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recherchiert von: autologin UK am 26.09.2008

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Quelle:


Baden-Württemberg 1.
Senat Norm: § 118 OWiG
Entscheidungsdatum: 03.09.2002
Aktenzeichen: 1 S 972/02
Dokumenttyp: Beschluss

Zwangsgeld - Exhibitionist

Orientierungssatz

Einzelfall einer Zwangsgeldverhängung wegen Auftretens in der Öffentlichkeit ohne


Bekleidung.

Fundstellen
NJW 2003, 234-235 (red. Leitsatz und Gründe)

Verfahrensgang
vorgehend VG Freiburg (Breisgau), 21. März 2002, Az: 4 K 2064/01, Beschluss

Tatbestand

1
I. Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die
Anordnung einer Zwangsgeldfestsetzung.

2 Mit bestandskräftiger Verfügung der Antragsgegnerin vom 30.3.1999 wurde dem


Antragsteller untersagt, sich nackt auf öffentlichen Flächen im Stadtgebiet von
Freiburg aufzuhalten. Hiervon ausgenommen wurden nur die Liegewiesen der
Badeseen. Für den Fall der Nichtbeachtung der unter Anordnung der sofortigen
Vollziehung ergangenen Verfügung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von DM 3.000,--
angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller seit Sommer
1998 wiederholt völlig nackt, bekleidet nur mit Turnschuhen und Socken, im
Stadtgebiet spazieren gehe und jogge. Trotz mehrfacher Hinweise der Polizei auf die
Unzulässigkeit seines Verhaltens und anhängiger Straf- bzw. Bußgeldverfahren setze
er seine Auftritte fort, auch um damit Beachtung in den Medien zu erreichen.
Zunehmend sei es zu Beschwerden aus der Bevölkerung gekommen. Frauen fühlten
sich sexuell belästigt und Mütter sorgten sich um das Wohl ihrer Kinder. Durch sein
Verhalten erfülle er den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG und
bedrohe damit die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

3 Wegen Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung wurde in der Folgezeit


das angedrohte Zwangsgeld wiederholt festgesetzt und zuletzt mit Verfügung vom
17.7.1999 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000,-- DM angedroht.

4 Mit Verfügung vom 22.11.2001 setzte die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller
das zuvor in dieser Höhe angedrohte Zwangsgeld wegen eines erneuten Verstoßes
gegen die Verfügung vom 30.3.1999 fest. Zur Begründung wurde dargelegt, dass
nach Angaben einer Zeugin der Antragsteller am 11.10.2001 gegen 20.30 Uhr
wiederum im Stadtgebiet von Freiburg völlig nackt umhergegangen sei.

5 Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines
Widerspruchs vom 28.11.2001 wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts
Freiburg vom 21.3.2002 abgelehnt.

6 Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Entscheidungsgründe

II.

7 Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Auch der Senat sieht keinen Anlass,
dem Antragsteller den erstrebten vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Denn die
angegriffene Verfügung erweist sich bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig,
und es besteht kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die kraft Gesetzes sofort
vollziehbare Vollstreckungsmaßnahme.

8 Die gesetzlichen Voraussetzungen für die angefochtene Zwangsgeldfestsetzung


liegen vor. Der Grundverwaltungsakt vom 30.3.1999, der vollstreckt wird, ist
bestandskräftig (§ 2 Nr. 1 LVwVG). Eine Androhung des Zwangsgeldes ist vor der
Festsetzung erfolgt (§ 20 Abs. 1 S. 1 LVwVG) und das Zwangsgeld ist auch in
bestimmter Höhe angedroht worden (§ 20 Abs. 4 LVwVG).

9 Der Antragsteller hat gegen das in der Grundverfügung angeordnete Verbot, sich
nackt auf öffentlichen Flächen im Stadtgebiet von Freiburg aufzuhalten, verstoßen,
indem er am 11.10.2001 gegen 20.30 Uhr in der xxx in Freiburg in Höhe der
Bahnunterführung nackt aufgetreten ist. Davon ist mit ganz überwiegender
Wahrscheinlichkeit aufgrund der in den Behördenakten befindlichen Zeugenaussage
(AS. 1325 f) auszugehen. Darin hat die Zeugin Ch. W., die den Antragsteller aus
vorangegangenen Vorfällen der letzten Jahre kennt, dargelegt, dass sie am
11.10.2001 gegen 20.30 Uhr in Freiburg in der xxx mit ihrem Sohn und ihrem Hund
spazieren ging, als der Antragsteller nackt in einer Entfernung von ca. 1 bis 2 m an
ihnen vorbei joggte. Es sei zwar dunkel gewesen, aber aufgrund der
Straßenbeleuchtung habe sie "den unbekleideten nackten Zustand" des
Antragstellers ganz deutlich erkennen können. Diesen in sich schlüssigen und
glaubhaft dargestellten Sachverhalt hat der Antragsteller nicht mit Mitteln der
Glaubhaftmachung zu entkräften vermocht. Dies gilt selbst dann, wenn man den
widersprüchlichen Vortrag des Antragstellers in der ersten Instanz, den das
Verwaltungsgericht zu seinem Nachteil gewertet hat, der jedoch im
Beschwerdeverfahren mit einem Anwaltsversehen erklärt wird, unberücksichtigt
lässt.

