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Privileg oder Gemeinnutz?

Kosten und Nutzen der Zürcher Wohnbauförderung.

Von Dr. Marco Salvi.


Ökonom und Autor des Blogs «Der Stadtökonom».

Dieser Beitrag will, nüchtern und fernab jeden politischen Kalküls, die Objektförderung in der Stadt Zürich
unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachten. Drei einfache, aber dennoch fundamentale Fragen stehen
dabei im Zentrum: Ist die Förderung effektiv? Ist sie effizient? Ist sie gerecht? Auf dieser Basis werden sowohl
die Vor- wie auch die Nachteile der Objektförderung in Zürich erörtert – dies wohl wissend, dass der Beitrag
kein Ersatz für eine vollständige Analyse dieser komplexen und nach wie vor politisch brisanten Materie sein
kann. Gleichzeitig sollen auch einige «urbane Legenden» rund um Kosten und Nutzen der Objektförderung
aufgedeckt und auf das bisher vernachlässigte Potential der Subjektförderung hingewiesen werden.

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Gesegnet mit einer nach internationalen der Subjektförderung, welche eine direkte

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Massstäben hohen Lebensqualität, kämpft Unterstützung der bedürftigen Haushalte
die Stadt an der Limmat seit Jahrzehnten vorsieht, klar vorgezogen.
mit einer fehlenden Verfügbarkeit von freiem Das Besondere an Zürich ist das Instru-
Wohnraum. Je nach Verfassung der Konjunk- ment, mit dem die Objektförderung umge-
tur wird diese Knappheit mehr oder weniger setzt wird. Mit ca.13 000 Wohnungen ist das
stark akzentuiert. Seit eh und je versuchte Wohnungsportfolio, das im direkten Besitz
die Politik auf diese Situation zu reagieren. der Stadt Zürich ist, relativ klein; es ent-
So sind die Eckpfeiler der städtischen Woh- spricht bloss 6 Prozent des Wohnungsbe-
nungspolitik seit über 80 Jahren weitgehend standes. Wohnpolitik in Zürich wird deshalb
unverändert geblieben.1 Im Zentrum dieser vorwiegend indirekt mit der Abgabe von
Politik stand und steht die Objektförderung, städtischem Bauland im Baurecht und der
d.h. die gezielte Verbilligung von Wohnraum. Gewährung von zinslosen Baukrediten an
Wie in den meisten europäischen Ländern Baugenossenschaften gemacht. Der Anteil
wurde die Objektförderung ihrer Alternative, der im Baurecht neu erstellten Wohnungen
Wird.

