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SEPTUAGESIMO DEDICATA
2010 Budapest
TABLE DES MATIÈRES
Auteurs / 7
JEAN-PAUL GUILLAUMET Titre ? / 9
Bibliographie de Miklós Szabó / 11
DÁVID BARTUS Les manches de couteau à représentation de gladiateur de l’époque romaine / 27
MICHEL BATS Les dédicants gaulois du sanctuaire d’Aristée de la chôra d’Olbia de Provence (Hyères,
Var) connaissaient-ils le gallo-grec? / 51
TOMASZ BOCHNAK Les fourreaux chagrinés en Pologne / 55
LÁSZLÓ BORHY COREG, Legio VII Claudia, Ala I Contariorum milliaria civium Romanorum – Neue Angaben
zur Militärgeschichte von Brigetio: Spolien eines Steinkistengrabs aus dem Gerhát–Gräberfeld / 65
ZOLTÁN CZAJLIK Les possibilités de la prospection aérienne conventionnelle en Hongrie / 79
NICOLA BIANCA FÁBRY Uno specchio con “Lasa” alata dalla necropoli di Monterenzio Vecchio nell’Appennino
Bolognese / 97
DÉNES GABLER Keltische Namen auf Sigillata – Töpferstempeln von pannonischen Fundorten / 105
ALFRED HAFFNER Scheinbar unscheinbare Prunkgräber der Frühlatènezeit / 121
GILBERT KAENEL Bracelets à oves creux sur le Plateau suisse / 133
PÉTER KOVÁCS Turris Ferrata and emperor Probus’ death / 147
FRANCISCO MARCO SIMÓN On the confrontation and cultural integration of the Celts in the western Roman
Empire / 151
MARC MAYER I OLIVÉ La presència d’honors de la dinastia Antonina a Tarraco / 159
CLAUDE MORDANT–MAFALDA ROSCIO Variabilité des pratiques funéraires à la fin du Bronze
moyen/Bronze final initial (XIVé-XIIIé s. av. J.C.) en France orientale, de l’Ile-de-France à l’Alsace / 169
PÁL RACZKY–ALEXANDRA ANDERS “A colourful message”: a special grave of the late neolithic Tisza culture / 193
ZSIGMOND RITOÓK Poeta doctus / 203
GILLES SAURON La Rankenfrau à Lepcis Magna / 213
MARTIN SCHÖNFELDER Speisen mit Stil – zu einem latènezeitlichen Hiebmesser vom Typ Dürrnberg in der
Sammlung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz / 223
DÁNIEL SZABÓ Éléments méditerranéens dans le répertoire de céramique de l’Îlot des Grandes Forges
à Bibracte / 235
KÁROLY TANKÓ Late Iron Age Settlement in the Vicinity of Ménfőcsanak (Road no. 83 and
Bevásárlóközpont) / 249
LŐRINC TIMÁR Les reconstitutions possibles des constructions de l’Âge du Fer, découvertes à Ráckeresztúr / 261
KATALIN VANDLIK La patère du Peintre de Femme-Éros / 273
DANIELE VITALI Un elmo di bronzo tra le carte d’archivio di Giovanni Gozzadini / 277
PAULA ZSIDI Eine Militärbüste aus Aquincum / 285
EINE MILITÄRBÜSTE AUS AQUINCUM
PAULA ZSIDI
Besonderen Wert verleiht dem Fund, dass er im Rahmen Abb. 1: Fundort der Militärbüste in der Topographie von
einer systematischen Freilegung, in der Nähe des Aquincum.
Originalstandorts, vermutlich in dessen Zerstörungs-
schicht, zum Vorschein gelangte. Die Fundstelle ist eine Abschnitts der heutigen Bécsi út erstreckte (Abb. 1). Auf
der Gräberparzellen des südwestlichen Friedhofs der dem Grundstück Bécsi út 38-42. kam es zwischen Juni
Militärstadt von Aquincum, die sich längs des südlichen und September 1993 vor Beginn eines Bauvorhabens6 und
Patrice Bertin zusammengestellt; die Dokumentation befindet sich im Archäologischen Archiv des Budapester Historischen Museums (BTM RA,
Inv. Nr.: 1820-97).
