zu ver- diese Sorgen nicht mit einem Partner teilen zu
was dieses Ingenieurswort eigentlich bedeutet. Es spiel zu Zoé, Paula, Rebecca, Natalia, Kerstin, geschehen lassen. »Jetzt geh ich zu keinen Dates bringen. Ich finde, dass die Apps auch die Ver- können, kein Back-up im Falle eines Ausfalls zu
geht um die Belastungsgrenzen des Materials. Jana. Unser Austausch fand immer auf Tinder mehr, weil ich mir selbst nicht traue, bei der Mög- antwortung mit tragen.« fühlen.« Allein vor Corona, alleiner noch mit.
Immerhin darf ja aber jeder fünfte Mensch in statt, getippte, nie gesprochene Nachrichten, lichkeit einer Umarmung wirklich auszuweichen.« Fast alle Frauen berichten mir auch, dass Tinder Rebecca erzählt mir, dass sie mit Depressio-
Deutschland allein leben. Diese Leute müssen sich manchmal mit langen Pausen dazwischen. Während ich mit Paula chatte, wuselt meine gerade sehr lebendig sei. »Suche Klopapier, biete nen zu kämpfen hat. Sie kann in keine Therapie
derzeit mit niemand anderem arrangieren, sie Ich begann jeden Dialog mit der gleichen kleine Tochter um mich herum, irgendwann Nudeln«, »Will you be my quarantine«, »Habe kein mehr gehen, weil sie, laut Krankenkasse, »aus-
kleben nicht beengt aufeinander, während sie durch Frage: Wie geht es dir? kommt meine Frau von der Arbeit, ich bekomme Corona«, so was steht unter den Profilbildern. Am therapiert« ist, es werden ihr also keine weiteren
den Schock existenzieller Erschütterungen zittern, »Muss kurz Fahrrad fahren! Antworte gleich!«, einen Kuss. Keine Ahnung, wie gut ich damit zu- 20. März kriege ich eine Nachricht von Tinder auf Therapiestunden mehr gezahlt. Das Schwierigs-
sie haben nebenbei keine Kinderbetreuung zu­ schrieb mir Zoé, und dann: »Mir geht’s gut. Klar, rechtkäme, wenn es mit allen Berührungen auf mein Handy: »Wir wollen absolut klarstellen, dass te sei für sie, schreibt sie, die Ungewissheit. Sie
organisieren. es könnte besser sein, aber alles gut auszuhalten. einmal vorbei wäre. Als ich selbst noch Single war, es nicht der richtige Zeitpunkt ist, sich mit Matches fragt sich, was die Maßnahmen auf Dauer mit
Oder ist das überhaupt kein Glück? Wie erle- Wie geht’s dir?« Zoé, 32, laut Tinder-Profil auf der konnte ich das Alleinleben und -sein meistens sehr persönlich zu treffen.« Single macht, was Single will, ihr machen werden. »Was passiert, wenn kaum
ben Singles diese Zeit? Suche nach einem Freund für das Ende der Welt, gut ertragen, aber wahrscheinlich doch nur, weil nur in Corona-Zeiten bitte nicht. ein wirklicher Kontakt über Wochen gehalten
Eigentlich, stellte ich beim Nachdenken fest, ist wirkte lustig, mochte Ausrufezeichen und schien ich wusste: Ich kann jederzeit raus, unter Leute, Wann wird die Einsamkeit der Singles so groß werden kann oder wenn womöglich die Bestim-
das ja wohl auch und gerade zu Corona-Zeiten eine tatsächlich nicht sonderlich niedergeschlagen. Es was dann passiert, ist nicht gesagt, und spätestens werden, dass sie sich an die Gebote der Regierung mungen verschärft werden?« Wegen Corona
ethisch einwandfrei organisierbare Recherche, denn hätte sich in der letzten Zeit allerdings jeder Ex bei bei der Begegnung mit einem guten Freund gab es nicht mehr halten? Und wie wird es sein, wenn kannst du gegen die Einsamkeit wenig tun, also
problemlos distanziert zu machen. Endlich, endlich ihr gemeldet. »Jeder!!! Alle einsam oder unbefrie- ja auch stets eine Umarmung. Kontakt auf einmal wieder erlaubt ist? Werden die wirst du noch einsamer, also wird die Situation
kam meine Gelegenheit, mir Tinder runterzuladen, digte Bedürfnisse!« Auf Tinder, fand sie, sei derzeit Es ist, als verwandele Corona das Alleinsein in Männer und die Frauen, oder halt die Männer und noch schlimmer und das Ohnmachtsgefühl in-
diese mythische App, die kurz nach meiner Jung- viel los – viel Gewische offenbar, viele Leute online, Einsamkeit. Jana, 33, »Love Online«, schreibt mir die Männer, die Frauen und die Frauen, dann nackt tensiver und so weiter.
gesellenzeit offenbar das Liebesleben der halben viel Bedürfnis nach Kontakt, schloss Zoé. »In den an einem Freitagabend: »Ja, Friday night – Date aufeinander zurennen wie die kriegerischen Hor- Rebecca schreibt, sie habe kurz vor der Krise
Nation auf den Kopf gestellt und doppelt so inte- Zeiten von Corona«, schrieb sie, »hab ich das Ge- Night. Fühlt sich seltsam an in der Isolation. Und den in Braveheart, als menschliche Wellen, die jemanden kennengelernt, mit dem sich womög-
ressant gemacht hat. Ich legte mir also einen­ fühl, dass alle Sehnsucht haben nach jemandem, Wein via FaceTime ersetzt nicht den ersten Adre- rasend ineinanderprallen? lich etwas hätte entwickeln können. »Durch
Account an mit dem Logo der ZEIT als Profilbild, der bei einem liegt, mittanzt, kocht oder mit in der nalinstoß ausgelöst durch Pheromone. Es ist nicht Große, ernst gemeinte Frage: Wie sind die­ unsere unterschiedlichen Jobs und Herkunft
darunter ein paar Zeilen: Wer Lust habe, ein biss- Badewanne sitzt und einem ein Buch vorliest.« so, dass Daten überlebenswichtig wäre, aber vor gegen Corona ergriffenen Maßnahmen ethisch und Zeitpläne haben wir uns nicht mehr gese-
chen über das Leben als Single in Zeiten von Coro- Ich habe diesen Eindruck eigentlich in allen allem in solchen Zeiten fühlt man sich einsamer eigentlich unter der Maßgabe Einsamkeit zu be- hen. Wer weiß, wie es geworden wäre.« Und
na zu plaudern, solle mich doch bitte »matchen«. anderen Konversationen auch gewonnen. Zu den als sonst.« Und Rebecca, 35, »175, eng ger swe«: werten? Bisher wird das nur diskutiert, wenn es um draußen explodiert der Frühling, und eigentlich
Kurze Einführung in Tinder: Die App, die großen Seltsamkeiten von Corona zählt ja, dass es »Als Ablenkung gehe ich jetzt viel joggen, jedoch die Bewohner von Altenheimen und die Patienten ist es doch immer diese Zeit im Jahr, in der die
Menschen dabei helfen soll, in Kontakt zu poten- die Leute voneinander trennt in Zeiten, in denen wird einem dabei natürlich viel vorgeführt, was in den Krankenhäusern geht. Aber was ist mit allein Luft zwischen den Menschen wie elektrisch ge-
ziell an einem Date Interessierten zu treten, redu- sie Nähe eigentlich besonders bräuchten. So las ich man nicht hat: nicht den Partner im Arm, nicht lebenden Singles? laden wirkt.
ziert das Prinzip des Findens und Gefundenwerdens kürzlich von einer Frau aus Manhattan, die sich an den Kinderwagen vorneweg. Es macht noch be- Als Armin Laschet am 29. März in der Welt Rebecca erzählt, ein Match habe ihr eine
auf die brutalstmögliche Weise. Nach dem Öffnen die Zeit nach dem 11. September erinnerte und an wusster, wie allein man in dieser Zeit ist.« am Sonntag mit seinem Corona-Kanzlerkandi- Nachricht geschickt. »Wenn man nur zu Hause
der App wird dem User eine endlose Abfolge von die nach dem Hurricane Sandy, an die Katastro- Einsamkeit ist kein Zuckerschlecken, auch nicht daten-Bewerbungs-Essay gegen den Kurs der sitzt seit Tagen, wird man(n) halt irgendwann
Bildern anderer User gezeigt. Wischt er nach links, phen, die sie in New York erlebt hatte, und wie die »bloß ein Gefühl«. In einem Interview mit der Kanzlerin fordert, ab sofort laut über Exit-Stra- ziemlich horny.« Sie überlegt jetzt, die App zu
»nope«, wandern sie ins Kröpfchen, wischt er nach Menschen sich da zusammengefunden hätten, amerikanischen Psychologin Julianne Holt-Lunstad tegien nachzudenken, und darin schreibt, eine löschen.
rechts, »like«, ist das das Töpfchen. Mit dem eigenen Nachbarn und Fremde, im Haus und auf der Stra- lese ich vielmehr, dass Einsamkeit ein körperliches Bewertung der Maßnahmen müsse »auf der Alle warten wir sehnsüchtig auf die Rück-
Profilbild verfahren die anderen User ebenso. Es ße. Und nun ereile abermals eine Katastrophe die Warnsignal sei, ein eingebauter Impuls, andere Grundlage einer intensiven Abwägung aller me- kehr in eine Normalität, die wir rückblickend als
wird gelikt oder genopt. Und schon allein weil Stadt, aber jeder müsse den Stress, die Angst allein Menschen aufzusuchen, vergleichbar mit dem dizinischen, sozialen, psychologischen, ethi- Privileg und Glück begreifen. Die offene Gesell-
dieses Daumenheben und -senken die Partnerwahl ertragen. Corona läuft auch der seelischen Natur Hunger, der signalisiert, dass Nahrung gefunden schen, wirtschaftlichen und politischen Implika- schaft: was für eine unfassbare Zivilisationsleis-
Illustration: Doreen Borsutzki für DIE ZEIT