1 Präsidialdepartement, Stadt Zürich, Statistik Stadt Zürich; 2009


der Baugenossenschaften lag in den letzten wohnen», für die «(Im Gegensatz zum ‹sozia-
fünf Jahren über 70 Prozent. Drei Viertel des len Wohnungsbau›) die weit überwiegende
rund 52 000 Wohnungen umfassenden ge- Zahl der Genossenschaftswohnungen jedoch
meinnützigen Segments – ein Viertel aller nicht (mehr) subventioniert wird».3
Zürcher Wohnungen – gehören heute Bau-
genossenschaften. 210 Millionen Franken fehlen
Diese Autoren unterschätzen massiv
Der Mythos der kostenlosen die Höhe der involvierten Beträge. Eine
Wohnbauförderung unlängst veröffentlichte Studie von Statistik
Wie viel kostet die Zürcher Wohnbauför- Stadt Zürich hilft, diesbezüglich Klarheit zu
derung? Um diese Frage zu beantworten, verschaffen.4 Diese untersuchte den statisti-
müssen wir vorweg zwischen Transferzahlun- schen Zusammenhang zwischen den Merk-
gen und Kosten unterscheiden. Erstere malen der Zürcher Wohnungen und deren
umfassen die Umverteilung von Geldern von Mietzinsen. Grundlage dazu bildete eine um-
einer Person zur anderen, beispielsweise fangreiche Stichprobe von 8400 Wohnungen,
mittels Steuern und Subventionen. Kosten 3500 davon aus dem gemeinnützigen Markt.
hingegen entsprechen dem Wert der Dinge, Laut dieser Studie erzielt eine Wohnung auf
auf die verzichtet werden muss, wenn ein dem privaten Markt im Durchschnitt eine um
bestimmtes Gut konsumiert wird; in diesem 35 Prozent höhere Miete als eine in allen
Fall das Gut «Wohnen». Merkmalen vergleichbare Wohnung auf dem
Wer von den – fehlenden – Kosten der gemeinnützigen Markt. Anders gesagt ist
Wohnbauförderung redet, berücksichtigt eine Wohnung von gleicher Grösse, gleichem
üblicherweise nur Transferzahlungen. So war Alter, gleicher Qualität und Lage auf dem
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im deutschen Wirtschaftsmagazin «brand privaten Markt rund ein Drittel teuerer als die
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eins» unlängst zu lesen, dass «diese Art des entsprechende Stadt- oder Genossenschafts-
Wohngeldes» – gemeint sind die gemeinnüt- wohnung.
zigen Wohnungen in Zürich –«den Steuer- Die durchschnittliche Nettomiete für
zahler etwas ‹kostet›. Denn für den Bau einer Wohnungen zwischen 1 bis 5-½-Zimmern im
Siedlung genehmigt der Stadtrat für die sub- gemeinnützigen Bereich lag im Erhebungsjahr
ventionierten Wohnungen ein zinsloses Dar- 2006 bei 962 Franken pro Monat.5 Würden
lehen, und diese Zinsen fehlen der Stadtkas- sich also die Stadt Zürich und die Baugenos-
se später.»2 Noch häufiger anzutreffen ist die senschaften wie private Vermieter verhalten,
kecke Behauptung, dass die Wohnbauförde- würden sie rund 35 Prozent mehr Miete ein-
rung gar nichts koste. Einerseits würden die nehmen, rund 340 Franken pro Wohnung
Baurechtsverträge der Stadt hohe Einnahmen und Monat. Multipliziert man diese Zahl mit
einbringen, andererseits würden die Genos- der Anzahl Wohnungen in diesem Segment
senschaften dank der Kostenmiete sämtliche (51 630), ergeben sich zusätzliche Mieteinnah-
anfallenden Kosten in vollem Umfang selbst men von 210 Millionen Franken pro Jahr.
tragen. So sahen es beispielsweise die Auto- Diese Summe würde noch deutlich
Wird.

ren der Publikation «Genossenschaftlich höher ausfallen, wenn man als Referenz nicht
die auf dem Privatmarkt herrschenden Be- den Kosten gleichgesetzt, verzichtet die
standesmieten genommen hätte (diese sind Bodenbesitzerin, mindestens teilweise, auf
ebenfalls stark von der Mietregulierung be- diese Zahlung. Bodenbesitzerin ist in den
einflusst), sondern die meist noch deutlich meisten Fällen nicht die Baugenossenschaft,
höhere Marktmiete, die Neumieter zahlen. So sondern die Stadt Zürich. Der «entgangene
war kürzlich in den Medien die Rede einer im Gewinn» stellt also nichts anderes dar als
Seefeld-Quartier geplanten städtischen Lie- fehlende Einnahmen der Stadtkasse dar. Für
genschaft, in der 4-½-Zimmer-Wohnungen diese entgangenen Einnahmen – sowie für
für monatlich 1720 Franken vermietet wer- die entgangenen Zinszahlungen der zinslosen
den sollen, rund 2000 Franken unter Markt. Darlehen – müssen letztlich alle Steuerzahle-
Angenommen, die Neumieter würden zwan- rinnen und -zahler der Stadt aufkommen.
zig Jahre in der Wohnung bleiben, entspricht Baugenossenschaften könnten nur dann
der konservativ geschätzte Barwert der Sub- eine marktgerechte Entschädigung für die
vention rund 350 000 Franken pro Haushalt. Bodennutzung abliefern, wenn sie deutlich
tiefere Unterhalts- und Renovationskosten
Wem gehört die Bodenrente? als die privaten Vermieter hätten. Dies ist
Die 210 Millionen gehören klar in der jedoch nicht der Fall, denn sowohl die Vertre-
Kategorie der Transferzahlungen. Im Porte- ter der privaten Eigentümer als auch jene
monnaie rund eines Viertels der Mieterinnen der Baugenossenschaften müssen etwa für
und Mieter in der Stadt Zürich verbleibt am Ziegel und Zement den gleichen geltenden
Ende des Monats Geld, das sich in einem an- Marktpreis bezahlen.
deren Portemonnaie befinden würde, wenn
sie nicht Mieter des gemeinnützigen Seg- Die Kostenfrage

