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TOME 44
Edited by
Pierre SWIGGERS
PEETERS
LEUVEN – PARIS – BRISTOL, CT
2018
TABLE DES MATIÈRES
Stephanos MATTHAIOS
(Aristoteles-Universität Thessaloniki)
1
Dass die antike Kategorie der Präposition auch Präfixe umfasst, wird aus den Defi-
nitionen der Wortart πρόθεσις in den grammatischen Lehrbüchern ersichtlich: D. Thr. Ars
gramm. §18, G.G. I/1. 70.2: Πρόθεσίς ἐστι λέξις προτιθεμένη πάντων τῶν τοῦ λόγου
μερῶν ἔν τε συνθέσει καὶ συντάξει; Sch. D. Thr., G.G. I/3. 91.20 (=Ap. Dysc. Fragm.,
G.G. II/3. 133.1-10): πρόθεσίς ἐστι μέρος λόγου καθ᾿ ἕνα σχηματισμὸν λεγόμενον,
προθετικὸν ‹πάντων τῶν› τοῦ λόγου μερῶν ἐν παραθέσει ἢ συνθέσει, ὅτε μὴ κατὰ
ἀναστροφὴν ἐκφέρεται; P.Lond.Lit. 182 (Nr. 2 Wouters), ii 67-71. Zum Begriffsumfang
der Wortart πρόθεσις siehe Lallot (1998: 211-215); vgl. Wouters (1979: 80-81 und 161-
162).
108 S. MATTHAIOS
Das Wort πρόθεσις ist ein Verbalnomen bzw. ein nomen actionis von
προτιθέναι, zusammengesetzt aus dem Präfix προ- und dem aus τίθημι
mit dem Verbalsuffix -σι- gebildeten Ableitungsnomen θέσις. Nach Ety-
mologie und Wortbildung zu urteilen, bedeutet πρόθεσις im eigentlichen
Sinne ‘Setzen, Aufstellen, Stellen’ oder ‘Lage’, wobei das Präfix προ- das
begrifflich nötige Element zur Spezifizierung der besonderen θέσις her-
beiführt. Wie Lallot (1996: 63) anmerkte, ist der Ausdruck πρόθεσις in
der griechischen Sprache seit dem 4. Jh. v. Chr. belegt. Im LSJ s.v. sind
folgende Bedeutungen angeführt: a) placing in public, b) public notice,
c) purpose, goodwill, d) supposition, calculation, e) statement of a case,
theme, thesis, proposition und f) preposition, prefix. Den meisten von die-
sen Bedeutungen (a-e) ist gemeinsam, dass προ- im Sinne von ‘vorwärts,
nach vorne’ aufzufassen ist, selbst wenn in einigen Fällen das Komposi-
tum zu einem Begriff zusammengewachsen ist, was zu einer Verdunke-
lung der Grundbedeutung von προ- führte. Nur beim grammatischen
Gebrauch von πρόθεσις hat προ- die — sowohl zeitlich als auch lokal —
von rückwärts aus gerichtete Bedeutung ‘vor, voraus’ bzw. ‘voran’ inne2.
Genau in dieser Umdeutung des Präfixes προ- liegt der Unterschied der
grammatischen Verwendung des Ausdrucks πρόθεσις von seinen weite-
ren Gebrauchsweisen. Dabei muss aber auch das zweite Kompositions-
glied θέσις bzw. das der Nominalableitung zugrunde liegende Verb προ
τιθέναι semantisch aktiviert worden sein und für die Prägung des Begriffs
‘Präposition’ stärker gewirkt haben. Denn προτιθέναι ist breiter und frü-
her als πρόθεσις in der (eigentlichen) Bedeutung ‘voransetzen, voranstel-
len, voranschicken, davorsetzen’ verwendet worden3. Durch die Neuinter-
pretation bezeichnet πρόθεσις den Vorgang des Voranstellens und darüber
hinaus auch das Gegenstandskonkretum, also das Wort, welches in münd-
licher oder schriftlicher Rede einem anderen vorangestellt wird. Diese
2
Zur Bedeutung der Präposition πρό und des Präfixes προ- siehe Schwyzer (1959-71:
II 505-508) mit Beispielen zu jeder Verwendung und Bedeutung.
3
Zu dieser Bedeutung von προτιθέναι/προτίθεσθαι siehe LSJ s.v. προτίθημι, I a 1
und IV a 1-2.
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 109
Funktion erfüllt die Präposition: Sie wird vor dem von ihr regierten Wort
ausgesprochen und steht vor ihm geschrieben4.
