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8 Kundenzufriedenheit
und Kundenbindung
Friedemann W. Nerdinger, Christina Neumann
Literatur – 144
128 Kapitel 8 · Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
erwartete Leistung (positive Diskonfirmation), so ent- Kunde fordert. Wichtige Quellen von Erwartungen sind
steht besonders hohe Zufriedenheit. Unzufriedenheit die persönlichen Bedürfnisse des Kunden, seine bishe-
resultiert dagegen, wenn die Ist-Leistung die Erwartun rigen Erfahrungen, mündliche Empfehlungen durch
gen deutlich nicht erfüllt (negative Diskonfirmation). Bekannte sowie Versprechungen des Unternehmens
Nach diesem Ansatz soll Zufriedenheit bei Konfir- (Zeithaml, Parasuraman & Berry, 1992).
mation und bei positiver Diskonfirmation entstehen. Nach dem C/D-Paradigma ist Kundenzufriedenheit
Demgegenüber gehen andere Autoren davon aus, dass das Ergebnis eines kognitiven Vergleichs von wahrge-
bei Bestätigung der Leistung lediglich Indifferenz ent- nommener Ist- und Soll-Leistung. Zufriedenheit kann
steht, Zufriedenheit bildet sich demnach erst bei posi aber auch als Gefühl betrachtet werden; entsprechend
tiver Diskonfirmation (z. B. Hill, 1986). Weiterhin wird wurde in der Forschung zur Kundenzufriedenheit die
angenommen, dass die Grenze zwischen Zufriedenheit Bedeutung von Emotionen nachgewiesen (Wirtz &
und Unzufriedenheit nicht durch einen Punktwert ge- Bateson, 1999).
kennzeichnet ist, sondern es sich hierbei um eine Tole Kundenzufriedenheit kann somit als Einstellung
ranzzone handelt. Liegt der Vergleichswert von Ist- und gegenüber einem Objekt definiert werden, die folgende
Soll-Leistung innerhalb dieses Bereichs, so wird die Leis Aspekte umfasst (Homburg, Giering & Hentschel,
tung als zufriedenstellend eingestuft. Bei einer sehr star- 1999):
ken positiven Diskonfirmation sind die Kunden begei- 4 die kognitive Komponente, also die Bildung einer
stert (Stauss, 1999; vgl. . Abb. 8.1). Meinung über ein Objekt, z. B. über ein Produkt oder
Bei der Ist-Leistung handelt es sich um das vom Kun- eine Dienstleistung,
den wahrgenommene Leistungsniveau. Eine objektiv 4 die emotionale Komponente, d. h. die bei der Be-
gleiche Leistung kann von unterschiedlichen Kunden wertung der jeweiligen Objekte auftretenden Ge-
jeweils unterschiedlich wahrgenommen werden. Dieser fühle.
subjektiv wahrgenommenen Ist-Leistung stehen als Ver-
gleichsstandard die Erwartungen der Kunden gegen Der relative Einfluss der kognitiven und emotionalen
über; sie stellen das Leistungsniveau dar, welches ein Komponenten bei der Entstehung von Kundenzufrie-
Begeisterung
. Abb. 8.1. Das Diskonfirmationsparadigma (C/D-Paradigma ). (In Anlehnung an Homburg, Giering & Hentschel, 1999)
130 Kapitel 8 · Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
denheit kann sich im Zeitverlauf verändern. In einer lich überdauernde Einstellung verstanden, die sich im
Studie von Homburg, Koschate und Hoyer (2006) stieg Verlauf mehrerer Transaktionen entwickelt.
der Einfluss der kognitiven Komponente im Zeitverlauf
an, während der Einfluss der emotionalen Komponente Definition
abnahm. Kundenzufriedenheit sollte daher als dyna- Kundenzufriedenheit ist die kognitive und emotio-
misches Konstrukt betrachtet werden. nale Bewertung der gesamten Erfahrungen mit
Geht man von der Drei-Komponenten-Theorie der einem bestimmten Anbieter und dessen Pro-
Einstellung aus (vgl. Nerdinger, 2003a), so müsste bei der dukten bzw. Dienstleistungen (vgl. Homburg et al.
Definition von Kundenzufriedenheit als Einstellung zu- 1999).
sätzlich noch eine Verhaltensbereitschaft berücksichtigt
werden. Gemeint ist damit die Absicht eines Kunden,
Produkte oder Dienstleistungen wieder zu kaufen oder
weiterzuempfehlen. Allerdings konzentriert sich die 8.2.2 Kundenbindung
Messung von Kundenzufriedenheit auf die kognitive
und emotionale Komponente (vgl. 7 Abschn. 8.4.1), da- Kundenbindung umfasst sowohl das bisherige Verhalten
her wird die Verhaltensabsicht hier nicht als Definitions- als auch die Verhaltensabsicht eines Kunden gegenüber
bestandteil von Kundenzufriedenheit angesehen, son- einem Anbieter oder dessen Leistungen. Zum bisherigen
dern im Zusammenhang mit der Kundenbindung dis Verhalten zählt das tatsächlich gezeigte Wiederkauf- und
kutiert (vgl. 7 Abschn. 8.2.2). Weiterempfehlungsverhalten, die Verhaltensabsicht ist
Nach dem Modell des Diskonfirmationsparadigmas v. a. durch Wiederkauf-, Zusatzkauf- (Cross-Selling) so-
entsteht Kundenzufriedenheit aufgrund einer bestimm wie Weiterempfehlungsabsicht gekennzeichnet (Meyer
8 ten Transaktion, d. h. aus einer einzigen Kauf- oder Nut- & Oevermann, 1995; vgl. . Abb. 8.2).
