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indd 1 04/11/2020 12
Die Monotonisierung der Welt L’Uniformisation du monde
st e fa n zwe ig stefan z wei g
die Sitten international. Immer mehr scheinen mechanischen Betriebes, die moderne Welt-
die Länder gleichsam ineinandergeschoben, maschine, sichtbar. Dieser Prozeß ist schon
die Menschen nach einem Schema tätig und lange im Gange : schon vor dem Kriege hat
lebendig, immer mehr die Städte einander Rathenau diese Mechanisierung des Daseins,
äußerlich ähnlich. Paris ist zu drei Vierteln die Präponderanz der Technik als wichtigste
amerikanisiert, Wien verbudapestet : immer Erscheinung unseres Lebensalters prophetisch
mehr verdunstetdas feine Aroma des Beson- verkündet, aber nie war dieser Niedersturz
deren in den Kulturen, immer rascher blättern in die Gleichförmigkeit der äußeren Lebens-
die Farben ab, und unter der zersprungenen formen so rasch, so launenhaft wie in den
Firnisschicht wird der stahlfarbene Kolben des letzten Jahren. Seien wir uns klar darüber !
l ’ u n ifor m is at i o n d u m o n d e l ’ u niformis ation du monde
Es ist wahrscheinlich das brennendste, das Nationen gebunden und an die persönliche
entscheidenste Phänomen unserer Zeit. Neigung des Individuums. Man tanzte in
Symptome : Man könnte, um das Problem Wien Walzer, in Ungarn den Csardas, in
deutlich zu machen, hunderte aufzählen. Spanien den Bolero nach unzähligen ver-
Ich wähle nur schnell ein paar der geläu- schiedenen Rhythmen und Melodien, in denen
figsten, die jedem gewärtig sind, um zu zeigen, sich der Genius eines Künstlers ebenso wie
wie sehr sich Sitten und Gebräuche im letzten der Geist einer Nation sichtbarlich formten.
Jahrzehnt monotonisiert und sterilisiert haben. Heute tanzen Millionen Menschen von
Das Sinnfälligste : der Tanz. Vor zwei, drei Kapstadt bis Stockholm, von Buenos Aires
Jahrzehnten noch war er an die einzelnen bis Kalkutta denselben Tanz, nach denselben