Der vorliegende Beitrag plädiert dafür, diese Entwicklung in Verbin-
dung mit Aristoteles’ Verwendung von πρόθεσις in der εἰκών-Definition
im dritten Buch seiner Rhetorik zu sehen. Selbst wenn πρόθεσις nicht
schon vor Aristoteles in der neuen Bedeutung verwendet oder von ihm
selbst so aufgefasst wurde, doch scheint sein Vorkommen an dieser Stelle
den Anstoß für seine Umdeutung gegeben und einen Wortgebrauch initi-
iert zu haben, der dem grammatischen Begriff ‘Präposition’ zugrunde
liegt.
4
Siehe zutreffend Lallot (1996: 63): „la préposition s’énonce avant et se trouve écrite
devant le mot auquel elle se rattache“.
5
Aristoteles’ εἰκών-Begriff umfasst sowohl Kurzvergleiche als auch Dichter- bzw.
ausgeführte Gleichnisse; vgl. dazu McCall (1969: 30-37) und Schindler (2000: 29-30). Der
Ausdruck εἰκών wird in diesem Beitrag in Anschluss an Rapps Übersetzung der Rhetorik
(2002) mit ‘Gleichnis’ wiedergegeben.
6
Der Text der aristotelischen Rhetorik wird nach der Ausgabe von R. Kassel (1976)
zitiert; auch die hier im begleitenden textkritischen Apparat angeführten Informationen
beruhen auf Kassels Angaben. Auf die für die εἰκών relevanten Stellen aus Aristoteles’
Rhetorik, die hier näher betrachtet werden, wird im Verlauf dieses Beitrags mit der laufen-
den Nummer [1], [2] und [3], mit der sie in diesem Abschnitt angeführt sind, verwiesen.
110 S. MATTHAIOS
In III 2 hat Aristoteles die besondere Rolle der Metapher für die
ἀρετὴ τῆς λέξεως herausgestellt und ihren angemessenen Gebrauch
geschildert. Nach der Behandlung des ‘Frostigen’ (τὸ ψυχρόν) in III 3
kommt er in III 4 auf das Gleichnis (εἰκών) zu sprechen. Gleich zu
Beginn von III 4 merkt Aristoteles zum Verhältnis zwischen Gleichnis
und Metapher an: Auch die εἰκών sei eine μεταφορά; denn sie unter-
scheide sich nur geringfügig von dieser (διαφέρει γὰρ μικρόν). Den
Unterschied zwischen beiden Arten metaphorischer Ausdrucksweise
7
In ausschließlicher Verbindung mit dieser Stelle bringen den Rückverweis z.B.
Cope – Sandys (1877: III 108), Rhys Roberts (1924, ad loc. Anm. 7), Rapp (2002: II 892)
und Sieveke (1993: 190). Bereits Bonitz (1870: 638 s.v. πρόθεσις) berief sich zur Erläu-
terung des Wortgebrauchs von πρόθεσις in [1] auf [2].
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 111
macht Aristoteles anhand eines Beispiels, das offenbar nach einem home-
rischen Vergleich gebildet wurde8, deutlich: Die Formulierung ‘ὡς δὲ
λέων ἐπόρουσεν’ stelle ein Gleichnis, ‘λέων ἐπόρουσε’ hingegen eine
Metapher dar. Gleichnisse, fügt Aristoteles hinzu, seien eher für die Dich-
tung, weniger für die Prosarede geeignet. Die Gründe dafür sind in [1]
ausgeführt. Schließlich seien Gleichnisse wie Metaphern zu bilden, da sie
auch solche seien. Nach Anführung einer Reihe von Beispielen für εἰκό
νες (III 4. 1406b26-1407a10)9 bezieht Aristoteles am Ende von III 4 noch
einmal zum Verhältnis von εἰκών und Metapher Stellung:
[3]
Rhet. III 4. 1407a10: πάσας γὰρ ταύτας καὶ ὡς εἰκόνας καὶ ὡς μετα
φορὰς ἔξεστι λέγειν· ὥστε ὅσαι ἂν εὐδοκιμῶσιν ὡς μεταφοραὶ λεχθεῖ
σαι, δῆλον ὅτι αὗται καὶ εἰκόνες ἔσονται, καὶ αἱ εἰκόνες μεταφοραὶ
λόγου δεόμεναι.
1 γὰρ ω (anon) : δὲ Γ 4 λόγου δεόμεναι ω (anon) : λόγῳ δὲ οὐ πρέπουσαι
vel λόγῳ δὲ σπάνιαι/-οι conj. e.g. McCall (1968: 164), λόγου δὲ οὐκ οἰκεῖαι
Lloyd-Jones apud McCall ibid.