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mentes wären. Manche sind der Ansicht, Eine Umverteilung in diesem Ausmass

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diese Summe stelle entgangene Gewinne der erfordert eine vertiefte Auseinandersetzung
Baugenossenschaften dar, auf welche die mit den Kosten und dem Nutzen der För-
Genossenschaften zugunsten ihrer Mieter derung von Baugenossenschaften. Diese
freiwillig verzichten würden.6 Doch diese sind, wie bereits ausgeführt, scharf von
Erklärung hinkt. Auf einem kompetitiven den Transferzahlungen zu trennen. Effizienz-
Immobilienmarkt, also auf einem Markt mit verluste – Kosten für die Gesellschaft als
vielen Anbietern und Nachfragern, fliesst Ganzes also – entstehen grundsätzlich dann,
die Differenz aus Mieteinnahmen und Kosten wenn wertvolle Ressourcen falsch eingesetzt
der Bodenbesitzerin zu. Wird entsprechend werden oder wenn diese Ressourcen nicht
dem Kostenmietegedanke die Miete strikt von jenen Personen konsumiert werden, die

2 brand eins, Nr. 10/2009


3 Felix Bosshard, Mirella Ierace, Peter Schmid; 2004
4 Thomas Glauser, Andreas Bröhl, Andrea Horehájová; 2009
5 Thomas Glauser; 2008
Wird.

6 Andreas Hofer, Vorstandsmitglied des SVW Zürich, in einem Interview in «Wohnen» 6/2009: «Umverteilung ist hier
der falsche Begriff, es handelt sich um einen entgangenen zusätzlichen Gewinn.»
sie am meisten schätzen. Diese Ineffizienzen oder es werden etwa diejenigen berücksich-
können sowohl nachfrage- als aus angebots- tigt, die schon lange auf der Warteliste der
seitig auftreten. Sie werden bei der Diskus- Genossenschaft stehen.
sion um Sinn und Zweck der Wohnbauförde- Wie gut erfüllen die gemeinnützigen
rung selten erwähnt, weil sie nicht Vermieter ihre Selektionsfunktion? Um diese
unmittelbar sichtbar sind. Im Fall der gemein- Frage beantworten zu können, müsste
nützigen Wohnungen geht es konkret um bekannt sein, ob die Mieter der Genossen-
zwei Fragen: schaften die gleiche Wohnung auf dem
1. Werden die Wohnungen auf dem ge- privaten Markt mieten würden, wenn sie für
meinnützigen Markt wirklich von jenen die Mehrausgaben, die dabei entstünden,
Haushalten bewohnt, die sie am meisten entschädigt werden würden. Eine detaillierte
brauchen? empirische Beantwortung dieser Frage
2. Nützen die Baugenossenschaften die wäre angesichts der Datenlage in der Stadt
ihnen zur Verfügung stehenden Ressour- Zürich ohne weiteres möglich. Hier lassen
cen, insbesondere die Ressource Boden, sich aber bloss einige Indizien liefern.
auf eine effiziente Art und Weise?
Stellen sie jene Wohnungen bereit, die Der Lock-in Effekt
die Mieter wollen? Beim Einzug in eine Genossenschafts-
wohnung deutet wenig darauf hin, dass die
Auf einem privaten Markt wird die erste Mieterschaft – wenn sie die Wahl hätte –
Frage sozusagen automatisch bejaht, denn eine gänzlich andere Wohnung bevorzugen
die Wohnungen werden grundsätzlich der würde. Insbesondere neuere Genossen-
meistbietenden Mieterschaft vermietet. Ob schaftswohnungen unterscheiden sich punk-
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die Zahlungsbereitschaft auf eine besondere to Ausbaustandard, Grundriss und Grösse


