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ländliche Entwicklung
Entwicklungsfachkräfte
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Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.
Entwicklungsfachkräfte teilen ihre Erfahrungen
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Der Evangelische Entwicklungsdienst wird die Tradition fortführen und
weiterentwickeln, die 1979 bei Dienste in Übersee mit der Scripten-Reihe
begonnen wurde. Die Scripten geben in erster Linie den ausreisenden Fach-
kräften berufsbezogene und allgemeine Informationen für ihren Dienst
in Übersee. Sie eignen sich zugleich als entwicklungspolitische Bildungs-
materialien.
Das erste Heft der neuen Reihe widmet sich dem Thema Landwirtschaft
und ländliche Entwicklung. Dies ist kein Zufall. Denn wenn das 1996 beim
Welternährungsgipfel in Rom gesteckte Ziel, die Zahl der Hungernden auf
der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, erreicht werden soll, müssen auch
die Entwicklungsdienste ihre fachspezifischen Beiträge verstärken. Der kirch-
liche Entwicklungsdienst hat sich in diesem Bereich schon bisher stark
engagiert. Er fördert den standortgerechten Landbau sowie zahlreiche Maß-
nahmen zur Ernährungssicherung, zur Landreform und zum Erhalt der
biologischen Vielfalt mit seinen internationalen Programmen. Im Inlandsbe-
reich wurden und werden qualifizierte Programme und Initiativen entwi-
ckelt, z. B. in den Bereichen Agrarhandel, Saatgut, Biodiversität und Gen-
Technologie, als Beiträge zur Gestaltung einer nachhaltigen und humanen
Agrarpolitik.
Das vorliegende Scriptum enthält Erfahrungsberichte von landwirt-
schaftlichen Fachkräften. Sie spiegeln sehr unterschiedliche Eindrücke und
Erlebnisse wider. Die Spannweite erstreckt sich von euphorischen Erfolgsge-
schichten bis hin zu schwer verdaulichen Frustrationserlebnissen. Die meis-
ten bewegen sich dazwischen. Es ist ein Ziel dieses Heftes, Bewerberinnen
und Bewerbern, die als EED-Fachkräfte im landwirtschaftlichen Bereich
arbeiten wollen, ein ungeschminktes Bild zu vermitteln von den Chancen
und Widrigkeiten eines solchen Engagements.
Wir wollen das große Ziel, dass alle Menschen „Leben in Fülle“ haben,
nicht aus dem Blick verlieren.
Vorstandsvorsitzender
Inhalt
38 Artur Dillmann, ... es ist sicherlich gut, dass ich in Nepal bin
Sprachvorbereitung
Wie bereits erwähnt, ist das Auffrischen bzw. das Lernen von Sprachen
ein wesentlicher Bestandteil der Vorbereitung. Für mich persönlich war
das erneute Lernen, das Pauken von Vokabeln, der Teil der Vorbereitung,
der mich am meisten forderte, Augenmerk und Energie kostete. Schließ-
lich war es eine ganz Weile her, dass ich zuletzt die Schulbank drückte.
Für jede zukünftige Fachkraft kann diese Situation sehr unterschiedlich
sein. Hängt sie doch davon ab, welche Vorkenntnisse jemand mitbringt
und wie hoch die fremdsprachlichen Anforderungen für die jeweilige
Tätigkeit sein werden.
Für Fachkräfte, die häufig Vorträge halten oder überhaupt lehrend
tätig werden, gestalten sich die Anforderungen anders als bei jenen, die
z.B. Projektanträge schreiben. Ebenfalls sind die sprachlichen Anforde-
rungen davon abhängig, ob im Gastland, im Umfeld des Dienstgebers wie
auch im privaten Umfeld unter den ArbeitskollegInnen überwiegend eine
europäische Verkehrssprache gesprochen wird oder ob eine Lokalsprache
vorherrscht.
Gute Sprachkenntnisse sind der Schlüssel für die Einarbeitung in
neue Fachgebiete, für das Kennenlernen der Kultur und der Kommunika-
tionsstrukturen, bis hin zum eigenen Wohlbefinden in einer zunächst
sehr fremden Umgebung. Aus Erfahrungen von anderen
Gute Sprachkenntnisse sind RückkehrerInnen und aus meinen eigenen resultiert: Das
der Schlüssel für die Ein- Neue wird einem selbst schneller vertraut durch gute
arbeitung in neue Fach- Sprachkenntnisse. Das neue Umfeld eröffnet sich viel leichter
gebiete, für das Kennenler- und der Umgang mit den Besonderheiten und den Eigen-
nen der Kultur und der tümlichkeiten des Umfeldes wird unkomplizierter. Auf diese
Kommunikationsstrukturen, Weise kann der vielfach zitierte „Kulturschock“ abgefedert
bis hin zum eigenen Wohl- werden. Durch fundierte Sprachkenntnisse entsteht eine grö-
befinden in einer zunächst ßere Selbstsicherheit der Fachkraft und sie wird kompeten-
sehr fremden Umgebung.
ter. Darüber hinaus ist es für die Partner vor Ort, die einhei-
mischen KollegInnen, viel einfacher, sich an die zunächst
fremde Fachkraft zu gewöhnen. Missverständnisse und falsche Interpreta-
tionen von erlebten Situationen lassen sich durch fundierte Sprachkennt-
nisse leichter vermeiden.
6 Wolfgang Dewald
Selbst wenn man anfangs nur wenige Sätze einer Lokalsprache spre-
chen kann, so bewirkt deren Anwendung in der Regel ein anerkennendes
Lächeln des einheimischen Gegenübers. Damit bietet sich die Möglichkeit
eines viel lockeren Einstiegs zum Knüpfen von neuen Kontakten mit Ein-
heimischen. Folglich sollte meines Erachtens die sprachliche Vorbereitung
einen so breiten Raum als möglich einnehmen. Dazu gehört, dass das
Lernen von Sprachen in dem Gastland fortgesetzt wird. Dafür ist vorstell-
bar, dass die Fachkraft Kurse im Gastland besucht oder sich privaten
Unterricht organisiert.
Falls zukünftige Fachkräfte schon über sehr gute Fremdsprachen-
kenntnisse in der jeweiligen europäischen Verkehrssprache verfügen,
kann um so konzentrierter bereits während Vorbereitung in Deutschland
mit dem Erlernen der eventuell erforderlichen Lokalsprache begonnen
werden. So fand ich es für mich ganz hilfreich, schon im Laufe meiner
Vorbereitung in Deutschland mit dem Lernen von Amharisch begonnen
zu haben, auch wenn zwei Wochen für einen Neueinsteiger sehr kurz
sind. Der Vorteil lag darin, dass ich einen äthiopischen Lehrer hatte, der
schon länger in Deutschland lebte und folglich mit unserer Kultur und
insbesondere mit unseren Lernmethoden vertraut war. Der wichtigste
Aspekt, bereits in Deutschland in das Lernen der Lokalsprache einzustei-
gen, war für mich, dass ich mit mir vertrauten Methoden in die neue
Sprache eingeführt wurde. Auf diese Weise konnte ich mich später im
Gastland mit dem einheimischen Lehrer und den dort allgemein üblichen
Lernmethoden besser zurecht finden.
Neben dem sprachlichen Einstieg hatte ich auch die Möglichkeit,
mich über kulturelle, allgemeine und organisatorische Fragen zum All-
tagsleben in Äthiopien mit dem Amharischlehrer in Deutschland auszu-
tauschen.
Was mir aus den zahlreichen Kursen und Seminaren bis heute am
meisten präsent blieb, ist der gedankliche Austausch mit KollegInnen, die
ebenfalls in Vorbereitung und damit in einer ähnlichen Situation waren.
