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Editorial 3
Titelbild:
© shutterstock
2 2/20 www.aefu.ch
Editorial
Liebe Leserin
Lieber Leser
Seit Jahren verfechten die Ärztinnen und Ärzte beruhigt nicht (Beiträge Ullrich, S. 12; Belpoggi,
für Umweltschutz (AefU) das Vorsorgeprin- S. 17; Wick, S. 21). Die Entwicklung von 6G mit
zip, auch beim Mobilfunk. Letzten April ist der Terahertz-Wellen ist auch schon im Gange.
Bundesrat den Argumenten der AefU gefolgt.
Er wird die Antennen-Grenzwerte – zumind- Es ist die Aufgabe von Politik und Behörden,
est vorläufig – nicht erhöhen, wie das die Mo- die Bevölkerung vorsorglich vor unerforschten
bilfunkbranche seit Jahren verlangt. Unser und vermeidbaren Risiken zu schützen. Sie
Vorstandsmitglied Dr. med. Edith Steiner und dürfen sich nicht von künstlicher Hektik jagen
die AefU-interne Arbeitsgruppe ‹nichtionisier- und mit «digitaler Steinzeit» drohen lassen.
ende Strahlung NIS› hatten ihren Anteil an Denn, stellte das Europäische Parlament fest, es
diesem Prozess. Das Heft beginnt mit einem his- wäre im Sinne der Branche, die politischen Ent
torischen Bogen des AefU-Engagements für vor- scheidungsträger würden glauben, es gäbe einen
sorgliche Grenzwerte (Beitrag Steiner, S. 6). In Wettlauf zwischen den Nationen um die früheste
der AefU-Position ‹Mobilfunk und Strahlung› Einführung von 5G-Diensten. Dieser Lauf ist zu
bringen wir unsere Forderungen für eine mini- heiss. Die AefU wollen unabhängige Forschung
male Mobilfunkbelastung der Bevölkerung auf über die Gesundheitsfolgen der Mobilfunkstrah
sechs Punkte. Sie finden sie in der Mitte dieses lung. Das braucht Zeit. Die wollen die AefU ihr
Heftes zum Herausnehmen (www.aefu.ch/elek- verschaffen.
trosmog/aefu_position-nis, falls sie schon jemand
mitgenommen hat). Wir sind längst eine Informations- und Kom-
munikationsgesellschaft. Aber von einer inten-
Wollten Sie immer schon von unterwegs mit siven Auseinandersetzung mit den gesundheitli-
Ihrer Waschmaschine reden? Das Nachtlicht chen und sozialen Folgen ihrer Technologien sind
im Kinderzimmer für «smartes Einschlafen» wir weit weg (Beitrag Hutter, Kundi, Moosham-
via eine App fernsteuern? Ihre Lieblingsmusik mer, S. 24). Apropos digital: Die umfangreichen
hören, sobald sie daheim über die Schwelle Literaturnachweise haben wir diesmal online
treten? Nicht? Dann sind mit Ihnen schlechte gestellt. Sie hätten hier (zu) viele Seiten gefüllt.
5G-Geschäfte zu machen. Solche aber sucht die
Branche. In den Worten von Swisscom-Chef Urs Das Heft beginnen wir aus Freude an Nach-
Schaeppi Anfang Juni in ‹Der Hauseigentümer›: Corona mit dem offenen Brief, den die AefU mit
«Niemand weiss heute, welches die nächste 350 Umweltschutz- und Gesundheitsorgani-
grosse Anwendung ist. Aber klar ist, dass 5G den sationen aus aller Welt an die G20-Staaten ge-
Grundstein für alltagsprägende Innovationen schickt haben – und wir auch an den Bundesrat.
legt». Wer wartet also wofür auf 5G (Beitrag
Zbornik, S. 9)? Nun wünsche ich Ihnen gute Lektüre und da-
nach fröhliches Verkabeln Ihrer mobilen Geräte
Was werden die Millimeterwellen, die 5G daheim und am Arbeitsplatz.
so rasend schnell machen sollen, mit uns tun?
Wie wird der Körper langfristig reagieren, wenn
die adaptive Antenne ständig nach uns sucht
und uns mit ihren blitzschnellen Beams trifft?
Schon bei 2G, 3G, 4G, die seit Jahren strahlen,
wissen wir es kaum. Was endlich erforscht wird, Stephanie Fuchs
PS: Mobilfunk war auch Thema in den Ausgaben OEKOSKOP 4/19, 2/19, 4/17, 1/16.
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Offener Brief an die G20-Staaten und den Bundesrat
gesunde Genesung
der Wirtschaft
Martin Forter, AefU Die Konjunkturprogramme gegen die Corona-Krise
In den nächsten Monaten werden die Re- für Umweltschutz (AefU) haben mitunter-
gierungen der G20-Staaten (s. Kasten) schrieben und verlangen Gleiches vom Bun-
und ebenso der Schweizer Bundesrat die desrat.
Wirtschaft mit enormen Investitionen in
die Gesundheitsversorgung, den Verkehr, Corona traf auf
die Energieerzeugung und in die Land- vorbelastete Menschen
wirtschaft stützen. Diese Konjunkturpro- Die Gesundheitsorganisationen schreiben
gramme müssen den Schutz der Umwelt zur Corona-Krise: «In kurzer Zeit haben wir
und die Gesundheitsförderung sicherstel- Tod, Krankheit und psychische Belastung
len. Das fordern Gesundheitsorganisationen erfahren, auf einem seit Jahrzehnten nicht
aus 90 Ländern mit über 40 Millionen Mit- mehr erlebten Niveau. Diese Auswirkungen
gliedern in einem offenen Brief an die G20- hätten teilweise durch angemessene Inves-
Regierungen.1 Die Ärztinnen und Ärzte titionen in Pandemie Prävention, öffent-
liche Gesundheit und Umweltverantwor-
tung gemildert oder möglicherweise sogar
1
https://healthyrecovery.net/letter/dt/. Den Brief an die verhindert werden können. Wir müssen
G20 haben Angehörige der Gesundheitsberufe verfasst.
Es unterstützen ihn z. B. die internationalen Organi- nun aus diesen Fehlern lernen, um stärker,
sationen ‹Global Climate and Health Alliance›, ‹Every
Breath Matters› und die Weltgesundheitsorganisation gesünder und belastbarer» aus dieser Krise
WHO. Aus der Schweiz sind fünf Organisationen dabei. herauskommen.
2
www.newscientist.com/article/2219981-how-deadly-
disease-outbreaks-could-worsen-as-the-climate-changes/
3
www.irena.org/newsroom/pressreleases/2020/Apr/ Widerstandskraft fördern
Renewable-energy-can-support-resilient-and-equitable-
recovery Damit der Wiederaufbau eine gesündere
4
www.medicalforum.ch/article/doi/smf.2019.08079 Wirtschaft hervorbringt, sollen die G20-
www.who.int/news-room/detail/02-05-2018-9-out-of- Staaten und ebenso die Schweiz «intelligen-
5
10-people-worldwide-breathe-polluted-air-but-more-
countries-are-taking-action tere Anreize im Dienst einer gesünderen,
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Offener Brief an die G20-Staaten und den Bundesrat
widerstandsfähigeren Gesellschaft» schaf- sundheitsbedrohungen für bereits gefähr- ventionen für fossile Brennstoffe abschaffen
fen. dete Bevölkerungsgruppen.2 und die Produktion erneuerbarer Energien
Dazu müssen wir die Verschmutzung systematisch fördern, «wäre unsere Luft
der Luft und des Wassers stoppen. Ebenso Klimaschutz: fossile sauberer und die Treibhausgas-Emissionen»
dürfen wir den ungebremsten Klimawandel Energiequellen ersetzen würden «massiv abnehmen». Dadurch
und die fortschreitende Entwaldung nicht Würden die G20-Regierungen und mit könnten die G20-Staaten bis 2050 einen
weiter zulassen. Sie bedeuten u.a. neue Ge- ihnen die Schweiz beispielsweise die Sub- wirtschaftlichen Aufschwung mit einem
«globalen BIP-Gewinn von fast 100 Billionen
US-Dollar»3 generieren.
Luftreinhaltung: Millionen
vorzeitige Todesfälle vermeiden
Die Luftverschmutzung erhöht das Risiko
und die Schwere von Lungenentzündungen,
chronisch obstruktiven Lungenkrankheiten,
Lungenkrebs, Herzkrankheiten und Schlag-
anfällen. Dafür sind auch in der Schweiz der
Auto- und Lastwagenverkehr, das Heizen
der Häuser, die Verbrennung von Abfällen
und die industrielle Landwirtschaft verant-
wortlich. Bei uns sterben deshalb jährlich
2200 bis 3000 Personen vorzeitig4, weltweit
sind es sieben Millionen Menschen5. Luft-
verschmutzung kann ausserdem ein niedri-
ges Geburtsgewicht und Asthma bei Neuge-
borenen bewirken.
