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Bild: www.imago-images.de
Anmoderation: Stellen sie sich vor, Extremisten besetzen ein Haus
und machen es zu einer Art Festung, ganz offen mit Parolen an der
Fassade. Sie terrorisieren Nachbarn und greifen Polizisten an. Und
das Jahrelang. Grauenhafte Vorstellung? Genau das passiert. Mitten
in der Hauptstadt. Gleich zwei Häuser werden hier von Autonomen
regelrecht beherrscht. Für die Grünen Lokalpolitiker aber geht das
offenbar noch als bunte Berlin-Folklore durch. Und so wurden sie
sehr lange einfach in Ruhe gelassen.
Krawalle gegen die geplante Räumung der Liebigstraße 34 mitten in der
Hauptstadt. Sie ist neben der Rigaer Straße 94 die letzte Bastion der
Linksautonomen. Seit Jahren auch Hotspot der Gewalt. Vor allem gegen
Nachbarn, die ihnen nicht passen.
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„Verpisst euch aus unseren Kiezen“
Zum Beispiel die Bewohner dieser Baugemeinschaft – ihr Haus erbaut, als man
sich das hier noch leisten konnte – um dem teuren Mietmarkt zu entfliehen.
Viele von ihnen sehen sich selbst als links oder grün.
Aber schon die Baustelle wurde 2015 Ziel eines Brandanschlages. Stahlkugeln
landeten im Kinderzimmer von Familie Deeke – die Täter nie ermittelt.
Kaspar Deeke, Nachbar
„Alle Scheiben kaputt und einige der Stahlkugeln sind halt auch ins Zimmer
gelangt. Meine Tochter hat Gott sei Dank hier auf dem Hochbett geschlafen.“
Kaspar Deeke, einst selbst Hausbesetzer, arbeitet heute hier als Hausmeister.
Kaum ein Eingang ohne Glasbruch. Deecke hat es mittlerweile aufgegeben, nach
jedem Angriff die Schäden reparieren zu lassen.
Kaspar Deecke, Hausmeister
„Die Dauerhaftigkeit dieser Angriffe, auch der verbalen Attacken und der immer
wiederkehrenden Drangsalierung macht es einem nicht leicht.“
Hier eine Strafaktion gegen einen Kioskbetreiber. Der hatte sich geweigert, einer
Autonomen ein Paket zu geben, weil sie ihren Ausweis nicht zeigen wollte. Vor
allem aber im Visier der Autonomen: Der Eigentümer der Liebigstraße 34 Gijora
Padovicz, von dem es kaum öffentliche Fotos, aber viele Hass-Flyer gibt. Der
Immobilienkaufmann und seine Familie, hier vor zehn Jahren, stehen unter
Polizeischutz.
Genutzt wird das Haus von einem sogenannten „queerfeministischen“ Projekt, von
anarchistischen Lesben und Transfrauen – hier vor Gericht protestierend.
Bei einer Kundgebung vor wenigen Wochen spricht Isabell H. – ein Sprachrohr
der Szene und polizeibekannt:
Isabell H., Aktivistin
„Das Hauskollektiv ist die einzige Hausgemeinschaft, die Padovic offen die Stirn
bietet. Hier werden Formen des Widerstands zelebriert, die sich andere nicht
trauen, und woran andere nicht mal denken.“
Im Internet drohen Autonome dem Hauseigentümer Padovic den Tod an - in
Anspielung auf RAF-Methoden.
Was aber sagt Isabel H. dazu?
Isabelle H., Aktivistin
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„Hau´n Sie ab hier aus der Straße, wir brauchen sie nicht.“
Kontraste
„So´n Spruch - Padovic im Kofferraum – finden Sie das okay?“
Isabelle H., Aktivistin
„Das sind Leute von Kontraste. Das sind Leute von Kontraste von der ARD, die
diese scheiß Hetze mitmachen.“
Kritische Fragen – für sie hier Hetze. Im Nachbarhaus Rigaer Straße 94, Anfang
Juli: eine gerichtlich angeordnete Durchsuchungsaktion. Im Windschatten dabei:
Ein Anwalt des Eigentümers und ein Bautrupp des Hausverwalters. Stahltore
werden demontiert, Verbarrikadierungen entfernt.
Torsten Luschnat, Hausverwalter Rigaer Str. 94
„Es wurden Stromleitungen angezapft, es wurde überall gegen Bauvorschriften
verstoßen und wir haben erhebliche Fallen gefunden hier im Hause. Wenn Sie
durch die hindurch laufen würden, würden Sie davon erschlagen.“
Politisch zuständig sind die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann und
ihr grüner Baustadtrat Florian Schmidt - Zuständig auch für Brandschutz und
die Bausicherheit. Laut Kontraste vorliegenden Unterlagen warnte die Polizei
bereits 2016 die Bezirksbürgermeisterin Herrmann vor Brandschutzmängeln.
Durch das Eingangstor und bauliche Veränderungen sei der „Zutritt für adhoc
einzusetzende Rettungskräfte erheblich erschwert.“
Mehrmals weist auch ihre eigene Bauaufsicht die Bezirksbürgermeisterin darauf
hin, dass es „diverse, für Leib und Leben der Bewohner*innen … relevante
Mängel gibt.“
Deshalb sei „ein Verwaltungsverfahren zur Gefahrenabwehr“ - wörtlich -
„zwingend erforderlich“.
Doch die grüne Bürgermeisterin und ihr grüner Baustadtrat blocken ab.