10 Die erst im Beschwerdeverfahren vorgelegte Terminsbestätigung seiner


Heilpraktikerin, aus der hervorgeht, dass der Antragsteller sich in der Zeit zwischen
18.00 Uhr und 19.15 Uhr zur Behandlung in ihrer Praxis befunden hat, ist nicht
geeignet, die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage zu erschüttern. Der dort genannte
Zeitraum schließt nicht aus, dass der Antragsteller gegen 20.30 Uhr der Zeugin, wie
von ihr geschildert, begegnet ist. Auch die darin bescheinigten, durch einen Sturz
hervorgerufenen Verletzungen und Bewegungseinschränkungen, die mit
Wärmebehandlung, Lymphdrainage, Wundbehandlung und Massage behandelt
wurden, schließen ein kurzzeitiges leichtes Joggen bei einer Person, die wie der
Antragsteller als sportlich durchtrainiert anzusehen ist, nicht grundsätzlich aus.

11 Auch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung eines


Freundes des Antragstellers vom 8.4.2002, wonach dieser den Antragsteller ab
20.30 Uhr besucht habe, vermag den von der Antragsgegnerin aufgrund der
Zeugenaussage angenommenen Verstoß des Antragstellers nicht in Frage zu stellen.
Denn diese Versicherung lässt keine Rückschlüsse über den Aufenthalt des
Antragstellers im Zeitraum zwischen dem Verlassen der Praxis seiner Heilpraktikerin
und dem Eintreffen seines Freundes zu. Vielmehr kann sich in zeitlicher Hinsicht und
auch aufgrund der sonst derzeit erkennbaren Umstände der Vorfall dennoch, wie von
der Zeugin geschildert, zugetragen haben. Dies ergibt sich auch daraus, dass die
Zeitangabe der Zeugin für die Begegnung mit dem Antragsteller, wie sie selbst sagt,
nicht auf die Minute genau wiedergegeben ist. Zudem trug sich die von der Zeugin
geschilderte Begegnung in räumlicher Nähe zur Wohnung des Antragstellers zu. Der
Antragsteller kann danach sehr wohl noch gejoggt sein, nachdem er die
Heilpraktikerin verlassen hatte und bevor sein Freund in der Wohnung eintraf. Damit
kann auch nach den im Beschwerdeverfahren vorliegenden Erkenntnissen der am
11.10.2001 begangene Verstoß des Antragstellers gegen die Verfügung vom
30.03.1999 nicht als widerlegt angesehen werden. Eine genauere Aufklärung des
Sachverhalts ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

12 Auch der Vortrag des Antragstellers, dass er sich "peinlich genau" an die
Entscheidung der Antragsgegnerin vom 30.3.1999 halte und nur noch mit einer
"hautfarbenen vollständigen Penisverhüllung" spazieren gehe oder jogge, wenn er
im Übrigen unbekleidet ausgehe, vermag den der Zwangsgeldfestsetzung zugrunde
liegenden Verstoß gegen das Verbot, sich nackt in der Öffentlichkeit aufzuhalten,
nicht in Frage zu stellen.