zungserfahrung. Demgegenüber zeigt die Forschung, Aus der nachfragerorientierten Perspektive kann
dass sich aufgrund einer einzelnen Transaktion gewöhn- Kundenbindung verschiedene Ursachen haben (Meyer
lich nur etwas über die Haltung gegenüber einem be- & Oevermann, 1995):
stimmten Produkt oder einer bestimmten Dienstleistung 4 psychologische Faktoren (z. B. die Zufriedenheit eines
aussagen lässt, das Zufriedenheitsurteil über alle bereits Kunden mit Produkten einer Marke; 7 Info-Box),
stattgefundenen Transaktionen hinweg – die sog. kumu- 4 situative Faktoren (z. B. ob ein Produkt für den
lative Zufriedenheit – dagegen aussagekräftiger in Bezug Konsumenten bequem zu erwerben ist),
auf den Erfolg eines Unternehmens ist (Giering, 2000). 4 rechtliche Faktoren (z. B. der Vertrag mit einem Fit-
Im Folgenden wird daher Kundenzufriedenheit als zeit- nessstudio über eine bestimmte Mindestlaufzeit),
. Abb. 8.2. Das Konstrukt »Kundenbindung«. (In Anlehnung an Homburg & Faßnacht, 2001)
Wiederkauf Weiterempfehlung
8.3 · Theoretische Ansätze
131 8
Die Assimilations-Kontrast-Theorie, in der beide das Entstehen von Kundenzufriedenheit kann die Attri-
Ansätze verbunden werden, geht davon aus, dass Indivi- butionstheorie erklären, warum bei gleichen Konfirma-
duen Beurteilungen in Abhängigkeit von einem Anker- tionsniveaus unterschiedliche Grade der Zufriedenheit
reiz vornehmen (Hovland, Harvey & Sherif, 1957). Die auftreten können (Homburg & Stock-Homburg, 2006).
Erwartung eines Konsumenten kann einen Ankerreiz Ursachen für die Erklärung von Ereignissen können
bilden. Der subjektive Abstand zwischen der Erwartung nach dem Ort der Entstehung, nach ihrer Kontrollierbar-
(Ankerreiz) und der Wahrnehmung bestimmt, wie die keit und der zeitlichen Stabilität unterschieden werden
wahrgenommene Leistung bewertet wird, d. h. ob der (Folkes, 1984). In Bezug auf den Ort der Verursachung
Assimilations- oder der Kontrasteffekt einsetzt. Weicht bestehen 2 Möglichkeiten, die als internale bzw. externale
die wahrgenommene Leistung subjektiv nur relativ we- Attribution bezeichnet werden (Heider, 1958):
nig von der Erwartung ab, kommt es zur Assimilation, 4 Internale Attribution: In diesem Fall werden Ereig-
d. h. die wahrgenommene Leistung wird näher an die nisse durch Faktoren erklärt, die in der handelnden
erwartete Leistung gerückt. Liegt die wahrgenommene Person liegen. Beobachtet z. B. der Kunde eines Su-
Leistung jedoch deutlich über oder unter den Erwar- permarktes, wie eine Kassiererin einen anderen Kun-
tungen, setzt der Kontrasteffekt ein (Sherif & Hovland, den unhöflich behandelt, so könnte er das gezeigte
1961). Die Differenz zwischen Erwartung und Wahr- Verhalten auf ein Merkmal der Person – z. B. den
nehmung wird in diesem Fall vergrößert. Charakter der Kassiererin – zurückführen.
Wie stark darf die Abweichung maximal sein, bzw. 4 Externale Attribution: Bei dieser Form wird das Er-
wie gering muss sie mindestens sein, damit die jewei- eignis auf Faktoren der Umwelt zurückgeführt. Er-
ligen Effekte einsetzen? Sherif und Hovland (1961) ge- klärt der Kunde das Verhalten der Kassiererin bei-
hen davon aus, dass sich hierbei die folgenden Bereiche spielsweise durch ihre starke Belastung aufgrund
8 unterscheiden lassen: des hohen Kundenandrangs, dann wird das unpas-
4 Bereich der Akzeptanz: Liegt die Differenz in die- sende Verhalten auf eine in der Umwelt zu findende
sem Bereich, tritt der Assimilationseffekt ein, d. h. es Ursache zurückgeführt.
erfolgt eine nachträgliche Anpassung der Erwartung
bzw. der wahrgenommenen Leistung. Der Ort der Verursachung hat große Auswirkungen auf
4 Bereich der Ablehnung: In diesem Bereich setzt der die Zufriedenheit (vgl. zum Folgenden Folkes, 1984).
Kontrasteffekt ein, d. h. die Differenz zwischen Ist- Werden Erwartungen nicht erfüllt, entsteht höhere Un-
und Soll-Leistung wird vergrößert. zufriedenheit, wenn der Kunde internal attribuiert, also
4 Bereich der Neutralität: Hier zeigt sich keiner der die Ursache für die schwachen Leistungen beim Anbie-
beiden Effekte, die Erwartung bzw. die wahrgenom- ter sieht und nicht Merkmale der Umwelt dafür verant-
mene Leistung werden nicht angepasst. wortlich macht.
Kontrollierbarkeit bezieht sich darauf, ob ein Han-
Die persönliche Bedeutung des Beurteilungsobjekts ist delnder die Ursache beeinflussen konnte. Glaubt ein
entscheidend für das Ausmaß der Zone. Ist ein Beurtei- Konsument, der Anbieter konnte die Ursache für ein Er-
lungsobjekt für ein Individuum persönlich bedeutsam, eignis, das seine Erwartungen nicht erfüllt, kontrollie-
so wird der Bereich der Ablehnung größer sein als der ren, so führt dies zu stärkerer Unzufriedenheit als im
Bereich der Akzeptanz. Wenn umgekehrt ein Beurtei- Falle wahrgenommener Nichtkontrollierbarkeit. Ist z. B.
lungsobjekt persönlich weniger bedeutsam ist, so wird ein Kunde mit dem Produktangebot im Supermarkt un-
der Bereich der Akzeptanz größer sein und der Ableh- zufrieden und glaubt, dass es in der Macht des Personals
nungsbereich entsprechend geringer (zur empirischen liegt, das Produktangebot zu sichern, so wird er unzu-
Überprüfung im wirtschaftspsychologischen Kontext frieden sein. Glaubt er dagegen, dass die Versorgung mit
vgl. Olson & Dover, 1979). Produkten stark von unbeeinflussbaren Faktoren ab-
hängt – z. B. der Logistik des Versorgers oder der Lage
Attributionstheorie des Supermarktes –, dann wird die Unzufriedenheit
Die Attributionstheorie beschreibt, wie sich Menschen deutlich geringer ausfallen.