Unter Berufung auf den zwischen [2] und [3] liegenden Beispielska-
talog für Gleichnisse unterstreicht Aristoteles erneut das enge Verhält-
nis zwischen Gleichnis und Metapher, was auch den Ausgangspunkt
seiner Erörterung bildete. Anfangs- und Schlussstelle von III 4 — also
[2] und [3] — sind bezeichnenderweise mit dem kausalen γὰρ mitein-
ander verbunden10. Zwischen Metapher und Gleichnis bestehe deswe-
gen eine Verwandtschaft, weil diese sich ineinander konvertieren las-
sen. Gelungene Metaphern könnten als Gleichnisse formuliert werden,
Gleichnisse wiederum als Metaphern, wenn man ersteren den λόγος
wegnehme.
8
Nach Cope – Sandys (1877: III 48 mit Anm.1) beruht dieses Beispiel auf Ilias Υ
164-165: Πηλείδης δ’ ἑτέρωθεν ἐναντίον ὧρτο, λέων ὣς/σίντης. Die Abweichungen
des aristotelischen Beispiels vom homerischen Wortlaut führen Cope – Sandys (ebd.)
darauf zurück, dass Aristoteles aus dem Gedächtnis zitierte. Als Vorbild für das angeführte
Beispiel kämen weitere Homerstellen, wie Λ 129-130, Δ 471-472, Ο 579 und Ε 161 in
Frage; vgl. Kassel (1976: 155) im Testimonienapparat z.St. Zum aristotelischen Beispiel
siehe McCall (1969: 33), Rapp (2002: II 850, Komm. zu b21) sowie Schindler (2000: 30
mit Anm. 12).
9
Zu den von Aristoteles angeführten Beispielen für Gleichnisse vgl. auch unten,
S. 113.
10
Die Lesart der handschriftlichen Überlieferung γὰρ ist deswegen dem aus den
lateinischen Übersetzungen der Rhetorik erschlossenen, von Ross (1959) gebilligten δὲ
vorzuziehen.
112 S. MATTHAIOS
11
Für diese Ansicht sei hier exemplarisch auf folgende Literatur verwiesen: Cope –
Sandys (1877: III 48), Cope (1867: 290), McCall (1969: 32-33), Schindler (2000: 29 und
30 Anm. 11), Rapp (2002: II 851 und II 922). Mit Blick auf das Vorkommen einer Ver-
gleichspartikel wird der Unterschied zwischen Gleichnis und Metapher z.B. von Jürgensen
(1968: 52-53), Snipes (1988: 206) und Corbett – Connors (1999: 396) gedeutet.
12
Über den Kommentar des Anonymos zu dieser Stelle wird unten, S. 118-120, aus-
führlich berichtet.
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 113
Metapher: –πρόθεσις
Gleichnis: +πρόθεσις
[πρόθεσις = Vergleichspartikel]
Akzeptiert man diese Deutung von πρόθεσις in [1], so könnte man daraus
schließen, dass hier bereits ein terminus technicus vorliegt, auf dessen
Grundlage die Umdeutung und die Entstehung des grammatischen Begriffs
‘Präposition’ vonstatten gegangen ist. Denn beiden Gebrauchsweisen, der
aristotelischen und der grammatischen, liegt dieselbe Bedeutung zugrunde:
Präpositionen sind genau wie Vergleichspartikel vorangestellte Wörter.
Es ist jedoch fraglich, ob diese Deutung Aristoteles’ Auffassung vom
Gleichnis entspricht. Dagegen spricht folgendes: Gleich im Anschluss an
die εἰκών-Definition in [2] illustriert Aristoteles das Gleichnis mit ins-
gesamt 10 Beispielen, die aus verschiedenen Autoren entnommen sind
(III 4. 1406b26-1407a10)13. Nicht alle Beispiele jedoch fügen sich nach
dem in [2] genannten Fall ‘ὡς δὲ λέων ἐπόρουσεν’ in das Muster:
‘Gleichnis = wie x’ (wo x der metaphorische Ausdruck ist) . Die seman-
tische Reduktion des Ausdrucks πρόθεσις auf Vergleichspartikeln ist
zudem deswegen problematisch, weil Gleichnisse in den in III 4 ange-
führten Beispielen unterschiedlich eingeleitet werden. Als Einleitungs-
wörter fungieren Ausdrücke wie ὅμοιος, εἰκάζω, ἔοικα, die zur traditio-
nellen Form eines Gleichnisses, bestehend in der Regel aus einem ‘Wie-’
und einem ‘So-Stück’, nicht passen14. Es ist ferner besonders auffallend,
dass Aristoteles in [2] den Unterschied zwischen Metapher und Gleichnis
eigentlich nicht ausdrücklich benennt, sondern nur aus den dort genannten
Beispielen erschließen lässt. Dennoch ist es voreilig, auf deren Grund-
lage den Unterschied zwischen Metapher und Gleichnis auf die formale
Seite bzw. auf die Vergleichspartikel einzuschränken. Denn dadurch
bleibt der inhaltliche Unterschied zu Unrecht unberücksichtigt. Dieser ist
laut [3] in einem λόγος, der im Falle einer Metapher fehlt, bei einem
Gleichnis dagegen vorhanden ist, expressis verbis gesehen worden, aber
auch in [1] — hier jedoch nur andeutungsweise — zum Ausdruck
gebracht15.