«Gesunde Gesellschaft»
«Was die Welt jetzt braucht, ist eine gesunde
Genesung (#HealthyRecovery)» schreiben
wir Gesundheitsorganisationen an die Re-
gierungen. Ihre Konjunkturpläne müssen
ein Rezept genau dafür sein: Der Gesund-
heitsschutz orientiert sich konsequent an den
Verletzlichsten, die Arbeitswelt schont Natur
und Umwelt, FussgängerInnen, Radfahrende
und der öffentliche Verkehr erhalten Vorrang,
Gewässer und Himmel sind geschützt und
werden wieder sauber. Die Natur gedeiht
und unser Körper ist widerstandsfähiger ge-
gen Infektionskrankheiten.
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Vorsorgeprinzip gilt auch für Mobilfunk
Antennen-Grenzwerte
gerettet
Edith Steiner, AefU Seit Jahren attackieren die Netzanbieter die Grenzwerte
Im Umweltschutzgesetz gilt das Vorsorge- ICNIRP-Empfehlungen Wohn-, Kranken- und Schulzimmer sowie
prinzip: Um die Menschen zu schützen, schützen unzureichend gewisse Kinderspielplätze. Am 1. Februar
begrenzt es Emissionen soweit «als dies 1998 publizierte der private Verein ‹Interna- 2000 trat die NISV in Kraft.
technisch und betrieblich möglich und tionale Kommission für den Schutz vor nicht-
wirtschaftlich tragbar ist».1 ionisierender Strahlung› ICNIRP3 Grenz- Der Kampf ums Vorsorgeprinzip
Ende der 1990er-Jahre wurden die Mo- wertempfehlungen. Sie schützen höchstens Für die AefU war das nicht Schutz genug:
bilfunknetze erstmals forciert ausgebaut. vor Gewebsschädigung durch zu starke Hartnäckig setzten wir uns in den folgenden
Mitten drin eröffneten der Bundesrat am Erwärmung, die eine kurze Bestrahlung be- Jahren in Kommissionen, parlamentarischen
16.2.1999 die Vernehmlassung zur neuen wirkt. Schon damals aber zeigten zahlreiche Hearings, Positionspapieren, Vernehmlas-
«Verordnung über den Schutz vor nicht- wissenschaftliche Studien andere schädliche sungen, mit Medienmitteilungen, Referaten
ionisierender Strahlung» (NISV). Sie soll- Wirkungen bereits unterhalb dieser Werte und Vorsorgeaktionen für tiefere Grenz-
te den vorsorglichen Schutz u.a. bei den [2]. Sie genügen somit dem Vorsorgeprinzip werte, koordinierte Planung der Netzin-
strahlenden Mobilfunkanlagen verankern. nicht. frastruktur, unabhängige Forschung, und
Eine Regelung eilte. Das UVEK empfahl Trotz Widerstand von Umweltschutz- und transparente Information der Bevölkerung
sogar, den Verordnungsentwurf bereits bei Gesundheitsorganisationen – unter ihnen ein.
Baugesuchen für Mobilfunkantennen anzu- die AefU – und von Kantonen und Gemein- In einer repräsentativen Umfrage gaben
wenden [1]2. den, nahm der Bundesrat die ICNIRP- 2004 fünf Prozent der Befragten an, sie hät-
Grenzwerte in seine Verordnung auf. Sie ten Beschwerden z. B wegen Mobilfunk [3].
1
Art. 11 Abs. 2 USG; gelten als Immissionsgrenzwerte immer Immer mehr Menschen wandten sich hilfe-
2
Eckige Klammern = Literaturnachweise, online unter: und überall, wo sich Menschen aufhalten suchend an die AefU, für die wir seit 2007
www.aefu.ch/oekoskop/steiner_referenzen
können. Zum vorsorglichen Schutz legte er einen umweltmedizinischen Beratungs-
3
International Commission on non-ionizing radiation
protection zudem sogenannte Anlagegrenzwerte fest. dienst betreiben [4].
4
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/ Sie limitieren die Strahlung, mit der jeder 2007 war die Auseinandersetzung mit
elektrosmog/fachinformationen/massnahmen-elektro-
smog/mobilfunk--vollzugshilfen-zur-nisv.html einzelne Mobilfunkmast einen sogenannten dem Start von 3G (UMTS) besonders heftig.
5
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/ ‹Ort mit empfindlicher Nutzung› (OMEN) Das ‹Forum Mobil›, eine Lobby-Struktur
elektrosmog/newsletter/beratende-expertengruppe-nis-
berenis.html belasten darf. OMEN sind z.B. Schlaf-, der Mobilfunkanbieter, trat entwarnend an
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Vorsorgeprinzip
Zukunftstaugliche Mobilfunknetze
ohne höhere Anlagegrenzwerte
Unbeeindruckt davon stellte die Mobil-
funklobby das Vorsorgeprinzip mit Anla-
gegrenzwerten in Frage. Es ging um viel
Geld: 2012 ersteigerten sie vom Bund für
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Vorsorgeprinzip gilt auch für Mobilfunk
eine Milliarde Franken die Konzessionen zu 90% ihrer Sendeleistung (vgl. Beitrag rungen an den Bundesrat. Und alle warteten
für 4G (LTE). Darauf wurde im Parlament Zbornik, S. 9). Auch Smartphone, Tablet und auf den Bericht «Mobilfunk und Strahlung»9
eine Überprüfung des Rechtsrahmen ge- Laptops müssen mit hoher Leistung aus den der Arbeitsgruppe. Eine einvernehmliche
fordert, auch der NISV mit ihren Grenz- Gebäuden senden, um die Handyantennen Haltung zum Netzausbau kam nicht zu-
werten. Dazu hielt der Bundesrat 2015 fest: zu erreichen. Beides belastet die Menschen stande. Konsens herrschte einzig darin, dass
Die Studienlage zur Strahlung sei dünn in und ausserhalb der Häuser stark und un- Vorsorge und Begleitmassnahmen erforder-
und Gesundheitsschäden nicht ausschliess- nötig mit Strahlung. lich sind. Die AefU lehnten und lehnen jede
bar. Eine Anpassung des Rechtsrahmens Art von Grenzwerterhöhung ab und fordern
aber dränge sich nicht auf.6 Der neue Trick mit der eine Stärkung des Schutzniveaus für Anten-
versteckten Grenzwerterhöhung nen-AnwohnerInnen.
Billige Übergangslösung 350 Millionen Franken bezahlten die Mo-
Die Mobilfunklobby legte nach: Nun ver- bilfunkanbieter im Februar 2019 für die 5G- Der Kampf um die
langten zwei Vorstösse7 im Parlament die Konzessionen. 5G soll vorerst mit 3.5 Giga- Vorsorge geht weiter
Lockerung des Schutzniveaus. Ohne höhere hertz betrieben werden. Das ermöglicht Basierend auf diesem Bericht und als Ant-
Grenzwerte könne der neue Mobilfunk- zwar schnelleres Internet, benötigen aber für wort auf den massiven Widerstand aus Bev-
standard 5G nicht eingeführt werden, die die geplante flächendeckende Versorgung ölkerung, Kantonen und Gemeinden ent-
Schweiz verpasse den Anschluss an die Di- der Schweiz inklusive der Innenräumen schied der Bundesrat im April 202010: Auch
gitalisierung. Unsere Argumentation «tech- rund 12 Mal mehr Sendeleistung, weshalb für 5G sollen die Grenzwerte zurzeit nicht
nisch nicht nötig und gesundheitlich nicht eine neue Antennentechnologie entwickelt erhöht werden. Zudem sollen alle vorge-
unbedenklich» aber überzeugte. Das Parla- wurde, die sogenannten adaptiven Anten- schlagenen Begleitmassnahmen11 umgesetzt
ment lehnte höhere Grenzwerte im Novem- nen (vgl. Kasten und OEKOSKOP 2/198). werden. Wir freuen uns über den Etappen-
ber 2016 und im März 2018 gleich zwei Mal Bei diesen Antennen steht zur Diskussion, sieg. Die Arbeit ist aber längst nicht zu Ende.
ab. dass nicht die maximale Leistung, sondern Nun geht es darum, die konsequente Vor-
Diese hätten es möglichen machen sol- ein theoretischer Durchschnittswert den An- sorge als Rahmenbedingung für diese Mass-
len, die Innenräume weiterhin möglichst lagegrenzwert einhalten muss. Das ist, als nahmen festzusetzen. Dazu haben wir die
billig via leistungsstarke Aussenantennen gälte auf der Strasse nicht mehr die Höchst-, AefU-Position ‹Mobilfunk und Strahlung›
mit Internet zu versorgen – auf Kosten des sondern eine Durchschnittsgeschwindigkeit, verfasst (in der Mitte dieses Heftes).
Gesundheitsschutzes. Das aber ist ein ver- die man überschreiten darf, solange man sie
altetes Konzept. Nur um Hausmauern zu auch immer wieder unterschreitet. Ist plötz- Referenzen
durchdringen brauchen die Antennen bis lich ein Mittelwert relevant, entspricht dies Die Literaturnachweise finden sich online:
einer indirekten Grenzwerterhöhung. www.aefu.ch/oekoskop/steiner_referenzen
6
Zukunftstaugliche Mobilfunknetze; Bericht und Situ-
ationsanalyse des Bundesrates in Erfüllung der Postulate Bericht Mobilfunk und Strahlung
Noser (12.3580) und FDP-Liberale Fraktion (14.3149)
(25. 2.2015) https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/ 2018 und 2019 trug eine vom Bund
home/das-bakom/organisation/rechtliche-grundlagen/
beauftragte Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Dr. med. Edith Steiner ist Vorstandsmit-
bundesratsgeschaefte/zukunftstaugliche-mobilfunknetze.
html Strahlung» unter Mitwirkung der AefU glied der AefU und leitet die AefU-Ar-
7
Motionen 16.3007 Modernisierung der Mobilfunknetze
Fakten zu Mobilfunk sowie 5G zusammen beitsgruppen ‹Elektromagnetische Fel-
raschestmöglich sicherstellen u. 18.3006 Kollaps der
Mobilfunknetze verhindern und Anschluss der Digitali- und suchte nach Empfehlungen, wie das der und Gesundheit› sowie ‹Umwelt-
sierung sicherstellen.