so spaßig nihilistisch runterbricht, funktioniert das des Menschen zuwider, und die allein lebenden werden muss. Holt-Lunstad glaubt an diese bio- tionen« erfolgen, denke ich sofort an meine tung das war. Ist?
super. Die Pointe der ganzen Sache ist, dass es ab Singles erwischt es in dieser Hinsicht am härtesten. logische Funktion des Gefühls. Sie hat selbst mehr Tinder-Kontakte Kerstin und Rebecca, zwei Worauf freust du dich am meisten, wenn die
und an zum Match kommt, also zwei Leute sich Die Regelung der Bundesregierung sieht – wis- als 70 Studien zur Auswirkung von Einsamkeit auf Frauen, die mir geschrieben haben, wie sehr ih- Maßnahmen vorbei sind?, frage ich meine Matches
gegenseitig liken. Die können dann über die App sen Sie ja – vor, dass man zu allen Menschen, die die Gesundheit analysiert – und herausgefunden, nen die aktuelle Situation seelisch zusetzt. auf Tinder.
anfangen, miteinander zu chatten. nicht dem eigenen Haushalt angehören, zwei Meter dass Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit eines frühen »Ehrlich gesagt«, schreibt mir Kerstin, 33, Umarmungen, Reisen, Tanzen, Dates, Sex, Bei-
Erst nachdem ich Tinder heruntergeladen und Abstand hält. Treffen soll man die am besten drau- Todes um 32 Prozent erhöht, unabhängig von »kreativ * Fantasy * philosophieren * Serienjunkie sammensitzen, Bars, Freiheit. Liebe.
abwechselnd mit meiner Frau, die die App natürlich ßen und nicht mehr als einen auf einmal. Kneipen, Herkunft, Geschlecht, Alter oder Kultur des Pro- * Geschichte * alleinerziehend * spirituell«, »geht Das sind, muss man sagen, alles keine unwe-
auch interessant fand, ein bisschen gewischt hatte, Clubs, Restaurants, Konzerthallen, alles zu. Für banden. Klar: In den Studien ging es um chronische es mir nicht so gut ... Da ich alleinerziehend bin sentlichen Dinge. Wahnsinnszeiten, kein Mensch
wurde mir bewusst, dass ich mich und diese schöne allein lebende Singles heißt das: Die Bude ist immer Zustände, und Corona ist ja, wie wir alle hoffen, und die Kitas geschlossen haben, kann ich nicht wird sie vermissen.

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57
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Q u e l le : W DR
1985:
1 4 ,3 Mi o.

1995:
6 , 7 Mio .
Helga Beimer war wie ihr Sohn
Klaus von Folge 1 an dabei

2005:
4, 5 Mio .

2015:
2, 5 Mio .

2020:

Fotos: Julia Sellmann für DIE ZEIT; kl. Fotos: action press
2, 3 Mio .

Jahresdurchschnitt
Zuschauerzahl
Moritz Sachs zu Beginn und am Ende der Dreharbeiten

Aus der Klaus


21 Kinder wurden in der Serie geboren

34 Jahre lang spielte Moritz Sachs den Klaus Beimer. Bis zum Ende der »Lindenstraße«. Und jetzt?  VON MORITZ HERRMANN

D
ie Straße, in der Moritz Lohmaier, trennen. Allerdings macht der ihr lich selbst auf? Da, Auftritt Klaus, wie er an straße 3, okay. In der allerletzten Folge ziehen auch: ein bisschen Existenzangst. Als Regie-
Sachs in Köln wohnt, im selben Moment einen Antrag. Das Treffen seiner Serientochter Mila die Rede übt, die er tatsächlich noch mal neue Leute ein, denen assistent und Produktionsleiter fühlt er sich
Spaziernähe zum Rhein, auf der Baustelle eskaliert, Lohmaier stürzt in zum 80. Geburtstag von Mutter Helga halten Mutter Beimer erklärt: »Sie müssen wissen, gut aufgestellt. »Es kann aber auch sein,
macht einen sehr adret- den Tod, was wiederum Helga Beimer eben- will. Das ist der Spannungsbogen fürs Finale: wir sind eine ganz besondere Hausgemein- dass gar nichts reinkommt, besonders we-
ten Eindruck, so sehr, so heimlich beobachtet wie Angelina Dressler, ein runder Geburtstag, zu dem alle noch mal schaft, hier kennt jeder jeden, und wir haben gen Corona.« Sachs sagt, Dauerserien­
dass man sagen muss: die unsympathische Luxusfrau, die sich einst zusammenkommen. Ein bisschen mehr wäre so viel mit­ ein­
an­der durchgemacht.« Auf darsteller gewesen zu sein habe für die Ar-
Die hätte auch als Ku- von Dr. Ludwig Dressler adoptieren ließ. Sie schon gegangen, denkt man sich, fragt man seiner Couch nickt Sachs in sich hinein, ­Pause beit hinter der Kamera keinen Wert an sich.
lisse für die Lindenstraße getaugt. Dann kommen noch mit? ihn. Wie in Folge 565, als die radikale Tier- bitte: Wann war er am durchsten? Bisschen traurig: Jetzt hat dieser Mann
stellt man aber fest: Das hier sind Einfami- Natürlich ist schon die Rückblende völlig schützerin Julia ihren Klausi zum Vegetaris- Sachs: »Als ich das mit den Fehlgeburten deutsche Fernsehgeschichte mitgeschrieben
lienhäuser. Sachs hat also geschafft, was wahnwitzig, allerdings ist darin auch alles­ mus bekehrt, dann aber leider an einer Toll- spielen musste und wir das selbst gerade privat – und darf damit nicht mal kokettieren.
Klaus Beimer nie vergönnt war: Er hat ein enthalten, was das Format seit 1985 in die wutinfektion stirbt. Oder Folge 121, als Alt- erlebt hatten. Das Gefühl vergesse ich nicht.« Was bleibt von seinem Klaus? Er war Neo-
Haus für sich. Und lebt nicht auf ewig in Wohnzimmer getragen hat: Liebe, Hass, Tod nazi Franz dem jungen Klausi beibringt, mit Schweigen in Köln-Merkenich. Dass Klaus nazi, Soziologe, Journalist und arbeitslos, zwei
einer Wohnung, wie all diejenigen, die in und Eifersucht, die ganze Bandbreite einer dem Luftgewehr aus dem Zimmer auf ein Beimer mehrere Fehlgeburten erlebt, mit Scheidungen, zwei uneheliche Kinder, er hat
der Lindenstraße zu Hause waren. kaputt-heilen Vor­abend­welt, in der sich alles Straßenschild zu schießen, nur dass Klausi Nina, mit Neyla, das wusste man. Dass Mo- mit seiner Stiefschwester geschlafen und
Schön hat er es hier. Und schön hatte er es immer zum Besten oder eben zum Schlech- dann den vorbeifahrenden Stefan Nossek ins ritz Sachs drei Fehlgeburten erlebt hat mit wurde von seiner Ex vergewaltigt, um mal ein
dort. Oder? Er lächelt. Fummelt einen Tabak- testen wenden konnte. »Bah!«, ruft Sachs auf Gesicht trifft, der erblindet und vor ein Auto seiner Frau Sabine, das wusste man nicht. paar der schillerndsten Eckpunkte zu nennen.
stick ins Dampfgerät. Kontrolliertes Erhitzen, seiner Angelina-Couch, im Sog der ihm wohl- läuft, woraufhin sich der traumatisierte Klau- Auch nicht die Drehbuchautoren, und Sachs Da wurden mehrere Leben zu einem ver-

Benny Beimer kommt 1995 bei


einem Busunglück ums Leben
genau das ist auch unser Plan. Sich noch mal bekannten, deshalb aber nicht minder wir- si wochenlang blind stellt. Das ist die eta­blier­ hat ihnen nichts gesagt. »Aber mit jedem Satz, dichtet, und trotzdem ist vieles davon Klaus
an vieles ranfühlen, sein Leben erklären, wäh- kungsvollen Eskalationslogik gefangen. te Problemschwere, an der man das Finale mit jedem Blick kam das hoch«, erinnert er nur passiert. Er sich selbst eigentlich auch.
rend wir gemeinsam die allerletzte Folge der Rückblende ins Leben von diesem Moritz misst. Aber das größte Drama ist diesmal eben sich. Er hat damit gehadert, wie die Szenen Man muss sich ihn ja nur angucken, wie
Lindenstraße sehen, alles auf den Tisch, und Sachs. Was bisher geschah: Er ist fünf Jahre das Ende der Serie selbst. »Ich finde es ei- geschrieben waren. »Ich habe mich unendlich er jetzt wieder dasteht, der Klaus im Fernse-
den dafür mal freiräumen, bitte. Weg mit den alt, als ihn ein Scout auf einem Kölner Spiel- gentlich schön so«, sagt Sachs, »die Szenen einsam gefühlt beim Frauenarzt. Es wird hen, alles ist fürs Finale bereitet: Hemdkragen
Lindenstraßen-Drehbüchern, die da liegen, weg platz entdeckt. Man kann das nachlesen in waren sowieso schon unfassbar schwer zu leider oft vergessen, dass auch die Männer bisschen zu eng, Anzug bisschen zu weit.
mit der geldwertlosen, aber an sentimentalem seinem Buch, das Ende März erschienen ist: drehen, jede einzelne war ein Abschied.« leiden. Es heißt dann: Ihr tragt das Kind ja Lackschuhe zur Geburtstagsnervosität. Bei-
Wert natürlich nicht zu überbietenden­ Ich war Klaus Beimer – Mein Leben in der Wo man ihn nun quasi in einer Doppel- nicht in euch. Als ob das eine Erklärung dafür mer war immer der Typ Durchschnittsdeut-
56 Todesfälle gab es in der Lindenstraße