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Abb. 2: Situationsplan der Freilegung auf dem Grundstück Bécsi út 38-42. (Grabungen 1993-1996).
anschließend 1996, wegen der Verzögerung des ten, dass dieser ursprünglich im Inneren der Grabum-
Baubeginns erneut, zu Freilegungen.7 Die Büste kam im mauerung oder eher des Grabbaus stand, und zwar an des-
Zuge der Grabung des Jahres 1993 ans Licht.8 Auf Grund sen Eingangsseite, in Richtung Osten blickend. Nachdem
der Vorberichte9 öffneten sich an der Ostseite der westlich nur das teils aus Bruchsteinen, teils aus Monolithstein-
der heutigen Bécsi út verlaufenden römerzeitlichen Straße blöcken bestehende Fundament des Grabbaus zum
Grabummauerungen mit „frühen Brandbestattungen“. Auf Vorschein kam, lässt sich der genaue Platz (Nische oder
der anderen Straßenseite wurden eine Sarkophag- Sockel) nicht bestimmen. Auch der an der westlichen, der
Bestattung und etwas weiter ab Überreste einer frührömi- Frontseite des Grabmals stehende Grabstein hatte sich in
schen Handwerkersiedlung freigelegt (Abb. 2). östlicher Richtung geneigt. Der Grabbau weicht in seiner
In einer der den Weg in nahezu geschlossener Reihe säu- Konstruktion – teils wegen seines monolithischen
menden Grabummauerungen (Nr. 11) fand man die Büste, Fundaments, teils wegen des erhöht gelegenen Grabsteins11
mit ihrer Frontseite auf die Trümmer der östlichen, dem – um einiges von den benachbarten, oftmals noch in situ
Eingang gegenüberliegenden Mauer der im Großen und befindlichen, mit im Sockel verklammerten Grabsteinen
Ganzen 3 x 4 m Grundfläche messenden Ummauerung ausgestatteten Grabummauerungen ab (Abb. 6). Die
gestürzt10 (Abb. 3-5). Aus der Lage des Steins ist zu vermu- Beigaben des in der Mitte der Grabummauerung Nr. 11 frei-
10 Im Grabungstagebuch findet sich keine Eintragung über die Büste, nur ein Hinweis auf einen „kleinen, altarförmigen“ Stein aus „der
Grabummauerung Nr. 11“ in Verbindung mit dem Steintransport vom 14. September. Nachdem die Büste aber auf ihrer Frontseite lag, war sie als
solche nicht erkennbar, während die Stütze auf ihrer Rückseite, die vor der Bergung aus dem Boden ragte, tatsächlich altarförmig ist. Es wäre also
durchaus denkbar, dass auch der Ausgräberin selbst erst nach Bergung und Abtransport ins Museum der wahre Gehalt des Fundes klar wurde.
Doch im Grabunstagebuch fand das keinen Niederschlag.
11 Jetzt ist es nicht identifizierbar.
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Abb. 3-4: Der Moment, als die Büste zum Vorschein kam (Grabungsfoto).
gelegten Brandgrabes – Einhenkelkrüge, kleiner Topf, angeordneter – Fransenbesatz. Auf der linken Schulter
Firmenlampe und Parfümflasche – waren im Laufe des 2. hat man in die glatte Oberfläche des Mantels nachträg-
und zu Beginn des 3. Jahrhunderts gleichermaßen gebräuch- lich eine linksläufige Swastika eingemeißelt.