Mobilfunknetz unter Wahrung von Schutz- medizinisches Beratungsnetz›. Sie ist Mit-
8
Markus N. Durrer: Rezept für einen strahlungsarmen
Mobilfunk. OEKOSKOP 2/19, S. 10. und Nutzungsinteressen ausgebaut werden glied der «Beratenden Expertengruppe
9
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/
könnte. Gleichzeitig kam die 5G-Debatte nichtionisierende Strahlung» (BERENIS)
elektrosmog/dossiers/bericht-arbeitsgruppe-mobilfunk-
und-strahlung.html immer mehr in Fahrt: Die grosse Zahl der sowie der Arbeitsgruppe «Mobilfunk
10
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/
elektrosmog/mitteilungen.msg-id-78857.html Einsprachen gegen Baugesuche für 5G-An- und Strahlung» des Bundesamts für Um-
11
Vereinfachung und Harmonisierung im Vollzug; Monitor- tennen kamen faktisch einem Moratorium welt BAFU.
ing der Exposition; Information und Sensibilisierung
der Bevölkerung; Förderung der Forschung im Bereich gleich, das einige Kantone in der Romandie info@aefu.ch
Mobilfunk und Gesundheit; Umweltmedizinische NIS- ebenfalls ergriffen. Diverse parlamentari- www.aefu.ch/themen/umweltmed-beratung
Beratungsstelle; Austauschplattform «Mobilfunk der
Zukunft». sche Vorstösse stellten Fragen und Forde-
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5G – Wozu?
Der neuste
Mobilfunkstandard
unter der Lupe
Stefan Zbornik, Kreuzlingen/TG Seit etwa drei Jahren ist das Kürzel 5G in aller Munde.
Wesentliche Bestandteile der 5G-Netzwerke 5G braucht neue Märkte novationen wie künstliche Intelligenz (AI),
wurden im Hintergrund bereits realisiert, Die Vertreter der Telekom-Branche sehen selbstfahrende Autos und das Internet der
beispielsweise neue Server- und Vermitt sich gezwungen, mit 5G neue Märkte zu er- Dinge (IoT) seien ohne 5G nicht realisierbar.
lungstechnik oder Steuereinheiten für An- schliessen, die bisherigen sind weitgehend
tennen. Erst mit der Realisierung der Funk- gesättigt. Denn statistisch betrachtet hat der Gesundheitliche Risiken
verbindung zu den KundInnen gelangte 5G grösste Teil der Weltbevölkerung mindestens Zunehmend fordern Bevölkerung [6],
in die öffentliche Diskussion. Diese Schnitt ein Handy oder Smartphone und mehr als Forschung [7], medizinische Praxis [8] und
stelle zwischen Antennenmasten und End 24 Stunden am Tag kann man damit nicht auch die Politik [9] eine wissenschaftliche
geräten heisst in der Fachsprache New Ra- telefonieren oder im Internet surfen [3]. Aus- Prüfung der Risiken für Gesundheit und
dio (für 2G ist es GSM, UMTS für 3G und serdem findet ein Verdrängungswettbewerb Umwelt, bevor 5G eingeführt werde (vgl.
LTE für 4G). Gegenwärtig werden v.a. Mo- durch neue Mobilfunknetze statt, beispiels- Beitrag Steiner, S. 6). Insbesondere besteht
bilfunkanlagen realisiert, bei denen 5G vor- weise über Satelliten [4]. aus Kundensicht kaum zeitlicher Druck für
erst nur in Verbindung mit 4G funktioniert. Entsprechend wollen die Mobilfunkan- die Einführung von 5G.
bieter den Ausbau von 5G möglichst kos- Bereits in den ersten Ausbaustufen von
Versprechen statt informieren tengünstig vorantreiben. Deshalb versuchen 5G soll es hinsichtlich der Funksignale er-
Hinter 5G verbergen sich hochkomplexe sie seit Jahren, die vom Bundesrat 1999 fest- hebliche Neuerungen geben. Die Behaup-
Technik und unzählige Fachbegriffe aus der gelegten Grenzwertregelungen zu lockern tung, beim gegenwärtigen Ausbaustand
Welt der Telekommunikation. Sie sind Inves [5]. Die Branche rechtfertigt dies mit über- unterscheide sich 5G nicht von seinen
toren und zukünftige NutzerInnen schwer zogenen Versprechungen für potentielle Vorgängern, ist nicht haltbar. 5G-Funksig-
vermittelbar. In solchen Fällen greift die Nutzungsszenarien. Diese seien nur mittels nale weichen nämlich in zentralen techni
PR-Strategie, ausschliesslich mit Verspre- raschem Aufbau von 5G realisierbar. In- schen Parametern von bisherigen Mobil-
chen zu operieren. Dieser Beitrag wirft einen
kritischen Blick auf die Marketinghülle 5G.
5G umfasst sämtliche internationalen Be-
strebungen für ein neues, globales Telekom-
munikationsnetzwerk der fünften Genera-
tion. Der Auf- und Ausbau geht in Etappen
voran [1]1 und die Standardisierung ist
noch nicht abgeschlossen. Dennoch haben
Hersteller bereits Komponenten an Mobil-
funkbetreiber ausgeliefert, damit erste Auf-
bauschritte rasch beginnen können. Die Her-
steller in Europa, den USA und Asien liefern
sich dabei ein Wettrennen. Gleichzeitig sind
bereits Konzepte und technische Lösungen
für das 6G-Mobilfunknetz in Arbeit [2].
www.aefu.ch/oekoskop/zbornik_referenzen Nachhaltige Telekommunikation braucht Glasfaser bis in Wohnungen und Büros (FTTH), aber nicht zwingend 5G.
info@aefu.ch 2/20 9
5G – Wozu?
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5G – Wozu?
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Kalziumsignale durch elektromagnetische Felder
Elektrohypersensibilität
aus der Neuro-Biochemie
Volker Ullrich, Universität Konstanz (D) Gesundheitsschäden durch Mobilfunkstrahlung werden
Mit 2G, 3G, 4G und dem Aufbau der 5G- Ebenfalls bekannt ist, dass langfristigere
© OEKOSKOP
Mobilfunknetze betreiben Mobilfunkanbie- oder stärkere Einwirkungen von EMF über
ter in der Schweiz und der EU gleichzeitig einen exzessiven Einstrom von Kalzium
vier unterschiedliche Mobilfunknetze. Das zunächst zu Zellstress und dann zu Schäden
verursacht eine beträchtliche Langzeitexpo- führen [5] (vgl. Beitrag Wick, S. 21). Dieser
sition der Bevölkerung mit Funkstrahlung «oxidative Stress» kennzeichnet einen be-
bzw. hochfrequenten elektromagnetischen ginnenden Zellschaden, der auch die DNA
Feldern (EMF) von Antennenmasten. Auch betreffen und damit Tumorwachstum be-
akute Expositionen bei der Nutzung von deuten kann. bis hin zu Depressionen, die mit Benzodia-
Endgeräten (Handys, Tablets etc.) nehmen zepinen behandelt werden. Mit dieser Hy-
zu. Dieser Beitrag stützt die Hypothese von Neuer Weg der Kommunikation pothese liesse sich ein Zusammenhang von
einem durch EMF ausgelösten Kalziumein- In einer zur Veröffentlichung eingereichten Funkstrahlung und psychischen Schäden
strom in Zellen. Ergänzend zeigen wir einen Publikation [6]2 zeigen wir einen neuen erklären. Auch die stark zunehmenden Fälle
neuen Eintrittsmechanismus für Kalzium, Weg des Kalziumeinstroms über den span- von Autismus zeigen eine Verbindung zum
der auch nicht-erregbare Zellen umfasst. nungsabhängigen Anionenkanal (VDAC) VDAC: Bei den Betroffenen finden sich An-
auf [7]3. Bereits durch geringe Änderungen tikörper gegen den Kalziumkanal. Es könnte
Kalzium als Aktivator der EMF wandelt sich dieser Anionenkanal eine Autoimmunerkrankung durch eine früh-
Seit langem existieren in der unabhängigen in einen Kalziumkanal um. Dies sogar in kindliche Exposition mit EMF vorliegen [9].