Kantinenkarte vom Lindenstraßen-Set. Lindenstraße. Damals ließen sich die Fernseh- belichtung hat, im TV und hier im Haus, wäre, dass man ein totes Kind nicht betrauern scher, der man selbst nie werden wollte, von
Bei der Begrüßung hat dieser Sachs gesagt: sender noch an einer Hand abzählen. Das merkt man: Klaus spricht, wie Sachs spricht, darf.« Das Lindenstraßen-Drehbuch sah vor, dem man zugleich aber schon dumpf ahnte,
»Heute muss ich nicht weinen, das ist Arbeit erste Casting ließ Moritz für einen Kinder- Klaus guckt, wie Sachs guckt, der aber anders dass Klaus sein eigener Schmerz gar nicht dass man es längst war. »Ja, ein Lieber, den
für mich, das hat was Sachliches.« Das wollen geburtstag sausen, beim zweiten bekam er die geht als Klaus, was daran liegt, dass Klaus in kümmert. Man könnte sagen: Dass Klaus kann man mögen«, ruft Sachs, Pausen-Taste
wir doch mal sehen. Folge ab, bitte. Rolle. Als seine Eltern den Vertrag unter- der ewigen Drinnenwelt der Lindenstraße oft nicht richtig traurig sein durfte, hat Sachs, der drückend. »Klaus war meist angepasst, eher
Jede Soap besteht vor allem aus zwei Ele- schrieben, sagte Hans W. Geißendörfer, Schlappen trug. Nie wurde die Untrennbar- sehr getrauert hat, verstört. ein Mitläufer. Ich würde mich freuen, wenn
menten – Zopfdramaturgie und Cliffhanger. Schöpfer der Serie, zur Mutter: »Kaufen Sie keit der beiden allerdings so deutlich wie in Wie jetzt weiter? Helga Beimer würde ein man ihn nicht nur als kleinen Klausi ohne
Die Handlungsstränge der Serie sind wie sich von der Gage Ihres Jungen aber bitte den Jahren, als Sachs mit seinem Gewicht Ei in die Pfanne schlagen. Das hat sie immer Rückgrat erinnert, sondern auch als gestan-
zu einem Haarzopf verflochten, jede Folge keinen Pelzmantel.« Die erboste Mutter ließ kämpfte. Essgestört hatte er sich damals auf getan, wenn es unaussprechlich tragisch, intim denen Mann und guten Vater. Klaus wollte
mündet in einen Cliffhanger. Wenn der Zopf den Vertrag deshalb fast platzen. 120 Kilo gefuttert, später mehr als 40 Kilo oder dramatisch wurde. Und auf dem Bild- immer gemocht werden. Ich gönne ihm das.«
jetzt abgeschnitten wird, ist der Cliffhanger Die erste Soap der Republik ging durch abgenommen. Im Drehbuch vorgesehen war schirm schlägt Helga Beimer auch jetzt wieder Play, tolles Timing, ein Nachbar fegt ins Bild
natürlich: Wie verkraftet Sachs das? die Decke, elf Millionen Zuschauer, kon- das nicht, und weil Szenen nicht chronolo- ein Ei in die Pfanne, man ahnt: Es wird ernst und ruft, Beimer sichtlich mögend: »Na,
34 Jahre und 1758 Folgen lang war er stant. Familien versammelten sich sonntags gisch gedreht werden, sah man bisweilen Klaus in der finalen Folge. Aha, sie spricht die ewige Klausi, wie isses?«
Klaus Beimer, und wer jetzt nicht weiß, wer vor dem Fernseher, Punkbands beschrien in der Lindenstraße mit 120 Kilo aus der Tür Rivalin Anna Ziegler bei der Polizei frei.­ Moritz Sachs hat viermal verschlafen in
das ist, muss diesen Text erst gar nicht lesen die Serie in Songs, die LGBT-Community gehen, auf der Straße mit 105 Kilo ankom- Mutige, maßlos integre Helga Beimer. 34 Jahren. Er ist in der Schule verprügelt
oder sollte es ganz unbedingt tun. bekam den ersten schwulen Fernsehserien- men und im griechischen Restaurant Akro- Man hätte es natürlich jetzt schon gern, worden für diese Rolle. Er hat auch im Winter
Da, die Titelmelodie, diese Streicherfan- kuss. Alle schauten zu, auch die, die sagten, polis mit 95 Kilo sitzen. So eine Rolle kann wenn sich Sachs noch mal richtig aufregen die Drehbücher im Garten gelernt, im Ski-
fare, die urplötzlich umbricht in eine selige sie schauten auf keinen Fall. Damals konn- einen tragen. Aber man trägt auch an ihr. würde über den WDR, der ihm da einfach anzug dann. Seit 1985 war er nicht mehr beim
Lindenstraße lang
150 Meter ist die

Mundharmonikaweise, Drama und Heime- te Sachs kaum aus dem Haus, ohne von Zweimal hätte Sachs sich fast verabschie- ein Dreiviertelstück seiner Biografie raus- Friseur. Sachs besitzt nicht mal einen Rasier-
ligkeit, in ihrer Wiedererkennbarkeit nur vom Groupies in die Enge geliebt zu werden. det. Nach dem Abitur wollte er auf Weltreise. gebrochen hat. Den Gefallen tut er einem apparat. Jetzt kann er sich einen Bart wachsen
Tatort getoppt. Hatte Sachs die mal als Klin- Einmal brauchte er bei einem Schulausflug Die Produktion kam ihm entgegen, verschob aber nicht. Als ungerecht empfunden habe lassen, über seine Erscheinung frei entschei-
gelton? Nee, nie. Er erzählt, dass er auch nie für die 100 Meter vom Kölner Dom ins seine Drehzeiten und ließ ihn einmal einflie- er nicht das Ende an sich, sondern dass man den, es gibt dafür kein Drehbuch mehr.
Mer­chan­dise gesammelt hat, jedenfalls bis vor Römisch-Germanische Museum zwei Stun­ gen. Auf dieser Reise beschloss Sachs, Regie ihm kündigen konnte, nach 34 Jahren Fest- Auf der erwähnten Kantinenkarte steht,
Kurzem. Dann springt er auf, wir drücken den, weil Fans ihn umringten. führen zu wollen. Er hospitierte und assistier- anstellung. Und den Kollegen auch. »Mach ganz unten, ganz klein: plus/minus null. Ein
die Folgen im Voraus gedreht

Pause, und kommt mit einer Lindenstraßen- Sachs hat sein Leben im Takt der Linden- te, fernab der Lindenstraße. Er fing wieder ganz das mal bei Ford. Bei Rossmann. Niemand wenig mehr ist von den Jahren geblieben.
8 bis 12 Wochen wurden

Kappe aus seinem Wintergarten, zeigt die straße gelebt. Hat Zivildienst geleistet und ein unten an. Seitdem hat er etliche Jobs nebenher hat davon gesprochen, dass Arbeits­plätze Das merkt man letztgültig nun, als im Fern-
Lindenstraßen-Kaffeetasse, und ach ja, diese Studium abgebrochen, ist dick geworden und gemacht, Produktionen betreut, sich etwas verloren gehen. Es ging in der Öffentlich- seher die Streicher losstreichen, die Gäste von
Couch sei übrigens die der Angelina Dressler dünn und wieder dick und noch mal dünn, aufgebaut. »Es ist ja nicht so, dass ich mir mit keit nur um die Serie.« Helga Beimer eintrudeln und er, Klaus Bei-
aus der Lindenstraße. Er hat sie gekauft, als der hat Höhen und Tiefen im Privaten erlebt und der Schauspielerei einen Traum erfüllt habe. Sachs hat viel verdient, viel weggelegt mer, sie begrüßt, küsst und ins Akropolis
Cast den Fundus flöhen durfte. Manche ist über diese unfassbar lange Zeit immer auch Ich wurde Schauspieler, bevor ich den Traum hat er nicht. Was auch daran liegt, dass er schickt. Auf Nimmerwiedersehen. Jack
sammeln in einer Beziehung Dinge an und Klaus Beimer geblieben. Es besteht die Gefahr, hätte haben können.« Einmal hätte er eine 2014 mit einer Musical-GmbH pleiteging Aichinger,­Georg Eschweiler, Gung Pham
entsorgen sie nach deren Ende, um zu ver- dass er ihn selbst nach dem Serien-Aus nicht Regieassistenz bei einer internationalen Kino- und die Schulden dieser Privatinsolvenz bis Kien und viele mehr. Dann verlässt Klaus
gessen. Sachs klaubt nun zusammen, was er loswird. Er sieht ihm einfach zu ähnlich. großproduktion machen sollen. Auch da ging heute tilgt. Irgendwann fuhr er folglich, wie Beimer die Lindenstraße und geht, nein,
kriegen kann, um sich zu erinnern. Weiter bitte! Anna Ziegler hat auf der er nicht, obwohl es knapp war. Und er sagt die meisten aus dem Cast, zum Arbeitsamt. schlurft für immer davon. Und in Köln-
Weiter? Weiter. Rückblende nach dem Polizeistelle falsch ausgesagt, berichtet sie ei- jetzt, fast beiläufig: »Ich werde immer Klaus Für ihn eine völlig neue Situation, für freie Merkenich sitzt Moritz Sachs auf seiner
Intro. Was bisher geschah: Anna Ziegler, die ner Vertrauten, großartigerweise noch in Beimer bleiben. Dass ich noch mal etwas Filmschaffende aber eigentlich total nor- Angelina-Couch und weint ganz stumm, die
Mutter Beimer einst ihren Hans ausgespannt derselben Polizeistation sitzend. Dann weint mache, was das überlagert, ist fast unmöglich.« mal. Sachs holt Erfahrungen nach, die fast Hand vorm Gesicht. Und vielleicht muss so
hatte, will sich von ihrem aktuellen Liebhaber, sie, und Sachs ­ooocht mit, offenbar ohne das Um das zu verdauen, bitte weiterlaufen alle, die nicht Klaus Beimer waren, längst auch dieser Text enden. Mit einem Mann,
dem sympathischen Bauunternehmer Wolf allzu ironisch zu meinen. Wann taucht er end- lassen. Wo sind wir? Ah, im Hausflur, Linden- gemacht haben. Vielleicht gehört dazu der von sich selbst Abschied nimmt.