Die zahlreichen Pausen und Abendgespräche waren geprägt von Erfah-
rungsaustausch. Schließlich war ich mit Leuten zusammen, die ähnlich
wie ich selbst, bereits „draußen“ gearbeitet hatten und die erneut durch
unterschiedliche Organisationen vermittelt wurden. Dies bot auch die
Möglichkeit, die DÜ-Vorbereitung mit der von anderen Organisationen
zu vergleichen. Für mich schneidet dabei DÜ aufgrund der individuellen,
flexiblen Gestaltung der Inhalte wie auch des flexiblen Ablaufs hervorra-
gend ab.
die Präsenz eines brasilianischen Mitarbeiters von der CPT in Europa die
internationalen Aktionen der Organisationen, die sich mit der Landfrage
Brasiliens und mit der weltweiten Agrarreformkampagne beschäftigen.
Die Dynamisierung des Informationsaustausches und die Kommunika-
tion zwischen den Organisationen und ihren Partnern vertieft das Ver-
ständnis der Agrarsituation Brasiliens in globaler Sicht und ermöglicht es,
die Initiativen zu unterstützen, die sich vor allem im ländlichen Raum im
sozialen Bereich engagieren, aber von den Mächtigen marginalisiert wur-
den. Die Arbeit bestätigt auch wie wichtig die wechselseitigen Austausch-
prozesse zwischen Nord und Süd sind; sie sind die angemessene Antwort
der Solidaritätsbewegung auf die Realitäten einer globalisierten Welt.
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Landesspezifische Gegebenheiten
Nicaragua ist 130.000 km2 groß, hat fast 5 Millionen Einwohner und ist
verwaltungsmäßig in 151 Municipios (Gemeinden) eingeteilt. Das Muni-
cipio León ist 862 km2 groß und hat 181.000 Einwohner; davon wohnen
77 % in der Stadt und der Rest auf dem Land. Das
Municipio León verfügt über große Flächen sehr
guten Ackerbodens, hat fast keine Industrie, jedoch
einen überdimensionierten informellen Handels- und
Dienstleistungssektor.
Die Agrarproduktion trägt 25 % zum gesamten
Inlandsprodukt Nicaraguas bei. Der Agrarsektor lie-
fert mehr als 70 % Exporterlöse, beschäftigt circa 50 %
der Arbeitskräfte des Landes und stellt die Basis für
die Ernährung der Bevölkerung dar1). In einer norma-
len wirtschaftlichen und politischen Situation wäre
das Land in der Lage, aus eigenen Kräften die Ernäh-
rung der Bevölkerung sicherzustellen. Außerdem
könnte Nicaragua seine Importe aus den Erlösen der
Exporte bezahlen, um eine positive Handelsbilanz zu
erzielen.
Die Agrarproduktion ist jedoch in der achtziger
Jahre gesunken. Sie ist zwar in den neunziger Jahren
wieder gestiegen, aber immer noch nicht auf das
Niveau der siebziger Jahre. Der Umfang der Exporte ist auch gesunken
(1977: 750 Mill. US$, 1992: 200 Mill. US $, 1999: 600 Mill. US $). Aber
der Umfang der Importe ist gestiegen. Dadurch ist Nicaragua zu einem
der am höchsten verschuldeten Länder der Welt geworden (1971: 191
Mill., 1979: 1,531 Mrd., 1992: 10,826 Mrd. US$, 2000: 6,5 Milliarden US$).
Somit wurde Nicaragua sehr stark von externen Ressourcen abhängig.
Wegen der Reduzierung des Verwaltungsapparates, des Privatisie-
rungsprozesses und der Senkung der internationalen Preise für Baumwol-
le und Kaffee ist die Arbeitslosigkeit in Nicaragua auf 60 % gestiegen und
auf dem Land bis zu 67 %, wovon 80 % in absoluter Armut leben2), was
eine massive Auswanderung in die Stadt, in Nachbarländer und in die
Vereinigten Staaten verursachte. Das Positive daran ist, dass Nicaragua
mehr Geld von den Nicaraguanern im Ausland erhält als durch seine
Exporterlöse (1999 erzielte Nicaragua 600 Millionen Dollar aus Exporten,
hingegen 800 Millionen aus Auslands-Überweisungen von Nicaraguanern
für ihre Familien in Nicaragua). Das Negative: Die Ausgewanderten sind
unternehmungsfreudige Leute, die helfen könnten, die Ökonomie des
Landes wieder in Gang zu bringen.
Die kleinen und mittleren Die kleinen und mittleren Produzenten stellen ungefähr
Produzenten erzeugen 70 % 80 % der nationalen Produktion von Mais, Bohnen und
der landwirtschaftlichen Sorghum. Darüber hinaus produzieren sie 100 % der natio-
Produktion. Seit 1990 haben nalen Produktion von Sesam und 50 % des Kaffees, welche
sie eine starke Reduzierung wichtige Exportprodukte sind. Sie erzeugen 70 % der land-
in der Vergabe von Krediten wirtschaftlichen Produktion. Damit sind sie auch mit einem
hinnehmen müssen. hohen Prozentsatz an den inländischen Handelsgeschäften
beteiligt3). Seit 1990 haben sie jedoch eine starke Reduzierung
in der Vergabe von Krediten hinnehmen müssen. Die Kreditpolitik igno-
riert die Veränderungen, die in der Agrarstruktur vorgenommen wurden,
da 80 % der Kredite den Großerzeugern gewährt werden, die nur 14 %
der landwirtschaftlichen Nutzfläche besitzen. Infolgedessen hat sich die
Agrarproduktion verringert und die Versorgungslage der ländlichen
Bevölkerung drastisch verschlechtert. Die bäuerlichen Familien mussten
Tiere, landwirtschaftliche Geräte, Land etc. verkaufen, und die Mehrheit
dieser Produzenten bzw. Unternehmer ist aus verschiedenen Gründen bei
den Banken verschuldet.
Durch die Veränderung in der Struktur der Nutznießer des Kredites
entstanden viele Initiativen zur Schaffung neuer Kreditprogramme. Es
existiert nur ein Minimum an finanziellen Mitteln für Kredite, die durch
Programme oder Projekte an Klein- und Mittelbauern vergeben werden.
Diese Kreditprogramme haben inzwischen über sechs Jahre Erfahrung im
Kreditgeschäft gesammelt. Sie führen das Kreditgeschäft ähnlich wie die
Banken, arbeiten jedoch nur mit Krediten und sind daher stark von exter-
nen Ressourcen abhängig (auch von Naturkatastrophen). Sie dürfen nicht
im Sparsektor tätig sein, können daher nicht Ersparnisse anlegen, was
ihre Abhängigkeit von externen Ressourcen verstärkt und ihre institutio-
nelle Entfaltung einschränkt. Zur Zeit gibt es keine andere Kreditalterna-
Dienstgeber
Ich arbeite für die Stadtverwaltung in der Abteilung für Stadtplanung und
Lokalentwicklung. Das Rathaus war bis 1988 traditionell nur für Dienst-
leistungen wie Stadtplanung, Müllabfuhr, Melderegister, Friedhöfe, Märk-
te, Straßenbau und kommunale Infrastruktur zuständig. 1988 wurde ein
Dezentralisierungsprozess auf nationaler Ebene durch das Gesetz zur
autonomen Verwaltung der Gemeinden in Gang gesetzt. Das Gesetz
wurde 1997 reformiert, und damit wurde die Führungsrolle der Lokalre-
gierung gestärkt. Dadurch haben die Municipios neue Aufgaben zu erle-
4) Lokalentwicklung: Ist ein organisierter und auf Konsens orientierter Prozess, mit dem Ziel,
Reichtum auf Gemeindeebene zu schaffen. Dabei müssen sowohl die Produktion und Wirt-
schaftsfaktoren als auch soziale, politische und Umweltfaktoren als sich wechselseitig bedingende
Elemente berücksichtigt werden. Hier haben wir: 1) Wirtschaftsentwicklung: Es wird hier ein
gleichgewichtiges und auf soziale Gerechtigkeit zielendes Wachstum der Agrar- und Industrie-
produktion, des Handels und der Dienstleistungen verfolgt. 2) Sozialentwicklung: Dadurch wird
versucht, das Lebensniveau der Bevölkerung zu verbessern durch die Chancengleichheit beim
Zugang zu Wohnung, Gesundheit, Ausbildung, Strom, Trinkwasser, Kultur, etc. 3)Umweltent-
wicklung: Ist die nachhaltige Nutzung der Naturressourcen. 4) Politische Entwicklung: Fördert
die Kommunaldemokratie und versucht die Verhandlungsmacht der Zivilgesellschaft zu stärken.