Ereignisse in ihrer Umwelt erklären, indem sie diesen Stabilität ist die dritte Dimension, nach der sich
Ursachen attribuieren, d. h. zuschreiben. Bezogen auf Attributionen unterscheiden lassen. Ursachen können
8.3 · Theoretische Ansätze
133 8
zeitlich stabil oder variabel sein. Wird z. B. die Erwar- Zufriedenheit und Unzufriedenheit werden jeweils
tung eines Kunden nicht erfüllt und sieht er diese Nicht- durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst. Die sog. Hy-
erfüllung als zeitlich stabil an, so wird die Unzufrieden- gienefaktoren sind für Unzufriedenheit verantwortlich;
heit größer sein als im umgekehrten Fall (Folkes, 1984). werden sie nicht erfüllt, sind Mitarbeiter unzufrieden.
War der Kunde mit der Bedienung an der Fleischtheke Sind diese Faktoren erfüllt, so entsteht nicht Zufrieden-
unzufrieden und sieht die Bedingungen für die schlech- heit, sondern lediglich ein neutraler Zustand, der als
te Bedienung als zeitlich stabil an – z. B. weil Fleischver- Nichtunzufriedenheit bezeichnet wird. Hygienefaktoren
käufer nach seiner Meinung generell unfreundlich sind sind Faktoren, die das Arbeitsumfeld betreffen, wie z. B.
–, so wird er unzufriedener sein als bei einer zeitlich die physischen Arbeitsbedingungen oder die Beziehung
variablen Erklärung – z. B. es handelt sich um eine zu den Kollegen. Zufriedenheit entsteht durch die sog.
Aushilfskraft. Letzteres wird sich wieder ändern und Motivatoren; im Arbeitsleben werden damit Aspekte
lässt Hoffnung auf Besserung. Daher ist in diesem Fall der Arbeitstätigkeit wie beispielsweise Lob, Aufstieg und
die Unzufriedenheit geringer. Die wesentlichen Annah- Arbeitsinhalte bezeichnet. Werden die Erwartungen an
men der Attributionstheorie konnte Bitner (1990) für Motivatoren nicht erfüllt, erleben die Mitarbeiter einen
den Dienstleistungsbereich empirisch bestätigen. neutralen Zustand der Nichtzufriedenheit.
Das nach seinem Entwickler benannte Kano-Modell
Zwei-Faktoren-Theorie der Kundenzufriedenheit geht von der Zwei-Faktoren-
Die Zwei-Faktoren-Theorie, die in der Arbeitszufrie- Theorie aus und versucht, die zufriedenheitsbeeinflus-
denheitsforschung entwickelt wurde (Herzberg, Maus- senden Faktoren im Konsumbereich zu ermitteln. Diese
ner & Snyderman, 1959), erklärt die Entstehung unter- Faktoren werden nach der Stärke ihres Einflusses auf die
schiedlicher Zufriedenheitsniveaus in Abhängigkeit von Kundenzufriedenheit klassifiziert. Das Modell unter-
der Art der Leistung. Nach dieser Theorie sind Arbeits- scheidet 3 Arten von Faktoren, die – ähnlich den Hygie-
zufriedenheit und Arbeitsunzufriedenheit 2 voneinan- nefaktoren und Motivatoren – unterschiedliche Zufrie-
der unabhängige Dimensionen, d. h. sie können ent denheitsniveaus verursachen (Bailom, Hinterhuber,
gegen der weit verbreiteten Annahme nicht als gegen- Matzler & Sauerwein, 1996; . Abb. 8.4):
sätzliche Pole einer Dimension betrachtet werden 4 Basisfaktoren: Kunden setzen diese Faktoren als
(. Abb. 8.3). selbstverständlich voraus, so dass bei Nichterfüllung
Unzufriedenheit entsteht und bei Erfüllung ein neu-
traler Zustand der Nichtunzufriedenheit. Basisfak-
toren entsprechen den Hygienefaktoren im Modell
von Herzberg.
4 Leistungsfaktoren: Kunden erwarten diese Fak-
toren. Es besteht ein linearer Zusammenhang zwi-
schen dem Konfirmationsniveau und der Zufrieden-
heit.
4 Begeisterungsfaktoren: Kunden setzen diese Fak-
toren nicht als selbstverständlich voraus. Bei posi-
tiver Diskonfirmation kann ein starkes Zufrieden-
heitsniveau erreicht werden bzw. bei Nichterreichung
nur ein Zustand der Nichtzufriedenheit. Begeiste-
rungsfaktoren entsprechen den Motivatoren im Mo-
dell der Arbeitszufriedenheit.
8.3.2 Entstehung von Kundenbindung zusammen. Kognitive Dissonanz löst eine unange-
nehme Spannung aus, die danach drängt, die Dissonanz
Wie bereits festgestellt (7 Abschn. 8.2.2), können ver- zu reduzieren. Die Motivation zur Beseitigung von Dis-
schiedene Ursachen zu Kundenbindung führen. Die sonanz hängt von ihrer erlebten Stärke ab, diese ergibt
psychologischen Bindungsursachen sind dabei am wich- sich aus dem Anteil der konsonanten bzw. dissonanten
tigsten, da sie an den anderen Dimensionen implizit Elemente sowie deren Wichtigkeit. Ist der relative Anteil
beteiligt sind (Weinberg & Terlutter, 2005). Nachfolgend der dissonanten Elemente in Bezug auf deren Wichtig-
wird auf ausgewählte verhaltenswissenschaftliche Theo- keit größer als der Anteil der konsonanten Elemente, so
rien eingegangen, die das Entstehen von Kundenbin- werden Maßnahmen ergriffen, die kognitive Dissonanz
dung erklären können (zu weiteren Erklärungsansätzen zu reduzieren. Dazu bestehen 3 grundlegende Möglich-
vgl. u. a. Braunstein, Huber & Herrmann, 2005). keiten:
4 Hinzufügen neuer (konsonanter) Kognitionen,
Kognitive Dissonanz 4 Veränderung dissonanter Kognitionen,
Nach der Theorie der kognitiven Dissonanz (Festin- 4 Veränderung des Verhaltens.