13
Die Beispiele erläutern, außer Cope – Sandys (1877: III 48-54) und Rapp (2002:
II 850-851), McCall (1969: 33-36) und Guidorizzi – Beta (2000: 146-147).
14
Siehe dazu McCall (1969: 33-36) und Rapp (2002: II 850).
15
Vgl. dazu unten, S. 116.
114 S. MATTHAIOS
Nach der allgemein akzeptierten Ansicht, die auch fast in jeder Über-
setzung zu Aristoteles’ Rhetorik zum Ausdruck kommt, ist πρόθεσις in
[1] als ‘Art der Aufstellung’ bzw. ‘Form der Präsentation’ zu verstehen16.
Diese Interpretation geht von der Bedeutung ‘placing in public, laying out’
bzw. ‘Aufstellung, Darlegung’ aus, eine Bedeutung, die auch das zugrunde
liegende Verb προτιθέναι/προτίθεσθαι (‘davorlegen, hinstellen, öffent-
lich/zur Schau ausstellen’) innehat17. Bei Aristoteles ist sie sowohl für das
Verb προτιθέναι als auch für das nomen actionis πρόθεσις bezeugt18.
Dennoch ist die Forschung auch bei dieser Interpretation von πρόθε
σις zu Konzessionen gezwungen, die die angenommene Bedeutung ‘Auf-
stellung, Darlegung, Präsentation’ relativieren. Denn wie ist zu erklären,
dass Rapp, obwohl er πρόθεσις als ‘die Art/die Formulierung, durch die
[…] das Gleichnis behauptet wird’ erläutert (2002: II 892), es in seiner
Übersetzung mit ‘Form der Behauptung’ (2002: I 144 ad loc.) wieder-
gibt? Noch deutlicher kommt diese Inkonsistenz bei Cope – Sandys (1877:
III 108) zum Ausdruck, wenn sie ‘the manner of setting forth’ inhaltlich
mit ‘the mode of statement’ gleichsetzen. Sowohl die von Rapp als auch
die von Cope – Sandys angenommenen Doppelinterpretationen zu πρόθε
σις sind aber kaum miteinander deckungsgleich. Während von den jewei-
ligen Paaren die erste Deutung die formale Seite, also die Anlage eines
Gleichnisses, in den Vordergrund stellt, so bringt die zweite — ‘Behaup-
tung’/‘statement’ — den inhaltlichen Unterschied zur Metapher zum Aus-
druck, als ob man dabei nicht entscheiden kann, welches Element — die
Art der Formulierung oder die Behauptung — Aristoteles hier meint.
Diese Unstimmigkeit nimmt eine besondere Dimension ein je nach-
dem, ob man den Ausdruck πρόθεσις bei seiner Verwendung in [1] in
semantischer Beziehung zum Begriff propositio und, darüber hinaus, zu
16
Siehe Cope – Sandys (1877: III 108-109): ‘the manner’ bzw. ‘the mode of setting
forth’, Rhys Roberts (1924 ad loc.): ‘the way it is put’, Kennedy (1991: 244): ‘how it is
set out’, Dufour – Wartelle (1973: 64): ‘le mode de présentation’, Rapp (2002: II 892):
‘die Art/die Formulierung durch die […] das Gleichnis behauptet wird’ und Sieveke (1993:
190): ‘Art der Aufstellung’. Dieser Deutung folgend gibt Huys (2001-06, ad loc.) in der
Internet-Version seiner Rhetorik-Übersetzung den Ausdruck πρόθεσις mit „wijze van
voorstellen“ wieder; in der gedruckten Form dagegen (2004: 208) übersetzt er ihn mit
„voorvoegsel“. Diese letzte Übersetzung deutet darauf hin, dass Huys den Ausdruck πρό
θεσις doch als ‘Vergleichspartikel’ versteht; zu dieser Deutung von πρόθεσις vgl. oben,
S. 112-113.
17
Zu πρόθεσις in dieser Bedeutung vgl. oben, S. 108; zu προτιθέναι siehe LSJ s.v.
II a 1-3.