Lokalentwicklung in Léon / Nicaragua 19
digen. Sie sind jetzt zuständig praktisch für alles, was mit Lokalentwick-
lung4) zu tun hat. Das Ganze wird aus verschiedenen Steuertöpfen (vor-
wiegend für operative Ausgaben), staatlicher Hilfe (für bestimmte Projek-
te) und aus internationaler Solidaritätshilfe mitfinanziert (Hauptquelle
für Investitionen verschiedener Art im Municipio). Für diese neue Aufga-
be waren die Rathäuser in Nicaragua nicht vorbereitet. Der ganze Dezen-
tralisierungsprozess ist ein von außen aufgezwungener Prozess: Die zum
Teil auch vom IMF und der Weltbank diktierten Wirtschaftreformen ver-
langten eine Verkleinerung des Staates.
PROTIERRA
Dies ist ein von der Weltbank finanziertes Projektpilot in einigen Muni-
cipios Nicaraguas; eine davon ist León. Damit wird die institutionelle
Stärkung der Gemeinden verfolgt. Es sind auch Trainingseinheiten für
Gemeindeangestellte und Entwicklungsakteure des Municipios vorgese-
hen, die kommunale und produktive Projekte durchführen sollen. Auch
20 Luis Antonio Zapata Morán
für León sollte ein solcher Entwicklungsplan entworfen werden, was aber
nicht der Fall war. Die vier für die Durchführung des Projektes vorgesehe-
nen Jahre sind schon um und es gab nur wenig vorzeigbare Erfolge. Mei-
ner Meinung nach hat das zu tun mit der Art und Weise, wie bis heute
Hilfe geleistet wird. In den Industrieländern sichert der ganze Prozess der
Bereitstellung von Hilfe den Lebensunterhalt aller Beteiligten. Das setzt
sich hier bei uns fort bei den Leuten, die die Hilfe weiterleiten oder die
Projekte verwalten. Meistens wird von hier aus finanzielle Hilfe für Pro-
jekte bei internationalen Geldgebern im Namen bestimmter Zielgruppen
beantragt, mit denen gar nicht verhandelt worden war, oder wird finan-
zielle Hilfe von internationalen Geldgeber für bestimmte Projekte bereit-
gestellt, die genauso wenig mit den Zielgruppe diskutiert wurden. Daran
sind viele Projekte gescheitert.
Andere Initiativen hier im Municipio León sind: „Agenda Siglo XXI“,
die verschiedene Partnerstädte von León zusammen tragen, Initiativen
verschiedener Nichtregierungsorganisationen sowie Institutionen des
Staates und auch einige Projekte wie FISE, PRODEL etc., auch private
Initiativen, die zusammen Hunderte von Projekten in León durchführen.
Bei der Leóner Alcaldía wurden auch seit 1997 zwei Abteilungen
gegründet: Die Abteilung für Städteplanung und Lokalentwicklung mit
einer Unterabteilung für Lokalentwicklung und die Abteilung für die
Betreuung und die Beziehung mit der Kommune. All diese Initiativen
sind nicht miteinander koordiniert, was zeigt, dass es kein klares
In León haben wir seit
dem 17.01.2001 einen
Konzept für die Lokalentwicklung bei der Alcaldía gibt. Die
neuen Gemeinderat und Zentralregierung verliert durch diesen Dezentralisierungspro-
einen sandinistischen zess zunehmend an Entscheidungsbefugnissen.
Bürgermeister. Die Erwar- Ein wichtiger Schritt zu einer wirklichen Dezentralisierung
tungen sind im Moment waren die Kommunalwahlen am 05.11.2000, die zum ersten
sehr hoch. Darin, dass Mal unabhängig von den Parlamentswahlen stattgefunden
das Thema Entwicklung haben. In León haben wir seit dem 17.01.2001 einen neuen
auf Gemeindeebene eine Gemeinderat und einen sandinistischen Bürgermeister. Die
neue Rolle spielt, sehe Erwartungen sind im Moment sehr hoch. Darin, dass das
ich Chancen und Einsatz- Thema Entwicklung auf Gemeindeebene eine neue Rolle spielt,
möglichkeiten. sehe ich Chancen und Einsatzmöglichkeiten.
Meine Arbeitslage
Die jetzige Amtsperiode ist durch folgendes charakterisiert: Es mangelt an
Arbeitsorganisation und Systematisierung der Arbeitsprozesse. Man will
nur vom Schreibtisch aus planen, und selbst dafür verfügt man nicht über
die notwendigen Informationen. Kritik am Führungsstil leitender Perso-
nen in unserer Abteilung wird als Angriff verstanden, auch konstruktive
Kritik, um die Arbeit zu verbessern. Der Grund dafür ist berufliche Kon-
kurrenz, insbesondere in Leitungspositionen. Bei Teamarbeit und strate-
gischer Planung haben wir große Schwächen. Im Moment wird auf jeder
Ebene nur für sich allein gearbeitet, ohne Erfahrungsaustausch und Koor-
dination zwischen den verschiedenen Entwicklungsinitiativen. So können
Lokalentwicklung in Léon / Nicaragua 21
muss auch auf das kleinste Wohnviertel oder Dorf zugeschnitten werden,
um für alle Entwicklungsakteure des Municipio von Nutzen sein zu kön-
nen (jede Institution teilt das Municipio unterschiedlich auf). Es wäre
auch die Basis für eine umfassende Diagnose des Municipio, welche die
erste Etappe der strategische Planung der Lokalentwicklung5) darstellt.
Man sollte auch auf Vorarbeiten zurückgreifen, die PEL, PME, PDM,
PGM, ALSXXI, private Initiativen, Zentralregierung und andere schon
geleistet haben. Es geht um einen grundsätzlichen Konsens über die
Arbeit, um die praktische Umsetzung der Pläne und darum, die verschie-
dene Entwicklungsinitiativen auf die Ebene kleinster territoriale Einhei-
ten zu bringen. Dadurch wird versucht, dass alle Beteiligten, insbesondere
die Zielgruppen, bei der Entwicklungsprogrammen Rechte und Pflichten
haben. Das schließt karitative Arbeitsstile und -methoden aus, da sie der
Partizipation der Zivilbevölkerung nicht förderlich sind.
Trainingsprogramme zu Themen wie: Juristische Rahmenbedingun-
gen des Municipio; Lokalentwicklung und ihre Zusammenhänge inner-
halb der Alcaldía und der Entwicklungsakteure in der Alcadía; das Steuer-
system des Municipio; Bearbeitung der verschiedenen Informationen, die
bei der Alcaldía, bei verschiedenen staatlichen Institutionen etc. entstehen;
Projektplanung, Projektdurchführung und Projektbewertung; Computer-
kenntnisse; Sozialarbeit mit der Bevölkerung, Lokalfinanzierung; etc.
Die Gründung einer Förderbank: Aufgrund fehlender Institutionen
zur Finanzierung der Klein- und Mittelproduzenten bzw. Unternehmer
wird durch die neue Lokalregierung versucht, eine Förderbank auf
Gemeindeebene zu gründen. Dafür habe ich die nötige Ausbildung und
Erfahrung, und ich möchte in diesem Bereich etwas leisten.