ger, 1957; vgl. zum Folgenden Aronson, Wilson & Akert,
2004) streben Menschen ein Gleichgewicht ihres kogni- Kognitive Dissonanz kann nach dem Kauf eines Pro-
tiven Systems an. Dieses System setzt sich aus einzelnen dukts oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung
Kognitionen zusammen, d. h. aus Meinungen oder Wis- auftreten (Weinberg, 1990). War die Entscheidung für
senseinheiten. Kognitionen können in relevanter und den Kauf von großer subjektiver Bedeutung und standen
irrelevanter Beziehung zueinander stehen. Ist die Bezie- ähnlich attraktive Alternativen zur Verfügung, kann es
hung relevant, so können sie konsonant, d. h. harmo- leicht zu einem Nachentscheidungskonflikt kommen.
nisch, oder aber dissonant sein, d. h. sie passen nicht Ein solcher Konflikt liegt vor, wenn z. B. ein Kunde nach
8.3 · Theoretische Ansätze
135 8
dem Besuch eines Friseurs über die Qualität des Ergeb- Ob das wahrgenommene Risiko verhaltenswirksam
nisses unsicher ist. In diesem Fall wird er versuchen, die wird, hängt von der individuellen Toleranzschwelle eines
damit verbundene Dissonanz zu verringern, z. B. indem Konsumenten ab. Überschreitet das wahrgenommene
er dissonante Informationen vermeidet – dazu zählen Risiko diese Toleranzschwelle, sind Konsumenten be-
z. B. Informationen über Qualität und Preis anderer Fri- strebt, das Risiko zu reduzieren (Kroeber-Riel & Wein-
seure – und stattdessen nach konsonanten Informa berg, 2003). Eine Möglichkeit zur Reduktion solcher
tionen sucht, die seine Entscheidung rechtfertigen (z. B. Risiken bildet die Kundenbindung: Kauft ein Kunde
positive Äußerungen des Freundeskreises über diesen wiederholt z. B. ein Produkt einer bestimmten Marke, so
Friseur). Diese Tendenz, nachträglich seine (Kauf-)Ent- sinkt mit der Zahl der positiven Erfahrungen das Risiko,
scheidungen zu rechtfertigen, bestärkt demnach das ge- mit einem Kauf unzufrieden zu sein (Weinberg, 1990).
wählte Verhalten und unterbindet gleichzeitig die Suche
nach Alternativen. Diese beiden Mechanismen der Re- Lerntheoretische Erklärungen
duktion kognitiver Dissonanz führen demnach zu ver- Kundenbindung kann auch auf Lernprozesse zurückge-
stärkter Bindung des Kunden an einen Anbieter. führt werden, wobei die operante Konditionierung so-
wie das Lernen am Modell relevant sind (Homburg &
Wahrgenommenes Risiko Stock-Homburg, 2006). Die Theorie der operanten
Das Verhalten der Konsumenten ist für sie gewöhnlich Konditionierung geht von folgendem Zusammenhang
mit Risiken verbunden, da ihre Handlungen Konse- aus: Folgt auf ein Verhalten eine positive Konsequenz im
quenzen nach sich ziehen, die unangenehm sein können Sinne einer Belohnung, steigt die Wahrscheinlichkeit,
und sich vorab nur schwer abschätzen lassen (Bauer, dass das Verhalten in einer ähnlichen Situation wieder
1960). Bei Kaufsituationen können mehrere Risikoarten gezeigt wird. Belohnung kann zum einen die positive
unterschieden werden (Kuß & Diller, 2001): Konsequenz eines Verhaltens sein oder aber der Entzug
4 Funktionale Risiken beziehen sich auf die erwar- einer Bestrafung. Folgt dagegen eine negative Konse-
teten Eigenschaften von gekauften Gütern, wenn quenz im Sinne einer Bestrafung, wird das Verhalten in
sich ein Konsument beispielsweise nicht sicher ist, ob Zukunft in vergleichbaren Situationen seltener gezeigt.
ein gekauftes Kleidungsstück auch wie gewünscht Bestrafung kann sowohl die Darbietung einer negati
warm hält. ven Konsequenz nach dem gezeigten Verhalten, als auch
4 Das finanzielle Risiko stellt die Befürchtung eines die Wegnahme einer Belohnung sein (vgl. Nerdinger,
Konsumenten dar, einen unangemessenen Preis zu 2003b).
zahlen oder die finanzielle Belastung nicht tragen zu Kundenbindung entsteht demnach durch Konse-
können. quenzen, die auf ein Verhalten des Kunden folgen – z. B.
4 Ein Konsument sieht sich einem physischen Risiko auf den Kauf einer Ware. Das Verhalten eines Kunden
gegenüber, wenn er Gesundheitsschäden befürchtet, kann durch Zufriedenheit mit der Ware belohnt oder
wie z. B. Haltungsschäden bei der Anschaffung eines entsprechend durch Unzufriedenheit bestraft werden.