18
Siehe Bonitz (1870: 638 s.v. πρόθεσις und 654 s.v. προτιθέναι).
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 115
19
Zum Begriff propositio bei Aristoteles siehe Cope (1867: 332-334), Cope – Sandys
(1877: III 156-158) und Rapp (2002: II, 955-956 und 958-960). Über die propositio in
der antiken Rhetoriklehre siehe Volkmann (1885: 123-127 und 166-175); vgl. Fuhrmann
(1965: 166 mit Anm. 4) zum Gebrauch des Terminus πρόθεσις in der Alexander-Rhetorik.
20
Rhys Robert (1924 ad loc.) gibt πρόθεσις in III 13 mit ‘statement of the case’
wieder. Auch Dufour – Wartelle (1973: 77) differenzieren zwischen beiden Verwendun-
gen von πρόθεσις und übersetzen den Ausdruck als Bezeichnung für den bestimmten
Redeteil mit ‘proposition’; vgl. Dufour – Wartelle (1973: 120 [zu S. 77]). Ähnlich verfährt
auch Kennedy: Während er πρόθεσις in [1] mit ‘how it is set out’ übersetzt, gibt er es in
III 13 mit ‘statement’ (1991: 258), ‘statement of the proposition’ (1991: 259) oder schlicht
mit ‘proposition’ (1991: 259 Anm. 175) wieder. Vgl. auch die Angaben in Anm. 19.
21
Vgl. oben, S. 110 mit Anm. 7.
116 S. MATTHAIOS
22
Siehe auch McCall (1969: 41): „It is possible that Aristotle wanted these two defi-
ciencies linked in a single process: because εἰκών is longer it is poetical and therefore
instructs less well. More probably the two should remain distinct“.
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 117
23
Einen Überblick über die vorgeschlagenen Erklärungen zu λόγος an dieser Stelle
gibt McCall (1968).
24
Laut Cope (1867: 290) ist die Wendung λόγου δεόμεναι wie folgt zu verstehen:
„with the explanation or details omitted“; Cope (ebd.) fügt hinzu: „a simile is a metaphor
‘writ large’, with the details filled in; this is λόγος“; vgl. Cope – Sandys (1877: III 54).
25
Siehe Rapp (2002: II 891-892 und 922).
26
Zu der nominierenden Funktion der Metapher, worin auch ihre kognitive Leistung
gesehen wird, siehe Rapp (2002: II 885-890 und 924-927); vgl. Laks (1994) mit weiterer
Literatur dazu.
27
Siehe Rapp (2002: II 892): „Entweder denkt [Aristoteles] hier bei der unterschied-
lichen ‘Form der Behauptung’ nicht nur an das Vergleichswort ‘wie’, sondern daran, dass
bei Gleichnissen bisweilen Gemeinsamkeiten explizit genannt oder entwickelt werden. […]
Oder Aristoteles meint hier die besondere Art von Suche, die nur durch die Behauptung
(oder Unterstellung), ‘dass dieses jenes ist’, veranlasst wird“.
118 S. MATTHAIOS
28
Der anonym überlieferte Kommentar zu Aristoteles’ Rhetorik stammt, wie auch der
unter dem Namen eines Stephanos überlieferte, aus dem 12. Jh. Beim Anonymos wird
spekuliert, ob es sich um Michael von Ephesos handelt. Über die byzantinischen Kom-
mentare der Rhetorik siehe Conley (1990: 30-40 und 1994: 237-240); vgl. Rapp (2002:
I 294-295).
29
Vgl. Kassels textkritischen Apparat z.St. — wiederabgedruckt unterhalb von [1],
S. 109. Zu den Gründen, die die varia lectio προσθέσει motivierten, siehe unten, S. 120-123.
30
Siehe Anon. in Rhet. III 4. 1406b20, CAG XXI/2. 178.3-5: διαφέρει καὶ κατὰ
τοῦτο, ἤτοι κατὰ τὴν ἐκφώνησιν καὶ φράσιν· ἐπὶ μὲν γὰρ τῆς εἰκόνος λέγεις τὸ ὥς
καὶ τὸ καθά καὶ ἠύ καὶ ἠύτε καὶ τὸ καθάπερ, ἐπὶ δὲ τῶν μεταφορῶν οὔτε τὸ ὥς
κεῖται οὔτε τὸ ἠύ οὔτε ἄλλο τι ὧν εἴπομεν. Dieselbe Ansicht wiederholt der Scholiast
etwas weiter unten; siehe Anon. in Rhet. III 4. 1406b25, CAG XXI/2. 178.12-15: ἐπεὶ
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 119
καὶ αἱ εἰκόνες μεταφοραί εἰσι, κατὰ τοῦτο δὲ καὶ μόνον διαφέρουσι τῶν μετα
φορῶν, διότι ἐν μὲν ταῖς μεταφοραῖς οὔτε <τὸ> ὥς κεῖται οὔτε τὸ καθώς, ἐν δὲ ταῖς
εἰκόσι κεῖται τὸ ὥς καὶ τὸ καθώς.