Man muss ein Arbeitsteam bilden, um die vorgeschlagene Program-
me und Projekte zu planen, durchzuführen und zu bewerten. Man muss
Verhandlungen führen über die Verantwortung, Zugeständnisse, Beiträge,
Teilnahme etc. jeder Entwicklungspartei. Dabei muss die Eigenverantwor-
tung der Zivilbevölkerung bei der Lokalentwicklung auf Kommuneebene
gefördert werden. Es wäre gut, mit einer Bestandsaufnahme anzufangen,
was in Sachen Entwicklung schon unternommen wurde. Von diesem Aus-
gangspunkt aus könnte eine Diskussion über die Rechte und Pflichten
aller Entwicklungsakteure geführt werden. Diese Diskussion muss zum
Ergebnis haben, dass ein Verständigungsprozess in Gang gesetzt wird, der
die Verantwortung aller Entwicklungsakteure oder -gruppen beim Ent-
wicklungsprozess klar definiert. Die Qualität der Arbeit muss sich darin
erweisen, ob ein echter Dezentralisierungsprozess auf allen Ebenen
beginnt und Maßstäbe setzt. Denn nur die Projekte bringen eine wirkli-
che Entwicklung in Gang, die mit den Betroffenen so verhandelt werden,
dass bei der Planung Einverständnis erzielt wird.
5) Etappe der strategische Planung der Lokalentwicklung: 1) globale Diagnose der Lokalentwick-
lung und damit ein Informationssystem mit Indikatoren mit soliden Daten, 2) Identifizierung
der Entwicklungspotentiale des Municipio, 3) Identifizierung der Zielgruppe, 4)Entwurf der Ziele
und der strategische Entwicklungsrichtungen, 5) Identifizierung der Entwicklungsprogramme
und 6) Identifizierung der strategischen Projekte.
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Die „jüngere“ Geschichte der Region lässt sich in vier Phasen gliedern:
1. Mit der Ankunft der Portugiesen im 16. Jahrhundert Verfolgung
und Versklavung der indianischen Urbevölkerung, die im Abbau der
Edelmetalle – inbesondere Gold und Smaragde – arbeiten mussten. Dies
ging einher mit der weitgehenden Zerstörung ihrer hochentwickelten
Kultur, die sich in der Region 11.000 Jahre zurückverfolgen lässt – und
insbesondere die Domestizierung wichtiger Kulturpflanzen wie Maniok,
Erdnuss, Kürbis, Baumwolle und Paprika – um nur einige zu nennen –
hervorgebracht hat sowie ihre an die Cerrado-Ökologie optimal ange-
passten Lebensgewohnheiten und Anbaumethoden.
2. Nach dem Niedergang der Goldgräberperiode Anfang des 19. Jahr-
hunderts wurde die extensive Viehhaltung zum Hauptwirtschaftsfaktor
der Region. Es dominierte die Politik der großen Landbesitzer. Der Eisen-
bahn- und Straßenbau veränderte stark das regionale Szenarium.
3. Die Jahre von 1930 bis 1950 waren durch das Streben nach Moder-
nisierung und nach „nationaler Integration“ des noch unerschlossenen
Zentralbrasilien geprägt, das in den Entwicklungsprojekten im Rahmen
des „Marsch nach Westen“ des damaligen Präsidenten Getulio Vargas sei-
nen Ausdruck findet. In den 60er Jahren bewirkte der Bau der Hauptstadt
Brasília einen großen Migrationsstrom in die Region.
24 Christina Klee-Wolff
4. Seit den 70er Jahren erfuhr die Region große Veränderungen durch
die Expansion der Landwirtschaft, die „Grüne Revolution“ im Cerrado.
Ein kapitalintensiver und mit hohem Technologieeinsatz betriebener
Ackerbau macht es durch große Investitionen in Kalk und Düngergaben
möglich, auf den sauren roten Böden des Cerrados, die immer für
unfruchtbar gehalten wurden, Getreide und Körnerleguminosen zu pro-
duzieren. Nach dem Motto: „Früher gab es hier nur Cerrado – und heute
wächst hier überall Soja !“ wird das Cerrado für die Körnerproduktion
entdeckt. So wird in der Region des Zentrum-Westen bereits 25% der
brasilianischen Reis-, Bohnen-, Mais-, Soja- und Weizenernte produziert.
Das ging einher mit ökologischen Problemen, wie dem Abholzen und
Abbrennen von zwei Dritteln der ursprünglichen Vegetation und Um-
wandlung in Acker oder angepflanzte Weide, Grundwasserabsenkungen,
Austrocknen der Flüsse, Erosionen, Pestizidbelastung, usw. Auch die Rin-
derhaltung nahm stark zu, vervierfachte sich seit 1960 und liegt jetzt bei
50 Mio. Rindern.
Obwohl also das wirtschaftliche Wachstum der Region auf der Land-
wirtschaft basierte, führte es nicht zu einer Verteilung des Reichtums,
sondern förderte den Prozess der Landbesitz- und Einkom-
Obwohl also das wirtschaft- menskonzentration. Kleinbauern verkauften oder verloren
liche Wachstum der Region ihr Land, waren nicht konkurrenzfähig. Im brasilianischen
auf der Landwirtschaft Vergleich besitzt diese Region den geringsten Anteil an
basierte, führte es nicht zu Kleinbauern. Obwohl diese 67% der Betriebe ausmachen,
einer Verteilung des Reich- stehen ihnen nur 13% der Fläche zur Verfügung. Die durch-
tums, sondern förderte den schnittliche Hektarzahl der Latifundien der Region liegt mit
Prozess der Landbesitz- und 1300 ha dreimal so hoch, wie der Landesdurchschnitt. In der
Einkommenskonzentration. hoch technisierten Landwirtschaft und der Agroindustrie
wird die Arbeitskraft mehr und mehr durch Maschinen
ersetzt. Sogar die Figur des „Boia-fria“ – d. h. des schlecht bezahlten tem-
porären Landarbeiters in z.B. der Zuckerrohr- oder Baumwollernte, Sym-
bol für die Degradierung der Arbeitsbedingungen auf dem Land – gehört
nach und nach der Vergangenheit an. Das führt dazu, dass immer mehr
junge Leute in die Städte abwandern, das Land menschenleer erscheint
und auch keine Dorfentwicklung (weiterführende Schulen, Gesundheits-
versorgung) stattfindet.
Partnerschaft IFAS-HMA
So hat sich seit einem Jahr über meine Person eine Partnerschaft IFAS-
HMA entwickelt, zunächst mit dem Ziel, Niemextrakte sowohl in der
Patientenbehandlung gegen diverse Krankheiten (als Bestandteil der
Pflanzenpulvermischungen nach dem Ayurveda-Prinzip, in Hautölen
sowie gegen Nagel- und Hautpilze) als auch gegen Insektenfraß und Pilze
im biologischen Anbau der Arzneipflanzen im krankenhauseigenen Heil-
kräutergarten einzuführen und die Ergebnisse zu dokumentieren. Durch
ein Kleinprojekt ist es uns nun möglich, einige bauliche Verbesserungen
an den prekären Einrichtungen des HMA vorzunehmen sowie neue
Arbeitsgeräte anzuschaffen - alles mit dem Ziel, den Anbau zu intensivie-
ren, um der großen Nachfrage nachzukommen sowie die Qualität des
Ernteguts zu verbessern.
Indische Niembäume in Brasilien 27
So fühle ich mich hier alles andere als Expertin, sondern mehr als
eine Art interkulturelle Mitarbeiterin, die sehr viel lernen durfte und
musste, bevor sie etwas beitragen konnte. Meinen ganz spezifischen Bei-
trag sehe ich insbesondere darin, zu den vielen, die Arbeit betreffenden
Themen und Bereichen, Kontakte und Verbindungen nach Europa aufzu-
bauen, die Informationsaustausch und Perspektiven einer Zusammenar-
beit beinhalten.