Marion Beimer
zieht 2006 weg 897 Stunden Sendezeit umfassen
alle Folgen am Stück
Hans Beimer stirbt
2018 an Parkinson
58 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15
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A
lbert erzählt mir in der Mittagspause, dass
sein Sohn operiert werden muss. Der Junge
hat ein sogenanntes Akustikus-Neurinom.
Das ist ein gutartiger Hirntumor, der
Schwindelgefühle und sogar lästige, an Be-
trunkenheit erinnernde Zustände verursa-
chen kann, darüber hinaus Sehfeldein-
schränkungen und ganz besonders Verän-
derungen des Hörsinns. Auf dem rechten
Ohr hört der Junge schon seit längerer Zeit
kaum etwas. Als dann auch seine Leistun-
Die Liste
Von Clemens J. Setz

gen in der Schule dahinzuschwinden be-


gannen, wurden die Eltern besorgt.
Gutartig. Immerhin das. Aber das Wort
bedeutet nicht viel, wenn das Ding in der
Nähe des Gehirns wächst. Es muss auf je-
den Fall operiert werden. Und da besteht,
wie Albert erklärt, wiederum die Gefahr,
dass der Gesichtsnerv beschädigt wird und
dauerhaft gelähmt bleibt. Der Lage des
Tumors nach zu urteilen, ist das sogar recht
wahrscheinlich.
»Dann hätte er ein schiefes Gesicht.«
»Ich verstehe.«
»Und vielleicht sein Leben lang so einen
komischen Ausdruck. Stell dir vor, was sie
dann mit ihm machen.«

Draußen vorm Fenster die im Föhnwetter


schwebenden Gebäude. Die zur Säule auf-
gestellte Schranke auf dem Parkplatz. Und
in der Ferne der Storchschnabel-Dialog
eini­ger Baukräne, oben am neu entstehen-
den Nordbahnviertel.
Ein wenig erstaunt es mich, dass wir in
der Darstellung des Falls so schnell an die-
sem Punkt angekommen sind: bei der
möglichen Rache von Mitschülern für das
veränderte Aussehen des Jungen nach der
Operation.
Man muss natürlich alles durchdenken.
Aber ich kann irgendwie nichts darauf ant-
worten. Am Fenster bewegt sich etwas un-
erhört Nahes vorbei, aber es ist nur ein sehr
heller Haarschopf.
Albert erzählt weiter. Details über die
Untersuchungen, die noch anstehen.
Er wirkt nicht wirklich verzweifelt. Aber
ich nehme an, er hat einige der Phasen bereits
hinter sich. Die mit Verdrängung und die mit
Auflehnung und so weiter. Ich hab vergessen,
welche als letzte kommt. Akzeptanz, glaub
ich? Wobei mir nie klar war, was passiert,
wenn die bereits als erste kam.
Ich halte während der Unterhaltung­
einen Plastikbecher in der Hand. Hin und
wieder, wenn irgendetwas total Sinn ergibt,
tippe ich mir mit dem Becherrand ans
Kinn und sage Ja oder Genau.
»Also auf jeden Fall keine Gefahr für
das Gehirn.«
»Ja, genau«, sage ich. »Das ist das Wich-
tigste.«
»Zwei Untersuchungen haben wir
noch, aber nichts Zentrales mehr.«
»Ja, knock on wood.«
Ich tippe mit dem Plastikbecher gegen
die Kühlschranktür.
»Das hat der Arzt beim Gespräch wirk-
lich gleich als Erstes klargestellt. Es ist
nichts mit so Lebensgefahr, nichts, wo du
weit aufbohren musst.«
»Genau, keine Lebensgefahr«, sage ich.
Und ich seufze, unabsichtlich.
Illustration: Felix Eckhardt für DIE ZEIT

Das Hauptproblem im Moment, sagt Albert,


sei eher der Begriff Hirntumor. Zu Hause
wurde anfangs versucht, ihn ganz zu ver-
meiden. Aber bei einem Dreizehnjährigen?
Mit Internet? Kannst du vergessen. Das ist
genau dieses ungute Alter, wo sie bereits alle
Informationskanäle der Erwachsenenwelt
kennen, aber noch nicht die innere Festigkeit
besitzen, um zu –
Albert macht so ein Fade-­out mit seiner
Stimme, weil jemand reinkommt. Zwei
Frauen aus der Verwaltung. Sie suchen
Zeitungen, glaub ich. Ich grüße.

Das Dekameron-Projekt / Folge 2


Jedenfalls das Wort Hirntumor. Darü-
ber redet der Junge nun die ganze Zeit und
steigert sich sehr hinein.
»Ja, genau«, sage ich, »also denkt er, er
ist doch in Lebensgefahr und ihr belügt Als im 14. Jahrhundert in Europa die Pest wütete, schrieb der italienische Schriftsteller Giovanni Boccaccio seine
ihn nur oder so?«
Albert schüttelt den Kopf. Novellensammlung »Das Dekameron«, eines der berühmtesten Werke der Weltliteratur. Zehn junge Edelleute
»Nein, nein. Er denkt nur, er wird alles fliehen vor der Seuche in ein Landhaus bei Florenz und vertreiben sich die Zeit, indem sie einander Geschichten erzählen.
vergessen. Weil sein Modell, also das einzige,
das er kennt, wo das Gehirn irgendwie betei- Wir haben zehn Autorinnen und Autoren um eine zeitgenössische Neuauflage gebeten. Während der kommenden
ligt war, das einzige Erklärmodell, das er im Wochen werden sie uns Geschichten erzählen, die um die großen Dinge des Lebens kreisen:
Augenblick hat – das ist sein Opa, der leider Liebe und Tod, Freundschaft und Macht. Die zweite Folge stammt von Clemens J. Setz. Sein Thema: Sorge.
niemanden mehr erkennt.«
»Ach so«, sage ich. »Ja. Genau. Also
denkt er, er weiß nach der Operation Es schreiben: Nora Bossong, Theresia Enzensberger, Nora Gantenbrink, Karen Köhler,
nichts mehr.«
»Ja.«
Eva Menasse, Tilman Rammstedt, Leif Randt, Ingo Schulze, Clemens J. Setz, Jackie Thomae
»Kinder, hm«, sage ich.
Albert erklärt, sein Sohn habe Angst, dass er
die wichtigsten Dinge in seinem Leben nach
2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 59
ENTDECKEN