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Präferenz, auf ein ausgeprägtes «Bedürfnis» wenig von privaten Neubauten. Doch droht
nach städtischem Wohnraum oder auf ein mit der Zeit ein Auseinanderklaffen zwischen
hohes Einkommen zurückzuführen ist, spielt dem «Bedarf» der Haushalte und ihrem tat-
bei diesem Marktmechanismus keine Rolle. sächlichen Konsum. Wer das Glück hat, in
Gerade diese Frage steht hingegen im eine günstige gemeinnützige Wohnung ein-
Zentrum der Sorgen der gemeinnützigen Ver- zuziehen, wird diese so schnell nicht verlas-
mieter. Weil die Mieten deutlich unter dem sen, auch wenn sie nicht mehr dem eigenen
Marktniveau liegen, übersteigt die Nachfrage Bedarf entspricht. Denn mit einem Umzug
nach Genossenschaftswohnungen das Ange- würde auch die implizite Subvention verloren
bot um ein Vielfaches. Baugenossenschaften gehen, welche die Mieterschaft erhält.
schalten den Selektionsmechanismus des Der künstliche Anreiz zur langen Ver-
Marktes weitgehend aus und ersetzen ihn weildauer in der gleichen Wohnung wird in
mit einem eigenen Mechanismus, der sich an der ökonomischen Literatur als Lock-in-Effekt
vordefinierten Kriterien orientiert: Etwa die bezeichnet – und lässt sich in Zürich leicht
Bevorzugung von Familien oder von Haushal- nachweisen. Eine Analyse der Verweildauer
Wird.

ten, die im Quartier bereits verankert sind, in Mietwohnungen auf der Grundlage der
amtlichen Daten zeigt, dass Mieter in Bau- übrigen Mietern zurückführen. Wie sich
genossenschaften rund doppelt so lang ver- weiter unten zeigt, sind diese Unterschiede
blieben wie vergleichbare Mieter in Wohnun- gering. Die Zürcher Baugenossenschaften
gen des privaten Markts. Dies gilt für eine scheinen sich also an ihre Belegungsvor-
Wohnung gegebener Qualität. Der Lock-in- schriften zu halten. Diese sehen vor, dass die
Effekt ist den Kosten der Objektsubventionie- Anzahl Zimmer nicht mehr als die Anzahl der
rung zuzurechnen, weil mit der Zeit die Woh- Personen im Haushalt plus 1 beträgt. Aller-
nungen nicht mehr von denjenigen Mietern dings sind Genossenschaftssiedlungen häufig
bewohnt werden, die sie am meisten schät- mit grosszügigen Gemeinschaftsräumen aus-
zen und brauchen. Die langen Verweildauer gestattet, welche in dieser Rechnung nicht
stellen zudem einen weiteren Nachteil für all berücksichtigt werden.
diejenigen dar, die auf Wohnungssuche sind Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich
und keine freien Wohnungen finden. jedoch, wenn die bauliche Dichte der Bau-
genossenschaftssiedlungen betrachtet wird.
Wenig haushälterischer Umgang mit Unter baulicher Dichte wird das Verhältnis
der Ressource Boden der bebauten Fläche zur Parzellengrösse ver-
Mieter in Genossenschaften zahlen standen. Für eine gegebene Gebäudehöhe
deutlicher weniger für Wohnraum als andere stellt sie die Intensität dar, mit welcher ein
Mieter. Man könnte also erwarten, dass der Grundstück genutzt wird. Wie die Grafik
typische Bewohner einer Genossenschaft «Gebäudegrundflächenanteil von Mehrfami-
mehr Wohnraum konsumiert als ein ver- lienhäusern» auf der nächsten Seite zeigt, ist
gleichbarer Mieter in einer privaten Woh- die bauliche Dichte der Baugenossenschaften
nung. Es wäre denkbar, dass wer von einer in allen städtischen Kreisen tiefer als auf

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Genossenschaft eine grosse Wohnung zuge- dem privaten Markt, in gewissen Kreisen