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Brasilien wird in der Regel nicht sofort mit dem Bild eines typischen
„Konfliktlandes“ assoziiert bzw. als ein Land, in dem sich auf den ersten
Blick der Einsatz eines Friedensfachdienstes als Notwendigkeit heraus-
stellt. Bei genauerer Betrachtung werden jedoch schnell die im Land
herrschenden krassen sozialen Unterschiede offensichtlich, die dieses
„friedliche“ Image Lügen strafen: es handelt sich hier um eine latente
Konfliktsituation, deren explosives Potential nicht unterschätzt werden
darf.
Im größten Land Lateinamerikas beruhen Hunger und prekäre
Lebensbedingungen eines Großteils der Bevölkerung nicht auf Mittel-
oder Ressourcenknappheit, sondern auf ungerechter Verteilung. Nach
jüngsten Daten der UNDP, kontrollieren 20 % der reichsten Brasiliane-
rInnen 64 % des landesweiten Einkommens, während 20 % der Ärmsten
mit 2,5 % des Einkommens auskommen bzw. (über-)leben müssen. Bra-
silien gehört somit leider zu den zwei Ländern der Welt mit der höchsten
Einkommenskonzentration. 26 Millionen BrasilianerInnen leben unter-
halb des Minimums einer „menschlichen Entwicklung“ bzw. ohne eine
Minimalstruktur an Gesundheits-, Bildungs- und Nahrungsversorgung.
Während 7 % der brasilianischen Kinder unter Unterernährung leiden,
ist die Nahrungsmittelproduktion in einem Umfang vorhanden, der den
Kalorien und Eiweißbedarf der gesamten Bevölkerung decken würde. Ein
weiteres gravierendes Problem ist die soziale Lage der brasilianischen
Frauen. Diese müssen 2 bis 3 mal höhere Arbeitsleistungen erbringen als
30 Luciano André Wolff
Männer und werden schlechter bezahlt. Auch die indigenen Völker stellen
eine wichtige soziale Gruppe dar, deren Rechte verletzt werden. Im Zuge
der Reduzierung staatlicher Fördermittel für die Demarkierung ihrer
Gebiete dringen verstärkt Großgrundbesitzer, Goldsucher und Holz-
fällerfirmen in ihre Territorien ein. In gleichem Maße ist die afro-brasilia-
nische Bevölkerung Opfer sozialer Diskriminierung.
Ferner werden schwere Menschenrechtsverletzungen durch die hohe
Landkonzentration verursacht. 4,8 Mio. Familien von Kleinbauern sind
landlos, d. h., würden gerne als Bauern arbeiten, haben jedoch keinen
Zugang zu Land. An der zögerlichen Umsetzung der Agrarreform und der
massiven Landvertreibung der Kleinbauern zeigt sich der mangelnde
politische Wille der aktuellen Agrarpolitik.
Der brasilianische Staat hat also noch viel zu tun, um seiner Bevölke-
rung den vollen Zugang zu den wirtschaftlichen und sozialen Menschen-
rechten zu ermöglichen. Anstatt aber Fortschritte in diese Richtung zu
machen, zwingt sich die Regierung angesichts der durch die Hochzinspo-
litik verursachten wachsenden Inlands- und Auslandsverschuldung im-
mer mehr zu einer gigantischen Sparübung, die schwindende Sozialaus-
gaben mit sich bringen. Sie nimmt mehr und mehr Abstriche in einem
Etat vor, der schon bei früheren Sanierungs- oder Strukturanpassungsver-
suchen in sozial sensiblen Bereichen wie Landreform, Volksgesundheit
und Erziehung massiv beschnitten wurde. Mindestens 300.000 Angestell-
ten des Staatsapparates wurde seit 1994 gekündigt, und die staatlichen
Dienstleistungen werden immer stärker ausgedünnt. Das bedeutet in der
Praxis: weniger öffentliche Schulen, mangelnde medizinische Versorgung
im öffentlichen Gesundheitssystem, und Einschnitte bei der ohnehin
schon bescheidenen Verwirklichung der Agrarreform, um nur hier Bei-
spiele zu nennen.
Wenn in Brasilien 166 Mio ha Land Wichtig im Falle Brasiliens ist, dass die extreme
brach liegen und 5 Mio. landlose Polarisierung des Vermögens – und, mit Blick auf das
Familien ihre WSK-Rechte nicht Recht auf Nahrung, die des Landbesitzes – mit allen
verwirklichen können, dann ist, zur zur Verfügung stehenden Mitteln angegangen wird.
Erfüllung des Rechts auf Nahrung Wenn in Brasilien 166 Mio ha Land brach liegen und
sowie der weiteren WSK-Rechte, 5 Mio. landlose Familien ihre WSK-Rechte nicht ver-
für den Staat eine Umverteilung wirklichen können, dann ist, zur Erfüllung des Rechts
der Ressource Land zwingend auf Nahrung sowie der weiteren WSK-Rechte, für den
geboten. Staat eine Umverteilung der Ressource Land zwingend
geboten. Es geht also nicht, dass die brasilianische
Regierung beispielsweise im Jahr 2000 einen Betrag von 146 Mio. brasilia-
nischen Reais (ca. 176 Mio. DM) in Agrarreformpropaganda investiert,
ein Betrag der 17 mal höher liegt, als die tatsächlich durchgeführten
Investitionen im Rahmen der Agrarreform. Oder um ein weiteres, nicht
akzeptables Beispiel zu nennen: Als Konsequenz des 1998 zwischen IWF
und der brasilianischen Regierung ausgehandelten Sparpakets, konnten
624.000 Kinder, Alte und Behinderte nicht mehr in Heimen, Kindergär-
ten und Rehabilitationszentren aufgenommen werden, weil sich die dafür
bestimmten Etats um 28,5% verringert haben.
WSK-Menschenrechte, Internationale Solidarität und Konfliktprävention 31
Dabei sollte
- das Kontaktfeld von CPT und FIAN im Hinblick auf eine Erweite-
rung ihrer Aktionsmöglichkeiten zur Unterstützung der Kämpfe und
Anstrengungen der landwirtschaftlichen Arbeiter/innen in Brasilien um
Land und bessere Lebensbedingungen ausgebaut;
- die internationale Aufmerksamkeit sowie die politische Mobilisie-
rung in Bezug auf Verletzungen von wirtschaftlichen und sozialen Men-
schenrechten auf dem Land in Brasilien erhöht werden, um somit Druck
auf die verantwortlichen Instanzen auszuüben;
- die Einflussnahme auf die Menschenrechtsgremien der Vereinten
Nationen hinsichtlich der Menschenrechtspolitik Brasiliens erhöht und
- die politische Arbeit in Brasilien im Bereich der sozialen und wirt-
schaftlichen Menschenrechte auf dem Lande qualifiziert werden.
Forums für Agrarreform und Gerechtigkeit auf dem Lande. Ich stelle die
Verknüpfung zwischen der Arbeit des Forums auf nationaler Ebene und
der Arbeit der Kampagne auf internationaler Ebene her. Ich koordinierte
z. B. die Erarbeitung einer internationalen Petition für die Durchführung
einer Agrarreform in Brasilien, die bei einer international abgestimmten
Aktion im Rahmen der Kampagne den Brasilianischen Botschaften über-
reicht wurde.