31
Siehe Anon. in Rhet. III 4. 1407a10-14, CAG XXI/2. 179.21-25: πάντα γὰρ ταῦτα
ἔστι λέγειν καὶ ὡς εἰκόνας καὶ ὡς μεταφοράς· εἰ μὲν λέγομεν αὐτὰ μετὰ τοῦ ὥς
ἢ τοῦ καθώς, λέγονται εἰκόνες, εἰ δὲ χωρὶς τοῦ ὥς καὶ τοῦ καθώς λέγονται, εἰσὶ
μεταφοραί· ὥστε τῇ προσθήκῃ τοῦ ὥς καὶ πάλιν τῇ ἀφαιρέσει τοῦ ὥς τὸ αὐτὸ
ῥηθήσεται πῂ μὲν εἰκών, πῂ δὲ μεταφορά; vgl. auch ibid. 179.25-3.
120 S. MATTHAIOS
Adverbs subsumiert wurden und darin eine besondere Klasse von Adver-
bien, die so genannten παραβολῆς ἢ ὁμοιώσεως ἐπιρρήματα, bilde-
ten32. Die Tatsache, dass der Anonymos von πρόθεσις und nicht etwa von
ἐπίρρημα spricht, könnte bedeuten, dass bei seiner πρόθεσις-Verwendung
eine weitere terminologische Gebrauchsweise vorliegt, die sich parallel zu
der Anwendung dieses Ausdrucks im grammatischen Kontext abzeichnete.
Die Prägung eines speziellen Terminus πρόθεσις für die Bezeichnung
von Vergleichspartikeln muss nicht in der Zeit der Anonymos geschehen
sein, sondern früher, auf jeden Fall nicht wesentlich lange nach der Ent-
stehung von Aristoteles’ Rhetorik. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird,
ist dieser Gebrauch altertümlich genug, und, falls er nicht auf der Basis
des grammatischen Begriffs πρόθεσις entstanden ist, so hat er zumindest
den Anstoß für dessen Entstehung gegeben. Diese Annahme lässt sich
durch einige weitere Belege stützen, die in der nacharistotelischen Rheto-
riktradition vom Gebrauch des Ausdrucks πρόθεσις in dieser Bedeutung
zeugen.
Ein starkes Indiz dafür, dass Aristoteles’ Gebrauch von πρόθεσις in
[1] bereits früh enger gefasst wurde, liefert die in der Handschriftenfamilie
β bezeugte varia lectio προσθέσει, die gegenüber dem in A überlieferten
προθέσει eine lectio facilior darstellt und offenbar aus dem Bedürfnis
gewachsen ist, das originelle, jedoch nicht eindeutige προθέσει zu erläu-
tern33. Es empfiehlt sich aber nicht, die Lesart προσθέσει als wertlos und
unbedeutend zu diskreditieren34. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird,
war die Variante προσθέσει früh im Umlauf.
Wie ist es aber zu der Lesart προσθέσει gekommen? Welche Auf-
schlüsse sind aus dieser Variante über Bedeutung und Verwendung von
πρόθεσις in [1] zu gewinnen? προθέσει und προσθέσει sind zwei in
ihrer Aussprache und Orthographie eng miteinander verwandte Formen.
Auf den ersten Blick erscheint eine Verlesung bzw. Verschreibung kaum
verwunderlich. Der Grund, der die Änderung des προθέσει zu προσθέ
σει verursachte, war jedoch nicht die Ähnlichkeit beider Formen zuein-
ander, sondern vielmehr der ambivalente Bezug des Partizips διαφέρουσα
32
Siehe D. Thr. Ars gramm. §19, G.G. I/1. 79.2: Τὰ δὲ παραβολῆς ἢ ὁμοιώσεως
(sc. ἐπιρρήματα), οἷον ὡς, ὥσπερ, ἠΰτε, καθάπερ; vgl. dazu Lallot (1998: 229-230).
33
Kassel (1971: 95-97) untersucht einige Varianten, die als Marginalerläuterungen
zum Wortlaut an den entsprechenden Rhetorik-Stellen nach β gelangt sind.
34
Das Verhältnis von A zu β schildert Kassel (1971: 97) wie folgt: „A [ist] stemma-
tisch in der Tat nichts als ein gleichberechtigter Partner von β, so daß der Editor bei der
Rekonstruktion des Archetypus im Falle von Divergenzen sich an keiner Stelle von einer
unvoreingenommenen Abwägung der Varianten dispensieren darf“.