lich.12 Die Ausstattung des ein durchschnittlich gestaltetes Unter der Mantelfältelung befindet sich an der Büste
und beigabenbestücktes Grab enthaltenden Grabbaus jedo- eine 23 x 7,5 cm messende tabula ansata, auf beiden
ch barg ein Werk von außergewöhnlichem Niveau. Seiten mit je einer Peltaverzierung. Ihre Inschrift, die auf
Grund der Beobachtung von Margit Németh über das zur
Verfügung stehende Schriftfeld hinausreicht, lautet:
Beschreibung der Büste T(itus) Cl(audius) Victor c(ustos) a(rmorum).15
Der robuste Charakter der Büste, den sie in erster
Der Kopf der einen Soldaten darstellenden, lebens- Linie dem massiven Postament und der oberflächlich
großen Büste13 (Abb. 7-10) fehlt, ihre rechte Schulter bearbeiteten Rückseite verdankt, wird durch die glatte
und das mit der Skulptur zusammen gemeißelte ovale Oberflächenverarbeitung, den dynamischen Faltenwurf
Postament sind angebrochen, beschädigt. Ihre gegenwär- des Mantels und die feinen Details (Fransenbesatz, mit
tige Höhe beträgt 62 cm, die Schulterbreite 64-66 cm, Helmkopf verzierte Scheibenfibel, tabula ansata) kom-
die größte Dicke 32,5 cm. Das Kalksteinmaterial könnte pensiert. Wahrscheinlich nachträglich gelangte ähnlich
ebenso von einem einheimischen wie von einem der Swastika auch die Inschrift auf den Stein.
entfernteren Abbauort stammen.14
Die Büste steht auf einem leicht oval geformten (35 x
31 cm) Postament, das an der Frontseite 15 cm hoch, Auswertung
nach der Rückseite zu verjüngt und unausgearbeitet ist.
Seine Oberfläche ist über dem am unteren Rand umlau- Die Fundumstände des Steindenkmals lassen keinen
fenden kleinen Profil dicht tordiert. Die glatt gestaltete Zweifel daran, dass die Büste einst Teil eines Grabmals
Schulter auf der Rückseite der Büste schließt gerade ab. war. Auch die beiden bisher bekannten Büsten aus
Darunter stützt sich ein 30 cm hoher, 12,5 –15,5 cm brei- Aquincum gehörten zu Grabdenkmälern,16 ihre Funktion
ter altarsteinförmiger kleiner Pfeiler auf das Postament. und grobe Ausarbeitung jedoch weichen wesentlich von
Die Plastik stellt einen Soldaten im Mantel (sagum) jenen der eben beschriebenen Büste ab. Während die
dar, den auf der rechten Schulter eine Scheibenfibel Vorgenannten äußere Zierelemente (Aufsätze) des
zusammenhält. Auf der Fibel die Abbildung eines Grabbaus gewesen sein mögen – darauf deutet auch ihr
behelmten Kopfes. Den Saum des in dynamische Falten prismatischer Sockel über quadratischer Grundfläche
gelegten Mantels ziert je ein – auf der linken Schulter hin –,17 hat Letztere vermutlich zur Ausstattung des
senkrecht, unter der rechten Brustkorbseite waagerecht Grabmals gehört. In Pannonien ist es bis jetzt nicht
Geologie) vorgenommen, wofür ich ihr auf diesem Wege danken möchte.
15 Für die richtige Auflösung danke ich Margit Németh. Sie hat sich im Rahmen der Vorbereitung des dritten CIL-Bandes mit der Skulptur
beschäftigt, wobei ihr auffiel, dass sich dem C-Buchstaben innerhalb der tabula außerhalb des Schriftfeldrahmens noch ein A-Buchstabe anschließt.
16 Vgl. Anm. 3.
Abb. 5: Zeichnung der Grabummauerung Nr. 11 mit Originalposition der Büste (Zeichnung: É. Málik).
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Abb. 6: Gesamtansicht mit den Weg säumenden Grabummauerungen bzw. auf der Frontseite noch stehenden Grabstelen.