Zusammen mit der Nationalen Menschenrechtsbewegung MNDH
und dem PAD-Netzwerk – einem Zusammenschluss brasilianischer Part-
nerorganisationen von europäischen ökumenischen Hilfswerken, ein-
schließlich EED und Brot für die Welt – wurde ferner die Veranstaltung
von sechs regionalen „Workshops“ über die Thematik der sozialen und
wirtschaftlichen Menschenrechte geplant, die 1999 stattfanden. Durch sie
ist ein wichtiger Schritt in der Vertiefung und Erweiterung der Diskussion
zu diesem Thema in Brasilien geleistet worden. Nach den Workshops
wurde die Erarbeitung eines Parallelberichts zur Lage der sozialen und
wirtschaftlichen Menschenrechte in Brasilien eingeleitet
Durch den Prozess der Erarbeitung des Berichts wurde eine intensive
Arbeit der Bewusstseinsbildung über die WSK-Rechte in der brasiliani-
schen Gesellschaft in Gang gesetzt. Fast 2000 Organisationen der brasilia-
nischen Gesellschaft waren an der Debatte und der Erstellung des Be-
richts im Laufe des Jahres 1999 beteiligt, zu deren Realisierung öffentliche
Veranstaltungen und Konsultationen im ganzen Land stattfanden. Mit
Hilfe des Berichts versuchten die Menschenrechtsgruppen den brasiliani-
schen Staat dazu zu bringen, seinen offiziellen Bericht zur Einhaltung des
Pakts vorzulegen und seine Verpflichtungen im Rahmen des Pakts zu
erfüllen. Obwohl Brasilien den Internationalen Pakt zu Wirtschaftlichen,
Sozialen und Kulturellen Rechten (IPWSKR) unterschrieben und 1992
ratifiziert hat, ignoriert die brasilianische Regierung systematisch diese
Rechte und vernachlässigt die Verpflichtungen, die sie mit der Unter-
zeichnung des Paktes eingegangen ist. Bis zum heutigen Tag hat die
Regierung keinen offiziellen Bericht eingereicht, wozu sie sich gegenüber
den Vereinten Nationen verpflichtet hat. Als Entschuldigung führt die
brasilianische Regierung „Bürokratische Zwänge“ an. Tatsächlich steckt
hinter dem Schweigen allerdings mehr. Das Fehlen offizieller Berichte
passt zur absoluten Schwäche und Hilflosigkeit der Regierungsinitiativen,
was das Respektieren, Schützen und Garantieren der WSK-Rechte in Bra-
silien anbelangt. In diesem Kontext befindet sich der brasilianische Staat
zunehmend unter Druck, seinen Bericht der UNO vorzulegen. Außerdem
wurden sowohl die internationale Gemeinschaft als auch die brasiliani-
sche Öffentlichkeit über die Situation der WSK-Rechte in Brasilien infor-
miert. Ende April 2000 reiste eine Abordnung von Repräsentanten brasili-
anischer Menschenrechtsorganisationen nach Genf. Zweck des Besuches
war es, den Parallelbericht dem UN-Komittee zu den WSK-Rechten ein-
zureichen. Der internationale sowie nationale Anklang war groß, und der
brasilianische Staat wurde vom Komitee nochmals aufgefordert, seinen
WSK-Menschenrechte, Internationale Solidarität und Konfliktprävention 33
Als Fazit können aus der Erfahrung des Einsatzes als Friedensfach-
kraft im Rahmen des Austauschprogramms CPT-FIAN zumindest zwei
Schlussfolgerungen gezogen werden:
unter der Berücksichtigung nicht nur der zivilen und politischen Men-
schenrechte sondern mit der Einbeziehung wirtschaftlicher, sozialer und
kultureller Menschenrechte.
Der Dienstgeber
United Mission to Nepal (UMN) ist ein Zusammenschluss von etwa 40
Missionsorganisationen aus 18 Ländern. UMN führt Projekte durch in
den Bereichen Gesundheitswesen, Schulwesen, ländliche und industrielle
Entwicklung. UMN ist seit 1954 in Nepal tätig. Insgesamt sind bei der
UMN etwa 150 ausländische und etwa 2000 nepalische Fachkräfte tätig.
Die Arbeit
Das Ländliche Entwicklungszentrum (Rural Development Centre, RDC)
in Pokhara bietet Bauern in ländlichen Regionen Schulungen an, um ihre
vorhandenen Ressourcen besser ausnutzen zu können. Die Steigerung der
Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse hilft den Eigenbedarf nach
Nahrungsmitteln besser decken zu können, allerdings gewinnt in der
gegenwärtigen nepalischen Gesellschaft der Geldverkehr zunehmend an
Bedeutung. RDC versucht dieser Entwicklung gerecht zu werden, indem
die technischen Schulungen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen
Produktion verstärkt am Markt orientiert werden. Wo immer möglich,
sollten die landwirtschaftlichen Produkte das Dorf erst in verarbeiteter
Form verlassen und so sollte eine größere Marktspanne den Bauern
zunutze kommen. Meine Aufgabe ist es, RDC im Bereich von einkom-
mensschaffenden Maßnahmen zu beraten.
Eine der touristischen Attraktionen in Nepal ist der Besuch eines
Fleischstandes. Es ist eine Herausforderung an alle menschlichen Sinne,
besonders allerdings an Nase und Augen. Die Nase, ein in Nepal auch
sonst nicht sehr verwöhntes Organ, hat meistens bereits gelernt, mit
höheren Toleranzwerten umzugehen. Was allerdings dem Auge geboten
wird, ist in jeglicher Weise unbeschreiblich. Der Fleischstand gleicht eher
einem Schlachtfeld als einer Metzgerei.
Als Kunde kann man zwischen den Tierarten entscheiden, aber wel-
ches Stück man bekommt ist doch stark vom Verkäufer abhängig. Was
allerdings auch nicht wesentlich ist, da der Metzger als Gratisservice alles
bereits in gleichmäßige Kleinteile zerhackt hat. Im Curry schließlich fin-
det man Kutteln neben Filetstücken und ist gar nicht überrascht über den
Einheitsgeschmack. Es ist nur eine Frage der Gewürzmenge und schon
schmecken die Kutteln wie Filet. Wenn allerdings das Filet anfängt, wie
Kutteln zu schmecken, wechselt man die Tierart, bei gleichbleibenden
Gewürzen natürlich. Wer am Fleischstand noch nicht zum Vegetarier
36 Artur Dillmann
Noch riecht es nicht nach Geld, zumindest nicht intensiv, bis dahin
liegt noch ein sehr langer Weg des gegenseitigen Lernens vor uns. Und
das Lernen hat bereits im vollsten Ausmaße begonnen. Wie jede gute
Geschäftsidee hat auch diese sofort, wenn nicht Nachahmer so doch Mit-
esser gefunden. Die Profitperspektive hat sehr viele ungeahnte Koopera-
tionspartner angelockt, die alle im engen Verwandtschafts- oder Freund-
schaftsverhältnis zu dem Berater standen. Der sich natürlich in einem
Gewissenskonflikt befand „Berate ich die Bauern zu ihrem Vorteil, oder
die mir Nahestehenden?“ RDC half bei der Entscheidungsfindung, es gab
zwar danach einen Knick in der Entwicklung des Vorhabens, aber die
Bauern sind jetzt wieder im Vordergrund. Klingt wie ein zuletzt noch
abgewendeter Schaden, aber die Zukunft wird entscheiden, ob es nicht
nur nach dem europäischen Verständnis als eine erfolgreiche Intervention
zu sehen ist. Die Bauern wären wohl auch mit den abfallenden Brosamen
zufrieden gewesen, denn damit haben sie schließlich generationenlange
Erfahrungen gesammelt.
38
Artur Dillmann ...es ist sicherlich gut, dass ich in Nepal bin.