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teilt bekommt, sie auch dann nehmen würde, sogar um mehr als 10 Prozentpunkte. Es mag
wenn er den Wohnraum nicht unbedingt zudem erstaunen, dass der Anteil von Ein-
braucht. familienhäusern am Gebäudebestand bei den
Die zur Verfügung stehenden Daten Baugenossenschaften mit einem Anteil von
deuten indessen nicht auf einen übermässi- 8,7% im Jahr 2004 relativ gesehen doppelt
gen Konsum von Wohnraum im Genossen- so hoch ist wie bei den privaten Eigentü-
schaftssegment hin. Im Gegenteil: Die mern, wo nur 4,1% des Bestands Einfamilien-
Wohnfläche pro Person war bei der letzten häuser sind.8
Volkszählung im Jahr 2000 mit 34,3 Qua- Dieser Dichteunterschied ist beträcht-
dratmeter kleiner als der Durchschnitt aller lich. Würden sämtliche Parzellen von Bau-
Mietwohnungen (39,8 m2).7 Die Differenz genossenschaften mit der gleichen Dichte
lässt sich nicht auf Einkommensunterschiede wie die umliegenden Liegenschaften
zwischen den Genossenschaftern und den überbaut werden – eine nicht zu gewagte
Wird.

7 Statistisches Amt Kanton Zürich; 2010


8 Statistik Stadt Zürich; 2006
Hypothese, denn auch die Dichte dieser Lie- ce Boden um als private Eigentümer. Dies
genschaften ist oft relativ tief –, würde auf lässt sich direkt auf die latente Unempfind-
der gleichen Bodenfläche eine rund 7 Prozent lichkeit des gemeinnützigen Marktes gegen-
höhere Wohnfläche entstehen. Rechnet man über Preissignalen zurückführen. So reagier-
dies auf den Bestand aller Genossenschafts- ten die privaten Eigentümer schneller auf die
wohnungen hoch, ergibt sich ein zusätz- Verknappung des städtischen Bodens, weil
liches Verdichtungspotenzial von mindestens sie damit die Rentabilität ihrer Investitionen
200 000 Quadratmeter Wohnfläche auf erhöhen konnten. Sie merkten also schneller
den bestehenden Parzellen; genug für 2000 als die Genossenschaften, dass die Mieter
Wohnungen mittlerer Grösse. ihr Geld lieber für eine grössere Wohnung als
Baugenossenschaften gehen also weni- für einen grösseren Garten ausgeben. Nur
ger haushälterisch mit der knappen Ressour- in jüngster Zeit fand bei einem Teil der Bau-
genossenschaften ein gewisses Umdenken
statt. So wird nun offen von der Notwendig-
keit gesprochen, die «soziale Dichte» wieder-
Gebäudegrundflächenanteil von Mehrfamilienhäusern an der gesamten Parzellenfläche herzustellen.9
(mit mehr als 4 Wohnungen) nach Stadtkreis und Eigentumsart, 2005

Kreis 2 Der Kampf gegen die Entmischung


60% Nebst den erwähnten Ineffizienzen des
Kreis 12 50% Kreis 3 Nichtbaugenossenschaften gemeinnützigen Wohnungsbaus sind selbst-
Baugenossenschaften verständlich auch positive Effekte auszuma-
40%
chen. Sie dürften allerdings noch schwieriger
30%
zu quantifizieren sein als die Kosten, weil
Kreis 11 Kreis 4
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20% sie diffus in Form von Nutzen für alle Stadt-


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10% bewohnerinnen und -bewohnern anfallen.


So wird manchen Neubauten von Genossen-
0%
schaften eine architektonische und städte-
Kreis 10 Kreis 5
bauliche Qualität attestiert, die über jene des
privaten Marktes hinausgeht. Da und dort
zeigt sich auch eine gewisse Experimentier-
freudigkeit, die wegweisenden Charakter
Kreis 9 Kreis 6 haben kann. Die Wohngemeinschaft – die
häufigste informelle, flexible Wohnform –
Kreis 8 Kreis 7
bleibt indessen eher ein Phänomen des priva-
ten Wohnungsmarktes. Sie ist besonders in
Quelle: Statistik Stadt Zürich, 2006 der Alt- und Innenstadt vorhanden, gerade

9 Hofer, Andreas; 2008.


Wird.