gelungen, Sepulchralbauten mit geschlossenem Grabkammer drei Büsten standen.21 Die Krypta selbst
Innenraum aus der Mittel- und Spätkaiserzeit zu bele- wurde zwar schon Mitte des 2. Jahrhunderts gebaut, aber
gen.18 Die rechteckige, mit einer Mauer umgegebene die Büsten hat man – nach den Porträtdarstellungen zu
Begräbnisstätte, in der man die Büste fand, kann infolge urteilen – erst etwas später, in den Jahren um 190-200
ihres stark verfallenen Zustands leider nicht rekonstruiert darin platziert.22 Die aus Teurnia (St. Peter in Holz)
werden. Allerdings bergen die in ihrer Umgebung freige- bekannte Porträtbüste, die im Gegensatz zu früheren
legten, besser erhaltenen architektonischen Reste Annahmen nicht auf dem Forum der Stadt gestanden,
(Grabummauerung Nr. 3) solche Details (z.B. hohe auf- sondern ebenfalls zur Ausstattung eines Grabmals gehört
gehende Mauern, Eingang, in die Mauer eingelassene hat, stammt aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts.23
Nische),19 die auf eine überdachte, teilweise oder ganz in Die Verstorbene abbildenden, am Begräbnisplatz aufge-
die Erde eingelassene Grabkammer in der besagten stellten Porträtbüsten folgen charakteristisch den für das
Gräberfeldparzelle hindeuten.20 Als Parallele sei das in jeweilige Zeitalter typischen Vorbildern, zumeist der
Köln-Weiden freigelegte, als Begräbnisplatz einer villa Ikonographie der Herrscherporträts.24 Unter den die
rustica dienende hypogeion erwähnt, wo im Inneren der militärische Aufgabe des Herrschers hervorhebenden
18 ERTEL 2002, 196; hierzu kann man die frühchristlichen Grabkammern der Spätrömerzeit nicht zählen.
19 Budapester Historisches Museum (BTM), Archäologisches Archiv, Inv. Nr.: 1820-97, Abb. 102-107.
20 Eine Aufarbeitung des Gräberfeldteils könnte auch in dieser Hinsicht neue Ergebnisse bringen.
21 DECKERS–NOELKE 1980.
24 Vgl. im Zusammenhang mit den Porträtbüsten auf Grabstelen: PFLUG 1989, 76-77.
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Bildtypen erfuhren während der Regierungszeit Trajans Spätantike als beliebte Art und Weise der Porträtierung.26
die den Kaiser im Soldatenmantel darstellenden Porträts In den regionalen Werkstätten folgte man der durch Staat
stärkere Verbreitung,25 und sie galten bis in die und Kaiser konzipierten Darstellungsweise,27 die wahr-
34 RIHA 1979, frühe Typen z.B.: 7.2, 7.3, 7.7, 7.11, spätere Typen: 3.14-17.
35 Nur im rundplastischen Material von Virunum, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: PICCOTTINI 1968, Kat. Nr. 7 (Apollo), Kat. Nr. 8-9
(Dioskur), Kat. Nr. 21 (Jupiter Dolichenus), Kat. Nr. 48 (Porträt); PICCOTTINI 1984, 17, Taf. 5, Kat. Nr. 300a (Mithras).
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39 Authentische Fibeldarstellungen sind ähnlich zu anderen Typen äußerst selten: RIHA 1979, 41-42; BÖHME 1972, 47-48.
40 Natürlich ist der Typ der Scheibenfibeln auf den Darstellungen verifizierbar, ohne jedoch seine genauen unter den Fibeltype antreffen zu kön-
nen. Vermutlich zeigen die Darstellungen schematisierte Varianten der aus den Fibeltypologien bekannten Typen.
41 RIHA 1979, 88, Typ 3. 17, Datierung zweite Hälfte 2. Jahrhundert, eher aber 3. Jahrhundert. Ein schönes Beispiel für den geschliffenen Stein
ist die Darstellung eines nach links blickenden Kopfes mit Helm der Athena oder Roma aus Poetovio: GOJKOVIČ 2005, Taf. 1.2.
42 Ein Victoria darstellendes Straubinger Stück dieses Typs erwähnt aus dem frühen Zeitraum: TÓTH E. 2005, 191, Anm. 19.
43 GARBSCH 1978, Pl. T.3. 2,3, T.33. 1,3, T.35. 1, T.36. 1-6.
44 BÖHME 1972, 46; JOBST 1975, 122-123; RIHA 1979, 88-89. Neuere Funde bekräftigen das Tragen des Typs auch im 4. Jahrhundert, z.B.:
ISKRA-JANOŠIĆ 2004, 183, Abb. 29; RIHA 1979, mit Zwiebelkopffibel vom Typ 6.5.