Forschung klare Beweise dafür, dass EMF Zellen mit einem sehr niedrigen Membran- Das Konzept des VDAC/TSPO Systems
auch ohne Gewebserwärmung die bio- potential, wie etwa den roten Blutkörper- als Angriffspunkt von EMF eröffnet somit
chemischen Vorgänge in Zellen beeinflus- chen, die darauf mit Verklumpen reagieren, auch neue Ansatzpunkte in der Neuro-Bio-
sen können. Der Einstrom von Kalzium der sogenannten Geldrollenbildung. Dies chemie. Vor allem aber bedeutet es einen
(Ca2+) in die Zelle über spannungsabhän- wurde sogar bei nur kurzzeitigen Mobil- mechanistischen Zugang zu den kontrovers
gige Kalziumkanäle (VDCC) bewirkt eine funkgebrauch dokumentiert. diskutierten und oft in Abrede gestellten Ge-
Zellaktivierung. Diese führt dann über eine sundheitsschäden durch die Strahlung heu-
Kaskade von Signalen zu einer physiologi- Beeinflussung der Kommunikation tiger Mobilfunksysteme.
schen Reaktion der Zelle. Die Konzentration über Gehirnwellen?
von freiem Ca2+ ist unter natürlichen Bedin- Wir weisen zudem auf einen gänzlich neuen Referenzen
gen eng reguliert. Sie hält den Zellmetabo- Zusammenhang hin: Der VDAC ist asso- Die Literaturnachweise finden sich online:
lismus intakt [1, 2, 3]1. Dieser Mechanismus ziiert mit einem 18kDa Translokator-Protein www.aefu.ch/oekoskop/ullrich_referenzen
wird seit Jahren für EMF-Behandlungen un- (TSPO), das aufgrund seiner Proteinsequenz
terhalb der thermischen Schwelle genutzt, Analogien mit dem Magnetrezeptor bei
z. B. für die schnellere Heilung von Kno- Zugvögeln aufweist. Gleichzeitig ist TSPO Prof. Dr. Volker Ullrich ist emeritierter
chenbrüchen oder Wunden [4]. aber auch identisch mit dem zentralen Dia- Professor für Biochemie an der Univer-
zepin-Rezeptor (CBR) im Gehirn bzw. in den sität Konstanz (D). Er wohnt in Triboltin-
1
Eckige Klammern = Literaturnachweise, online unter: Neuronen [8]. Dies ist von Interesse, weil gen/TG.
www.aefu.ch/oekoskop/ullrich_referenzen die Beschwerden von elektro-hypersensib- volker.ullrich@uni-konstanz.de
2
Ullrich V, Apell H-J. 2020. Noch unveröffentlicht.
3
Eine Grafik dazu findet sich online: www.aefu.ch/oeko-
len Personen (EHS), also Kopfschmerzen, www.uni-konstanz.de
skop/ullrich_grafik Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
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AefU-Position ‹Mobilfunk und Strahlung›
Konsequente Vorsorge
beim Mobilfunk – so wenig
Strahlung wie möglich
Die konsequente gesundheitliche Vorsorge muss die Ärzte für Umweltschutz in ihrer AefU-Position ‹Mo-
Rahmenbedingung für die Weiterentwicklung der bilfunk und Strahlung› mit sechs Forderungen. Sie
mobilen Kommunikation sein. Die Begleitmassnah- wenden sich damit an Politik, Bund, Kantone und
men des Bundesrates sowie seine Antworten auf alle interessierten Kreise sowie die Gemeinden als
parlamentarische Vorstösse zum Mobilfunk1 müssen Bewilligungsbehörden für Mobilfunkantennen und
sich daranhalten. Das verlangen die Ärztinnen und Zuständige für die obligatorischen Schulen.
Der Bundesrat hält vorläufig an den Grenz- Die AefU verfechten seit Jahren die konse-
werten für die Strahlung von Mobilfunkan- quente Umsetzung des Vorsorgeprinzips,
tennen fest (Beschluss vom 22.4.2020) und auch beim Mobilfunk. Dieser Strahlung
beabsichtigt Massnahmen für eine gesund- auszuweichen, ist schwierig. Sie ist fast über-
heitsverträglichere mobile Kommunikation all. Besonders betroffen sind Kinder und Ju-
umzusetzen. Er stützt sich dabei auf den Be- gendliche. Sie werden ihr ein Leben lang aus-
richt seiner Arbeitsgruppe «Mobilfunk und gesetzt sein. Verlässliche Grenzwerte müssen
Strahlung», in der auch die Ärztinnen und die Belastung vorsorglich minimieren oder
Ärzte für Umweltschutz (AefU) mitwirkten. verhindern.
1 Konsequente Anwendung
2 Stärkung des Schutzniveaus
für Antennen-AnwohnerInnen;
des Vorsorgeprinzips Minimierung der Mobilfunk-
beim Mobilfunk strahlung (u.a. Trennung
und seiner Nutzung. Aussen-/Innenraumversorgung).
5 Transparente, zielgruppen-
6 Ärztlich geleitete,
umweltmedizinische
orientierte Information Beratungsstelle
der Bevölkerung: ‹Nicht Ionisierende
«Strahlung reduzieren». Strahlung NIS›.
1
Zurzeit hängig sind das Postulat 19.4043 Häberli-Koller «Nachhaltiges Mobilfunknetz» und die Motion 19.4073 Graf-Litscher «Forschung zu Mobilfunk und
Strahlung».
info@aefu.ch 2/20 AefU, Juni 2020
AefU-Position ‹Mobilfunk und Strahlung›
AefU-Forderungen
für minimale Belastung
VertreterInnen aus Industrie, Technik und Umweltwissenschaft beteuern die Unbe-
denklichkeit von Mobilfunkstrahlung. Sie berufen sich dabei auf die Grenzwert-Emp-
fehlungen der ICNIRP2, die jedoch weltweit in der Kritik stehen. Diese Grenzwerte
berücksichtigen nur die Erwärmung des Gewebes durch die Energie der nichtioni-
sierenden Strahlung (NIS), andere biologische (athermische) Effekte jedoch nicht.
Sie schützen nicht vor Langzeitauswirkungen, für die es immer mehr Hinweise gibt.
Deshalb braucht es nicht nur die zusätzlichen Anlagegrenzwerte, welche die maximal
zulässige Strahlung der einzelnen Mobilfunkanlage festlegen. Die AefU verlangen
mit sechs Forderungen grundsätzlich eine minimale Mobilfunkbelastung der ganzen
Bevölkerung.
Das Schutzniveau für AnwohnerInnen von Mobilfunkanla- sorgung mit Internet angezeigt. Wohnungen, Schulen und
gen darf auch in Zukunft nicht geschwächt werden, weder Arbeitsplätze brauchen einen kabelgebundenen Anschluss
durch direkte noch indirekte Grenzwerterhöhung und auch mit grosser Übertragungsrate z.B. mit Glasfaser. Prioritär
nicht versteckt über den Vollzug (z. B. via Bewertungs- und soll der Kabelanschluss bis zu den Endgeräten reichen. Wo
Messmethode). gewünscht, kann Funk (z.B. WLAN, Femtozelle) die letz-
Künftig sind die Anlagegrenzwerte zu senken. Denn ten Meter überbrücken und zwar strahlungsminimiert und
80% der Mobilfunkverbindungen finden mit UserInnen ohne die Nachbarschaft zu belasten.
in Innenräumen statt (70% davon fürs Videostreaming). Kleinere Mobilfunkanlagen (unter 6 Watt ERP Leistung,
Um Mauern und Decken zu durchdringen, brauchen z. B. Bodenantennen, Aussenwandantennen) müssen heu-
Mobilfunkantennen und Endgeräte sehr hohe Sende- te keine Anlagegrenzwerte einhalten. Das muss sich än-
leistung. Das verursacht in Aussen- wie in Innenräumen dern. Die Anzahl dieser Kleinanlagen wächst rapide und
vermeidbare Strahlung. Um sie zu minimieren, ist eine sie belasten zunehmend und aus grosser Nähe Orte mit
funktechnische Trennung der Aussen- und Innenraumver- empfindlicher Nutzung.
2
Die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung ICNIRP ist ein privater Verein. Er publiziert Grenz-
wertempfehlungen. Deren wissenschaftliche Grundlage zweifelt u. a. auch der Europarat an.
Beim Mobilfunk, insbesondere beim neusten Standard 5G, Das vom Bundesrat geplante NIS-Monitoring (Messung
besteht Forschungsbedarf. Das anerkennen auch Parlament der Belastung) muss neben Mittelwerten (RMS) auch
und Bundesrat und wollen deshalb die Forschung inten- Scheitelwerte (Peaks) und weitere relevante Belastungs-
sivieren. eigenschaften erfassen. Das NIS-Monitoring ist mit einem
Diese Forschung und deren Koordination muss unab- Gesundheitsmonitoring zu ergänzen, um mögliche ge-
hängig sein. Das soll eine ausgewogene, interdisziplinäre sundheitlichen Auswirkungen zu erfassen.
Kommission unter Einbezug einschlägiger Schutzverbände Ein nationales Forschungsprogramm soll die Entwicklung
sowie VertreterInnen der Ärzteschaft gewährleisten. nachhaltiger Netzinfrastrukturen (Aussen-Innen-Tren-
Projekte dürfen weder direkt noch indirekt von der Mo- nung nach Konzept AefU3), Anlagen und Geräte voran-
bilfunkbranche kontrolliert werden. Es dürfen keine treiben. Unter nachhaltig ist strahlungsarm und damit
Aufträge an Einrichtungen/Personen/Unternehmungen gesundheitsverträglicher, ressourcenschonend und ener-
mit wirtschaftlichen Interessen an NIS erfolgen. gieeffizient zu verstehen.