der Operation nicht mehr erkennen werde. die Eltern, ob das und das wirklich so war, Ich muss über die Vorstellung lachen. Eigentlich ist der Weg zu Fuß gar nicht Erst am nächsten Morgen ist Albert wie-
Und deshalb habe er nun – drei Tage lang – und die Eltern wissen natürlich nie, was sie Es würde so zu ihm passen. Albert ist so weit. der da. Ich entdecke ihn am Ende des
mit seinem Vater eine Liste angefertigt von sagen sollen, und die ganze Zeit wird das schon in Ordnung, so als Mensch. Ein leeres Auto mit blinkenden Lichtern Korridors.
all den Dingen, die wichtig sind und die man Kind von der weit zurückliegenden Ver- und offenem Kofferraum steht neben einer »Albert, hey!«
nicht vergessen darf. Dinge, die man ihm, gangenheit an irgendwas erinnert, und dann Ich kontrolliere meine Mails bereits ein Wiese, auf der sich in dem vom Wind nie- Er blickt auf. Nein, er trägt nicht dieselbe
falls er dann tatsächlich mit gelöschter Fest- lächelt es plötzlich oder schüttelt den Kopf wenig entspannter. Aber immer noch nichts. dergekämmten Gras die interessantesten Kleidung wie vorgestern. Wäre mir aufgefal-
platte aus der Narkose erwacht, eins nach oder hält ihn schief. Fuck, echt. Ob Albert selbst auf der Liste steht? Viel- Formen ergeben haben. Und da, ein len. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.
dem anderen beibringen soll, damit er wieder Bis zum Abend entwickle ich einen ei- leicht vergisst der Junge ihn auch, weil er Schwimmbassin in einem Vorgarten. Als ich »Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
der alte ist. genartigen Hass auf den Jungen, der mir bereits der Mitschreiber des Diktierten ist klein war, hatte ein Nachbar von uns eine Er wirkt gerührt.
»Also so Backup«, sage ich. »Wow.« allerdings rasch peinlich wird. Ich ertappe und man an den Mitschreiber nicht so ohne Grottenbahngondel im Garten stehen. Als »Oh?«, sagt er. »Das ist aber nett. Uns
Der Name des Jungen ist übrigens Leif. mich auch dabei, wie ich im Internet nach Weiteres denkt. Es würde die Ebenen ver- Kind war ich ziemlich dumm, ich sprach oft geht’s gut, es war gestern nur die letzte Un-
Aber das weiß ich nur aus früheren Ge- seinem Namen suche, wie einer dieser mischen. in Hagebuttenzweige oder Blumen hinein tersuchung. Bisschen Drama, aber sieht­
sprächen, noch ist der Name nicht gefal- komplett kranken Typen. Was würde ich in so eine Liste schrei- wie in Mikrofone, denn ich wollte wissen, alles super aus. Also es wird wahrscheinlich
len. Die Mittagspause ist inzwischen vor- Dann Mails kontrollieren. Nein, noch ben? Eine Scheißfrage. Aber wahrschein- ob Gott so vielleicht meine Stimme emp- überhaupt kein Nerv geschädigt, das Neuri-
bei, aber wir stehen immer noch da. immer nichts. Hoffentlich vergisst Albert lich würde ich lieber mit Tabula rasa auf- fangen kann. nom ist ganz abgekapselt und überschau-
»Ich könnte sie dir schicken per Mail«, es einfach. wachen. Weil dann könnte ich alles neu bar, das hat der Chirurg selbst noch mal
sagt Albert. Er sieht wahnsinnig müde aus, Oder es kommt ihm etwas dazwischen, aufnehmen, neu ordnen. Müsste mir Wobei, dreizehn, denke ich, das ist ja be- bestätigt. Nein, also, wir sind so weit wirk-
als er das sagt. ein medizinischer Notfall zum Beispiel. nicht mal wer helfen dabei. reits so ein Alter. Eigentlich nicht mehr lich ganz okay.«
Und, ja, was antwortet man auf so­ O Gott, ja, bitte. Das heißt, nein. Wünsche Ich bin heute viel zu früh dran mit al- Kindheit. Da geht es langsam richtig los »Wow, Erleichterung«, sage ich.
einen Satz? ich mir natürlich nicht. Aber Intervention lem und überlege, zu Fuß in die Arbeit zu mit Sexualität und allem. Ich muss daran Wir stehen voreinander. Albert ordnet
»Ja, genau«, sage ich schnell, »schick von außen, das wäre super. Weil so was hab gehen. Und dabei das Handy in der Ta- denken, wie mir damals der Schoberer etwas an seinem Mantel.
mir ruhig. Ich schau sie mir dann an.« ich echt nicht verdient, denke ich, so ein sche lassen. Einfach gehen, schauen, Kopf Michi, als wir beide zwölf oder dreizehn Ich kann nicht mehr, ich muss ihn nach
Aber ich bekomme natürlich Angst. schrankenlos zudringliches Verhalten. Wie- ausrauchen lassen. waren, einen holländischen Sexfilm auf der Liste fragen. Wer weiß, vielleicht tun so Die Serie wird von
Weil, um Gottes willen. so will er mir so intime Dinge aus dem Kopf VHS-Kassette mitbrachte und dann, als was sonst nur Leute für­ein­an­der, die sich dem Maler Felix Eckardt
Wir kennen uns nicht mal besonders gut. seines Sohnes zuschicken. Mir das einfach wir ihn anschauten, gestand, ihm gefielen lieben, aber ich sage trotzdem: illustriert. Seine
Nur so Arbeitskollegen, im ganz klassischen
Sinn. Ich war nie bei denen zu Hause oder
so hinzuknallen. Da, Liste. Kann ich dir
schicken. Das einfach so zu einem Arbeits-
Was wird der die Männer da drin viel besser als die
Frauen – und ich wusste diese plötzlich
»Aber du, was ist jetzt mit der Liste? Du
wolltest sie mir schicken, glaub ich?«
Originalgemälde kann
man kaufen. Den Erlös
so, auch umgekehrt nicht. Ich weiß nicht
einmal, wie der Junge aussieht.
kollegen in der Teamküche. Ich meine, wie
soll ich.
erste Punkt auf dargebrachte Nähe nicht anders zu erwi-
dern, als ihn in das Zimmer meiner Mut-
»Ach so, ja«, sagt Albert, und seine Hand
legt sich auf seinen Hinterkopf, bleibt da für
wird Eckardt
jedes Mal spenden –
Und anscheinend ging es Albert nur
um die Erlaubnis, dass er die Liste schi-
Aber nein, man kann sich wegen so was
auch nicht krankmelden.
seiner Liste sein? ter zu führen und ihm zu zeigen, wo bei
uns die Kontoauszüge und die Sparbücher
eine Weile, dann redet er weiter: »Ja, unsere
Liste. Die ist noch nicht fertig.«
in diesem Fall an
das Hamburger
cken darf, denn jetzt bricht er das Ge-
spräch ab und geht an die Arbeit zurück. Gegen halb fünf wache ich auf und kann
Ich wette, aufbewahrt wurden. Ich glaube, wir blät-
terten sie sogar gemeinsam durch. Ich
»Oh.«
»Der Leif will sie noch unbedingt weiter-
Straßenmagazin
Hinz & Kunzt, das seinen
Er nimmt sogar eine Flasche Wasser mit in
sein Büro.
nicht mehr einschlafen. Mein Nacken juckt.
Vielleicht von der Handystrahlung. Denn
irgendwas mit weiß auch nicht. schreiben. Gestern auch wieder, gleich nach
der Untersuchung, im Auto, da hat er sofort
Straßenverkauf durch
Obdachlose vorerst
Über den Nachmittag verstecke ich
mich, so gut es geht, in meinem Büro,
das ­iPhone hat direkt neben meinem Kopf
gelegen, die ganze Nacht. Okay, das muss
seiner Mama Alberts Auto fehlt auf dem Parkplatz.
Aber ich denke sofort: meines ja auch.
zu plappern angefangen. Ich denke, das wird
noch eine Weile so gehen. Vielleicht sogar
einstellen musste.
Bei Interesse kontaktieren
während sich draußen allmählich die jetzt ein Ende haben, ich lese die Liste durch Muss noch nichts heißen. Es ist so ein nach der Operation. Weiß man ja nie.« Sie bitte den Künstler
Föhntemperaturen beruhigen. Es gehen und achte nur auf die Rechtschreibung, sonst Mir ist bislang nie aufgefallen, dass auf strahlender Tag, vielleicht ist er auch zu »Ja, genau«, sage ich. »Genau.« auf felixeckardt.de
schon viel mehr Menschen spazieren, mit nichts, denke ich und kontrolliere die Mails. einem Kellerfenster im Nebenhaus lauter Fuß gekommen. »Und es ist eine gute Ablenkung für ihn,
entspannterer Haltung. Es sind sogar Hüte Immer noch nichts, nur freundliche, gütig so Kinderzimmer-Ornamente kleben. Aber er ist tatsächlich nicht in der Fir- denke ich.«
dabei. formulierte Spamnachrichten. Bei der Kirche kommt mir auf dem ma. Von Frau Klammer erfahre ich, dass er »Das auf jeden Fall«, sage ich.
Bitte nicht, denke ich. Ich stehe auf und gehe auf den Balkon. weiten Platz etwas frischer Wind entgegen. angerufen und sich entschuldigt hat. Albert verspricht, mir die Liste auf jeden
Ich kann doch nicht so eine Liste. Das Vor der Schule gegenüber sind schon die Die Kirche versorgt den halben Bezirk mit »Er kommt heute nicht«, sagt sie, »aber Fall zu schicken, wenn sie fertig ist, aber der
tut man doch nicht. Das ist doch obszön. ersten Menschen zu sehen. Ich ziehe mit ihrem Geläut. Aber es gibt auch viele Orte der Trenkwalder weiß wegen dem Pro- Ton, in dem er das sagt, klingt bereits ganz
Wieso fragt er mich so was. dem glühenden Zigarettenkopf Schreib- im 20. Bezirk, wo man überhaupt nie Glo- jekt.« anders als vorgestern, so als hätte ich die
Ich kontrolliere meine Mails, aber noch schriftlinien in die Luft vor mir. Sollen sie cken hört, vor allem unten beim Donau- Eine Weile sitze ich in meinem Büro, eigenartige Transaktion, diese Überschrei-
ist nichts da. es ruhig alle lesen, wer immer grad zu mir kanal, selbst am Sonntagmorgen hörst du in dumpfer Schuld. tung der Familiengrenzen als Erster vorge-
herüberblickt. da kein Si­gnal. Ich hätte es mir nicht so intensiv wün- schlagen, und ich schäme mich auf einmal
Natürlich bleibe ich an dem Tag fast eine schen sollen, dass da was passiert. Es war sehr und gehe zurück in meinen Raum.
Stunde länger in der Firma. Auf dem Fens- Dabei ging es mir gerade so gut die letzten Eine uralte Erinnerung stellt sich ein, an eine auch nicht so gemeint. Vielleicht sogar nach der Operation,
terbrett meines Zimmers entdecke ich einen Wochen. Und jetzt das. Liste zeigen. Ich hab schneeweiße Katze, die Konrad hieß, damals Ich überlege, Albert eine Mail zu schrei- denke ich.
mysteriösen Löffel. Irgendjemand muss ihn einfach nicht die Haut für so was, denke ich. zu Hause in Graz. Dann das Plakat einer ben. Aber die mit der Liste ist immer noch Verstehe.
hierhergebracht haben. Ich lasse sonst immer Es wird mir das Herz zerreißen. Weil was, Afrika-Ausstellung. Und ein Regenschirm nicht gekommen, also geht auch das nicht. Also so einer ist das.
die Finger von Löffeln. wenn da wirklich so extrem an die Substanz liegt in einem Strauch auf der Pirsch. In den Weil, keine Ahnung. Fühlt sich einfach Alles klar. Unendliche Liste. Hab ich
Als ich mich einigermaßen sicher fühle, gehende Dinge drinstehen, wie, was weiß ich, Nebengassen gibt es hier lauter so kniehohe falsch an. Mein Gott, der arme Junge. Was mir fast gedacht.
gehe ich hinaus auf den Parkplatz. Jetzt, wo zum Beispiel, was ein Türspion ist. Sagen wir, Häuser mit Krempen statt Dächern, sie sind ist mit ihm? Ich stelle mir irgendwas wie
kaum Autos hier stehen, sieht man die drei der Junge liebt Türspione. Oder welche mir noch nie richtig aufgefallen. Manche epileptische Anfälle vor, vielleicht mitten in Clemens J. Setz, 37, ist in der Brigittenau in
ausgebleichten Tennisbälle, die normaler- Marmeladenmarke die beste ist, aber nicht Ecken enthalten noch dieses Alt-Wien- der Nacht, aus dem Nichts. Wien in Quarantäne. Jeden Tag sieht er
weise von ihnen verdeckt bleiben. Sie liegen vom Geschmack, sondern vom Klang her. Aroma, sonnige Plätze und rankenverwach- Die silberne Klammermaschine in mei- zwei Krähen im Baum vor dem Fenster bei
weit über den Parkplatz verteilt, als wüssten Oder welcher Fußballmannschaft er folgt sene Mauern, hinter denen große Gemein- ner Hand macht »Angangangang«. Zur Zeit ihren komplexen Entscheidungen zu.
sie von­ein­an­der. Sie gehören schon irgendwie und aus welchem Grund. Wie man den schaftspraxen geführt werden. Und überall der Mittagspause bleibe ich bleiern in mei- Zuletzt erschien sein Erzählungsband »Der
dazu, zu allem hier. Aber nach dem nerven- Daumennagel zusammendrücken muss, da- schöne mittelalterliche Namen. Apotheke nem Sessel sitzen und esse einen der Mars- Trost runder Dinge« im Suhrkamp Verlag
aufreibenden Nachmittag brauche ich etwas mit dieses wet­ter­leucht­arti­ge Weiß am oberen zur Posaune, Apotheke zur Murmel, Apo- Riegel, die ich als Gnadenration in meiner
Beistand, also hole ich mir einen von ihnen Rand erscheint. Was, wenn der Junge einer theke zum Eisenhans. Schublade aufbewahre. AA www.zeit.de/audi
und trage ihn ins Auto. Er passt genau in den dieser ewigen Poeten ist.
Becherhalter. Mir fällt dazu diese entsetzliche Geschich- ANZEIGE
te ein, die ich einmal gelesen habe. So ein
Auf der Heimfahrt höre ich Radio, laut auf- Artikel in einer Zeitschrift. Da war ein tod-
gedreht, und versuche mitzusingen. Vorm krankes Kind, das von seinem Kranken-
Brigittenauer Bad wird gerade die Straße auf- hausbett aus nur immer denselben Ausschnitt
gestemmt und der Verkehr umgeleitet, und der Welt sehen konnte und sich aber dum-
da hilft der Gesang sogar ein wenig. merweise weiße Weihnachten wünschte.
Beim Einkaufen dann suche ich in der Draußen aber lag noch kein Schnee. Also
Warteschlange vor der Kassa nach Akustikus- wurde ihm dieser Wunsch erfüllt, indem »alle
Neurinomen im Internet. Mich interessiert, Leute zusammenkamen« und über Nacht die