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 121
35
Siehe oben, S. 118-119.
122 S. MATTHAIOS
36
Zur Metapher- und Gleichnis-Theorie des Demetrios und speziell zu ihrem Verhält-
nis zu Aristoteles siehe Schenkeveld (1964: 88-101), McCall (1969: 137-155) und Chiron
(2001: 205-217). Zu De eloc. §§78-90 vgl. Grube (1961: 80-83), Guidorizzi – Beta (2000:
171-177) und Marini (2007: 202-207).
37
Vgl. dazu McCall (1969: 39 Anm. 43 und 143 Anm. 51) und Grube (1961: 81).
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 123
Demetrios’ Auslegung von [1] sowie die eigene Verwendung von προσ
τιθέναι und προτιθέναι bauen eindeutig auf einem engen Verständnis
des Ausdrucks πρόθεσις auf, das die semantische Reduktion des Begriffs
auf die Voranstellung von Wörtern bzw. auf vorangestellte Wörter vor-
aussetzt. Die Lesart προσθέσει erweist sich als ein Bindefehler, der
Demetrios’ mit dem aristotelischen Text verbindet. Somit liefert Deme-
trios einen terminus ad quem, auf jeden Fall einen terminus post quem
für die Entstehung der Lesart προσθέσει sowie für die Umdeutung des
aristotelischen Ausdrucks πρόθεσις, auf der letztlich diese varia lectio
beruht. Wegen der Datierungsprobleme von Demetrios’ Traktat kann
jedoch der terminus post quem vom 3. Jh. v. Chr. bis — wenn man der
extremen Position einer Spätdatierung folgt — zum 1. Jh. n. Chr. variie-
ren38. Folgt man aber der inzwischen allgemein vertretenen Position, dass
dieser Traktat im 2., spätestens zu Beginn des 1. Jh. v. Chr. entstanden
ist und einen viel älteren Lehrbestand enthält, den der Autor oft unver-
ändert wiedergibt, so kann man annehmen, dass in hellenistischer Zeit,
nicht erheblich lange nach der Entstehung der aristotelischen Rhetorik
die Lesart προσθέσει kursierte, ferner dass die Einengung der Bedeutung
von πρόθεσις auf den Begriff ‘Voranstellen’ bzw. auf ‘vorangestellte
Partikel’, wie letzlich auch die Verwendung von προτιθέντες in De
eloc. §89 bezeugt, bereits vollzogen war.
Besteht aber noch die Möglichkeit, das Zeugnis des Demetrios als
terminus ante quem für diese semantische Entwicklung anzusehen? Diese
Frage lässt sich konkret wie folgt formulieren: Ab wann ist die Verwen-
dung des Ausdrucks πρόθεσις oder auch des zugrunde liegenden Verbs
προτιθέναι in der Bedeutung ‘Voranstellen’ in ähnlichen Kontexten aktiv,
und ab wann ist der Begriffsumfang dieser Ausdrücke zur Bezeichnung
vorangestellter Wörter bzw. Vergleichspartikel belegt?
Einen Hinweis für die Beantwortung dieser Frage bietet wieder einmal
Demetrios. Zu Beginn des §80 warnt er vor dem Gebrauch einer kühnen
Metapher, die dadurch zu lindern sei, dass man sie in eine εἰκασία
umwandelt. Man hat bereits erkannt, dass Demetrios sich an dieser Stelle,
wie auch sonst häufig im gesamten Abschnitt über die Metapher, auf
Aristoteles und peripatetisches Gedankengut beruft39. Ps.-Longin schreibt
38
Einen Überblick über die verschiedenen Positionen zur Datierung dieser Schrift
bietet de Jonge (2009: 2 mit Angabe der betreffenden Literatur dazu). Marini (2007: 4-16)
plädiert für eine Datierung in das 1. Jh. n. Chr.; siehe jedoch die berechtigten Einwände
von de Jonge (2009: 2-4) gegen Marini’s Ansichten.
39
Es besteht kein Zweifel daran, dass Demetrios Aristoteles’ (Stil-)Theorien, speziell
dessen Metapherntheorie verarbeitet hat. Zu diesem Thema siehe Grube (1961: 32-39),
124 S. MATTHAIOS
Schenkeveld (1964), Innes (1988: 315-322 und 1995: 312-321) und Marini (2007: 20-38).
Speziell zu De eloc. §80 siehe Schenkeveld (1964: 92-94) und McCall (1969: 142-144).
40
Siehe dazu McCall (1969: 53-55 und 156-157).