10 Vgl. dazu die 2009 präsentierten «Positionen zur städtischen Wohnpolitik» des Stadtrates der Stadt Zürich.
11 Alex Martinovits; 2007
da, wo die Baugenossenschaften schwach man fest, dass das Realeinkommen der Ge-
vertreten sind. nossenschafter nicht tiefer ist als jenes der
Die wichtigste Daseinsberechtigung Mieter, im Gegenteil. Dies zeichnet sich auch
der Wohnbaugenossenschaften liegt in ihrem in der Vermögenssituation der Genossen-
Beitrag zum «Kampf gegen die Entmi- schafter ab, die besser ist als jene der Mieter;
schung», dem die Stadtregierung und die eine Feststellung, die auch bei Vergleichen
Zürcher Wählerschaft einem hohen Stellen- innerhalb der einzelnen Quar tiere gemacht
wert beimessen.10 «Entmischung» bezeichnet wurde.11 Als Fazit dieser – freilich summari-
üblicherweise extreme Gegensätze hinsicht- schen – Analyse sei festzuhalten, dass der
lich Einkommen, Herkünfte, Familienstruktur Beitrag der gemeinnützigen Eigentümer zur
und Alter innerhalb einer Stadt. «Entmisch- Durchmischung der Stadt Zürich bestenfalls
te» Städte werden mit einem hohen Konflikt- als «durchzogen» bezeichnet werden kann.
potenzial und allgemein mit einer tieferen
Lebensqualität verbunden. Und die Gerechtigkeit?
Der Beitrag der Genossenschaften an Die bisherige Analyse der Zürcher
der Durchmischung lässt sich durch die fol- Wohnbauförderung hat mehrmals die Frage
gende hypothetische Frage bemessen: Wäre nach der Gerechtigkeit aufgeworfen. Sind
die Durchmischung tiefer, wenn die Objekt- die involvierten Transfers gerecht? Grund-
förderung wegfiele? Ein Vergleich der sozio- sätzlich hat Gerechtigkeit zwei Dimensionen,
ökonomischen Eigenschaften der gemeinnüt- eine horizontale und eine vertikale. Bei
zigen Mieter mit jenen der übrigen Mieter der horizontalen Gerechtigkeit geht es um
kann bei der Beantwortung helfen. Die unten «Fairness», also ob gleiche Haushalte auch
aufgeführte Tabelle fasst die wichtigsten gleich behandelt werden. «Vertikal» gerecht

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Kennzahlen verschiedener soziale Dimensio- sind Massnahmen, bei welchen die ärmeren

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nen zusammen. oder die fragileren Haushalte tatsächlich
Ein wesentlicher Unterschied ist vor profitieren.
allem beim Anteil der Familien mit Kindern Die Analyse der sozioökonomischen
erkennbar: In den Genossenschaften ist der Kennzahlen legt den Schluss nahe, dass sich
Anteil deutlich höher als bei den übrigen im nicht subventionierten Bereich zahlreiche
Mietern. Bei den weiteren Merkmalen sind
indessen kaum grössere Differenzen in den
Mittelwerten auszumachen. Dies gilt insbe-
sondere für das Einkommen, den wohl wich-
tigsten sozioökonomischen Indikator. Das Merkmal Genossenschafter Mieter
leicht tiefere steuerbare Einkommen in den Steuerbares Einkommen (Verheiratetentarif) 58.3 62.3
Steuerbares Vermögen 50 35
Genossenschaften widerspiegelt zum Teil die
Anteil Schweizer/-innen 77.2 66.4
grösseren Abzüge, welche bei Familien mit Anteil Familien mit Kindern 50.2 32.2
Kindern zulässig sind. Rechnet man zudem Anteil 65-Jährige oder älter 21.3 17.2
zum Einkommen der Genossenschafter die
Wird.