GELD-
wie groß die werden können. Aber es gibt
keine guten Bilder. Insgesamt wirkt diese
unmittelbare Umgebung des Hospitals, also
nur den Sichtausschnitt, über den das Kind
JETZT
Tumorart wie eine sehr private Angelegen-
heit. Die Leute verraten nicht viel. Ein Mann
verfügte, mit Kunstschnee bedeckten. Ein
potemkinscher Wintermorgen. Ich weiß
NEU
neben mir betrachtet auf seinem Handy ganz noch, wie ich mich beim Lesen des Artikels
ähnliche Bilder. in einen großen Hass auf die Menschheit
Ich schaffe es bis nach dem Abendessen, hineinsteigerte.

ANLAGE
meine Arbeitsmails nicht zu kontrollieren. Und irgendwie habe ich die Befürchtung,
Ich sage mir: Wenn die Nachricht da ist, dass das hier ähnlich verlaufen könnte.
bedeutet das ja nicht, dass ich sie sofort Mein Gott, ich halt das nicht aus.
öffnen muss. Aber ich wüsste ganz gern, Keine neuen Mails.
dass sie da ist.
Frechheit, das alles. Was wird wohl der Beim Frühstück denke ich mir, es wird si-
erste Punkt in der Liste sein? Das will ich cher lauter so dreizehnjähriges Herzzeugs
natürlich nicht wissen. Aber, o Gott, ich drinstehen, wo man elend mitstirbt bei je-
wette, es ist irgendwas mit seiner Mama.
Zum Beispiel wie sie heißt, mit Vornamen.
der Zeile: die Sonne, der Name meiner
Lieblingsband, alle meine PIN-­Codes und
Treffen Sie bessere Entscheidungen
n
Das wissen nämlich überraschend viele Kin- Passwörter, die Namen der Geschwister, zu Ihren Finanzen.
der oft nicht. Wobei, mit dreizehn ... Aber irgendwas mit Pokémon und noch mehr
was mir momentan am lautesten durch den so extrem intime Dinge. Ich wette, Albert
Kopf geht, sind diese drei Tage, die Albert will es mir einfach aus Hilflosigkeit zeigen,
erwähnt hat. Ich versuche mir vorzustellen, aus Zerrüttung. Wahrscheinlich hält er es
wie das abgelaufen sein muss. Der Dreizehn- nicht aus. Die Märkte sind in Aufruhr. Wir geben klare Empfehlun
ngen,
jährige wahrscheinlich den ganzen Tag total Ich spiele mit der Vorstellung, dass die wie Sie mit der Krise umgehen und Chancen nutzen kö önnen.
aggro und verzweifelt am Aufzählen, und der Mail eintrifft und ich sie anklicke, und es Exklusive Geldanlage-Informationen und die besten Arrtikel
arme Vater schreibt mit und schreibt mit und ist gar keine Liste, sondern ein Kündi- aus dem Handelsblatt – jeden Donnerstagmorgen per E-Mail
lobt und hebt hervor, und das ohne Pause gungsschreiben, mit Briefkopf der Firma, direkt in Ihr Postfach geliefert.
drei Tage lang, fuck. vom Chef unterzeichnet, als eingescanntes
PDF. Denn es stellt sich heraus, dass Albert
Heute ist Dienstag, denke ich, also müssen schon vor einer Woche entlassen worden
diese drei Tage, ja, genau, das letzte Wo- ist. Und später kommt er zu mir ins Büro,
chenende gewesen sein. Was habe ich da und ich sage, Albert, was sollte das mit der
gemacht? War einkaufen, am Samstag. Liste, hier ist bloß dieses PDF, ähm – und
Und am Sonntag war ich mit dem Rad er sagt nur so was wie zehn Jahre, puffff,
oben bei Klosterneuburg, die Donau ent- einfach weg, zehn Jahre hab ich für diese
lang immer weiter nach Norden, Vögel Firma, und jetzt werfen sie mich einfach
suchen. Ich hatte sogar einen Hut dabei. raus. Und ich so: Albert, was soll das. Und
Und während dieser ganzen Zeit bei er so was wie: Bevor du jetzt losbrüllst, ich
Albert zu Hause: Listenterror. hab nichts Tödliches ausgewählt, weil das
Kompletter Irrsinn. wär auch für mich die Grenze, okay? Aber Jetzt testen:
Was muss das für ein Kind sein? Ich wet- Akustikus-Neurinom, das ist total gutartig,
te, es hat einen total runden Kopf. Und die- da stirbt keiner dran, das operierst du ein- handelsblatt.com/geldanlage
sen gläsernen Blick, direkt in die Seele, wie fach weg. Also lass mich in Ruhe von we-
auf diesen Plakaten vom Hilfswerk. Der gen Karma und so, ich hab nichts verhext.
Junge erinnert sich wahrscheinlich andau- Und er erklärt, dass er einfach erreichen
ernd an Dinge vor seiner Geburt und fragt wollte, dass ich das Kündigungsdokument Ein Angebot der Handelsblatt GmbH, Toulouser Allee 27, 40211 Düsseldorf.
dann mit so leicht schief gehaltenem Kopf mit erhöhter Aufmerksamkeit durchlese.
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2. A P R I L 2 0 2 0 DIE ZEIT No 15 61
ENTDECKEN