„Rein in die Kartoffel, raus aus der Kartoffel“ wird in Deutschland den
Landwirten gegenüber geäußert, die den Empfehlungen Brüssels folgend
auf alle politisch motivierten Innovationen stürzen. Rückblickend, nun
schon auf mehrere Dekaden der Entwicklungszusammenarbeit, kann
man wohl kaum so kurz und so treffend die Entwicklungsbemühungen
zusammenfassen wie mit diesem Spruch. Wie unterschiedlich die Phasen
auch waren (Infrastrukturmaßnahmen, Integrierte Entwicklung, Selbst-
hilfeförderung, usw.) sie alle hatten auch große Gemeinsamkeiten: Man
belächelte und distanzierte sich von der vorherigen und war sehr über-
zeugt, nun endlich den richtigen Weg gefunden zu haben. Schließlich gab
es ja auch nur Geld für diejenigen, die diese Erkenntnis teilten.
Mit der wachsenden Zweckgebundenheit der Finanzen breitete sich
die uniformierte Erkenntnis rasant aus, oder war es doch Einsicht, die die
Finanzen nach sich zog? Die nächste Phase kommt schon bald, dann kön-
nen wir genauer sehen, ob die Henne oder das Ei zuerst da waren.
Was hat das alles bewirkt? Hat die Entwicklungshilfe nun etwas
nachhaltig verändert? In Nepal ist in den 50 Jahren der Entwicklungszu-
sammenarbeit soviel Geld geflossen, dass man auf die jetzige Bevölkerung
verteilt jedem einen Scheck über mehrere Jahresgehälter aushändigen
könnte. Oder auf Deutschland übertragen, jedem könnte man zumindest
ein Einfamilienhaus geben. Jede Großfamilie hätte also ganze Straßenzü-
ge. Nepal gehört aber immer noch zu den ärmsten Ländern der Welt mit
einem durchschnittlichen Jahreseinkommen, was meinem letzten in
Deutschland verdienten Tageshonorar etwa gleich ist. Selbst wenn man
das Geld, das in die Geberländer wieder in Form von Expertengehältern
zurückfloss abzieht, ist es immer noch eine schockierende Bilanz. Sicher-
lich hat sich vieles zum Positiven gewandelt und wer weiß, wo man wäre
ohne die vergangenen Entwicklungsbemühungen. Aber die Ergebnisse
der letzten 50 Jahre der Entwicklungszusammenarbeit in Nepal im Blick
behaltend, stellt sich für mich ganz persönlich täglich die Frage nach dem
Sinn in dem, was ich hier mache.
Und ich bin froh, 20 Jahre nach meinem ersten Auslandseinsatz,
zunehmend Ruhe darüber zu gewinnen. Es mag sein, dass es nicht not-
wendig ist, was ich hier mache, oder dass ein Anderer es besser oder effi-
zienter machen kann, aber es ist sicherlich gut, dass ich hier bin. In dem
ich mich auf die Nepalis und ihre Kultur einlasse, lassen sich meine
Arbeitskollegen auf die deutsche Kultur ein (man nennt Arbeitskollegen
auch Counterparts, aber auch dieser Begriff wird wohl bald einer neuen
entwicklungspolitischen Erkenntnisstufe zum Opfer fallen). Wir begeg-
nen uns in einer natürlichen Arbeitsbeziehung, vorausgesetzt man spricht
ihre Muttersprache.
... es ist sicherlich gut, dass ich in Nepal bin 39
Es liegt mir nicht an, ein Urteil über die finanzielle oder technische
Zusammenarbeit zu fällen, aber über die personelle Zusammenarbeit
kann ich zumindest für mich ganz persönlich sagen, dass es gut ist, hier
zu sein, für meine nepalischen Kollegen und auch für mich.
40
Persönliche Angaben: Ich wurde 1958 in Weissenohe geboren und bin Gar-
tenbau- und Agraringenieur. Ich habe von 1980 bis 1983 Gartenbau an der
Fachhochschule Berlin und Agrarwissenschaften von 1984 bis 1988 an der
Technischen Universität Berlin studiert. Mehrere Jahre habe ich in verschie-
denen ländlichen Entwicklungsprojekten, u.a. von 1989 bis 1993 als vom
DED beauftragter Entwicklungshelfer in Papua Neuguinea und Thailand
gearbeitet. Seit März 1996 arbeitete ich im Auftrag von DÜ als landwirt-
schaftlicher Berater für die FHCD in Baguio, Nordluzon.
Meine Arbeit
Mein Aufgabengebiet umfasst: die Koordinierung des landwirtschaft-
lichen Entwicklungsprogrammes in Ifugao, die Beratung von FHCD’s
Partnerorganisationen in Fragen einer standortgerechten/ökologisch
orientierten Landwirtschaft, partizipativer Erhebungs- und Planungsme-
thoden (Participatory Rural Appraisal) zur Selbsthilfeförderung und Pro-
jektmanagement. Die Aus- und Fortbildung von Projektmit-
Hauptziele in der Projektar- arbeitern in den oben genannten Bereichen gehört auch zu
beit sehe ich in der institu- meinem Aufgabenbereich. Hauptziele in der Projektarbeit
tionellen Stärkung der Part- sehe ich, neben der allgemeinen Verbesserung der Lebens-
nerorganisationen mit dem qualität von marginalisierten, verarmten kleinbäuerlichen
Ziel, die Problemlösungsfä- Familien, in der institutionellen Stärkung der Partnerorgani-
higkeiten ihrer Mitglieder zu sationen mit dem Ziel, die Problemlösungsfähigkeiten ihrer
verbessern. Mitglieder zu verbessern.
Im Norden der Hauptinsel Luzon liegt die Provinz Ifu-
gao. Sie gehört zu den weniger erschlossenen Gebieten der Philippinen
mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Diese Provinz ist die Heimat
der Ifugaos, eine indigene philippinischen Ethnie, die vorwiegend in den
Bergprovinzen Nordluzons lebt. Die Nichtregierungsorganisation (NRO)
Foundation for Huwomanity-Centered Development (FHCD) unter-
stützt seit 1996 in der Provinz Ifugao diese benachteiligten Bevölkerungs-
gruppen, insbesondere Frauen, durch ein Kreditprogramm mit dem Ziel,
die soziale und wirtschaftliche Situation von kleinbäuerlichen Familien
zu verbessern. Eigenes Einkommen wird dabei als wichtiger Schritt zu
mehr familiärer und gesellschaftlicher Gleichberechtigung gesehen.
Dieser Artikel beschreibt meine Erfahrungen als landwirtschaftlicher
Berater, der in Ifugao seit fünf Jahren für die NRO Bauernorganisationen
berät. Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht das Kreditprogramm Alfonso
Lista Farmers Collective Action for Economic Empowerment and Devel-
Zur Lage der maisproduzierenden kleinbäuerlichen Familien in Alfonso Lista, Ifugao 41
Der Träger
CEDECO (Corporación Educativa para el Desarrollo Costarricense ) ist
eine ökumenische Organisation, die von ehemaligen Mitarbeitern ver-
schiedener evangelischer und katholischer Programme gegründet wurde.
Sie ist seit 1984 als gemeinnützig anerkannt und arbeitete im Bereich
„ländliche Entwicklungsprogramme“, bis Ende 2000 schwerpunktmässig
in drei verschiedenen Regionen des Landes.
Vor ein paar Jahren bestimmte CEDECO ein neues strategisches
Arbeitsfeld: die Förderung des ökologischen Landbaus. CEDECO setzt
dabei vor allem auf die Erschließung des nationalen Markts für Biopro-
dukte, zumal der Anbau von Bio-Lebensmitteln in Mittelamerika nicht
unbedingt oder nur unwesentlich teurer ist als die konventionelle Erzeu-
gung von Lebensmitteln. Dabei geht es CEDECO nicht nur um den
Schutz der Umwelt, sondern auch um die ethische Forderung, dass die
einheimische Bevölkerung ein Recht darauf hat, qualitativ gute und
gesunde Waren zu konsumieren. Damit will CEDECO den Trend umkeh-
ren, dass die Bevölkerung der typischen Agroexportländer meist nur Pro-
dukte minderer Qualität konsumieren kann, weil die qualitativ hochwer-
tigen in den Export gehen. In Kolumbien, Guatemala und Costa Rica ist
guter Kaffee beispielsweise nur selten auf dem Markt zu kriegen.