Quelle: Statistik Stadt Zürich, 2006


Subventionen für das Wohnen hinzu, stellt
potenziell geeignete Kandidaten befinden, Wohnbedarf und tatsächlichem Wohn-
welche jedoch nicht in den Genuss der konsum wird minimiert.
Objektförderung kommen. Ob eine Familie 2. Der Lock-in-Effekt entfällt ebenfalls,
die Subvention erhält oder nicht, hängt also weil die Subvention nicht mehr an ein
auch von Glück, Hartnäckigkeit und einer bestimmtes Objekt geknüpft ist. Die
guten Strategie ab – alles Eigenschaften, die Bewohner können nun die Wohnung
als Verteilungskriterien dem gewöhnlichen wechseln, ohne massive Einkommens-
Gerechtigkeitsempfinden zuwider sind. Die einbussen befürchten zu müssen. Damit
Objektförderung strapaziert auch die vertika- lässt sich – als weiterer Nebeneffekt –
le Gerechtigkeit: Die meisten Bewohner der das Horten oder die langfristige Unter-
Genossenschaften gehören dem Mittelstand vermietung von wenig genutzten Woh-
an und kämen auch auf dem nicht subventio- nungen effektiv und effizient vermeiden.
nierten privaten Markt zurecht. Für sie stellt 3. Die Entmischung lässt sich effektiver
die Objektförderung einen «windfall profit» bekämpfen, weil einzelne Haushalte
dar – eine willkommene Zahlung, mit der sie innerhalb eines gleichen Mehrfamilien-
eigentlich gar nicht gerechnet hätten. hauses gefördert werden können. Die
scharfe Trennung innerhalb der Quartie-
Subjektförderung als sinnvolle re zwischen Genossenschaftssiedlungen
Alternative? und Nicht-Genossenschaften wird damit
Die bisherige Kosten-Nutzen-Analyse aufgeweicht. Dies erleichtert die Brü-
der Objektförderung wäre nicht vollständig, ckenbildung zwischen Bewohnern unter-
wenn sie nicht mit ihrer Alternative – der schiedlicher Herkunft oder mit unter-
Subjektförderung – verglichen würde. Wie es schiedlicher Familienstruktur.
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der Name verrät, stehen die Haushalte und 4. Dank der direkten Unterstützung der
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nicht die Wohnungen im Mittelpunkt der Haushalte ist sowohl die horizontale als
Subjektförderung. Bei dieser Förderung er- auch die vertikale Gerechtigkeit gewähr-
halten die unterstützten Haushalte eine Sub- leistet. Sämtliche Haushalte, welche
vention (das «Wohngeld»), die sie dann für die Kriterien erfüllen, erhalten eine Sub-
die Miete einer von ihnen gewählten Woh- vention; nicht nur jene, die das richtige
nung frei einsetzen können. An dieser Stelle Los gezogen haben.
soll nicht auf alle Besonderheiten der Sub- 5. Die Kriterien, welche der Verteilung der
jektförderung eingegangen werden, sondern Subvention zugrunde liegen, lassen sich
aufgezeigt werden, dass sich die meisten periodisch überprüfen, nicht bloss beim
bisher erwähnten negativen Effekte damit Einzug in der Wohnung. Das Wohngeld
vermeiden liessen: jener Haushalte, welche nicht mehr
1. Da die subventionierten Haushalte die auf die Subvention angewiesen sind,
Wohnung selbst auswählen, entspre- kann ohne weiteres angepasst werden;
chen die gemieteten Wohnungen am die Anpassung ist nicht mehr mit einem
besten den Wünschen und Bedürfnissen Wohnungswechsel gekoppelt. Das für
Wird.