Wir sind längst eine Informations- und Kommunikations- funktechnologien voraussichtlich ein Leben lang nutzen.
gesellschaft. Dennoch besteht ein Mangel an unabhängi- Entsprechende Gelder sind für diese Kampagnen bereit
ger Information über die Gesundheitsrisiken von Mobil- zu stellen.
funk und über eine strahlungsminimierte Nutzung von Bis heute regelt das Gesetz keinen vorsorglichen Schutz
Indoor-Netzwerken sowie Endgeräten. vor Strahlung, die von mobilen Endgeräten ausgeht (Ba-
Handlungsempfehlungen sollen zeigen, wie sich die byphone, Smartphone, Laptop, etc.). Diese müssen bloss
Strahlungsrisiken zu Hause, in Schulen, in Firmen, in technische Normen erfüllen, deren Einhaltung die Her-
öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln etc. redu- steller selber bestätigen.
zieren lassen. Kinder und Jugendliche müssen für die Die AefU fordern deshalb gesetzliche Anforderungen für
Strahlenrisiken sensibilisiert werden. Sie sind in der Hirn- Endgeräte, die dem Prinzip der Strahlenminimierung fol-
entwicklung besonders sensibel und werden die Mobil- gen.
Zurzeit können Betroffene oder ÄrztInnen und TierärztIn- Die Beratungsstelle soll Strahlungs-Betroffene unter-
nen die Symptome, die sie mit der Mobilfunkbelastung in stützen, ÄrztInnen und TierärztInnen informieren und
Zusammenhang bringen, nicht zentral melden. Dazu plant beraten sowie die Einzelfallbeobachtungen systematisch
der Bundesrat nun eine ärztlich geleitete, interdisziplinäre, erfassen. Diese sollen in unabhängige praxisrelevante
umweltmedizinische Beratungsstelle ‹NIS›. Forschungsprojekte einfliessen.
3
Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung (Hrsg. 2020): Bericht Mobilfunk und Strahlung. Im Auftrag des UVEK. Kapitel 9.2; Markus
N. Durrer: Rezept für einen strahlungsarmen Mobilfunk. OEKOSKOP 2/19, S. 10.
Strahlungsminimierte Netzwerke
Die Zukunft gehört also nachhaltig geplanten, strahlungsminimier-
ten Netzwerken mit leistungsfähigem Glasfasernetz bis in die Ge-
bäude kombiniert mit kabelgebundenen (LAN) bzw. wo gewünscht
mit wenig strahlenden lokalen Netzwerken (Mobilfunk-Femtozelle,
WLAN), welche die Nachbarschaft nicht belasten.
Für die künftige Digitalisierung ist ein Glasfasernetz ohnehin uner-
lässlich. Es bietet schon heute mehr Leistung, Datensicherheit und
Zuverlässigkeit als 5G verspricht. Jede 5G-Antenne benötigt selber
einen Glasfaseranschluss und somit kommt man auch mit 5G nicht
um die Glasfaser-Infrastruktur herum.
Zur Vorsorge bei Mobilfunk und Strahlung gehören auch strahlungs-
arme Endgeräte und informierte Nutzerinnen, die wissen, wie sie
Mobilfunk gesundheitsverträglicher nutzen können.
Tierstudien:
Prognosen
für Karzinogenität beim Menschen
Fiorella Belpoggi, Was sich in Tierstudien als krebserregend erwies,
Ramazzini-Institut, Bologna (I)
stellte sich später immer auch als krebserregend für
Es gibt drei Hauptfaktoren für die erhöhte len und tierischen Zellen), und bio-moleku-
Inzidenz1 von Krebs – und damit die erhöhte larer Mechanismen, die diesen Wirkungen
Mortalität – in den letzten 50–60 Jahren: zugrunde liegen können. Diese Art von
1) höhere Lebenserwartung (ca. 10 Jahre für Forschung kann in relativ kurzen Zeitspan-
Männer, 15 Jahre für Frauen); 2) stärkere nen durchgeführt werden. Sie liefern jedoch
Verbreitung von Substanzen und Situ- im Hinblick auf die Karzinogenität nur
ationen mit karzinogenem Risiko, sowohl indirekte Daten. Sie können kein spezifi-
im beruflichen als auch im privaten Umfeld; sches finales Ereignis, wie die Präsenz oder
3) genetische Prädisposition. Dieser dritte das Fehlen eines Tumors, offenlegen. Der
Faktor hat sich in den letzten Jahrzehnten Nutzen dieser Studien ist also begrenzt,
wahrscheinlich nicht wesentlich verändert. selbst wenn sie in einigen Fällen – über eine
Der Prozess der Karzinogenese lässt sich Anfangsorientierung hinaus – nützliche Da-
vereinfacht durch folgende Formel aus- ten zu den mechanistischen Aspekten der
drücken: C = f (P+E+A), wobei Krebs (C) Wirkungsweise von Substanzen auf bio-
eine Funktion (f) von Prädisposition (P), logische Systeme liefern können (mit oder
Exposition (E), und Alter (A) ist. Je höher ohne Bezug zur Karzinogenese).
das Alter, umso länger kann ein Umwelt-
karzinogen einwirken. Das ist insbesondere 2. Langzeit-Bioassays zur Krebs-
relevant, wenn es sich um eine Summe/ entstehung an Versuchstieren
Synergie von geringen und extrem gerin- Wenn sie gut geplant und an adäquaten Tier-
gen Expositionen gegenüber karzinogenen modellen durchgeführt werden (so nahe wie
Substanzen handelt. Von diesen drei Fak- Aus Holz gebautes Expositionssystems für Versuchstiere möglich am menschlichen Äquivalent) und
toren wird man die Prädisposition (P) kaum der Ramazzini-Studie12, vgl. Bildlegende S. 19. © zvg weitestgehend menschliche Expositions-
durch Modifizierung des genetischen Profils szenarien wiedergeben – können Langzeit-
ändern können; umso mehr gilt das für den umweltbedingtem Krebsrisiko im berufli- Bioassays2 spezifische Indikationen zur
Faktor Alter (A). chen Umfeld und in der Lebensweise (E) zu Karzinogenität liefern, die sich sowohl qua-
Will man die derzeitige epidemiologische eliminieren oder zumindest weitgehend zu litativ als auch quantitativ auf den Men-
Dimension von Krebs und anderen degene- reduzieren. Unsere Kenntnis dieser Risiken schen übertragen lassen.
rativen Erkrankungen verändern, liegt die ist leider noch sehr begrenzt. Für die Iden- Viel wurde von interessierten Kreisen
wirksamste Lösung darin, die Exposition tifizierung karzinogener Substanzen gibt es unternommen, um diese Bioassays und
gegenüber Substanzen und Situationen mit heute drei Forschungsmethoden. Sie bieten die damit arbeitenden WissenschaftlerIn-
jeweils unterschiedliche Möglichkeiten und nen zu diskreditieren. Es gibt jedoch drei
1
Die Inzidenz einer Krankheit wird im einfachsten Fall
Vorteile, haben aber alle auch ihre Grenzen. wichtige Gründe, die ihre Verwendung re-
ausgewiesen als Zahl der Neuerkrankungen, die in einem chtfertigen: 1) Alle Substanzen, die sich in
Jahr pro 100 000 Menschen auftreten.
2
Bioassay (kurz für engl. biological assay) ist der Fach-
1. Kurzzeitstudien und epidemiologischen Studien als karzinogen
begriff für die In-vivo-Untersuchung der Effekte, die Studien mittlerer Dauer für den Menschen erwiesen haben, zeigten
bestimmte Substanzen oder Einwirkungen auf lebende
Organismen haben. Sie umfassen die Untersuchung toxischer sich auch im Tierversuch karzinogen. Bei
3
Die ‹International Agency for Research on Cancer (IARC)› Wirkungen (akut, subakut und subchro- einem Drittel der Substanzen, die von der
ist eine Forschungsagentur der ‹World Health Organiza-
tion› (WHO). nisch), mutagener Wirkungen (in bakteriel- Internationalen Krebsforschungsagentur
info@aefu.ch 2/20 17
Relevanz von Bioassays
IARC3 als krebserregend eingestuft werden, können klare Ergebnisse verhindern. 3) Die
wurde die Karzinogenität zuerst in Nage- inhärente Verzögerung bei epidemiologi-
tierstudien und erst danach in Studien mit schen Ergebnissen wegen der langen Tumor-
Menschen nachgewiesen. 2) Keine Substanz, Latenzzeit bei Menschen (durchschnittlich
die sich bei Tieren als krebserregend erwies, 10–30 Jahre) bedeutet, dass die Substanzen
hat sich bei Menschen im Rahmen von adä- in dieser Zeit weiterhin ihre schädigende
quaten epidemiologischen Studien als nicht Wirkung ausüben können. 4) Die Exposi-
karzinogen erwiesen. 3) Die Beziehung zwi- tion gegenüber karzinogenen Substanzen
schen der Exposition gegenüber einer kar- ist verbreitet (nicht klar abgegrenzt), als
zinogenen Substanz und der neoplastischen Folge davon besteht die Schwierigkeit, eine
Reaktion sowie dem Prozess der Krebsent- nicht exponierte, ausreichend grosse Kon-
wicklung ist bei Menschen und Tieren ver- trollgruppe zu finden.
gleichbar.