41
Siehe dazu Cope – Sandys (1877: III 77-78), Schenkeveld (1964: 93) und Forten-
baugh (2005: 289-290).
42
Siehe den Kommentar von Fortenbaugh (2005: 286-293) zu diesen Theophrast-
Fragmenten; vgl. Schenkeveld (1964: 93-94), Innes (1988: 320-321) und Guidorizzi –
Beta (2000: 163-164).
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 125
43
Zu dieser Cicero-Stelle siehe den Kommentar von Fortenbaugh (2005: 290-291) und
Wisse – Winterbottom – Fantham (2008: 220-221).
44
In der Einleitung zum Abschnitt über den ornatus beruft sich Cicero (de Orat. 3.148)
auf auctores et inventores dieser Lehre. Damit meint er offenbar seine griechischen Vor-
bilder, die er an anderen Stellen auch namentlich erwähnt; dies sind unter anderem Isokra-
tes, Aristoteles und Theophrast. Vgl. dazu Wisse – Winterbottom – Fantham (2008: 187,
Komm. z.St.). Zu Ciceros Auseinandersetzung mit Aristoteles und Theophrast siehe
Fortenbaugh (1989 und 2006).
126 S. MATTHAIOS
Schlussbetrachtung
Auf der Suche nach den Ursprüngen des grammatischen Terminus
πρόθεσις als Bezeichnung der Wortart ‘Präposition’ stoßen wir auf Aris-
toteles’ Äußerung über die εἰκών und deren Gegenüberstellung zur Meta-
pher im dritten Buch der Rhetorik. Wie wir zu zeigen versuchten, hat der
dort vorkommende Gebrauch von πρόθεσις die Umdeutung des Wortes
ausgelöst und auf deren Basis eine neue Verwendung initiiert. Gegenüber
dem früheren Gebrauch des Wortes πρόθεσις enthält das Präfix προ- in
dieser neuen Verwendung die Bedeutung ‘voran’, so dass das Komposi-
tum, hier auch mit Rücksicht auf die sonstige Anwendung des zugrunde
liegenden Verbs προτιθέναι, in Kontexten, die Sprache und Wortstel-
lung betreffen, zur Bezeichnung des Vorganges der Voranstellung von
Wörtern und, darüber hinaus, der vorangestellten Wörter selbst dient.
Selbst wenn Aristoteles den Ausdruck πρόθεσις nicht in dieser Bedeu-
tung aufgefasst und verwendet hat, ist man doch bei der Auslegung seiner
εἰκών-Charakteristik in der folgenden Zeit durchgehend von dieser neuen
Bedeutung ausgegangen. Trotz vielen Lücken, die die Geschichte dieser
Wortverwendung im rhetorischen Kontext aufweist, können wir sie bis zu
einem relativ frühen Zeitpunkt zurückverfolgen, zu dem die Umdeutung
von πρόθεσις stattgefunden hat. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass
eventuell schon Theophrast mit diesem neuen Gebrauch von πρόθεσις
und προτιθέναι vertraut war.
Sobald dieser neue Gebrauch von πρόθεσις aufgekommen ist und
semantisch fixiert wurde, oder auch parallel zu dieser Verwendung in der
Rhetoriktradition, dürfte der grammatische πρόθεσις-Begriff entstan-
den sein. Es ist möglich, dass die Grammatiker den durch die Rhetoriker
vorgeprägten Terminus zur Bezeichnung der neu ermittelten Wortkate-
gorie der Präposition übernommen haben. Er passte vortrefflich als
Bezeichnung von Wörtern, die vor den von ihnen regierenden Ausdrü-
cken ausgesprochen bzw. geschrieben werden. Es ist durchaus denkbar,
dass Aristophanes von Byzanz den modernen Terminus πρόθεσις in die
grammatische Tradition eingeführt und im Rahmen seiner Reflexion über
das ἴδιον von Präpositionen zur Bezeichnung der gesamten Wortklasse
verwendet hat45.
45
Aristophanes’ Reflexion über die Präpositionen ist bei Ap. Dysc. Synt. IV 11,
G.G. II/2. 443.8-10 (=Aristoph. Byz. fr. 382 Slater) überliefert. Siehe dazu Callanan
(1987: 28-30); vgl. Matthaios (1999: 588, 608 und 613 sowie 2002: 167 und 183). Über
die Möglichkeit, dass Aristophanes den Terminus doch einführte, siehe Matthaios (2010:
362-363).
DIE ENTSTEHUNG DES TERMINUS ΠΡΟΘΕΣΙΣ 127
MCCALL, Marsh. 1968. „Aristotle, Rhetoric III. 4. 1407a15 and 11. 1413a5“.
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