Computers. Eine Belohnung wird das Verhalten verstärken: Erfüllt
4 Psychologische Risiken kennzeichnen die mangeln- ein Produkt oder eine Dienstleistung die Ansprüche
de Identifikation mit einem Gut, z. B. wenn sich ein eines Kunden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er das
Konsument nicht sicher ist, ob er chemische Haus- gleiche Produkt wieder kauft. Eine Bestrafung im Sinne
haltsreiniger überhaupt benutzen soll, weil diese von Unzufriedenheit wird dazu führen, dass er das Pro-
schädlich für die Umwelt sein könnten. Dies wäre dukt nicht wieder kauft (Hoyer & MacInnis, 2004). Da-
dann ggf. nicht mit den eigenen Wertvorstellungen mit kann die Theorie des operanten Konditionierens
zu vereinbaren. Kundenbindung im Sinne einer Folge der erlebten Zu-
4 Soziale Risiken spiegeln die Befürchtung wider, im friedenheit erklären.
sozialen Umfeld Ansehen oder den Status verlieren Nach der Theorie des Lernens am Modell kann
zu können (z. B. fragt sich ein Konsument beim Kauf durch die Beobachtung von Modellen neues Verhalten
eines Autos, ob die Marke in seinem Freundes- und erlernt werden: Wird beobachtet, dass eine Modellper-
Bekanntenkreis anerkannt ist oder evtl. Spott her- son für ein bestimmtes Verhalten belohnt wird, steigt die
vorrufen könnte). Wahrscheinlichkeit, dass die beobachtende Person das
136 Kapitel 8 · Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Verhalten imitiert. Dazu muss u. a. das Modell der beob 8.4 Messung von Kundenzufriedenheit
achtenden Person in wichtigen Merkmalen ähnlich sein. und Kundenbindung
Nach dieser Theorie kann Kundenbindung unterschied-
lich erklärt werden (Homburg & Stock-Homburg, 8.4.1 Messung der Kundenzufriedenheit
2006):
4 Lernen durch Imitation: Ein Kunde zeigt sich ge- Die Vielzahl von Methoden zur Messung der Kundenzu-
genüber einem Anbieter loyal, da eine Modellperson friedenheit lässt sich nach verschiedenen Kriterien syste-
sich ebenfalls loyal zu diesem Anbieter verhält. matisieren. Häufig wird nach der Art der Messung – ob-
4 Lernen aus den Konsequenzen des Verhaltens an- jektiv oder subjektiv – und nach der Orientierung des
derer: Ein Modell ist mit einem Anbieter sehr zufrie- Messinhalts unterschieden (vgl. Bruhn, 2006). Dadurch
den, verhält sich loyal und kann so Qualitätsrisiken entsteht folgende Systematisierung (vgl. . Abb. 8.5):
anderer Anbieter ausschließen. Der Kunde wird das 4 Art der Messung: Objektive Messmethoden erfas-
gleiche Verhalten zeigen, da er sich die gleichen po- sen die Kundenzufriedenheit durch beobachtbare
sitiven Konsequenzen erhofft. Größen, die nicht von der subjektiven Wahrneh-
mung des Konsumenten abhängen wie z. B. Umsatz
Die dargestellten Theorien der Kundenbindung und und Marktanteil. Subjektive Verfahren legen die
Kundenzufriedenheit ergänzen sich bei der Erklärung Wahrnehmung der Kunden zu Grunde.
dieser Konzepte; in Abhängigkeit von der Fragestellung 4 Orientierung des Messinhalts: Ereignisorientierte
können damit unterschiedliche Probleme untersucht Verfahren betrachten die Zufriedenheit mit einem
werden. Zu diesem Zweck müssen aber die Konzepte speziellen Kontaktereignis, z. B. ein Telefonat. Merk-
gemessen werden. malsorientierte Verfahren beziehen sich auf Pro-
8 dukt-, Service- oder Interaktionsmerkmale, die der
Kunde beurteilt. Problemorientierte Verfahren ver-
suchen die zufriedenheitsrelevanten Schwierigkeiten
zu identifizieren, wie z.B die Auswertung von Be-
schwerden (Bruhn, 2006).
SERVQUAL
. Abb. 8.5. Systematisierung der Messansätze von Kundenzufriedenheit. (In Anlehnung an Bruhn, 2006)
8.4 · Messung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
137 8
Merkmalsorientierte Verfahren 4 Lücke 5: Erwarteter und erlebter Service seitens des
Service Quality: SERVQUAL Kunden unterscheiden sich. Diese Lücke umfasst alle
Der Service-Quality-Fragebogen – abgekürzt: SERV- vorhergehenden Lücken; um die Lücke 5 zu schlie-
QUAL – von Parasuraman, Zeithaml und Berry (1985) ßen, müssen die Lücken 1–4 geschlossen werden.
wurde zur Messung der Dienstleistungsqualität entwi-
ckelt. Die Forscher betrachten Dienstleistungsqualität Mit dem SERVQUAL-Fragebogen wird auf der Grund-
als eine subjektive Größe, d. h. was Kunden als Qualität lage der Lücke 5 die Diskrepanz zwischen erwarteter
erleben, ist die Qualität. Ähnlich wie bei der Kundenzu- und wahrgenommener Leistung aus Kundensicht er-
friedenheit wird die Dienstleistungsqualität auf einen fasst. Zur Operationalisierung des Modells wurden
Vergleich von Erwartungen und Leistungen zurückge- 22 Items entwickelt, die 5 Dimensionen der Dienstleis
führt; die daraus resultierende Erwartungs-Wahrneh- tungsqualität messen (7 Übersicht). Zu jedem Item wer-
mungs-Lücke definiert die erlebte Qualität. In diesem den sowohl die Erwartung als auch die Wahrnehmung
Vorgehen wird die Nähe der Dienstleistungsqualität der tatsächlichen Leistung erfragt; die Differenz der Aus-
zum Konstrukt der Kundenzufriedenheit ersichtlich sagen bestimmt das Ausmaß der Zufriedenheit. In der
(Stauss, 1999), daher kann die Messung von Service- 7 Übersicht sind die 5 Qualitätsdimensionen sowie Bei-
oder Dienstleistungsqualität als ein spezieller Fall der spiele der Items mit den Soll- und Ist-Fragen dargestellt.