Bioassays sind schnell
3. Onkologische epidemiologische und zuverlässig
Erhebungen Da sich die Latenzzeit proportional zur
Auf der Grundlage adäquater Informa- durchschnittlichen Lebenszeit eines Orga-
tionen über die Expositionsszenarien und nismus verhält, ist sie bei den üblicherweise
mit der korrekten Methode durchgeführt, für Langzeit-Bioassays in Labors einge-
führen epidemiologische Erhebungen zu setzt Nagern im Vergleich zum Menschen
klaren Ergebnissen und sind somit der un- deutlich kürzer. Ein Beispiel dafür sind die
mittelbarste Beweis für die Karzinogenität in unserem Labor am Cesare-Maltoni-Krebs-
einer Substanz, eines Faktors oder einer Situ- forschungszentrum des Ramazzini- Instituts
ation für den Menschen. Jedoch haben diese eingesetzten Sprague-Dawley-Ratten. Unser
Erhebungen präzise Grenzen: 1) Ihre Mach- Rattenstamm hat eine Lebenszeit von 160
barkeit ist begrenzt, wenn die exponierte Wochen. Dies entspricht 95–100 menschli-
oder die Nachfolge-Population zu klein ist chen Lebensjahren. Eine Latenzzeit von ei-
und/oder wenn die Daten zum Expositions- nem Jahr bei Ratten entspricht damit etwas
level begrenzt sind. Es ist schwierig, die mehr als 30 Jahren Latenzzeit beim Men-
gesamte Gruppe der exponierten Personen schen. Langzeit-Bioassays liefern also sehr
oder der repräsentativen Stichprobe nachzu- schnelle stellvertretende Ergebnisse, und
verfolgen. 2) Es kann ein Mangel an klaren sie vermeiden, dass Menschen unbekann-
Ergebnissen bestehen aufgrund verzerren- ten Substanzen mit karzinogenem Risiko
der Faktoren oder – im Fall von niedriger ausgesetzt sind. Adäquat durchgeführte
oder mittel bis niedriger Exposition – we- Karzinogenese-Bioassays sind bezüglich der
gen der Schwierigkeit, eine ausreichend Wirkung auf Menschen also relativ schnell
grosse Stichprobe exponierter Personen und haben eine hohen Vorhersagewert. Al-
und eine adäquate Kontrollgruppe zu fin- lerdings gilt auch, dass Studien dieser Art,
den. Auch methodische Unzulänglichkeiten die nicht korrekt geplant und durchgeführt
18 2/20 www.aefu.ch
Relevanz von Bioassays
werden, eher zu Verwirrung führen. men. Sie sind auch bei der Identifizierung
Die IARC hat über 1000 Substanzen im und Validierung von biologischen Markern
Hinblick auf ihre Karzinogenität für Men- und Medizinprodukten wichtig.
schen anhand von Tierversuchsdaten sowie Unter diesem Aspekt scheint es unver-
mit epidemiologischen und mechanisti- ständlich, dass die Regulierungsbehörden
schen Studien bewertet und eine spezifische von den Herstellern von Telekommunika-
Klassifizierung zur Verfügung gestellt (vgl. tionsgeräten (wie Mobiltelefonen und auf
Kasten).4 Die Präambel5 zu den IARC-Mono- mehreren Frequenzen sendenden Basis-
graphien beschreibt die den Bewertungen stationen), weltweit keine Langzeitstudien
zugrunde liegenden Kriterien: Ziel und zum Ausschluss schädlicher Auswirkungen
Umfang des Programms, wissenschaftliche fordern. Dies im Gegensatz zur allgemeinen
Grundsätze und Verfahren bei der Entwick- europäischen Vorgehensweise bei der Zu-
lung einer Monographie, einbezogene Be- lassung von chemischen und pharmazeuti-
weisarten und wissenschaftliche Kriterien. schen Zusammensetzungen. Frühzeitige
Warnungen bezüglich der potentiellen
Übertragbarkeit auf den Krebsrisiken von Hochfrequenzstrahlung
Menschen nachgewiesen des Mobilfunks (RFR) gab es bereits Anfang
Die IARC-Bewertungskriterien zeigen klar der 2000er-Jahre. Damals wurde erstmals
die Bedeutung der experimentellen Bioas- veröffentlicht, dass Nutzer von Mobiltele-
says für die Identifizierung von Risiken für fonen ein deutlich erhöhtes Risiko der Ent-
den Menschen. Ein Fakt ist offensichtlich: wicklung von Akustikusneurinomen und
Jedes bekannte menschliche Karzinogen, das Gehirntumoren haben.
adäquat an Versuchstieren getestet wurde, 2011 klassifizierte die IARC Hochfrequenz-
zeigte hier übereinstimmende Ergebnisse strahlung als mögliches menschliches Kar-
hinsichtlich der Karzinogenität [1, 2, 3]6. Am zinogen (Gruppe 2B, vgl. Kasten) auf der
Cesare-Maltoni-Krebsforschungszentrum Grundlage begrenzter Beweise sowohl bei
des Ramazzini-Instituts (CMCRC-RI) in Bo- Menschen als auch bei Versuchstieren [5].
logna (I) haben wir im Laufe von 40 Jahren
Forschung über 200 Zusammensetzungen Vorläufige Resultate
untersucht. Eine Zusammenstellung von zeigen Kausalität
Beispielen für die Übertragbarkeit auf den 2018 veröffentlichte das Ramazzini-Institut
Menschen findet sich online.7 (RI) erste Ergebnisse seiner experimentel-
len Studie [6]. Die Kommunikation vorläu-
Langzeitstudien zu Mobilfunk- figer Resultate war aufgrund verschiedener
strahlung dringend Faktoren dringend geboten: 1) Selbst eine
Langzeit-Karzinogenese-Versuche sind von kleine Erhöhung der Inzidenz von durch
grundlegender Bedeutung für die Identifi- RFR induzierten Tumoren kann aufgrund
zierung karzinogener Substanzen, sowohl der Milliarden exponierter Personen erheb-
für bereits auf dem Markt befindliche Er- liche Auswirkungen auf die öffentliche Ge-
zeugnisse als auch für die noch nicht kom- sundheit haben. 2) Die RI-Ergebnisse zur
merzialisierten. Die Versuche werden we- RFR-Fernfeldexposition8 stimmen mit den
gen ihrer Verlässlichkeit immer häufiger Ergebnissen der NTP-Studie [7, 8] zur RFR-
eingesetzt, insbesondere für die Bewertung 4
https://monographs.iarc.fr/monographs-available/#24
von Wirksamkeit und Verträglichkeit von 5
https://monographs.iarc.fr/iarc-monographs-preamble-
Arzneimitteln/Wirkstoffen, einschliesslich preamble-to-the-iarc-monographs/
6
Eckige Klammern = Literaturnachweise, online unter::
derer, die möglicherweise bei der Chemo- www.aefu.ch/oekoskop/belpoggi_referenzen
prävention von Tumoren zum Einsatz kom- 7
www.aefu.ch/oekoskop/belpoggi_tabelle
info@aefu.ch 2/20 19
Relevanz von Bioassays
Jeder Raum mit Expositionssystem hatte in der Ramazzini-Stuide12 abgeschirmte Wände, um eine Reflexion der Mobilfunkwellen zu verhindern. © zvg
Nahfeldexposition9 überein. Beide wiesen Vorsorge für die mit wurde 2012 massiv gelockert [19], indem
auf eine Erhöhung der Inzidenz von Gehirn- öffentliche Gesundheit die 6V/m seither als Durchschnitt über 24
tumoren und Herz-Schwannomen bei RFR- Die Anwendung des Vorsorgeprinzips wird Stunden gelten. Im Sinne des Vorsorgeprin-
exponierten Sprague-Dawley-Ratten hin. seit vielen Jahren von zahlreichen glaubwür- zips dürfte dieser Grenzwert jedoch in kei-
3) Die beobachteten Gehirn- und Herztu- digen Berufsorganisationen und seit kurzem nem Moment überschritten werden.
more mit erhöhter Inzidenz bei Ratten, die auch vom Europäischen Parlament gefordert Ausserdem sind die Hersteller dazu
sowohl in unserer wie bei der NTP-Studie der [15, 16, 17]. Es ist unerlässlich geworden, um aufgerufen, weniger strahlende Geräte zu
Strahlung einer 1.8 GHz GSM-Antenne aus- sowohl die öffentliche Gesundheit als auch produzieren, um die Belastung durch das
gesetzt waren, haben den gleichen zytologi- – angesichts der jetzt schon explodieren- Mobiltelefon selbst zu reduzieren. Neue ex-
schen Ursprung wie er in anderen epide- den Gesundheitskosten - die Wirtschaft zu perimentelle Forschung ist dringend gebo-
miologischen Studien mit Mobiltelefon- schützen. Hochfrequenzstrahlung schädigt ten zur Bewertung der noch nicht adäquat
nutzern beobachteten [10, 11, 12, 13]. Glio- nachweislich biologische Systeme, und zwar untersuchten 5G-Frequenzen allein sowie
blastome (GBM, ein schnell fortschreitender bereits unterhalb der nach den ICNIRP11- deren Zusammenwirken mit gleichzeitig
tödlicher Gehirntumor) und Akustikusneu- Richtlinien angeblich sicheren Grenzwerten bestehenden Frequenzen. Denn genau dem
rinome entsprechen den Bradford-Hill-Kri- [18]. Die Exposition gegenüber bereits beste- sind die Menschen alltäglich ausgesetzt.