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des 2. bis zum ersten Drittel des 3. Jahrhunderts.44 Eines
der in Pannonien häufigeren linksläufigen Swastika-
Zeichen kam unlängst im südwestlichen Friedhof der
Militärstadt von Aquincum, in der Nähe des Fundorts der
Büste, zum Vorschein.45 Gleichfalls in Verbindung mit
dem Militär tauchte dieses Zeichen an der mit Nieten
beschlagenen Sohle eines Soldatenstiefels (caliga) auf,
in einer nur Männergräber enthaltenden spätrömerzeitli-
chen Parzelle des nördlichen Gräberfeldes der
Militärstadt.46 Wahrscheinlich stand das Zeichen zur
Person des Verstorbene in enger Beziehung, hielten es
die Hinterbliebenen doch für wichtig genug, es nachträg-
Abb. 14: Die Inschrift der Büste.
lich an dessen Porträt anbringen zu lassen. Vielleicht
gehe ich nicht fehl in der Annahme, dass die Swastika
irgendeine Zugehörigkeit bzw. Verpflichtung zum habe. Tordierung war ein beliebtes Motiv zur
Ausdruck brachte, mit der die Person „gekennzeichnet“ Säulengestaltung der Architekturrahmen der frühen, im
wurde.47 Ob das Zeichen ganz einfach einen Kreis von 1-2. Jahrhundert53 bzw. seltener der Anfang des 3.
Soldaten48 bedeutet hat oder aber mittels der tieferen Jahrhunderts54 entstandenen Grabsteine. Aber als ange-
inhaltlichen Elemente des Symbols (Sonnen-Symbol, wandte Technik beispielsweise begegnet man ihr auch
Lebensrad, Erneuerung) die Zugehörigkeit zu einer wesentlich später noch, und zwar bei der Gestaltung der
geistigen bzw. religiösen Gemeinschaft symbolisieren stilisierten Haartracht einer Porträtdarstellung des
sollte,49 lässt sich gegenwärtig nicht entscheiden. Tetrarchie-Zeitalters von der Küste Dalmatiens.55
Ähnlich der Swastika wurde auch die Inschrift der
Büste nachträglich eingemeißelt (Abb. 14). Die Inschrift
lief über den glatten, leicht unregelmäßig rechteckigen Zusammenfassung
Rahmen hinaus. Die Tafel säumt beidseitig je eine
Peltaverzierung, ihre Form ist an Steindenkmälern eher Die im südwestlichen Friedhof der Militärstadt von
selten, ihre Gestaltung erinnernt mehr an kunstgewerb- Aquincum zum Vorschein gelangte Militärbüste dürfte
liche Gegenstände (z.B. die peltaförmige Bronzeguss- im Zeitraum zwischen der zweiten Hälfte des 2. und dem
schnalle).50 Der Inschrift zufolge diente T. Cl. Victor als ersten Drittel des 3. Jahrhunderts geschaffen worden
Wächter des Waffenarsenals (custos armorum) in der sein. Auf die spätere Periode des relativ weitgefassten
Legion.51 Dieser unter dem eines centurio rangierende Zeitintervalls deuten die Tracht des Soldaten (fransenbe-
Dienstgrad ist auf zahlreichen Inschriftdenkmälern von setztes sagum) sowie der klassizisierende Stil der Büste.56
Aquincum überliefert.52 Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Brandbestattungen
Den individuellen Zügen der Büste darf man die tor- bergende Parzelle mit den Grabummauerungen schon
dierte Verzierung des profilierten Postaments zuordnen, eingerichtet war, bevor man die Büste in dem bereits
deren Analogie ich im Provinzialmaterial nicht gefunden stehenden Grabbau platzierte;57 das zeigen auch andere
49 Diesbezüglich bietet sich in erster Linie der Mithras-Kult an (astronomischer Hintergrund, Sonnesymbole, Weg der Sonne). TÓTH I. 2003, 19-
36. Aus Aquincum sind einige Gegenstände bekannt, die den Darstellungen nach, Symbolen mit dem Mithras-Kult geknüpft sind, und unter den
Symbolen spielt Swastika auch eine Rolle. Eine der Gegenstände ist eine Tonlampe mit Hymnus-Stempel (Inv. Nr.: 47933), wo die Zeile 4 des
Bodenstempels eine Art Swastika darstellt. Die Lampe wurde für den Mithras-Kult hergestellt. (PÓCZY 2000, 256-257.) Der andere Gegenstand
ist der Oberteil von einem „Räuchhergefässe” (Inv. Nr.: 50071). Auf dem Tonpyramide sind unter Vogel (Tauben oder Rabe?) Schlange, Gefässe,
liegende und stehende Kreuze, eine Swastika dargestellt. (NAGY L. 1945, 188-191)