der Bewohner. Die Divergenz zwischen die vertikale Gerechtigkeit entschei-


dende Kriterium des «means testing», Kosten verursacht, die, wenn auch nicht
also der bedarfsorientierten Leistungen, leicht zu erkennen, sehr wohl real sind.
lässt sich damit bewerkstelligen. Die Subjektförderung stellt eine effektivere
6. Die Kosten der Wohnbauförderung wer- Alternative zur Objektförderung dar. Die
den transparent gemacht. Der genaue Bereitstellung von Wohnraum unter dem
Betrag ist als Ausgabe im Budget Marktpreis, wie dies die Baugenossenschaf-
der Stadt ersichtlich. Damit lässt sich ten tun, manifestiert sich letztendlich in
die gute Governance der Stadt weiter langen Warteschlangen von potenziellen
steigern. Genossenschaftern. Sie bewirkt eine wenig
transparente und ungerechte Umverteilung
Die Kriterien für den Erhalt der Subjekt- von der Mehrheit aller Stadtbewohner hin
förderung sind im Prinzip von den Behörden zu der Minderheit der Genossenschafts-
und vom Souverän frei wählbar. Sie müssten mieter. Grund genug, die Subjektförderung
nicht notwendigerweise nur an einem als Alternative ernsthaft zu prüfen.
bestimmten Einkommen anknüpfen, auch
wenn dieses Kriterium im Sinne der vertikalen
Gerechtigkeit eine wichtige Rolle spielen
sollte. Wenn aus Sicht der Durchmischung
ein hoher Anteil von Familien erstrebenswert Verwendete Literatur
erscheint, könnte die Subjektförderung
ohne weiteres in Form von Wohngeld mit Bosshard, Felix; Ierace, Mirella; Schmid, Peter: Präsidialdepartement Stadt Zürich, Statistik
Familienbonus ausgestaltet werden, ähnlich Genossenschaftlich wohnen, Statistisches Amt des Stadt Zürich (Hg.): 4⳯25 Günstig wohnen in Zürich,
dem System der Familienzulagen. Kantons Zürich (Hg.), Zürich 2004 Zürich 2009

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Glauser, Thomas; Bröhl, Andreas; Horehájová, Präsidialdepartement Stadt Zürich, Statistik

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Mehr Transparenz und Gerechtigkeit Andrea: Was Wohnqualität in Zürich kostet, Stadt Zürich (Hg.): Wohnbaugenossenschaften in der
durch Subjektförderung Stadt Zürich, Präsidialdepartement, Statistik Stadt Stadt Zürich, Zürich 2006
Zürich (Hg.), Zürich 2009
Sozialräumliche Polarisierungen, wie Präsidialdepartement Stadt Zürich, Statistik
sie beispielsweise von den französischen Glauser, Thomas: Mietpreise Stadt Zürich, Stadt Stadt Zürich (Hg.) Mehr als nur Wohnen? Die Bau-
Banlieues her bekannt wurden, sind in Zürich Zürich Präsidialdepartement, Statistik Stadt Zürich (Hg.), genossenschaften in der Stadt Zürich: ihre Strukturen
Zürich 2008 und Bewohner/-innen, Zürich 2006
selten anzutreffen. Dies wird meistens als Ver-
dienst der hiesigen Wohnpolitik angerechnet, Hofer, Andreas: Eine Agenda für den gemeinnützigen Salvi, Marco: Vom Nutzen der Nähe – Urbane Dichte
doch ist dies nur eine Hypothese unter vielen Wohnungsbau, in: Stadt Zürich und Schweizerischer und städtisches Wachstum, in: Avenir Suisse (Hg.),
Verband für Wohnungswesen SVW, Sektion Zürich (Hg.): Städtische Dichte, Verlag Neue Zürcher Zeitung,
anderen. So dürften der flexible und auf- Wohnen morgen – Standortbestimmung und Perspek- Zürich 2007
nahmefähige Zürcher Arbeitsmarkt, die öfter tiven des gemeinnützigen Wohnungsbaus, Verlag Neue
unterschätzte Integrationskraft des Zürcher Zürcher Zeitung, Zürich 2008 Statistik Stadt Zürich: Statistische Jahrbücher
verschiedener Jahrgänge.
Schulsystems sowie die dezentrale politische Martinovits, Alex: Bewohnerschaft und Mietzinse,
Struktur eine noch wichtigere Rolle im Kampf in: Stadt Zürich und Schweizerischer Verband für Statistisches Amt Kanton Zürich: Statistische
gegen die Entmischung gespielt haben. Wohnungswesen SVW, Sektion Zürich (Hg.): Wohnen Jahrbücher verschiedener Jahrgänge.
morgen – Standortbestimmung und Perspektiven des
Unsere Analyse zeigt auf, dass die
Wird.

gemeinnützigen Wohnungsbaus, Verlag Neue Zürcher


Objekt förderung Zürcher Prägung erhebliche Zeitung, Zürich 2008

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