Zufriedenheitsmessung betrachtet werden. Die Fragen beziehen sich auf Firmen aus der Service-
Die theoretische Grundlage des SERVQUAL-Mess branche bzw. auf eine bestimmte Firma. Den Fragen sind
ansatzes bildet das Lückenmodell der Servicequalität Zahlen von 1 bis 7 zuzuordnen, wobei 1 für »absolut
(englisch: GAP-Model; vgl. Zeithaml, Parasuraman & falsch« und 7 für »absolut richtig« steht (Parasuraman et
Berry, 1992). Dieses Modell wurde auf der Basis einer al., 1985).
explorativen Studie entwickelt, an der Unternehmen aus
4 Dienstleistungsbranchen teilnahmen, wobei Vertreter
der Unternehmen sowie deren Kunden befragt wurden. Die SERQUAL-Dimensionen und Beispielfragen
Den Anbietern wurden verschiedene Fragen zur Ser- für die Soll-Ist-Messung (in Anlehnung an Zeit-
vicequalität gestellt, z. B. zum Verständnis von Service- haml et al., 1992, S. 202ff.)
qualität aus Kundenperspektive, zu Verbesserungsmaß- Dimension 1: Materielles
nahmen der Servicequalität und Problemen beim Er- a) Soll-Frage: Zu hervorragenden Unternehmen
bringen hoher Servicequalität. Die Kunden wurden zu der Dienstleistungsbranche … gehören modern
ihren Erwartungen an die Dienstleistungen befragt. Aus aussehende Betriebs-/Geschäftsausrüstungen.
dem Vergleich der Äußerungen ließen sich Lücken iden- b) Ist-Frage: Firma X hat modern aussehende Be-
tifizieren, d. h. Konfliktbereiche, die durch unterschied- triebs-/Geschäftsausrüstungen.
liche Vorstellungen von Servicequalität zwischen Kun-
den und Dienstleistern entstehen können. Folgende Dimension 2: Zuverlässigkeit
Lücken können die vom Kunden wahrgenommene a) Soll-Frage: Wenn hervorragende Firmen der
Dienstleistungsqualität beeinflussen (Zeithaml et al., Branche … versprechen, etwas zu einem be-
1992, S. 51ff.): stimmten Termin zu erledigen, wird der Termin
4 Lücke 1: Falsche Vorstellungen des Managements eingehalten.
von Kundenerwartungen b) Ist-Frage: Wenn Firma X verspricht, etwas zu
4 Lücke 2: Fehlende Normen zur Erfüllung der Kun- einem bestimmten Termin zu erledigen, hält sie
denwünsche (es genügt nicht, die Erwartungen zu den Termin ein.
kennen, sondern es müssen auch Leistungsnormen
für die Mitarbeiter existieren) Dimension 3: Entgegenkommen
4 Lücke 3: Wenn die Leistung nicht den Normen ent- a) Soll-Frage: Arbeitnehmer hervorragender Fir-
spricht men der Branche … werden Kunden prompt be-
4 Lücke 4: Wenn der Service nicht hält, was die Firma dienen.
verspricht (diese Lücke entsteht aufgrund übertrie- 6
bener Werbeversprechen)
138 Kapitel 8 · Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Neben den 3 genannten Faktoren wird auch nach 3 Fragen zu stellen sind. Der Fragebogen wird daher sehr
Faktoren unterschieden, denen gegenüber der Kunde lang und die Befragung kostenintensiv. Zudem sind dys-
indifferent ist, d. h. es ist ihm egal, ob die jeweilige Eigen- funktionale Fragen z. T. nicht nachvollziehbar, da Kunden
schaft vorliegt oder nicht. Für diese Faktoren wäre er das Fehlen einer erwünschten Eigenschaft normalerweise
nicht bereit, Geld auszugeben. In das Feld »Q« fällt ein nicht positiv stimmt (Groß-Engelmann, 1999).
Leistungsmerkmal, wenn ein Ergebnis als fraglich einge-
stuft wird, z. B. wenn sowohl bei der funktionalen als Ereignisorientierte Verfahren: Methode
auch bei der dysfunktionalen Frage »Würde mich sehr der kritischen Ereignisse
freuen« angegeben wird. Produkteigenschaften, die in Die Methode der kritischen Ereignisse geht auf Flanagan
das Feld »R« eingeordnet werden, sind vom Kunden (1954) zurück, der sie ursprünglich für die Analyse von
nicht gewollt. Arbeit entwickelt hat. Mit dieser Methode werden Infor-
Anschließend werden die Ergebnisse nach Häufig- mationen über Ereignisse erhoben, die für den beruf-
keiten zusammengefasst, so dass eine Übersicht entsteht, lichen Erfolg positiv oder negativ sind. Unter einem Er-
wie häufig die einzelnen Produkteigenschaften in die eignis ist beobachtbares menschliches Verhalten zu ver-
jeweilige Faktorkategorie eingestuft wurden. Die Kano- stehen, das in bestimmten Situationen gezeigt wird und
Methode ermöglicht Aussagen darüber, ob die Erfüllung Rückschlüsse bzw. Vorhersagen auf das künftige Verhal-
einer Produktanforderung die Kundenzufriedenheit ten der Person zulässt. Kritisch ist ein Ereignis, wenn
steigern kann oder ob damit nur Unzufriedenheit vorge- dieses Verhalten Einfluss auf das Ziel der untersuchten
beugt wird. Je nach Ziel der Befragung ist eine unter- Aktivität hat – wenn z. B. in einem Verkaufsgespräch die
schiedliche Tiefe in der Auswertung erforderlich (zum Unfreundlichkeit des Verkäufers dazu führt, dass der
detaillierten Vorgehen vgl. Bailom et al., 1996). Kunde nichts kauft. Ziel ist es, effektive bzw. ineffektive
Zwar konnten erste Untersuchungen die Reliabilität Verhaltensweisen möglichst umfassend zu identifizieren
und Validität des Verfahrens belegen (Sauerwein, 2000), und konkrete Beispiele hierfür zu sammeln.