Baustadtrat Schmidt argumentiert mit einem Ermessensspielraum und will die
Situation mit den Besetzern nicht eskalieren. Er weist sein Amt an: „… bis auf
Weiteres nicht von Amts wegen gegen bauliche Missstände vorzugehen. Dies ist
eine politische Entscheidung des Bezirks.“
Wird hier geltendes Baurecht ausgehebelt, um autonome Hausbesetzer zu
schützen?
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Immerhin hatte ein Beamter bereits förmlich gegen die Anweisungen protestiert,
da sie – wörtlich - „zu einem fachlich falschen Verwaltungshandeln führen, aus
dem heraus dem Land Berlin ein Schaden entstehen kann.“
Die Kontraste-Recherchen schlagen Wellen. Jetzt will die für die Bezirke
zuständige Berliner Senatsinnenverwaltung prüfen, ob die politische Anweisung
rechtmäßig war. Wir bitten den Verwaltungsjuristen Professor Ulrich Battis, die
Akten zu prüfen. Sein Urteil eindeutig:
Prof. UIrich Battis, Verwaltungsrechtler, Humboldt-Universität Berlin
„Wenn man sagte, das ist eine politische Entscheidung, dann ist das doch eine
klare Ausssage. Das Recht wird ignoriert, weil man politisch anders entscheiden
will. Ganz offensichtlich. Und hier ist das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden
und damit rechtswidrig.“
Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann beharrt trotzdem, man habe
legal gehandelt - und verweist auf den Eigentümer:
Monika Herrmann (Bündis 90 / Grüne), Bezirksbürgermeisterin
Friedrichshain-Kreuzberg
„Es gibt Ermessenspielräume und es gibt vor allen Dingen auch Verantwortliche,
die das zu beseitigen haben.“
Kontraste
„Aber setzt man da nicht Menschenleben aus politisch ideologischen Gründen
aufs Spiel?“
Monika Herrmann (Bündis 90 / Grüne), Bezirksbürgermeisterin
Friedrichshain-Kreuzberg
„Das hat mit Menschenleben aufs Spiel setzen nichts zu tun, wenn wir in dieser
Phase sind. Da ist Ihre Interpretation.“
Interpretation? Wir erinnern uns: bereits 2016 warnte die Polizei die
Bürgermeisterin vor den baulichen Veränderungen. Trotzdem schrieb die
Bürgermeisterin 2017 an den Berliner Innensenator Geisel, dem Bezirksamt lägen
„… keine Hinweise, Indizien oder Informationen vor, die ein behördliches
Einschreiten rechtfertigen würden.“
Nach Kontraste-Informationen drängte die Berliner Innenverwaltung noch diesen
März auf Klarstellung. In seiner Antwort im Juni 2020 schreibt der grüne
Baustadtrat, er sei davon ausgegangen, dass die Bewohner die Mängel selber
beseitigen“ würden und Fotos bewiesen, Zitat „... dass die Fallklappe beseitigt
sei.“ Diese Aufnahmen von Stahltor und einer weiteren Falle vier Wochen später
zeigen, dass auch zu diesem Zeitpunkt schwere Mängel existierten.
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Bei einem Polizeieinsatz im Haus Rigaer Straße 94 treffen wir Canan Bayram,
einzige direkt gewählte grüne Bundestagsabgeordnete Deutschlands.
„Ich hab mir jetzt mal Eindrücke vor Ort verschafft. Bin aber noch dabei.“
Die Abgeordnete ist eine einflussreiche Unterstützerin der Szene, setzt sich zum
Beispiel beim Regierenden Bürgermeister Berlins Michael Müller, seinen
Stellvertretern von Grünen und Linken, Ramona Pop und Klaus Lederer für die
Nutzer der Liebigstraße 34 ein. Wörtlich: „Das Haus ist ein einzigartiger
Schutzraum, ein solidarisches Zuhause.“
Polizeibeamte behaupten sogar, sie würden durch Auftritte der grünen
Abgeordneten eingeschüchtert:
Polizist (Stimme nachgesprochen)
„Frau Bayram ist bei jeder großen Demonstration vor Ort und übt dort
massiven Druck auf die Polizeiführung aus.
Gern hätten wir erfahren, was die Abgeordnete zur zunehmenden Gewalt auch
gegen Nachbarn sagt. Mehrere Interviewanfragen lehnt die Grüne ab. Also
besuchen wir sie am Infostand:
Kontraste
„Warum solidarisieren Sie sich mit den Aktivisten der Liebig und Rigaer. Eine
Frage für Kontraste-Die Reporter bitte!“
Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen), Bundestagsabgeordnete
„Sie sehen schon, dass ich hier Familienpolitik zum Thema mit den Bürgerinnen
im Austausch bin.“
Kontraste
„Aber noch ist ja ganz entspannt hier, das können wir doch kurz drüber
sprechen!“
Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen), Bundestagsabgeordnete
„Ich weiß nicht, warum Sie das jetzt so machen müssen. Bestimmt haben sie
jemanden, der ihnen das gesagt hat, dass Sie das so machen sollen.“
Kontraste
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„Wie meinen Sie das, dass uns das jemand gesagt hat? Wir haben bei Ihnen
ganz offiziell Interviews angefragt. Das haben Sie nicht machen wollen. Warum
eigentlich? Ist doch ein wichtiges Thema.“
Schweigen
Canan Bayram forderte heute, die für morgen früh gerichtlich angeordnete
Räumung der Liebigstraße 34 abzusagen – aus Gründen des Infektionsschutzes.
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