F
ast habe ich es geschafft: Vor mir breitet sich ein ­Ozean aus, dessen geraten. Und blicke, oben angekommen,
Meine Zehen graben sich in Farben zwischen Türkis, Aquamarin und auf schneebedeckte Bergspitzen und grün-
den feuchten Sand, die Dunkelblau changieren. Der Gedanke ans blaue Seen. Die Aussicht ist wirklich schön,
Abendsonne wärmt mein Meer beruhigt mich, ich meine sein Rau- aber mit der Stimme des Sprechers kann ich
Gesicht. Ich kann das salzige schen zu hören und spüre den warmen Sand mich immer noch nicht anfreunden. Als
Meer riechen und die Wel- unter meinen Füßen. Als Behrendt sagt, dann noch vor meinen Augen ein Stück des
len hören, die an den Strand dass im Meer Delfine auftauchen und mich Perito-Moreno-Gletschers in den eisblauen
rollen. Dann macht mein Mobiltelefon begrüßen, denke ich kurz an eine kitschige See bricht, fürchte ich, dass diese Reise nicht
»Pling!« und katapultiert mich zurück in Delfin-Karte mit Glitzerelementen, bilde gut für mich ausgehen könnte, und schlage
mein Wohnzimmer in Hamburg-Eims- mir dann aber tatsächlich ein, in der Ferne die Augen auf.
büttel. Ich habe vergessen, die Push-Mit- meditative Walgesänge zu hören. Dann Ich spiele ein paar Runden Quizduell
teilungen eines Coronavirus-Newsblogs ertönt das »Pling!« der Pushmitteilung – gegen meinen Mitbewohner, bevor ich mich
auf lautlos zu stellen, bevor ich auf Fanta- und anschließend schaffe ich es nicht mehr meinem Highlight widme, das ich mir bis
siereise gegangen bin. Blinzelnd öffne ich so recht zurück nach Lemurien. »Am Ufer zum Schluss aufgehoben habe: Marrakesch!
die Augen. Statt auf Sand liege ich auf ei- eines Sees empfangen dich freundlich lä- Um mich in Stimmung zu bringen, reibe
ner pinken Yoga-Matte zwischen meinen chelnde Lebewesen«, sagt Behrendt, worauf ich mir vor der Reise noch Son­nen­creme
weißen Ikea-Möbeln. Hier gibt es kein ich mich frage, ob Tiere lächeln können, auf die blasse Nase, zünde ein paar Räucher-
Meeresrauschen, nur das leise Schnarchen und mir grinsende Einhörner vorstelle. »Die stäbchen an und drehe die Heizung bis zum
meines Mitbewohners auf dem Sofa; statt Liebe und Harmonie dieser Lebewesen Anschlag auf. Meine Tour beginnt zwischen
Südsee-Sonne brennt ein Teelicht. Zwar überträgt sich auf dich, und du spürst eine Kakteen und Palmen im Jardin Majorelle,
versucht eine Frauenstimme, mich sanft tiefe Liebe zu dir selbst und zu dem Ort, an dem Botanischen Garten. Dann stelle ich
zurück nach Lemurien zu locken, einem dem du gerade bist.« Das ist mir zu viel, ich mir vor, wie ich in einem Sommerkleid zu
mythischen Kontinent zwischen Mada- spüre auch keine Liebe. Als dann noch von einer kobaltblauen Villa schlendere, die den
gaskar und Indien mit Kristallhöhlen und Mode-Designer Yves Saint Laurent einst zu
blumenumrankten Pfaden. Doch jetzt seinen Kollektionen inspirierte. Ich atme
frage ich mich: Hätte ich den USB-Stick, Lavendel- und Orangenduft ein und freue
auf den mir die Hamburger Entspan- »Nie quatscht mich, als Behrendt mich in die schmalen
nungstrainerin Corinna Behrendt diese Gassen des Souks führt. Dort sehe ich
Fantasiereise gesprochen hat, vor dem An- mich jemand blöd leuchtende Stoffe und glänzenden Silber-
fassen vielleicht desinfizieren sollen? schmuck, rieche unzählige Gewürze – be-
Fantasie-, Traum- oder Märchenreisen von der Seite an« obachte Touristen und Händler, die um
werden eigentlich in der Verhaltenstherapie Preise feilschen. Nie quatscht mich jemand
gegen Ängste und Schmerzen eingesetzt. blöd von der Seite an, nie werde ich ange-
Beim Zuhören, habe ich im Internet gelesen, einem Tempel mit übergroßer Kristallkugel rempelt. Ich lasse mich weitertreiben durch
sollen vor dem inneren Auge Bilder auf- in der Mitte die Rede ist und ich »von innen die labyrinthartigen Sträßchen der mittel-
scheinen; im Kopf hört, riecht und heraus leuchten« soll, breche ich ab. Leuch- alterlichen Stadt, laufe in Richtung Kou-
schmeckt man das imaginäre Reiseziel. Auf ten möchte ich grundsätzlich nicht. toubia-Moschee, passiere Schlangenbe-
diese Weise soll ein innerer Wohlfühlort ent- Stattdessen suche ich mein Glück in schwörer, lausche dem Gesang des Muez-
stehen, den man zum Beispiel in Belastungs- Patagonien. Wieder gibt es Klangschalen, zins. Von der Dachterrasse eines Cafés aus
situationen immer wieder aufsuchen kann. dazu diesmal eine männliche Stimme: »Ich sehe ich das Atlasgebirge und noch mal den
So eine Reise täte mir gerade gut. Ich möchte dich einladen, mit mir auf eine Markt von oben, wie er im warmen Licht
brauche Urlaub von der Isolation, we- Reise zu gehen.« Ich erschrecke ein wenig, der Abendsonne in bunten Farben leuchtet.
nigstens im Kopf. Im Netz bin ich auf die denn die Stimme klingt wie die eines Sek- Dann schlafe ich ein.
Seite von Corinna Behrendt gestoßen, die tenführers am Tor zur Unterwelt. »Durch Stunden später lese ich auf meinem
individualisierte Fantasiereisen anbietet. das Fenster des Flugzeugs«, geht es weiter, Handy eine Nachricht: »Du gehst nicht
Weil ich schon immer mal nach Marokko »siehst du unter dir klare Seen und schnee- ans Telefon«, schreibt eine Freundin, »wo
wollte, bitte ich sie darum, für mich einen bedeckte Berge.« Ich folge der Stimme in bist du denn?« – »War in Marrakesch«,

Bin trotzdem weg


Marrakesch-Trip einzusprechen. Außer- ein Café, wo mir ein Kakao serviert wird, antworte ich, »ist schön da!«
dem bin ich neugierig auf das Fantasie- der Kindheitserinnerungen wecken soll.
land Lemurien, das sie standardmäßig im Gerade versuche ich, mir den Geschmack Diese Reisen gibt es:
Programm hat. Behrendt schickt mir von Schokolade vorzustellen, da sagt die Corinna Behrendt bietet individuell
beide Reisen auf USB-Sticks. Auf der Stimme: »Indem du die klare Luft atmest, zugeschnittene Klang- und Fantasiereisen
Web­site eines Klangzentrums bestelle ich fühlst du dich lebendig wie niemals zuvor.« per Skype an, oder auf Bestellung via
außerdem noch eine Rundreise nach Pa- Das verwirrt mich, schnell laufe ich in mei- USB-Stick: mitherzundklang.de, 80 Euro
Illustration: Monja Gentschow für DIE ZEIT

tagonien: Eine Kollegin hat mir vor ein nen Gedanken mit dem Kakao in der Hand Andreas Kreutzfeldt leitet Seminare (und
Reisen geht gerade nicht? Kommt auf die eigene Fantasie an. paar Wochen Bilder von weiten Steppen vor die Tür. Als ich gerade einatmen will, Webinare), bei denen man lernt, eigene
und verschneiten Gipfeln dort gezeigt. spricht die Stimme schon weiter: »Gemein- Klangreisen zu schreiben. Er verschickt
MIRIAM DAHLINGER bucht akustische Trips nach Patagonien, Marokko und Erwartungsvoll stecke ich als Erstes den sam machen wir uns auf den Weg, einen Fantasiereisen auch als Audiodatei für
Lemurien und versucht, von der Yoga-Matte aus abzuheben schwarzen USB-Stick, auf dem von Hand kleinen Berg zu erklimmen«. Na gut, dann 8,90 Euro: peter-hess-zentrum-sachsen.de
»Lemurien« geschrieben steht, in das Lauf- lasse ich den Kakao eben hier, denke ich Sabine Ostermann schreibt individuell
werk meines Laptops. Bevor die Reise be- trotzig und verzichte darauf, die Rechnung zugeschnittene Fantasiereisen und liest
ginnt, soll ich zu hohen und tiefen Tönen zu bezahlen. Anschließend freue ich mich diese in ihrer Praxis vor – nach Absprache
von Klangschalen ein- und ausatmen. Nach darüber, dass ich zum ersten Mal einen aber auch per Skype oder am Telefon:
acht Minuten geht es endlich zum Strand. Gipfel erklimme, ohne aus der Puste zu seelenlicht-isenbuettel.de, 60–180 Euro

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62 2. A P R I L 2020 DIE ZEIT No 15
ENTDECKEN

Leben
Was mein

reicher macht
Du siehst aus, wie ich mich fühle
Vor unserer Terrasse steht ein üppiger Kugel-
ahorn. Auf dem treffen sich jeden Tag zwi-
schen sieben und acht Uhr ungefähr 20 Spat-
zen zur Morgenbesprechung. Lautes Palaver,
dann fliegen sie in alle Richtungen fort.
Robert Sega, Neulengbach, Österreich

In dem Kräutertopf, den ich eigentlich ent-

Das Rosetten-Meerschweinchen Mo ist fünf Jahre alt und lebt in Bournemouth an der Südküste Großbritanniens. Er teilt sich seinen Käfig mit seinem Bruder Marley. Fotografiert von James Kelly
sorgen wollte, zwischen den verdörrten Pflan-
zen aus dem Vorjahr plötzlich wieder Schnitt-
lauch und Minze austreiben zu sehen.
Maria Engeßer, Regensburg

In diesen Tagen erinnere ich mich oft an die


Stille im April 1945. Es gab keinen Fliegeralarm
mehr, keine Bombergeschwader, keine Detona-
tionen, kein gedrängtes Sitzen im Luftschutz-
keller, aber auch keine Stimmen auf den Straßen,
nur Vogelgezwitscher im glitzernden Frühlings-
sonnenschein – denn die Amerikaner hatten nach
der Eroberung unserer kleinen Stadt eine Aus-
gangssperre verordnet.
Um der Stubenhaft zu entkommen, richtete ich
mit meiner Freundin im Nachbarhaus eine stille
Post ein: Ein Bindfaden von ihrem Klofenster zu
W IE E S W I RK L I C H I ST unserem Dielenfenster trug unsere – vermutlich
nicht sehr weltbewegenden – Nachrichten in
einem Körbchen hin und her.