13 Maßgeblich für die Beurteilung, was als nackt anzusehen ist und damit
Regelungsgegenstand der bestandskräftigen Untersagungsverfügung ist, ist der
Erklärungsinhalt des Bescheids der Antragsgegnerin vom 30.3.1999 i.d.F. des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 5.8.1999, wie ihn
der Antragsteller unter Berücksichtigung der den Bescheiden beigefügten
Begründungen und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach
Treu und Glauben bei objektiver Auslegung analog §§ 157, 133 BGB verstehen
durfte bzw. musste (BVerwGE 48, 281; 49, 247; 60, 147, 228; 67, 305). Da der
Antragsteller auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung regelmäßig mit
Sportschuhen und Strümpfen bekleidet war, gelegentlich auch mit Gürtel und einem
daran befestigten kleinen Handtuch über dem Geschlechtsteil, war für den
Antragsteller erkennbar, dass das Merkmal der Nacktheit nicht nur dann gegeben
war, wenn er völlig unbekleidet war. In der Begründung des Bescheids vom
30.3.1999 bringt die Antragsgegnerin zum Ausdruck, dass sie durch die nackten
Auftritte des Antragstellers in der Öffentlichkeit die öffentliche Sicherheit im Sinne
von § 1 PolG vor allem wegen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit nach § 118
OWiG (Belästigung der Allgemeinheit) gefährdet sieht und dieser Gefahr durch die
Untersagungsverfügung begegnen will. Besonders deutlich kommt dies im
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 5.8.1999 zum
Ausdruck, in dem ausgeführt wird, dass der Antragsteller durch sein Verhalten -
unbekleidet im Gebiet der Stadt Freiburg spazieren zu gehen oder zu joggen - den
Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG erfüllt und damit die
öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht. Damit haben die Behörden nach dem
objektiven Erklärungsinhalt ihrer Bescheide deutlich gemacht, dass der Begriff
"nackt" in der Verfügung vom 30.3.1999 im Lichte des § 118 Abs. 1 OWiG
auszulegen ist. Nach dieser Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer eine grob
ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen
oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Dies ist nach der
Rechtsprechung der für die Auslegung von Bußgeldvorschriften zuständigen
ordentlichen Gerichte dann der Fall, wenn das Scham- und Anstandsgefühl der sich
ungewollt mit fremder Nacktheit konfrontierten Menschen nachhaltig tangiert wird,
wie dies beim Präsentieren eines unbekleideten menschlichen Körpers auf
öffentlichen Straßen und Plätzen grundsätzlich der Fall ist, ohne dass es allein auf
die das Geschlecht bestimmenden Körperteile ankommt (vgl. Beschluss des OLG
Karlsruhe vom 4.5.2000 - 2 Ss 166/99 - in einem den Antragsteller betreffenden
Verfahren). Die Antragsgegnerin wollte demnach - für den Antragsteller erkennbar -
mit ihrer Untersagungsverfügung erreichen, dass der Antragsteller sich nicht mehr
auf öffentlichen Straßen und Plätzen mit unbekleidetem Geschlechtsteil präsentiert,
damit vor allem Kinder und Jugendliche, wie die Vorkommnisse der Vergangenheit
gezeigt haben, nicht durch das Auftreten des Antragstellers irritiert und nicht deren
Scham- und Anstandsgefühl verletzt werden kann. Dabei ist unerheblich, ob das
Geschlechtsteil des Antragstellers völlig entblößt oder mit einer nicht befestigten
Damenperlonsocke verhüllt ist, die den Blick auf das Geschlechtsteil oder Teile
davon aufgrund des durchsichtigen Materials oder bei der Bewegung freigibt.
Untersagt ist nach dem objektivem Erklärungsinhalt der Verfügung, dass die
Passanten unfreiwillig den Schambereich des Antragstellers bei seinen
Spaziergängen wahrnehmen können und der Schambereich damit auf sie nackt
wirkt. Die Zeugin hat den Antragsteller eindeutig als nackt beschrieben, er habe
lediglich Schuhe angehabt und in der rechten Hand ein T-Shirt gehalten. Es sei zwar
dunkel, die Straßenbeleuchtung aber in Betrieb gewesen, sie habe seinen
Schambereich ganz deutlich als unbekleidet wahrnehmen können. Auch auf
ausdrückliche Nachfrage, ob der Antragsteller einen Strumpf oder ähnliches über
sein Geschlechtsteil gezogen hatte, erklärte sie, dass sie das habe nicht erkennen
können, für sie sei er völlig nackt gewesen.

14 Wenn der Antragsteller an diesem Abend demnach sein Geschlechtsteil mit einer
Nylonsocke verhüllt haben sollte, dann jedenfalls so, dass die Zeugin seinen
Schambereich unter den gegebenen Umständen als unbekleidet wahrgenommen
hat. Damit dürfte sich die Zwangsgeldfestsetzung wegen eines Verstoßes gegen das
in der Verfügung vom 30.3.1999 enthaltene Verbot als voraussichtlich rechtmäßig
erweisen.

15 Gegen die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes sind Bedenken weder vorgetragen
noch ersichtlich.

16 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

17 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2 S. 2, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und 2


GKG. Der Streitwert für die Zwangsgeldfestsetzung ist nach § 13 Abs. 2 GKG zu
bemessen, wobei der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes eine
Halbierung des Streitwerts für angemessen hielt. Rechnerisch ergibt sich damit der
festgesetzte Betrag.

18 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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