50 Sammlung des Aquincum Museums, Inv. Nr.: 51096.
52 Beispielsweise AE 1967, 367; CIL III 14349.1; CIL III 14349.10; CIL III 3457. Letzteren Stein in das Jahr 231 datierend: ALFÖLDY 1963, 66,
Anm. 68.
53 PFLUG 1989, 44 bzw. z.B. Kat. Nr. 289, 282; ERDÉLYI 1974, 21, Abb. 12.
56 Den klassizisierenden Stil zeigt auch die severische Statue der Fortuna Nemesis aus dem Statthalterpalast: NAGY T. 1973, 147. Die Skulptur enstand
aus lokalem Kalkstein, ist aber zweifellos das Werk eines geladenen, wahrscheinlich aus dem Süden eingetroffenen Meisters: ERDÉLYI 1974, 126.
57 Die Aufarbeitung des Gräberfeldteils wird diese Frage gewiss beantworten.
Beispiele.58 Für eine Datierung Ende 2. – Anfang 3. Virunum62 anzusetzen. Vielleicht wurde für den Soldaten
Jahrhundert spricht, dass in der Severerzeit auch schon von Aquincum eine der damaligen Mode entsprechende
Soldaten, die auf der Rangleiter unter dem centurio stan- Büste aus einer den südlichen, norditalischen Einfluss
den – solch einen Rang bekleidete der Wächter des weitergebenden, auch im 3. Jahrhundert (in Sirmium,
Waffenarsenals (custos armorum) – Ansehen und politi- Poetovio, eventuell Dalmatien) tätigen Werkstatt be-
schen Einfluss genossen.59 Ihre günstige wirtschaftliche stellt.63 Auch die Möglichkeit, dass ein Wandermeister,
Situation60 ermöglichte es ihnen, sich das Grabmal mit der sein Handwerk in den oben erwähnten Werkstätten
einer am pannonischen Limes als selten bzw. Luxus gel- erlernte, die Skulptur angefertigt haben könnte, ist nicht
tenden, aus einer auf Qualität bedachten Werkstatt stam- auszuschließen; dem widersprechen allerdings die
menden Büste schmücken zu lassen. Spuren der Nachbearbeitung. Aller Wahrscheinlichkeit
Das einen am Niveau der Plastik von Aquincum nach hat die Werkstatt das vielleicht auf Grund von
gemessen höheren künstlerischen Wert verkörpernde, Mustervorlagen ausgewähhlte und angefertigte Stück
detailreichere und besser ausgearbeitete Bildwerk weist erst am Verwendungsort mit den Angaben des
über die Produkte der lokalen Werkstätten hinaus. Verstorbenen (Inschrift) und einem auf seine Person
Vermutlich ist die Schaffung der Büste etwas später als bezogenen Hinweis (Swastika) versehnen. Die
das Wirken der im 1.-2. Jahrhundert tätigen westpanno- Gestaltung der Letzteren ist jedoch weniger gut durch-
nischen Werkstätten61 bzw. der im antoninischen dacht als das Originalwerk und vetritt ein schwächeres
Zeitalter nach Aquincum umgesiedelten Werkstatt von technisches Niveau.
63 Die Gesteinsuntersuchung schloss auch eine lokale Herkunft des Kalksteins nicht aus, vgl. Anm. 14.
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Bibliographie
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