... Gold zu Susanne Kauffmann-Kramer,


Rösrath, Nordrhein-Westfalen

vergraben Ich blicke mit meiner Mutter aus dem Kü-


chenfenster in den Garten, was die Bemerkung
auslöst: »Die Forsythie – jetzt blüht se.« Wir

D
müssen schmunzeln und an meinen Vater
ie erste Dose versteckte ich im Garten denken, der immer gern reimte und sicher
meiner damaligen Freundin. An ei- seinen Spaß daran gehabt hätte.
nem Abend im Herbst hob ich mit Sophie Wagner, Brombachtal, Hessen
einem Spaten die Grasdecke ab und
grub ein Loch. Der Garten war einer von drei Samstagnachmittag. Ich beschließe, dem Gefäng-
Orten, an denen ich eine Tupperdose mit Silber- nis unserer Schöneberger Altbauwohnung durch
barren und Goldmünzen vergrub. Die Münzen ein wenig Jogging zu entfliehen. Ich habe das
hatte ich bei Banken und Privatleuten gekauft: Haus gerade verlassen, da höre ich Gesang – und
südafrikanischer Krügerrand, kanadischer ­Maple sehe Anna Prohaska, die auf dem Balkon eines
Leaf, österreichische Philharmoniker und Ame- Nachbarhauses eine Arie aus Idomeneo singt. Am
rican Gold ­Eagle. Abend wäre Premiere in der Staatsoper gewesen.
Mit Geldanlagen beschäftige ich mich seit Thomas Gruber, Berlin
meinem Philosophie-Studium Ende der Neun-
zigerjahre. Damals bin ich an die Börse, habe Meine 89-jährige Oma ist vor einiger Zeit fast
auf fallende Kurse gewettet, hatte Glück und gänzlich erblindet. Am meisten leidet sie darun-
habe viel Geld verdient. ter, dass das Kreuzworträtseln nicht mehr geht.
Der Kauf und Verkauf von Aktien finan- Und jetzt können wir sie nicht einmal besuchen!
zierte mein Studium. 2005 bin ich dann auf Da kam mir die Idee, gemeinsam mit ihr am
die Idee gekommen, meine Geldanlagen brei- Telefon ein Rätsel zu lösen. Und tatsächlich, die
ter zu verteilen. Gold schien mir praktisch, weil
es eine der ältesten Währungen ist, die interna-
Folge 199 Antworten kamen wie aus der Pistole geschossen.
Am Ende fehlte uns noch ein Wort. »Eine Sache
tional akzeptiert werden. mit Haken«. Mit P am Anfang und -USS am
Zwei Drittel meiner Münzen habe ich im Ende. »Pferdefuß!«, rief sie aus.
Tresor zu Hause gelagert, den Rest vergraben. Glückseligkeit an beiden Enden der Leitung!
Mir war klar, dass das keine sichere Methode MEIN WORTSCHATZ Nicole Flügel, Schwülper, Niedersachsen
ist, aber ich war schon immer neugierig und
habe gerne Dinge ausprobiert, auch um zu
lernen. Als ich im Garten meiner damaligen Korona Kommentar meines dreijährigen Enkels beim
Anblick der neuen Zahnpastatube: »Ein
Freundin das Loch grub, bin ich immer wie- Hamsterkauf!«
der auf handgroße Steine gestoßen, die ich
Von der Berichterstattung über das Coronavirus überrollt, taucht ganz unvermittelt eine Regine Hansen, Bielefeld
herausheben musste. Bei einer Tiefe von 40 Kindheitserinnerung auf. Meine Mutter erzählte gern von den herrlichen Wintertagen, die sie »mit der
Zentimetern habe ich aufgehört. Ihre Mutter ganzen Korona« im Harz verbrachte. Gemeint waren ihre Lehrerkollegen aus Gandersheim, mit denen
hat mich von einem Fenster aus kurz gesehen. sie in jungen Jahren gemeinsam Ski zu laufen pflegte. Laut Duden bezeichnet Korona eine fröhliche Runde –
Das war mir aber egal, ich habe ihr sogar noch
gewinkt. was für ein Kontrast. Hoffen wir, dass wir alle bald wieder in Korona zusammen sein können.
Die zweite Stelle war ein Aussichtspunkt in Dorothee Leitlein, Ludwigsburg
der Nähe von Essen, man steht zwischen zwei
Bäumen und sieht auf die Ruhr. Hier hatte ich In unserem Vorort gibt es zum Glück noch eine
als Schüler mein erstes Gedicht geschrieben.
Der Boden war lehmig und schwer. Es begann
Gehege »richtige« Buchhandlung. Man wird persönlich
beraten, kann aber auch online Bücher zum Ab-
zu regnen. Ich habe die Dose reingeworfen und In meiner Kindheit pflegten wir Störenfriede mit dem Satz »Komm mir nicht ins Gehege!« holen bestellen. Leider musste das Geschäft nun
das Loch zugeschüttet. Maximal 20 Zentimeter wegen der Corona-Krise vorübergehend schlie-
war das tief – richtig dämlich, das habe ich aber in die Schranken zu verweisen. Heute findet man ­Gehege fast nur noch in Tierparks. Doch der Begriff, ßen. »Wie komme ich jetzt an mein Buch?«,
erst Jahre später begriffen. Die dritte Dose habe der sich vom germanischen »haga« ableitet und eine Geländeumfriedung durch Ruten oder frage ich am Telefon. »Kein Problem! Sie können
ich in einem Wald vergraben, durch den ich oft (Dornen-)Hecken bezeichnet, ist auch in vielen Ortsnamen (von Hagen bis Den Haag) erhalten. es in der benachbarten Apotheke abholen, dort
wandere, wenn ich im Urlaub bin. haben wir die Bestellungen hinterlegt.« Merke:
Fünf Jahre später war der Goldpreis so stark Und gerade jetzt, wo wir wegen der Corona-Krise zu Hause bleiben und ein striktes Kontaktverbot Auch ein Buch kann Leben retten!
gestiegen, dass ich meine Schätze verkaufen einhalten müssen, ist auch der Satz »Komm mir nicht ins Gehege« plötzlich wieder aktuell. Wolfgang Richrath, Frechen
wollte. Eine Karte habe ich nie gemalt, und auf Roland Pieper, Münster
den Zentimeter genau konnte ich mir die Stel- Ausgangssperre in Paris. Meine Frau steckt in
len damals natürlich nicht merken. Als ich Deutschland fest, also muss ich die Kinder bei
auch am dritten Ort nichts fand, begann ich zu Laune halten. Mein Siebenjähriger sagt: »Heute
zweifeln. Hatte sich der Boden verschoben? Abend spricht Angela Merkel!« Ich erwidere: »Ja,
Statt großflächig zu graben, habe ich mir einen aber das Skript wurde schon veröffentlicht, sie
Metalldetektor gekauft. Er piepte, als ich ihn Z EITSP RUNG sagt im Grunde ...« Er unterbricht mich: »Sag
über das Moos im Garten schwenkte. Ich fing nichts! Dann wird’s ’ne Überraschung!«
an zu graben. Statt meines Golds fand ich aber
nur rostige Nägel. Ich frage mich bis heute, wo Vorher/Nachher: Stundenplan Boris Ruf, Paris, Frankreich

es geblieben ist. Meine Frau starb an einem Herzinfarkt – mitten


in der Nacht, nachdem sie gerade einen ersten
Infarkt erfolgreich überstanden hatte. Ich stand
unter Schock.
Wenig später flog ein Marienkäfer auf meine
Jacke. »Blödes Vieh, bei mir bist du beim Fal-
schen!«, dachte ich. Doch im selben Moment
kam mir ein anderer Gedanke: Was haben wir
Glück gehabt, dass sie ohne langes Leiden gehen
Robert Velten, 40, durfte! Genau das hatte sie sich immer ge-
arbeitet als Fondsmanager und wünscht. Ich dankte dem Käfer, der mir die
investiert mittlerweile lieber in Augen geöffnet hatte.
Klaus Konagel, Hannover
Aktien und Immobilien statt in Gold

Aufgezeichnet von Theresa Tröndle


Machen Sie mit!
Bis vor Kurzem galt für unsere Kinder der normale Stundenplan. Schreiben Sie uns, was Ihr Leben reicher macht,
teilen Sie Ihre »Wortschätze« und
Als dann die Schulschließung bekannt gegeben wurde, haben die beiden direkt
Wenn Sie in unserer Rubrik »Wie es wirklich ist« »Zeitsprünge« mit uns.
Foto: privat

berichten möchten, einen neuen ­erarbeitet. Und bisher halten wir uns alle daran ...
Beiträge bitte an leser@zeit.de oder an
melden Sie sich bei uns: wirklich@zeit.de Constanze Marambio, Aachen Redaktion DIE ZEIT, »Z-Leserseite«, 20079 Hamburg

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