problematisch ist aber insbesondere der hohe Befragungs- Flanagan (1954) liefert keine festen Regeln, nach de-
aufwand, da zu jedem Leistungsmerkmal mindestens nen die Methode durchzuführen ist, sondern flexible
140 Kapitel 8 · Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Zunächst zu den Studien der 1. Kategorie. Die Untersu- Auch eine Reihe anderer Studien konnte einen positiven
chungen wurden in den verschiedensten Branchen durch- Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und
geführt, wobei der Mehrzahl das Diskonfirmations Aspekten von Kundenbindung nachweisen (vgl. zusam-
paradigma zugrunde liegt. Das typische Vorgehen ist in menfassend Homburg & Bucerius, 2006). So konnte bei-
der 7 Info-Box exemplarisch anhand einer Studie darge- spielsweise Bitner (1990) in einer Studie zur Bewertung
stellt. von Dienstleistungen bei Fluggästen feststellen, dass
Kundenzufriedenheit positiv auf die Wahrnehmung der
Info-Box Dienstleistungsqualität wirkt, die wiederum die Kun-
Kundenzufriedenheit im denbindung positiv beeinflusst. Gerpott und Rams
Business-to-Business-Bereich (2000) befragten Kunden von Mobilfunkbetreibern und
Patterson, Johnson und Spreng (1997) untersuchten fanden einen positiven Zusammenhang zwischen Kun-
Kundenzufriedenheit im Geschäftskundenbereich. denzufriedenheit und Kundenbindung. Schließlich wur-
Hierzu befragten sie Unternehmensberater und de auch in einer Metaanalyse über 50 Studien zur Kun-
ihre Klienten. Ziel der Studie war es u. a., den Entste- denzufriedenheit (Szymanski & Henard, 2001) ein Zu-
hungsprozess von Kundenzufriedenheit zu unter- sammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und der
suchen. Das Diskonfirmationsparadigma diente als Wiederkaufabsicht nachgewiesen.
Basis für die Untersuchungen. Ausgangspunkt war Daneben finden sich aber auch Hinweise, dass es of-
die Hypothese, dass sich Kundenzufriedenheit posi- fensichtlich auch Kunden gibt, die trotz Zufriedenheit die
tiv auf die Wiederkaufabsicht auswirkt. Geschäftsbeziehung abbrechen. Einen Erklärungsansatz
Gemessen wurden die Erwartung der Kunden für dieses Phänomen liefert das Qualitative Kundenzu-
vor dem »Kauf« (Durchführung von Projekten) und friedenheitsmodell von Stauss und Neuhaus (2006).
8 die Erwartungserfüllung nach dem Kauf im Abstand Dem Modell liegt die Überlegung zugrunde, dass die
von 12 Monaten. Die Erwartungen wurden als Vor- Qualität des Zufriedenheitsempfindens, das je nach Per-
hersage zukünftiger Leistungen mit 26 Items er- sönlichkeit unterschiedlich ausfällt, über den Zusammen-
fasst, über die ein Index gebildet wurde. Nach Er- hang zwischen den beiden Größen entscheidet. Im Qua-
bringung der Leistung wurde die Wahrnehmung litativen Kundenzufriedenheitsmodell werden 5 Zufrie-
der Leistung mit den gleichen 26 Items gemessen. denheitstypen unterschieden (Stauss & Neuhaus, 2006):
Diskonfirmation wurde global erfasst (»besser oder 4 Fordernd Zufriedene stehen dem Anbieter mit po-
schlechter als erwartet«). Zusätzlich wurden die Zu- sitiven Gefühlen wie Optimismus und Zuversicht
friedenheit mit der Leistung sowie die Wieder- gegenüber. Sie erwarten aufgrund ihrer bisherigen
kaufabsicht gemessen. Erfahrungen, dass der Anbieter auch in Zukunft stei-
Wie sich zeigt, ist das Diskonfirmationsparadigma gende Ansprüche zufrieden stellen kann. Die Ge-
auch im Geschäftskundenbereich gültig: Je höher die schäftsbeziehung möchten sie aufrechterhalten, Leis
Erwartungen sind, desto weniger wahrscheinlich ist tungssteigerungen sind dafür jedoch Bedingung.
es, dass die wahrgenommene Leistung die Erwar- 4 Stabil Zufriedene bringen dem Anbieter ebenfalls
tungen erfüllt. Dagegen wirkt sich die wahrgenom- positive Gefühle der Bestätigung und des Vertrauens
mene Leistung positiv auf die Diskonfirmation aus: entgegen. Im Vergleich zu den fordernd Zufriedenen
Je besser die Ist-Leistung eingeschätzt wird, desto sind sie jedoch passiv, was die Anforderungen und
wahrscheinlicher ist es, dass die Erwartungen erfüllt Ansprüche gegenüber dem Anbieter betrifft. Sie er-
werden. Zudem wirkt eine positive Diskonfirmation warten, dass alles so bleibt, wie gehabt. Die Ge-
positiv auf die Kundenzufriedenheit. Schließlich fand schäftsbeziehung möchten sie ohne Veränderungen
sich auch ein Zusammenhang von Kundenzufrie beibehalten.
denheit und Wiederkaufabsicht, d. h. Kundenzufrie- 4 Resigniert Zufriedene fühlen gegenüber dem An-
denheit wirkt sich positiv auf die Wiederkaufabsicht bieter Gleichgültigkeit. Sie schätzen die Beziehung so
aus. ein, dass sie nicht mehr als das bisher schon Erhal-
tene erwarten können. Dennoch möchten sie die
Beziehung aufrechterhalten, da sie auch von anderen
Anbietern nicht mehr erwarten.