terien der Kausalität durch RFR-Exposition henden Hochfrequenz-Levels ist schon
auf der Grundlage epidemiologischer Studi- schädlich; mit der Bereitstellung von 5G Referenzen
en [14]. Aufgrund dieser wissenschaftlichen wird diese noch wesentlich gesteigert. Die Literaturnachweise finden sich online:
Überlegungen fordern wir die Einführung Ausgehend von den Ergebnissen unserer www.aefu.ch/oekoskop/belpoggi_referen-
des Vorsorgeprinzips beim Mobilfunk.10 Studie betrachten wir die ICNIRP-Richt- zen
linien zur Begrenzung der Exposition ge- Übersetzung: Brigitte Graf Bunz
8
Exposition gegenüber Mobilfunkantennen. genüber elektromagnetischen Felder als un- Englisches Original:
9
Exposition gegenüber Endgerät, z.B. Handy. genügend. Sie sollten angepasst werden, wie www.aefu.ch/oekoskop/belpoggi_original
10
In der Schweiz ist das Vorsorgeprinzip bei Mobilfunkan- viele Länder es bereits gemacht haben, so z.B.
tennen gesetzlich verankert (nicht aber bei Endgeräten).
11
Die ‹International Commission on non-ionizing radiation Italien und die Schweiz, um die möglichen Dr. Fiorella Belpoggi ist wissenschaft-
protection (ICNIRP› ist eine nichtstaatliche Organisation, Risiken in ihren Ländern zu minimieren. In
sie veröffentlicht unverbindliche Grenzwert-Richtlinien, liche Direktorin am Ramazzini-Institut in
die in der Kritik stehen. Italien gelten 20V/m als Expositionslimit Bologna (I).
12
Falcioni, L. et al. Report of final results regarding brain und 6V/m als Beobachtungslimit für An-
and heart tumors in Sprague-Dawley rats exposed from belpoggif@ramazzini.it
prenatal life until natural death to mobile phone radiofre- wohnende oder Beschäftigte sowie 6V/m www.ramazzini.org
quency field representative of a 1.8 GHz GSM base station
environmental emission. Environ. Res. 2018, 165, 496-503. als sog. quality limit). Das Beobachtungsli-
20 2/20 www.aefu.ch
Körperzellen unter Mobilfunkbestrahlung
Elektromagnetische Felder,
oxidativer Stress
und Gesundheit
Cornel Wick, Winterthur Die Dauerbelastung mit elektromagnetischen Feldern,
sen/journal/resistente-schadorganismen-auf-dem-vor-
marsch-alternativ-11000
info@aefu.ch 2/20 21
Körperzellen unter Mobilfunkbestrahlung
22 2/20 www.aefu.ch
Körperzellen unter Mobilfunkbestrahlung
11
Genvarianten das Finden der Gesundheits-Balance noch
12
https://europaem.eu/de/ viel komplexer (vgl. Grafik). Insgesamt ist cornel.wick@hin.ch
13
DaCosta L et al. Nutrigenetics and Modulation of Oxida- also ein breiter umweltmedizinischer Blick- www.praxis-lindspitz.ch
tive Stress. Ann Nutr Metab 2012;60(suppl 3):27-36. doi:
10.1159/000337311 winkel und Abklärungsansatz notwendig.
info@aefu.ch 2/20 23
Mobilfunk braucht gesellschaftlichen Diskurs
Technikfolgen
ist mehr als Strahlenrisikobeurteilung
Hans-Peter Hutter, Michael Kundi, Die IT-Industrie liefert einen Mobilfunkstandard nach
Hanns Moshammer
dem andern. Die Forschung zu den Auswirkungen hinkt
Die Industrie besingt die wunderbare Welt und bereits niedrigere Frequenzen im Mik- ergebnisse vorliegen, ist auch hinsichtlich
des neusten Mobilfunkstandards 5G. Der rowellenbereich – zu grauem Star [2] und zu 5G ein umsichtiger und vorsorglicher Um-
tatsächliche Mehrwert ist jedoch höchst Läsionen in der Nervenschicht der Netzhaut gang erforderlich.
unklar (vgl. Beitrag Zbornik, S. 9). Anzahl [3] führen können. Zudem finden sich auch
und Art der künftigen konkreten Anwen- einige Hinweise auf schädliche systemische Rationale Diskussionsbasis fehlt
dungen sind vage. Neben den Einsatzgebie- Wirkungen (z.B. Nerven- oder Immunsys- Einige lokale, zumeist kommunale Organe
ten sind auch wesentliche Eckdaten der tem) nach dermaler Exposition [4, 5]. haben in Österreich auf ihrem jeweiligen
5G-Technologie (Frequenzbereiche, Versor- Bereits aus der wissenschaftlichen Fak- Gebiet abweichende vorsorgeorientierte
gungsinfrastrukturen) noch offen. tenlage zu den bisherigen Mobilfunkge- Richtwerte erlassen. Mit den Plänen zur
nerationen 1G, 2G, 3G und 4G kann keine Einführung von 5G verkündet die Industrie
Wissenschaftliche Datenlage gesundheitliche Unbedenklichkeit abge- nun gebetsmühlenartig und mit Unterstüt-
5G wird neue, höhere Frequenzbereiche leitet werden. Im Gegenteil: Hochfrequente zung der österreichischen Bundesbehörden,
erschliessen. Dabei handelt es sich um Mil- elektromagnetische Felder wurden von der dass 5G keine neuartige elektromagnetische
limeterwellen. Die Aufnahme ihrer hochfre- internationalen Krebsagentur IARC2 der Felder generieren werde. Im für 5G nöti-
quenten elektromagnetischen Felder findet WHO [6] als möglicherweise krebserregend gen dichten Antennennetz würde die ein-
oberflächlich in der Haut statt. Solche Wellen (Kategorie 2B) eingestuft. Auch können zelne Antenne sogar weniger stark strahlen.
dringen also weniger tief in den Körper ein damit andere ernste Gesundheitsprobleme Gleichzeitig wird den abweichenden Kom-
im Vergleich mit älteren Mobilfunkgenera- in Abhängigkeit von Dauer und Häufigkeit munen ‹vermittelt›, sie beim Roll-out (Ein-
tionen wie z. B. 2G. Sie können aber in der der Exposition einhergehen (vgl. Beitrag Bel- führung von 5G) auszulassen und so quasi
Dermis (Lederhaut) und in der Epidermis poggi, S. 17). ins Mittelalter zurückzuschicken. Dies mit
zu gesundheitsrelevanten biologischen Ef- der Begründung, die strengeren Richtwerte
fekten führen. Die Schweissdrüsen mit Technikfolgenabschätzung könnten beim Betrieb der neuen Technologie
ihrer Struktur und ihrer Durchlässigkeit für Bei den vorhergegangen Mobilfunktechno- nicht eingehalten werden.
elektrische Felder können wie Antennen logien standen zur Zeit der Lizenzvergabe Auf der anderen Seite versammeln sich
wirken [1]1. Besondere Beachtung muss die ebenfalls keine gesicherten Erkenntnisse zu ‹Hard Core›-MobilfunkgegnerInnen und
Exposition der Augen erhalten. Es ist seit Effekten auf biologische Systeme zur Ver- schieben sogar die COVID-19-Pandemie
langem bekannt, dass Millimeterwellen – fügung. Die Forschung hinkt der technolo- 5G in die Schuhe. Dies alles erschwert eine
gischen Entwicklung stets hinterher. Das ist vernunftbasierte Diskussion um die Einfüh-
nicht der Forschung anzulasten, sondern rung von neuen Technologien.
1
Eckige Klammern = Literaturnachweise, online unter:
www.aefu.ch/oekoskop/hutter_et_al_referenzen der Wirtschaft und der Politik, die der Ge- Gesundheitliche Risiken für die nähere
2
Die ‹International Agency for Research on Cancer (IARC)› sellschaft ungeklärte technologische Risiken und fernere Zukunft rund um «Mobilfunk
ist eine Forschungsagentur der ‹World Health Organiza-
tion› (WHO). zumuten. Eine umsichtige, also frühzeitige und Strahlenbelastung», speziell im Zusam-
3
https://www.austrian-standards.at/ und fundierte Auseinandersetzung findet menhang mit der Einführung von 5G, sind
4
Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Öster- auch bei 5G wiederum nicht statt. Ohne deutlich umfassender als bisher zu erörtern
reichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Aus-
trian Institute of Technology (AIT) Center for Innovation Prüfung der biologischen und gesundheitli- und wissenschaftlich fundiert zu analy-
Systems and Policy: 5G-Mobilfunk und Gesundheit. Die
aktuelle Einschätzung des Evidenzstandes zu möglichen chen Auswirkungen soll mit 5G erneut eine sieren. Letztlich muss eine Abwägung zwi-
Gesundheitsrisiken von elektromagnetischen Feldern des
Mobilfunks durch anerkannte wissenschaftliche Gremien. neue Technologie flächendeckend installiert schen dem gesellschaftlichen Nutzen und
Endbericht. Studie im Auftrag des Österreichischen werden. Aus unserer Sicht ist es keine Frage: den Risiken stattfinden. Diese neue Kommu-
Parlaments. Wien, 1.2020. https://www.parlament.gv.at/
ZUSD/FTA/5G-Gesundheit_Endbericht_final.pdf Solange keine unabhängigen Forschungs- nikationstechnologie mag neue wirtschaft-
24 2/20 www.aefu.ch
Millimeterwellen, wie sie bei 5G eingesetzt werden sollen
und bereits heute genutzte Frequenzen im Mikrowellen-
bereich, können zu Grauem Star führen. Dabei trübt sich
die Augenlinse, was die Erblindung bedeuten kann.
