Ideen regieren die Welt. Und die Idee, die zurzeit die Macht erobert, ist die Idee des Vernetzens. Eine Idee, die im totalen Kontrast steht zur Idee der Industrialisierung, wo es darum ging zu teilen.
Wie schätzen Sie die Macht der sozialen Netzwerke ein?
Die Macht in den sozialen Netzwerken muss man aus zwei Perspektiven sehen. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass sich Individuen in einem globalen Kontext melden können, also die Losgrösse N=1. Und gleichzeitig haben wir eine Ressource, die global ist. Das ist etwas, das es vorher nicht gegeben hat, daraus entstehen schnelle, machtvolle Reaktionen – sei es im politischen Umfeld, wie man es in den arabischen Ländern sieht, sei es, dass globale Produzenten ermahnt werden können, ihre Zulieferer auf Verhaltenscodices einzuschwören. Was ist die Schattenseite dieser Netzwerk-Macht? Die Zentralisierung der Macht auf wenige Unternehmen. Das ist relativ neu, dass sich die öffentliche Struktur des Internets von einigen global aktiven Unternehmen – sei es Apple, IBM, Google, Facebook, Microsoft oder Salesforce – privatisiert wird.
Was ist der Gewinner dieses Machtwechsels?
Die tatsächliche Innovation im globalen Masstab war das nicht-zensierte Datennetz – und das wird nun wieder in Claims abgesteckt. Das Thema Netzneutralität ist hochspannend, weil hier Fragen gestellt werden, die letztendlich mit Geld gelöst werden. Also wer mehr Geld investiert, kriegt schnellere, sichere Verbindungen, erhält eine digitalisierte Privatsphäre.
Wie hat sich die Markenmacht in den letzten Jahren verändert?
Marken waren historisch ein Symbol für Industriequalität. Inzwischen haben sich die Marken von den Produkten losgelöst und sind Kommunikationsanlässe geworden. Norbert Bolz spricht davon, dass Marken die Produkte letztlich ersetzen. Die Produkte sind also austauschbar, das Markenimage nicht. Dieser Prozess wurde natürlich in erster Linie über Massenmedien, also über Monologe aufgebaut. Das hat sich unter dem Stichwort Kultmarketing verändert. Aber der tatsächliche Umschwung ist erst durch das Web 2.0 passiert, als Konsumenten sich völlig unabhängig von den Markeninhabern digital mit den Marken auseinandergesetzt haben. Mit der Folge, dass Marken darum bitten mussten, mit eingeladen zu werden.
Wie gross ist die Macht der Konsumenten wirklich?
Die Macht ist total geworden, was die Transparenz angeht, was die Schnelligkeit des Schwarms angeht. Die Situation, dass einer, der eine hohe Relevanz im Netz hat unglaublich viel bewegen kann, gab es vorher nicht. Und das entmachtet die Unternehmen. Die Interpretation von digitalen Informationen, also das Tracking von Datenströmen ist ein Informationsvorsprung, den die meisten Unternehmen im Moment noch nicht nutzen, der aber die Gegenmacht darstellen wird.
Was ist attraktiver als Macht?
Liebe, natürlich! In dem Moment, wo ich etwas freiwillig tue, muss Macht gar nicht erst in Erscheinung treten. Es gibt zwei unterschiedliche Aspekte der Macht. Der eine ist, Macht über jemanden zu haben – das ist im Prinzip das, was die Unternehmen versprochen haben. Die Idee, Macht zu etwas zu haben, ist etwas, was gerade im nicht-kommerziellen Bereich – Stichwort Liebe – immer ein wichtiger Faktor gewesen ist. Und ich glaube, Marken müssen einfach lernen, ihre Konsumenten zu lieben. Dann verbindet sich die Idee der Macht über etwas mit der Idee, der Macht zu etwas.
Über wen haben Sie Macht?
Ich bin Beamter, in sofern habe ich geliehene Macht innerhalb der Universität, kann also Noten vergeben. Gleichzeitig bin ich aber auch unter einer akzeptierten Macht, muss also als Beamter tun, was mein Dienstherr mir sagt.