Neben der Aus- und Fortbildung von Kleinbäuerinnen und -bauern
in Techniken des ökologischen Landbaus förderte CEDECO die Vermark-
tung von Bioprodukten. So hat CEDECO beispielsweise einen lokalen
Biowochenmarkt in San José etabliert, das Konzept soll jetzt landesweit in
verschiedenen Kleinstädten angewendet werden. Außerdem unterstützt
CEDECO Gruppen und Organisationen bei der Einführung neuer
Bio-Produkte (Marmelade, Kekse, etc.). In einigen Supermarktketten gibt
Bio und fair in Costa Rica 51
Meine Arbeit:
Über den Biomarkt und den Fairen Handel informieren
Als Ziel meiner Arbeit wurde definiert, den KleinproduzentInnen aus der
Region einen besseren Zugang zum internationalen Markt ökologisch
erzeugter Produkte und zum Fairen Handel zu ermöglichen. Dies soll
durch Fortbildung, Herstellung von Kontakten und vor allem, durch die
Beschaffung, Bearbeitung und Verbreitung von Informationen über die
Möglichkeiten und Chancen der internationalen Märkte erfolgen.
Die meisten KleinproduzentInnen traditioneller Erzeugnisse wie
Kaffee, Kakao, Bananen, Zucker (sog. Kolonialprodukte) aus Mittelame-
rika sehen sich derzeit gezwungen, einen Großteil ihrer Produktion zu
exportieren, da der lokale Markt für Agrarprodukte, ob bio oder konven-
tionell, wenig Rendite bringt. Auch die Erlöse aus dem Export sind oft-
mals keine lohnende Alternative zum lokalen Markt, weil die Kleinbau-
ern-Genossenschaften oder -Kooperativen meist nicht auf direktem Weg,
52 Hugo Valdés
Trotzdem machte ich mich qualifiziert durch Titel und Herkunft aus
einem „entwickelten“ Land 1984 auf den Weg ins revolutionäre Nicara-
gua. Dort, wo eine Agrarreform den Kleinbäuerinnen und -bauern den
Zugang zu Land ermöglicht hatte, wollte ich bei der Mais- und Bohnen-
produktion im speziellen und bei der Revolution im allgemeinen helfen.
Die Nachfrage der NicaraguanerInnen nach Belehrungen aus der
Ersten Welt war aber gering. Vor allem hatten sie nicht die Probleme, für
Meine Ideen ließen sich welche ich die Lösung im Kopf hatte. Meine Ideen ließen
nicht verwirklichen, und die sich nicht verwirklichen, und die hohen moralischen
hohen moralischen Ansprü- Ansprüche versanken in der Realität des Alltags. Dafür
che versanken in der Rea- lernte ich aber zuzuhören und die Ideen der Einheimi-
lität des Alltags. Dafür lernte schen an manchen Stellen fachlich zu unterstützen. Ich
ich aber zuzuhören und die lernte, meine Geschwindigkeit zu verlangsamen, Eile und
Ideen der Einheimischen an Hektik für überflüssig zu halten, denn Zeit war das Einzi-
manchen Stellen fachlich zu ge, was sie in Nicaragua in Hülle und Fülle hatten. Auch
unterstützen. sah ich, dass sich Menschen in schwierigen Situationen
zurechtfinden, ohne in Jammern und Hysterie zu verfallen,
stattdessen improvisieren und sich nicht allzu viele Gedanken um die
Zukunft machen. Über Zukunftspläne zu sprechen ist müßig; morgen
kann ein Vulkan aus-
brechen oder ein Hur-
rikan kommen oder
ein Krieg... Es hat kei-
nen Sinn, weit voraus
zu denken.
Nach drei Jahren
machten wir, inzwi-
schen eine dreiköpfige
Von Entwicklungsländern und Bioländern 55
Zeiten, als man statt ökologischer noch alternativer Landbau sagte, und
die paar Biobauern, die es gab, als grüne Spinner abtat.
Aber Bioland war in den zwölf Jahren, die seit meiner letzten Wahr-
nehmung vergangen waren, gewachsen. Es handelt sich nicht mehr um
eine homogene Gruppe von Ökopionieren, die sich gegen den Druck von
außen wehren müssen. Denn inzwischen wird der Ökolandbau auch von
WissenschaftlerInnen als Leitbild einer zukunftsfähigen Landwirtschaft
anerkannt. Im Jahr 2000 gibt es 25 Bioland-Regionalgruppen, allein in
Baden-Württemberg. Längst nicht alle 700 Mitglieder sind von Idealen
bewegt, geschweige denn an Basisdemokratie interessiert, oft überwiegt
bei der Umstellung die wirtschaftliche Motivation. Manchen fehlt es an
Identifikation mit den ursprünglichen Zielen des Verbandes, und das
Gefühl der Zusammengehörigkeit leidet unter der wachsenden Konkur-
renz auf dem Markt. Prozesse, welche die konventionelle Landwirtschaft
schon seit Jahrzehnten prägen, wie „Wachsen oder Weichen“, greifen all-
mählich auch im Biosektor um sich.
Vor 30 Jahren haben die Ur-Bios die wichtigste Voraussetzung für
eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Produktion geschaffen,
nämlich die Organisation in einer Interessengruppe (wie dieser Prozess
vonstatten ging, durfte ich mehreren Delegationen aus dem Süden erläu-
tern, die Bioland besuchten, um sich Anregungen für ihre eigene Arbeit
zu holen). Wie aber gehen die BioländerInnen im Kontext der heutigen
Ich merkte, dass auch in Deutsch-
Zeit mit ihrer Organisation um? Da man die erlernte
land kritisches und schöpferisches Methode nicht mehr los wird, begann ich zusammen
Bewusstsein der LandwirtInnen mit ihnen nach Alternativen zu suchen. Ich merkte,
gefragt ist, genau wie in der Drit- dass auch in Deutschland kritisches und schöpferi-
ten Welt. Auch die Prinzipien, die sches Bewusstsein der LandwirtInnen gefragt ist,
für die Arbeit dort gelten, sind hier genau wie in der Dritten Welt. Auch die Prinzipien,
dieselben: Viel mit den Menschen die für die Arbeit dort gelten, sind hier dieselben: Viel
reden, hinhören, sie verstehen, sie mit den Menschen reden, hinhören, sie verstehen, sie
anerkennen und beteiligen. anerkennen und beteiligen. Bei Zukunftswerkstätten
(Bioland 21 – Visionen
für den eigenen Betrieb
und den Verband), Grup-
penvertreterschulungen
und Gruppenabenden
mit Dritte Welt Themen
war auch das Fazit der
LandwirtInnen ähnlich
wie in Nicaragua und
Äthiopien:
„Wir müssen
Gemeinschaft lernen“.
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Kriege und Währungskrisen, Drogenhandel und Katastrophenhilfe –
Probleme in Afrika, Asien und Lateinamerika treffen auch uns. Um globale
Fragen anzugehen, muss man ihre Hintergründe verstehen. „der überblick“,
die Zeitschrift des Evangelischen Entwicklungsdienstes und von Brot für die
Welt, informiert darüber kompetent und anschaulich. Autoren aus aller Welt
– Wissenschaftler und Journalisten, Vertreter von Kirchen und internationa-
len Organisationen – kommen zu Wort.
Tel.: (040) 34 14 44
Fax: (040) 35 38 00
Mail: ueberblick@t-online.de
www.der-ueberblick.de
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