© science-photo.de
Kurzgutachten ans
österreichische Parlament
Spät aber doch hat das österreichische Parla-
ment einen Anlauf genommen. Nicht zu einem
Gesetz, aber immerhin zu einer ernsthafteren
Befassung mit der Materie. Dazu hat es das
Institut für Technikfolgenabschätzung (ge-
meinsam mit AIT) mit einem Kurzgutachten4
beauftragt [8], die wissenschaftliche Beur-
teilung der gesundheitlichen Auswirkung
von Mobilfunkstrahlung darzustellen.
Gewünscht hätten wir uns eine echte
Technikfolgenabschätzung etwa inklusive
psychosozialer Folgen und Auswirkungen
auf die Umwelt. Eine solche umfassendere
Auseinandersetzung wird im Gutachten je-
doch ausdrücklich ausgeschlossen. Vielmehr
listet es diverse Stellungnahmen bzw.
Standpunkte verschiedener nationaler und
internationaler Behörden sowie Gremien
zu hochfrequenten Feldern allgemein und
zu 5G im Besonderen auf. Immerhin wird
genauer untersucht, worauf die teilweise
sehr unterschiedlichen Risikobewertungen
beruhen. Letztlich kommen die AutorInnen
zum Schluss, dass wenig Dissens über die
vorliegende Evidenz der Gesundheitsrisiken
herrsche. Vielmehr gibt es Dissens darüber,
welcher Grad an Evidenz welches Ausmass
an vorsorglichen Massnahmen erfordere.
info@aefu.ch 2/20 25
Mobilfunk braucht gesellschaftlichen Diskurs
Fazit
Wir benötigen trotz aller methodologischen
Gesellschaftlicher Diskurs das Geringste über die im praktischen Ein- Schwierigkeiten und Grenzen nach wie vor
unumgänglich satz zu erreichenden Datenraten aussagen. eine umfassende Technikfolgenabschätzung,
Das Gutachten hat für jeden etwas: Es ist Insbesondere dann nicht, wenn alle diese um zu entscheiden, wohin die Reise mit 5G
durchaus die Empfehlung zu einem vorsorg- Technologie nutzen würden. überhaupt gehen soll. Für welche Anwen-
lichen Vorgehen herauszulesen. Wer will, dungen brauchen wir wirklich noch höhere
findet darin aber auch Positionen, die ein 5G spart weder Energie Datenraten? Vertragen wir das als Gesell-
forscheres Vorgehen u.a. beim Roll-out von noch Ressourcen schaft auch langfristig? Es ist unerklärlich,
5G unterstützen. Das Gutachten verlangt Bereits jetzt verursachen unsere virtuellen dass gerade diese Fragen im Gutachten ans
auch brav weitere Forschung. Doch der be- Unternehmungen einen wachsenden Ener- österreichische Parlament ausdrücklich aus-
schriebene Dissens wird nicht durch weitere gie- und Ressourcenverbrauch in der realen geschlossen wurden – sei es aus Antrieb der
toxikologische oder epidemiologische Stu- Welt [9]. Einsparungen durch effizientere GutachterInnen oder aufgrund eines einge-
dien behoben. Das hat die Geschichte bisher Technologien werden stets durch die wach- schränkten Auftrages des Parlamentes.
gezeigt. sende Datenmenge überkompensiert (Re-
Ohne Zweifel ist dringend weitere bound-Effekt). Für 5G müssten alle mobilen Referenzen
Forschung notwendig. Viel bedeutsamer in Endgeräte durch 5G-fähige ersetzt werden. Die Literaturnachweise finden sich online:
der Vorbereitung von 5G ist allerdings ein Die 5G-Antennen müssen vermutlich aus Si- www.aefu.ch/oekoskop/hutter_et_al_refe-
breiter gesellschaftlicher Diskurs zur Frage, cherheitsgründen (z. B. wenn sie für selbst- renzen
welche Ziele und Bedürfnisse mit einer fahrende Autos eingesetzt werden) redun-
weiteren Steigerung des Datenvolumens dant mit Batterien versehen werden. Das
tatsächlich bedient werden. Die Kommuni- lässt ein erhebliches zusätzliches Umwelt- Prof. Dipl.-Ing. Dr. med. Hans-Peter
kationsindustrie muss für 5G scheinbar erst risiko durch Herstellung und Entsorgung Hutter ist Facharzt für Hygiene und
Bedürfnisse wecken, deren wahrer Bedarf dieser Batterien vorhersehen. Mikrobiologie mit Schwerpunkt Um-
oft zu hinterfragen ist. Ihr Mantra «5G ist die weltmedizin, Physikatsarzt und Land-
Antwort auf den ständig steigenden Daten- Unabsehbare Folgen schaftsökologe. Er ist stv. Leiter der
hunger der Gesellschaft» ist zu hinterfragen. Die virtuelle Kommunikation ist allgegen- Abteilung für Umwelthygiene und Um-
Es geht nicht darum zu klären, ob wir IT- wärtig, aber ein adäquater Umgang damit weltmedizin am Zentrum für Public
Technik und moderne Kommunikationsfor- fehlt. Die Internetabhängigkeit nimmt Health (ZPH) an der Medizinischen Uni-
men überhaupt wollen. Gerade auch in der laufend zu [10, 11], ebenfalls orthopädische versität (MedUni) Wien (A). Prof. Dr. Mi-
Corona-Krise haben sich virtuelle Kommu- Probleme aufgrund ergonomischer Fehl- chael Kundi ist Epidemiologe und ehem.
nikationsformen als wertvolle Unterstüt- haltungen vor den Bildschirmen [12, 13]. Leiter des Institutes für Umwelthygiene
zung erwiesen und selbst Forschungstätig- Der Einsatz von IT in der Schule ist nicht an der MedUni Wien. Dr. med. Hanns
keit kommt bekanntlich nicht mehr ohne ausreichend durch Studien und pädago- Moshammer ist Facharzt für Hygiene
Internet aus. Zu hinterfragen ist, warum gische Konzepte abgestützt. Dabei ist es und Mikrobiologie und Praktischer Arzt.
man nicht eine unmissverständliche Darstel- unbestritten, dass für den Reifeprozess der Er ist heutiger Leiter der Abteilung für
lung verlangt, ob für virtuelle Kommunika- Kinder und Jugendlichen ausreichende und Umwelthygiene und Umweltmedizin am
tionsformen nicht bereits der LTE-Mobil- umfassende Erfahrungen in der realen Welt ZPH der MedUni Wien.
funkstandard (4G) ausreichend wäre. Alle und analoge Sozialkontakte notwendig hans-peter.hutter@meduniwien.ac.at
Wunderberichte über die Geschwindigkeit sind. Diese aber werden zunehmend durch www.meduniwien.ac.at/umwelthygiene
von 5G stammen aus Laborstudien, die nicht virtuelle Erlebniswelten verdrängt [14]. Last
26 2/20 www.aefu.ch
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MitteAugust 2020. Mindestbestellmenge pro Sorte: 1000 Stk.
Preise Terminkärtchen: 1000 Stk. CHF 200.–; je weitere 500 Stk. CHF 50.–
Rezeptblätter: 1000 Stk. CHF 110.–; je weitere 500 Stk. CHF 30.–
Zuzüglich Porto und Verpackung. Musterkärtchen: www.aefu.ch
Bestell-Talon
Einsenden an: Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz,
Postfach 620, 4019 Basel, Fax 061 383 80 49
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_________ Terminkärtchen «Luft ist Leben!»
_________ Terminkärtchen «für weniger Elektrosmog»
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Die Letzte
© Johann Mayr
Fachzeitschrift der Ärztinnen und
Ärzte für Umweltschutz (AefU)
Impressum
Redaktion:
• Stephanie Fuchs, leitende Redaktorin
AefU, Postfach 620, 4019 Basel, oekoskop@aefu.ch
• Dr. Martin Forter, Redaktor/Geschäftsführer AefU, Postfach 620, 4019 Basel
Papier: 100% Recycling
Artwork: CHE, christoph-heer.ch
Druck/Versand: Gremper AG, Pratteln/BL
Abo: CHF 40.– / erscheint viermal jährlich > auch für NichtmedizinerInnen
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