8.5 · Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
143 8
4 Stabil Unzufriedene sind vom Anbieter enttäuscht chen, dass Kundenzufriedenheit nicht automatisch zu
und empfinden Ratlosigkeit. Trotz der Unzufrieden- Kundenbindung führen muss (Kaiser, 2005).
heit verhalten sie sich passiv. Sie erwarten eigentlich Die bislang dargestellte 1. Kategorie der Studien stellt
mehr, wissen aber nicht was sie dafür machen kön- einen positiven Zusammenhang zwischen Kundenzu-
nen. Konsumenten dieses Typs sind zwar zum Wech- friedenheit und Kundenbindung fest, wobei ein linearer
sel bereit, werden aber aufgrund ihrer Passivität in Verlauf unterstellt wird. Die 2. Kategorie von Untersu-
der Geschäftsbeziehung verharren, bis ein spezieller chungen widmet sich der Frage nach den Formen funk-
Anstoß erfolgt. tionaler Zusammenhänge. In mehreren Studien wur-
4 Fordernd Unzufriedene sind in Bezug auf ihr An- den unterschiedliche Verlaufsformen festgestellt (vgl.
spruchs- und Forderungsverhalten sehr aktiv und . Abb. 8.7).
neigen zum Protest gegenüber dem Anbieter. Sie er- In einigen Untersuchungen zeigte sich ein progres-
warten, dass sich das bisherige Leistungsangebot er- siver Zusammenhang, der besagt: Wenn die Zufrieden-
heblich verbessert, und fordern dies auch aktiv ein. heit hoch ist, wird schon bei einer kleinen Verschlech
Die Geschäftsbeziehung werden sie aufrechterhal- terung des Zufriedenheitsniveaus die Absicht zum Wie-
ten, wenn ihre Forderungen beachtet werden, an- derkauf stark sinken. Wenn dagegen ein Anbieter seine
dernfalls wechseln sie den Anbieter. bisher schon zufriedenen Kunden noch etwas mehr zu-
frieden stellen kann, so hat dies große Auswirkungen auf
Stauss und Neuhaus (2006) konnten diese Typologie die Kundenbindung. Dafür finden sich auch empirische
auch empirisch belegen. Das Qualitative Kundenzufrie- Belege. In einer Studie von Jones und Sasser (1995) wur-
denheitsmodell kann daher – ohne Anspruch auf Voll- den Kunden aus der Automobilbranche gefragt, ob sie
ständigkeit – auch empirisch überzeugend verdeutli- ihr Auto wieder kaufen würden. Zwischen zufriedenen
Kundenloyalität
. Abb. 8.7. Mögliche funktionale Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. (In Anlehnung an Homburg
& Bucerius, 2006)
144 Kapitel 8 · Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Kunden und äußerst zufriedenen Kunden zeigte sich ein Seiders, Voss, Gewal und Godfrey (2005) bei einer Befra-
deutlicher Unterschied in der Wiederkaufabsicht. gung von Kunden eines Handelsunternehmens mehrere
Zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbin- Moderatorvariablen nachweisen, die den Zusammen-
dung kann auch ein sattelförmiger Zusammenhang hang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
bestehen. Erst wenn die Kundenzufriedenheit über positiv beeinflussen. Besonders wichtig ist das Involve-
einem bestimmten Level liegt, hat dies starke Auswir- ment der Kunden. Involvierte Kunden geben mehr Geld
kung auf die Kundenbindung. Kunden sind einem An- aus, wenn sie mit der Leistung zufrieden sind. Auch das
bieter emotional erst dann besonders verbunden, wenn Haushaltseinkommen wirkt positiv auf den Zusammen-
ein gewisser Indifferenzbereich überschritten wird. Auch hang. Da Konsumenten mit einem höheren Haushalts-
ein solcher Zusammenhang wurde empirisch nachge- einkommen mehr Wert auf die Verwendung ihrer Zeit
wiesen (Müller & Riesenbeck, 1991). legen, besuchen sie eine größere Anzahl von Händlern
Jones und Sasser (1995) konnten auch einen degres- und geben bei Händlern, mit denen sie sehr zufrieden
siven Zusammenhang feststellen. Sie fanden, dass unter sind, mehr Geld aus (vgl. Homburg & Bucerius, 2006).
gewissen Umständen ein kleiner Anstieg in der Zufrie-
denheit der Kunden große Auswirkungen auf deren Fazit
Wiederkaufabsichten haben kann. Ist das Zufrieden- Die langfristige Bindung von Kunden stellt einen
heitsniveau der Kunden jedoch schon relativ hoch, so hat entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen
eine geringe Verschlechterung nur relativ wenige Aus- dar. Eine wichtige Bedingung der Kundenbindung
wirkungen auf die Zufriedenheit. bildet die Kundenzufriedenheit. Kundenzufrieden-
Eine vierte Form des funktionalen Verlaufs bildet der heit führt aber nicht automatisch zu Kundenbin-
S-förmige Zusammenhang. Burmann (1991) unter- dung. Der Zusammenhang zwischen diesen bei-
8 suchte die Beziehung zwischen Konsumentenzufrieden- den Konstrukten ist offensichtlich sehr viel kom-
heit und Marken- und Händlerloyalität im Automobil- plexer, als bislang angenommen. Empirische
bereich. Ein S-förmiger Zusammenhang konnte zwi- Untersuchungen zeigen verschiedene Formen des
schen Konsumentenzufriedenheit und Markenbindung Zusammenhangs, d. h. dass Veränderungen der
gezeigt werden. Kunden mit einem hohen Zufrieden- Kundenzufriedenheit zu unterschiedlichen Auswir-
heitslevel reagieren weniger sensibel auf ein Sinken der kungen in der Kundenbindung führen können. Zur
Zufriedenheit als Kunden, deren Zufriedenheit unter Stärkung der Kundenbindung müssen zudem
einem bestimmten Wert liegt. auch andere Faktoren ins Kalkül gezogen werden.
Wie können diese Funktionsverläufe begründet wer-
den? Jones und Sasser (1995) gehen davon aus, dass die
unterschiedlichen Verläufe aus der verschieden starken
Wettbewerbsintensität der Märkte resultieren. Sie konn- Literatur
ten belegen, dass in hoch kompetitiven Märkten pro-
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